e-Portfolio von Michael Lausberg
Besucherzäler
Das Erziehungsverständnis Immanuel Kants
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Wesentliche Merkmale der Aufklärungspädagogik
3 Das theoretische Fundament
3.1 Rousseau
3.2 Philanthropismus
3.2.1 Basedow
3.2.2 Campe
3.2.3 Salzmann
3.2.4 Von Rochow
3.2.5 Trapp
4 Kants Erziehungsverständnis
4.1 Kants Pädagogik
4.1.1 Die Denkweise der Kantischen Pädagogik
4.1.2 Die Problematik einer Erziehung als Entwicklung von Naturanlagen der Menschheit
4.2 Sittlichkeit und Erziehung
4.2.1 Kants Problemstellung: Der Mensch als praktisch-geselliges Wesen
4.2.2 Das Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft
4.2.3 Die Denkweise der Kantischen Moralphilosophie
4.3 Aktuelle Bezüge des Kantischen Erziehungsdenkens
4.3.1 Kants Moralphilosophie im Umkreis der Verständnismöglichkeiten von sittlicher Erziehung
4.3.2 Problem einer pädagogischen Anwendung der Kantischen Ethik
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
1.Einleitung
„Kant hat durch sein Werk einen Schritt im Philosophieren getan, der weltgeschichtliche Bedeutung hat. Vielleicht ist seit Plato nichts geschehen, was in der herben Luft des Denkens und aus ihr wirkend so weitreichende Folgen haben müßte, nicht im Raum der Technik und Naturbeherrschung, sondern im Inneren des Menschen für seine Denkungsart, sein Seinsbewusstsein, seine Ideen, seine Antriebe und seinen guten Willen. (…
Kant ist ein Träger der Humanität der Aufklärung. Er ist nicht nur der große Kopf, sondern der wahrhaftige Mensch. Sein Ethos kennt nicht übersteigerte Handlungen, in denen Moral unwahrhaftig konstruiert oder pathetisch demonstriert wird, um dann sich im eigensüchtigen Alltag zu verstecken. Sein Ethos ist das Ethos gerade des Alltags und jeden Augenblicks. Ihn brauchen wir nicht als ein Fremdes bewundern. Mit ihm können wir leben. Ihm möchten wir folgen.”

[1]
(Karl Jaspers)
Was Kant unter Erziehung verstanden hat, lässt sich in verschiedenartiger Weise explizieren.
[2]
Zum ersten lässt sich aus den anthropologisch-pädagogisch-geschichtsphilosophischen Schriften ein Verständnis von Erziehung ablesen, dem Kant selbst ausführlich Ausdruck gegeben hat. Zum zweiten kann man aus der praktischen Philosophie erschließen, wie Kant die sittliche Erziehung aufgrund seiner Moralphilosophie gedacht haben muss, ohne dies mehr als beiläufig anzusprechen. Zum dritten äußert sich Kant über Erziehung in empirischen Sätzen, die noch nicht in einem modernen Sinne empirisch-wissenschaftlich abgesichert sind, z.B. in der Pädagogik, der Anthropologie und in der Methodenlehre der Kritik der praktischen Vernunft. Zum vierten finden sich in Kants Lehre vom Schönen wichtige Hinweise auf den Beitrag einer ästhetischen zu einer moralischen Bildung. Das Problem, wie diese verschiedenen Aspekte der Erziehung in eine Einheit gebracht werden können, ist noch nicht gelöst.
[3]
Die verschiedenartigen Äußerungen Kants zur Pädagogik widersprechen sich nicht. Es existieren Stellen im Kantischen Werk, die ihre ausgleichende harmonische Interpretation nahe legen. Sie lassen sich aber auch so interpretieren, dass sie in Spannung zueinander treten, weil ihr Zusammenhang problematisch wird. Der Autor wird diesen Interpretationsweg einschlagen. Der entscheidende Punkt ist: Es wird nicht vorausgesetzt, es gebe ein einheitliches Referenzphänomen, über das in sachlicher Übereinstimmung mit Kant mittels des Ausdruckes Erziehung gesprochen würde. Es werden vielmehr im Folgenden verschiedene Funktionsweisen des Wortes Erziehung herausgearbeitet, für die es nicht wichtig ist, ob dem Ausdruck Erziehung ein selbiger Gegenstand gesichert ist. Und das deswegen nicht, weil unter dem Wort Erziehung Verschiedenartiges verstanden wird. Dies Verschiedenartige hängt irgendwie zusammen. Aber die komplizierte Art und Weise seines Zusammenhanges kann allererst nach der Analyse der jeweiligen Funktionsweisen deutlich werden.
