e-Portfolio von Michael Lausberg
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Schloss Versailles

Als Ludwig XIV. 1661 die Herrschaft antrat, war Frankreichs Staatshaushalt durch den letzten Krieg mit Spanien stark angespannt.[1] Ludwig förderte enorm den Geldkreislauf, indem er große Summen für seine Kriege, für das Hofleben, Kunst und Kultur ausgab. Große Geldmengen verschwanden durch Korruption in der französischen Bürokratie. Ludwig selbst schreibt: „Als Mazarin starb, da herrschte viel Unordnung in der Verwaltung meines Königreiches.“ Ludwig XIV. setzte sich zum Ziel dieses Chaos auszurotten und klare Ordnung in den staatlichen Strukturen Frankreichs herzustellen. Als erstes ließ er 1661 seinen Finanzminister (Oberintendanten der Finanzen) Nicolas Fouquet verhaften, weil sich dieser an den Einnahmen des Staates bereichert hatte, um das luxuriöse Schloss Vaux-le-Vicomte erbauen zu können. Ein deutliches Zeichen an dessen Nachahmer.

Ludwig XIV. ernannte daraufhin Jean-Baptiste Colbert, den bekanntesten Förderer des Merkantilismus, zu seinem Generalkontrolleur der Finanzen.[2] Das Amt des Finanzministers wurde abgeschafft und durch einen Finanzrat ersetzt, dem der König und Colbert persönlich vorstanden. Etwas Unerhörtes zu dieser Zeit, denn ein König hatte sich damals eigentlich nicht um etwas so Unschickliches wie Geld zu kümmern. Indem Colbert die Korruption bekämpfte und die Bürokratie neu organisierte, konnte er die Steuereinnahmen mehr als verdoppeln, ohne neue Steuern erheben zu müssen. So war es Ludwig möglich, bereits am Anfang seiner persönlichen Regierung eine Steuersenkung zu erlassen und so ein schnelleres Wachstum der französischen Wirtschaft zu erreichen.[3]

Die Wirtschaft wurde durch die Einrichtung von Handelskompanien und Manufakturen gefördert.[4] Besonders die französische Luxusindustrie wurde bald führend in Europa und darüber hinaus. Mit Waren wie Gobelinteppichen, Spiegeln, Spitzen, Goldschmiedearbeiten und Möbeln, die in ganz Europa begehrt waren, erzielte die Krone Spitzenprofite. Nach innen wurde Nordfrankreich einer Zollunion unterworfen, um so innerfranzösische Handelshemmnisse abzubauen. Colberts Versuche eine einheitliche Zollbarriere für das ganze Königreich zu erwirken, scheiterten jedoch an lokalen Handelsprivilegien.[5]

Das französische Steuersystem enthielt Handelssteuern (aides, douanes), Salzsteuer (gabelle) und Landsteuer (taille). Durch veraltete Regelungen aus dem Feudalismus waren der Adel und der Klerus von diesen direkten Steuern befreit, die von der Landbevölkerung und der aufstrebenden Mittelklasse (der Bourgeoisie) aufgebracht werden mussten. Vermutlich wurde die Französische Revolution auch vom Ärger über dieses alte Steuersystem genährt. Allerdings ist unter Ludwig XIV. die Tendenz festzustellen, den Adel und Klerus der direkten Steuer zu unterwerfen. Zur Zahlung der indirekten Steuern waren diese ohnehin verpflichtet. Der König führte die „capitation“ – eine Kopfsteuer – ein, von der die unteren Schichten kaum erfasst wurden, aber von der die beiden oberen Stände in vollem Umfang betroffen waren. Selbst die Prinzen von Geblüt und der Dauphin mussten den höchsten Steuersatz zahlen. Auf diese Weise wurde der Hochadel zum ersten Mal unvermittelt an der Finanzierung des Staates beteiligt.[6]

Beim Tode Ludwig XIV. war Frankreich das reichste Königreich Europas mit überdurchschnittlichen Staatseinnahmen, welche die Finanzen anderer Staaten bei weitem übertraf. Allerdings betrugen die Staatsschulden durch die harten Anforderungen des Spanischen Erbfolgekrieges 3,5 Milliarden Livres; als Ludwig im Jahr 1715 starb betrugen die Steuereinnahmen 69 Millionen und die Staatsausgaben 132 Millionen Livres. Dies änderte aber nichts an der enormen Leistungsfähigkeit der Wirtschaft. Frankreich verfügte über das zweitgrößte Handelsvolumen und eine deutlich positive Handelsbilanz; nur die Holländer vermochten höhere Gewinne mit ihren internationalen Handelskompanien zu erzielen. Frankreich war ein strukturell stabiles und ressourcenstarkes Land, das mit über 20 Millionen Einwohnern das mit Abstand bevölkerungsreichste Land Europas war.[7]

Eine wichtige Rolle in Ludwigs Politik spielten auch die katholischen Würdenträger Jacques Bossuet und François Fénelon. Jacques Bénigne Bossuet war französischer Bischof und Autor. Nach der Priesterweihe und dem Doktorat 1652 wurde er Kanonikus (Domherr) im 1633 von Frankreich annektierten Metz, wo sein Vater ein Richteramt am neu gegründeten Parlement erhalten hatte. Hier machte er sich die Bekämpfung des Protestantismus zur vordringlichen Aufgabe und publizierte 1655 seine erste Schrift, die gegen den protestantischen Pfarrer Ferri gerichtete Réfutation du catéchisme de Paul Ferri. Daneben hielt er sich aber häufig auch in Paris auf und war dort Schüler des großen Predigers der Caritas Saint Vincent de Paul (1581–1660).

Ab 1660 lebte er ganz in Paris und machte sich rasch einen Namen als Kanzelredner und Panegyriker.[8] 1662 durfte er im Louvre vor König Ludwig XIV. und dem Hof die Fastenpredigt halten. Hiernach war er in Mode, obwohl er sich nicht scheute, gelegentlich den jungen König zu mehr Sittenstrenge zu ermahnen oder die Reichen an ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Armen zu erinnern. Immer öfter wurde er auch gebeten, die Totenmesse für hochstehende Verstorbene zu zelebrieren und dabei eine Trauerrede zu halten, zum Beispiel 1667 für Anna von Österreich, die fromme Königin-Mutter, oder 1670 für Henriette d'Angleterre, die jungverstorbene Schwägerin Ludwigs. 1669 wurde er zum Bischof der kleinen Diözese Condom in Südwestfrankreich ernannt, die er aber weitgehend von Paris aus verwalten konnte. 1671 wurde er Mitglied der Académie Française.

Kurz zuvor (1670) war er zum Hauslehrer (précepteur) des Kronprinzen (Dauphin) Louis berufen worden (der 1711 vor seinem Vater Ludwig XIV. starb, d.h. nicht den Thron bestieg). Für seinen königlichen, jedoch nicht allzu bildungshungrigen Zögling verfasste er im Lauf seiner insgesamt zehn Präzeptorjahre eine Reihe von Traktaten: eine Exposition de la doctrine catholique („Darlegung der katholischen Lehre“), eine Regierungsanleitung La Politique tirée des propres paroles de l'Écriture Sainte („Die Politik, gezeichnet nach den eigenen Worten der Heiligen Schrift“); weiter den philosophisch-theologischen Traité de la connaissance de Dieu et de soi-même („Traktat über die Erkenntnis Gottes und seiner selbst“) und vor allem den Discours sur l'histoire universelle („Abhandlung über die Weltgeschichte“, 1681), eine kurzgefasste Geschichte der Welt, in der Bossuet als lenkende Kraft aller materiellen und ideellen Ursachen und Wirkungen den Willen Gottes zur Ausbreitung des Christentums und zum ewigen Heil der Menschen darstellt. Der Discours ist der letzte große Versuch einer Deutung der Geschichte als Heilsgeschichte, an der sich u. a. auch Voltaire abgearbeitet hat.[9]

1681, nach der Heirat des Dauphins, wurde Bossuet zum Bischof von Meaux ernannt. Obwohl er sein Amt sehr ernst nahm, war er weiterhin oft in Paris und Versailles, beschäftigt u.a. mit Predigten und Trauerreden (zum Beispiel 1687 beim Tod des zum Königshaus gehörenden Prince de Condé). 1689, nachdem er seine Rolle als Redner (vielleicht auch aus stimmlichen Gründen) für beendet erklärt hatte, erschien erstmals eine Auswahl seiner Reden im Druck. Sie prägte sein Bild in der Literaturgeschichte.

Bossuet war aber auch, dank seiner langen Nähe zum König und seiner intimen Kenntnis der Verhältnisse am Hof, sehr aktiv in der Politik im engeren und weiteren Sinne, die er durch direkte Einwirkung sowie mittels zahlreicher Schriften zu beeinflussen suchte.[10] Als Mitglied des Grand Conseil de l'Église de France wuchs er zunehmend in die Rolle eines Primas der französischen Bischöfe hinein und wurde bekannt als streitbarer „Adler von Meaux“. Als dieser half er 1682 die Rechte Roms in Frankreich gegen die der Krone abzugrenzen und einzuschränken (Gallikanismus). Zugleich bekämpfte er an allen Fronten den Protestantismus, zum Beispiel mit einer Histoire des variations [Veränderungen] des Églises protestantes (1688), worin er die widerstreitenden Lehrmeinungen und Spaltungen der protestantischen Kirchen aufzeigt, um die Einheitlichkeit der katholischen Lehre herauszustellen. 1685 war er nicht unbeteiligt an der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes, mit dem Heinrich IV. 1598 den Protestanten Religionsfreiheit und bürgerliche Gleichberechtigung zugestanden hatte. 1687 stellte er sich in der Querelle des Anciens et des Modernes, einem von Charles Perrault ausgelösten, kulturpolitisch motivierten Literatenstreit, auf die Seite der Traditionalisten unter Nicolas Boileau.

Daneben schrieb er gegen den Jansenismus und bekämpfte vor allem den mystisch frommen Quietismus, der um 1690 von Jeanne Marie Guyon du Chesnoy ausgegangen war und im kriegsgeschüttelten und verarmenden Frankreich rasch Verbreitung und Sympathisanten fand, darunter einen anderen Bischof, Kronprinzenpräzeptor und Autor: François Fénelon.[11]

1694 griff Bossuet mit seinen Maximes et réflexions sur la comédie auch das Theater an, das Sitten und Seelen verderbe, und trug damit zur Erstarrung des geistigen Lebens Frankreichs in der Spätzeit Ludwigs XIV. bei. In seinen letzten Jahren musste er erleben, wie zahlreiche der von ihm bekämpften Strömungen nicht nur nicht verschwanden, sondern sogar an Einfluss gewannen. Ende des 17. Jahrhunderts sprach Bossuet mit dem lutherischen Abt Gerhard Wolter Molanus am Loccumer Hof in Hannover über Möglichkeiten zur Wiedervereinigung der beiden Konfessionen.

François de Salignac de La Mothe-Fénelon war französischer Erzbischof, Schriftsteller und auch ein Gegner des hugenottischen Glaubens.[12]

Nachdem er als junger Priester durch schöne Predigten auf sich aufmerksam gemacht hatte, wurde Fénelon 1678 zum Direktor des Institut des Nouvelles Catholiques ernannt, einer Pariser Internatsschule zur Erziehung junger Mädchen aus guter Familie, deren Eltern zum Katholizismus konvertiert waren. 1681 reflektierte er seine pädagogische Praxis im Traité de l’éducation des filles (= Traktat über die Mädchenerziehung, publiziert erst 1687). Ende 1685, nach der Aufhebung des 1598 von Heinrich IV. erlassenen Toleranzedikts, unternahm er eine erste von mehreren Missionsreisen in die damals protestantischen Regionen Südwestfrankreichs, die offenbar aber nur mäßig erfolgreich waren.

Kurz zuvor (1685) war er mit einer ersten theologischen Schrift hervorgetreten, dem anti-jansenistischen Traité de l’existence de Dieu et de la réfutation du système de Malebranche sur la nature et sur la Grâce (= Traktat über die Existenz Gottes zwecks Widerlegung von M.s System der Natur und der Gnade), welches von Jean Meslier in seinen Schriften (1718) Punkt für Punkt widerlegt wurde. Zugleich äußerte er sich zur Rhetorik in seinen Dialogues sur l’éloquence (= Dialoge über die Beredsamkeit, 1685).

Fénelon zählte in diesen Jahren zum Kreis um Jacques Bénigne Bossuet, dem streitbaren Primus der französischen Bischöfe.[13] 1688 wurde er Madame de Maintenon vorgestellt, der morganatisch angetrauten zweiten Gattin von Ludwigs XIV. Diese verkehrte zu jener Zeit noch mit der mystisch-frommen Madame de Guyon und sympathisierte mit deren „Quietismus“, der offenbar vielen Franzosen als eine Art Evasionsmöglichkeit erschien angesichts einer innen- und außenpolitisch zunehmend unfriedlichen Realität. Auch Fénelon war von Madame Guyon tief beeindruckt, als er sie im Winter 1688/89 kennenlernte.

Im Sommer 1689 wurde er wohl auch auf Vorschlag von Madame de Maintenon, deren geistlicher Berater er inzwischen geworden war, von Ludwig XIV. zum Erzieher seines 7-jährigen Enkels und eventuellen Thronfolgers, des Duc de Bourgogne, berufen. Dies verschaffte ihm eine einflussreiche Position am Hof und war sicherlich ausschlaggebend für seine Aufnahme in die Académie française (1693) sowie für seine Ernennung zum Erzbischof von Cambrai, Cambrai (1695). Allerdings scheint er mit dieser Ernennung nicht völlig zufrieden gewesen zu sein. Zumindest behauptet der bekannte Memoiren-Autor Saint-Simon in seinen Erinnerungen, dass Fénelon eher auf das vakante Erzbistum Paris spekuliert hatte.

Für seinen fürstlichen Zögling schrieb Fénelon (wie schon so häufig Fürstenerzieher vor ihm, beispielsweise Bossuet) mehrere unterhaltende und zugleich belehrende Werke: zunächst eine Sammlung von Fabeln, sodann die Aventures d’Astinoüs (= die Abenteuer A.s) und die Dialogues de morts (= Totendialoge), vor allem aber den umfänglichen, 1694–96 verfassten Abenteuer-, Reise- und Bildungsroman Les Aventures de Télémaque, fils d’Ulysse (1733 in Deutsch erschienen als Die seltsamen Begebenheiten des Telemach).[14]

In diesem pseudo-historischen und zugleich utopischen Roman führt der Autor den jungen Odysseus-Sohn Telemachos und dessen Lehrer Mentor (in dem sich Minerva alias Athene verbirgt und der sichtlich Sprachrohr Fénelons ist) durch diverse antike Staaten, die meist durch Schuld ihrer von Schmeichlern und falschen Ratgebern umgebenen Herrscher ähnliche Probleme haben wie das in Kriege verstrickte und verarmende Frankreich der 1690er Jahre. Er zeigt aber an einem Paradefall, wie sich diese Probleme dank der Ratschläge Mentors lösen lassen durch friedlichen Ausgleich mit den Nachbarn und durch Wachstum stimulierende Reformen, insbesondere die Förderung der Landwirtschaft und die Zurückdrängung der Luxusgüterproduktion.

Der Télémaque, der ab 1698 in Abschriften am Hof zirkulierte, wurde sofort interpretiert als kaum verschlüsselte Kritik am autoritären, zunehmend abgehobenen Regierungsstil Ludwigs XIV. sowie an seiner aggressiven, kriegerischen Außenpolitik und seiner exportorientierten merkantilistischen Wirtschaftslenkung, die die Produktion und den Export von Luxusgütern unterstützte. Fénelons größter Gegner am Hof, sein einstiger Förderer Bossuet, gewann nun die Oberhand, nachdem er ihn schon seit 1694 in scheinbar theologisch motivierte Querelen über den Quietismus gezogen und 1697 versucht hatte, vom Papst eine Verteidigungsschrift verurteilen zu lassen, die Fénelon für Madame Guyon verfasst hatte, die nach und nach zum Quasi-Staatsfeind avanciert war (und 1698 inhaftiert wurde).

Anfang 1699 verlor Fénelon seinen Erzieherposten, und als im April sein Télémaque, zunächst anonym und ohne seine Zustimmung, im Druck erschien, wurde er vom Hof verbannt. Er zog sich zurück in sein Bistum Cambrai, wo er sich weiterhin als theologischer und politischer Autor betätigte und ein exemplarisches Regiment gemäß den Lehren seiner Figur Mentor zu führen versuchte. Nach seinem Tod wurde er in der alten Kathedrale von Cambrai bestattet. Nach deren Zerstörung in der Revolution kamen seine sterblichen Überreste in die neue Kathedrale von Cambrai, wo 1823/26 ein aufwendiges Grabmonument für ihn entstand.

Fénelons Télémaque war im Frankreich des 18. und des 19. Jahrhunderts ein vielgelesenes Jugendbuch und gilt als ein wichtiger Markstein der beginnenden Aufklärung.[15] Noch z. B. der junge Sartre muss es gelesen haben, denn in seinem Stück Les Mouches (Die Fliegen) legt er der Figur Jupiter eine Anspielung darauf in den Mund.

Der König hatte die Absicht, die besten Künstler, Architekten, Maler, Poeten, Musiker und Schriftsteller für Frankreich arbeiten zu lassen.[16] Er entfaltete ein noch nie zuvor gesehenes Mäzenatentum mit der Absicht, die gesamte Kunstlandschaft Frankreichs zu beeinflussen, zu prägen und zu lenken, um sie im Interesse königlicher Politik zu instrumentalisieren. Die Kunst stand im Dienste der Verherrlichung des Königs und seiner Ziele, ganz nach barocker Manier. Das Ansehen des Königs und des Staates sollte gesteigert werden; dazu wurde Ludwigs Minister Colbert damit beauftragt Literatur, Kunst und Wissenschaft zu fördern. Dem Minister wurde die Organisation der Gloire des Königs überlassen. Zahlreiche Königliche Akademien wurden auf allen Gebieten der Kunst und Wissenschaft gegründet

Im Sinne der Selbstdarstellung des Monarchen sind auch die Feste in Versailles zu verstehen.[17] Die Repräsentation des Königs diente dem Ansehen des Staates in aller Welt.

Die Königliche Oper des Schlosses von Versailles wurde 1770 unter Ange-Jacques Gabriel in der Regierungszeit Ludwig XV. vollendet. Die Errichtung des heutigen Opernhauses war eines der letzten großen Bauprojekte des Ancien Régimes in Versailles. Es ist bis in die Gegenwart weitgehend unverändert erhalten geblieben und wird noch heute regelmäßig bespielt.

Das Versailler Schloss war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch den Sonnenkönig Ludwig XIV. von einem kleinen Jagdsitz zur dauerhaften königlichen Residenz ausgebaut worden. Obwohl sich Versailles in dieser Zeit zu einem Musenhof der Französischen Oper entwickelte, fehlte aus finanziellen Gründen ein festes Gebäude für die Schauspiele. Ein 1682 von Jules Hardouin-Mansart vorgestelltes Projekt blieb unausgeführt und Theater- und Singspiele wurden bis ins 18. Jahrhundert hinein in wechselnden Räumen mit mobilen Tribünen bespielt.

Ludwig XV. beauftragte den Hofarchitekten Ange-Jacques Gabriel 1748 mit dem Bau einer festen Hofoper im Schloss, die Pläne blieben jedoch fast 20 Jahre lang unangetastet.[18] Den Anlass zum Bau des Opernhauses gab schließlich die Vermählung des Thronfolgers Ludwig XVI. mit der österreichischen Erzherzogin Marie Antoinette. Die Eröffnung im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten fanden – nach nur rund zweijähriger Bauzeit - am 16. Mai 1770 statt, aufgeführt wurde Jean-Baptiste Lullys Werk Persée. Die Hofoper wurde bis zum Ende des Ancien Regime neben den regelmäßigen Aufführungen auch für Bälle und ähnliche Ereignisse genutzt, so 1777 und 1781 beim Empfang Josephs II. und 1784 beim Empfang des schwedischen Königs Gustav III. Im 19. Jahrhundert diente das Opernhaus einige Jahre als Sitzungssaal der französischen Nationalversammlung.Das Opernhaus wird bis in die Gegenwart regelmäßig bespielt. Von 2007 bis 2009 wurde es für rund 12 Millionen Euro renoviert.

Das Opernhaus befindet sich - von außen kaum kenntlich - am Ende des Nordflügels des Versailler Schlosses. Die Ausstattung des ovalen Raumes ist aus Gründen der Akustik vollständig aus Holz errichtet, sämtliche zum Opernsaal führenden Treppenhäuser und Galerien sind aus Stein gefertigt, um im Falle eines Brandes das übergreifen des Feuers auf das übrige Schloss zu verhindern. Der Orchestergraben bietet Platz für 80 Musiker, der Zuschauerraum kann mehr als 700 Gäste aufnehmen. Das Parkett konnte mit Hilfe einer Hebemechanik auf das Niveau des Bühnenbodens angehoben werden, so dass der Zuschauerraum der Oper auch für Bälle und Bankette nutzbar wurde.[19]

Der von Gabriel gestaltete Zuschauerraum verzichtet auf die im 18. Jahrhundert noch übliche Gestaltung mit einzelnen Logen, das Publikum der Ränge findet stattdessen auf drei terrassenartigen Tribünen seinen Platz.[20] Der Saal verweist mit seinen hohen korinthischen Säulenstellungen und der angedeuteten Form eines Amphitheaters bereits auf den Klassizismus, ist mit seiner Ornamentik und der kräftigen Farbgebung jedoch noch dem Stil des Louis-quinze zuzuordnen. Das Zentrum des Zuschauerraums wird von der königlichen Loge gebildet, deren Ehrenplatz auf der Höhe des dritten Rangs von einem Halbkuppelgewölbe betont wird. Auf der Höhe des zweiten Rangs befindet sich außerdem eine hinter Gittern verborgene, zweite Loge, die es dem König möglich machte, ungesehen zu den Aufführungen zu erscheinen.

Einige Künstler erklommen im Dienste des Königs ungeahnte Höhen; hier wären besonders Jean-Baptiste Lully auf dem Gebiet der Musik und des Tanzes zu nennen, aber auch Jean-Baptiste Molière, der für Ludwig XIV. zahllose Bühnenstücke verfasste. Beide Künstler zusammen zeigten sich für die Organisation der königlichen Spektakel verantwortlich.[21]

Jean-Baptiste Lully lebte in Frankreich bei der Grande Mademoiselle Anne Marie Louise d’Orléans im Palais de Tuileries. Zu seinen Aufgaben gehörte es nicht nur, die Dame des Hauses zu unterhalten und sie auf der Gitarre zu begleiten, sondern auch, die Garderobe zu sortieren, die Kamine zu heizen und die Kerzen anzuzünden. Er vervollkommnete weiter sein Geigenspiel, nahm Cembalo- und Kompositionsunterricht bei Nicolas Métru, Francois Roberday und Nicolas Gigault und trat in komischen Rollen auf. Jean Regnault de Segrais, der mit Francois de La Rochefoucault und Madame de Sevigné verkehrte und 1661 in die Académie francaise aufgenommen wurde, sorgte für Lullys Ausbildung zum Ballett-Tänzer.

Kardinal Mazarin und Anna von Österreich führten die Regierungsgeschäfte allein. Solange sie den jungen Ludwig nicht benötigten, wurde dieser arg vernachlässigt und trieb sich zusammen mit seinem Bruder im Graben des Louvere herum. Dort trafen sich die Kinder des Personals, um miteinander zu spielen; hier mag es auch gewesen sein, dass der zukünftige Sonnenkönig Giovanni Battista Lully kennenlernte. Kaum mag man den König und seinen Bruder unter den anderen Kindern vermutet haben, denn die königlichen Gewänder wurden von Mazarin wie ein Augapfel gehütet, sein Geiz war legendär. So kam es, dass manch ein Dienstbotenkind besser angezogen war als der König von Frankreich. Zwischen Lully und dem König entstand eine enge Freundschaft, sie lernten gemeinsam Tanzen und Gitarre spielen. Das Verhältnis ging wohl über das Mäzenatentum weit hinaus.[22]

Jean de Cambefort, der bisher zuständig für die Ballettmusik am französischen Hof war, sah ihn jetzt schon als ernste Bedrohung. Genauso der Leiter der 24 Vilolinen des Königs (das Orchester wurde von Ludwig XIII. gegründet und ist das erste feststehende Orchester der Musikgeschichte gewesen), Guillaime Dumanoir . Aber es gab auch Hofkomponisten, die den jungen Musiker nach Kräften förderten, wie Regnault und Michel Lambert, der als größter Meister des Air de Cour in die Musikgeschichte einging. Er wurde später Lullys Schwiegervater.

Am 7. März 1652 trat Lully in der Mascerade de la foire Saint-Germain als Händler auf. Nach einem kurzen Intermezzo in Saint-Fargeau, wohin Lully der Grande Mademoiselle gefolgt war, die nach Niederringung der Fronde gezwungen worden war, Paris zu verlassen, konzentrierte sich Lully seit Ende 1652 ganz auf Ludwig XIV. Im Ballet royal de la nuit, mehrere Male zwischen dem 23. Februar und 16. März 1653 aufgeführt, war Lully als Schäfer, Soldat, Bettler, Krüppel und Grazie zu sehen. Der König selbst tanzte hier zum ersten Male die Rolle der aufgehenden Sonne.

Lully war Tänzer, „balladin“, fühlte sich wohl auf der Bühne, war Theatermann. Im Raum trat er zuerst zutage mit seinem Körper, dann mit der Stimme und Instrumenten, was ihn abhob von allen Musikern seiner und folgender Zeiten. Die Musik war ihm hierfür Zweck, nicht Selbstzweck, zwanzig Jahre lang diente sie ihm dazu, Tänzer – besonders ihn selbst – im Raum sich bewegen zu lassen. Nichts für den Konzertsaal: nur der Ansporn der Bühne mit ihren Herausforderungen belebte sein Werk. Das Ungewöhnliche und Maßlose, das seinem Tanz anhaftete, ließ Zeitungsleute, die sich sonst kaum mit Tänzern befassten, ihn als „Baptiste“ zum fortwährenden Gegenstand ihrer Berichte auswählen.

Ludwig XIV. fand ein solches Gefallen an Lully, dass er ihn am 16. März 1653 zum Compositeur de la musique instrumentale ernannte.[23] Nicht selten tanzte Lully an der Seite des Königs, zum Beispiel im Ballet des plaisirs. Er konnte auch erste Erfolge als Komponist verzeichnen. Für das Ballet de Psyché hatte er ein Concert italien beigesteuert. Seine erste größere Komposition war die Maskerade La Galanterie du temps, die im Palais Mazarins unter Mitwirkung der Petits violons aufgeführt wurde. Mit den seit 1648 bestehenden Petits violons fand Lully ein Ensemble vor, das flexibler einsetzbar war als die länger etablierte, aus 24 Violinen bestehende Grande bande und ihm zudem ermöglichte, älteren komponierenden Rivalen, die seinen Erfolg missbilligten, besser aus dem Weg zu gehen.

Lully gehörte zur Gruppe der in Paris unter Förderung Mazarins tätigen Italiener. Doch ungeachtet seiner Herkunft war Lully bereits in dieser Zeit der Hauptvertreter eines französisch geprägten Tanzstils, dem er etwas zufügen konnte, was nur aus ihm kam. Viel Tanzmusik in der französischen Art schrieb er, und einige italienisch klingende „chaconnes“ und „ritournelles“, sowie Vokalmusik ausgeprägt italienisch, doch ohne die üppige Harmonie und den Wagemut deren dort. Bei Lullys Ankunft hatte die Musik zum französischen Ballett vorherrschend einen leicht unzusammenhängenden Aufbau, was er durch Anbringen einer dynamischeren Struktur änderte. Dem Ballett verhalf er so zu mehr konzertanter Musik, mit einem offeneren, klareren und mehr gehenden Stil. Mit Amour malade, am 17. Januar 1657 uraufgeführt, gelang Lully der Durchbruch als Komponist.

Lully gehörte nun unzweifelhaft dem inneren Kreis um den König an.[24] Als der König 1659 mit Mazarin zur Vorbereitung des Pyrenäen-Friedensvertrages in die Pyrenäen reiste, begleitete ihn Lully und komponierte unter anderem das Ballet de Toulouse. Am 29. August 1660, drei Tage nach dem Einzug Ludwigs in Paris, erklang in der Église de la Merci in Anwesenheit der Königinmutter Anna von Österreich, des Königs, der Königin Maria Theresia von Spanien und Philippe I. de Bourbons, des Königs Bruder, mit großem Erfolg Lullys Friedensmotette Jubilate Deo.

Der Kardinal hatte anlässlich der Feierlichkeiten Francesco Cavalli, den berühmtesten italienischen Opernkomponisten, nach Paris kommen lassen. Auch vorher schon hatte Paris Aufführungen italienischer Opern erlebt:Luigi Rossis Werke wurden oft gespielt, besonders eindrucksvoll war die Aufführung von dessen Oper Orfeo. Cavalli sollte unter dem Titel Ercole amante (Der verliebte Herkules) eine Festoper zu Ehren des Hochzeitspaares schreiben. Lully wurde abgestellt, um Balletteinlagen für die Prunkoper zu verfassen, aber er war nicht unterwegs, um mit Cavalli zusammenzuarbeiten, sondern um als Saboteur im Auftrag des Königs (der die italienischen Opern hasste) die Aufführung zu untergraben.

Cavalli konnte das Werk nicht rechtzeitig vollenden und musste auf ein älteres Werk zurückgreifen: Xerse, doch auch hierfür komponierte Lully Ballettmusik. Als am 21. November 1660 Cavallis Xerse in der Gemäldegalerie des Palais des Tuileries aufgeführt wurde, überwucherten die von Lully beigesteuerten Tanzeinlagen die Oper geradezu. Lully, der gebürtige Italiener, hatte eine ganz und gar französische Musik komponiert, die sich neben die italienische, durchaus mit dem Anspruch der eigenen Überlegenheit, stellte. Cavallis Oper wurde kaum beachtet, er selbst nicht einmal als Komponist erwähnt. Doch war nicht Cavalli das eigentliche Ziel dieser Vorkommnisse, sondern der Kardinal, der durch das Versagen des von ihm protegierten Komponisten lächerlich gemacht werden sollte.

Nach dem Tod Mazarins am 9. März 1661 verließen viele Italiener Frankreich. Doch obwohl man die italienische Oper in ihre Schranken verwiesen hatte, wurde Ercole Amante im neu erbauten Theatre des Tuileries doch noch aufgeführt. Das Ballett Hercule amoureux sollte eines der denkwürdigsten Ereignisse der Musikgeschichte werden, denn hier trat der König nun zum zweiten Mal als Apollo auf, doch diesmal in aller Pracht, der Hof skandierte während seines Tanzes „Lang lebe der Sonnenkönig!“[25] Diesen Spitznamen sollte Ludwig XIV. sein Leben lang behalten. Cavalli kehrte als entehrter Mann nach Venedig zurück und schwor, niemals wieder für die Bühne zu komponieren (was er nicht wahrmachte). Lully machte weiter Karriere. Am 5. Mai 1661 ernannte Ludwig XIV. ihn zum Surintendant de la musique du roi, wobei er auf die 10.000 Livre, die das Amt gekostet hätte, verzichtete.[26] Michel Lambert wurde Maître de musique de la chamber.

Im Februar 1662, zwei Monate nachdem er erfolgreich den König um die Einbürgerung gebeten hatte, nahm er Magdelaine Lambert zur Frau. Er behielt zeitlebens einen florentinischen Akzent und sorgte für eine Großfamilie nach italienischer Art: Seine sechs Kinder, Verwandte und deren Freunde wohnten bei ihm. Nach drei Umzügen wurde das Hôtel Lully in der Pariser Rue Sainte-Anne der endgültige Wohnsitz. In der Musik jedoch verschwand sein bisheriger Stil eines italienischen „bouffon“, eines Spaßmachers. Er komponierte mit dem Ballet des Arts 1663 sein erstes vollständig rein französisches „grand ballet de cour“. Die Liedtexte schrieb Isaac de Benserade. In gleichem Maße für den Erfolg bedeutend waren dessen Verse im „livret“, die kommentierten, was auf der Bühne getanzt wurde.

Der Finanzminister Nicolas Fouquet hatte sich in Vaux-le-Vicomte einen Palast erbauen lassen und dafür die besten Künstler Frankreichs verpflichtet: Louis Le Vau als Architekt, André Le Notre für die Gartenanlagen und Charles Lebrun, den ersten Hofmaler und hervorragenden Dekorateur, für die Gestaltung der Prunkräume. Am 17. August 1661 fand das große Fest statt, zu dem der König, seine Familie und zahlreiche Gäste geladen waren. An achtzig Tischen wurden sie bewirtet und auf dreißig Büffets fanden sich 6000 massiv silberne Teller. Für die musikalische Gestaltung sorgten die fähigsten Musiker, darunter Michel Lambert und Lully. Lully, mit Moliere befreundet, hatte diesen wenige Tage zuvor noch in panischer Stimmung gefunden, da er für seine Komödie Les Fâcheux (Die Lästigen) nicht genügend Schauspieler zur Verfügung hatte. Abhilfe schuf eine genial einfache Idee: Zwischen die Szenen wurden Ballettnummern eingefügt, um den Schauspielern Zeit zum Umkleiden zu geben. Pierre Beuachamp und Lully arrangierten die Ballettnummern, für die Lully nur eine Courante neu komponierte.

Die Aufführung wurde ein unglaublicher Erfolg, und die Ballett-Komödie, für die nächsten Jahre ein wichtiges Medium Lullys, war geschaffen. Das teure Schloss und das verschwenderische Fest hatten jedoch den König verärgert. Bald darauf ließ er Fouquet verhaften, seine Besitztümer beschlagnahmen – und begann ab sofort das alte Jagdschloss seines Vaters zur allerprächtigsten Residenz zu erweitern: Schloss Versailles.

Als 1664 die ersten Arbeiten im Park abgeschlossen waren, wurde ein gewaltiges Fest ausgerichtet: Les Plaisirs de l’îsle enchantée, thematisch bezogen auf eine Geschichte aus Ariosts Orlando furioso, dauerte vom 7. bis 13. Mai.[27] Eröffnet wurde mit einem „Carrousel“, einem Pferdeballett, in dem sich der Hof in kostbaren Kostümen präsentierte. Der König selbst führte, als Roger kostümiert, den Zug an. Den Abschluss des Tages bildete das Ballet des Saisons (Ballett der Jahreszeiten), in dem unter anderem der Frühling auf einem Pferd, der Sommer auf einem Elefanten, der Herbst auf einem Kamel und der Winter auf einem Bären einzogen. Musik, die Lully für diesen ersten Tag komponiert hat, ist verschollen.

Es gab Lotterien, Bankette, Bälle, Aufführungen dreier Molière-Lully-Ballette, La Princesse d’Élide (Die Fürstin von Elis, 8. Mai), Les Fâcheux (11. Mai), Le Mariage forcé ( Die Zwangsheirat, 13. Mai), und am 12. die Premiere des Tartuffe, der ein Verbot des Stückes folgte.[28]

Den Höhepunkt des Festes aber bildete die Erstürmung des „Palastes der Alcina“, einer großartigen Kulisse auf einer künstlichen Insel im großen Kanal von Versailles, die in einem sehr aufwändigen Feuerwerk unterging.

In den folgenden Jahren entstanden weitere Ballettkomödien: George Dandin wurde 1668 im Rahmen des zweiten großen Festes von Versailles gegeben, Monsieur de Pourceaugnag im Jahr darauf (auch Le Divertissement de Chambord, 1669). Lully sang dabei unter dem Pseudonym „Chiacchiarone“, was seiner Position als „Surintendant“ geschuldet war. Doch der größte Erfolg sollte den beiden Ballett-Komödien Les amants magnifiques (Die Fürsten als Brautwerber) und Le Bourgeois Gentilhomme (Der Bürger als Edelmann) beschieden sein, beide von 1670. Letztere war auf den türkischen Botschafter gemünzt, der sich bei Hof lächerlich gemacht hatte.

Neben der Zusammenarbeit mit Molière komponierte Lully weiterhin die Hofballette. 1669 entstand das letzte große Hofballet Ballet Royal de Flore, in dem Ludwig XIV. zum dritten Mal als die Sonne auftrat, in der Ballettkomödie Les amants magnifiques dann zum vierten und letzten Mal. Angeblich war der König mit der schweren Choreographie überfordert.

1671 schufen Lully und Molière die Tragédie-ballet (Ballett-Tragödie) Psyché (Psyche), um dem „größten König der Welt“ Heroisches vorzuführen.[29] Aus Zeitnot musste Molière zwei weitere Librettisten beschäftigen, nämlich Pierre Corneille und für die Divertissements Philippe Qiunault, der von da an Lullys Librettist erster Wahl werden sollte.

Als der Herzog von Orléans, der Bruder des Königs, sich nach dem Tod seiner ersten Gattin 1671 mit Liselotte von der Pfalz vermählte, wurde das Ballet des Ballets bestellt. Lully und Molière schufen ein Pasticcio aus erfolgreichen Szenen der letzten gemeinsamen Werke, gerieten aber während der Arbeiten in Streit und trennten sich im Zorn. Zwar wurde das Ballett aufgeführt, aber Molières Komödie La Comtesse d’Escarbagnas (Die Gräfin von Escarbagnas, Dezember 1671) wurde bereits von einem anderen vertont: Marc-Antoine Charpentier, der auch für Molières letztes Werk Le malade imaginaire (Der eingebildete Kranke) die umfangreiche Bühnenmusik schrieb.

1672 brachte Robert Cambert, der ehemalige Oberhofmeister der Musik der Königinmutter, die erste französische Oper auf die Bühne: Pomone. Der Erfolg war wider Erwarten bombastisch. Pierre Perrin war für das Libretto verantwortlich. Lully beobachtete den Erfolg der beiden mit Neugier und großem Neid.

Durch geschickte Intrigen gelang es, Pierre Perrin in den Ruin zu treiben. Er kam in die Conciergerie, weil er sich vor Schulden kaum noch retten konnte. Lully suchte den Unglücklichen auf und unterbreitete ihm ein Angebot: er sorge für die Begleichung der Schulden und erwirke beim König seine Freilassung, dafür müsse er ihm die Opernrechte und alles, was damit zusammenhing, überlassen. Perrin ging auf den Handel ein, ohne zu wissen, was er damit in Gang setzte.[30]

Lully hatte nun das Monopol zur Aufführung von Opern, er erwirkte noch weitere Rechte beim König, der sie bereitwillig einräumte. So war jegliche Aufführung mit Musik ohne die Genehmigung des Surintendanten untersagt und wurde mit Konfiszierung sämtlicher Instrumente, Kostüme, Einnahmen etc. geahndet. Dies traf Molière besonders schwer in seinen letzten Lebensjahren, da alle Texte, zu denen Lully Musik komponiert hatte, nun Eigentum des Florentiners waren. Die Académie royale de musique war fest in den Händen Lullys. Seine Macht ließ er nun jeden spüren, was zur Folge hatte, dass viele der angesehenen Komponisten und Musiker den Hof verließen. Bestes Beispiel ist der Begründer der französischen Cembaloschule Jacques Champion de Chambonnieres.

1672, also im Jahr der „Machtübernahme“, brachte Lully seine erste Oper auf die Bühne, eine Pastorale Les Fêtes de l’Amour et de Bacchus.[31] Hier folgte er aus Zeitnot dem Modell des Ballet des Ballets, also ein Pasticcio. Das Werk war äußerst erfolgreich und legte den Grundstein für seine weitere Karriere als Begründer der französischen Nationaloper.

Im Gegensatz zu Cambert und Perrin räumte er dem Ballet enormen Raum in seinen Werken ein. So bestehen alle Tragédies Lullys aus einem Prolog und fünf Akten. Jeder Akt verfügt über ein Divertissement, eine großzügige Szene mit Ballett und Choreinlagen. Der Prolog kann durchaus als ein eigenständiges Divertissement gesehen werden und diente ausschließlich zur Verherrlichung des Sonnenkönigs.

1673 kam die Oper Cadmus et Hermione auf die Bühne, sie gilt als Lullys erste Tragödie.[32] 1674 folgte Alceste, diese Prunkoper wurde im Marmorhof von Versailles uraufgeführt. Sie war einer der Höhepunkte des dritten großen Festes von Versailles. 1675 wurde Thésée gegeben, ebenso prunkvoll, ebenso erfolgreich.

1676 folgte Atys. Da der König hier angeblich selbst mitkomponiert haben soll sowie sehr lange mit Lully zusammensaß, um dieses Werk zu vollenden, hat diese Tragödie den Untertitel Die Oper des Königs. Hier verzichtet Lully auf Pauken und Trompeten, um einen dunklen rauen Klang zu erzielen. Legendär wurde die Schlummerszene, hier trat der noch junge Marin Marais als einer der Träume auf.

1677 wurde Isis gegeben. Obwohl Lully hier ein geniales Werk vorgelegt hat, war der Oper wenig Erfolg beschieden. Man kritisierte die seltsame Handlung, die Philippe Qiunault vorgelegt hatte, und empfand Lullys Musik als zu intellektuell. Die Oper bekam den Untertitel Die Oper der Musiker, denn Musiker bzw. musikalisch gebildete Zuschauer waren von dem Werk begeistert.

1678 arbeitete Lully die Tragédie-ballet Psyché mit Hilfe der Librettisten Thomas Corneille und Bernard le Bovier de Fontenelle zu einer Oper um; die gesprochenen Dialoge wurden durch Gesang ersetzt.

1679 kam Bellérophon auf die Bühne, wieder in Kooperation mit Thomas Corneille. 1680 folgte Proserpine, 1681 auf Befehl des Königs ein Hofballett Le Triomphe de l’Amour. Ludwig XIV. wünschte sich eine Wiederbelebung der alten Hofballette. Dieses Werk wurde von den Nachkommen des Königs getanzt, es wurde zu einem der berühmtesten Werke Lullys überhaupt.

1682 zog der Hof endgültig nach Versailles. Zu diesem Anlass wurde Persée gegeben. [33]Mit diesem Werk wurde am 17. Mai 1770 das Opernhaus zu Versailles eingeweiht, der Anlass: die Hochzeit des zukünftigen Ludwig XVI. mit Marie Antoinette. Dies spricht für die Bedeutung, welche man den Werken Lullys noch im 18. Jahrhundert zubilligte. 1683 starb die Königin von Frankreich, die Aufführungen von Phaetonwurden verschoben.

1684 kam Lullys erfolgreichstes Werk auf die Bühne: Amadis. Zwar schon 1683 komponiert, wurde die Uraufführung wegen des Todes der Königin um ein Jahr verschoben. Amadis wurde jedes Jahr aufgeführt, so lange der König lebte. Des Weiteren wandten sich Lully und Quinault von der Mythologie ab und besangen französische Ritterepen, welche die Verteidigung des Glaubens als höchstes Ideal zum Inhalt haben. Die Aufhebung des Ediktes von Nantes sollte auch in der Musik seine Spuren hinterlassen.

1685 wurde Roland gegeben. Durch die starke Einflussnahme der Madame de Maintenon befasste sich der König nun weniger mit Lullys Musik; dessen Stern begann zu sinken. Seit 1683 war Madame de Maintenon des Königs geheime Gemahlin, und ihr gefielen weder die Musik Lullys noch der Komponist selbst, dessen Homosexualität sie als streng religiöse Frau nicht tolerierte. Als öffentlich ruchbar wurde, dass Lully einen Pagen namens Brunet liebte, war dies der geeignete Anlass, Lully die Gunst des Königs zu entziehen. Hinzu kam seine Beteiligung an den Orgien der Herzöge von Orléans und Vendome. Der König zitierte Lully zu sich und unterbreitete ihm, dass er nicht weiter gewillt sei, sein Verhalten zu dulden. Zwar war Lully inzwischen zum Secrétaire du Roi ernannt worden, war sogar (zumindest auf dem Papier) Berater des Königs und hatte die Erhebung in den Adelstand erhalten, doch der König behandelte seinen ehemaligen Vertrauten und Freund nun mit Kälte.