Die These des Autors lautet: Dasjenige Erziehungsverständnis Kants, das sich in den anthropologisch-pädagogisch-geschichtsphilosophischen Schriften äußert, ist durch teleologische-geschichtsphilosophische Gedanken bedingt, die für das 18. Jahrhundert eine gewisse positive Funktion besitzen, die aber im 21. Jahrhundert nicht repristiniert werden können. Unser heutiges Erziehungsverständnis ist zwar aus der Aufklärung erwachsen, aber es ihm auch entwachsen. Die Aufklärung hat die Probleme, die sich für die heutige Pädagogik eingestellt haben, nicht gesehen. Diese Situation erfordert gegen ein gewisses Erziehungsverständnis Front zu machen. Dies geschieht im Folgenden, in dem das Erziehungsverständnis, wie es sich in den anthropologisch-pädagogisch-geschichtsphilosophischen Schriften Kants findet, im Namen der Sittlichkeit und der sittlichen Erziehung destruiert wird. Diese Destruktion bringt ans Licht, dass die Denkweisen, in der in den anthropologisch-pädagogisch-geschichtsphilosophischen Werken von der Erziehung des Menschen, der Menschheit, der Menschengattung die Rede ist, von derjenigen, in der die praktische Philosophie vom Vernunftwesen Mensch und der Idee der Menschheit handelt, verschieden ist.
Im Rahmen dieser These sind die Satzzusammenhänge der interpretierten Textstücke, die empirischen Wissenschaften zugeordnet werden können, nicht wichtig. Man stößt auf derartige Satzzusammenhänge besonders bei der Analyse der Methodenlehre der Kritik der praktischen Vernunft. Ihre Diskussion wird ein Licht auf Kants Stellung zu einer späteren Erziehungswissenschaft fallen lassen.
[4]
Kant hat die angedeuteten Unterscheidungen nicht so entwickelt, wie man es wünschen möchte. Dies hängt teilweise damit zusammen, dass er seine praktische Philosophie nicht ausführlich in einen Bezug zu seiner Pädagogik gesetzt hat – was Ursache vieler Interpretationen geworden ist. Der tiefere Grund dafür liegt darin, dass die Denkweisen der praktischen Philosophie, der Erziehungsphilosophie und der empirischen Erziehungslehre Kants von verschiedener Art sind, ohne dass Kant diese Differenzen ihrem ganzen Schwergewicht nach thematisiert hätte. Sie pflegen durch Begriffe wie moralphilosophisch, geschichtsphilosophisch, empirisch-pragmatisch usw. angedeutet zu werden. Sie sind sehr oft unter den Titeln Mensch, Menschheit, Menschengeschlecht sowie Menschengattung verdeckt.
Der Autor möchte in einer neuartigen Interpretationsweise aufzuzeigen versuchen, welche schwer zu fassenden Unterschiede sich hinter diesen Begriffen verbergen. Diese Unterschiede betreffen verschieden geartete Sachbereiche, die sich gar nicht in einer einheitlich gearteten Begrifflichkeit darstellen lassen.
In der Forschungsarbeit wird zunächst eine grundlegende Skizzierung der wesentlichen Merkmale der Aufklärungspädagogik besonders in Deutschland vorgenommen. Danach werden die wichtigsten Pädagogen der Zeit der Aufklärung in Deutschland (Rousseau, die Philanthropen näher beleuchtet, die die geistige Entwicklung der pädagogischen Konzeption Immanuel Kants beeinflussten. Anschließend wird eine Analyse der wichtigsten Ansätze der Kantischen Pädagogik vorgestellt. Seine Vorstellung von Sittlichkeit, durch die der Mensch persönliche Freiheit, Würde und Persönlichkeit gewinnt, ist bezogen auf die Erziehung Untersuchungsgegenstand des nächsten Kapitels. Dann folgt die Darstellung der Aktualität der Erziehungslehre Kants in der heutigen Zeit, wobei es vor allem um die pädagogische Anwendung von Kants Moralphilosophie geht.
In der Schlussbemerkung wird eine abschließende Zusammenfassung und Bewertung der Untersuchungsergebnisse vorgenommen.
Fußnoten
  1.  ↑ Zitiert aus Schultz, U.: Kant, 21. Auflage, Reinbek bei Hamburg 1994, S. 167
  2.  ↑ Vgl. die genaue Aufgliederung der Erziehung durch deren „Einteilung” in der von Groothoff unter Mitwirkung von Reimers besorgten Ausgabe von Kant. Groothoff, H.-H./Reimers, E.: Ausgewählte Schriften zur Pädagogik und ihre Begründung, Paderborn 1963, S. 158ff
  3.  ↑ Eine ausführliche Diskussion aller Differenzierungen des pädagogischen Denken Kants und seiner Interpretationsmöglichkeiten finden sich bei Weisskopf, T.: Immanuel Kant und die Pädagogik, Zürich 1970, S. 87ff
  4.  ↑ Vgl. Holstein, H. (Hrsg.): I. Kant. Über Pädagogik, Bochum o.J., S. 11ff. Holstein weist darauf hin, dass einerseits die Erziehung vom empirischen Standpunkt aus vorgetragen wird, dass andererseits auch die Erziehung zur Menschheit Thema wird.