Lully schrieb dem König und bat ihn um Vergebung. Beinahe wäre er erfolgreich gewesen: Der Marquis de Seignelay, Sohn Colberts, hatte ein Werk bei ihm in Auftrag gegeben, Idylle sur la Paix. Den Text dazu schrieb Jean Racine. Der König, der in Sceaux der Aufführung beiwohnte, war äußerst angetan von dem neusten Werk seines Oberhofmeisters, er ließ Lully große Abschnitte wiederholen. Doch Madame de Maintenon schob der Versöhnung einen Riegel vor.

1686 wurde Armide, Lullys neueste Oper, nicht am Hof uraufgeführt, sondern in Paris. Lully war seit längerem in Ungnade gefallen, und der König empfing ihn nicht mehr. Lully hoffte jedoch, die Protektion des Königs wieder zu erlangen. Seine nächste Oper, die er für Louis-Joseph Duc de Vendôme auf ein Libretto des Jean Galbert de Campistron komponierte, war eine subtile Huldigung an den Thronfolger und damit an den König. Acis et Galatée erklang am 6. September 1686 im Schloss Anet anlässlich einer Jagdpartie des Dauphins. Vor der Aufführung hatten Lully und die Sänger zusammen mit den Gästen diniert.

1687 arbeitete Lully an seiner Oper Achille et Polixène, bald bekam der König erhebliche gesundheitliche Probleme. Der Arzt Felix de Tassy war am 18. November 1686 gefordert, als es galt, eine gefährliche Fistel am Gesäß des Monarchen operativ zu entfernen. Richelieu war bei einem derartigen Eingriff gestorben, de Tassy übte im Hospital von Versailles an herbeigeschafften Leidensgenossen des Königs und konnte auch dank Ludwigs Leidensfähigkeit die Entfernung des Geschwürs mit Erfolg vornehmen. Man rechnete schon mit dem Tod des Königs, doch dieser erholte sich. Für die Feierlichkeiten zur Genesung des Königs bearbeitete Lully sein 1678 komponiertes Te Deum und ließ es auf eigene Kosten mit 150 Musikern singen.[34]

Was sich zutrug, als er die Motette am 8. Januar 1687 in der Église des Pères Feuillants aufführte, wurde von Lecerf de La Viéville 1705 so beschrieben, dass er mit dem zum Schlagen des Taktes gebrauchten Stock die Fußspitze traf, eine kleine Verletzung zunächst. Tatsächlich finden sich in zeitgenössischer Literatur oder auf Abbildungen keine Belege für das Dirigieren mit langen Stöcken – benutzt wurde ein aufgerolltes Blatt Papier in einer oder beiden Händen. Möglicherweise besaß Lully aber einen Spazierstock, mit dem er die anwesenden Musiker zur Aufmerksamkeit rufen wollte. Die Wunde entzündete sich rasch und infizierte sich mit Wundbrand. Da sich Lully weigerte, den Zeh amputieren zu lassen, verstarb er wenige Monate darauf.

Seine letzte Oper wurde von seinem Sekretär Pascall Colasse vollendet. Die Nachfolge im Amt des Surintendanten übernahmen zuerst seine Söhne Jean und Louis de Lully, zusammen mit seinem Schüler Marin Marais, bis der König Michel-Richard Delalande das Amt übertrug.

Abschließend lässt sich feststellen, dass Lully mit seiner neuen Orchesterdisziplin nicht nur den französischen Stil weiterführte und maßgeblich prägte, sondern damit enormen Einfluss auf die europäische Musiklandschaft des ausgehenden 17. Jahrhunderts ausübte.

Typisch für den Klang seines Orchesters sind die Vorhalte, der fünfstimmige Orchestersatz und die große Besetzung des Orchesters. Die 24 Violinen des Königs bilden den Kern des Ensembles; hinzu treten die 12 großen Oboen (an der Weiterentwicklung der Schalmei zur Oboe soll Lully maßgeblich beteiligt gewesen sein), eine umfangreiche Continuogruppe mit Lauten, Gitarren, Cembalo etc. und recht oft Pauken und Trompeten. Beliebt war auch die ins Werk eingebundene „Zurschaustellung“ neuer Instrumente, wie der Traversflöte oder das „französische Trio“ aus 2 Oboen und Fagott. Diese Instrumente hatten in vielen Tänzen und Instrumentalstücken Soloauftritte, meist sogar auf der Bühne. In der nachfolgenden deutschen Tradition wurde das französische Trio oft verwendet, besonders von Fasch und Telemann. In den frühen Jahren spielte Lully selbst bei seinem Ensemble die erste Violine, oftmals sind in den Partituren der Philidor Sammlung Vermerke wie „M. de Lully joue“ („Herr von Lully spielt“) zu lesen, die Violinstimme sollte dann mit möglichst blumigen Verzierungen dargeboten werden.[35]

Die typisch französische Ouvertüre im punktierten Rhythmus mit anschließender Fuge und Wiederholung des ersten Teils ist allerdings nur zum Teil eine Neuschöpfung Lullys. Seine Vorgänger, Lehrer und Zeitgenossen wie Jean de Cambefort, Francois Caroubel, Nicolas Dugap, Jacques de Montmorency de Bellville, Jacques Cordier, Pierre Beauchamps, Guillaume Dumanoir, Michel Mazuel, Mignot de la Voye oder Robert Cambert schrieben bereits Ouvertüren, oder besser gesagt Eröffnungsmusiken für die Hofballette. Diese Ouvertüren haben nichts mit den italienischen Sinfonias zu tun, wie sie von Monteverdi, Luigi Rossi oder Francesco Cavalli und Marc‘ Antonio Cesti komponiert wurden – der typisch französische Orchesterstil wurde schon zu Zeiten Ludwigs XIII. und seiner Ballettmeister entwickelt und ist auf die Gründung der 24 Violinen zurückzuführen – Lullys Wirken besteht vornehmlich in der Weiterführung der Tradition seiner Vorgänger. Doch während die alten Ouvertüren eher nur gravitätisch waren, fügte Lully ihnen noch einen fugierten Teil hinzu. 1660 wurde eine solche „neue“ Ouvertüre im Ballett Xerxes zum ersten Male aufgeführt, diese Form wurde seitdem beibehalten. Fast jedes Werk beginnt mit einer solchen Ouvertüre, eine Ausnahme bildet Les Fêtes de l’Amour et de Bacchus, welches noch mit einem altertümlich anmutenden Ritournell eröffnet wird.

Lully selbst war als Tänzer sehr darauf bedacht, seine Tänze und Ballette so zu gestalten, dass man allein an der Musik schon erkennt, um welchen Tanz es sich handelt. So steht bei der Komposition nicht die Musik an erster Stelle – sondern der Tanz, den sie verkörpern soll.

Die französische Oper war von Anfang an als Gegenpol zur italienischen etablierten Oper gedacht.[36] So wie Ludwig XIV. in allen Bereichen der Kunst eine eigene französische Ausdrucksform forderte, war es ihm ein persönliches Anliegen, dass das auch in der Musik geschehen sollte. In Lully fand er einen willigen und talentierten Meister, der seine Vorstellungen umsetzen konnte.

Besonders auffällig ist im Vergleich zur italienischen Oper das französische Rezitativ. Dieses von Lully und Lambert entwickelte Rezitativ ist vielmehr eine Weiterentwicklung des Air de Cour und hat mit den italienischen Rezitativen kaum etwas gemein. So gehen rezitierte Passagen ohne weiteres in kleine liedhafte Airs über. Die italienische Da-capo-Arie existiert in der französischen Oper nicht. Die berühmteste Szene Lullys ist der Monolog der Armide aus der gleichnamigen Tragdie lyrique: Enfin il est à ma puissance! (Akt II, Szene 5). Zeitgenossen wie später auch Jean-Philippe Rameau betrachteten diese Passage als das Ideal der französischen Opernkunst. Der größte Verdienst Lullys liegt in der Begründung der französischen Nationaloper. Mit der von ihm geschaffenen Opernform schaffte er es, die Erwartungen des Publikums zufriedenzustellen, eine eigene, verständliche Oper zu kreieren und eine Erhaltung und Integration des Balletts zu erreichen.

Jede seiner Opern ist in fünf Akte und einen Prolog unterteilt. Der Prolog dient musikalisch zu Verherrlichung seines Königs. Er besteht in der Regel nur aus Balletten, Chören und Airs, aber kaum Rezitativen. Die fünf Akte der Tragödien (natürlich wurden nur klassische Stoffe behandelt wie Ritterepen und Geschichten der griechisch-römischen Mythologie) sind alle in Versen abgefasst, was dem speziellen französischen Rezitativ sehr entgegenkommt. Jeder der Akte verfügt über ein Divertissement, also große Chorszenen und Ballette. Bestimmte Szenen wurden zum Standard wie die beliebten Traumszenen (Sommeil), die pompösen Schlachten (Combats), die Stürme (Vents) und die abschließenden großen Chaconnen und Passacaillen, oft mit Solisten und Chor.

Schon seit den Plaisirs de l’îsle de enchantée war der französische Musikstil in Europa populär geworden, und so zog es recht viele junge Musiker nach Paris, um bei Lully zu studieren. Diese jungen Musiker machten den Stil Lullys vor allem in Deutschland und England populär. Die Orchesterstücke seiner Opern und Ballette kursierten als Suiten in gedruckter Form in ganz Europa.[37] So wundert es nicht, dass diese Suiten die barocke Orchestersuite maßgeblich prägten.

In fast jeder Musikbibliothek eines Fürsten fanden sich Abschriften der Werke Lullys. In Deutschland sind es vor allem die Höfe in Hannover, Celle, Düsseldorf, Kassel, Darmstadt, Rastatt und München gewesen, die nicht nur Lullys Musik sammelten, sondern auch französische Musiker importierten. Selbst wenn Lullys Opern noch in der Entstehungsphase waren, so gab es schon Schwarzkopien seiner fertiggestellten Szenen, die auf dem Schwarzmarkt verkauft wurden. Sein Stil fand etliche Nachahmungen, so sind selbst die berühmten Orchestersuiten von Johann Sebastian Bach Nachahmungen der von Lully begründeten Formen. Gerade in England wurde sein Stil durch den frankophilen Geschmack der Stuartkönige gepflegt, der Stil Lullys ist in der Musik von Locke, Humfrey, Blow und Purcell nicht zu überhören. Aber schon zu Zeiten Karls I. war der französische Musikstil am Hof etabliert, unter anderem durch den französischen Komponisten und Geiger Stephen Nau .

In Frankreich blieb der Stil Lullys etwa für weitere hundert Jahre bindend. Die Formen, die er dem Ballett, der Oper und der geistlichen Musik gab, wurden nicht angetastet. Es war selbst tabu, einen Text, den Lully bereits vertont hatte, ein weiteres Mal zu vertonen. So komponierten die französischen Komponisten in der direkten Nachfolge Lullys ihre Opern ganz in seinem Stil.[38]

Erst mit der Gründung des Concert spirituel in Paris und den immer öfter aufgeführten italienischen Konzerten wich die Abneigung gegen die italienische Musik. Als dann eine italienische Truppe Pergolesis La serva padrona in Paris aufführte, brach ein offener Konflikt zwischen den Anhängern der französischen traditionellen Oper und den Anhängern der neuen Opera buffa aus. Zeitgenossen berichten, dass es dort des Öfteren wie bei Religionskriegen zugegangen sei, zumindest was die Schmähschriften betrifft. Dieser Buffonistenstreit ging in die Geschichte ein und wurde erst Jahre später durch die ersten Aufführungen der Opern Glucks beigelegt.

Mit knapp 16 legte Moliere den Amtseid als künftiger Nachfolger seines Vaters im Tapissier-Amt ab und studierte wenig später Jura in Orléans.[39] Zurück in Paris erhielt er die Zulassung als Anwalt. Ob er je als solcher tätig war, ist nicht bekannt. Um dieselbe Zeit frequentierte er die Vorlesungen des Naturforschers und Philosophen Pierre Gassendi, was ihm eine gewisse Distanz zu den Dogmen der Kirche vermittelte. Offenbar verfasste er damals eine Vers-Übertragung von De rerum natura des römischen Philosophen Lukrez, die aber verlorengegangen ist.[40]

1641 oder 1642, also um die 20, lernte er die vier Jahre ältere Schauspielerin Madeleine Béjart kennen, die ihn in seinem Drang zum Theater bestärkte – gegen den Willen seines Vaters, der ihn im Sommer 1642 nötigte, in Ausübung seines Tapissier-Amtes Ludwig XIII. auf einer längeren Reise zu begleiten und ihm die wechselnden Nachtquartiere einzurichten.[41]

1643 übertrug Molière das ungeliebte Amt seinem jüngeren Bruder, ließ sich einen Vorschuss auf das Erbe seiner Mutter auszahlen und gründete, noch unter dem Namen Poquelin, gemeinsam mit Madeleine Béjart, ihren Geschwistern Louis und Geneviève sowie fünf weiteren Komödianten mit Vertrag vom 30. Juni 1643 eine Theatergruppe, das L’Illustre Théâtre. Dieses ging 1645 bankrott und Molière wurde vorübergehend in Schuldhaft genommen. In der Folge schloss er sich mit den Béjarts der Wandertruppe des Schauspielers Charles du Fresne an, die vom Duc d’Épernon finanziell unterstützt wurde und hauptsächlich in West- und Südfrankreich auftrat.

Bald stieg er zum Direktor der Truppe auf und gewann 1653 für einige Jahre den Gouverneur des Languedoc als Förderer, den Prince de Conti, den er von der Schule her kannte.[42] Das Repertoire der Truppe umfasste neben Tragödien, Tragikomödien und Komödien zeitgenössischer Autoren auch komische Farcen und lustige Theaterstücke im Stil der italienischen Commedia dell’arte. Ab 1655 nahm Molière auch eigene Werke ins Programm, z. B. die in Versen verfasste Komödie L’Étourdi ou Les Contretemps (Der Tollpatsch oder die Querstreiche), in der ein gewitzter und pfiffiger Diener und sein notorisch ungeschickter junger Herr die Hauptrollen spielen.

Nach 13 Wanderjahren, in denen er Menschen aus allen Schichten kennengelernt hatte und sein Handwerk als Schauspieler, Theaterdirektor und schließlich auch Autor von Grund auf gelernt hatte, gastierte Molière 1658 in Rouen, wo er dem berühmten Dramatiker Pierre Corneille begegnete. Vor allem aber kam er hier in Kontakt mit „Monsieur“, d. h. dem jüngeren Bruder von Ludwig XIV, Herzog Philippe I. d’Orléans. Dieser lud die Truppe an den Hof nach Paris ein, wo Molière die Tragödie Nicomède von Corneille und seine eigene Farce Le médecin amoureux (Der verliebte Arzt) aufführte. Letztere gefiel dem jungen, gerade erst 20-jährigen König so sehr, dass er der Truppe erlaubte, im Saal des an den Louvre grenzenden Petit-Bourbon zu spielen. Die Sonntage, Dienstage und Freitage gehörten dort allerdings schon einer italienischen Truppe um den Komödianten Tiberio Fiorilli (1608–1694), der wegen seiner Paraderolle als Scaramouche berühmt war.

Den Durchbruch erzielte Molière im November 1659 mit seiner in Prosa verfassten Komödie Les précieuses ridicules (Die lächerlichen feinen Damen), seinem ersten für ein überwiegend Pariser Publikum konzipierten Stück.[43] Am Beispiel der beiden Protagonistinnen, zweier etwas exaltierter, möchte-gern-adelig und gebildet tuender Bürgermädchen, verspottet er hier die gekünstelte Sprechweise und die wirklichkeitsfremden Denkweisen der Preziösen, wie sie inzwischen auch im Bürgertum zu finden waren. Der Erfolg des Stücks verschaffte ihm erste Neider, das Thema erste Feinde, darunter den Chef der Verwaltung der königlichen Schlösser, der pünktlich zu Beginn der Spielzeit 1660/61 den Abriss des Petit-Bourbon verfügte. Molière blieb drei Monate ohne Spielstätte, bis er vom König den Saal des Palais Royal zugewiesen bekam.

Ein weiterer Schlag war 1661 der komplette Misserfolg der Tragikomödie Dom Garcie de Navarre, mit der Molière sich offenbar dem gehobenen Genus der Tragödie anzunähern gedachte.[44] Mit dem zentralen Thema des Stücks, der exzessiven Eifersucht, bearbeitete er sicher aber auch ein persönliches Problem, denn der 40-Jährige umwarb zu dieser Zeit die offenbar kokette 18-jährige Armande Béjart, die jüngste Schwester von Madeleine und ebenfalls Schauspielerin in seiner Truppe.

Der nächste große Erfolg war erst Ende 1662 L’École des femmes (Die Schule der Frauen), eine Verskomödie, in der Molière (dem soeben Armande ihr Jawort gegeben hatte) für eine gemäßigte Emanzipation der jungen Frauen wirbt und für ihr Recht auf eine Liebesheirat. Die heftige Kontroverse, die er hiermit auslöste, heizte er 1663 weiter an mit den Prosastücken La Critique de l’École des femmes (Kritik der Schule der Frauen) und L’Impromptu de Versailles (Das Stegreifspiel von Versailles) an. Dem König scheint dies gefallen zu haben, denn er setzte Molière eine jährliche Pension von 1000 Livres aus. Im Januar 1664 wurde der König sogar Taufpate Molières ersten (allerdings bald danach verstorbenen) Kindes Louis, was er wohl auch deshalb tat, um das Gerücht zu widerlegen, Armande sei ein Kind Madeleine Béjarts und Molières und dieser habe somit seine eigene Tochter geheiratet.

In den Jahren 1663 bis 1665 wurde Molière für kurze Zeit zum Protektor des noch unbekannten Nachwuchsdramatikers Jean Racine. Er beauftragte ihn mit einer Tragödie über den Ödipus-Stoff, die er Anfang 1664 wenig erfolgreich inszenierte unter dem Titel La Thébaïde. Ou les frères ennemis (Die Thebais. Oder die feindlichen Brüder). 1665 spielte er mit immerhin mäßigem Erfolg Racines Tragikomödie Alexandre le Grand.

Molière erlebte allerdings, dass der mit der Inszenierung unzufriedene Jungautor mit seinem Stück zu der Truppe des Hôtel de Bourgogne abwanderte, die auf Tragödien spezialisiert war. Dabei nahm Racine eine von Molières beliebtesten Schauspielerinnen mit, Mademoiselle du Parc, die sich mit Racine liiert hatte und ihm zur Konkurrenz folgte. Das Verhältnis der beiden Männer war hiernach naturgemäß gespannt. Molière rächte sich, indem er in der Folgezeit häufig ältere Stücke von Racines Rivalen Pierre Corneille wieder aufnahm oder neue uraufführte.

Im Mai 1664 – inzwischen war er zum Vergnügungsdirektor Ludwigs XIV. avanciert – organisierte Molière ein mehrtägiges Hoffest im neuangelegten Park von Versailles. Dort spielte er zunächst, mit Balletteinlagen, die sein jüngerer Freund Jean-Baptiste Lully komponiert und choreographiert hatte, die unverfänglichen (eigenen) Komödien La Princesse d’Élide (Die Fürstin von Elis), Le Mariage forcé (Die Zwangsheirat) und Les fâcheux (Die Lästigen). Am sechsten Tag führte er eine neue Verskomödie in drei Akten auf, die zum Politikum wurde: Tartuffe.[45]

Schon im Vorfeld hatten etliche fromme Höflinge die Aufführung dieses Stücks um einen scheinbar strenggläubigen, in Wahrheit aber herrschsüchtigen, raffgierigen und lüsternen Schwindler zu verhindern versucht. Nach der Aufführung brach Empörung beim gesamten „alten Hof“ aus, einer Gruppierung meist älterer Höflinge, die sich um die fromme Königinmutter Anna von Österreich scharten und der Zeit vor 1661 nachtrauerten, wo man unter ihr und ihrem Minister Kardinal Mazarin die Macht gehabt hatte. Dem König war Molières Attacke auf die auch ihm lästigen Frömmler zunächst sehr recht gewesen, unter dem Druck des „alten Hofes“ hielt er es aber doch für geraten, das Stück zu verbieten. Die nächsten Jahre Molières waren bestimmt von seinem Kampf für den Tartuffe und gegen die Intrigen des „Klüngels der Frommen“, wie er sie nannte.[46] Diese waren teilweise in einem bigotten Geheimbund organisiert, der Compagnie du Saint-Sacrement, der auch sein ehemaliger Gönner Conti angehörte, der nach einer Syphilisinfektion fromm geworden war.

Molière verfolgte unterdessen das Thema der Heuchelei weiter: Ende 1664, also bald nach dem ersten Verbot des Tartuffe, verfasste er Don Juan, ein Prosastück über einen hochadligen Heiratsschwindler, Betrüger und Libertin, der, um sich den Nachstellungen empörter Geschädigter zu entziehen, eine Bekehrung zu christlicher Moral und Frömmigkeit heuchelt, aber schließlich zur Hölle fährt. Auch dieses Stück wurde nach wenigen Aufführungen verboten, vermutlich wegen der nicht eindeutig negativen Darstellung von Don Juans Freidenkertum.[47]

Immerhin sah sich Molière vom König insofern unterstützt, als er im Sommer 1665 seine Jahrespension von 1000 auf 6000 Livre erhöht bekam und mit seiner Truppe den Titel Troupe du roi annehmen durfte, beides kurz nach der Geburt seiner Tochter Esprit-Madeleine, die als einziges Kind überleben sollte.[48]

Im Juni 1666 brachte Molière die Verskomödie Le Misanthrope (Der Menschenfeind) heraus, eine Satire auf die unehrliche Schmeichelei am Hof und die geheuchelte Nettigkeit in den Pariser Salons. Die ungewöhnlich stark autobiographisch geprägte Figur des Misanthropen Alceste, von Molière selbst gespielt, spiegelt sichtlich dessen eigenes Unvermögen und seine Unlust wider, sich auf dem glatten Parkett der Hofgesellschaft opportunistisch und angepasst zu verhalten. In der enttäuschten Liebe Alcestes zu der koketten jungen Célimène spiegelt sich die Enttäuschung Molières über seine 20 Jahre jüngere Frau Armande wider, die sich gerade (vorübergehend) von ihm getrennt hatte.

Im Sommer 1667 versuchte er eine auf fünf Akte verlängerte, überarbeitete und in L’Imposteur (Der Schwindler) umbetitelte Version des Tartuffe in sein Programm aufzunehmen, wobei er den Protagonisten in „Panulphe“ umbenannte und nicht mehr priesterähnlich, sondern als Adeligen kostümierte. Doch der Präsident des Pariser Parlements, der für den auf einem Feldzug in Flandern befindlichen König die Polizeigewalt ausübte, reagierte sofort mit einem Verbot; der Erzbischof von Paris drohte Molière sogar mit Exkommunikation. Als dieser zwei Schauspieler mit einer Bittschrift zum König schickte, signalisierte der zwar Wohlwollen, tat aber nichts. Immerhin duldete er, dass sein Bruder Philippe und danach der Fürst de Condé (der ältere Bruder Contis) 1668 das Stück in ihren Schlössern privat aufführen ließen.

Nach dem Verbot auch der zweiten Tartuffe-Version übte Molière 1668 in der Verskomödie Amphitryon erstmals leise Kritik an seinem wenig zuverlässigen Gönner Ludwig, den er verschlüsselt in der Rolle Iupiters ganz ungeniert seinem sexuellen Lustgewinn nachgehen lässt. In George Dandin (Prosa, ebenfalls 1668) brandmarkte er die Arroganz, mit der Adlige, selbst wenn sie verarmt sind, glauben, die gesellschaftlich nützliche Bourgeoisie verachten und ausbeuten zu dürfen.

Erst am 5. Februar 1669, nachdem der „alte Hof“ nach Annas Tod 1666 endgültig entmachtet, die Compagnie du Saint-Sacrement verboten und Ludwigs Macht nach innen- und außenpolitischen Erfolgen so gefestigt war, dass er keine Rücksicht mehr auf die frommen Gegner Molières nehmen musste, konnte dieser das nochmals überarbeitete, nun als Tartuffe, ou l’Imposteur betitelte Stück frei aufführen. Die Aufführung war ein triumphaler Erfolg und gilt als eines der großen Ereignisse der französischen Theatergeschichte.

Diese letzten Lebensjahre Molières waren gekennzeichnet von einem sich stetig verschlechternden Gesundheitszustand, bedingt durch den beruflichen Stress sowie das lange Hin und Her um den Tartuffe.[49] Häufige Eheschwierigkeiten setzten ihm zusätzlich zu. 1671 kam es bei der Einstudierung der Ballett-Tragödie Psyché (deren letzte zwei Drittel Corneille verfasst hatte) zum Bruch mit Partner Lully. Anfang 1672 erkrankte und verstarb seine langjährige Weggefährtin Madeleine Béjart. Ende desselben Jahres starb ein drittes Kind bald nach der Geburt, und Molière musste erleben, wie Lully zum Rivalen wurde, den der König vorzuziehen begann.

Le Malade imaginaire sollte in bitterer Ironie sein letztes Stück bleiben und die Hauptrolle des eingebildeten Kranken seine letzte Rolle.[50] Bei der vierten Aufführung am 17. Februar 1673 erlitt er einen Schwächeanfall und starb wenig später in seiner nahe gelegenen Wohnung. Nur mühsam gelang es seiner Frau Armande, den Widerstand des Gemeindepfarrers zu brechen und über den König beim Erzbischof von Paris zu erreichen, dass eine halbwegs ehrbare Bestattung auf einem kirchlichen Friedhof genehmigt wurde.

Die Truppe Molières blieb unter Armandes Leitung zunächst bestehen. Sie schloss sich aber bald, als Rivale Lully den Saal des Palais Royal zugesprochen bekam, der Truppe des Théâtre du Marais an, wobei Armande einen von deren Schauspielern heiratete. 1680 verschmolz die neue Truppe auf Anweisung von Ludwig XIV. mit der Truppe des Hôtel de Bourgogne: Die noch heute bestehende Comédie-Française war geboren.

Die Comédie-Française ist eines von fünf Theatern in Frankreich, die den Status eines Nationaltheaters innehaben. Die Comédie-Française unterhält als einziges dieser Nationaltheater ein festes Ensemble (Troupe des Comédiens français). Das Haus der Comédie-Française befindet sich im 1. Pariser Arrondissement, dem Arrondissement du Louvre. Der Name Molière ist eng mit dem Theater verbunden, weshalb es auch oft La Maison de Molière (Molières Haus) genannt wird. Sein großer Einfluss auf die französische Theaterlandschaft und die Schauspielkunst prägte die Geschichte des Hauses.

Die Comédie-Française wurde am 21. Oktober 1680 durch ein Lettre de cachet von König Ludwig XIV. gegründet, das den Zusammenschluss der beiden Pariser Schauspieltruppen des Théâtre de l’hôtel de Bourgogne und des Théâtre de Guénégaud regelte. Bereits am 24. August gab das aus 27 Schauspielern bestehende Ensemble seine erste öffentliche Vorstellung, mit einer gemeinsamen Aufführung der Tragödie Phèdre von Jean Racine und einer Komödie des zweitrangigen Schriftstellers Jean de La Chapelle (1651–1723). Das Repertoire bestand vorwiegend aus Stücken von Molière, Racine, Pierre Corneille, Paul Scarron und Jean de Rotrou.

Während der Französischen Revolution wurden die Comédie-Française am 3. September 1793 per Verordnung des Wohlfahrtsausschusses geschlossen und die Schauspieler verhaftet. Erst sechs Jahre später, am 30. Mai 1799, hob die neue Regierung diesen Beschluss auf und erlaubte weitere Vorführungen des wiedervereinigten Ensembles im Richelieu-Saal (Salle Richelieu).

Am 25. Februar 1830 kam es anlässlich der Uraufführung von Victor Hugos Stück Hernani im Theater zur sogenannten „Schlacht um Hernani“. Das Publikum war gespalten in Anhänger der französischen Klassik und solche der Romantik, die durch das Stück mitbegründet wurde, und trug diesen Konflikt während der Aufführung lautstark aus. Letztlich trugen die Anhänger des neuartigen „romantischen“ Theaters den Sieg davon, und Abweichungen von den klassischen Theaterregeln wurden verbreiteter.

Die Comédie-Française verfügt über drei Theater in Paris: den Richelieu-Saal, das Théâtre du Vieux-Colombier und das Studio-Théâtre.

Gegen die absolutistisch geprägte Comédie-Francaise gab es bürgerliche Oppositionsveranstaltungen in Form der Pariser Jahrmarkttheater.

Pariser Jahrmarktstheater (Théâtre de la foire) nennt sich ein Spektrum von Unterhaltungsveranstaltungen in Paris seit dem 17. Jahrhundert, zu denen Theater-Parodien, Marionettentheater, Artistik, Pantomime, Vaudeville und später die Opéra comique gehörten.

Diese Veranstaltungen hatten ihr jahreszeitliches und örtliches Zentrum auf den Jahrmärkten von Saint-Germain, Saint-Laurent und später Saint-Ovide. Sie waren der Ursprung aller kontinentaleuropäischen Theaterformen, die nicht von den Hoftheatern ausgingen, sondern vom Unternehmertum des Dritten Standes. Diese Bedeutung hat mit dem Publikumsvolumen zu tun: Paris als größte europäische Stadt überschritt im 18. Jahrhundert schon die Grenze von 500.000 Einwohnern, während Wien, die größte Stadt im deutschsprachigen Raum, um 1790 erst 200.000 Einwohner zählte.

Jahrmarktstheater waren stets ein Symbol für den individuellen (und privatwirtschaftlichen) Widerstand gegen die etablierten, vom Adel geführten Theater der Stadt und des Hofs, die ihre Konkurrenz bekämpften.

Der Jahrmarkt wird erstmals um 1176 erwähnt und wurde rund um die Abtei Saint-Germain-des-Prés abgehalten. Er dauerte in der Regel drei bis fünf Wochen um Ostern herum. Seit dem 18. Jahrhundert war er vom 3. Februar an bis zum Palmsonntag geöffnet. Es wurden Textilien und Geschirr besserer Qualität verkauft, aber keine Waffen oder Bücher. Es gab den Jahrmarkt bis 1789, als er in der Französischen Revolution in den Besitz der Stadt überging. 1818 wurde er als städtischer Markt wiedereröffnet. Den Jahrmarkt gibt es wieder seit seiner Wiederbelebung 1978.

Die ersten bekannten Komödianten, die sich auf diesem Jahrmarkt produzierten, waren Jean Courtin und Nicolas Poteau, die 1595 einen Prozess gegen die Truppe des Hôtel de Bourgogne gewannen, die auf ihrem Privileg bestand. Einen ähnlichen Erfolg hatten 1618 André Soliel und Isabel Le Gendre. Später zeigten sich Marionettenspieler, Seiltänzer, Bodenakrobaten und Tierbändiger auf dem Jahrmarkt. 1696 wurden vier kleine Theater mit je etwa 100 Sitzplätzen gebaut.

Nach 1700 erfolgte eine Literarisierung, auch eine Politisierung des Jahrmarktstheaters. Mehr und mehr wurden Opern und Theaterstücke gespielt, die bekannte höfische Theaterereignisse verspotteten. Schriftsteller wie Alain Lesage oder Louis Fuzelier schrieben für das Jahrmarktstheater.

Der Jahrmarkt Saint-Laurent bestand seit 1344 im Enclos Saint-Laurent zwischen der gleichnamigen Kirche und dem heutigen Ostbahnhof (Gare de l'Est). Im 18. Jahrhundert wurde er vom 9. August bis zum 29. September abgehalten.

Der Jahrmarkt Saint-Laurent war ein Treffpunkt für Handwerker, Händler und bürgerliche Kunden unter freiem Himmel, während der überdachte Jahrmarkt Saint-Germain eher als Einkaufszentrum für Luxusgüter wie Schmuck oder Porzellan diente.

Viele Artisten und Theatertruppen des Jahrmarkts Saint-Germain traten auch hier auf, weil der eine Jahrmarkt im Frühling und der andere im Sommer abgehalten wurde. Als sich die Theaterszene vergrößerte, wurden Theaterproduktionen von Saint-Germain in Saint-Laurent wieder aufgenommen.

Der Jahrmarkt Saint-Ovide wurde seit 1764 auf dem Place Louis XIV abgehalten und 1772 auf den Place Louis XV verlagert. Trotz der kleinen Dimension war er eine wichtige Konkurrenz von Saint-Laurent, der ungefähr zur gleichen Zeit stattfand (etwa 15. August bis 15. September). 1777 wurden die Buden durch einen Brand zerstört.

Die artistischen Darbietungen des 17. Jahrhunderts wurden zunehmend zu kleinen Komödien und damit zu einem Markt für talentierte Schriftsteller und Komponisten. Seit der Vertreibung der italienischen Komödianten aus Paris 1697 durch Ludwig XIV. entstanden neue französische Theaterformen. Die Professionalisierung der Jahrmarktsspektakel beunruhigte sogar die Comédie-Française, die in ihnen eine gefährliche Konkurrenz zu erblicken begann. Aufgrund verschiedener Prozesse, die sie gegen die Jahrmarktskomödianten führte, erreichte sie 1707 das berühmte Verbot der „pièces dialoguées“ auf den Jahrmärkten, ein generelles Verbot (französischer) Bühnen-Dialoge, aus dem die stumme Pantomime hervorging.

Aus der Geschicklichkeit, mit der dieses Verbot umgangen wurde, entstanden neue Theaterformen, etwa Stücke, die ausschließlich aus Monologen bestanden. Später wurde auch ein Kauderwelsch erfunden, um den alleinigen Anspruch der Comédie-Française auf die französische Sprache nicht zu verletzen. Schließlich wurden Zwischentexte auch mit Hilfe von Schildern und Papierrollen gezeigt. Um das Gesangsverbot auf der Bühne zu umgehen, wurde das Publikum zum Singen animiert.

Auf diese Weise konnte die Comédie-Française nicht mehr gegen erfolgreiche Produktionen vorgehen. Die Pariser Oper demgegenüber hatte bereits im ganzen französischen Königreich das alleinige Recht, Gesangs- und Ballettdarbietungen aufzuführen, und mussten sich deshalb um keine Verbote bemühen. Die Direktoren der Oper versuchten jedoch, ihre Einkünfte zu verbessern, indem sie Theaterunternehmern auf den Jahrmärkten das Recht zu musikalischen Spektakeln verkauften. So entstand 1714 das Genre der Opéra comique.

Die Opéra comique ist eine Operngattung, deren Anfänge im 17. Jahrhundert auf Vorstadtkomödien mit Musikeinlagen (Vaudevilles) zurückgehen. Sie war in der ersten Zeit dadurch gekennzeichnet, dass die musikalischen Nummern nicht durch Rezitative verbunden waren, sondern durch gesprochene Dialoge. Damit war sie ein Pendant zum deutschen Singspiel und der englischen Ballad Opera beziehungsweise der Spieloper.

Die anfangs in der Regel aus drei Akten bestehende Opéra comique verwendete keine antiken mythologischen Sujets wie die Tragédie lyrique, sondern historische oder gegenwärtige Stoffe, und ihre Helden waren keine Adligen.

Im Laufe der Zeit erfährt die Opéra comique eine Reihe stilistischer Wandlungen, wobei auch mehr als drei Akte oder Rezitative anstelle der Dialoge möglich werden. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts findet eine Aufspaltung in zwei Richtungen statt: eine, die sich zunehmend der Operette nähert, und eine andere, die sich verstärkt der Mittel der Grand opéra bedient. Bei letzterer verschmelzen schließlich die Kunstmittel der Opéra comique so stark mit dem Drame lyrique, dass eine Unterscheidung nach Gattungen nicht mehr möglich ist.

Ob der Charakter eines Werkes komisch oder tragisch ist, spielt für diese Gattungsbezeichnung keine Rolle. Die Opéra comique ist oft gar nicht komisch, sondern hat eher rührend-sentimentale Handlungen. Die Bezeichnung comique rührt im Grunde nur daher, dass die Tragödie bis zum 18. Jahrhundert dem Adel vorbehalten war und das aufstrebende Bürgertum sich mit Komödien begnügen musste. Deshalb wurde die Opéra comique zu einer bürgerlichen Oper, die sich von der (tragischen) höfischen Oper ebenso distanzierte wie von den (komischen) Jahrmarktsvergnügungen.

Ebenso wurde mit der ursprünglichen Opéra comique das Einheimische gegen die italienischen Kulturimporte ausgespielt, was für das Singspiel im deutschen Sprachgebiet ebenso eine Rolle spielte wie in Frankreich. Da große Teile gesprochen waren, konnten die Partien auch von Schauspielern ausgeführt werden, während man für die Oper (italienische) Gesangsvirtuosen benötigte.

Weil es im deutschen Sprachgebiet auch im 19. Jahrhundert noch das Hoftheater für die Repräsentation des Adels gab, im Unterschied zu Paris, hielt sich hier der ursprüngliche Sinn der Opéra comique als Gegengattung zur höfischen Oper (zum Beispiel in Albert Lortzings Singspielen, am radikalsten in seiner „Freiheitsoper“ Regina, 1848), während diese Gattungsbezeichnung in Paris nach der Französischen Revolution mit der Institution der Opéra-Comique und ihren Vorschriften und Gegebenheiten zusammenfiel. Daher muss man eine bieder-bürgerliche Opéra comique des 18. Jahrhunderts, die sich um ein bürgerliches Selbstbewusstsein bemühte, ohne es sich mit den Aristokraten zu verderben, von einer großstädtisch-glanzvollen Opéra comique des 19. Jahrhunderts unterscheiden.

Als ein Gesangsverbot auf den Jahrmärkten 1714 aufgelöst wurde (das jedoch nicht das letzte an diesen Orten bleiben sollte), schlossen sich zwei französische Theatertruppen zur Institution der Opéra comique zusammen, die eine französische Alternative zu den italienischen Opern bieten sollten. Alain Lesages Opernparodie Télémaque trägt um 1715 als eines der ersten Stücke die Gattungsbezeichnung Opéra comique. In die Vaudevilles waren Lieder mit neuen Texten zu bekannten Melodien eingelegt, in der Opéra comique war dagegen auch die Musik neu komponiert. Oft wurden diese Stücke „comédie mêlée d'ariettes“ oder „drame mêlé de chants“ genannt, was die Mischung aus gesprochenem Text und Gesang anzeigt. Eine Zusammenstellung der Musik aus Werken verschiedener Komponisten war nicht selten. Unterschätzt wird heute häufig die Bedeutung des Gesellschaftstanzes für diese frühen populären Opern.

Die Rivalität zwischen italienischer und französischer Musik wurde stets von Neuem angefacht. Als eine italienische Operntruppe in Paris 1752 wiederum sehr erfolgreich war, präsentierte der Philosoph und Musiker Jean-Jacques Rousseau mit seinem Intermède Le Devin du village (Der Dorfwahrsager) eine Opéra comique, die den Italienern mit Hilfe des Hofes Konkurrenz machen konnte. Rousseau, der sich über den Erfolg freute, aber durchaus nicht zur konservativen „französischen“ Partei gehörten wollte, zettelte daraufhin mit einem öffentlichen Brief (Lettre sur la musique française, 1753) den sogenannten Buffonistenstreit an, indem er die französische Opernmusik pauschal verurteilte und ihr die italienische Opera buffa als leuchtendes Beispiel voranstellte.

Wie ihre italienischen Vorbilder (La serva padrona, 1733) behandelt Rousseaus Kurzoper den Erfolg einfacher Leute, aber Komik und Intrige sind zugunsten der konstruktiven und positiven Handlungselemente stark zurückgenommen. Obwohl sich Rousseau in dieser Oper um französische Rezitative bemühte, machte sein Beispiel nicht Schule. Man blieb in der Opéra comique beim gesprochenen Text der Jahrmarktskomödien. Aber der schlichte, sentimentale Ton wies den „ernsthaften“ Stücken dieses Genres einen Weg.

So wurde die Opéra comique nach der Jahrhundertmitte zu einer „bürgerlichen“ Opern-Alternative einerseits gegenüber der höfischen Tragédie lyrique und andererseits gegenüber dem „vulgären“ Vaudeville. Komponisten wie François-André Danican Philidor oder Pierre-Alexandre Monsigny entwickelten ihre musikalischen Mittel. Erstmals (und vorerst auch letztmals) konnten sich beide Gattungen – Opéra comique und Tragédie lyrique – in Antonio Salieris Tarare (1787) vermischen.

Der Dichter Charles Simon Favart rühmte sich, mit der Opéra comique eine Oper für die „honnêtes gens“, das Bürgertum seiner Zeit, geschaffen zu haben. Er arbeitete etwa mit dem italienischen Komponisten Egidio Duni oder mit Antoine Dauvergne zusammen. Nach ihm ist die Salle Favart benannt, das „Haus“ der Opéra comique. Nicolas Dalayrac vertrat eine leichtere, komödienhafte Spielart der Opéra comique. Seine Gesangspartien konnten oft noch von Schauspielern gemeistert werden. Der Komponist André Grétry gilt als ein Wegbereiter der moderneren, dramatischeren und musikalisch gewichtigeren Opéra comique. Seine Oper Richard Cœur-de-lion (1784) enthält eine mehrmals wiederkehrende patriotische Melodie, die oft als Vorform des Leitmotivs gedeutet wurde. Zur Opéra comique der Revolutionszeit gehören Werke von Étienne-Nicolas Méhul, Nicolas Isouard oder François Devienne.

Im deutschen Sprachgebiet wurde die Opéra comique bewundert und nachgeahmt, aber ihr Witz wurde oft nicht verstanden. So wurde Marie Duroncerays Les amours de Bastien et Bastienne (1753), eine bissige Parodie auf Rousseaus Devin du village, in der von Mozart vertonten deutschen Fassung Bastien und Bastienne (1768) wieder zum bieder-rührenden Singspiel. Neben den parodistischen gab es gewiss auch sentimentale Originale, die in Deutschland besser verstanden wurden: Méhuls rührender Joseph (1807) wurde im deutschen Sprachgebiet häufig gespielt und regte ähnliche deutschsprachige Opern an wie Joseph Weigls Die Schweizer Familie (1809).

Die älteren Opéras comiques bildeten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein ein unerschöpfliches Reservoir für Übersetzungen, Bearbeitungen und Neuvertonungen in andern Sprachen. Die deutschen Wanderbühnen hatten stets auch opéras comiques im Repertoire, die sich mit relativ geringem Aufwand aufführen ließen. Selbst die erste Wiener Operette Das Pensionat (1860) geht noch auf eine ältere Opéra comique zurück. Eine nationalistisch orientierte Theater- und Musikgeschichtsschreibung seit dem Ende jenes Jahrhunderts versuchte allerdings oft, die deutschsprachigen Spielopern als Originalwerke auszugeben.

Da Paris nicht nur die Kultur der Höfe anleitete, sondern bis ins 19. Jahrhundert auch die größte Stadt auf dem europäischen Kontinent war, kamen die meisten kulturellen Strömungen von dort. Christoph Willibald Gluck komponierte als Kapellmeister des Französischen Theaters (Burgtheater) in Wien auf französische Libretti zwischen 1758 und 1763 mehrere opéras comiques, bevor sich dieses Theater dem deutschsprachigen Singspiel zuwandte wie Mozarts Die Entführung aus dem Serail (1782), was im 19. Jahrhundert als bürgerlicher und „nationaler“ Triumph des „Deutschen“ gesehen wurde.

Die Emanzipation der Opéra comique war gleichsam vollendet, als sie nach der Revolution an die Stelle der höfischen Tragödie treten konnte. Zur Opéra comique dieser Art gehört Luigi Cherubinis tragische Oper Médée (1797). In Verbindung mit dem Theatermelodram ergaben sich allerdings modernere Typen der Tragödie oder Tragikomödie wie die Rettungsoper mit ihren Abenteuerstoffen. Eine unruhige Ära des Experimentierens zu Beginn des Jahrhunderts spiegelt die Regierungszeit Napoléon Bonapartes. Beethovens Fidelio (1805–1814) vollzieht diese Entwicklung nach: Orientiert sich der erste Akt noch weitgehend an der rührstückhaften älteren Opéra comique, begibt sich Beethoven im weiteren Verlauf der Komposition mit einem Melodram und dem spektakulären Befreiungs-Quartett in den Bereich der Rettungs-Oper, um im großen utopischen Chorfinale das Werk gleichsam oratorienhaft zu beenden.

Die moderneren „Spektakelstücke“ Frankreichs hatten auch erheblichen Einfluss auf die sogenannte romantische Oper, wie zum Beispiel auf Carl Maria von Webers Der Freischütz (1821).

Mit der Tradition dieser jüngeren und größeren Opéra comique verbindet man die Namen der Komponisten François-Adrien Boïeldieu und Daniel-François-Esprit Auber sowie des Librettisten Eugène Scribe. Boïeldieus La dame blanche (1825) setzt die Adelsgesellschaft in ihr altes Recht und steht damit im Dienst der Restauration, während Aubers Le maçon (1825) Handwerkerschicksale im exotischen Umfeld behandelt und unter dem deutschen Titel Maurer und Schlosser häufig gespielt wurde.

Im Jahr 1827/28, als der Melodram-Dichter und -Produzent René Charles Guilbert de Pixérécourt Direktor der Opéra-Comique war, waren sich die Varianten des Pariser Musiktheaters so nahe wie nie zuvor, und es spaltete sich die Grand opéra als Folgegattung für die altmodisch gewordene Tragédie lyrique ab. Die politische Bedeutung der Opéra comique kam nur noch gelegentlich zum Tragen und ging auf die Grand opéra über wie in Aubers La muette de Portici (1828), deren Aufführung am 25. August 1830 in Brüssel die belgische Revolution auslöste. Obwohl dieses Stück heute aufgrund der fünf Akte und Rezitative zur Grand opéra gerechnet wird, behielt es durch die integrierte pantomimische Rolle und die sozial niedrig stehenden Hauptfiguren Eigenschaften der Opéra comique bei.

In der Zeit des Vormärz waren die unterhaltsamen Stücke, die nirgends anecken konnten, modern. Sie entwickelten musikalische Stilmittel weiter, die Gioachino Rossini berühmt gemacht hatten (der in Paris lebte, aber nicht mehr komponierte). Aubers Fra Diavolo (1830) und Gaetano Donizettis La Fille du Régiment (1840) gehören zu den erfolgreichsten Opern dieses Genres und blieben hundert Jahre lang im Repertoire.

Der Postillon von Lonjumeau (1836) von Adolphe Adam (1803–1856) wurde zu einer auch im deutschen Sprachgebiet verbreiteten Opéra comique. In ihr zeigt sich die Ideologie der älteren Opéra comique, in der das Komische zum Sentimentalen tendiert, wieder sehr deutlich: Die vorgebliche Bigamie der Hauptfigur stellt sich als Treue heraus, weil sich die zweite Ehefrau des zum Gesangsstar gewordenen Postillons als seine verlassene erste entpuppt: Er führt also kein Lotterleben, sondern ist im Grunde doch ein pflichtbewusster Bürger.

Zur repräsentativen großbürgerlichen Operngattung wurde allerdings die Grand opéra (die ihrerseits an eine Pariser Institution, die „Opéra“, gebunden war) mit ihrem hauptsächlichen Vertreter Giacomo Meyerbeer. Meyerbeer versuchte die Opéra comique mit seinem deutsch uraufgeführten Werk Ein Feldlager in Schlesien (Berlin 1844) zur repräsentativen aristokratischen Oper zu machen, stieß damit aber auf geharnischten Widerstand in der deutschsprachigen Theaterwelt, sodass dieses Werk erst in seiner französischen Umarbeitung L’Étoile du Nord (1854) in Paris Fuß fassen konnte.

Die Opéra comique hatte zunehmend Mühe, sich zu profilieren, und eiferte der Grand opéra nach. Hector Berlioz stand mit seinem Künstlerdrama Benvenuto Cellini (1838) unentschieden zwischen Opéra comique und Grand opéra. Die Opéra comique konnte sich nicht mehr als Gegengattung zur höfischen Oper ausgeben und war auch nicht mehr das „heitere“ Genre.

Mit den modernen Vaudevilles der Boulevardtheater und später mit den Music Hall-Attraktionen entstand demgegenüber eine Art Musiktheater für Dienstboten und Arbeiter, sodass die Opéra comique ebenso wie die Grand Opéra das gehobene Bürgertum repräsentierte.

Dies bemängelte der Komponist Jacques Offenbach und erklärte in einer Abhandlung von 1856, dass er die Opéra comique als „einfache und wahre“ Oper (le genre primitif et vrai) des 18. Jahrhunderts wiederbeleben wolle, weil die im Haus der Opéra-Comique gespielten Stücke mittlerweile „kleine Grand Opéras“ geworden seien. Das Ergebnis war Offenbachs Pariser Operette im Théâtre des Bouffes-Parisiens. Offenbachs an der Opéra-Comique aufgeführtes Werk Barkouf (1860) mit einem Hund als Hauptfigur fiel durch. Die grotesk-komischen Stücke hatten an diesem Ort keine Zukunft. Heitere Werke gab es in diesem Genre allerdings nach wie vor wie etwa bei Victor Massé.

Die größer dimensionierte Opéra comique konnte sich halten, weil die Grand opéra nach Meyerbeers Tod 1864 erschöpft schien. Mignon (1866) von Ambroise Thomas nach Wilhelm Meisters Lehrjahre zeigte nach Faust und Werther erneut, wie gut sich Goethes Romanfiguren auf der französischen Opernbühne machten. Mit Georges Bizets Carmen (1875) wurde die Opéra comique wieder zur führenden französischen Oper. Die Tradition, dass die Opéra comique eine Operngattung der „einfachen Leute“ war und auch tragische Schicksale in diesem Milieu darstellen konnte, wurde mit Carmen aufgenommen und radikalisiert (denn die Hauptfigur schert sich dort nicht um bürgerliche Werte). Dies führte bei der Uraufführung zu einem Skandal, setzte sich aber im Nachhinein durch.

Gegen die Tendenzen der Zeit waren jedoch die traditionell gesprochenen Dialoge der Opéra comique. Weil die Gesangspartien von Schauspielern nicht mehr zu bewältigen waren und Sänger Mühe mit den gesprochenen Dialogen hatten, gab es aufführungspraktische Schwierigkeiten. Außerdem empfand man oft die Stückelung der Musik als der Oper nicht mehr angemessen. Dies führte dazu, dass viele Opéras comiques nachträglich mit Rezitativen versehen oder große Ballette integriert wurden. Carmen teilt das Schicksal der nachkomponierten Rezitative mit Charles Gounods Faust (1859) und Jacques Offenbachs Les Contes d’Hoffmann (1881), die als letzte bedeutende Werke der Gattung gelten.

Zur Vermeidung des Begriffs Opéra comique wurde mehr und mehr auch die Gattungsbezeichnung Drame lyrique gebraucht. Mit dem Drang zur durchkomponierten Form verschwand die Opéra comique allmählich, etwa zur selben Zeit, da in Deutschland Singspiel beziehungsweise Spieloper dem Musikdrama als „hohem“ und der Wiener Operette als „niederem“ Genre wichen. – Tragédie lyrique wurde als Gattungsbegriff von Jules Massenet wieder verwendet, auch „Opéra lyrique“ taucht gelegentlich auf.

Doch mit dem wachsenden Erfolg der Jahrmarktsproduktionen erhöhte die Oper auch die Lizenzgebühren und brachte die freien Unternehmer in Schwierigkeiten. Dies nutzte wiederum die Comédie-Française, indem sie 1719 ein generelles Aufführungsverbot auf den Jahrmärkten mit Ausnahme von Marionettenspiel und Seiltanz erreichte.

1716, nach dem Tod des Sonnenkönigs, der die Italiener vertrieben hatte, hatte der Regent Philippe II. die Comédie-Italienne gegründet, das spätere Théâtre-Italien: Sie spielte 1721–1723 ohne nennenswerten Erfolg auf dem Jahrmarkt Saint-Laurent.

Der Kaufmann Maurice Honoré konnte 1724 das erneute Recht zu Opernaufführungen erwerben. Auf ihn folgten weitere Lizenznehmer. Der bedeutendste Vertreter des Jahrmarktstheaters Charles Simon Favart wertete die Opéra comique durch seine dichterischen und unternehmerischen Leistungen auf, sodass sie 1762 als erstes ursprünglich bürgerliches Theatergenre in das königliche Théâtre-Italien Einzug halten konnte.

Das Genre der Opernparodie, das auf den Jahrmärkten entstand, hatte weit über die französischen Grenzen hinaus Einfluss, so auch auf das Alt-Wiener Volkstheater. Favarts Gattin Marie Duronceray etwa gab in ihrer berühmten Parodie auf Jean-Jacques Rousseaus Le Devin du village mit dem Titel Les Amours de Bastien et Bastienne (1753) das zarte Landmädchen realistisch mit Holzschuhen und Dialekt. Der Stellenwert einer ernsten Oper ließ sich danach bemessen, wie oft sie auf den Jahrmärkten parodiert wurde.

Neben den Theater- und Opernaufführungen gab es auf den Jahrmärkten auch zirkusähnliche Darbietungen, Schaustellungen von Abnormitäten in Kuriositätenkabinetten, Wandermenagerien etc. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts verlagerten sich die Veranstaltungen mehr und mehr in die Spielstätten an den Pariser Boulevards, hauptsächlich am Boulevard du Temple.

Neben Moliere und Lully sind in diesem Zusammenhang noch Jean Racine und Pierre Corneille zu erwähnen.

Jean Baptiste Racine (1639-1699) war einer der bedeutendsten Autoren der französischen Klassik. Er las schon in seiner Jugend zugleich mit Interesse klassische lateinische und griechische Theaterstücke, und zwar sowohl im Original als auch in moralisch und religiös „gereinigten“ französischen Übertragungen, die einer seiner Lehrer verfasste, Isaac Lemaistre de Sacy. Daneben begann er zu schreiben: Oden auf die Natur um Port-Royal, aber auch fromme Verse, z. T. auf Latein.

Ab 1656 wurde er Zeuge der Schikanierung der Jansenisten durch die Staatsgewalt und deren Verbündete, die Jesuiten, und wurde 1658 von der Schließung der Schule von Port-Royal betroffen. Er wechselte nach Paris auf das jansenistische Collège d’Harcourt, wo er seine Schulzeit mit der „philosophie“-Klasse abschloss (1659).

Hiernach fand er knapp 20-jährig Aufnahme bei einem Verwandten, der im Stadtpalast einer Herzogsfamilie lebte und deren Haus, Liegenschaften und Finanzen verwaltete. Von ihm wurde Racine in einige schöngeistige Zirkel eingeführt, wo er u. a. den späteren Fabel-Dichter Jean de La Fontaine kennenlernte, einen entfernten Verwandten. Zum Vortrag in diesem Umfeld und im Ambiente des Stimmungshochs nach dem Ende des langen Krieges mit Spanien (1659) verfasste Racine allerlei Gelegenheitsgedichte, darunter diverse galante. Auch die Welt des Theaters, das nach dem Friedensschluss einen starken Aufschwung nahm, erfuhr er nun als Realität und versuchte sich an einem ersten Stück, der Tragödie oder Tragikomödie Amasie, die jedoch nicht angenommen wurde und verloren ist. Hiernach scheint er ein Stück um die Figur des römischen Dichters Ovid begonnen zu haben, stellte es aber, vielleicht wegen einer längeren Krankheit, nicht fertig.

1660 fiel er dem einflussreichen Literaten Jean Chapelain positiv auf mit der Ode La Nymphe de la Seine à la Reine, wo er in der Rolle einer fiktiven Seine-Nymphe die Ankunft der spanischen Prinzessin Maria-Teresa und ihre Hochzeit mit Ludwig XIV. besingt. Auf Vorschlag Chapelains erhielt er die beachtliche Gratifikation von 100 Écus (2400 Francs) aus der Schatulle des Königs.

Insgesamt war er angetan von seiner mondänen Existenz in Paris und schien dem strengen Jansenismus den Rücken zu kehren. Seine Verwandten und seine Lehrer waren allerdings entsetzt über diese unfromme Entwicklung. 1661 drängten sie ihn, nach Uzès in Südfrankreich zu einem Bruder seiner Mutter zu gehen, der Stellvertreter des dortigen Bischofs war. Hier sollte er sich auf den Empfang zumindest der niederen Weihen vorbereiten, damit man ihm anschließend eine kirchliche Pfründe verschaffen konnte, die ihn, als die mittellose Waise, die er war, für den Rest seines Lebens versorgen sollte.

In Uzès jedoch, wo er sich pflichtgemäß mit Theologie befasste, aber wie im Exil fühlte, wurde Racine sich endgültig seiner dramaturgischen Ambitionen bewusst. Er ließ sich brieflich durch Pariser Bekannte auf dem Laufenden halten und begann offenbar ein Stück nach dem Liebes- und Abenteuerroman Äthiopica von Heliodor (3. Jh. n. Chr.), d. h. der Geschichte von Theagenes und der schönen Chariklea, die in Frankreich in der vielgelesenen Übertragung von Jacques Amyot bekannt war. Doch scheint er über das Anfangsstadium nicht hinausgekommen zu sein.

1663 brach er seinen Aufenthalt in Uzès ab, kehrte zurück nach Paris und versuchte, seine Kontakte wiederzubeleben und neue zu knüpfen. Hierbei schloss er Freundschaft mit dem wenig älteren Literaten Nicolas Boileau und lernte u. a. den Komödienautor und Theaterdirektor Molière kennen. Seine panegyrische Ode sur la convalescence du Roi brachte ihm erneut den Beifall Chapelains ein, der ihm eine königliche Pension von jährlich 600 Francs verschaffte, etwa der Hälfte dessen, was eine sparsam wirtschaftende Person benötigte. Ebenfalls über Chapelain erlangte er die Protektion des hochadeligen Duc [=Herzog] d’Aignan, der ihn dem König vorstellte. Vor allem jedoch verfasste er für die Truppe Molières, vielleicht sogar in seinem Auftrag und mit seiner Hilfe, die Tragödie La Thébaïde ou les frères ennemis (= Die Thebais oder die feindlichen Brüder), die von dem blutigen Streit der Zwillingssöhne des Ödipus um die Herrschaft im griechischen Stadtstaat Theben handelt. Das Anfang 1664 aufgeführte Stück hatte aber nur geringen Erfolg.

Sein nächstes Stück, die Tragikomödie Alexandre le Grand (1665), war eher romanesk. Racine übte sich darin erstmals in der nüancierten Darstellung der Liebe und der durch sie ausgelösten Konflikte, eine Thematik, die von nun an eine Schlüsselrolle bei ihm spielte. Aufgeführt wurde das Stück wiederum von der Truppe Molières, doch gefiel Racine die Inszenierung nicht. Er reichte es deshalb hinter dem Rücken Molières weiter an die auf Tragödien und Tragikomödien spezialisierte Truppe des Hôtel de Bourgogne. Den jungen König, der beide Truppen protegierte, hatte er vor seinem Wechsel offenbar eingeweiht und für sich gewonnen, denn er durfte ihm 1666 die Druckfassung des Alexandre widmen, was sicher auch deshalb gelang, weil Ludwig es liebte, mit Alexander verglichen zu werden. Das Verhältnis Racines zu Molière dagegen ging in die Brüche, zumal er eine von dessen beliebtesten Schauspielerinnen mitnahm, Mademoiselle Du Parc, die bis zu ihrem frühen Tod Ende 1668 auch seine Geliebte war.

Nach dem zwar nicht rauschenden, aber achtbaren Erfolg des Alexandre und seinem Aufstieg zum Günstling des herrschenden Regimes hatte Racine offenbar das Bedürfnis, sich demonstrativ von den Jansenisten und ihrer lustfeindlichen Religiosität zu lösen und sich von ihrer latenten politischen Opposition zu distanzieren: 1666 attackierte er mit einem ironischen offenen Brief einen seiner Ex-Lehrer, den Moraltheologen Pierre Nicole, der Romanciers und Dramatiker als „öffentliche Seelenvergifter“ gebrandmarkt hatte.

1667 intensivierte sich Racines Kontakt zum Hof, denn er fand Anschluss an Henriette d’Angleterre, die junge Schwägerin von König Ludwig, die ihn (nach einer Fehlgeburt und dem Verlust eines Kindes durch Krankheit) als Unterhalter schätzte und ihn aus dem neuen Stück vorlesen ließ, an dem er schrieb, der Tragödie Andromaque. Seine Pension wurde auf 800 Francs erhöht.

Ende 1667 erzielte Racine mit Andromaque seinen Durchbruch. Zugleich hatte er sein Thema gefunden: die schicksalhafte, leidenschaftliche, aber unerfüllte Liebe, die die Liebenden in ihrer Eifersucht und/oder Enttäuschung bis zum Äußersten – Mord und Selbstmord eingeschlossen – und damit in den Untergang treibt. Nach dem Triumph von Andromaque, zu dem die Du Parc in der Titelrolle sehr viel beigetragen hatte, wurde Racine von seinen Bewunderern auf eine Stufe gestellt mit dem eine Generation älteren „großen Corneille“, der seinerseits so deprimiert war, dass er sich für zwei Jahre vom Theater zurückzog.

Racine verkehrte weiterhin am Hof und erhielt ab 1668 eine Pension von 1200 Francs. Ebenfalls 1668 bekam er ein Priorat im Anjou als Pfründe zugewiesen, wobei er, denn er war ja nicht geweiht, einen Teil der Einkünfte dem Priester abtreten musste, der als offizieller Inhaber figurierte und ihn vor Ort vertrat.

Beflügelt durch den schmeichelhaften Vergleich mit Corneille, versuchte Racine auch mit Molière gleichzuziehen mittels der Komödie Les plaideurs (1668). Das etwas konstruiert wirkende Stück um einen monomanischen Richter, zwei Prozesshansel (plaideurs), ein Liebespaar und zwei pfiffige Diener kam beim Pariser Publikum jedoch erst an, nachdem König Ludwig es ostentativ beklatscht hatte. Es blieb die einzige Komödie Racines.

Hiernach trat er wieder in Konkurrenz zu Corneille und begab sich mit der Tragödie Britannicus (1669) auf dessen Spezialgebiet, die Verarbeitung von Stoffen aus der römischen Geschichte. Auch das nächste, „römische“, Stück, die Tragikomödie Bérénice (1670), war eine Herausforderung an Corneille, der zur gleichen Zeit ein thematisch ähnliches Stück, Tite et Bérénice, von Molière herausbringen ließ. Nachdem Racine tatsächlich Corneille in der Gunst des Publikums geschlagen hatte (und inzwischen auch bei dem allmächtigen Minister Colbert aus und ein ging), wechselte er mit dem Intrigenstück Bajazet (1672), das am Hof von Istanbul spielt, in die jüngere türkische Geschichte. Frankreich war nämlich gerade mit dem Sultan gegen den deutschen Kaiser im Bunde, und „turqueries“ waren in Mode.

Nach dem Erfolg von Bajazet beherrschte Racine das Pariser Theater. 1673 wurde er in die Académie française gewählt. Mit Mithridate (1673) schrieb er nochmals ein „römisches“, Corneille Konkurrenz machendes Stück. Hiernach kehrte er in die Welt der griechischen Antike zurück mit Iphigénie en Aulide (1674). Die Uraufführung fand statt auf einem Fest, mit dem der König mitten im Niederländischen Krieg (1672–78) die Annexion der 1668 eroberten Franche-Comté feierte.

Im selben Jahr 1674 erhielt Racine das nicht unbedeutende, ihn aber kaum belastende Amt eines „Schatzmeisters von Frankreich“ (Trésorier de France) für den Bezirk Moulins übertragen. 1676 ließ er eine Sammelausgabe seiner Stücke erscheinen, die er hierfür gründlich überarbeitet hatte.

Anfang 1677 wurde Phèdre aufgeführt, nach dem antiken Phaidra-Stoff. Es gilt als sein neben Andromaque bestes und quasi tragischstes Stück. Der Erfolg war jedoch nur mäßig. Als dagegen ein gleichnamiges mittelmäßiges Stück von Jacques Pradon allgemein gelobt und beklatscht wurde, zog sich Racine frustriert zugunsten seiner anderen Aktivitäten vom Theater zurück. Auch heiratete er: die fromme und reiche, entfernt verwandte Catherine de Romanet, mit der er bis 1692 nacheinander einen Sohn, fünf Töchter und nochmals einen Sohn bekam.

Schon 1676 war er, zusammen mit seinem Freund Boileau, zum Königlichen Chronisten (Historiographe du roi) ernannt worden und musste hinfort an den nunmehr fast pausenlosen Feldzügen von Ludwig XIV. teilnehmen, um sie zu protokollieren (u. a. 1678 Belagerung von Gent im Niederländischen Krieg, 1692 Belagerung von Namur im Pfälzischen Erbfolgekrieg). Seine und Boileaus Aufzeichnungen wurden später jedoch bei einem Brand vernichtet.

Ab 1685 war Racine Vorleser bei Ludwig und seiner „linker Hand“ angetrauten frommen Gattin Madame de Maintenon. Von dieser ließ er sich 1688 und 1690 nochmals zum Stückeschreiben bewegen und verfasste die religiöse Stoffe behandelnden Esther und Athalie, die zur Aufführung in dem adeligen Kloster und Mädchenpensionat Saint-Cyr bestimmt waren und dort von Pensionärinnen aufgeführt wurden. Theologen bekrittelten die Stücke allerdings als weltliche Profanierung geistlicher Gegenstände.

1690 erreichte Racine den Höhepunkt seiner Höflingskarriere mit der Ernennung zum Königlichen Kammerherrn (gentilhomme ordinaire de la chambre du roi), womit die Erhebung in den Adelsstand verbunden war.

Gegen Ende der 70er Jahre war er wieder fromm geworden, was zu der gedrückter werdenden Stimmung passte, die Ludwigs pausenlose, zunehmend ruinöse Kriege in Frankreich bewirkten. Seiner eigenen Entwicklung und dieser Stimmung entsprechend verfasste er geistliche Lyrik, die gesammelt 1694 als Chants spirituels erschien.

Allmählich, zunächst aber nur insgeheim, kehrte er auch zu dem strenggläubigen Jansenismus seiner Jugendzeit zurück und versöhnte sich unter der Hand mit einigen seiner alten Lehrer. 1694 erregte er den Unwillen des Königs, weil er beim Pariser Erzbischof für das Kloster Port-Royal einzutreten versucht hatte, das nach wie vor als geistiges Zentrum der Jansenisten fungierte. Als er 1698 mit einem Abrégé de l’histoire de Port-Royal (= Abriss der Geschichte von P.-R.) seine Sympathien auch öffentlich zeigte, fiel er bei Ludwig in Ungnade.

Abseits vom Hof verlebte er seine letzten Monate in Verbitterung, wenn auch als reicher Mann und als Patriarch im Kreis seiner großen Familie.

Seinem Wunsch gemäß wurde er in Port-Royal nahe bei seinem Lieblingslehrer Jean Hamon begraben.

Racine hat die französischen Dramatiker neben ihm und nach ihm bis ins 19. Jahrhundert hinein stark beeinflusst. Die Eleganz und Musikalität seiner Verse galt und gilt als beispielhaft, die Intensität seiner Darstellung der Gefühle als kaum zu übertreffen. Als meisterhaft erscheint auch seine Kunst, Spannung nicht aus einer bewegten Handlung zu erzeugen, sondern aus den inneren Konflikten der Figuren und ihrer Entwicklung.

Im deutschen Sprachraum scheint er nie wirklich heimisch geworden zu sein, obwohl die meisten seiner Stücke übertragen und auch aufgeführt wurden, Goethe die Iphigénie kannte und Schiller kurz vor seinem Tod die Phèdre übertrug.

Pierre Corneille (1606-1684) war ein französischer Autor, der vor allem als Dramatiker aktiv war. Im europäischen Maßstab gesehen gehört er mit seinem gesamten Schaffen dem Zeitalter des Barock an.

Sein eigentlicher Ehrgeiz galt jedoch schon seit der Schulzeit dem Verfassen von Gedichten (auch auf Lateinisch) und von Stücken. Als 1629 der bekannte Schauspieler Mondory mit seiner Wandertruppe in Rouen gastierte, bot Corneille ihm seine Komödie Mélite an, die er spätestens im Vorjahr, vielleicht schon 1625 verfasst hatte. Dieses Verwirrspiel um sechs junge Leute, die sich schließlich zu drei Paaren zusammenfinden, wurde im Winter 1629/1630 mit Erfolg in Paris inszeniert und half Mondory, sich dort mit einem neuen Theater, dem Théâtre du Marais, zu etablieren.

In den folgenden Jahren schrieb Corneille für das Marais zahlreiche Stücke. Das erste war die Tragikomödie Clitandre, Ou l’innocence persécutée (Clitandre oder die verfolgte Unschuld, 1631), ein kompliziertes Stück um Liebe, Eifersucht, Hass, Mordversuche, Verwechselungen und den Zorn eines Fürsten, der den Titelhelden, einen Höfling, als vermeintlichen Verräter verurteilt, aber dann begnadigt. Mit Clitandre bezieht sich Corneille zum ersten Mal, wenngleich nur vage, auf zeitgenössische Ereignisse, nämlich den Prozess gegen den Anti-Richelieu-Verschwörer Marillac. Clitandre war auch das erste Stück, das er drucken ließ, wobei er unter dem Titel Mélanges poétiques eine Auswahl seiner bis dahin verfassten Gedichte anhängte. Es folgten die Komödien La Veuve (Die Witwe, 1633), La Galerie du Palais (Der große Saal des Palastes, 1634), La Suivante (Die Gesellschafterin, 1634) und La Place Royale (Der Königsplatz, 1634), einer Komödie, in der Corneille mit der Bindungsstörung des Protagonisten Alidor ein eigenes Problem zu gestalten scheint, das vielleicht durch seine enttäuschte Jugendliebe zu einer gewissen Catherine Hue verstärkt worden war.

Diese frühen Stücke gelten heute als zwar weniger bedeutende Jugendwerke, wirkten damals aber neuartig, denn sie schienen trotz ihrer konventionellen Aufmachung die zeitgenössische Gesellschaft zu spiegeln und spielten meist auch explizit in Paris. Entsprechend hatten sie passablen bis großen, La Galerie sogar sehr großen Erfolg und verschafften Corneille früh den Status eines anerkannten Autors.

Zwar lebte er nach wie vor in Rouen, wo er auch seine Ämter ausübte, doch hatte er bei seinen häufigen Paris-Besuchen Kontakt zu Literatenkreisen und Salons erhalten, unter anderem zu Marquise de Rambouillet. Als geistreicher Unterhalter galt Corneille dort zwar nicht und auch effektvoll aus seinen Stücken vorzulesen lag ihm wenig, doch schätzte man die Gelegenheitsgedichte, die er zu diesem oder jenem geselligen Anlass beisteuerte.

1633 betätigte er sich erstmals als Panegyriker, ein heute wenig bekannter Aspekt seines Schaffens: Im Auftrag des Bischofs von Rouen verfasste er ein Begrüßungs- und Lobgedicht anlässlich eines Besuchs von König Ludwig XIII. und Richelieu.

1634, nach dem großen Erfolg der Tragödie Sophonisbe von Jean Mairet, versuchte sich auch Corneille, vorerst wenig überzeugend, in dieser Gattung mit Médée (Medea, aufgeführt 1635), seinem ersten Stück mit einem Stoff aus der Antike.

1635 wurde er, unter anderem zusammen mit dem etwas jüngeren Jean Rotrou, Mitglied einer Gruppe von fünf Autoren im Dienst Richelieus, der das Theater zu einem Ort der politischen Propaganda für eine Stärkung der absoluten Monarchie zu machen versuchte. Nach zwei gemeinsam verfassten Stücken stellte Corneille seine Mitarbeit zwar ein, erhielt jedoch die ihm gewährte Jahresgage („Pension“) von 1500 Francs (etwa dem, was eine bescheidene Person samt einem Domestiken brauchte) bis zu Richelieus Tod 1642.

Ebenfalls ab 1635 befasste Corneille sich offenbar mit spanischer Literatur. Einerseits hatte sein Konkurrent und Kollege Jean Rotrou kurz zuvor begonnen, spanische Stücke für das französische Theater umzuschreiben. Andererseits erhielt Spanien mit dem Beginn des jahrzehntelangen französisch-spanischen Krieges auch ein politisches Interesse.

Im Winter 1635/1636 brachte Corneille, erneut sehr erfolgreich, L’Illusion comique heraus, eine Komödie, in der er das beliebte barocke Motiv des Theaters im Theater verarbeitet und zugleich, ganz im Sinne seines Dienstherrn Richelieu, für die Aufwertung des Schauspielerberufes wirbt. Innerhalb einer märchenhaften Rahmenhandlung spielen in L’Illusion weitere, erst im Nachhinein als bloßes Theater erkennbare Handlungen (worin unter anderem der prahlerische Haudegen Matamoro sich als Feigling erweist und die von ihm umworbene Frau an seinen Gefolgsmann Clindor verliert). L’Illusion ist das letzte Stück, in dem Corneille die Lehre von den drei Einheiten (des Ortes, der Zeit und der Handlung) ignoriert, die in Pariser Literatenkreisen gerade lebhaft diskutiert wurde.

Nachdem im Sommer 1636 die Spanier die Grenz- und Festungsstadt Corbie erobert, aber nach langem Ringen wieder verloren hatten, stellte Corneille im Spätherbst eine Tragikomödie fertig, die Bezüge auf diesen Kampf zu enthalten scheint: Le Cid. Die Aufführung des Stücks gegen Ende des Jahres war Corneilles endgültiger Durchbruch. Das Stück gilt als Beginn der hohen Zeit des Theaters der Klassik. Die Handlung des Cid spielt im Spanien des 11. Jahrhunderts und fußt auf dem Stück Las Mocedades del Cid von Guillén de Castro aus dem Jahr 1618, worin die Heldentaten des jugendlichen Cid, des mittelalterlichen spanischen Nationalhelden, geschildert werden.

Die Handlung ist ein klassisches Beispiel für den Konflikt zwischen Liebe und Pflicht, der sich beim verlobten adeligen Paar Rodrigue und Chimène manifestiert: Rodrigue muss, den Geboten der Familienehre gehorchend, den Vater seiner Verlobten zum Duell fordern, weil der seinen eigenen, schon ältlichen Vater durch eine Ohrfeige beleidigt hat. Chimène dagegen muss, nachdem Rodrigue ihren Vater in dem Duell getötet hat, beim König die Todesstrafe gegen ihn fordern. Rodrigue wird jedoch nach einigem Hin und Her vom König im Sinne der Staatsräson begnadigt und aufs Neue mit Chimène verlobt. Der Grund dafür ist, dass er sich inzwischen um das Vaterland verdient gemacht hat, indem er als Feldherr das Heer der Mauren vor Sevilla geschlagen hat. Die Entscheidung des Königs wird allerdings auch als moralisch richtig bestätigt, dadurch dass Chimène sich zu ihrer Liebe bekennt, als sie einen Augenblick lang irrtümlich annimmt, ein von ihr akzeptierter Fürkämpfer, der seinerseits Rodrigue zum Duell gefordert hatte, habe ihn besiegt und getötet.

Le Cid war eines der größten Ereignisse der französischen Theatergeschichte. Der Erfolg war so spektakulär, dass Ludwig XIII. den Vater von Corneille umgehend in den Adelsstand erhob, womit der Sohn als schon adelig geboren galt. Mehrere Nachahmer beeilten sich, die Handlung mit eigenen Stücken fortzusetzen (z. B. Le Mariage du Cid oder La Mort du Cid). Allerdings traten rasch auch Neider und Mäkler auf den Plan, darunter die rivalisierenden Dramatiker Georges Scudéry und Jean Mairet. Sie attackierten Corneille vordergründig mit dem Argument, er habe die Regeln der „bienséance“ (Anstand, Sittsamkeit) verletzt, sein Vorbild plagiiert und zudem die mittlerweile als obligatorisch geltenden drei Einheiten – vor allem die des Ortes und der Zeit – nicht korrekt beachtet. Als Corneille Anfang 1637 selbstbewusst mit einer ironischen kleinen Schrift, der Excuse à Ariste (Entschuldigung gegenüber A.), reagierte, löste er eine heftige Kontroverse aus, die Querelle du Cid, in die sich weitere Literaten mit Pamphleten einmischten (circa 35 davon sind erhalten). Der monatelange Streit endete mit dem Eingreifen Richelieus, den zwar die positive Darstellung des wiederholt von ihm verbotenen Duells unter Adeligen verärgert hatte, dem jedoch das Lob der Staatsräson gefiel. Er beauftragte die junge Académie Française, ein Urteil abzugeben, das überwiegend von Jean Chapelain verfasst wurde und zwar negativ, aber versöhnlich ausfiel.

Während das Publikum weiter den Cid beklatschte, der auch auf Dauer das meistgespielte Stück Corneilles blieb, zog sich dieser verunsichert nach Rouen zurück. Hier versuchte er 1638 vergeblich, eine Doppelbesetzung seiner Ämter zu verhindern, die eine Halbierung seiner Einkünfte aus ihnen bedeutete und damit auch ihren Wiederverkaufswert minderte.

Erst 1640, inmitten aufstandsähnlicher Wirren in Rouen, die von kriegsbedingten Steuererhöhungen ausgelöst worden waren und schließlich von Truppen niedergeschlagen wurden, schrieb Corneille sein nächstes Stück: die im alten Rom spielende Tragödie Horace, in der er den legendären Stoff des Kampfes zwischen den Gentes der Horatier und Curiatier verarbeitete. Das Drama verdeutlicht thesenhaft, dass zwar zwischenmenschliche Bindungen, etwa unter Gatten und Geschwistern, ein hoher Wert sind, dass jedoch der Nutzen und der Ruhm des Vaterlandes Vorrang haben und ein Herrscher deshalb einen Gesetzesbrecher, hier einen Schwestermörder im Affekt, amnestieren darf, wenn der sich um den Staat verdient gemacht habe. Corneille widmete die Druckfassung des Werkes Richelieu, der es nach einer Privataufführung für gut befunden hatte. Um die historische Treue und die Beachtung der aristotelischen Einheiten zu demonstrieren, versah Corneille zahlreiche seiner Stücke mit Quellenangaben in der Originalsprache (in diesem Fall mit dem Bericht des römischen Historikers Livius) sowie mit einem Examen mit Ausführungen zur jeweiligen Einheit von Zeit, Ort und Handlung.

Anfang 1641 schloss Corneille Cinna, ou la clémence d’Auguste ab, ein Stück um die Verschwörung einiger republikanischer Patrizier gegen Kaiser Augustus und dessen großmütige, aber auch politisch kluge Vergebung, als er das Komplott entdeckt. Erkennbar spiegelt sich in diesem Werk die sich anbahnende Cabale des Importants, eine zeitgenössische Intrige hochstehender Adeliger gegen Richelieu und dessen Politik des zentralistischen Absolutismus.

Horace und Cinna waren sehr erfolgreich, und das letztere Stück, das als das formal gelungenste des Autors gilt, wurde nach dem Cid auch sein meistgespieltes. Dennoch stockte Corneilles künstlerischesSchaffen in den folgenden Jahren. 1641 heiratete er mit 35 Jahren, also für die damalige Zeit sehr spät, die elf Jahre jüngere Richterstochter Marie de Lampérière, mit der er vier Söhne und zwei Töchter haben würde. 1642 übernahm er beim Tod seines Vaters dessen Haus und die Vormundschaft für zwei noch unmündige Geschwister, unter anderem den 19 Jahre jüngeren Bruder Thomas, den späteren Dramatiker.

Erst Anfang 1643 brachte Corneille ein neues Stück heraus, Polyeucte martyr („Polyeuctos der Märtyrer“), eine um 250 in Armenien spielende „christliche Tragödie“. Sie wurde ein Erfolg beim Publikum, vor allem dank der mit dem religiösen Geschehen verwobenen Liebesgeschichte. Der Klerus allerdings tadelte die Profanierung eines religiösen Stoffs durch die Darstellung auf der Bühne.

Ebenfalls 1643 erreichte es Corneille mit einem Lobgedicht, die Gunst von Kardinal Mazarin, dem Nachfolger Richelieus, zu erlangen und von ihm eine jährliche Pension von 1000 Francs zu erhalten.

Nach Polyeucte ließ Corneille eine ganze Serie von Stücken folgen, in denen er den mit Le Cid, Horace und Cinna eingeschlagenen Weg weiterverfolgte und sich so Renommee erwarb. Die Handlungen, die sämtlich auf historischen Stoffen beruhen, weisen in der Regel einen verdeckten Bezug zur damaligen Politik auf und kreisen um hochgestellte Personen, die den Konflikt zwischen Neigung und Pflicht zugunsten der letzteren lösen, insbesondere im Sinne der Staatsräson, aber auch der Ethik von René Descartes. Die wichtigsten Titel bis 1648 sind La Mort de Pompée („Der Tod des Pompeius“, 1643), Rodogune, princesse des Parthes („Rodogune, die Parther-Fürstin“, 1644), Héraclius (1647). Die einzigen Komödien aus dieser Zeit sind Le Menteur („Der Lügner“, 1643) und La Suite du Menteur (1644). Die zunächstgenannte erfolgreichere gilt als die erste französische Charakterkomödie vor Molière und als wichtiges Vorbild für diesen. Die Tragödie Andromède, die Corneille 1647 auf Bestellung Mazarins verfasste, die aber wegen widriger Umstände erst 1650 zur Aufführung kam, war sein erstes Stück mit Gesangseinlagen und dem Einsatz von Maschinen.

1647 wurde Corneille in die Académie Française aufgenommen. Nachdem er schon 1644 einen ersten Sammelband seiner Stücke veröffentlicht hatte, brachte er 1648 einen zweiten heraus. Er schien nun vollends etabliert.

Hiernach geriet er jedoch in die Wirren der anti-absolutistischen Aufstände der sogenannten Fronde (1648-52) gegen Königin Anna, die für ihren noch unmündigen Sohn Ludwig XIV. die Regentschaft ausübte. Zuvor geriet Corneille jedoch in Konflikt mit Mazarin, der die absolutistische Politik seines Vorgängers Richelieu fortsetzte. So wurde 1649 der vom Publikum zunächst gut aufgenommene Dom Sanche d’Aragon letztlich zum Misserfolg, weil der Fürst Condé, der ranghöchste Mitanführer der Frondeure, die gerade Paris beherrschten, das Stück als Huldigung an Mazarin verstand und den Daumen senkte.

Im Gegenzug sah sich Corneille Anfang 1650 von Mazarin nach dessen vorläufigem Sieg belohnt, als er das hochrangige Amt des Anwaltes der Ständeversammlung der Normandie am Parlement von Rouen erhielt, dessen Inhaber, ein Frondeur, abgesetzt worden war. Hiernach konnte er seine beiden bisherigen, kleineren Ämter verkaufen.

Dennoch scheint er sich innerlich bald von Mazarin gelöst zu haben, denn sichtlich huldigte er noch 1650 mit Nicomède dem Fürsten Condé, der gefangengenommen worden und zu einer Art anti-absolutistischen Lichtgestalt geworden war. Corneille musste jedoch erleben, dass Condé nach seiner Freilassung 1651 endgültig unterlag und dass daraufhin Pertharite, ein Stück um einen vom Thron verdrängten König, in Paris durchfiel, weil das Thema nach der siegreichen Rückkehr des jungen Ludwig XIV. und der Königinmutter in die Hauptstadt obsolet geworden war.

Corneille, der überdies sein neues Amt an den inzwischen amnestierten und wieder eingesetzten Vorgänger hatte zurückgeben müssen, zog sich enttäuscht zurück. In dieser Zeit der Frustration arbeitete er vor allem an einer Versübertragung der Imitatio Christi des Thomas a Kempis. Sie erschien von 1652 bis 1654 in drei Bänden unter dem Titel L’Imitation de Jesu-Christ (Die Nachahmung von Jesus Christus), brachte ihm viel Anerkennung ein und wurde mehrfach neu aufgelegt. Dass Corneille sich des Öfteren als religiöser Autor betätigte, ist wenig bekannt.

Erst 1658 beendete Corneille seine innere Emigration. Ein Grund war zweifellos, dass im Sommerhalbjahr die Wandertruppe von Molière längere Zeit in Rouen gastierte und dort auch einige Stücke Corneilles spielte. Hierdurch kam dieser mit der Truppe in Kontakt und verliebte sich in die junge Schauspielerin Marquise du Parc. Als die Truppe im Herbst nach Paris weiterzog, hatte er einen zusätzlichen Grund, dem schon längeren Zureden seines Bruders Thomas zu folgen, der 1656 eine eigene Karriere als Dramatiker in der Hauptstadt gestartet hatte. Auch lockte Corneille die Gunst des als Groß-Mäzen agierenden Finanzministers Nicolas Fouquet, der ihm eine Pension von 2000 Francs aussetzte. Er reiste nun wieder häufig nach Paris und bewegte sich, von dem gesellschaftlich geschickteren Thomas lanciert und flankiert, als anerkannter Autor und galanter Lyriker in dem Kreis um Nicolas Fouquet sowie in anderen Salons. Auch versuchte er sich bald wieder als Dramatiker, indem er auf einen Vorschlag Fouquets die Tragödie Œdipe (Ödipus) verfasste. Die Aufführung Anfang 1659 durch die Truppe Molières und mit der Du Parc als Jocaste wurde zwar ein mondänes Ereignis, doch schien es manchen, als habe Corneille nachgelassen.

Das nächste Stück folgte 1660: die Tragödie La Toison d’or (Das Goldene Vlies), die im Auftrag eines reichen Adeligen entstand und mit aufwendigen Maschinen im Sommer auf dessen normannischem Schloss und im Winter in Paris aufgeführt wurde. Im selben Jahr brachte Corneille eine neue Gesamtausgabe seiner Stücke heraus, nun in schon drei Bänden. Hierbei eröffnete er jeden Band mit einem Discours sur la poésie dramatique und ließ die pompösen Widmungsadressen fort, die er den früheren Einzelausgaben der Stücke jeweils vorangestellt hatte, nun aber offenbar für unter seiner Würde hielt. In der Tat war er als „le grand Corneille“ zu einer Art Platzhirsch des Pariser Theaterlebens avanciert.

Den Sturz Fouquets, der 1661 verhaftet und wegen Bereicherung im Amt verurteilt wurde, überstand Corneille unbeschadet. Er fand rasch einen neuen Gönner in Herzog Henri de Guise, der ihn und Thomas (der eine Schwester seiner Frau geheiratet hatte) 1662 sogar samt ihren Familien in seinen Stadtpalais aufnahm. Nach der Übersiedelung von Rouen nach Paris lebten die Brüder Corneille den Rest ihres Lebens dort, meistens, wie schon in der Heimatstadt, im selben Haus.

1663 stellte der neue Minister Colbert eine Liste von Autoren zusammen, die von ihm selbst und seinem jungen König als einer Pension würdig erachtet wurden und von denen man im Gegenzug regimefreundliche und panegyrische Texte erwartete. Auch Corneille kam darauf mit erfreulichen 2000 Francs. Er entsprach den Erwartungen, die an ihn gerichtet waren, sogleich mit der Dankesschrift Remerciement présenté au Roi en 1663 und tat es auch in der Folge häufig. So bat er etwa schon 1664 den König mit einem Sonett um die Neuausstellung seines Adelsbriefes, der zusammen mit Hunderten anderer durch einen Erlass Colberts kassiert worden war. Später ersuchte Corneille ihn poetisch um Förderung der Karrieren seiner älteren Söhne, eines Geistlichen und zweier Offiziere.

Mit dem passabel erfolgreichen Œdipe und dem viel bestaunten Maschinen-Stück La Toison d’or hatte Corneille seine Arbeit als Dramatiker wieder voll aufgenommen. Wie vorher schrieb er vor allem Tragödien mit Stoffen aus der älteren, meist römischen Geschichte (Sertorius, 1661/62; Sophonisbe, 1662; Othon, 1664; Agésilas, 1665/66; Attila, 1666/67). Insgesamt jedoch bevorzugte er nun, seinen inzwischen sehr erfolgreichen Bruder Thomas imitierend, eher romaneske Handlungen. Hiermit versuchte er, dem Publikumsgeschmack zu entsprechen, der sich stark verändert hatte: aufgrund der innenpolitischen Ruhe, die nach dem Sieg des Absolutismus unter Mazarin herrschte, aber auch wegen der wirtschaftlichen und kulturellen Aufbruchstimmung, die Frankreich nach dem Ende des Krieges gegen Spanien (1659) und Beginn der Alleinherrschaft des jungen Ludwigs XIV. im Jahr 1661 erfasste.

Die neuen Stücke wurden sämtlich aufgeführt, zum Teil von der Truppe Molières, die seit 1659 ständig in der Hauptstadt spielte. Sie hatten stets auch einen gewissen Erfolg, doch trafen sie nicht mehr den Nerv der Zeit. Sichtlich fehlte ihnen weitgehend der Bezug zur politischen Realität, der jene Stücke ausgezeichnet hatte, die in den bewegten Zeiten vor und während der Fronde entstanden waren. Darüber hinaus litten sie bald auch unter dem Vergleich mit den Stücken des jüngeren Rivalen Jean Racine, der ab 1665 die Pariser Bühne zu beherrschen und den Geschmack zu bestimmen begann.

1667 betätigte sich Corneille wiederum als Panegyriker, indem er den im August siegreich aus dem Devolutionskrieg heimkehrenden Ludwig XIV. mit dem Lobgedicht Au Roi sur son retour de Flandre (Dem König zu seiner Rückkehr aus Flandern) begrüßte und ihm etwas später mit dem langen Gedicht Les victoires du Roi en 1667 huldigte.

Als sich Ende 1667 Racine mit der Tragödie Andromaque endgültig durchsetzte, war Corneille so frustriert, dass er an einen gänzlichen Rückzug vom Theater dachte. In dieser Situation schrieb er 1669 erneut ein langes frommes Werk, das Office de la Vierge traduit en français, tant en vers qu’en prose, par P. Corneille, avec les sept psaumes pénitentiaux, les vêpres et complies du dimanche et tous les hymnes du breviaire romain. Es kam Anfang 1670 im Druck heraus mit einer Widmung an die Königin Marie-Thérèse. Anders als die Imitation von 1652-1654 fand das Office jedoch kaum Beachtung und erlebte keine Neuauflage.

Ende 1670 versuchte Corneille, gedrängt von alten Freunden und Bewunderern sowie auch von Feinden und Neidern Racines, ein neuerliches Comeback mit der „comédie héroïque“ Tite et Bérénice. Allerdings brachte der inzwischen selbstbewusste Racine zur selben Zeit das themengleiche Stück Bérénice heraus, das vom Publikum als das deutlich bessere bewertet wurde.

Corneille schrieb dennoch drei weitere Stücke, die aber keinen größeren Anklang mehr fanden: Psyché (1670/71), Pulchérie (1671/72) und Suréna, général des Parthes (1674). Eine Sonderstellung nimmt hierunter die „Ballett-Tragödie“ Psyché ein, deren Plan und erster Akt von Molière stammten, während die letzten drei Viertel von Corneille verfasst wurden. Als bestes Stück seines Spätwerks gilt heute das letzte, die Tragödie Suréna.

Seinen hohen Status in der Literatenszene und in der Pariser Gesellschaft konnte Corneille bis zum Ende seines Lebens wahren, auch dank dem Geschick und dem Einfluss seines immer loyalen Bruders und dank dem Kollegen Jean Donneau de Visé, der in seiner 1672 gegründeten Zeitschrift Le Mercure Galant treu zu Corneille stand. Darüber hinaus erhielt er häufig Lob von Feinden und Neidern Racines, die diesen so zu kränken versuchten.

In Pariser Adelskreisen und am Hof behielt Corneille ebenfalls seine Bewunderer, und gewogen blieb ihm auch König Ludwig, dem er 1672 das lange Lobgedicht Les victoires du Roi sur les États de Hollande en l'année 1672 (Die Siege des Königs über die holländischen Stände im Jahr 1672) widmete. 1675 und 1676 hatte er die Genugtuung, dass Ludwig am Hof vier bzw. sechs ältere Stücke von ihm aufführen ließ.

Die gelegentlich zu findende Angabe, Corneille sei im Alter verarmt, ist falsch.

Nach seinem Tod wurde sein Sessel in der Académie Française, deren Sitzungen er stets gewissenhaft besucht hatte, an seinen Bruder Thomas vergeben. Der einstige Rivale Jean Racine hielt eine Laudatio auf Corneille.

Corneille hat mit seinen etwa 35 Stücken alle Dramatiker neben und direkt nach ihm beeinflusst, insbesondere Racine; aber auch für die nachfolgenden Autorengenerationen blieb er ein Vorbild, z. B. für Voltaire. Entsprechend galt und gilt er bis heute als einer der größten französischen Dramatiker und als größter Tragöde neben Racine, der trotz seines deutlich schmaleren Gesamtwerks oft als der Größere erachtet wird.

Aufgrund seines Erfolgs in Frankreich wurden Stücke Corneilles schon zu seinen Lebzeiten in Übertragungen auch von deutschen Theatertruppen gespielt. In der Folge machte Gotthold Ephraim Lessing Corneille und dessen Stücke, die auf dem Spielplan des Hamburger Nationaltheaters standen, zu einem der Hauptgegenstände seiner dramentheoretischen Polemiken in der Hamburgischen Dramaturgie. Corneille wurde für Lessing zum Repräsentanten einer auf deutschen Bühnen stark präsenten französischen klassizistischen Theatertradition, gegen die er anschrieb. Beim Versuch, auf eine eigenständige nationale Bühnendichtung hinzuwirken, machte Lessing Corneille u. a. die falsche Auslegung der aristotelischen Poetik, mangelndes Genie, schlechte, da nicht an der Natur des Menschen orientierte Motivationstechnik und insgesamt „mißgeschilderte Charaktere“ zum Vorwurf.

Daneben förderte Ludwig XIV. noch zahlreiche berühmte Künstler: Darunter auf dem Gebiet der Literatur Nicolas Boileau, Jean de La Fontaine und Racine, in der Malerei Charles Lebrun, Hyacinthe Rigaud und Pierre Mignard, im Bereich der Musik – die Ludwig besonders wichtig war – unter anderem Charpentier, François Couperin, Michel-Richard Delalande und Marin Marais, in der Architektur Louis Le Vau, Claude Perrault, Robert de Cotte, als auch Jules Hardouin-Mansart, die im Auftrag des Königs den französischen klassizistischen Barock prägten, und im Kunsthandwerk Antoine Coysevox sowie insbesondere André-Charles Boulle.[51] Auf dem Gebiet der Wissenschaft konnte Ludwig XIV. einige bekannte Forscher für Paris gewinnen, darunter Giovanni Domenico Cassini, Christiaan Huygens und Vincenzo Maria Coronelli, deren Arbeiten er mit hohen Pensionen unterstützte.

Caspar David Friedrich (1774-1840) ist mit Runge Mittelpunkt des „Dresdener Kreises“, Dresden war zu dieser Zeit ein Zentrum der romantischen Bewegung. Caspar David Friedrich wird am 5. September 1774 als Sohn des Seifensieders Adolf Gottlieb Friedrich und seiner Ehefrau Sophie Dorothea Friedrich, geb. Bechly, in Greifswald als sechstes Kind geboren. Nach seinem Studium an der Kopenhagener Kunstakademie zieht Caspar David Friedrich 1798 nach Dresden. Dort lernt er viele Romantiker kennen und unternimmt reisen nach Rügen und zum Harz, aus deren Eindrücken er später seinen Landschaftsbilder malt. Caspar David Friedrich lernt 1810 Goethe kennen. Caspar David Friedrich wird aufgrund seines Gemäldes „Zwei Männer am Meer“ 1817 in Verdacht gezogen „sich zu der national-republikanischen Opposition den Demagogen, zu bekennen.“ Im Jahre 1820 führen Caspar David Friedrich und der romantische Maler Johan Christian Clausen Dahl, ein gemeinsames Atelier. Am 7. Mai 1840 stirbt der 66-jährige Caspar David Friedrich aufgrund eines Schlaganfalls.

Caspar David Friedrich zählt zu den bedeutendsten Landschaftsmaler der Epoche der Romantik. Seine Vorliebe für die Landschaftsmalerei lässt sich zu seinem früheren Zeichenlehrer Quistorp in Greifswald zurückführen, da sein Lehrer ihn auf die Naturschönheiten hinwies. Seine künstlerische Karriere hat er auch Goethe zu verdanken, der ihn gefördert hatte. So wurden seine Bilder im Jahre 1805 das erste Mal einem Publikum vorgestellt, das sich im Jahre 1820 Nikolaus I. Pawlowitsch, dem Kaiser von Russland anschloss. Durch den Kaiser wurde sein Leben gesichert, da er zu sei­nen wichtigsten Auftragsgeber zählte, der von seiner Malweise sehr begeistert war. Seine Landschaftsbilder hat er oft realistisch und gefühlsvoll dargestellt. Das deutsche Volk war von der Bedeutung seiner Bilder und von ihm selbst sehr angetan, was ihn finanzi­ell aufbesserte, da eine hohe Nachfrage für seine Werke herrschte. Mit seinem Malstil prägte Caspar David Friedrich nicht nur die Epoche der Romantik, sondern auch die darauf folgenden Kunstepochen.

Einer seiner Vorlieben war es, die Personen von hinten als „Rückenbilder“ darzustellen. Außerdem war in Caspar David Friedrichs Gemälden die Verwendung von vertikaler und horizontaler Linien üblich. Zum Beispiel ragte ein Baum oder die Masten eines Segelschiffes ein Bildelement raus und stellten somit „eine Verbindung von Diesseits und Jenseits her“ Eine weitere Vorliebe Caspar David Friedrichs lag darin, eine unsichtbare Lichtquelle zu malen, die man selber erahnen muss. beispielsweise malte er nie direkt die Sonne, sondern „eine indirekte Lichtquelle, die geheimnisvoll wirken“ sollte. Wenn eine symmetrische Komposition vorliegt, hat Caspar David Friedrich oft den Vordergrund verdunkelt, damit das Gegenständliche zurückgedrängt wird und dadurch der Blick in die Tiefe gelenkt wird. In seinen Bildern nimmt der Himmel einen großen Teil des Bildes ein und das Wesentliche liegt darin, „...dass das Entscheidende ge­rade hinter dem Sichtbaren liegt.“

Das Öl Gemälde „Der Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich wurde zwischen 1808 und 1810 gemalt und ist ca. 110 x 171 cm groß. Das Gemälde wurde im Herbst 1810 in einer Ausstellung in Berlin präsentiert und hängt heute im Schloss Charlottenburg in Berlin. Zu sehen ist ein kleiner Mönch, der an einer Klippe am Meer steht und mit seiner rechten Hand sein Kinn berührt. Der Mönch wurde als „Rückenfigur“ gemalt, doch schaut er nicht direkt auf das Meer, sondern er blickt eher halb nach rechts. Das Bild wurde in der Zentralperspektive gemalt und eine Horizontale durchkreuzt das Gemälde. Das Bild ist nicht nach einem Vorder-, Mittel- und Hintergrund gegliedert, sondern horizontal, was den Kosmos noch dominanter wirken lässt. Ein Fünftel des Bildes zeigt die Erde an und fast vier Fünftel des Bildes zeigen den Himmel an. „Der Mönch am Meer“ wurde in der Zentralperspektive gemalt und der Mönch ist in seiner ganzen Umgebung „das einzige vertikale Element im Bild, aber er ist zu klein, um die Horizontale zu überblicken.“. Friedrichs undeutlich gezeichneter kleiner Mönch ist nicht die bildhafte Darstellung eines einsamen Menschen, sondern er betont nur den Blick des Betrachters. Caspar David Friedrich arbeitete mehr als zwei Jahre an seinem Gemälde „Der Mönch am Meer“, das früher auch unter dem Titel „Seelandschaft mit Kapuziner“ bekannt war, und dabei wurde es mehrfach völlig umgearbeitet. Zum Beispiel waren zuvor neben dem Mönch links und rechts zwei Segelschiffe und ein Mond, sowie ein Morgenstern vorhanden. Diese Veränderung, die Caspar David Friedrich durchgeführt hat, sagt aus, dass er sein Gemälde reduzieren wollte, damit die Ge­genständlichkeit des Bildes zurück genommen wird.

Caspar David Friedrich verwendete in seinen Bildern immer Rückenbilder, wie zum Beispiel in seinem Gemälde „Der Mönch am Meer“. In der Malerei zur Zeit Caspar Da­vid Friedrichs war es ungewöhnlich Personen von hinten darzustellen, doch er verwendete diese Art und sie wurde zu seiner Vorliebe und sind ein „Zeichen“ für die Kunst Caspar David Friedrichs. Bei den Rückenbildern wird der Betrachter oft „aufgefordert, sich in das Bild hineinzuversetzen“, wie zum Beispiel im Gemälde „Frau in der Morgensonne“, wo eine Frau von hinten abgebildet wurde und ins Licht blickt. Da wird der Betrachter aufgefordert, sich in die Frau hineinzuversetzen und selber die Lichtquelle zu sehen. Auch in dem Gemälde „Frau am Fenster“ von 1822 hat Caspar David Friedrich eine Frau von hinten abgebildet, die seine eigene Frau darstellt. Hier kommt es wieder zu Stande, dass der Betrachter sich in die Person hineinversetzten muss, um zu sehen, was seine Frau (Christiane Caroline, geb. Bommer) sieht. Eine weitere wichtige und typische Rolle in der Epoche der Romantik spielt die Bedeutung der Fenster. Zentrale Aussagen dazu sind: „ Zugang nach draußen, Verbindung zum Außer persönlichen und Ausdruck des Wunsches nach innerer Befreiung und nach dem Erlebnis freier Natur“ Eine weitere Rolle spielt die Geborgenheit und Häus­lichkeit. Das Motiv des Fensters kommt nicht nur in der Kunst vor, sondern auch in vielen Texten der Epoche der Romantik.

Er stellte die Forderung auf, der Maler soll nicht bloß malen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Themen Friedrichs sind die Unendlichkeit, die Einsamkeit, die Zurückgezogenheit und der Tod. Carl Gustav Carus schrieb in seinen Briefen über die Landschaftsmalerei, die Aufgabe ist „die Darstellung einer gewissen Stimmung des Gemütslebens“ durch die Nachbildung einer entsprechenden Stimmung des Naturlebens. Die Landschaft wird zum „Erdlebenbild“, dessen Wirkung eine Stille Andacht, eine Läuterung und Reinigung sein soll. Das Ich soll verschwinden, ein Nichts werden, Gott soll alles sein.

Bei Caspar David Friedrich haben alle dargestellten Personen und Gegenstände, auch die gewählten Tages- und Jahreszeiten symbolhaften Charakter. Viele Symbole entstammen der allgemein geläufigen Metaphorik, der christlichen Lehre und dem Aberglauben des Volkes. Dies wird in der Symbolik des Bildes „Hafen von Greifswald“ deutlich. Das Boot ist das Sinnbild für das am Ziel des Lebens angelangte Lebensschiff Der Fischer ist der Repräsentant des naturverbundenen tätigen Daseins Das Fischernetz bedeutet, zum Trocknen aufgehängt, die Ruhe des Todes nach der Tätigkeit des Lebens. Der Hafen ist Sinnbild für die Geborgenheit im Tod Der Mond ist das Symbol für Christus. Das im Hafen liegende Schiff versinnbildlicht das Lebensende, den Tod. Der Sonnenuntergang symbolisiert das Ende des Lebens Die Stadt, die man in der Ferne sieht, ist das Sinnbild für das Paradies, das himmlische Jerusalem.

1806 bildet sich eine Protestgruppe von Studenten der Wiener Akademie. Ihr Protest richtet sich gegen die überkommenen Unterrichtsmethoden, das Kopieren von Gemälden alter Meister oder abzeichnen von Gipsabdrücken antiker Plastiken. Sie gründen den Lukasbund, genannt nach dem hl. Lukas, dem Patron der Maler und ziehen nach Ausschluss vom weiteren Besuch der Akademie 1810 nach Rom in das von Napoleon säkularisierte Kloster Sant Isidoro auf dem Monte Pincio. Ihre Überzeugung gipfelt darin, dass die Kunst in Deutschland völlig heruntergekommen ist, es fehlt ihr an Herz, Seele und Empfindung, sie bedarf einer Erneuerung auf den Grundpfeilern von Religion und Nationalität. Ihr Ziel war die Schaffung einer religiös-patriotischen Kunst. Um auf möglichst weite Teile des Volkes zu wirken, sollen Freskenzyklen nach dem Vorbild Giottos und Raffaels mit biblischen Motiven entstehen. Wahrhaft reine Werke sollen hervorgebracht werden.

Peter Cornelius malt mit dem „Jüngsten Gericht“ das größte Fresko des 19ten Jahrhunderts, von ihm stammen eine Freskendekoration in der Ludwigskirche sowie Fresken in der Glyptothek. 1825 wird ihm die Leitung der Kunstakademie München angetragen, 1846 wird er Akademiedirektor in Dresden. Julius Schnorr von Carolsfeld bezeichnet seine Kunst als die Frucht einer jahrelangen Vertiefung in das romantische Heldenwesen. Er wird 1827 von Ludwig I an die Münchner Akademie geholt: 5 Säle der Residenz sollen mit Szenen aus der Nibelungensage dekoriert werden.

In der Spätromantik etwa ab 1830 schrumpfen kosmische Ideen oft zu heimeligen Idyllen zusammen, der Biedermeier kündigt sich an. Die Spätromantik ist nicht mehr getragen von den ursprünglichen Ideen der Freiheit d. Individuums und der unendlichen Natur. Adrian Ludwig Richter (1803-1884) ist weitgehend literarisch orientiert, seine Landschaften sind zumeist beschränkt auf den Ausdruck eines harmonischen Verwobenseins von Mensch und Natur. Richter will im Gegensatz zu Friedrich, der seine Landschaften „mit Zeichen, Hieroglyphen und Gedanken überfrachtet“, die Natur ihre eigene Sprache sprechen lassen. „Jedes Ding spricht aus sich selbst, der Geist, die Sprache liegt in jeder Form und Farbe.“ Landschaften sind bei Richter Idyllen, wie zum Beispiel das Werk „Genoveva in der Waldeinsamkeit“. Die Anregung zu diesem Bild bezog Richter durch Tiecks Trauerspiel: „Leben und Tod der heiligen Genoveva“ aus dem Jahre 1799. Später malt Richter vorwiegend Buchillustrationen: Das ABC-Buch für große und kleine Kinder, Märchenbücher von Beckstein, Musäus und den Gebrüdern Grimm.

Moritz von Schwind (1804-1871) setzte die von der Romantik wiederentdeckte Welt der Volks und Heldendichtung, der Märchen und Sagen in Bilder um. Schon als 18jähriger illustrierte er Ritter- und Heldensagen sowie die Märchen aus 1001 Nacht. Für manche Märchengestalten, wie z. B. den Rübezahl, hat er überhaupt erst eine Vorstellung geschaffen, in der sie bis heute ihre volkstümliche Geltung besitzt. Durch Verbindung mit Peter Cornelius erhält er einen Freskenauftrag im Tieck- Saal der Münchner Residenz, 1847 erhält er eine Professur an der Münchner Akademie.

Die „Macchiaioli“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts grenzten sich von ihren Vorläufern in der italienischen Malerei ab. Die Malerei des Barocks zeigte eine naturalistische und eine klassizistische Richtung. Caravàggio, Hauptvertreter der ersten, verband in seinen Werken krasse, realistische Sachlichkeit mit einer effektvollen Hell-Dunkel-Technik, die in der europäischen Kunst Epoche machte und auf Rembrandt, Rubens und Velázquez wirkte. Die klassizistische Barockmalerei ging vornehmlich von den Bologneser Akademikern (Carracci) aus und beeinflusste besonders die französische Kunst. Im 18.Jahrhundert verlagerte sich der Schwerpunkt des Kunstlebens nach Oberitalien, wo G. B. Tiepolo und seine Söhne die Tradition der italienischen dekorativen Malerei zum letzten Mal glänzend zusammenfassten und bis nach Deutschland und Spanien trugen. Im Werk Francesco Guardis und der Canlettos blühte die Vedutenmalerei.

Die romantische Malerei und Literatur in Italien oder in Frankreich beeinflusste jedoch die Werke einiger Mitglieder der „Macchiaioli“. Der wichtigste Vertreter der italienischen Romantik war Alessandro Manzoni (1785–1873). Ebenfalls zur Romantik gezählt wird der Lyriker Giacomo Leopardi (1798–1837). Seine an die Antike angelehnten, formstrengen Gedichte sind von einer tiefen melancholischen Grundstimmung durchzogen. In Gegensatz zur Romantik Manzonis stand Giosuè Carducci (1835–1907), er orientierte sich an klassischen Stoffen und Formen. Carducci erhielt als erster Italiener 1906 den Nobelpreis für Literatur. Ein weiterer wichtiger Vertreter der Lyrik war Giovanni Pascoli (1855–1912). Der Sizilianer Giovanni Verga (1840–1922) begann mit dem Zeitgeschmack entgegenkommenden Romanen, die von exzentrischen Protagonisten bevölkert waren, und wandte sich erst dann zum Verismus (verismo). Dieser fordert eine einfache, wahre Sprache und Thematik.

Während des Risorgemento entwickelte eine Reihe von Künstlern, die hauptsächlich aus der Toskana stammten, eine besondere Technik der Malerei. Der Name dieser Künstlergruppe „Macchiaioli“ leitet sich vom italienischen Wort „macchia (Fleck) her. Als Erneuerer der Malerei stellten sie sich gegen die strenge akademische Auffassung von der Kunst und wandten sich von den traditionellen allegorischen oder historischen Themen ab, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so beliebt bei den Trägern der Kunst waren. Sie konzentrierten sich bei ihrer Suche nach Motiven auf die Natur und die einfache Bevölkerung. Sorgfältig beobachteten sie das Spiel von Licht und Schatten auf realen Objekten und malten mit tragbarer Staffelei und Farbkästen bei gutem Wetter unter freiem Himmel.

Die wichtigsten Vertreter dieser künstlerischen Richtung waren Giovanni Fattori, Silvestro Lega, Telemaco Signori, Rafaello Semesi, Vito d’Ancona, Vincenzo Cabianca und Giovanni Boldoni. Ihr Wirken konzentrierte sich hauptsächlich auf die Jahre zwischen 1860 und 1880. Diese Art der impressionistischen Freilichtmalerei stieß bei der Mehrheit der zeitgenössischen Kunstkritiker auf Unverständnis und Ablehnung und sie wurden von den großen Kunstausstellungen ausgeschlossen. Trotzdem führten die „Macchiaoli“ ihre Studien unter großer Opferbereitschaft weiter.

Jeder der Künstler der Gruppe entwickelte eigene stilistische Charakteristika, obwohl sie alle derselben Stilrichtung angehörten. Gemeinsam ist ihnen die Art, wie sie ihre Bilder aus fleckenartigen Farbflächen mit starken Kontrasten zwischen hellen und dunklen Bereichen aufbauen. Intergrale Bestandteile der Bildkomposition wie Personen, Tiere, Bäume usw. heben sich dadurch stark vom Hintergrund ab. Die Figuren erscheinen schematisiert, die Details der Bilder werden auf das Wesentliche reduziert.

Die bervorzugten Motive der „Macchiaoli“ waren die ländliche Toskana, das einfache Leben der Bauern, alltägliche Straßenszenen und Soldaten. Giovanni Fattori (1825-1908) gilt als Wegbereiter der „Macchiaoli“. In seinen Bildern beschreibt er die raue Schönheit der Toskana, das Leben der Viehhüter und Pferde in freier Wildbahn vor dem Karren, besonders in seinem Werk Römische Pferdekarren aus dem Jahre 1873. Dort bildet die Komposition des Bildes ein langes Rechteck, das bevorzugte Format des Malers. Die Mauer, ein weiteres typisches Element der Kompositionen Fattoris, ist in stark verkürzter Perspektive dargestellt und erscheint sehr lang. Vor diesem hellen Hintergrund heben sich die Karren mit den davor gespannten Pferden deutlich ab. Die hellen und dunklen Silhouetten, die harten Kontraste vermitteln dem Betrachter den Eindruck, es müsse sich um die heißeste Jahreszeit handeln. Der Schatten erscheint im Bild dementsprechend kurz, und auch der Wanderer hat sich in der Mittagshitze zur Rast niedergesetzt. Es handelt sich dabei um ein sehr realistisches Bild mit sozialkritischem Inhalt.

Fattori hat auch das Leben der Soldaten genau beobachtet und vielfach dokumentiert. 1859 erhielt er den Auftrag, einige Episoden aus dem 2. Befreiungskrieg zu malen. Ab diesem Zeitpunkt beschäftigte sich der Künstler immer häufiger mit der Thematik von kriegerischen Auseinandersetzungen und dem Motiv des Soldaten. Im 3. Befreiungskrieg hatte er ausreichend Gelegenheit, Motive und Inhalte für seine Bilder zu sammeln. Der Maler entwarf seine Skizzen vor Ort, die Spannung, die er dabei empfand, kommt in den flackernden Farbflecken und dem vibrierendem Licht zum Ausdruck. In seinem Gemälde Die weiße Mauer schneidet die lange Mauer schräg durch die Komposition und ist aufgrund der reflektierenden Wirkung des Lichts dominierendes Element der Bildgestaltung.

Silvestro Lega (1826-1895) hatte sich die Toskana zur Wahlheimat erkoren. Seine bevorzugten Motive waren Portraits und Menschen in der freien Natur. Er baute seine Formen auf Farbflächen auf und verzichtete dabei auf Konturen. Stattdessen modellieren Farbtonabstufungen und Kontraste die Umrisse der dargestellten Personen. Dies ist besonders in seinem Werk Frau mit rosa Schal aus dem Jahre 1870 zu beobachten. Die Figur der Frau baut Lega aus raschen Pinselstrichen auf, wobei unwesentliche Details vernachlässigt werden. In hellen, sanften Farben wird die Anmut der Frau besonders zum Ausdruck gebracht.

Sein wohl wichtigstes Werk ist Der sterbende Francesco Mazzini sterbende aus dem Jahre 1873. Franscesco Mazzini war ein italienischer Freiheitskämpfer des Risorgimento, der dem Konzept einer nationalen italienischen Republik anhing. Mazzinis politisches Ziel war das Selbstbestimmungsrecht der europäischen Völker und insbesondere die Unabhängigkeit und Einigung der italienischen Staaten, die damals in das spanisch-bourbonische Königreich beider Sizilien, das österreichische Königreich Lombardo-Venetien, den päpstlichen Kirchenstaat und das Königreich Sardinien-Piemont geteilt waren. Mazzini strebte die italienische Einigung in einer Republik an, die er nur durch die revolutionäre Erhebung des Volkes und die Vertreibung der fremden Besatzungsmächte als möglich erachtete.

Am 15. April 1834 schloss Mazzini in Bern mit August Breidenstein und seinem Bruder Friedrich Breidenstein die sog. „Verbrüderungsacte“. Zu den von Mazzini initiierten Verbindungen Junges Italien und Junges Polen kam Breidensteins Junges Deutschland. Unter dem Motto Freiheit – Gleichheit – Humanität entstand der Geheimbund Junges Europa. der anstelle des Europas der Fürsten und Könige ein demokratisches Europa der Völker anstrebte.

In der Revolution von 1848/49 scheiterte Mazzini mit seinen Ideen in Mailand. Wenig später ging er nach Rom, wo sich seit Mitte 1848 die revolutionären Unruhen zugespitzt hatten. Nach der Ermordung des päpstlichen Ministerpräsidenten Pellegrino Rossi durch revolutionäre Rebellen am 15. November 1848 sah sich Papst Pius IX. am 23./24. November zur Flucht aus Rom veranlasst und setzte sich nach Gaeta an der Küste Neapel-Siziliens ab. Am 9. Februar 1849 rief Mazzini die Republik im Kirchenstaat aus und war an führender Stelle als einer der Triumviren 1849 zusammen mit Carlo Armellini und dem Freimaurer Aurelio Saffi an der kurzlebigen Römischen Republik beteiligt. Nach deren gewaltsamen Niederschlagung durch französisches Militär am 3. Juli 1849 ging er erneut nach London. Er befasste sich im Exil mit der Theorie der Befreiung und Einigung anderer europäischer Staaten und gründete mit Kossuth, Ledru-Rollin und Ruge den Comitato europeo, der die Errichtung einer europäischen Republik zum Ziel hatte.

Zu Beginn des Sardinischen Krieges im Mai 1859 stellte Mazzini sich gegen das Bündnis Sardiniens mit Frankreich, weil König Viktor Emanuel II. Frankreich für seine Unterstützung die Abtretung Savoyens und Nizzas zugesagt hatte. Mazzini unterstützte im Mai 1860 Giuseppe Garibaldis Expedition zur Befreiung Siziliens mit dem sogenannten „Zug der Tausend“ und legte ihm nahe, auch Rom und Venedig zu befreien.

Die vom Ministerpräsidenten Sardinien-Piemonts Camillo Cavour geführte Einigung Italiens nach 1859, die sich auf die Zusammenarbeit des piemontesischen Königshauses, die Nationalbewegung und das Bündnis mit Frankreich stützte, lehnte er jedoch ab. Er wollte die nationale Frage auf demokratischem Wege von unten lösen.

Im September 1860 rückten piemontesische Truppen in den Provinzen des Kirchenstaats ein. Bei Castelfidardo in der Nähe von Ancona unterlag die päpstliche Armee; der unter französischem Schutz stehende restliche Kirchenstaat mit Latium und seiner Hauptstadt Rom blieb unangetastet. Nach diesem Sieg stießen die unter dem Befehl von König Viktor Emanuel II. stehenden piemontesischen Truppen weiter nach Süden vor, bis sie sich mit der Freischärlerarmee Garibaldis vereinigten.

Garibaldi trat von seinem Machtanspruch zurück, nachdem sich die Bevölkerung beider Sizilien, wie schon diejenige Norditaliens im März desselben Jahres, bei einem Plebiszit am 21. Oktober 1860 mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss ans Königreich Sardinien-Piemont ausgesprochen hatte. Am 26. Oktober 1860 fand in Teano bei Neapel das legendäre Treffen zwischen Viktor Emanuel II. und Garibaldi statt, bei dem letzterer den piemontesischen Monarchen als „König von Italien“ begrüßte. Im März 1861 wurde schließlich in Turin die neue italienische Monarchie unter König Viktor Emanuel ausgerufen. Camillo Benso Graf von Cavour wurde erster Ministerpräsident Italiens, als der er bis zu seinem Tod am 6. Juni 1861 noch knapp drei Monate im Amt blieb. Vorläufiger Regierungssitz wurde die bisherige sardinisch-piemontesische Hauptstadt Turin. 1864 wechselte dieser Status nach Florenz, der Hauptstadt der Toskana.

Das neue Italien wurde letztlich „von oben“ durchgesetzt, auch wenn die vorhergehenden Revolutionen vom Volk getragen worden waren. Die Hoffnungen der Republikaner auf eine verfassunggebende Nationalversammlung erfüllten sich nicht. Schrittweise wurde die sardinisch-piemontesische Verfassung von 1848 auf Italien übertragen, mit der eine konstitutionelle Monarchie festgelegt wurde. Die politische Repräsentation war wegen eines hohen Zensuswahlrechts mit nur 1,9 % wahlberechtigter Bevölkerung auf eine kleine konservativ-liberale Oberschicht beschränkt. Das Wahlrecht wurde später zwar ausgeweitet, blieb aber dennoch nur einer Minderheit vorbehalten. Es sollte bis 1912 dauern, bis ein nahezu allgemeines Wahlrecht in Italien eingeführt wurde. Die fortschrittlichen liberalen Parlamentarier Marco Minghetti und Luigi Carlo Farini scheiterten mit ihrem Plan, autonome Regionen zur Basis des neuen Italien zu machen. Unter Bettino Ricasoli, dem Nachfolger Cavours, erhielt Italien eine zentralistische Verwaltung und wurde ähnlich wie Frankreich in Provinzen gegliedert.

Die europäischen Großmächte Frankreich, Preußen (Friedrich Wilhelm IV.) und Großbritannien (Victoria) erkannten den neuen Staat Italien an. Protest gegen die diplomatische Anerkennung kam von Österreich und dem Kirchenstaat, die zu Recht weitere Ansprüche Italiens auf ihre Hoheitsgebiete bzw. Teile davon befürchteten. Vorerst noch nicht zu Italien gehörten Venetien im Nordosten, das weiterhin unter der habsburgischen Herrschaft Österreichs stand (bis 1866), sowie der Restkirchenstaat mit Rom, in dem (bis 1870) französische Schutztruppen stationiert waren.

1870 kehrte Mazzini nach Pisa zurück. Obwohl, bezogen auf seine politischen (demokratischen) Ziele, in seiner Zeit am Ende erfolglos, trugen Mazzinis Ideen und Aktivitäten, mit denen er relativ große Teile des Kleinbürgertums, der Handwerker und Arbeiter als revolutionäre Kraft mobilisieren konnte, wesentlich zur Einigung der italienischen Nation bei.

Telemaco Signorini nahm am Zweiten Unabhängigkeitskrieg von Giuseppe Garibaldi 1859 teil und malte dabei fünf Schlachtengemälder, die ihm Aufmerksamkeit verschafften. 1861 war er das erste Mal in Paris, wo er Jean-Baptiste Camille Corot kennenlernte und sich für die Bilder von Gustave Courbet begeisterte. 1862 gründete er in einem Vorort von Florenz die Schule von Pergentina. Auf späteren Besuchen in Paris (1868, 1872) befreundete er sich mit Edgar Degas, der besonders sein Bild der Geisteskranken in San Bonifazio bewunderte. Er wurde ein führendes Mitglied der Macchiaioli und auch literarisch deren Sprachrohr neben Adriano Cecioni und dem Kunstkritiker Diego Martelli. Signorini stellte regelmäßig nicht nur in Florenz, sondern auch in Turin, Neapel, Wien, Venedig und anderen Orten aus. 1881 reiste er nach Großbritannien und Schottland zum Malen (ebenso 1883/84 und 1878). Er reiste auch viel in Italien und der Schweiz. 1883 erhielt er ein Angebot, Professor an der Florentiner Akademie zu werden, was er ablehnte. Er lehrte aber ab 1892 am Instituto Superiore di Belle Arti in Florenz.

Giovanni Boldoni machte sich vor allem als Portraitmaler einen Namen. Er studierte sechs Jahre (1862–1868) an der Florentiner Akademie und entwickelte nach seinem Studium einen Hang zur Freilichtmalerei. Auf den Pfaden der Freilichtmaler und Impressionisten immer fortschrittlich gehend, bildete er sich seine nervöse, skizzenhafte, sprühende Technik, die er auch dem Genre und der Landschaft, später immer mehr der Porträtmalerei dienstbar machte, zu der ihn sein scharfer Blick für das Individuelle eines Gesichts oder einer Figur besonders befähigte. Nach einem längeren Aufenthalt in London – ließ Boldini sich im Jahre 1872 in Paris nieder. Innerhalb kürzester Zeit machte er Bekanntschaft mit den bekannten Künstlern der Stadt, unter anderem James McNeill Whistler, John Singer Sargent, Robert de Montesquiou, Philip Alexius de László und Paul César Helleu. Mit Edgar Degas verband ihn bald eine enge Freundschaft. Boldini etablierte sich in den 1880er Jahren als erfolgreicher Maler der Boulevard-Porträts der Reichen und Schönen. Auf der Exposition Universelle (1889) übernahm Giovanni Boldini die kommissarische Leitung der italienischen Sektion der Ausstellung und wurde ein Jahr darauf zum Offizier de la Légion d'Honneur erhoben. 1895 erhielt er auf der Großen Berliner Kunstausstellung eine kleine Goldmedaille.

Realismus

Das Jahr 1848 als Anfang des bürgerlichen Realismus festzulegen, lässt sich mit dem Beginn weitreichender sozio-ökonomischen Veränderung eben in diesem Jahr begründen. Die Pariser Februarrevolution weckte die revolutionäre Begeisterung im deutschen Bürgertum, welches sich auch tätlich zusammen mit der Unterschicht gegen die Einschränkung politischer Grundrechte und einer einheitlichen Nationalstaatlichkeit einzusetzen versuchte. Zwar scheiterten die Bewegungen zunächst, es konnte sich unter diesen Umständen aber auch eine völlig neue Art der politischen Öffentlichkeit formieren.

Dem bürgerlichen Mittelstand muss eine enorme Gewichtung im Hinblick auf seine wirtschaftliche und auch soziale Stärke im 19. Jahrhundert schließlich und endlich zugestanden werden. Durch die mit dem Wirtschaftswachstum einhergehenden Landflucht stieg der Anteil der Angestellten und Beamten, sowohl in staatlichen als auch nicht nichtstaatlichen Bereichen enorm an. Der Begriff des Bürgers gehört inzwischen stärker aufgefächert: so zählen eben nicht nur eben genannte, sondern auch gehobene Handwerker oder sonst wie Selbstständige zu jener Bevölkerungsgruppe. Der wirtschaftliche Aufschwung ist bezeichnend für die Zeit zwischen 1850 und 1873 – wir befinden uns mitten in der Industriellen Revolution.Als wesentlich für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts kann zudem die ständig zunehmende Mobilität, sowohl im räumlichen als auch sozialen Sinne, gelten. Die Droschke wird von der Eisenbahn abgelöst, die Schifffahrt erfährt Fortschritte durch die Dampfturbine – Europa wird für den Einzelnen erschließbarer.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Literaturlandschaft in Deutschland geprägt von der Vormärzliteratur. In der Folge der Märzrevolution von 1848 wurden die verschiedenen literarischen Bewegungen jener Zeit einem Wandel unterworfen. Die Revolution führte zum Rücktritt des Staatskanzlers Metternich, der Ausarbeitung einer deutschen Verfassung und der Lockerung der Zensur und des Spitzelwesens. Letztlich erwies sich die Revolution jedoch als ein „Sturm im Wasserglas“, da die Forderungen des liberalen Bürgertums, das die Revolution hauptsächlich trug, nur ansatzweise erfüllt wurden. Die Ideen von staatlicher Einheit und politischer Freiheit blieben unerfüllt.

Der Wandel von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu einer nüchternen Betrachtung der Gegenwart lässt sich auch im frühen Marxismus erkennen. Marx war als Schüler Hegels vom deutschen Idealismus beeinflusst. Von dort kommt seine Vorstellung eines zielgerichteten Verlaufs der Geschichte. Gleichzeitig war er Materialist und wollte nur die ökonomische Entwicklung als Grundlage der Geschichte anerkennen.

Zeitgenössische Theoretiker des Realismus gruppierten sich um Zeitschriften und veröffentlichten ihre Ansichten über die momentane Situation in der Literatur. Die Meinungsführerschaft in den 50er Jahren lag bei den „Grenzboten“ und dort vor allem bei Julian Schmidt. Er entwickelte mit seinen Kollegen die Programmatik der neuen Literatur. Dabei spielen die Begriffe „Realidealismus“, „Poetischer Realismus“ und „Bürgerlicher Realismus“ eine entscheidende Rolle, denn der Realismusbegriff war durch die ästhetische Tradition zu belastet, als dass er in unproblematischer Weise das Selbstverständnis einer Literaturbewegung hätte kennzeichnen können. Theodor Fontane weist als einer der Hauptvertreter des Realismus „das nackte Wiedergeben alltäglichen Lebens, am wenigsten seines Elends und seiner Schattenseiten“ ab. Er definiert den Realismus als „die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst“. Wichtige literarische Formen im Realismus sind die Dorfgeschichten, das Dinggedicht, der Gesellschaftsroman, der historische Roman und der Entwicklungsroman. Eine besondere Rolle spielte der Roman an sich.

Zu Beginn lehnte sich der Realismus an die Philosophie von Ludwig Feuerbach an, dessen Religionskritik nicht in einen resignativen Nihilismus mündete, sondern stattdessen die Hinwendung zur Diesseitigkeit propagierte. Der Mensch solle das Göttliche in sich erkennen und in diesem Sinne sein Leben leben und gleichzeitig für andere Menschen tätig sein (Homo homini deus est „Der Mensch ist dem Menschen ein Gott“). Der technische Fortschritt durch die Industrielle Revolution und der daraus entstehende Fortschrittsglaube verstärkten diese optimistische Haltung. Spätere Vertreter des Realismus waren hingegen von einem starken Pessimismus beeinflusst. Die sich infolge der Industrialisierung verschärfenden sozialen Probleme erschütterten das Vertrauen in den technischen Fortschritt nachhaltig. Die Erkenntnisse bedeutender Naturwissenschaftler wie Charles Darwin verschafften der Geisteshaltung des Determinismus Zulauf. Das menschliche Individuum sei ein Produkt der Evolution und seine Handlungen würden von physiologischen Prozessen in seinem Körper bestimmt. Die besondere Tragik dieser sinnlosen Existenz bestehe darin, dass der Mensch diesem Fatalismus ausgeliefert sei und sich ihm stellen müsse, wohl wissend, dass er den Kampf im Moment seines Todes letztlich verlieren werde. Diese Art der Betrachtung negiert jegliche Transzendenz im menschlichen Leben.

Der Grundgedanke des Realismus ist die Reflektion der Wirklichkeit durch Kunst und Literatur. Das heißt, der Realismus gibt die Welt nicht nach einem Idealbild wieder, sondern wie sie tatsächlich ist. Der Realismus lässt sich in ,,Poetischen Realismus“ und ,,Bürgerlichen Realismus“ aufteilen. Poetischer Realismus bedeutet Konflikte in der Wirklichkeit lyrisch zu entschärfen. Bei dem bürgerlichen Realismus wird häufig der Konflikt des Individuums mit der Gesellschaft thematisiert. Dies soll keine Kritik an der Gesellschaft bzw. am Milieu sein, sondern eine Ästhetisierung und damit eine Verklärung. Es ist die Abgrenzung von der Idealistischen Epoche (insbesondere von der Romantik).

Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Literatur vom Vormärz geprägt und dem damit verbunden politisch-historischen Maßstab. Die folgenden Erscheinungen wurden unter dem Blickwinkel ihres Zusteuerns auf die Märzrevolution im Jahre 1848 gesehen. 1850 folgte das ,,Junge Deutschland“, welches sich aus Gruppierungen von Autoren im poetischen und bürgerlichen Realismus zusammensetzte. Dem Menschen steht im Realismus, sein persönliches Schicksal und seine individuelle Eigenart im Hinblick auf die soziale Umgebung im Vordergrund. Die Kraft des Materiellen war in dieser Zeit sehr hoch. Zugleich entsteht die Fragwürdigkeit, ob eine Welt in der die bloße Materie zählt (Nihilismus) wirklich erstrebenswert sei. Im Zuge der naturwissenschaftlich-technischen Orientierung und bedeutenden Erfindungen setzt sich ein Glaube an die Wissenschaft durch.

Ausgehend von der französischen Februarrevolution, bildete die bürgerliche Revolution im März 1848 das große Ereignis der Jahrhundertmitte, mit dem die Forderungen nach bürgerlichen Freiheiten, einer geschriebene Verfassung und der Einrichtung eines gesamtdeutschen Parlaments verbunden waren. Am 18. Mai trat in der Frankfurter Paulskirche eine frei gewählte Nationalversammlung zusammen. Deren Arbeit wurde aber durch die Spaltung zwischen Liberalen, die nur eine politische Veränderung anstrebten, und Republikanern, die sich auch für eine Änderung der sozialen Verhältnisse einsetzten, erschwert. Als schließlich im März 1849 eine neue Verfassung verkündet wurde, lehnte der preußische König Friedrich Wilhelm IV die von der Nationalversammlung angebotene Kaiserkrone als gesamtdeutsches Staatsoberhaupt ab. Damit waren die Bestrebungen, einen einheitlichen Nationalstaat zu schaffen, gescheitert. Die Fürsten übernahmen als Landesherren wieder die gewohnte Macht. Viele enttäuschte Bürger zogen sich aus der Politik zurück und wandten sich ihrem Privatleben zu. Erst nach dem siegreichen Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) gegen den "Erbfeind" Frankreich kam es am 18.01.1871 im Spiegelsaal von Versailles unter dem Jubel der deutschen Bevölkerung zur Gründung des "Deutschen Kaiserreichs". Damit war im Herzen Europas eine neue Großmacht entstanden, die durch ihre militärische Stärke und ihre Hinwendung zu Nationalismus und Imperialismus das europäische Gleichgewicht zu erschüttern drohte.

Etwa seit Ende der napoleonischen Befreiungskriege und der folgenden Zeit der Restauration entwickelte sich die Kunst des Biedermeier. Die teils spießbürgerlich wirkende Malerei knüpfte an romantische Ideale an, umfasste nunmehr aber auch die begrenzte Welt des Alltagsmenschen. Diese Genrebilder zeigten primär das häusliche Leben und eine kleinbürgerliche Idylle. Das Thema der Arbeit wurde bis auf wenige Ausnahmen weiterhin gemieden. Lediglich landwirtschaftliche Darstellungen, innerhalb einer verklärten Bauernmalerei, streiften diese Thematik. Hier wurde eine bäuerliche Atmosphäre hergestellt, in der die Familie, als Indikator für eine harmonische Häuslichkeit, eine besondere Stellung einnahm. Das Milieu des Bauerntums ist in diesen Bildern zwar präsent, die damit verbundene Arbeit wird bis auf wenige Ausnahmen nicht thematisiert. Den klassisch-historisch inspirierten Werken als auch den romantischen Bildern sowie der Genremalerei des Biedermeiers war jedoch trotz der Unterschiede gemein, dass sie nur selten die Wirklichkeit wiedergaben. Der Idealismus herrschte als grundsätzliches Bindeglied vor und ist somit charakteristisch für diese Zeit. Es ist nicht verwunderlich, dass sich allmählich zu diesem Idealismus eine Gegenbewegung bildete - in Anbetracht der vergangenen Epochen, die in der Regel als Reaktionen auf vorherige Stilperioden auftraten, erscheint es evident, dass sich ebenso eine Erwiderung zum Idealismus finden musste.

Als Ausgangspunkt für das Schaffen der Realisten muss ein genau bestimmtes Geschichts-und Wirklichkeitsbild betrachtet werden. Danach ist jede Kunst realistisch, ,,die zunächst darauf ausgeht, die Dinge in ihrer wesenhaften Realität zu geben, Welt und Menschen, Natur und Leben so darzustellen, wie sie sich ihrem Wesen und ihrer Idee, ihrer Seele und ihren Charakter nach offenbaren,..." (Sigisbert Meier: Der Realismus als Prinzip der schönen Künste, S.9) Der Realismus mit seiner objektiven Darstellung des Zeitgenössischen ist ferner gekennzeichnet durch Gottferne (Atheismus), Entfremdung und Zusammenhangslosigkeit, die sich in allegorischer, satirischer oder grotesker Darstellungsweise widerspiegeln. In der realistischen Literatur geht es nicht um Versöhnung oder Einheit, sondern vielmehr um deren Versagen und um den endgültigen Verlust von Gott, Idee oder Sinn, an deren Stelle das Nichts getreten ist. Für den Realisten ist der Mensch deshalb ein Narr, der verloren ist in der bösen Welt; das Leben bedeutet ständig neue Desorientierung. Der Realismus ist didaktisch, lehrhaft und reformierend und will die historische Wirklichkeit sittlich und ästhetisch interpretieren bzw. künstlerisch bewältigen.

Mit dem Realismus war keine neue Epoche entstanden, vielmehr wurde die Aufmerksamkeit für eine Wirklichkeitsanschauung gesucht, was bedeutet, dass dieser Kunststil „weder rein inhaltlich, noch rein formal zu fassen“ ist. Die Intentionen eines realistischen Werks ist nicht immer eindeutig zu ermitteln. Einerseits kann die Wirklichkeitsdarstellung lediglich deskriptiv ohne politischen Hintergedanken sein. Andererseits können realistische Bilder gesellschaftskritische und sozialistische Intentionen in sich vereinen, indem sie durch die Veranschaulichung von gesellschaftlichen Missständen oder den Hinweis auf problematische Lebensbedingungen soziale Ungerechtigkeiten anprangern. Dadurch kann bei dem Betrachter Mitgefühl evoziert, aber auch gleichzeitig bewusst Anklage erhoben werden. Diese Vielfalt der Intentionen führte damals und auch noch heute oftmals zu Missverständnissen bei der Einordnung der Künstler.

In Frankreich boten die Romane der 1830er und 1840er Jahre von Stendhal (1783–1843) und Honoré de Balzac (1799–1850) zwar realistische Schauplätze, Handlungen und Charakterisierungen, standen aber noch unter der romantischen Perspektive einsamer Helden, großer Handlungen und tieferer Symbolik. Der eigentliche Durchbruch zum Realismus gelang Gustave Flaubert (1821–1880) mit seinem Roman Madame Bovary (1857), der Alltagsgeschichte der Desillusionierung einer an romantischen Idealen orientierten Ehefrau in der Provinz, die im Ehebruch und Selbstmord endet. Flaubert schrieb in einem Brief 1852: „In mir stecken buchstäblich zwei Menschen: der eine liebt Großmäuligkeit, Lyrisches, die großen Adlerflüge wohlklingender Sätze; der andere wühlt und gräbt nach dem Wahren, so gut er kann, will das kleine Faktum ebenso gewaltig wie das große zeigen, möchte den Lesenden die wiedergegebenen Dinge beinahe materiell spüren lassen“.

Die Prinzipien von Flauberts Realismus sind: umfassende dokumentarische Vorarbeiten, Zurücktreten des Autors (sog. impassibilité) hinter die Fakten und Geschehnisse (die aber so ausgewählt, angeordnet und behandelt sind, dass gleichwohl des Autors meist pessimistische Sicht erkennbar bleibt), strenger Kult der Sprachform (Gegengewicht zur langweiligen Mittelmäßigkeit des Alltagslebens).

Ab 1860 entstand als Steigerung des Realismus der Naturalismus, dessen wichtigster Vertreter Émile Zola (1840–1902) wurde, der neben seinen Rougon-Macquart-Romanen (1871–1893), einer zwanzigbändigen Natur- und Sozialgeschichte einer Familie unter dem Zweiten Kaiserreich (d. h. Frankreich unter Louis Napoleon 1852–1870) auch Literaturtheoretisches schrieb. „Unser Held ist nicht der reine Geist, der abstrakte Mensch des 18. Jahrhunderts, sondern er ist das physiologische Objekt unserer jetzigen Wissenschaft, ein Wesen, das aus Organen zusammengesetzt ist und das von einem Milieu zeugt, von dem es jeden Moment durchdrungen wird. (…) Alle seine Sinne wirken auf seine Seele ein; in jeder ihrer Bewegungen wird diese vorangetrieben oder zurückgehalten durch das Sehen, das Riechen, Hören, den Geschmack, den Tastsinn. Die Vorstellung einer unabhängigen Seele, die ganz im Leeren funktioniert, ist falsch - das ist die psychologische Mechanik, und nicht mehr das Leben. (1881) Der Naturalismus in der Literatur ist (…) die Rückkehr zur Natur des Menschen, die direkte Beobachtung, die genaue Anatomie, die Feststellung und Wiedergabe dessen, was ist.“ (1882).

Freund und Schüler Zolas war Guy de Maupassant (1850–1893), der vor allem Novellen schrieb. Er beschränkte sich auf das selektive Konzept einer ausgewählten und (dadurch) expressiven Wahrheit: „Der Realist, wenn er ein (guter) Handwerker ist, versucht nicht, uns die banale Photographie des Lebens zu geben, sondern uns eine Vision zu liefern, die vollständiger, ergreifender, beweiskräftiger als die Wirklichkeit selbst ist.“ Die theoretische Begründung dieses Naturalismus lieferte der Literaturhistoriker Hippolyte Taine (1823–1893, nach und mit Auguste Comte Vertreter des sog. Positivismus, der nur erfahrungsmässig-wissenschaftliche Tatsachen, nichts Übersinnliches oder Spekulatives anerkennt). Er erklärte das literarische Schaffen aus den es bestimmenden (daher der Name Determinismus) Faktoren Ethnie (Volk; angeborene psychische Veranlagung), Milieu (geographisch-soziale Umgebung) und Zeit (historische Situation, Augenblick der Niederschrift).

Auguste Comtes Versuch, den Positivismus zur wissenschaftlich fundierten Weltkultur auszubauen, wurde eines der großen utopistischen Projekte des 19. Jahrhunderts. Comte entwarf ein Geschichtsmodell, nach dem sich die von ihm vertretene Philosophie mit historischer Notwendigkeit durchsetzen musste. Die Menschheitsentwicklung durchschritt historisch notwendige Entwicklungsstadien von den ersten religiösen Kulten über den Monotheismus zu einer von den Wissenschaften bestimmten Kultur („Dreistadientheorie / théorie des trois états“: theologische, metaphysische und positive Epoche). Der Motor der historischen Entwicklung war nicht ein Klassenkonflikt, der in eine Weltrevolution mündete, und in der die Arbeiterklasse die Herrschaft übernahm, sondern die schlichte Ausbreitung der zukünftigen Gesellschaft mit dem wissenschaftlichen Fortschritt. Die Menschheit selbst geriet in diesem Prozess in das Zentrum des Interesses.

Die Soziologie würde –als von Comte begründete Wissenschaft – alles Handeln bestimmen, und das menschliche Zusammenleben zum größten Nutzen der Menschheit organisieren. Daher bezeichnete er sie auch als die „Königin der Wissenschaften“. Mitgefühl und Altruismus, Achtung vor menschlichen Leistungen würden im Zentrum des Zusammenlebens in der zukünftigen Gesellschaft stehen.

Mit dem Aufbau der Religion des Positivismus sollte der historischen Entwicklung zum Durchbruch verholfen werden. Deren Organisation und die Dogmatik orientierten sich am Aufbau des Katholizismus. Die Huldigung der Menschheit in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft wurde zu einem Kultus ausgestattet, dem eine eigene Priesterschaft zum Durchbruch verhelfen sollte. Die Unsterblichkeit wurde als „Unsterblichkeit im Gedächtnis der Menschheit“ sozialisiert. Der positivistische Kalender trug dem wiederum Rechnung durch sein dreizehnmonatiges Jahr, das symbolisch die Weltgeschichte durchmisst. Die einzelnen 28-tägigen Monate nehmen die jüdische und die christliche Tradition auf, wie die Wissenschaftsgeschichte und die politischen Traditionen Europas. Monatsrepräsentanten sind unter anderem Moses, Archimedes und Friedrich II. von Preußen. Die einzelnen Tage sind, einem Heiligenkalender gleich, den „größten Individuen gewidmet, die zum Fortschritt der Menschheit beitrugen“. Die übergreifende These, dass die Welt sich über die Religion und den Aufbau von Staaten, und Wissenschaften in die Zukunft entwickelte, erlaubte die Würdigung und die Integration der überwundenen religiösen und staatlichen Organisationsformen.

Positivistische Gesellschaften wurden gegründet. Sonntägliche Treffen mit Zeremonien standen auf dem Programm, und erweckten Misstrauen und Spott. Die Bewegung zeichnete sich durch den Ordnungsfanatismus und die Detailversessenheit ihres Gründers aus, ebenso wie durch eine prekäre Annäherung an genau das System, das sie ersetzen sollte, und durch möglichst lückenlose Übernahme von Organisationsformen und Techniken ersetzen wollte: Die katholische Religion, die gerade im naturwissenschaftsfreundlichen angelsächsischen Sprachraum nicht als Traditionsangebot in Frage kam. Eine spezielle Verehrung der Frau prägte den Positivismus. Für Comte, der seinen persönlichen Leidensweg am Ende in der Verehrung einer Frau fand, war die Frau „das emotional höher entwickelte Wesen“, das durch die ausgeprägtere Fähigkeit zum Mitgefühl prädestiniert war, die Kernaufgabe in der Familie wahrzunehmen.

Nach einem Staatsstreich wurde Louis Napoleon, ein Neffe Bonapartes, 1852 als Napoleon III. zum Kaiser in Frankreich ausgerufen. Während des von ihm eingeleiteten Zweiten Kaiserreichs blieben an der Kunstakademie alte Traditionen vorherrschend. Die künstlerischen Vorgaben von Akademie und Salon erstreckten sich sowohl auf die Bildthemen als auch die jeweils passende Technik. Historienbilder galten dort als hohe Kunst, als adäquate Malweise der neoklassizistische Stil Davids und Ingres‘.

Doch es existierten auch Gegenbewegungen zur offiziellen konservativen Salonkunst, die vor allem der Repräsentation des Staates diente. Im kleinen Ort Barbizon, südlich von Paris am Rande des Waldes von Fontainebleau gelegen, fand ab den 1830er Jahren ein Kreis von Malern zusammen, der andere Motive und Darstellungsweisen als die althergebrachten favorisierte. Zur Schule von Barbizon, wie dieses Malerkollektiv bald genannt wurde, gehörten Künstler wie Jean-Baptiste Camille Corot und Jean-Francois Millet. Weit entfernt von der industrialisierten Großstadt Paris rückten die Maler dort das Studium der Natur in das Zentrum ihres Schaffens. Die Künstler in Barbizon malten nicht nur Wälder und Felder, sie zogen auch oft in die Natur, um dort im Freien zu malen. Die Landschaftsmalerei erlebte in dieser Zeit einen Aufschwung.

Inmitten einer Zeit folgenreicher gesellschaftlicher Umwälzungen wurde Jean Baptiste Camille Corot am 17. Juli 1796 in Paris geboren. Schon während der Schulzeit nutzte er jede frei Minute für seine eigentliche Leidenschaft, das Malen und Zeichnen, entschied sich jedoch erst im Alter von sechsundzwanzig Jahren zu einem Leben für die Kunst. Eine von den Eltern gewährte Jahresrente von eintausendfünfhundert Francs gab ihm die finanzielle Sicherheit dazu und bewahrte ihn vor einem Existenzkampf, wie er zahlreichen seiner Künstlerkollegen auferlegt war.

Sein erster Lehrer, der gleichaltrige, hochbegabte Achille Etna Michallon (1796-1822), hatte 1817 als erster den Rom-Preis der Académie des Beaux-Arts für das Landschaftsfach errungen. Nach Michallons frühem Tod setzte Corot seine Studien bei Jean-Victor Bertin fort, der gleich Michallon ein Vertreter der klassischen französischen Landschaftsschule in der Nachfolge von Nicolas Poussin war. Diese folgte bekanntlich dem Grundprinzip, ausgewählte Partien realer Landschaft, deren Darstellung ein intensives Naturstudium voraussetzte, zu einer Ideallandschaft zu komponieren, die dann den Schauplatz für mythologische oder religiöse Szenen abgeben konnte. Corot unterbrach sein Studium häufig, unternahm ausgedehnte Streifzüge in die Natur, suchte in der Umgebung von Paris und Rouen, im Wald von Fontainebleau und im lieblichen Ville d’Avray, wo die Familie ein Landhaus besaß, nach Motiven. Früh wurde seine deutliche Neigung zur Landschaftsmalerei offenbar. Über seine Studienzeit urteilte er ganz lapidar: „Zuerst war ich Schüler von Michallon. Nachdem ich ihn verloren hatte, trat ich ins Atelier von Victor Bertin ein. Dann warf ich mich ganz allein auf die Natur, und das ist alles.“

Corot, von Herkunft und Denken weit mehr ein Mann der Tradition als der Neuerung, hielt es zunächst auch auf seinem Ausbildungsweg mit den tradierten Gepflogenheiten; seit Dürer war die Studienreise nach Italien mehr und mehr zum festen Bestandteil künstlerischer Ausbildung geworden. So reiste auch Corot im Herbst 1825 aus Paris ab und traf im Dezember in Rom ein. Dort, wo seit 1666 als Niederlassung der Académie des Beaux Arts die Académie de France à Rome als Lehrstätte und Hort der offiziellen französischen Kunst bestand, begegnete er vor allem Landschaftern der neoklassizistischen Richtung, wie Guillaume Bodinier oder Francois Edouard Bertin. Anders, als viele Berufsgenossen vor ihm, zog es Corot nicht zu den Meisterwerken antiker oder klassischer Kunst. Er fand während der drei Jahre (1825-28) seines Rom-Aufenthalts nicht einmal den Weg in die Sixtina vor Michelangelos gigantische Fresken. Er sah sie erst während seines dritten Italien-Aufenthalts 1843. Ihm bot die Landschaft alles, was er zum Malen nötig hatte: das unmittelbare Naturerlebnis mit seiner unerschöpflichen Vielfalt und Wandelbarkeit im Spiel von Licht, Luft und Farbe. In jenen Jahren in Rom schuf er das Fundament seines Lebenswerks. „So überzeugter Realist ist Corot kaum je wieder gewesen… Manches der allerersten Zeit grenzt an das Topographische“

Mit nahezu vedutenhafter Detailtreue erschießt sich sein Blick auf das Forum Romanum (1826, Paris, Louvre) dem Betrachter. Diese für sein Frühwerk so charakteristische Art des genauen Aufzeichnens (in einer Tagebuchnotiz gegen Ende seines ersten Rom-Aufenthalts formulierte er sein Credo: „Il ne faut laisser d’indécision dans aucun chose…“) soll bei den klassisch geschulten und technisch versierten Stipendiaten der Académie de France spöttische Heiterkeit ausgelöst haben. Im Café Greco, Roms Künstlertreff, witzelte man über seinen Fleiß. Hingegen erkannte Théodore Caruelle d’Aligny (1798-1871), ein früherer Atelierkamerad aus der Zeit bei Bertin, Corots Talent; nun wurde der Jüngere dem Älteren zum Mentor. Gemeinsam arbeiteten sie dort, wo auch die deutschen, englischen und dänischen Malerkollegen bevorzugt ihre Studien trieben, in der römischen Campagna, in Olevano, La Cervara, Subiaco, Civita Castellana. „So unzählig sind die Motive in der Umgegend Roms und verblüffend mannigfach… es war, als suchte er möglichst viele Formen in sich aufzunehmen, um daraus nachher eine Einheit zu bilden. Tatsächlich hat er aus mancher Landschaft der ersten römischen Zeit ein viertel Jahrhundert später die Szene zauberischer Feste geschaffen“ , zum Beispiel aus jener Parklandschaft mit Kolosseum im Hintergrund, sein im Salon von 1851 so erfolgreiches Gemälde Morgenfrühe. Tanz der Nymphen, mit dem er einen Bildtypus schuf, der ganze Fälscherwerkstätten in Frankreich und Südrussland angesichts einer überaus regen Publikumsnachfrage florieren ließ.

„C’est comme un Corot!“ Dieser Ausruf als Ausdruck tiefen Ergriffenseins oder gar Entzückens stammt von Pablo Picasso. Bernhard Geiser beschrieb so beschrieb er die Szene, die ihn hervorgerufen hatte: „… Picasso nahm auf einem schmalen Steinsockel Platz und schaute unverwandt über den Fluss nach der Altstadt. Es lag noch kein Schnee auf den Dächern, aber an den Bäumen und Sträuchern hatte sich Frost angesetzt. Ein dünner Nebel lagerte in geringer Höhe über den hochragenden Häuserzeilen und umwob ganz leicht die Spitze der Kathedrale. Schon versuchten wärmende Sonnenstrahlen den weißen Schleier zu durchdringen und auf einmal standen die flusswärts gelegenen Häuserfronten in einem milden, zauberhaften Licht. Picasso war wie gebannt. „C’est comme un Corot!“, entfuhr es seinem Munde. Nun wusste ich, dass ihm Bern gefiel.“

Corots unbestrittener Rang als Meister der Stimmungs-Landschaft in der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts rührt zweifellos von Bildern dieser Art her, die weniger durch die Wahl eines bestimmten, pittoresken Landschaftsausschnitts, sondern vor allen durch den ganz eigentümlichen atmosphärischen Reiz anrühren, der von ihnen ausgeht. Sie begründeten seine etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts wachsende Beliebtheit. Viele mögen instinktiv Corots eigener Empfehlung zum Umgang mit seinen Bildern gefolgt sein, wenn er sagt: „Um in meine Malerei hineinzukommen, muss man wenigstens Geduld haben zu warten, bis sich der Nebel verzieht. Man kommt nur langsam hinein, aber wenn man einmal drin ist, muss einem wohl sein, denn meine Freunde bleiben alle drin.“

Der unnachahmlichste und zugleich am meisten imitierte Landschafter des 19. Jahrhunderts in Frankreich (die Zahl der Fälschungen geht in die Tausende!), den George Besson neben Eugène Delacroix, Honore Daumier, Gustave Courbet und anderen zu den Wegbereitern der modernen Kunst zählte, war ein künstlerischer Außenseiter, er stand quer zu allen Richtungen, war „so unabhängig, wie es kaum jemand in seinem Jahrhundert gab, Cézanne inbegriffen.“ Anders als beispielsweise bei Courbet oder Daumier fehlen in Corots Werk durchweg deutliche Zeitbezüge; er scheint, unberührt von den bewegenden historischen Ereignissen und auch von den heftigen Kunstkämpfen seiner Zeit, gestützt durch sein Lebensmotto „Confiance et Conscience“, seinen eigenen Weg gesucht und gefunden zu haben. Für die Entwicklung der Landschaftsmalerei sind Corots empfindungsreiche, wahrheitsgetreue, den Licht- und Farbwerten nachspürenden Naturstudien von bleibender Bedeutung – die Impressionisten verdanken ihm nicht wenig. In seiner Salonkritik von 1845 bemerkte Baudelaire: „A la tête de l’école moderne du paysage se place Monsieur Corot“ und betont zugleich, dass Corots Einfluss in der Landschaftsmalerei der jüngeren Generation sichtbar sei.

Eine der Wirklichkeit verschriebene Auffassung von der landwirtschaftlichen Arbeit ist in den Bildern des Franzosen Jean-François Millets entstanden. Auf dem Pariser Salon von 1848 debütierte er mit seinem ersten Bauernbild, dem Kornschwinger. In drastischer Gegenwehr zu den verklärten Ausführungen der Bauernromantik gab er zu verstehen: „...es soll nur niemand glauben, dass man mich zwingen kann, den Bauerntypus zu idealisieren.“ Millet wusste, wovon er sprach, denn als Sohn eines Bauern kannte er das alltägliche beschwerliche Bauernleben nur allzu gut. Idealisierende, dieses Dasein verklärende Darstellungen wollte er nicht vertreten und sind dementsprechend bei ihm auch nicht anzutreffen. Die gebeugte Haltung und der betont gekrümmte Rücken, die die Arbeit der Menschen mit sich bringt, wirken in seinen Bildern beinah paradigmatisch und durchziehen sein gesamtes Œuvre.

Millet ließ sich in den 1840er Jahren in Barbizon nieder und malte einfach das, was ihn dort umgab. Sein Bild Die Ährenleserinnen zeigte eine alte Sitte: Den Armen war es gestattet, nach der Ernte die auf den Feldern verbliebenen Rest aufzusammeln. Millets traurige Schilderungen des Alltags auf dem Land und die Gegensätze zwischen Arm und Reich stießen in der Fachwelt der Kunst auf viel Kritik. Als Thema für ein Ölbild kamen Bauern nach Meinung der meisten elitären Experten höchstens in der Genremalerei in Frage. Die Darstellung von einfacher Arbeit ins Zentrum eines Gemäldes zu rücken und zudem die einfachen Tätigkeiten der bäuerlichen Bevölkerung, verstieß in Frankreich gegen alle Konventionen.

Dem Bewirtschaften der Felder, insbesondere dem Einholen der Ernte, gestand Millet, gerade nach seinem Umzug nach Barbizon im Jahr 1850, eine spezielle Bedeutung in seinen Bildern zu. Diese Verbindung des arbeitenden Menschen zur Natur wird in der Forschungsliteratur oftmals als eine „heilige Beziehung“ betitelt und gleichzeitig wird versucht, die dem Bild inhärente Religiosität zu ermitteln. Auch noch lange nach Millets Lebzeiten kann den 1857 entstandenen Ährenleserinnen der „Rang eines tief verehrten Heiligenbildes“ abgelesen werden. Im Laufe der Geschichte hat sich dieses Werk zum Arbeitsbild par excellence entwickelt. Die Menschen finden bei ihm besondere Beachtung und werden von Millet durch die Komposition, die Mimik und einer teils heroischen Darstellung überhöht. Exemplarisch sind hier Der Sämann von 1850 als auch der Mann mit der Haue von 1863 zu nennen. In Letzterem hat Millet die Anstrengung der Arbeit, die schon mit Schmerzen verbunden scheint - die Haltung des Mannes ist erstarrt und sein Gesicht verzerrt - wohl am deutlichsten herausgestellt, was zur Folge hatte, dass die öffentliche Kritik vernichtend ausfiel. Dass diese Art der Malerei politische Tendenzen offenbaren und sie ihm den Vorwurf einbringen würde, Sozialist zu sein, war sich Millet durchaus bewusst. An seiner künstlerischen Ausrichtung änderte dieses jedoch nichts. Dem Milletschen Bildtypus folgten, wenn auch in teils abgeschwächter Form einige französische Maler wie Jules Breton, Jules Bastien-Lepage und Léon L’Hermitte.

Als „Vater des Realismus“ hingegen ist nicht Millet sondern sein Landsmann Gustave Courbet in die Kunstgeschichte eingegangen. Der gänzlich sozialistisch motivierte französische Maler prägte als Erster den Begriff des Realismus. Courbet sprach er sich bewusst gegen den allgegenwärtigen und kunstbeherrschenden Idealismus aus und proklamierte für sich selbst, dass er nur noch das darstellen werde, was er sehen und anfassen kann. In seiner Thematik war Courbet nicht so eingeschränkt wie Millet, da auch Landschaften und Porträts zu seinen Bildmotiven gehörten. Die Arbeit als zentrales Thema des Realismus war jedoch auch bei Courbet von erheblicher Relevanz.

Die sichtbare Wirklichkeit möglichst naturgetreu abzubilden war auch das Ziel Courbets. Er äußerte sich in einem Brief aus dem Jahre 1861 über den Realismus und die von ihm abgelehnte Historienmalerei folgendermaßen: „Ich halte auch dafür, daß die Malerei ihrem Wesen nach eine konkrete Kunst ist und einzig in der Darstellung der wirklichen und vorhandenen Dinge bestehen kann.“

Courbet stammte aus einer ländlichen Gegend in Lothringen und blieb seiner Herkunft thematisch treu. Im Jahre 1839 zog er nach Paris, wo er auch an Salonausstellungen teilnahm. Zunehmend gerieten seine Werke dort jedoch in die Kritik. Courbet schuf ein Selbstportrait, in dem er hemdsärmelig durch ein Feld marschiert, er zeigte die Dorfbewohner seines Heimatortes Ornans bei einem Begräbnis und bezeichnete das Werk, sich über die etablierten Gattungsgrenzen hinwegsetzend, als Historienbild, wobei es eigentlich als Genrebild hätte eingeordnet werden müssen. An der Akademie galt das Malen von realistischen Bildern als schlichtes Abmalen ohne größeren Wert. Der Skandal war vorprogrammiert, umso mehr, als Courbet gerne auf monumentalen Leinwänden arbeitete.

Gustave Courbet, der die realistische Kunst als Selbstbehauptung der Persönlichkeit gegen die akademische Tradition verstand, und sich über seine Vorreiterrolle hinsichtlich dieser Einstellung bewusst war, formulierte dazu: „Der Kernpunkt des Realismus ist die Verneinung des Ideals (…) Bis heute hat dies noch kein Künstler entschieden zu äußern gewagt (…) Indem ich das Ideal so wie alles ablehne, was daraus folgt, gelange ich zur vollen Selbstbefreiung des Individuums bis hin zur Verwirklichung der Demokratie.“. Courbet sieht also die Kunst als Selbstverwirklichung des Individuums, das sich von dogmatischen, hierarchischen Gefügen und einem institutionalisierten Regulativ abgrenzt, und dabei auf ein selbstgewisses Originalgenie setzt. Darüber hinaus wird seine Forderung deutlich - die Kunst mit demokratischen Aufgabenstellungen zu füllen.

Das Schöne, das durch romantisierende Bestrebungen für Courbet vergeblich dargestellt wird, weil es nicht wahr, nicht real gegeben ist, findet er in der Wirklichkeit der Natur mit ihren verschiedensten Erscheinungsformen. Wenn dabei in der Kunst eine Einbildungskraft eine Rolle spiele, dann nur in dem Maße „den vollständigsten Ausdruck einer vorhandenen Sache zu finden, niemals aber darin, diese Sache selbst zu setzen oder zu erschaffen.“ Demnach ist das Schöne, das die Natur hervorzubringen vermag, höher zu bewerten als alle Konventionen, denen ein Künstler verpflichtet zu sein glaubt. Wie die Wahrheit ist das Schöne abhängig von der Zeit, in der man lebt, und vom Individuum, das Kraft seines Wahrnehmungsvermögens, seiner Auffassungsgabe imstande ist, es zu begreifen.

Durch die unmittelbare Gegenwart motiviert, solle das Ergebnis des künstlerischen Schaffensprozesses sich wieder in diese Gegenwart einfügen: „Imstande zu sein, die Sitten, die Vorstellungen, das Gesicht meiner Epoche nach meinem Dafürhalten zu übertragen, nicht nur Maler, sondern auch ein Mensch zu sein – mit einem Wort, lebendige Kunst zu machen, das ist mein Ziel.“ Diese Auffassung Courbets, dass der Künstler in erster Linie ein gewöhnlicher Mensch und kein herausgehobenes Sonderwesen sein solle, stand diametral zur damals verbreiteten Kunstauffassung. Der Ansatz der Individualität des Künstlers, und in diesem Zusammenhang die Ablehnung jeglicher Lehrunterweisung in der Kunst, findet sich an anderer Stelle wider, wo Courbet jegliche Lehrtätigkeit in einem Atelier ablehnt: „Da ich glaube, dass jeder Künstler sein eigener Meister sein muß, kann ich nicht daran denken, mich zum Lehrer aufzuwerfen , (…) denn ich lehne den Kunstunterricht ab.“

Das 1849 entstandene Werk Die Steinklopfer, das der Maler 1851 in Paris ausstellte, kann als richtungsweisendes Werk für seinen Realismus angesehen werden. Die zwei, unter der prallen Sonne, schuftenden Arbeiter in einem Steinbruch, darunter ein Kind und ein alter Mann, lösten in der Kunstöffentlichkeit Entrüstung aus. Einige Besucher versuchten gar, das auffällig großformatige Bild zu beschädigen. Die Anstrengung und Ärmlichkeit und nicht zuletzt die Belastung der Schwachen der Bevölkerung waren Aspekte, die Courbet in seinem Werk verband und in dieser Form dem bourgeoisen Kunstpublikum präsentierte. Das Unverständnis, das Courbet in Paris entgegengebracht wurde, nahm ein Jahrzehnt später in Deutschland einen analogen Verlauf. Auf der Münchner Internationalen Kunstausstellung von 1869 kritisierte die Kunstkritik Courbets Steinklopfer umfassend und warf ihm die „Verherrlichung des Arbeiterstandes“ vor. Die Frage, ob diese Arbeiter überhaupt ein Recht auf Bildwürdigkeit hätten, stand in Frankreich und später auch in Deutschland im Mittelpunkt der Diskussion. Die Ausstellungsbesucher waren derartig drastische Schilderungen und Darstellungen nicht gewohnt, was in erster Linie den vorherrschenden idealisierenden und euphemistischen Bildern geschuldet war. Durch diese Konditionierung des Kunstpublikums überrascht es auch nicht, dass die Wirklichkeit der Realisten nicht anerkannt wurde, sondern vielmehr der Eindruck und der Vorwurf entstanden, sie würden gesellschaftliche Zustände dramatisieren und die abgebildeten Menschen absichtlich hässlich malen.

Sein Gemälde Der Ursprung der Welt aus dem Jahre 1866 war skandalträchtig für die damalige Zeit. Das Bild zeigt eine Nahsicht der behaarten Vulva einer liegenden, nackten Frau mit gespreizten Schenkeln. Der Rest des Körpers ist, mit Ausnahme des Bauches und einer Brust mit Brustwarze, nicht abgebildet. Die naturalistische Darstellung des unverhüllten weiblichen Geschlechts im Zentrum des Bildes wird durch die weichen Linien des seidenartigen Stoffes, der den Körper der Frau zum Teil verhüllt, noch unterstrichen. Der braune Bildhintergrund steht im Kontrast zu der hellen, gleichsam glänzenden menschlichen Haut im Bildvordergrund.

Gustave Courbet malte „Der Ursprung der Welt“ 1866 als Auftragsarbeit für den türkischen Diplomaten und Kunstsammler Halil Şerif Paşa, auch als Khalil Bey bekannt, der neben anderen Aktbildern Courbets auch „Das türkische Bad“ von Jean-Auguste-Dominique Ingres besaß. Unklar ist, wer die Abgebildete war. Hierfür kommt neben der Geliebten von Khalil Bey vor allem Joanna Hiffernan in Frage, welche Courbet mehrfach als Aktmodell zur Verfügung stand. Während Khalil Bey die anderen Aktbilder seiner Sammlung in seinem Salon auch Besuchern zeigte, hielt er das Bild „Der Ursprung der Welt“ vor Gästen verborgen. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten musste Khalil Bey 1868 seine Kunstsammlung versteigern.

„Der Ursprung der Welt“ ging zunächst an den Antiquitätenhändler Antoine de la Narde. Als Edmond de Goncourt das Bild 1889 in dessen Laden entdeckte, war es hinter einer Abdeckung aus Holz versteckt, die mit dem 1874–1877 entstandenen Bild „Le château de Blonay“ dekoriert war. Der Holzrahmen dieser Darstellung einer Schneelandschaft mit Kirche ließ sich nur mit einem Schlüssel öffnen, wodurch das Bild „Der Ursprung der Welt“ dahinter neugierigen Blicken verborgen blieb.

Der ungarische Sammler Baron Ferenc von Hatvany kaufte das Bild „Der Ursprung der Welt“ 1910 von der Pariser Galerie Bernheim-Jeune und brachte es nach Budapest. Dort verblieb es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Aufgrund der jüdischen Herkunft seiner Familie lagerte Hatvany 1942 die wertvollsten Bilder seiner Kunstsammlung in verschiedenen Budapester Banktresoren ein. Das Bild „Der Ursprung der Welt“ deponierte er unter dem Namen seines nichtjüdischen Sekretärs János Horváth, wodurch es von den deutschen Besatzern unentdeckt blieb. Nachdem 1945 russische Truppen die Banktresore geöffnet hatten, gelangte „Der Ursprung der Welt“ zunächst auf den Budapester Schwarzmarkt. Von einem Händler gelang es Hatvany 1946, das Bild für 10.000 Forint zurückzuerwerben. Da er das Bild bei seiner Emigration nach Paris 1947 nicht mitnehmen konnte, schmuggelte es kurze Zeit später Claire Spiess nach Frankreich, die Frau seines Neffen. Hier zeigte Hatvany das Bild 1949 dem Kunsthändler Fritz Nathan.

1955 kaufte der Psychoanalytiker Jacques Lacan das Original aus unbekannter Privathand. Er und seine Frau, die Schauspielerin Sylvia Bataille, hängten es in ihrem Landhaus in Guitrancourt auf. Aber auch dort wurde es den Blicken der Öffentlichkeit entzogen: Lacan bat seinen Schwager André Masson, ihm einen verschiebbaren Doppelrahmen dafür zu bauen, der vorn ein anderes Gemälde zeigte. Masson malte daraufhin eine Landschaft, die exakt der Linienführung des Originals folgte. Um den Surrealismus dieser Version zu verstärken, trug es denselben Namen („L’Origine du monde“). Erst mit Lacans Tod 1981 tauchte das Bild wieder auf und gelangte zunächst wieder nach Frankreich. Im Brooklyn Museum in New York City wurde es 1988 erstmals öffentlich präsentiert. Seit 1995 ist es im Musée d’Orsay in Paris ausgestellt.

„Der Ursprung der Welt“ als Bildbezeichnung verweist auf die Doppelnatur des weiblichen Geschlechtsorgans: einerseits als Objekt der sexuellen Begierde und Eingang der Vereinigung, andererseits als Ausgang der Geburt, von wo aus jedes Kind zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt. Insofern ist der Unterleib der Frau der Ursprungsort des Menschen, der jegliche Welterfahrung erst möglich macht. In diesem übertragenen Sinn stellt das Bild den „Ursprung“ alles Existierens, Wahrnehmens und Gestaltens der menschlichen Welt dar. Der Titel wurde vielfach als metaphysische Anspielung aufgefasst. Der Mensch ist in dieser Perspektive der Ursprung der geordneten „Welt“ (monde), im Gegensatz zu der wilden Ursprünglichkeit der „Erde“ (terre). Ist der Mensch Daseinsgrund eines die „Erde“ transzendierenden und beherrschenden Netzes von sozialen Ordnungen und Ortungen, so ist der weibliche Schoß im Wortsinn der „Ursprung der Welt“.

Die „Polarität von Welt und Erde“ diente der deutschen Mystik als Manifestation des Gegensatzes von „Geistig-Seelischem“ und „Physisch-Materiellem“. Die Welt gründet sich auf die Erde und die Erde durchragt die Welt. Der Begriff „Welt“ steht dabei für die „Unverborgenheit des Seienden“ (Aletheia). „Erde“ ist das „zu nichts gedrängte Hervorkommen“ des „ständig Sichverschließenden und Bergenden“. Diesen „Streit zwischen Welt und Erde“, den Martin Heidegger 1936 als „Ursprung des Kunstwerks“ bezeichnen sollte, scheint hier bereits angelegt. Die „Welt“ gilt als Daseinsgrund von „Wahrheit“ und „Wirklichkeit“, der Mensch erscheint somit als deren „Ursprung“. Auch auf die Unverborgenheit des Seienden und Werdenden im Sinne der Aletheia (griech. Wahrheit) könnte die Explizitheit der Darstellung anspielen. Solche verborgenen Motive und Referenzen waren es, die Courbet interessant für die Psychoanalyse machten. Der Doppelcharakter des „Ursprungs“ – einerseits als Ziel aller Sehnsucht, andererseits als Beginn des Lebens.

Die Enthüllung des weiblichen Schoßes als Ursprung der Welt lässt sich in mehrere Richtungen ausdeuten: Bild und Titel können als Erinnerung an den Urzustand vor dem „Sündenfall“, als Adam und Eva nackt waren, ohne sich dafür zu schämen, aufgefasst werden. Nach dieser Lesart will Courbet dem Betrachter den Sinn seiner Menschlichkeit, sein triebhaftes Angewiesensein auf den Anderen, wieder nahebringen. Die Vulva als Enthüllung des Ursprungs aller Dinge kann wiederum große Verehrung für die unverstellte Sexualität ausdrücken. In direkter Schlichtheit wird der Betrachter auf das Wesentliche hingewiesen: Der Zustand vor allem Wissen, aller Reflexion, vor aller Entzweiung und Fremdheit scheint in der sexuellen Vereinigung mit dem dargebotenen Körper zum Greifen nahe. Die Persönlichkeit der Frau – ihr „Gesicht“ – bleibt dem Auge jedoch entzogen. Das Bild wirkt daher wie eine Einladung zum reinen Geschlechtsakt.

„Idealistischer“ Titel und „realistisches“ Bildmotiv stehen unverkennbar in Spannung zueinander. Bei jeder möglichen Deutung – das weibliche Geschlecht als Ort der Lust, Ausgangspunkt des Lebens oder Hinweis auf den Zustand paradiesischer Unschuld – ist der „Ursprung der Welt“ entgegen seiner vordergründigen Enthüllung kein unmittelbar greifbares Objekt. Das Bild zeigt nicht das, was der Titel verspricht: Es ist sinnlich, emotionserregend, konkret in Bezug auf seinen Gegenstand. Es beabsichtigt keine Veranschaulichung eines Begriffs oder einer allgemeinen Abstraktion. Das Spannungsverhältnis zwischen Titel und Gegenstand soll eventuell von der Skandalwirkung des Bildes ablenken und diese mildern: Dann hätte der Titel „verhüllende“ Funktion entgegen dem „enthüllenden“ Inhalt. Andererseits kann die Spannung zwischen Bildtitel und Bildinhalt dessen skandalisierende Wirkung noch verstärken: Der Titel enthält einen universalen Anspruch, lässt eine philosophische oder religiöse Reflexion auf die Gesamtheit der Natur erwarten und regt diese an. Der Inhalt konfrontiert den Betrachter dann tatsächlich mit der Natur: aber eben seiner eigenen, unmittelbaren „Fleischeslust“ und sinnlichen Welterfahrung.

Der Schockeffekt ist vom Maler beabsichtigt: Courbet sah sein ganzes Wirken als Protest gegen überkommene künstlerische Konvention und Dogmatismus. Er suchte diese mit seinen Bildern zu sprengen. Gerade als reine Pornographie hätte das Bild diese Wirkung kaum erzielt. Courbet hat sein Bild so gemalt, dass den Betrachtern gleichfalls ein Blick begegnet. Die halb geöffnete Vulva erblickt den Blick des Betrachtenden, sie blinzelt ihn an. Die Konfrontation mit der konkreten Realität der menschlichen Sexualität ist das offensichtliche Thema des Bildes. Es galt schon zu Lebzeiten Courbets als Wendepunkt in der Geschichte der Malerei und machte nicht nur wegen des anstößigen Motivs in den Pariser Salons die Runde. Danach wurde es – auch weil es niemand mehr zu Gesicht bekam – zu einem Mythos. Die Geschichte seines Verstecktwerdens zeigt, dass es die Tabugrenzen der Kunst verschob.

Auch seit seiner Wiederentdeckung und erstmaligen Ausstellung rief das Bild teilweise heftige Reaktionen hervor. In Feuilletons und Debatten wurde immer wieder der Vorwurf der Pornographie laut: Die Grenzen der Kunst schienen hier überschritten worden zu sein. Die unverhüllte Darstellung der Vulva löst auch heute noch heftige Reaktionen beim Publikum aus. Im Musée d’Orsay wurde deswegen ein Wachmann mit der permanenten Bewachung nur dieses Kunstwerkes beauftragt. So gehören Bildmotiv und das, was unsichtbar-sichtbar außerhalb des Rahmens stattfindet, untrennbar zusammen: Das unverhüllte Geschlecht und die Verhüllung, mit der es umgeben wurde, aber auch die erneute Enthüllung ohne die vorherige Abdeckung zeigen die Aussagekraft des Bildes und gehören zu seiner Wirkung.

Ein Bild mit einem ähnlichen Motiv, das allerdings nicht so heftige öffentliche Diskussionen auslöste, war Die Frau in den Wellen. Courbet zeigt dem Bild Die Frau in den Wellen eine junge Frau, wiedergegeben als Halbakt, badend im Meer. Der Körper fällt zur rechten Seite hin. Sie hat sehr helle, durchscheinende Haut. Die welligen rotbraunen Haare hat die Frau am Hinterkopf hochgesteckt, während ihr ein paar wellige Strähnen ins Gesicht fallen. Die hoch erhobenen Arme kreuzen sich über dem Kopf. Das Wasser scheint um ihren Körper etwas heller, hier treffen die kleinen Wellen des graublauen Wassers auf den Körper und werden durch die vermehrte Sauerstoffeinbettung schaumiger. Die Stimmung wirkt düster, da die Sonne kurz vor dem Untergang steht, am Horizont der rechten Bildhälfte ist der letzte Rest der Abendröte erkennbar, zudem ein weit entfernt fahrendes Boot. Auf der linken Seite ist im Hintergrund ein hoher, die gesamte Seite einnehmender Felsen zu erkennen.

Das Bild gehört zu einer Serie von Aktbildern, die Courbet in den Jahren zwischen 1864 und 1868 schuf, bekanntestes Werk aus der Reihe ist heute Der Ursprung der Welt. Ausgelöst wurde Courbets Vorliebe für Akte durch den Erfolg Alexandre Cabanels mit seinem Bild Die Geburt der Venus, den er beim Pariser Salon 1863 erreichte, zudem durch weitere Erfolge von Aktbildern weiterer Akademiemitglieder. Bei Die Frau in den Wellen ist wie in dieser Zeit sehr häufig Joanna Hiffernan das Modell. Das Bild zeichnet sich einerseits durch großen Realismus aus, andererseits rückt es Thema und Ort auf eine mythologische Ebene. Die Badende wirkt wie die aus dem Schaum geborene Göttin Venus, auch das weit entfernt fahrende Boot hebt das Bild in eine mystische Ebene. Durch den Realismus untergräbt Courbet die Vorstellungen der Zeit und handelt den eigentlichen Sehgewohnheiten zuwider. Die wie echt wirkende Haut und die Wiedergabe von Achselhaar entspricht nicht der Tradition, aus der das Motiv eigentlich kommt und in der es dennoch unverkennbar steht.

Waren auch die Venusdarstellungen anderer Maler kaum mehr züchtig verhüllt, ist Courbets Badende eine unverkennbar freizügige Aktdarstellung, die gewollt sinnlich wirken und durchaus auch provozieren sollte. Ebenfalls 1868 zeigt Courbet ein ähnliches Motiv, bei dem er sein Modell in ähnlicher Pose, aber als liegenden Ganzkörperakt darstellt. Courbet verkaufte das Gemälde 1873 an den Kunsthändler Paul Durand-Ruel, der es 1875 an den Bariton Jean-Baptiste Faure weiter veräußerte. Durand-Ruel erwarb das Bild im Januar 1893 von Faure zurück und verkaufte es noch im selben Monat an den amerikanischen Zuckerfabrikanten Henry Osborne Havemeyer und seine Frau Louisine W. Havemeyer.

Als zwei der von ihm für die Weltausstellung in Paris vorgesehenen Bilder von der Jury abgewiesen wurden, veranstaltete Courbet parallel zum großen Ereignis seine eigene Ausstellung. Unter dem Titel Le Réalisme zeigte er in einem Schuppen nahe des Ausstellungsgeländes seine monumentalen Werke, darunter das Gemälde Das Atelier des Malers. Dieses Bild versah er mit dem aussagekräftigen Titel: „Das Innere meines Ateliers, eine wirkliche Allegorie, die sieben Jahre meines Lebens als Maler darstellt“. Auf dem Bild sind auf dreieinhalb mal sechs Metern sind in einem großen Raum Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten versammelt. Courbet bezeichnete dies mit den Worten: „Die Welt, die zu mir kommt, um sich malen zu lassen.“. Im Zentrum des Bildes sitzt der Künstler vor einer großen Leinwand, auf der er eine Landschaft verewigt hatte. Trotz vieler Kritik wurde Courbet zugleich Anerkennung entgegen gebracht: Emil Zola lobte seinen Stil und verglich den Künstler gar mit Größen wie Veronese, Rembrandt und Tizian. Schließlich wurde Courbet entgegen vielerlei Kritik für sein Werk ausgezeichnet. Auch Wilhelm Leibl, ein Münchner Akademieschüler, war von Courbets Schilderung begeistert. Leibl selbst war mit seinem naturalistischen „Bildnis der Frau Gedon“ aufgefallen. Aus dem Treffen der beiden Künstler entstand eine Sympathie aufgrund ähnlicher Kunstauffassungen. Courbets Darstellungsstil nahm Einfluss auf die künstlerische Entwicklung Leibls, der seine Karriere schließlich in Paris fortsetzte.

Nach Courbets Ausstellung setzte sich die Bezeichnung Realismus für die ungeschönte Wiedergabe der Wirklichkeit durch. Courbets Kunstauffassung schlägt sich in folgendem Zitat nieder: „Sie (die Kunst, M.L.) ist eine ganz und gar körperliche Sprache, die sich anstelle von Worten aus allen sichtbaren Dingen zusammensetzt; ein abstraktes, nicht sichtbares, nicht vorhandenes Ding hat im Bereich der Malerei nichts zu suchen.“

Paul Delaroche zeigte 1824 zeigte im Salon die Bilder «St Vincent de Paule, Préchant devant La Cour de Louis XIII, pour les Enfans Abandonées» und «Jeanne d'Arc, malade, est interrogée dans sa prison par le cardinal de Winchester», die große Anerkennung fanden und ihn mit einem Schlag bekannt machten. In den folgenden Jahren stellte er La mort d'Elisabeth Ire (Der Tod Elisabeths), Les Enfants d’Édouard (Die Kinder König Eduards), Charles Ier insulté par les soldats de Cromwell (Karl I., von den Soldaten Cromwells verhöhnt), Cromwell au cercueil de Charles Ier d'Angleterre (Cromwell in Betrachtung von Karls I. Leichnam), La mort de Lady Jane Grey (Die Hinrichtung der Jane Grey), L'Assassinat du duc de Guise (Die Ermordung des Herzog von Guise) und weitere großformatige Gemälde aus, die Ereignisse vorwiegend der englischen und französischen Geschichte in dramatischer Überhöhung zeigten, oft emotional aufgeladen durch Blick, Mimik und Gestik der Protagonisten. Seine offenkundige Bevorzugung von Hinrichtungsthemen Hochadliger wurde von Zeitgenossen teilweise auch verspottet.

Im Kontext der damaligen Situation aber, noch stark unter dem Einfluss der traumatischen Ereignisse der Französischen Revolution, der Napoleonischen Kriege und der fortgesetzten Umstürze stehend, verstand sein Publikum die Motive als Sinnbilder der aktuellen politischen Unsicherheit. Ein thematischer Einfluss waren auch die Werke Lord Byrons. 1832 folgte er als mit 35 Jahren jüngstes Mitglied auf den Sitz des verstorbenen Charles Meynier an der Académie des Beaux-Arts. Bald darauf begann er an der École des beaux-arts zu unterrichten. 1837 begann er mit der Arbeit an einem monumentalen Wandgemälde von 27 Meter Länge im Halbrund des Prüfungssaales der École des beaux-arts, in dem auch die Preisverleihungen stattfanden. In der Art von Raffaels Schule von Athen stellte er 75 Maler, Bildhauer und Architekten aller Epochen, die damals als Kanon der bildenden Künste angesehen wurden, gruppenweise in Gespräche vertieft, dar. Dabei zeigte er sie anachronistisch, in der für ihre jeweilige Zeit typischen Kleidung. In der Mitte des Freskos befinden sich Allegorien der Künste und der Kunstepochen. Das Werk beendete Delaroche 1841. 1838 und 1843 unternahm er erneut Reisen nach Italien. 1849 bereiste er Deutschland. Er befand sich in seinen letzten Lebensjahren auf dem Gipfel des Ruhms, 1853 wurde er in einer italienischen Kritik als der bedeutendste der lebenden Maler eingeschätzt.

Paul Delaroches Arbeiten zeigten noch klar den klassizistischen plastischen Ansatz seiner Lehrmeister, aber auch deutliche Einflüsse der Romantik. Sein Pinselstrich ist im Gegensatz zu etwa Delacroix kaum auszumachen, die Konturen sind betont. Delaroche arbeitete sehr akurat, er bereitete seine Arbeiten intensiv vor, zum Beispiel indem er an Wachsmodellen den Schattenwurf überprüfte. Bei der Wahl der Motive ging es nicht unbedingt um die historische Genauigkeit, sondern um geeignete Szenen für die intensive Darstellung der Emotionen. Meist bildete er den Moment unmittelbar vor oder nach einem Ereignis ab. Zum Teil konstruierte er Situationen, wie bei dem Verhör der Jeanne d'Arc durch den Kardinal von Winchester, das es so gar nicht gegeben hatte. Auch die Hinrichtungsszene von Jane Grey im Tower ist ahistorisch, sie fand in Wirklichkeit unter freiem Himmel statt. In seinen letzten Lebensjahren wand er sich zunehmend religiösen Themen und Portraits, auch seiner Familienmitglieder, zu. Zu den von ihm porträtierten Persönlichkeiten gehörten die Politiker und Schriftsteller François Guizot, Alphonse de Lamartine, Charles de Rémusat, Narcisse-Achille de Salvandy und Adolphe Thiers.

Der Maler Thomas Couture gewann Anfang der 1840er Jahre hohes Ansehen, da er die Eleganz der Zeichnung, die der klassischen französischen Schule eigen war, mit einem erhöhten Reiz der Farbe und Schwung der Darstellung zu verbinden wusste; man stand nicht an, ihn als französischen Veronese zu bezeichnen und an sein Auftreten die Hoffnung auf die Entstehung einer großen koloristischen Schule zu knüpfen. Sein Hauptwerk Die Römer der Verfallszeit, das im Salon von 1847 einen Triumph feierte wie kaum je das Werk eines französischen Malers zuvor, wirke ebenso sehr durch die großartige Bravour der Zeichnung wie durch das Kolorit, dessen gedämpfte Glut mit dem Stoff des Bildes harmoniert. Diesem Bild gingen noch einige andere Werke des Meisters voraus, die dieselben Ideen und Vorzüge, wenn auch noch nicht in gleicher Entfaltung, zeigen; so Der junge Venezianer nach einer Orgie, Der verlorene Sohn, Die Liebe zum Gold (gemalt 1844, im Museum von Toulouse) und Der Triumph der Kurtisane.

Sehr bekannt wurde 1855 Der Falkner; doch habe Couture nach seinen Römern der Verfallszeit nichts Bedeutenderes mehr geleistet. Seine Wandmalereien in der Pfarrkirche St-Eustache de Paris, dem Leben der Maria entnommen, seien inhaltlos und manieriert. Dagegen veranlasste seine virtuose Technik einen großen Zulauf von Schülern, auch aus Deutschland, sodass er besonders in den 1850er Jahren ein sehr gefragter Meister war. Zu seinen Schüler gehörten Puvis de Chavannes, William Morris Hunt, Anselm Feuerbach, Édouard Manet, Marcellin Desboutin und der spätere Journalist und Politiker Antonin Proust.

Im Vergleich zu der progressiven Hinwendung zur realistischen Abbildung in Frankreich, kann die Kunstentwicklung in Deutschland gar als reaktionär bezeichnet werden. Hier stellten noch vornehmlich akademisch ausgebildeten Künstler aus und der rigorose Realismus einer solchen Courbetschen Bildsprache schien zunächst noch nicht aufzukommen. Während die Künste zu Beginn des Jahrhunderts noch Gegenstand aristokratischen Interesses waren, wurde der Kunstbetrieb jedoch in dessen Verlauf einem Wandel unterzogen, der diesen drastisch modifizieren sollte. Besonderen Anteil an dieser Entwicklung hatte die aufstrebende Schicht des Bürgertums, die Interesse am Kunstleben zeigte und an diesem partizipieren wollte. Dieses Interesse hatte die Gründung einer Reihe von Kunstzeitschriften sowie die Entstehung zahlreicher Künstlerbiografien und Kunstabhandlungen zur Folge. Neben der intellektuellen Wissbegierde entwickelte sich auch der Wunsch, eigene Kunst zu besitzen, sodass ein durchaus solventes Publikum verstärkt auf den Kunstmarkt drängte. Um Künstler und Kunstinteressenten zusammenzubringen und Kontakte zwischen ihnen herzustellen, wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Kunstvereine gegründet sowie mehrere permanente Ausstellungen ins Leben gerufen.

Charles Lebrun war ein französischer Maler, Architekt, Ornamentzeichner, Hofmaler (1662), Direktor der Gobelin-Manufaktur sowie Rektor und Kanzler der Académie royale de peinture et de sculpture. Er leitete die Arbeiten zur Ausstattung der Schlösser Vaux-le-Vicomte und Versailles und war einer der bedeutendsten und prägendsten Künstler des Stiles Louis XIV.

Le Brun entstammte einer Bildhauerfamilie, die wahrscheinlich schottischen Ursprungs war. Sein Vater Nicolas Le Brun (gestorben 1648) unterrichtete seinen Sohn in den Grundlagen der Bildhauerei und des Zeichnens. Charles wandte sich wie seine Brüder Nicolas (1615−1660) und Gabriel (1625−1660) jedoch nicht dem väterlichen Beruf zu, sondern der Malerei, in der er einiges Talent zeigte.

Eine Federzeichnung des 13-Jährigen, die Ludwig XIII. zu Pferde darstellte, machte den Kanzler Ségnier (teilweise auch Séguier) auf Le Brun aufmerksam. Ségnier erkannte das Talent des Jungen, nahm ihn bei sich auf und ließ ihm eine Ausbildung angedeihen. Dabei studierte Le Brun 1632 Malerei bei Francois Perrier, genannt der Burgunder, und 1634/1637 bei Simon Vouet, bei dem er sich vor allem an der Antikensammlung und der Sammlung italienischer Meister in Schloss Fontainebleau schulte.

Bereits 1638 war er Peintre du Roi („königlicher Maler“) und erhielt erste Aufträge von Kardinal Richelieu, der von den Werken des jungen Künstlers sehr angetan war.

Sein Gönner Ségnier ermöglichte es Le Brun 1642 nach Rom zu gehen um dort bei Poussin, der ihn sehr freundlich aufnahm, zu studieren. Zusätzlich erhielt Le Brun von Ségnier eine Pension von 200 Ecus. In Rom zeichnete er besonders nach den antiken Skulpturen, widmete sich aber auch den Werken Carraccis, Raffaels und Guido Renis, die einen starken Einfluss auf Lebruns späteres Schaffen hatten. Als er 1646 nach Frankreich zurückkehrte war er dort durch seine in die Heimat geschickten Arbeiten längst berühmt und erhielt so in der Folgezeit mannigfache Aufträge zur Ausgestaltung von Privathäusern wie etwa dem Hotel Lambert in Paris (Herkulessage, Pan und Bacchus), aber auch für Altar- und sonstige Kirchengemälde.

1648 war er Mitbegründer der Académie royale de peinture et de sculpture, der er zeitlebens verbunden blieb. Ab 1657 wurde Nicolas Fouquet, Surintendant des Finances sein Gönner und stattete ihn mit einer Rente von 12.000 Livres aus. Le Brun wurde Leiter der Fouquet'schen Tapisserie-Manufaktur in Maincy und begann ab 1658 mit der Ausschmückung von Fouquets Schloss Vaux-le-Vicomte, was ihn mit Louis Le Vau und André Le Nôtre bekannt machte. Jules Mazarin führte ihn 1660 bei Hofe ein, worauf er für den König mit der Ausführung des Alexanderzyklus, einer Gemäldeserie, die Stationen aus dem Leben Alexanders des Großen darstellt, begann und für die Königin-Mutter Anna ein Gemälde für deren Andachtsraum schuf.

Mit dem gewaltsamen Sturz Fouquets durch den König 1661 wechselte das Künstlerdreigestirn von Vaux-le-Vicomte geschlossen in die Dienste der Krone über und realisierte für diese gemeinsam viele Projekte. In Colbert fand Le Brun nun einen neuen Gönner, der ihm zu einem schier kometenhaften Aufstieg verhalf: 1662 wurde Le Brun in den Adelsstand erhoben und zum Premier Peintre du Roi, dem höchsten offiziellen Maleramt, ernannt. Ein Jahr darauf, 1663 wurde er zum Garde général der königlichen Sammlungen (etwa Generalintendant) berufen und erhielt auf Betreiben Colberts die Direktion der Manufacture Royale des Tapisseries et Meubles de la Couronne (Die staatlichen Kunstwerkstätten und Manufakturen, die neben Gobelins und Möbeln auch diverse andere Kunstgegenstände produzierten), für die er zahlreiche Entwürfe machte und deren Ausführung er dann überwachte. 1666 begründete er die Außenstelle der Akademie in Rom, 1668 wurde er Rektor und Kanzler der Akademie. 1677 begleitete er den König auf dessen Flandernfeldzug (gegen spanische Besitzungen).

Währenddessen erfolgten zahlreiche Arbeiten in Schlössern, so die Ausschmückung der Apollo-Galerie (ab 1661), der Spiegelgalerie (1679) und der Großen Gesandtentreppe (Grand Escalier des Ambassadeurs, 1674/1678) in Versailles, die Ausschmückung von Schloss Marly (1683/1686) sowie die Dekoration von Colberts Schloss Sceaux (1670/1674).

Le Brun war auf dem Höhepunkt seiner Karriere der unangefochtene Kunstpatron − mancher meinte schon Kunstdespot −, als am 6. September 1683 Colbert starb. Der Tod seines Gönners bereitete dem Aufstieg des Künstlers einen jähen Abbruch: zwar wurde er nicht vom König fallen gelassen, doch wandte sich die königliche Gunst nunmehr, vor allem auf Betreiben von Louvois, dem Nachfolger Colberts, Mignard zu, der von Louvois protegiert wurde.

Kaum ein anderer Künstler hatte einen Kunststil so geprägt wie Le Brun den Stil Louis XIV. Vor allem die große Breite seines Schaffens, neben Gemälden und Innendekoration auch zahlreiche Entwürfe für Tapisserien wie etwa aus Aubusson und für sonstige Zierornamentik, ermöglichte ihm diese weitreichende Einflussnahme. Le Brun, der an den italienischen Meistern geschult war, hinterließ ein Werk, das für die folgenden Generationen französischer höfischer Kunst in seiner Stringenz und gravitätischen Würde immer wieder beispielhaft war. Gerade mit der zunehmenden Verspieltheit des Dekors im 18. Jahrhundert, besann sich die Kunstdebatte der Zeit zurück auf das Grand siècle (das „große Jahrhundert“ unter Ludwig XIV.), dessen Kunstproduktion als die „wahre französische Kunst“ idealisiert.

Nicolas Poussin (15.6.1594-19.11.1665) war ein französischer Maler des klassizistischen Barock, der vom König wegen seiner künstlerischen Fähigkeiten sehr geschätzt wurde.[52]

Im Jahre 1612 siedelte er nach Paris über, das das künstlerische Zentrum Frankreichs dieser Zeit war. In den königlichen Kunstsammlungen studierte er Werke von Raffael und Tizian. Er fühlte sich vor allem der spätmanieristischen Schule von Fontainebleau hingezogen.[53] Die Schule von Fontainebleau ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Künstlern und für den von ihnen vertretenen Manierismus, die vom 16. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts vom Schloss Fontainebleau, der bevorzugten Residenz des französischen Königs Franz I., ausging. Wurde Die Schule von Fontainebleau entwickelte sich zu einem Zentrum für die Verbreitung der Ideenwelt der Renaissance und der Kunst des Manierismus im nördlichen Europa. Die zweite Schule von Fontainebleau in den Jahren 1590-1620, zu der Ambroise Dubois aus Antwerpen und die Pariser Toussaint Dubreil, Antoine Caron und Martin Fréminet sowie eine Reihe anonymer Künstler zählten, verzichtete auf religiöse Malerei und bevorzugte stattdessen Themen aus der griechischen und römischen Mythologie, darunter auch erotische und sexistische Sujets.[54]

Einer seiner Förderer war der italienische Dichter Giambattista Marino, der Poussin für die griechische und römische Mythologie, insbesondere für die Metamorphosen Ovids begeisterte. Poussin fertigte für Marino 16 Federzeichnungen zu den Metamorphosen Ovids bzw. seinem Epos L’Adone, wo Marino in Versen die Liebesgeschichte von Venus und Adonis nachzeichnete, an.Ab 1624 hielt Poussin sich hauptsächlich in Rom auf. Er fand dort Anschluss an den Kreis um den Bildungsphilister und Mäzen Cassiano dal Pozzo. Dal Pozzo gehörte zu einem Kreis von adligen Kunstsammlern, Gelehrten, Buchhändlern und Verlegern, die sich für die Antike, die Wissenschaften und die zeitgenössische Kunst interessierten. Ab 1623 war er Sekretär des Kardinals Francesco Barberini, eines Neffen Papst Urbans VIII.. Poussin studierte antike Kunstwerke auch in dal Pozzos Sammlung und Archiv. Dies führte dazu, dass er sich in der Folgezeit auf Bilder in kleineren Formaten mit mythologischen, religiösen, politischen und historischen Themen auseinandersetzte. Dal Pozzo selbst gab 40 Bilder bei Poussin in Auftrag; darunter die berühmten Sieben Sakramente und das Berliner Selbstbildnis. Wahrscheinlich im Auftrag des Kardinals Francesco Barberinis malte Poussin sein erstes aufsehenerregendes Werk, den „Tod des Germanicus“.

Der „Tod des Germanicus” ist wahrscheinlich das eindrucksvollste Historienbild Poussins.[55] Die an der klassischen Antike erinnernde Haltung der Figuren, die Harmonie der Posen und Linien mit den altertümlichen Gewändern und Rüstungen vor einer klassischen Architekturkulisse verleiht der Sterbeszene Erhabenheit und Realismus. Poussin galt spätestens seit diesem Bild als Schöpfer der ins Ideale und Erhabene gesteigerten klassischen Landschaften, in denen in antike Gewänder gehüllte bekannte Figuren in Natursituationen mit klassischen Bauten erscheinen. Anschließend entsteht das Bild „Triumpf der Flora“ für einen Kardinal. Danach lebt Poussin von Aufträgen für Altarbilder. Mitte der 1630er Jahre entstehen die „Anbetung des Goldenen Kalbes“ und der „Raub der Sabinerinnen“ im klassizistischen Stil.[56]

In Frankreich schaffte Poussin durch drei von Kardinal Richelieu bestellte Bilder „Triumph des Pan, des Bacchus und des Neptun“ seinen künstlerischen Durchbruch. 1641 kehrte Poussin auf Druck des französischen Königs Ludwig XIII. und des Kardinals Richelieus nach Paris zurück. Ludwig XIII gab Poussin den Posten des Direktors der Ausstattung der königlichen Bauten und beauftragte ihn mit der Ausmalung der Grande Salle im Louvre und mit Entwürfen für die Teppichweberei. Für Richelieu malte er das allegorische Bild „Die Zeit entzieht die Wahrheit den Angriffen des Neides“. Poussin konnte sich aber mit seiner Rolle und seinen Aufgaben am königlichen Hof nicht anfreunden. Seine herausragende Stellung erweckte den Neid anderer Künstler, was für heftige Spannungen sorgte. Dies führte dazu, dass Poussin bereits im Herbst 1642 Paris verließ und kehrte nach Rom zurückkehrte.Ende der 1640er Jahre entwarf Poussin die mythologischen Landschaften Pyrymus und Thisbe sowie Orpheus und Eurydike.

1665 bekam er eine Nachricht vom französischen König Ludwig XIV., dass er als Erster Maler Frankreichs ausgezeichnet wurde. Kurz danach verstarb er und wurde in der Kirche San Lorenzo in Lucina beigesetzt. Seine detaillierte Kenntnis antiker Quellen war die Voraussetzung dafür, dass in seinen Bildern die Figuren, Architektur, Gegenstände und Landschaften quasi originalgetreu wiedergegeben wurden. Poussin verwendete bevorzugt unvermischte Lokalfarben, die seinen Bildern Intensität und Reinheit verliehen.

Poussin war ein Anhänger des Stoizismus, dessen Ideen über Tod, Leben und das Ausgeliefertsein der Menschheit an eine höhere Macht er in seinen Werken zum Thema machte. Die Tatsache, dass er sich im Zeitalter des Barocks an der Kunst der Antike orientierte, führte dazu, dass er in der Kunstgeschichte bevorzugt als Maler des Barock-Klassizismus eingeordnet wurde.[57] Die beiden Bilder der arkadischen Hirten gehören mit zu den bekanntesten Werken Poussins.[58]

Die schwer zugängliche Landschaft Arkadien auf dem Peloponnes galt schon in der Antike als glücksseliges ruhiges Hirtenland. Das von Theokritos in den Eidyllia verherrlichte sizilianische Bauerntum wurde von Vergil auf die griechische Landschaft Arkadien auf dem Peloponnes übertragen. Für Vergil war Arkadien das Ursprungsland der Dichtung und der Musik.[59] Der Realismus des Hirtenlebens in den Gedichten von Moschos und Bion von Smyrna weicht einer Verklärung und Idealisierung desselben als ein idyllisches und sorgenfreies Leben.

In der Zeit des Hellenismus wurde die Zuschreibung erweitert; Arkadien war nun auch der Ort des Goldenen Zeitalters, wo die dort lebenden Menschen unbelastet von schwerer Arbeit und Kriegen naturverbunden als glückliche Hirten wohnten.[60] Ohne dass jemand eine exakte Vorstellung über Arkadien entwickelte, galt das Land als Symbol für die Schilderung eines idyllischen Landlebens.

Zwischen Mitte des 15. und dem Beginn des 17. Jahrhunderts griff die Literatur in Europa den Sehnsuchtsort Arkadien auf. Mindestens 100 verschiedene Phantasien des mythischen Hirtenlandes sind allein in Italien überliefert. Größere Berühmtheit erlangten die volkssprachlichen Schäferdichtungen Jacopo Sannazaros Arcadia aus dem Jahre 1502. Konstituierend für das Genre und von großer Wirkung auf die gesamteuropäische Produktion wurde aber Jorge de Montemayors Diana aus dem Jahre 1559. Nach seiner Ausbreitung vor allem in Großbritannien und Italien erreichte das Genre mit Honoré d´Urfés L´Astrée (1607-1627) in Frankreich einen Höhepunkt.

Die griechische Landschaft Arkadien wurde in der Renaissance und im Barock zum Symbol für das Goldene Zeitalter, wo die Menschen als freie Hirten im Einklang mit der Natur lebten und sich der Ruhe, der Dichtung, der Musik und der freien Liebe hingaben. Hier diente Senecas Vorstellung vom Goldenen Zeitalter als Orientierungspunkt.[61] Laut Seneca gab es ein Goldenes Zeitalter, wo das eine Grundübereinstimmung zwischen der äußeren Natur und dem Menschen bestand. Die Natur stellte dem Menschen das zur Verfügung, was seinen wahren Bedürfnissen entspricht. Dieser Zustand änderte sich erst, als die Habsucht und die widernatürliche Begierde nach Überflüssigem aufkamen und die Genussgier den Anreiz zu Erfindungen bot. In Senecas Tragödie Medea ist die mythische Argonautenfahrt der Ausdruck des menschlichen Strebens nach Beherrschung des Meeres durch die Seefahrt, deren Einführung das Ende des urzeitlichen Einklangs von Mensch und Naturordnung markiert.

Noch heute gibt es eskapistische Darstellungsmuster, die Arkadien als Ort mit einem glücksseligen einfachen Leben gleichsetzen. Vor allem in der Ökologiebewegung seit 1980 wurde das Motiv Arkadiens wieder rezipiert.

Das erste Bild zu dem Satzfragment „Et in Arkadia ego“ entwarf um das Jahr 1620 der italienische Maler Guernico. Die Inschrift „Memento mori“ ist auf einem Mauerstück geschrieben, auf dem ein Totenkopf liegt. Der Totenkopf, der mit den beiden Hirten den Mittelpunkt des Bildes ausmacht, ist als Symbol für die Vergänglichkeit zu verstehen. Die Inschrift mahnt die Hirten inmitten der idyllischen Landschaft an den Tod, der jedes glückliche Leben einmal beendet.[62]

In zwei Gemälden mit dem Titel „Die Hirten von Arkadien“ griff Poussin die Thematik auf und entwickelte sie durch Eingriffe in die Komposition wesentlich weiter. Die entscheidendste Veränderung Poussins ist, dass er das Mauerstück durch einen Sarkophag ersetzt.

Poussin malte zwei dem Bild Guernicos ähnliche Fassungen.[63] Das erste Bild mit der Grabinschrift „Et in Arkadia ego“ entstand um 1630. Dort werden zwei Hirten und eine Schäferin gezeigt, die auf die Inschrift an einem Sarkophag mit Totenschädel gestoßen sind. Im Vordergrund ist ein Flussgott zu sehen, der durch Arkadien fließt. Das zweite Bild mit demselben Titel und derselben Grabinschrift entstand vermutlich zwischen 1650-1655.

Das Bild ist geometrisch aufgebaut und vermittelt eine viel positivere Stimmung als das erste. Die Inschrift „Et in Arkadia ego“ befindet sich nicht mehr auf einem Sarkophag, sondern auf einem schlichten Monument. Diesmal werden drei Hirten und eine Frau in einem prunkvollen Gewand abgebildet. Poussin betrachtet sie einzeln, es ist keine Gruppe mehr. Über Kreuz treten sie Figuren in Verbindung und scheinen miteinander zu kommunizieren. Sie betrachten die Inschrift, wo der Totenkopf fehlt. Der Arm eines knienden Hirten wirft einen sensenförmigen Schatten auf die Inschrift, wobei die Sense als Symbol des Todes gedeutet werden kann. Im zweiten Bild wird in einer symbolischen Ebene der Tod analog der Wirklichkeit gesetzt; die Präsenz des Todes inmitten eines idyllischen Lebens wird Teil der Realität gesehen.[64]

Das Schöne, wie von Platon in den Enneaden als ewig, unwandelbar und zeitlos dargestellt, wird von Poussin als vergänglich demaskiert. Die beiden Bilder mit den arkadischen Hirten werden kontrovers diskutiert. Johannsen bemerkt: „Es ist die mit der Benennung der Dinge und mit der Reflexion einsetzende Bewusstwerdung des Menschen, die Poussin (…) malt; der Verlust der Unschuld, auch die Vertreibung aus dem Paradies. Einmal ihrer selbst bewusst, vom Tod wissend, werden die Hirten nie mehr nach Arkadien zurückkehren können, es nicht mehr finden.“[65]

Alf Hermann hat folgenden Deutungsansatz: „Statt des Todes scheint nun der Tote zu uns zu sprechen, der hier seine ewige Ruhe gefunden hat. ‚Auch ich war in Arkadien‘ teilt er uns wehmütig mit, war also ein Mensch, der die Annehmlichkeiten des Lebens in vollen Zügen genossen hat und nun diejenigen, die noch am Leben sind, an die Vergänglichkeit ihres Aufenthalts auf Erden erinnern.“[66] Aus psychoanalytischer Sicht deuten Becht-Jördens und Wehmeier das Bild folgendermaßen: Weil der Tod selbst in Arkadien herrscht, seine Herrschaft also keine Grenzen kennt, herrscht auch die Malkunst dort und überall da, wo er am Werk ist. Denn er bzw. das Bewusstsein seiner unausweichlichen Realität sei es, weswegen der Mensch der Kunst und des Trostes bedürfte, den sie aufgrund ihrer Befähigung zur Repräsentanz des Abwesenden gewährt.[67]

Es gab eine breite Rezeption von Poussins arkadischen Hirten mit der Inschrift „Et in Arcadia ego“Schillers Gedicht „Resignation“, das 1787 abgedruckt wurde, beginnt mit den Worten „Auch ich war in Arkadien geboren“. Carl Wilhelm Kolbes Werk aus dem Jahre 1801 trug den Titel „Auch ich war in Arkadien“, zwischen 1834 und 1838 schrieb Joseph von Eichendorff eine Erzählung mit dem gleichnamigen Titel. Ingeborg Bachmann schrieb 1952 einen Roman mit dem Titel „Auch ich habe in Arkadien gelebt“. Das 2. Streichquartett von Moritz Eggert aus dem Jahre 1997 nannte sich „Et in Arcadia ego“.[68]

Poussin galt bis ins 20. Jahrhundert als einer derbedeutendsten Maler der französischen Barockzeit. Nachfolgende Künstler wie Cezanne, Picasso, Francis Bacon und Lüpertz beschäftigten sich intensiv mit seinen Werken. Die Beschäftigung Cézannes mit Poussin lässt sich mit dem berühmten Ausspruch Cézannes „refaire Poussin sur nature“ und „eine Kunst wie die der Museen“[69] gut charakterisieren. Dies bedeutet keine Rückkehr zum Klassischen der alten Kunst“ beschreiben. Durch ein intensives Studium der Werke Poussins entwickelte Cézanne Erkenntnisse für das eigene „in seiner Originalität durchaus voraussetzungsloses Schaffen“.[70] Diese Rückbesinnung auf alte Traditionen geht jedoch von der Gegenwart aus und will diese weiterentwickeln. Machotka fasst zusammen:„But for Cézanne classicism meant not a return to tradition, but the logical expression of his sensation, inspired by the systematic methods of earlier artists.“[71] Eine große Poussin-Ausstellung im Louvre im Jahre verlieh ihm posthum erneutes Prestige und erneuerte die Auseinandersetzung mit seinen Werken und Ideen.

Ludwigs Bewunderung galt auch der Schule von Fontainebleau. Die Schule von Fontainebleau ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Künstlern und für die von ihnen geprägte Spielart des Manierismus, die vom 16. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts vom Schloss Fontainebleau, der bevorzugten Residenz des französischen Königs Franz I., ausging.

Durch das Mäzenatentum des Königs, das sich ebenso auf Literatur und Wissenschaft wie auf die Kunst erstreckte, wurde Fontainebleau zu einem Zentrum für die Verbreitung der Ideenwelt der Renaissance und der Kunst des Manierismus im nördlichen Europa.

Man unterscheidet zwei durch einen Zeitraum von etwa fünfzehn Jahren getrennte unterschiedliche Epochen. Die Künstler der ersten Phase stammten alle aus Italien. Sie werden unter dem Namen Erste Schule von Fontainebleau zusammengefasst. Die Künstler der Zweiten Schule von Fontainebleau, die bis in das frühe 17. Jahrhundert tätig waren, kamen in der Regel aus Frankreich oder Flandern.

Franz I. hatte durch die Invasion Frankreichs in Italien zwischen 1494 und 1499, durch die Werke der Kunst, der Buchkunst, der Literatur und der Wissenschaften nach Frankreich gelangten, Kenntnisse von der Blüte der italienischen Kultur. Nach seiner Thronbesteigung war er bestrebt, seinen Machtanspruch in Europa durch eine glanzvolle Residenz, vergleichbar den Höfen in Florenz, Mantua oder Mailand, zu unterstreichen. Er lud neben humanistischen Gelehrten renommierte italienische Maler und Architekten nach Frankreich ein, neben dem alten Leonardo auch Michelangelo, der dem Ruf nach Frankreich jedoch nicht folgte, die Architekten Vignola und Serlio oder den Goldschmied Cellini, der in Fontainebleau seine berühmte Saliera für den König herstellte. Diese Künstler verweilten aber nur kurz in Frankreich, ohne dauerhafte Spuren zu hinterlassen.[72]

Folgenreich war jedoch 1531 die Ankunft von Rosso Fiorentino, der bis zu seinem Tod im Jahre 1540 in Fontainebleau bleiben sollte. Rosso Fiorentino war ein italienischer Maler des Manierismus.[73]

Über die Anfänge Rossos als Maler gibt es nur wenige gesicherte Daten. Eine der wichtigsten zeitgenössischen Quellen über ihn ist das 1550 erstmals erschienene Buch Le Vite de' più eccellenti architetti, pittori et scultori italiani von Giorgio Vasari. Vasari ordnet ihn keinem der möglichen Lehrmeister zu, da seine Werke denen potentieller Lehrer widersprächen. Wahrscheinlich wurde er zusammen mit Pontormo von Andrea del Sarto ausgebildet. Am 26. Februar 1516 wurde Rosso Fiorentino Mitglied der Malerzunft von Florenz.

Der Künstlername Rosso Fiorentino bezieht sich auf die roten Haare des Künstlers.Eins seiner ersten gesicherten Werke stammt aus dem Jahr 1517, eine Auferstehung, die noch stark an del Sarto und Pontormo orientiert ist und die Handschrift Rossos noch nicht erkennen lässt. Die Entwürfe für ein Altarbild Madonna mit Kind und Heiligen für das Hospital S. Maria Nuova in Florenz befremdeten seine Auftraggeber, denen die Heiligen eher wie Teufel vorkamen. Auch die Heiligen, die Madonna und Kind in der schließlich ausgeführten Fassung umgeben, entsprechen nicht einer überkommenen Norm. Johannes der Täufer, das übliche haarige Gewand mit einer blauen Seidenschleife gegürtet, ist in leichte, weißseidene und rosafarbenen Gewänder gekleidet. Er wird einem ausgemergelten, vergeistigten Hieronymus gegenübergestellt, dessen überlange Gliedmaßen und zartgliedrige Hände graziös in Szene gesetzt sind. 1521 hielt sich Rosso in Volterra auf.

Von überwältigender Theatralik ist seine Kreuzabnahme für die dortige Kathedrale, sowohl was die obere, erregt um den Leichnam Christi kreisende Gruppe betrifft als auch die um das Kreuz versammelte Gruppe von sechs Personen, bei denen er alle Abstufungen von Trauer und Schmerz durchspielt. In der leuchtenden Farbigkeit dieser Bilder zeigt sich noch Rossos Nähe zu Pontormo.

Im folgenden Jahr ging er nach Arezzo und 1523 nach Rom, wo er bis 1527 tätig war. Rosso war beeindruckt durch Michelangelo, dessen Werke er aufmerksam studierte und die ihre Spuren in Rossos Bildern hinterlassen haben. Das Bild Moses und die Töchter des Jethro von 1523 ist ohne Michelangelos Aktdarstellungen nicht denkbar. Das Gleiche gilt für das für Kardinal Lorenzo Tornabuoni gemalte Bild Der tote Christus mit den fackeltragenden Engeln, das auch Ergebnisse von Rossos Antikenstudium zeigt.[74]

Durch den verhängnisvollen Sacco di Roma im Jahr 1527 verlor Rosso Werkstatt, Vermögen und Auftraggeber. Wie viele seiner Kollegen verließ er die Stadt, um sich neue Mäzene im nördlichen Italien zu suchen, so in Citta di Castello, Perugia, Borgo Sansepolcro, Arezzo und Venedig.

1530 reiste er auf Einladung des Königs an den Hof Franz I. in Fontainebleau, den er 1531 erreichte. Dort war er in den nächsten zehn Jahren bis zu seinem Tod tätig. Er hatte den Status eines Hofmalers und wurde 1532 mit dem Amt eines Kanonikus an der Sainte Chapelle ausgezeichnet. Rosso hat Frankreich nicht mehr verlassen.

Der König hatte das mittelalterliche Schloss umbauen und erweitern lassen. Bei der Ankunft Rossos war der Bau fertiggestellt, und Rosso wurde mit der Innenausstattung beauftragt. Sein Hauptwerk ist die Galerie, die erste dieser Art in einem französischen Schloss. Der langgestreckte Raum ist mit Bildern und weißer Stuckplastik ausgestattet, die einem komplexen und schwer zu deutendem Programm folgen. Typisch für den Manierismus in Fontainebleau ist die Verknüpfung von Malerei, Skulptur, farbintensiven Ornamenten, Holzschnitzereien und Rollwerk, von Historiengemälden und mythologischen Bildern.

1532 rief Franz I. den bei Giulio Romano in Mantua tätig gewesenen Maler Primaticcio nach Fontainebleau, der eng mit Rosso zusammenarbeitete und nach dessen Tod die Arbeiten an der Innenausstattung fortsetzte. Rosso und Primaticcio gelten als Begründer der Ersten Schule von Fontainebleau.

Rosso pflegte seine Gemälde in Zeichnungen vorzubereiten, von denen aber nur noch wenige erhalten sind. Seine Werke wurden durch Stiche von Cherubino Alberti, Gian Giacomo Caraglio, René Boyvin und anderen verbreitet. Der Begriff Schule von Fontainebleau wurde zum ersten Mal 1818 verwendet, um die graphische Produktion aus Fontainebleau, deren Blätter häufig nicht signiert sind, zu kennzeichnen und zusammenzufassen.

1532 folgte ihm Primaticcio, der Frankreich bis auf kurze Reisen nach Italien im Auftrag des Königs ebenfalls nicht mehr verlassen hat. Als dritter dieser Erste Schule von Fontainebleau genannten Gruppe kam 1552 Nicolò dell’Abbate aus Bologna hinzu, den Heinrich II. auf Bitten Primaticcios engagiert hatte.

Hauptaufgabe dieser Künstler war die glanzvolle Ausstattung von Fontainebleau mit Bildern, Fresken, Skulpturen, Reliefs, Stuckarbeiten, Ledertapeten und Bildteppichen. Rossos Hauptwerk ist die bis heute gut erhaltene Galerie François Ier, die erste ihrer Art in Frankreich, die in den Jahren 1531 bis 1540 gestaltet wurde. Nach dem Tod Rossos führte Primaticcio die Arbeiten in Fontainebleau weiter. Das von ihm eingerichtete Schlafzimmer des Königs ist jedoch vollständig zerstört, vom Salon der Herzogin d'Estampes sind nur Fragmente erhalten. Sein Mitarbeiter und späterer Nachfolger Niccolo dell’Abbate stattete den Ballsaal und die Galerie des Ulysses aus, die 1697 abgerissen worden sind. Die Innenausstattung der zerstörten Räume ist allerdings durch zahlreiche erhaltene Teppiche, in denen die Bildausstattung der Räume kopiert wurde, zu rekonstruieren.[75]

Wegen der Religionskriege von 1584 bis 1595 und der Nachfolgefrage nach dem Tod des letzten Valois Henri III. wurden die Arbeiten unterbrochen, da das Schloss verlassen worden war.

Während der Regierung von Henri IV. wurde das Schloss umfassend restauriert. Der König lud flämische und französische Künstler nach Fontainebleau ein, die mit dem Namen Zweite Schule von Fontainebleau als Künstlergruppe bezeichnet werden.[76] Zu diesen zählen Ambroise Dubois aus Antwerpen und die Pariser Toussaint Dubreil, Antoine Caron und Martin Fréminet sowie eine Reihe anonymer Künstler, die üblicherweise mit Notnamen bezeichnet werden. Dubreuil malte den 1703 zerstörten Pavillon des Poésies aus. Von Fréminet stammt die Ausstattung der Dreifaltigkeitskapelle in Fontainebleau, ausgeführt zwischen 1606 und 1616 und bis heute erhalten.[77]

Aus der zweiten Phase der Schule von Fontainebleau stammt eine Reihe von erotischen Bildern, für die hier offenbar eine besondere Vorliebe bestand.[78] Beispielhaft für diese Art Gemälde mit ihrer bis heute oft nicht vollständig entschlüsselten Ikonographie ist das Bild eines anonymen Malers Gabrielle d’Estrées mit ihrer Schwester, der Herzogin von Villars, das heute im Louvre gezeigt wird.

Typisch für Fontainebleau ist der grundsätzliche Verzicht auf religiöse Malerei, die Bevorzugung von Themen aus der griechischen und römischen Mythologie bzw. von erotischen Sujets, eine Vorliebe für Ornamente und Grotesken, für die Integration von Malerei, Skulptur und Stuck in ein Gesamtkonzept sowie bei den Figuren eine ähnliche Tendenz zur Überlängung der Gestalten wie bei den manieristischen Malern Italiens.[79] Das Besondere an den erotischen Bildern ist eine überbetonte raffinierte Erotik bei gleichzeitiger distanzierter Sprödigkeit und einem Mangel an Emotionalität und Sinnlichkeit. In der Ikonographie der Gemälde liebt man Rätsel, Verschlüsselungen und gelehrte Anspielungen und in der Ausführung bevorzugt man langgliedrige, sich kapriziös gebende Gestalten in klaren Konturen, während die Farbwirkung der Bilder häufig kühl und von gedämpfter Ausdruckskraft bleibt.

Der in Fontainebleau entwickelte Stil verbreitete sich schnell in ganz Frankreich und in Nordeuropa, während Einflüsse in Italien marginal blieben. Die Kenntnis über Skulpturen aus Fontainebleau wurde durch Repliken aus Bronze und Ton verbreitet. Wichtigste Medien dieses Transfers waren jedoch vor allem die Bildteppiche, die in der Manufaktur von Fontainebleau gewebt wurden, sowie die Kupferstiche, von denen es eine blühende Produktion gab. Von René Boyvin, der beispielsweise Rossos Arbeiten in Fontainebleau in Stichen dokumentierte, sind allein 240 Blätter erhalten, die ihm zugeschrieben werden. Ein weiterer Künstler, der die Werke der Schule durch seine Stiche verbreitete, war Gian Giacomo Caraglio.[80]

Boyvin betrieb zusammen mit Pierre Millan eine florierende Werkstatt, die nach dem Tod Franz I. ihre Tätigkeit nach Paris verlagerte. Weitere in Fontainebleau tätige Kupferstecher sind Antonio Fantuzzi, ebenso aus Bologna wie Primaticcio und seine engen Mitarbeiter, die Italiener Francesco Penni und dessen Sohn Luca, die Franzosen Léon Davent, Jean Mignon, Geoffroy Dumoustier, und Domenico del Barbiere, ein weiterer Italiener.

Der Bau des Schlosses von Versailles war Teil von Ludwigs Strategie zur Zentralisierung der Macht.[81] Ludwig XIV. vollendete die Bestrebungen der Kardinäle Richelieu und Mazarin und schuf einen zentralisierten, absolutistischen Territorialstaat. Er schwächte den Adel, indem er die Adeligen lieber zu Mitgliedern seines Hofes als zu regionalen Provinzherrschern machte. Zu diesem Zweck baute er Versailles, einen gewaltigen Palast vor den Toren von Paris, den der Hof am 6. Mai 1682 bezog. Die höfische Etikette nötigte die Adeligen dazu, immense Geldsummen für ihre Kleidung auszugeben, und ihre Zeit vor allem auf Bällen, Diners und anderen Festlichkeiten zu verbringen, die die alltägliche Routine des Hoflebens darstellten.

Ludwig XIV. soll ein fotografisches Gedächtnis gehabt haben, so dass er beim Betreten eines Saales auf einen Blick feststellen konnte, wer anwesend war.[82] Deshalb konnte kein Aristokrat, der auf die Gunst des Königs angewiesen war, seine Abwesenheit riskieren. Anstatt seine regionalen Angelegenheiten zu regeln und seine dortige Macht zu behalten, wetteiferte der Adel nun um solche trivialen Ehren wie die, dem König beim Ankleiden helfen zu dürfen. Dadurch konnte Ludwig den niederen Amtsadel fördern und Bürgerliche in Positionen einsetzen, die früher von der traditionellen Aristokratie beansprucht wurden. So ruhte die politische Macht fest in der Hand des Königs.

Man kann nicht stark genug herausstellen, dass Versailles hauptsächlich nicht als Ort für das persönliche Vergnügen des Königs diente, sondern ein politisches Machtinstrument war.[83] Durch die Bindung des Hochadels an den Hof geriet dieser nicht nur zunehmend in persönliche Abhängigkeit vom König, sondern wurde ebenso von Rebellionen und Machtkompetenzen ferngehalten. Das Schloss war mit einer Fülle von politischen Aussagen gefüllt, die jedem Besucher in der Anordnung der Räume, den Gemälden und Skulpturen, in den Gärten und Alleen begegnete. Die Sinnaussage war folgende: Der König ist der Garant für Ruhe, Ordnung und Wohlstand des Staates, der einzige Stellvertreter Gottes auf Erden und niemand kommt seiner Macht gleich.[84]

Das Schloss des Königs war ein Ausdruck der Leistungsfähigkeit Frankreichs und ein Symbol seiner Größe und Stärke. Die geordnete Natur der Parkanlagen war ein Spiegelbild der Ordnung, die Ludwig XIV. dem Land brachte.

Nachdem er als Kind die Gefahr der Fronde in Paris am eigenen Leib erleben musste, konnte sich der König nie für die französische Hauptstadt begeistern, er liebte dagegen das kleine Jagdschloss seines Vaters.[85] Dort konnte er einen angemessen repräsentativen und weitläufigen neuen Palast erbauen, der zudem so im engen Paris undenkbar gewesen wäre. Der Entschluss, den Hof 1682 aus dem Louvre und dem Tuilerienpalast hierher zu verlegen, sollte Frankreichs Geschichte für viele Jahre prägen. Hier vollendete Ludwig XIV. den Regierungsstil, den man später als Absolutismus bezeichnete. Der König wollte weitere Aufstände wie die Fronde verhindern, er schnitt die Aristokratie von ihrer alten Aufgabe der Provinzverwaltung ab und setzte Beamte dafür ein, die Mitglieder des Adels wurden dagegen an den Hof geholt. Eine mögliche Opposition aus der Ferne gegen ihn, wie sie zum Beispiel seinem Vater widerfuhr, wurde somit erschwert. Die Angehörigen des Adels wurden politisch entmachtet und im Gegenzug mit kostbaren Geschenken und prunkvollen Festen entschädigt. Der einst mächtige Hochadel Frankreichs verließ bereitwillig seine Schlösser in den Provinzen, nur wenige konnten es sich leisten, dauerhaft eigene Hofgesellschaften zu unterhalten. Um auf der Höhe der Zeit zu sein und den neuesten Moden des Hofes folgen zu können, verschuldeten sich die Aristokraten oder erhielten willkürliche Renten vom König.

Eine Wohnung in Versailles zugewiesen zu bekommen, war ein bedeutendes Privileg, das zudem die Illusion vermittelte, im Zentrum der Macht an der Regierung beteiligt zu sein. Wer zu den Logeants, den im Schloss Wohnenden gehörte, stand im Rang über den Galopins, den Kutschierenden, die Abends zurück in ihre Stadtwohnungen nach Paris mussten.[86] Innerhalb des Hoflebens übernahm die Etikette eine bedeutende Rolle, im Prinzip unbedeutende Hofämter standen symbolisch für politischen Einfluss. Lediglich bei Hofe konnten Posten, Titel und Ämter errungen werden, und wer sich vom Sonnenkönig distanzierte, lief Gefahr, Vorrechte und Rang zu verlieren. Aus diesem Grund hielt sich die Aristokratie so gut wie ständig um ihren König auf und versuchte, ihm gefällig zu sein. Das sorgte dafür, dass zeitweise mehrere Tausend Menschen zugleich das Schloss bewohnten.

Für die französische Gesellschaft bedeutete der Wandel des Zweiten Standes vom Land- zum Hofadel auf Dauer eine schwere Belastung. Von ihren alten Pflichten und Aufgaben weitgehend entbunden, fristete die Aristokratie bald ein dekadentes Dasein. Während der Dritte Stand die Steuerlast und die Arbeit zu tragen hatte, konnte – beziehungsweise musste – sich der Adel dem Müßiggang hingeben. Dieser Umstand sollte über hundert Jahre später einer der Auslöser der Französischen Revolution werden.

Nach dem Tode Ludwigs XIV. 1715 und der Regentschaft Philipp II. im Namen von Ludwig XV., der zu dieser Zeit noch ein Kind war, verließ der Hof den riesigen Palast und begab sich vorübergehend nach Saint-Cloud und ins Palais Royal. Unter den Nachfolgern des Sonnenkönigs verlor Versailles seine umfassende zentralistische Bedeutung und die Gesellschaft traf sich nun zunehmend auch wieder in den Landschlössern des Adels oder den Pariser Hôtels. Dennoch residierten auch Ludwig XV. und Ludwig XVI. in Versailles, so dass das Schloss ab 1682 nur mit kurzen Unterbrechungen fast ständig von der Königsfamilie bewohnt war. Obwohl öfter Ausflüge in die vielen weiteren Schlösser rund um Paris unternommen wurden, blieb Versailles immer Regierungssitz und Mittelpunkt des höfischen Frankreichs.[87]

Am Ende des Ancien Régime umfasste der Hofstaat rund 10.000 Personen, von denen bis zu 5.000 direkt im Schloss lebten.[88] Die eigentlichen Höflinge machten davon rund 1.000 Personen aus, hinzu kamen Kammerfrauen, Köche, Leibwachen und andere Bedienstete. Der Palast war eine Stadt unter einem großen Dach, mit Wohnungen, Arbeitsräumen und Vergnügungsstätten. Auf den Gängen und Höfen ließen sich Händler nieder. Das Schloss war fast ständig überbelegt und die Aristokratie, so sie nicht zur königlichen Familie gehörte, war zum Teil verarmt und hauste sogar in den engen Dachkammern der oberen Geschosse oder im benachbarten Grand Commun.

Victor Hugo bezeichnete das Schloss später als eine einzige Höflingskaserne.[89] Der Palast war nicht allein dem Adel vorbehalten: Zugang hatte auch das gewöhnliche Volk, die Neugierigen wurden von den Bewohnern als Voyeux bezeichnet. Je höher der Rang des Besuchers war, desto weiter durfte er in das Innere des Schlosses gelangen. Der freie Zugang zum Schloss bedeutete jedoch nicht zugleich Kontakt mit den hier lebenden Personen. Wer als Bittsteller kam oder auf ein Amt hoffte, musste offiziell bei Hofe vorgestellt werden, wozu man neben einem verbrieften Titel. üblicherweise die Fürsprache eines bereits etablierten Höflings benötigte. Als etabliert galt, wer über eines der zahlreichen käuflichen Hofämter verfügte, die, je nach Bedeutung des Amts, vom König oder dem Haushofmeister vergeben wurden.

Trotz der prunkvollen Ausstattung war Versailles ein unkomfortables Schloss. Die en filade gereihten, zugigen und hohen Räume ließen sich schlecht heizen Im strengen Winter 1709 platzten sogar Likörflaschen durch die Kälte. Die große Spiegelgalerie besaß keine Kamine, und auch das zentrale Schlafzimmer Ludwigs XIV. war so kalt, dass Ludwig XV. ein privates Schlafzimmer im Nordtrakt des Corps de Logis einrichten ließ, das er nach der Zeremonie des Coucher zum Schlafen aufsuchte und morgens rechtzeitig zum Lever wieder verließ.

Es gab, wie damals in ganz Europa üblich, im Schloss weder fließendes Wasser noch fest installierte Toiletten.[90] Man verrichtete die Notdurft in Leibstühle und Nachttöpfe, deren Inhalte von der Dienerschaft in bis zu 29 Sickergruben in der Umgebung des Schlosses ausgeleert wurden. Ludwig XVI. ließ sich Frankreichs erstes Wasserklosett mit Toilettenspülung einbauen. Das Schloss hatte wiederholt mit Ratten- und Mäuseplagen zu kämpfen und einmal jährlich begab sich der Hof nach Fontainebleau, damit der Versailler Palast in dieser Zeit von Grund auf gereinigt werden konnte. Der Körperpflege wurde im 17. Jahrhundert zwar noch kein übermäßiger Stellenwert zugeschrieben, doch bereits Ludwig XIV. ließ sich im Untergeschoss des Corps de Logis mehrere Zimmer umfassende Badegemächer einrichten. Im Laufe des 18. Jahrhunderts fanden sich auch zunehmend Baderäume in den Appartements der königlichen Familienmitglieder, während sich die übrigen Schlossbewohner weiterhin mit feuchten Tüchern und Waschschüsseln behelfen mussten.

Die Versorgung des Hofstaats mit Nahrungsmitteln und Getränken beschäftigte eine Anzahl von mehreren hundert Angestellten.[91] Die Mitglieder der königlichen Familie und Höflinge von hohem Rang wurden als commensaux, als Tischgenossen des Königs betrachtet und aus seiner Küche versorgt. Verschiedene Höflinge hatten die Verpflichtung, offene Tafeln zur Verkostung weiterer Schlossbewohner zu halten, andere Hofangestellte erhielten für ihre bouche eine finanzielle Entschädigung, mussten sich um die Versorgung allerdings selbst kümmern. Die Mahlzeiten stammten zum Teil aus den Wirtshäusern in der Umgebung des Schlosses, zum Teil aus selbst organisierten Küchen, von denen sich im Laufe der Zeit immer mehr in den Höfen und unter den Dächern des Schlosses einfanden.

Das Leben bei Hof bedeutete Verzicht auf Privatsphäre.[92] Die Königsfamilie nahm selbst gewöhnliche Mahlzeiten vor Publikum ein und auch die Niederkünfte der Königinnen waren innerhalb der Hofgesellschaft traditionell öffentliche Ereignisse – so sehr, dass Marie Antoinette während der Geburt ihres ersten Kindes in Lebensgefahr geriet, als sich zu viele Menschen in ihrem Schlafzimmer aufhielten.[93] Schon unter den Vorgängern des Sonnenkönigs gab es strenge Riten zur Verherrlichung der französischen Herrscher, doch um das Schloss Versailles und Ludwig XIV. wurde eine beispiellose Abfolge von Zeremonien entwickelt. Die Etikette regelte und beschrieb jeden Vorgang, von großen Festlichkeiten und Empfängen bis hin zu so alltäglichen Dingen wie dem Mittagsmahl.

Auch für den Fall von Krankheit und Tod gab es vorgeschriebene Regeln, und als Ludwig XV. 1774 im Trianon an den Pocken erkrankte, wurde er eilig ins Versailler Schloss gebracht, um dort unter den Augen des Hofs zu sterben.[94] Die Bedeutung dieses Systems kann heute nicht mehr annähernd nachvollzogen werden. Dem König widerfuhr eine nahezu göttliche Verehrung und entrückte diesen, durchaus beabsichtigt, vom Volk und unterstrich seine übergeordnete Stellung. Dem König zu dienen bedeutete, Frankreich zu dienen. Ihm beim Aufstehen, beim Lever behilflich zu sein, ihm einfach nur das Wasser oder das Hemd zu reichen, galt als allergrößte Ehre, die über Aufstieg und Fall bei Hofe entscheiden konnte. Ob man in der Gegenwart des Königs stehen, sitzen oder sprechen durfte und selbst durch welche Tür man sein Schlafzimmer betrat, war ein für alle Anwesenden sichtbares Zeichen des eigenen Rangs.

Die Etikette galt nicht nur im Umgang mit dem König, sondern auch für jeden Herzog, jeden Prinzen, jeden Höfling. Das Protokoll regelte den Umgang miteinander und wies jedem Mitglied des Hofs einen für alle sichtbaren Platz innerhalb dieser Gesellschaft zu. Das uralte System der höfischen Etikette wurde auch unter den Nachfolgern des Sonnenkönigs kaum verändert.

Das tägliche Leben Ludwigs XIV. vollzog sich weitestgehend in der Öffentlichkeit inmitten eines großen Hofstaates, der alles in allem rund 20.000 Personen umfasste. Unter die vornehme, adelige Hofgesellschaft mischten sich in den weiträumigen Schlossanlagen Besucher, Schaulustige und zumeist eine beträchtliche Zahl von Bittstellern. Im Prinzip stand jedem Untertan das traditionelle Recht zu, dem König Bittgesuche (placets) zu überreichen.[95]

Neben der offensichtlichen Zurschaustellung von Luxus und Reichtum diente das Schloss auch einer subtileren Darstellung des Ruhms und der Macht des Königstums. Die unter Ludwig XIV. angelegten Staatsräume und Säle verherrlichen den Sonnenkönig. Die Dekoration des Stucks und die Themen der Gemälde sind auf seine wirtschaftlichen und politischen Erfolge abgestimmt und künden von seinen Feldzügen und Siegen. Eine große Rolle nahmen außerdem die römische und die griechische Mythologie ein, mit deren Motiven die oberen Gesellschaftsschichten des 17. und 18. Jahrhunderts wohlvertraut waren.

Die Mythologie wurde als Gleichnis eingesetzt und Ludwig XIV. wiederholt als Gott Apollon dargestellt, was der Hofgesellschaft zahlreiche Interpretationen ermöglichte. Die Darstellung als antiker Gott der Sonne und des Lichts verlieh Ludwig XIV. zudem die Aura eines mystischen, höchsten Wesens, ohne zugleich mit der Kirche in Widerspruch zu geraten – denn den Rang des Königs mit dem christlichen Gott gleichzusetzen, war auch im absolutistischen, aber immer noch katholisch geprägten Frankreich unmöglich und wäre einem Sakrileg gleichgekommen. Der Vergleich mit Apollon dagegen bekräftigte seinen Ruf als Sonnenkönig.

Obwohl der französische Hauhaltsplan immense Ausgaben für das Schloss vorsah, war das Geld in Versailles immer knapp und die Bauphasen konnten nur in den Friedenszeiten zwischen den Reunionskriegen vorangetrieben werden.[96] Nachdem der Pfälzische Erbfolgekrieg ausbrach, musste Ludwig XIV. 1689 sogar das berühmte Silbermobiliar der Spiegelgalerie verkaufen und einschmelzen, um somit die Kriegsausgaben zu bestreiten. Viele geplante Bauvorhaben, wie der oben beschriebene Umbau der Stadtfassaden, konnten aus Kostengründen nicht in Angriff genommen werden. Fast alle Aufträge wurden ausgeschrieben, Voranschläge unbedingt eingehalten und die Armee in Friedenszeiten zu Bauarbeiten herangezogen. Was den meisten Betrachtern als unglaublicher Luxus erschien, war in Wirklichkeit so kostengünstig wie nur möglich gebaut, was zur Folge hatte, dass die Kamine oft nicht zogen, die Fenster nicht richtig schlossen und das Leben dort im Winter sehr unkomfortabel war.

Bereits zwischen 1661 und 1663 waren mehr als 1.500.000 Livres für das Schloss ausgegeben worden.[97] Der erste Bau Ludwigs XIII. hatte insgesamt gerade einmal 300.000 Livres verbraucht, wovon 213.000 auf das Schloss verwendet und weitere 82.000 für die Gärten benötigt wurden. Im Zeitraum von 1664 bis 1688 wurde jährlich eine durchschnittliche Million Livres in Versailles verbaut. Der französische Staatshaushalt verfügte in den 1680er Jahren über ein Budget von etwa 110 Millionen Livres, wovon Ludwig nach dem Frieden von Nimwegen 15 Millionen für seine Bautätigkeiten genehmigt bekam.

Bis zum Tode des Sonnenkönigs sollen 300 Millionen Livres in die Versailler Schlösser, den Park, die Ausstattung und den Unterhalt geflossen sein.[98] Fünfzig bis sechzig Millionen allein für das Mobiliar und zwei Millionen für den Bau des Eure -Kanals. Bescheiden nimmt sich dagegen die Leibpension für die bei Unfällen verstorbenen Arbeiter aus, deren Familien im Schnitt 40 bis 100 Livres als Hinterbliebenenrente erhielten.

Die Gartenanlagen gehen auf den von Jacques Boyceau de la Baraudie für Ludwig XIII. geschaffenen Petit Parc zurück. Sie wurden in ihrer heutigen Ausdehnung weitgehend in drei Abschnitten von 1662 bis 1667, 1668 bis 1677 und 1678 bis 1689 durch André Le Notre geschaffen. Der Schlosspark gliedert sich in drei für alle Barockgärten typische Bereiche: Die dem Schloss nahen Paterres, die anschließenden Boskette und den fernen Jagdwald. Der Bereich der Parterres, der Boskette und des großen Kanals wird noch heute als Petit Parc bezeichnet, der ursprünglich mehrere tausend Hektar große Waldbereich als Grand Parc. Die aus dem Vorbild von Vaux-le-Vicomte übernommene Hauptachse gliedert die Gartenanlagen und führt von der Stadt durch das Schloss, durch den Garten und den großen Kanal bis in die weite Ferne.

Das Petit Trianon ist ein nordwestlich des Schlosses von Versailles im Park von Versailles, dort im Petit Parc genannten Teil, gelegenes Lustschloss, das im Auftrag von Ludwig XV. von Ange-Jacques Gabriel für die königliche Mätresse Madame de Pompadour errichtet wurde und später in den Besitz von Marie Antoinette kam.

In der Nähe des Schlosses von Versailles, am Nordarm des Großen Kanals, wurde bereits durch Ludwig XIV. mit dem Grand Trianon im 17. Jahrhundert ein kleines Schloss errichtet, welches dem König und seiner Familie als Rückzugsort vor der Hektik und der politischen Repräsentation bei Hofe diente. Nordöstlich davon ließ sein Nachfolger Ludwig XV. das Petit Trianon für Madame de Pompadour († 1764) in Auftrag geben, die jedoch kurz nach dem Baubeginn starb, so dass das Schlösschen gelegentlich von der neuen Favoritin Madame Dubarry genutzt wurde. Als Ludwig XVI. seinen Großvater beerbte, schenkte er es seiner Gemahlin Marie Antoinette, die das Gebäude für sich herrichten ließ. Im 19. Jahrhundert, nach dem Ende des Ancien Régime, legte hier dann die Kaiserin Eugénie, die Frau Napoleons III., eine Sammlung mit Gegenständen aus dem Besitz Marie-Antoinettes an.

Das kleine Trianonschlösschen ist untrennbar mit der Person der Marie Antoinette verbunden. Die noch als junges Mädchen aus politischen Gründen mit dem französischen Dauphin vermählte Marie-Antoinette entstammte dem Habsburgischen Kaiserhaus. Als jüngste Tochter Maria Theresias erhielt sie in Wien zwar eine Erziehung, die sie auf die Rolle einer zukünftigen Herrscherin vorbereitete, doch am französischen Hof fühlte sie sich lange fremd, Sitten und Gebräuche waren ihr unbekannt und die strenge Etikette der Bourbonen tat ein Übriges, die junge Thronfolgerin und spätere Königin zu verunsichern. Ludwig XVI. schenkte ihr kurz nach Beginn seiner Regentschaft schließlich das Kleine Trianon, das ihr abseits des Hofes als Ort der Ruhe und Entspannung dienen sollte. Ludwig war von diesem Zeitpunkt an nur noch als Gast, nicht mehr als König zu Besuch im Schloss.

Marie Antoinette flüchtete gern vor der Etikette bei Hofe hierher. Es ist überliefert, dass sie eine Verfügung erließ, dass sich niemand im Petit Trianon erheben müsse, wenn sie eines der Zimmer beträte – eine für damalige Verhältnisse geradezu skandalöse Anweisung – auch war sie sich nicht zu schade, im zum Trianon gehörenden Theater selbst auf der Bühne zu stehen. Sie umgab sich hier nur mit Freunden und Vertrauten und entfernte sich innerlich vom strengen Leben im Palast von Versailles.

Die Königin ließ das kleine Schlösschen nach ihrem Geschmack herrichten und stattete die Salons und Kabinette mit hochwertigen Möbeln, Gemälden und anderen Kunstwerken aus. Da sie selbst immer wieder Einfluss auf die für sie hergestellten Gegenstände nahm und deren Aussehen und Dekoration maßgeblich mitbestimmte, wurde sie bald das Sinnbild einer Königin des Rokoko. Die Moden, die sie entwarf und die Ausstattung, mit der sie das Trianon dekorierte, wurden kurz darauf vom gesamten Hofstaat kopiert und imitiert. Die Ausgaben für das Schloss und die hier gefeierten Feste brachten ihr aber auch einen schlechten Ruf ein, sie galt als verschwenderisch und hatte schließlich nicht nur das einfache Volk gegen sich aufgebracht, sondern auch jenen Teil des Hofadels, dem sie den Zugang zu ihrem Schloss verweigerte.

Marie-Antoinette umgab sich hier nur mit Günstlingen und Freundinnen, wie der Prinzessin Lamballe und der Herzogin Polignac, denen sie Pensionen, Titel und teure Geschenke zukommen ließ, während sie ihr unliebsame Personen bewusst mied. Die derart brüskierten Mitglieder des Hofes brachten eine Unmenge bösartiger Gerüchte über die Königin und ihre Verschwendungssucht in Umlauf. Hier konnte sich Marie-Antoinette auch ungestört mit Axel von Fersen treffen, der einigen Überlieferungen nach wahrscheinlich ein Liebhaber der Königin war. Dies führte letztlich dazu, dass die negativen Berichte und üblen Nachreden über Marie-Antoinette als einer der Gründe für die Französische Revolution angesehen werden.

Mit dem Bau des Petit Trianon wurde der Architekt Ange-Jacques Gabriel beauftragt, die Arbeiten dauerten von 1764 bis 1768. Obwohl die äußere Gestalt in der Tradition des klassizistischen französischen Barock steht, der von jeher auf ruhige und strenge Formen zurückgriff, gilt das Gebäude auch als wegweisend für den Stil des Klassizismus und Paradebeispiel für den Louis-seize-Stil in der Architektur. Die elegante Fassadendekoration aus Sandstein ähnelt dem Flügel Trianon sous Bois des benachbarten Grand Trianon und ist auf jeder der vier Seiten leicht unterschiedlich gestaltet. Mal ist die Gebäudemitte mit Säulen, mal mit Pilastern betont, zudem ist das Schloss so in den Garten integriert, dass es auf zwei Seiten zwei- und auf zwei weiteren Seiten dreistöckig erscheint. Das Dachgeschoss wird von einer umlaufenden Balustrade geschmückt.

Der Amortempel wurde vom Architekten Richard Mique aus Marmor gestaltet; als Vorlage diente der Tempel der Vesta in Rom. Seine Einweihung erfolgte bei einer feierlichen Zeremonie am 3. September 1778. Marie Antoinette konnte den Tempel von den Fenstern ihres Zimmers im Petit Trianon aus sehen, aber auch von denen des Königs im Dachgeschoss.

Der Tholos befindet sich erhöht auf einem Sockel und ist von allen Seiten durch eine siebenstufige Rundtreppe zugänglich. Er besteht aus zwölf korinthischen Alabastersäulen, die eine mit Steinkassetten verzierte Kuppel tragen. Skulpturen aus Gips und Holz von Joseph Deschamps, der auch die Vormodelle aus Wachs anfertigte, schmücken die Säulenkapitelle. Das Zentrum der Kuppeldecke ist mit einer Trophäe von zwei Metern Durchmesser dekoriert und wird von einem Blumenwulst umschlossen, der mit Attributen des römischen Liebesgottes Amor ausgestattet ist („Kränze aus Rosen, Pfeilköcher, Brandfackeln, mit Bändern verbundene Pfeile, die von Rosen und Olivenblättern umschlungen werden.“). Der Boden besteht aus weißem, gemasertem Marmor mit rot umrandeten Kompartimenten, zwischen den Säulen sind Streifen aus flämischem Marmor eingefasst.

Deschamps sah für die Mitte des Bauwerks eine Amorette vor, man entschied sich jedoch stattdessen für eine Statue von Edmé Bouchardon mit dem Motiv: Amor schnitzt sich einen Bogen aus der Keule des Herkules. Dieses Werk, vom königlichen Baudirektor Philibert Orry unter Ludwig XV. in Auftrag gegeben und für die Aufstellung im Herkulessalon bestimmt, war wahrscheinlich zu innovativ für die damalige Zeit. Wegen ihrer „Nacktheit und jugendlichen Sinnlichkeit“ musste sie in die Orangerie von Schloss Choisy verlegt werden. Madame Pompadour ließ währenddessen für ihr Schloss Bellevue in Meudon (Hauts-de-Seine) eine Kopie anfertigen, die „ihre Tanten“ 1774 alsbald wieder entfernen ließen.

Die Skulptur im Zentrum des Tempels ist ebenfalls eine Kopie, die an einen anderen Bildhauer, Louis-Philippe Mouchy, im September 1778 in Auftrag gegeben und von diesem 1780 ausgeführt wurde. Sie wurde zur Revolutionszeit ins Musée spécial de l’École française gegeben, gelangte danach in die Orangerie von Schloss Saint-Cloud, bevor sie dann 1816 wieder ihren Platz im Temple de l’Amour einnahm. Das Original wurde auf Befehl von Königin Marie-Antoinette ins Louvre verlegt, wo es heute noch aufbewahrt wird. 1805 wurde die verschwundene Statue im Tempel unterdessen durch eine Statuengruppe von Vassé ersetzt, die Venus und Amor darstellte.

1778 wurden auf der den Tempel umgebenden Insel Paradiesapfelbäume und Schneeballrosen gepflanzt, die wohlriechende Düfte verströmten, heute aber nicht mehr vorhanden sind. Im Rahmen zahlreicher Abendveranstaltungen kam es immer häufiger zu Beschädigungen, die Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Restaurierung des Bodens geführt haben. Eine vollständige Restaurierung, einschließlich einer Befestigung der Säulen, wurde 2005/2006 vorgenommen.

Trotz seiner bescheidenen Größe beherbergt das Kleine Trianon eine Vielzahl an Räumen. Das Erdgeschoss dient fast vollständig als Wirtschaftsbereich, hier finden sich unter anderem die Küche, die Gardenkammer und der Raum für das Tafelsilber. Auch ein Billardzimmer befindet sich hier. Das erste Geschoss, das bedingt durch die Bauart des Schlösschens an zwei Seiten ebenerdig betreten werden kann, beherbergt verschiedene Salons und Kabinette sowie das Appartement der Königin. Im Obergeschoss sind verschiedene Gästeräume sowie eine Zimmerflucht für den König eingerichtet.

Das Petit Trianon ist von einem eigenen Schlosspark umgeben, der sich in mehrere einzelne, ineinander übergehende Bereiche gliedert. Die Fläche zwischen dem Großen und dem Kleinen Trianon wird als Französischer Garten bezeichnet, er ist formal mit Rasenflächen und Hecken gestaltet und beinhaltet einige der Nebengebäude, wie den so genannten französischen Pavillon und das Theater.

Der Pavillon bildet das Herzstück des Französischen Gartens. Seine hohen Fenstertüren öffnen sich nach allen Seiten hin auf dessen Sichtachsen. Sowohl als Zentrum und natürliche Erweiterung des „neuen königlichen Gartens“ erschaffen, diente er zum privaten Vergnügen als Musik-, Spiel- und Konversationssaal. Der Bau gilt als ein Paradebeispiel für den Stil des Louis-quinze. Sein außergewöhnlicher Grundriss beruht auf einem achteckigen Saal, der von vier kleinen, in Kreuzform angeordneten Nebenräumen flankiert wird.

In die Zierfassade sind an jeder Seite Kreuzstockfenster eingelassen, die von Maskaronen überragt werden. Sie repräsentieren die Jahreszeiten und stammen von Jules-Antoine Rousseau. Auf dem Dach befindet sich eine Balustrade, auf der acht Vasen- und acht Kinderskulpturgruppen angeordnet sind, die Allegorien für die vier Jahreszeiten und die vier Elemente darstellen. Die inzwischen vergoldete Wandvertäfelung im Inneren des kreisförmigen Zentralsaals stammt von Jacques Verbeckt und war ursprünglich mit Pastellfarben bemalt, die für eine ländliche Stimmung sorgten. Acht korinthische Säulen stützen ein mit verschiedenen Hühner- und Entenvögeln geschmücktes Gesims, in Anspielung auf die nah gelegene Menagerie.

Während der Französischen Revolution in ein Café umgewandelt, diente der Pavillon zur Kaiserzeit wie zu Zeiten des Ancien Régime wieder als Festsaal, bevor er dann langsam dem Verfall preisgegeben wurde. Ende des 19. Jahrhunderts wurde er ein erstes Mal originalgetreu restauriert, bevor man ihn im Jahr 2008 einer weiteren vollständigen Restaurierung unterzog. Seit 1862 ist er zusammen mit dem Versailler Schloss und seinen Nebengebäuden als Monument historique klassifiziert, am 31. Oktober 1906 wurde dieser Titel durch einen Erlass erneuert. Der öffentlich zugängliche Pavillon wird vom Musée national des châteaux de Versailles et de Trianon verwaltet und gehört innerhalb des Schlosskomplexes zu den Wohnorten von Marie-Antoinette.

Hinter dem Petit Trianon liegt der von Marie-Antoinette in Auftrag gegebene Englische Garten. Dieser Bereich des Parks zeichnet sich durch eine Landschaft aus, die wie gewachsen erscheint. Einzelne Baumgruppen, ein kleiner Bach und exponiert liegende Gebäude, wie der „Belvedere“ genannte Musiksalon und der Amortempel schmücken den Garten. Den Höhepunkt dieser „natürlich“ erscheinenden Landschaft bildet das Hameau de la Reine, das Dorf der Königin. Hierbei handelt es sich um mehrere, rings um einen See angeordnete Bauernhäuser, die den Häusern des Pays de Caux nachempfunden sind, aber deren Inneneinrichtungen einer Königin würdig waren. Dieses Dörfchen sollte Marie-Antoinettes Sehnsucht nach einer ländlichen Idylle stillen und hatte selbstverständlich keine Ähnlichkeit mit dem wirklichen Landleben des 18. Jahrhunderts.

Das Hameau de la Reine ist ein idealisiertes Dorf, das am Ende des 18. Jahrhunderts für die französische Königin Marie Antoinette errichtet wurde.

1774 erhielt die Königin von ihrem Gatten Ludwig XVI. das Lustschloss Petit Trianon zum Geschenk, in welches sich Marie-Antoinette von der Etikette und der Strenge des Versailler Hoflebens zurückziehen konnte. In den nächsten Jahren wurde das Gebäude ihren Wünschen angepasst. Sie veränderte auch den Gartenbereich des Schlösschens, indem sie ihn in einen Park nach englischen Vorbildern umgestalten ließ. Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde von Philosophen wie Jean-Jacques Rousseau ein Leben nah der Natur propagiert, und das Leben auf dem Lande wurde verklärend mit Freiheit und Schönheit verbunden: In Marie-Antoinette entstand so der Wunsch, Teil an diesem „einfachen Dasein“ zu haben oder zumindest in dieses gelegentlich flüchten zu können. So wurde östlich des Petit Trianon von 1783 bis 1788 ein sogenannter Weiler - ein kleines Dorf, französisch hameau - durch Richard Mique für sie erbaut. Die Idee für ein solches Staffagedorf war nicht neu, die ländliche Idylle war in Mode, und in anderen Schlossparks - z. B. bei Schloss Chantilly– gab es bereits ähnliche ferme ornées; doch hier in der Nähe der Residenz Versailles wurde die vollkommenste Anlage ihrer Art erschaffen.

Mit dem hameau machte sich die Königin bei ihrem Volk unbeliebt. Ihre angebliche Verschwendungssucht hatte ihr bereits einen schlechten Ruf beigebracht, und die Vorstellung, dass sich Marie-Antoinette mit silbernen Rechen oder kleinen Eimern aus Porzellan dem „bäuerlichen Leben“ hingab, brüskierte nicht nur das Landvolk, das in der Realität ein ganz anderes Leben zu führen hatte. Zudem waren über den Unterhalt des Dörfchens verschiedene Gerüchte im Umlauf; es sei teuer und verschlänge jede Menge Geld für den laufenden Betrieb. Versailler Konten hingegen konnte man entnehmen, dass das kleine Gut sogar einen positiven Saldo erwirtschaftet haben soll.

Marie-Antoinette wurde im Laufe der Französischen Revolution hingerichtet, den Architekten Richard Mique traf dasselbe Schicksal. Der Weiler verfiel in der Folgezeit; er wurde jedoch um 1810 im Auftrage Napoleons I. restauriert.

Um einen künstlichen See entstand ein Ensemble, das die verschiedenen Aspekte eines Bauerndorfes vereinen sollte. Entfernt erinnern die Gebäude an Bauernhäuser aus der Normandie, doch eine genaue stilistische Einordnung ist nicht möglich und wahrscheinlich war eine wirklichkeitsnahe Darstellung auch nicht beabsichtigt. Der Weiler bestand aus einem guten Dutzend Gebäuden, die die verschiedensten Funktionen wahrnahmen; das wichtigste Haus war jenes der Königin, die Maison de la Reine. Das Äußere dieses und der anderen Häuser war betont einfach gehalten, die Innenausstattung überraschte jedoch mit einer hochqualitativen, luxuriösen Ausstattung, die selbstverständlich nichts mit der Wirklichkeit des entbehrungsreichen Landlebens gemein hatte. So war das Haus der Königin mit einem prächtigen Boudoir ausgestattet, besaß ein Billardzimmer und war über die hölzerne Galerie mit einem Ballhaus verbunden. Weiter gab es unter anderem einen Bauernhof, eine Mühle, eine Fischerei, eine Molkerei sowie einen Aussichts-, den Marlborough-Turm. Ab 1785 ließ Marie-Antoinette sogar eine Familie aus der Touraine kommen, welche die bäuerliche Wirtschaft in Betrieb halten und das stimmungsvolle Bild ihres Dörfchens abrunden sollte.

Marie Antoinette (1755-1793) war als Maria Antonia Josepha Johanna geborene Erzherzogin von Österreich sowie Prinzessin von Ungarn, Böhmen, der Toskana und entstammte dem Haus Habsburg-Lothringen. Durch ihre Heirat mit dem französischen Thronfolger und späteren König Ludwig XVI. wurde sie zunächst Dauphine und später Königin von Frankreich und Navarra. Sie gilt als eine der schillerndsten Figuren während der Französischen Revolution und teilte neun Monate nach ihrem Gemahl dessen Schicksal auf dem Schafott.

Maria Antonia verbrachte ihre Kindheit im Kreis einer großen Familie, die als liebevoll, aber sittenstreng galt. Sie musste schon mit drei Jahren genauso wie die anderen weiblichen Familienmitglieder engste Korsetts tragen, die ihr oft schwere Atemprobleme bereiteten. Die Erziehung beruhte wie bei ihren Geschwistern von frühester Kindheit an auf einem strengen Schulungsprogramm, das Maria Theresia speziell für ihre Kinder ausgearbeitet hatte. Der Stundenplan enthielt Tanzstunden, Theateraufführungen, Geschichte, Malen, Rechtschreibung, Staatskunde, ein wenig Mathematik und Fremdsprachen. Die Mädchen wurden zudem in Handarbeiten und in der Konversation unterwiesen.

Maria Theresia und ihr Minister Kaunitz verfolgten das ehrgeizige Ziel, die politischen Beziehungen Österreichs zu den ausländischen Staaten und die Stellung Österreichs in Europa zu verbessern, und versuchten, die kaiserlichen Kinder vorteilhaft zu verheiraten. Sie schmiedete sehr früh Heiratspläne für ihre 14 überlebenden Kinder. In ständiger Furcht vor Friedrich II. von Preußen und vor Russland konzentrierte sie sich bei diesen Eheplänen vor allem auf die Erweiterung der familiären Verbindungen zu den damals in Frankreich, Spanien, Neapel-Sizilien und Parma regierenden Bourbonen. Sowohl Maria Antonia wie auch ihre Geschwister mussten Personen heiraten, die ihre Mutter für sie ausgesucht hatte.

Als erstes Heiratsprojekt aus einer Reihe von geplanten Verbindungen zwischen Bourbonen und Habsburgern fand die Vermählung zwischen Erzherzog Joseph, dem späteren Kaiser Joseph II., mit Maria Isabella von Bourbon-Parma statt. Als Nächstes musste Josephs Bruder Leopold, der spätere Kaiser Leopold II., Prinzessin Maria Ludovika von Spanien ehelichen. Der dritte Sohn, Erzherzog Ferdinand Karl, wurde mit der Erbin von Modena, Herzogin Beatrix von Modena-Este, verheiratet.

Im Vergleich zu der reibungslosen Realisierung der Heiratsprojekte ihrer Söhne wurde Maria Theresia bei den Eheverhandlungen ihrer Töchter mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Die älteste Tochter, Erzherzogin Maria Anna, blieb aufgrund ihrer schlechten Gesundheit unverheiratet. Das kurz vor der Verwirklichung stehende Heiratsprojekt zwischen der hübschen Erzherzogin Marie Elisabeth von Österreich und dem französischen König Ludwig XV. von Frankreich scheiterte an einer Pockenerkrankung der Erzherzogin. Während sich Erzherzogin Maria Christine von Österreich ihren Ehemann, Herzog Albert von Sachsen-Teschen, selbst wählen durfte, wurde Erzherzogin Maria Amalia von Österreich gegen ihren Willen mit Herzog Ferdinand I. von Bourbon-Parma verheiratet. Erzherzogin Johanna Gabriele und ihre Schwester Erzherzogin Maria Josepha starben beide an den Pocken, sodass Erzherzogin Maria Karolina von Österreich den Platz als Braut von König Ferdinand I. von Neapel-Sizilien einnehmen musste.

Im Zuge dieser traditionellen Heiratspolitik der Habsburger wurde frühzeitig eine Eheschließung zwischen Maria Antonia und dem Dauphin Louis-Auguste ins Auge gefasst. Die Vermählung zwischen der österreichischen Erzherzogin und dem französischen Dauphin sollte das letzte und zugleich ehrgeizigste Heiratsprojekt aus einer Reihe von Eheschließungen zwischen Habsburgern und Bourbonen sein und den Frieden zwischen Frankreich und Österreich nach der Umkehrung der Allianzen besiegeln. Nach langwierigen Verhandlungen ersuchte 1769 König Ludwig XV. von Frankreich um die Hand der Erzherzogin Maria Antonia für seinen Enkel und Erben, den Dauphin. Nachdem der Heiratsvertrag unterzeichnet worden war, analysierte Maria Theresia die Erziehung ihrer Tochter Maria Antonia und bemerkte gravierende Mängel in der Allgemeinbildung und in der Beherrschung der französischen Sprache. Erst jetzt wurden Erzieher, Tanz- und Sprachlehrer engagiert, die die österreichische Erzherzogin innerhalb kürzester Zeit auf das Amt einer französischen Königin vorbereiten sollten. Von nun an bestand die Kaiserin darauf, dass ihre Tochter bis zu ihrer Abreise das Schlafgemach mit der Mutter teilte.

Am 19. April 1770 fand die Vermählung per procurationem in der Augustinerkirche in Wien statt.

Das vierzehnjährige Mädchen verabschiedete sich am 21. April 1770 von seiner Mutter und von den Geschwistern in Wien und trat mit einem imponierenden Brautzug seine Reise nach Frankreich an. Sie fuhr die Donau entlang, und über München und Augsburg gelangte sie unter anderem nach Günzburg, Ulm, Obermarchtal und Freiburg im Breisgau. Danach erfolgte am 7. Mai die „Übergabe“ auf „neutralem Gebiet“, einer unbewohnten Rheininsel vor Straßburg. Im Rahmen dieser Übergabe musste sich das junge Mädchen von allen österreichischen Freunden und Bekannten trennen und vollständig entkleiden. Anschließend wurde sie mit französischen Gewändern bekleidet. An diesem Tag wurde aus der österreichischen Erzherzogin Maria Antonia die französische Dauphine Marie Antoinette.

In Straßburg und in Saverne war Marie Antoinette Gast von Kardinal Louis de Rohan, der später eine wichtige Rolle in der Halsbandaffäre spielen sollte. Erst am 16. Mai fand die eigentliche Vermählung von Marie Antoinette und dem Dauphin im Schloss Versailles statt, und die Dauphine wurde offiziell am französischen Hof eingeführt. Ein Fest anlässlich der Hochzeit folgte dem anderen, Empfänge, Bälle, Theaterveranstaltungen. Als Abschlussveranstaltung war am 30. Mai 1770 ein riesiges Volksfest geplant, das auf der Place Louis Quinze (heute Place de la Concorde) stattfand: mit Musik, Feuerwerk, Wein, Brot und Fleisch auf Staatskosten. Die Menschenmassen drängten sich auf und rund um den Platz, wo sich riesige, unzulänglich abgesicherte Baugruben für Prachtbauten befanden. Feuerwerkskörper, die krachend und zischend in der Menschenmenge explodierten, lösten eine Panik aus. Die Festbesucher flüchteten nach allen Seiten, stießen und drängten, viele stürzten in die Baugruben oder wurden zu Tode getrampelt. Das mangelhaft organisierte Fest forderte 139 Tote und hunderte Verletzte. Die Toten wurden auf dem Friedhof cimetière de la Madeleine bestattet – 23 Jahre später wurde hier der Leichnam der Königin in einem Massengrab verscharrt.

Am französischen Hof fiel die junge und unerfahrene Marie Antoinette meist negativ auf. Als erste Hofdame wurde ihr die sittenstrenge Madame Noailles zugewiesen, doch Marie Antoinette fühlte sich von der älteren Dame bevormundet und bezeichnete sie zumeist als Madame l'Étiquette. Der Prinzessin waren die französischen Sitten fremd und sie stützte sich fast ausschließlich auf den österreichischen Botschafter, den Grafen von Mercy-Argenteau. Dieser war ihr von Maria Theresia als Mentor beigegeben und sollte zugleich Maria Theresia auf dem Laufenden halten. So entstand die berühmte Korrespondenz Mercy-Argenteaus, eine wertvolle Chronik von Marie Antoinettes Leben von ihrer Heirat 1770 bis zum Tode Maria Theresias 1780.

In ihren ersten drei Ehejahren stand sie nicht nur unter dem Einfluss von Mercy, sondern auch unter dem von drei unverheirateten Töchtern des Königs – Adélaïde, Madame Victoire und Madame Sophie. Diese benutzten die naive und gutmütige Dauphine für ihre diversen Ränkespiele, die vornehmlich gegen die Mätresse des Königs gerichtet waren, die für die drei Damen eine Persona non grata war. Beeinflusst durch die sogenannten Tanten hegte Marie Antoinette eine große Abneigung gegen die Mätresse Ludwigs XV., Madame Dubarry. Obwohl diese viele Verbindungen am Hofe hatte, weigerte sich die Dauphine, mit ihr zu sprechen, und der Dubarry war es nicht gestattet, das Wort an die künftige Königin zu richten. Erst nachdem die Kronprinzessin dem schriftlichen Rat ihrer Mutter folgte, sich bei Hofe anzupassen (den Wunsch des Königs ignorierte sie, was der Hof als Skandal empfand), sprach sie nach zwei Jahren der Dubarry gegenüber die berühmten sieben Worte „Es sind heute viele Leute in Versailles“ aus. Das waren die ersten und die letzten Worte, die die Dauphine an Gräfin Dubarry richtete.

Nachdem Marie Antoinette die Prinzessin Lamballe kennengelernt und einen Zirkel eigener Freunde um sich geschart hatte, wandte sie sich langsam vom Einfluss der „Tanten“ ab, was diese ihr mit zunehmender Missgunst dankten. Die Dauphine begann die Möglichkeiten ihrer Stellung auszunutzen und besuchte Bälle oder die Pariser Oper, auch protegierte sie den Komponisten Christoph Willibald Gluck. Eine ihrer Leidenschaften war das Pharo-Spiel, bei dem sie immer wieder große Summen verspielte. Sie gab monatlich etwa 15.000 Livres aus. Ein Großteil der Franzosen hungerte und diese Verschwendung trug nicht zur Beliebtheit Marie Antoinettes bei.

Die Thronbesteigung des jungen Königspaars nach dem Tod Ludwigs XV. im Mai 1774 wurde enthusiastisch begrüßt. Ihre ersten Schritte brachten Marie Antoinette aber bereits in offene Konflikte mit der anti-österreichischen Partei. So drängte sie hartnäckig auf die Entlassung des Herzogs von Aiguillon und tat alles, was in ihrer Macht stand, um den früheren Außenminister Choiseul zu berufen, der aufgrund einer Intrige der Madame Dubarry sein Amt hatte aufgeben müssen. Daher hatte sie alle Feinde Choiseuls und der österreichischen Allianz gegen sich. Die Tanten Ludwigs XVI. nannten sie verächtlich l’Autrichienne, „die Österreicherin“. Dabei handelte es sich um ein Sprachspiel, da es im Französischen beinahe wie l’autre chienne („die andere Hündin“) ausgesprochen wird. Ihr legerer Umgang mit der ihr verhassten Hofetikette schockierte viele Höflinge, und ihr Hang zu Vergnügungen ließ sie die Gesellschaft des Bruders des Königs, des späteren Königs Karl X. (1757–1836), und seines jungen und ausschweifenden Zirkels suchen. 1775 ließ der sogenannte Mehlkrieg bereits kommende Ereignisse erahnen.

Ihre dynastische Hauptaufgabe – Mutter eines Thronfolgers zu werden – erfüllte Marie-Antoinette lange nicht. Für das jahrelange Ausbleiben eines männlichen Erben machten die Öffentlichkeit und der Hof die Königin verantwortlich, der in Schmähschriften statt Interesse an ihrem Mann eine immer größere Zahl an Affären nachgesagt wurde. Ab dem Herbst 1774 wurden ihr in Pamphleten auch lesbische Neigungen vorgeworfen. Ob die Königin tatsächlich jemals außereheliche Beziehungen pflegte, ist ungewiss. In verschiedenen Biographien wird der schwedische Graf Hans Axel von Fersen zu ihrem Liebhaber stilisiert, doch es ist unbekannt, wie tief das Verhältnis wirklich ging.

Ihr verschwenderischer Lebensstil – ihr Interesse galt Modefragen und extravaganten Frisuren – brachte sie ebenso in Misskredit wie ihre freundschaftlich-geschäftliche Beziehung zur Modistin Rose Bertin. Über die Ausgaben für ihr kleines Schloss Le Petit Trianon, das sie von Ludwig 1774 als Ort der Erholung abseits der Versailler Etikette zum Geschenk erhielt, wurden überzogene Berichte verbreitet. Indem sie den Zugang zum Petit Trianon auf ihre Freunde und Gönner reduzierte, beleidigte sie die ausgeschlossenen Mitglieder des Hofes.

Marie Antoinettes Freundschaft zur Prinzessin Lamballe verlor an Intensität und deren Stellung wurde zunehmend von der Gräfin Polignac eingenommen. Der Gräfin gelang es, mehr und mehr Mitglieder ihrer Familie an den Hof zu holen und durch Marie Antoinettes Einflussnahme mit Ämtern und Titeln zu versehen, was der Versailler Hof schlichtweg als skandalös empfand. Die Zahl ihrer Feinde und Neider wuchs. Unter ihnen waren die Tanten des Königs, der Graf von Provence, der Herzog von Orléans und seine Anhänger im Palais Royal.

In dieser kritischen Zeit besuchte ihr Bruder, Kaiser Joseph II., Frankreich. Er hinterließ der Königin ein Memorandum, das ihr in unmissverständlichen Worten die Gefahren ihres Verhaltens aufzeigte. Joseph drängte das Königspaar zudem, sich endlich der Frage der Nachkommenschaft anzunehmen. Im Dezember 1778 wurde darauf – nach acht Jahren der Ehe und vier Jahren auf dem französischen Thron – die Tochter Marie Thérèse Charlotte, Madame Royale, geboren, die spätere Herzogin von Angoulême. Nach der Geburt des Kindes, das nicht der erhoffte männliche Erbe war, lebte die Königin zurückgezogener.

Mit dem Tod ihrer Mutter Maria Theresia am 29. November 1780 verlor Marie Antoinette eine strenge, aber umsichtige Beraterin. Die Stellung der Königin wurde durch die langerwartete Geburt des Dauphins Louis Joseph Xavier François am 22. Oktober 1781 gestärkt. Auch hätte sie nach dem Tode des Ersten Ministers, des Grafen von Maurepas, erheblichen Einfluss auf die öffentlichen Angelegenheiten ausüben können.

Der Einfluss der Familie Polignac erreichte nun einen weiteren Höhepunkt. Madame de Polignac gelang die Ernennung Calonnes zum Generalkontrolleur der Finanzen, und sie folgte Madame de Guise nach dem Konkurs des Prinzen Guise als Gouvernante der Kinder. Sie unterstützte auf Anraten Mercys die Bestellung von Loménie de Brienne zum Generalkontrolleur; eine Ernennung, die zwar allgemein gutgeheißen wurde, aber nach dessen Scheitern der Königin zur Last gelegt wurde.

Wie unpopulär Marie Antoinette nun war, zeigte sich 1785 in einem Betrugsskandal, der sogenannten Halsbandaffäre. An dieser Affäre war Marie Antoinette zwar nicht aktiv beteiligt, doch ihr Lebenswandel machte es dem Volk nahezu unmöglich, an ihre Unschuld zu glauben.

Mit ihrem Weiler beim Petit Trianon, in dem sie spielerisch das Leben einer einfachen Bauersfrau nachahmte, brüskierte sie den Hochadel ebenso wie das Landvolk. Marie Antoinette war aber oft auch ein Opfer der Umstände, die ihr häufig keine Wahl zu umsichtigem Handeln ließen. Als sie sich, mit den ewigen Verschwendungsvorwürfen konfrontiert, 1783 in einem schlichten Leinenkleid porträtieren ließ, gingen die Seidenweber auf die Straßen und beklagten, „eine Königin, die sich so schlecht kleide, sei schuld, wenn die Seidenweber verhungerten“.

Am Tag nach Allerheiligen 1783 erlitt Marie Antoinette erneut eine Fehlgeburt. Marie Antoinette gebar in den folgenden Jahren zwei weitere Kinder, am 27. März 1785 Louis-Charles, Herzog der Normandie, später Dauphin und von den Royalisten als König Ludwig XVII. bezeichnet, sowie am 9. Juli 1786 Sophie-Beatrix, die allerdings elf Monate später verstarb.

Bei einem Theaterbesuch kurz nach der Halsbandaffäre wurde sie vom Publikum ausgebuht – nun erst wurde ihr klar, was sich über Monate und Jahre an Hass und Feindschaft gegenüber dem Herrscherhaus beim Volke aufgestaut hatte. Sie war nun bereit, ihren Lebensstil zu ändern, und verzichtete auf kostspielige Annehmlichkeiten. Es gab keine Hasardspiele mehr in ihren Salons, Günstlinge in Trianon verloren ihre Positionen. Sie mied das Theater, Bälle und Empfänge. Sie zog sich in den Kreis ihrer Familie zurück, wo sie sich mit den Kindern beschäftigte, und versuchte ein neues, stilleres Leben zu führen. Diese Einsicht kam jedoch zu spät.

Das Jahr 1789 stellte einen Wendepunkt im Leben Marie Antoinettes dar. Am 4. Juni starb ihr ältester Sohn. Die schlechte Finanz- und Wirtschaftslage Frankreichs sollte durch die Generalstände beraten werden. Mit der Erklärung des dritten Standes, sich als Nationalversammlung zu betrachten, begann die Französische Revolution. Am 5. und 6. Oktober 1789 zwangen die Revolutionäre die königliche Familie, von Versailles nach Paris in den Tuilerienpalast umzuziehen. Da Marie Antoinette sich in Paris hilflos und isoliert vorkam, stützte sie sich auf ihre Freunde außerhalb Frankreichs – Mercy, Axel von Fersen und Louis Auguste Le Tonnelier de Breteuil.

Das Tuilerienpalast in Paris war das frühere Stadtschloss der französischen Herrscher, ungefähr 500 Meter von der königlichen Residenz des Louvre entfernt und mit diesem zeitweise durch große Flügelbauten verbunden. Es brannte 1871 beim Aufstand der Pariser Kommune aus und wurde später abgerissen.

Heute erinnert nur noch der prächtige, mit vielen Bildsäulen geschmückte Park Jardin des Tuileries an das ehemalige Schloss. Er erstreckt sich am rechten Seine-Ufer vom Pavillon de Flore des Louvre bis zum gegenüberliegenden Pavillon de Marsan parallel zum Place de la Concorde. Hier befindet sich auch das in einem ehemaligen Ballhaus untergebrachte Museum Galerie nationale du Jeu de Paume. Das Palais des Tuileries wurde ab 1564 auf Betreiben von Katharina von Medici nach Plänen von Philibert Delorme anstelle einer früheren Ziegelei (frz. la tuilerie) errichtet. Nach dem Tod Katharinas wurde der Palast nicht fertiggestellt.

Heinrich IV. fasste den Plan, den Louvre und die Tuilerien durch den Bau von zwei Galerien im Süden und im Norden zu verbinden. Dieses Vorhaben, genannt Grand Dessein, sah durch die Verbindung der beiden Paläste einen einzigen, riesigen Palast entstehen, auch dieser Plan gelangte nicht vollständig zur Ausführung. Erst unter Karl IX. wurde die Grande Galerie im Süden entlang der Seine erbaut. Im 17. Jahrhundert, nachdem Ludwig XIV. seine Residenz in das Schloss Versailles verlegte, verloren die Tuilerien ihre Bedeutung und standen zeitweise sogar leer. Im Konzertsaal fanden ab 1725 die Concerts spirituels statt.

Ab 6. Oktober 1789, während der Französischen Revolution, war das Schloss der Wohnort der hier festgesetzten königlichen Familie. Diese konnte anfangs noch im größeren Umfang Hof halten, bis sie schließlich immer stärkere Einschränkungen hinnehmen musste. Am 10. August 1792 kam es zum Tuileriensturm. Ein großer Teil der königlichen Schweizergarde fiel den Angreifern zum Opfer, woran das Löwendenkmal Luzern erinnert. Ludwig XVI., Marie Antoinette und deren Kinder wurden infolge dieser Ereignisse in das Temple-Gefängnis verbracht.

Ab 1806 wurden die Arbeiten an der Vereinigung der beiden Paläste wiederaufgenommen. Charles Percier und Pierre-François-Léonard Fontaine begannen mit einem Nordflügel parallel zur Grande Galerie, der Galerie Napoléon. Unter Ludwig XVIII. und während des Zweiten Kaiserreichs dauerten die Arbeiten unter den Architekten Louis Visconti und Hector Lefuel an. Napoléon III. konnte den fertiggestellten Nouveau Louvre 1857 einweihen. Beim Aufstand der Pariser Kommune wurden im Mai 1871 die Tuilerien in Brand gesteckt, und die Ruinen wurden 1880 bis auf zwei kleine Pavillons abgerissen. Die beiden verbliebenen Pavillons dienten ab 1887 der auch als Salon des Indépendants bekannten Société des Artistes Indépendants als Ausstellungsraum. Ein kleiner Ruinenrest wurde 1871 verkauft und nach Berlin geschafft. Dort steht er seither auf der Insel Schwanenwerder.

Am 20. Juni 1791 versuchte die königliche Familie, ins Ausland zu fliehen. Marie Antoinettes langjähriger Freund Graf Hans Axel von Fersen spielte bei der Flucht nach Varennes eine führende Rolle. In Varennes wurde der König erkannt und verhaftet. Die königliche Familie wurde daraufhin unter Bewachung nach Paris zurückgebracht. Am 10. August 1792 veröffentlichte der Herzog von Braunschweig ein Manifest, in dem Gewalt angedroht wurde für den Fall, dass der königlichen Familie etwas zustoße. Das Volk stürmte daraufhin die Tuilerien und brachte die königliche Familie in den Temple, eine ehemalige Festung des Templerordens. Dort wurde die Königsfamilie streng bewacht, aber es gab immer noch Möglichkeiten, mit der Außenwelt zu kommunizieren.

Die Teilnahmslosigkeit des Königs führte dazu, dass die Königin in den Verhandlungen mitwirkte. Wegen ihrer Unerfahrenheit und Unkenntnis sowie unsicherer Informationen aus dem Ausland war es aber schwierig für sie, eine klare Politik zu verfolgen. Ihre Haltung bei der Rückkehr aus Varennes hatte Antoine Barnave beeindruckt, der im Namen der Feuillants und der konstitutionellen Partei Kontakt mit ihr aufnahm.

Ungefähr ein Jahr verhandelte sie mit Mercy und dem Kaiser Leopold II., ihrem Bruder. In geheimen Botschaften versuchte sie die Herrscher Europas zu einer bewaffneten Intervention zur Niederschlagung der Revolution zu bewegen. Da sie merkte, dass Barnaves Partei bald machtlos gegen die radikalen Republikaner sein würde, wurden ihre Appelle immer dringlicher. Aber die Verhandlungen dauerten an. Am 1. März 1792 starb Leopold II., ihm folgte Franz II. Marie Antoinette fürchtete nicht zu Unrecht, dass der neue Kaiser keine Intervention zu ihren Gunsten wagen würde. Während der Gefangenschaft erkrankte Marie Antoinettes Sohn.

Am 21. Jänner 1793 wurde Ludwig XVI. nach einem Schauprozess hingerichtet. Durch Marie Antoinettes Freunde, unter anderem Jarjayes, Toulan, Lepitre und den Baron Baz, wurden mehrere Versuche unternommen, sie und ihre Kinder zu retten. Auch mit Danton wurden Verhandlungen über ihre Freilassung oder ihren Austausch geführt. Man hatte ihr bereits ihren Sohn weggenommen und trennte sie jetzt auch von ihrer Tochter und Madame Élisabeth, der Schwester des Königs; am 1. August 1793 überstellte man sie in das Conciergerie-Gefängnis.

Am 14. Oktober 1793 begann der Prozess gegen die „Witwe Capet“ (bezugnehmend auf Hugo Capet, den Ahnherrn des französischen Herrschergeschlechts). Ihre Verteidigung hatten Claude Chauveau-Lagarde und Guillaume Tronson du Coudray übernommen. Man beschuldigte sie des Hochverrats und der Unzucht. Ihre Haltung angesichts der Anschuldigungen Fouquier-Tinvilles nötigte selbst manchen ihrer Feinde Respekt ab, und ihre Antworten während der langen Verhöre waren klar und durchdacht. Die Geschworenen entschieden einstimmig auf schuldig und verurteilten sie zum Tode, für den 16. Oktober 1793 wurde die Hinrichtung angesetzt. Um 12 Uhr wurde sie auf dem Revolutionsplatz, dem heutigen Place de la Concorde, enthauptet. Vom französischen Maler Jacques-Louis David gibt es eine Zeichnung, die Marie Antoinette auf dem Henkerskarren auf ihrer Fahrt zur Guillotine zeigt. Er stand am Fenster, als sie unten auf der Straße vorbeigefahren wurde.

Marie Antoinette wurde in einem Massengrab in der Nähe der heutigen Kirche La Madeleine verscharrt. An diese erste Grablege erinnert heute die Chapelle expiatoire. Mehr als 20 Jahre nach ihrem Tod wurde ihr Leichnam exhumiert – wobei ein Strumpfband bei ihrer Identifizierung half – und Marie Antoinette wurde nun in der Basilika Saint-Denis in Saint-Denis (10,3 km nördlich von Paris), der traditionellen Grablege der französischen Könige, an der Seite ihres Gatten beigesetzt.

Das Grand Trianon oder auch Große Trianon ist ein Lustschloss im Park des Schlosses von Versailles, das König Ludwig XIV. nach den Plänen des Architekten Jules Hardouin-Mansart als privaten Rückzugsort errichten ließ.

Ludwig XIV. erwarb 1668 das an der Stelle des heutigen Parkschlosses gelegene Dorf Trianon, um den Schlosspark von Versailles zu erweitern. Nach Abtragung des Dorfes wurde von 1670 bis 1672 von Louis Le Vau ein Ensemble aus einem größeren und vier kleineren um einen Hof gruppierten Pavillons errichtet. Der größere Königspavillon, der aus einem zentralen Salon sowie einem „Appartement de Diane“ und einem „Appartement des Amours“ bestand, sollte lediglich kurzen Aufenthalten dienen, die anderen Pavillons waren zur Zubereitung von Mahlzeiten bestimmt. Die Gebäude waren üppig mit Fayencekacheln verziert, weswegen der Ort Trianon de Porcelaine genannt wurde. Dieser Schmuck erwies sich als nicht winterfest und schon nach wenigen Jahren waren die Fliesen zu einem großen Teil gesprungen und das Ensemble in einem schlechten Zustand.

Der König entschied, ein größeres Schloss zu errichten, welches ihm abseits von Versailles als Ruheort dienen sollte. Es wurde von 1687 bis 1688 durch Jules Hardouin-Mansart erbaut. Dieses Gebäude wurde mit edlen Marmorsorten gestaltet und Trianon de Marbre genannt; es behielt diesen Namen bis zum Bau des benachbarten Petit Trianon. Hierhin zog sich der König mit seiner Favoritin Madame de Maintenon zurück, hier konnte er sich vor der Etikette und dem Hofzeremoniell erholen. Der Besuch von Trianon war, anders als der von Versailles, nicht jedermann gestattet und eine Einladung des Königs war eine außerordentliche Ehre. Das Schloss war auch nach dem Tode Ludwigs XIV. – nach einer kurzen Zeit des Leerstands – einer der bevorzugten Aufenthaltsorte seiner Nachfolger. Lediglich durch den Bau des Petit Trianon verlor das große Vorbild an Bedeutung, der Hof scharte sich nun um Marie Antoinette, die als spätere Besitzerin des Kleinen Trianon dort eine ganze Epoche prägte.

Auch Napoléon bezog kurzzeitig einige Räume des Grand Trianon – welches er ursprünglich seiner Mutter zudachte – und ließ das Schloss und einige Räume für sich herrichten, nachdem das nun über hundert Jahre alte Gebäude marode geworden war. 1920 wurde hier der Friedensvertrag von Trianon unterzeichnet, ein Teil des Versailler Vertrags, welcher das Ende des Ersten Weltkrieges besiegeln sollte.

Das Große Trianon war geplant als mehrflügeliger Bau nördlich des Großen Kanals. Den Mittelpunkt bildet das Peristyl, eine Säulenhalle, von der die einzelnen Gebäudeabschnitte wegführen.

Das Peristyl ist in der antiken Architektur ein rechteckiger Hof, der auf allen Seiten von durchgehenden Säulenhallen (Kolonnaden) umgeben ist. Das griechische Wort setzt sich aus peri „um herum“ und stylos „Säule“ zusammen und bedeutet eigentlich „das von Säulen Umgebene“. Gelegentlich werden totum pro parte auch nur die umgebenden Säulenhallen als Peristyl bezeichnet.

Das Peristyl wurde als Bautyp in der griechisch-hellenistischen Architektur entwickelt und tritt seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. auf. Es verbindet den Gedanken des Innenhofes mit dem der Stoa (Säulenhalle). Der gepflasterte Innenhof hat einen rechteckigen oder quadratischen Grundriss und ist auf allen vier Seiten von gleichmäßig gestalteten Hallen umgeben, die sich mit Säulenstellungen zum Hof hin öffnen. Die Rückseiten der Hofhallen können entweder an weitere Gebäudeteile oder an eine Außenwand angrenzen. Peristyle können auch zweistöckig gebaut werden, der dabei im Obergeschoss entstehende Umgang verfügt dann über eine kleinere Säulenstellung mit eingezogenen Brüstungen. Das Peristyl ist oft ein zentraler Bestandteil des herrschaftlichen Wohngebäudes (beispielsweise in den Palästen auf dem Burgberg von Pergamon) und über die Säulenhallen unmittelbar mit weiteren repräsentativen Räumen wie dem Andron verbunden.

Im Verlauf des 2. Jahrhunderts v. Chr. wurde das Peristyl in die römische Architektur übernommen und zum so genannten Gartenperistyl weiterentwickelt. Das traditionelle italische Stadthaus (domus) besaß im hinteren Bereich des Hauses einen ummauerten Garten (hortus), der nun bei repräsentativeren Häusern zunehmend nach dem Vorbild eines griechischen Peristyls umgestaltet wurde. Auf der Hoffläche wurde bevorzugt ein Ziergarten angelegt, dessen Anblick von den angrenzenden Speiseräumen (z. B. triclinien) aus genossen werden konnte.

Auch in den luxuriösen Villen (villae urbanae) der römischen Oberschicht auf dem Land wurde das Peristyl ein wichtiger Bestandteil. Viele Villen besaßen mehrere Peristyle beträchtlicher Größe, von denen dann oft eines als Gartenperistyl, häufig mit Wasserbecken und Brunnenanlagen ausgestattet, und eines als gepflastertes Peristyl im Wohnbereich angelegt wurden zum Beispiel in der Villa dei Papiri bei Herculaneum. Der römische Architekturtheoretiker Vitruv empfahl für die Villa die Abfolge von Eingang, Peristyl und Atrium in der Mittelachse des Gebäudes, während für das Stadthaus die umgekehrte Abfolge üblich war, bei der im Eingangsbereich das Atrium liegt und das Peristyl im hinteren, privateren Bereich des Hauses.

Bei der frühchristlichen Basilika werden die den Vorhof umgebenden Säulenhallen ebenfalls als Peristyl bezeichnet, der Innenhof selbst auch als Atrium. Die Begriffe stimmen mit den antiken Bauformen gleichen Namens nur noch teilweise überein. Die Hofhallen wurden in der Regel als Arkaden (Bogengänge) ausgeführt.

Die offene, den Blick in die Gärten freigebende Halle ist in dieser Gestalt auf direkte Veranlassung des Königs errichtet worden, der eine Durchsicht vom Ehrenhof in die Gärten verlangte und den Raum im Sommer als luftigen Speisesaal zu nutzen gedachte. Während des 19. Jahrhunderts war das Peristyl zeitweise mit großen Fenstertüren verschlossen, heute zeigt es sich wieder in seinem ursprünglichen Bild. Die Balustraden, die das flache Dach des Grand Trianon verbergen, waren bis zur französischen Revolution mit Statuen, Vasen und Trophäen dekoriert, dieser Schmuck wurde damals jedoch geplündert und nicht wiederhergestellt. Abgesehen vom Nordflügel, dem sog. Trianon sous Bois, ist das gesamte Gebäude einstöckig und vermittelt so durch die großen Rundbogenfenster einen Eindruck von Weite und Großzügigkeit. Der Flügel Trianon sous Bois ist mit der symmetrischen Gartenfassade des Grand Trianon durch einen langen Galeriebau verbunden und war unter anderem der bevorzugte Wohnort der Liselotte von der Pfalz.

Während der Zeit, die das Schloss bewohnt wurde, sind in der Ausstattung immer wieder Veränderungen vorgenommen worden, so zeigen sich einige Räume noch immer in ihrer barocken Dekoration, besonders die von Napoléon bewohnten Räume sind jedoch im Stile des Empire umgestaltet.

Seit der Regierungszeit Charles de Gaulles ist im Trianon sous Bois eine Wohnung für das französische Staatsoberhaupt eingerichtet. Das Schloss wird von der französischen Regierung auch heute noch für Empfänge und ähnliche Veranstaltungen genutzt, ist für Besucher aber geöffnet.

Rund um das Schloss befinden sich die barocken Gartenanlagen, welche die Bedeutung des Trianon als Gartenschloss noch unterstreichen. Zur Zeit des Sonnenkönigs waren die Blumen in den Broderieparterres nicht direkt in die Erde gepflanzt, sondern es wurde ein System von tönernen Töpfen entwickelt, das es möglich machte, die Pflanzen in kurzer Zeit durch andere zu ersetzen. So konnte der Blumenschmuck innerhalb weniger Stunden vollständig ausgetauscht werden. Die Gartenanlagen gehen direkt in den Park des Petit Trianon über und bildet mit diesem einen eigenen Bereich innerhalb des Versailler Schlossparks.

Der Park wurde durch mehr als 75.000 gestutzte Bäume und Bäumchen verziert, von denen zahlreiche aus den Baumschulen Vaux-le-Vicomtes stammten und zu Fouquets konfisziertem Vermögen gehörten.[99] Bezeichnenderweise blieb der Park in seiner barocken Struktur bis zum Ende des Ancien Regime in weiten Teilen unverändert. Die im 18. Jahrhundert von englischen Vorbildern beeinflusste Umgestaltung vieler europäischer Schlossparks tangierte die Versailler Gärten nur im kleinen Maßstab im sogenannten Boskett der Königin, im Boskett des Apollo-Bades und im privateren Bereich der Trianon-Schlösser. Zur Zeit Ludwigs XVI. wurden Teile des Parks umgestaltet und eine Aufforstung der Boskette vorgenommen. Dafür wurden weite Bereiche gerodet und neu bepflanzt, eine ähnliche Neubepflanzung wurde in den 1990er Jahren vorgenommen.

Den Übergang vom Schloss- zum Gartenbereich bilden die Parterres, die durch ihre niedrige Bepflanzung den Blick auf das Gebäude gewähren und durch ihre ornamentale Gestaltung die Motive der Baudekoration wiederholen.[100] Vor dem Nord- und dem Südflügel des Schlosses befinden sich prächtige Broderieparterres, das Parterre du Nord und das Parterre du Midi, die mit ornamentalen Blumenpflanzungen, zahlreichen Prunkvasen und Statuen dekoriert sind. Dem Corps de Logis sind zwei große Wasserbecken vorgelagert, die als Parterre d’Eau bezeichnet werden. In den fünfzehn Bosketten wiederholen sich die Säle des Schlossinneren im Freien. Hier sind mit gärtnerischen Mitteln Salons zwischen Hecken und Bäumen eingerichtet, die man ebenfalls mit Skulpturen, Springbrunnen und kunstvoll beschnittenen Pflanzen ausstaffierte. Zu den bekanntesten Gartenarchitekturen Frankreichs gehört dort die von Mansart entworfene kreisrunde, mit dutzenden Springbrunnen verzierte Kolonnade, seinerzeit berühmt war auch das große Labyrinth von Versailles.[101]

Das Zentrum des Petit Parcs bildet der aus mehreren Treppenstufen gebildete Brunnen der Latona, von dort führt die Königliche Allee mit dem so genannten Grünen Teppich in Richtung des Apollp-Brunnens, aus welchem der Sonnengott emporsteigt und sich symbolisch in Richtung des Königs erhebt. Hinter diesem Bassin beginnt der kreuzförmige Grand Canal, der den Park optisch in die Ferne verlängert und zugleich das sumpfige Gelände entwässert. Zur Zeit des Ancien Régime wurde die Wasserfläche mit venezianischen Gondeln samt italienischer Gondolieri befahren, für die eigens ein kleines Wohnareal namens Petit Venise, Klein Venedig, geschaffen wurde. Sogar der Nachbau eines Kriegsschiffes lag dort vor Anker.[102]

Am Südarm des Kanals befand sich eine große Menangerie, Ludwig XIV. hielt dort von 1668 bis 1681 unter anderem einen afrikanischen Elefanten, der ein diplomatisches Geschenk aus Portugal war.[103]

Latona kann mit Anna von Österreich interpretiert werden, deren Sohn Ludwig dann Apollon entspricht. Die Bedrohung der Latona durch die lykischen Bauern und deren anschließende Bestrafung ist ein Symbol der politischen Unruhen während der Kindheit Ludwigs. Im Hintergrund die Königliche Allee mit dem Grünen Teppich und in der Ferne der Große Kanal

Wie das Schloss, so diente auch der Park der Verherrlichung des Sonnenkönigs und ist voll von offenen und versteckten Anspielungen auf ihn.[104] In den Brunnen und Skulpturengruppen wird die griechische Mythologie als Gleichnis auf die Regierung Ludwigs dargestellt. Die Gärten steigen, durch mehrere Terassen gegliedert, zum Schloss an, so dass man sich nicht nur symbolisch hoch zum König begab. Sternförmige Wegkreuzungen entwickeln sich an verschiedenen Punkten des Parks, doch alle Hauptwege führen zu der dominierenden Mittelachse. Diese führt vom Großen Kanal zum Schloss und darüber hinaus durch die Stadt, ein Symbol für die Wege, die beim König zusammentreffen. Das Parterre d’Eau ist mit Skulpturen geschmückt, die Frankreichs große Flüsse versinnbildlichen und somit Zeichen von der Größe des Landes geben.[105]

Ludwig XIV. selbst verfasste den ersten Führer zu seinem Park, in dem er einen Rundweg empfahl, die Bedeutung der Statuen und Brunnen erläuterte und auf Besonderheiten in den Anpflanzungen hinwies.[106]

Seit 1661 hat Ludwig XIV. jene Praxis reglementiert, zugleich aber auch gefördert. Der Monarch sah darin eine willkommene Möglichkeit, sich mit den unmittelbaren Sorgen und Nöten seiner Untertanen vertraut zu machen. Später wurde in Versailles jeden Montag im Raum der Garde des Königs ein großer Tisch aufgestellt, auf dem die Bittgesuche von ihren Überbringern deponiert wurden. Bis 1683 war der Marquis de Louvois, Staatssekretär für das Kriegswesen und Minister, für die Weiterleitung dieser Gesuche verantwortlich. Sie wurden danach von den zuständigen Staatssekretären bearbeitet und alsbald – mit einem entsprechenden Bericht versehen – dem König vorgelegt, der dann jeden Fall persönlich entschied.

Am Hof gab es neben großen Festveranstaltungen, Theater- und Musikaufführungen auch vielfältige andere Möglichkeiten der Zerstreuung bis hin zum Glücksspiel und zu Vergnügungen einfachster Art.[107]

Paris erlebte unter der Aufsicht Colberts einen Bauboom, wie kaum wieder in der Geschichte. Ludwig ließ den Louvre umbauen, die Stadtmauern von Paris schleifen und durch breite Boulevards ersetzen, zahlreiche neue Plätze (darunter die Place des Victoires und Place Vendôme) erbauen, des Weiteren Kirchen (wie Saint-Roch und Val-de-Grâce), Brücken (den Pont Royal), Parkanlagen (wie der Tuileriengarten und die Champs-Élysées), Triumphbögen (z. B. die Porte Saint-Denis) und neue Stadtviertel (darunter die Faubourgs St. Antoine und St. Honoré) errichten. Aber auch so praktische Maßnahmen, wie eine durchgehende Straßenpflasterung, die ersten Straßenlaternen und frühe Formen der Kanalisation durchführen.

Unter diesen Baumaßnahmen ist auch das Hôtel des Invalides mit dem Invalidendom zu nennen, wo die Kriegsversehrten kostenlos versorgt wurden, sowie das Hôpital Salpêtrière. Auch das Pariser Observatorium für wissenschaftliche Studien und das Collège des Quatre Nations, das bis heute als Sitz der Académie française dient, zählen dazu, als auch die Gründung der Comédie-Française. Paris wuchs sprunghaft und war mit 700.000 Einwohnern eine der größten Städte der Welt, in der durch Ludwigs Förderung schließlich 20 % der intellektuellen Elite Europas wohnten. Die französische Hauptstadt wurde zum städtebaulichen und kulturellen Vorbild für den ganzen Kontinent.[108]

Der französische Hof wechselte des Öfteren den Aufenthaltsort, verließ aber nur höchst selten die Nähe von Paris.[109] Es gab einige Hauptresidenzen in der Umgebung der Hauptstadt, welche seit langem als Sitz der Könige dienten. Diese suchte Ludwig XIV. auszubauen und zu verschönern. In Fontainebleau ließ er in den Gärten ein neues Barockparterre, einen großen Kanal und einen neuen Park anlegen. In Saint-Germain-en-Laye wurde die Große Achse geschaffen und ebenfalls die Gärten neu gestaltet. Durch die Gartenarchitektur wurde André Le Nôtre – der Schöpfer des französischen Barockgartens – in ganz Europa berühmt.[110]

Im Schlosspark von Versailles ließ er sich mit dem Grand Trianon zudem ein Lustschloss errichten, welches wie Marly-le-Roi als Privatresidenz des Monarchen gedacht war.[111] In Marly entstand ab 1678 eine imposante Anlage, die als einzige nicht der Öffentlichkeit zugänglich war. Hierher zog sich Ludwig XIV. vom geschäftigen und stets öffentlichen Leben in Versailles zurück. Erscheinen durfte man nur auf ausdrückliche Einladung und eine solche galt als eine der höchsten Ehren im Leben eines Höflings. In der Umgebung, der nunmehr zur Stadt erhobenen Anlagen von Versailles, entstanden zahllose Schlösser und Gärten, die von Angehörigen des Königshauses und vom Hofadel errichtet wurden. Hier suchte man Ruhe vom Hof und ging der Jagd nach, oder lud den König für ein Fest zu seinen Ehren ein.[112] All dies verschlang ungeheure Mengen Geld und der Adel war bald gezwungen Pensionen vom König zu erbitten, um den Lebensstandard zu halten. So vergrößerte sich die Abhängigkeit der Adeligen weiter.[113]

Ludwig XIV. war ein komplexer Charakter. Er war für seinen Charme bekannt und brachte jedem die Höflichkeit entgegen, die ihm gebührte. Selbst vor Mägden soll er den Hut gezogen haben. Seine wichtigsten Eigenschaften waren wohl eine unerschütterliche Menschenkenntnis und der ihm nachgesagte scharfe Verstand. Als Monarch legte er einen großen Arbeitseifer an den Tag. Das Regieren fiel ihm leicht, denn er hatte eine geradezu professionelle Einstellung zu seiner Arbeit. Es wird berichtet, dass er in Sitzungen niemals ermüdete und jedem aufmerksam zuhörte, der das Wort an ihn richtete.

Ludwig XIV. schätzte hohe Bildung und seine Kenntnisse in Politik und Geschichte waren gefürchtet.[114] Auch zeichnete ihn enorme Willenskraft aus; so begegnete er Schmerzen und Situationen der Todesgefahr mit völliger Gelassenheit und Selbstbeherrschung. Beispielhaft dafür steht, dass er schon wenige Wochen nach einer ohne Narkose durchgeführten Operation wieder ausritt. Dennoch war er auch in hohem Maße von Egozentrik beherrscht, verbunden mit einem hohen Selbstwertgefühl. Er wurde von einem starken Drang nach Ruhm und Reputation geleitet, aber auch vom Gefühl der Pflichterfüllung gegenüber dem Staat und seinen Untertanen.[115]

Als Kavalier war Ludwig XIV. vorbildlich.[116] Frauen spielten in seinem Leben eine große Rolle, besonders als Mätressen. Seine Familie war ihm wichtig, besonders seinen Kindern schenkte er daher große Aufmerksamkeit. Als Vater und Großvater war er fürsorglich und liebevoll, er konnte aber auch hart und unnachgiebig sein. Seine unehelichen Kinder legitimierte er ausnahmslos, erhob sie in den Prinzenrang und verheiratete sie mit Prinzen und Prinzessinnen von Geblüt. Ludwig XIV. selbst war von durchschnittlicher Körpergröße und trug hohe Absätze, um noch größer zu wirken. Zeitgenossen berichten sogar, dass er auf viele Menschen durch seine äußere Erscheinung recht einschüchternd wirkte. Als Liebhaber und Förderer des Hofballetts tanzte er bis zu seinem 30. Lebensjahr ausgesprochen gern in öffentlichen Aufführungen.[117]

Ludwig XIV. steht für den monarchischen Absolutismus schlechthin, er hat diesen zwar nicht begründet, aber in Frankreich ausgebaut und verfestigt.[118] Auf dem Feld der Innenpolitik zeichneten ihn insbesondere die effektive Stärkung der königlichen Zentralverwaltung aus, um so traditionelle Machtrivalen, wie Schwertadel und Provinzialstände, zu schwächen. Dazu baute Ludwig konsequent ein straffes Netz aus dreißig Intendanten auf, die als Funktionsträger des Königs fungierten und so erfolgreich den Willen der Krone in den Provinzen durchsetzen konnten.[119]

Dies war sicherlich einer der wichtigsten Fortschritte seiner Herrschaft. Aber es wären ebenso die Gesetzgebungswerke des Königs auf dem Gebiet der Rechtspflege (Code Louis), des Handels, der Schifffahrt und des Sklavenhandels (Code Noir) zu nennen, die zu den großen innen- und wirtschaftspolitischen Leistungen seiner Regierung gezählt werden. Der Code Noir ist eines der vielen Gesetze, die auf Jean-Baptiste Colbert zurückgehen.[120]

Zu den Schattenseiten seiner Herrschaft gehören zweifellos auch die Repressionen gegenüber den Hugenotten, die beispielhaft für die religiöse Intoleranz der Epoche stehen und in fast ganz Europa auf ähnliche Weise stattgefunden haben. Damals war die 1685 erfolgte Aufhebung des Ediktes von Nantes in Frankreich aber eine der populärsten Entscheidungen seiner Amtszeit.

Der Vorwurf hingegen, Ludwig XIV. hätte sein Land in den Ruin geführt, ist angesichts der historischen Realität unplausibel. Eine wirtschaftliche Stagnation ließ sich in Frankreich nur während des Spanischen Erbfolgekriegs beobachten, als auch die Steuern für Gewerbe, Grundherrn und Kirche ungewöhnlich hoch waren sowie durch diverse Missernten Hungersnöte hinzukamen. Nach dem kräftezehrenden Erbfolgekrieg zeigte sich das Reich der Bourbonen zwar als hoch verschuldet, aber noch immer prosperierend. Die Staatsverschuldung von 1715 resultierte auch nicht aus einem übertriebenen Hang zu höfischen Luxus und Großbauten, sondern war überwiegend die Folge des Spanischen Erbfolgekriegs, der ungeheure finanzielle Anstrengungen nötig gemacht hatte. Zweimal ließ er alles Silber im Land konfiszieren, einschmelzen und prägte daraus Münzen, um seine Armeen bezahlen zu können. Erst mit dem Lawschen Finanzsystem - zwei Jahre nach Ludwigs Tod und ab 1716 - konnte durch die Mississippi-Spekulation mit dem anschließenden Zusammenbruch der Bank ein Großteil der Staatsschulden abgeschrieben werden.[121]

Die größten Erfolge kann Ludwig im Bereich der Außenpolitik vorweisen.[122] Er hinterließ ein mächtigeres, größeres und auch strategisch abgesichertes Frankreich, das nun endgültig als eine der führenden Seemächte anerkannt war. Abgesichert nicht zuletzt deshalb, weil es ihm in den letzten Jahren seiner Herrschaft gelungen war, die habsburgische Einkreisung für immer zu beenden. Allerdings musste Ludwig dafür lange Kriege führen, deren Kosten die große Masse der Bevölkerung zu tragen hatte. Dennoch waren die Steuern seiner Zeit sicher nicht – wie gern behauptet – ruinös für die Untertanen. Eine beachtliche Leistung nach innen und außen war ebenso die Kunst- und Repräsentationspolitik. Mit deren Hilfe hatte Ludwig quasi eine Hegemonie der französischen Kultur über Europa etablieren können, die sich sogar bis in das 19. Jahrhundert erhalten sollte.[123]

Der Sonnenkönig wurde immer wieder, je nach Epoche und politischer Ausrichtung, höchst unterschiedlich bewertet. So galt er den Republikanern als ein Scheusal der Autokratie und die nationalistischen Deutschen stilisierten ihn zum Raubkönig, der Deutschland im Würgegriff gehalten habe. Tatsächlich lieferte Ludwig durch seine aggressive Expansionspolitik den Deutschnationalen ein Argument für die deutsch-französische Erbfeindschaft. Andere hingegen sehen in ihm einen pflichtbewussten und umsichtigen Monarchen, der bereits Prinzipien der Aufklärung vorwegnahm. In Frankreich wird er bis heute für seine tatkräftige Steigerung der nationalen Größe auch verehrt und zu den mit Abstand bedeutendsten Persönlichkeiten der französischen Geschichte gezählt. Der erste Autor, der ihm eine umfangreiche historische Analyse widmete, war der Philosoph Voltaire.

Fußnoten

  1.  ↑ Malettke, K.: Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung, Göttingen 2009, S. 121
  2.  ↑ Schultz, U.: Der Herrscher von Versailles. Ludwig XIV und seine Zeit, München 2006, S. 120
  3.  ↑ Erbe, M. u.a.: Das Zeitalter des Sonnenkönigs. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit Damals— Das Magazin für Geschichte, Darmstadt 2015, S. 87
  4.  ↑ Bluche, F.: Im Schatten des Sonnenkönigs. Alltagsleben im Zeitalter Ludwigs XIV. Ploetz, Freiburg 1986, S. 84
  5.  ↑ Malettke, K.: Ludwig XIV. von Frankreich. Leben, Politik und Leistung, Göttingen 2009, S. 127
  6.  ↑ Lewis, W. H.: Ludwig XIV. Der Sonnenkönig. Heyne, München 1989, S. 75
  7.  ↑ Goubert, P.: Ludwig XIV. und zwanzig Millionen Franzosen, Berlin 1973, S. 20ff
  8.  ↑ Erbe, M. u.a.: Das Zeitalter des Sonnenkönigs. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit Damals— Das Magazin für Geschichte, Darmstadt 2015, S. 89ff
  9.  ↑ Ebd., S. 92
  10.  ↑ Goubert, P.: Ludwig XIV. und zwanzig Millionen Franzosen, Berlin 1973, S. 55
  11.  ↑ Ebd., S. 57
  12.  ↑ Erbe, M. u.a.: Das Zeitalter des Sonnenkönigs. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit Damals— Das Magazin für Geschichte, Darmstadt 2015, S. 95ff
  13.  ↑ Ebd., S. 99
  14.  ↑ Goubert, P.: Ludwig XIV. und zwanzig Millionen Franzosen, Berlin 1973, S. 63
  15.  ↑ Erbe, M. u.a.: Das Zeitalter des Sonnenkönigs. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit Damals— Das Magazin für Geschichte, Darmstadt 2015, S. 96
  16.  ↑ Erlanger, P.: Ludwig XIV. Das Leben eines Sonnenkönigs. Bechtermünz, Augsburg 1996, S. 48
  17.  ↑ Ziegler, G.: Der Hof Ludwigs XIV. in Augenzeugenberichten, Düsseldorf 1964, S. 76
  18.  ↑ Erlanger, P.: Ludwig XIV. Das Leben eines Sonnenkönigs. Bechtermünz, Augsburg 1996, S. 73
  19.  ↑ Ebd., S. 73
  20.  ↑ Goubert, P.: Ludwig XIV. und zwanzig Millionen Franzosen, Berlin 1973, S. 90
  21.  ↑ Erbe, M. u.a.: Das Zeitalter des Sonnenkönigs. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit Damals— Das Magazin für Geschichte, Darmstadt 2015, S. 101
  22.  ↑ Erlanger, P.: Ludwig XIV. Das Leben eines Sonnenkönigs. Bechtermünz, Augsburg 1996, S. 77
  23.  ↑ Ebd., S. 78
  24.  ↑ Lewis, W. H.: Ludwig XIV. Der Sonnenkönig. Heyne, München 1989, S. 102
  25.  ↑ Denninger, H.: Französische Geschichte, Darmstadt 1994, S. 66
  26.  ↑ Ebd., S. 72
  27.  ↑ Hesser, K.: Absolutismus, Nürnberg 1985, S. 39
  28.  ↑ Ebd., S. 66
  29.  ↑ Ebd., S. 76
  30.  ↑ Ebd., S. 71
  31.  ↑ Ebd., S. 77
  32.  ↑ Denninger, H.: Französische Geschichte, Darmstadt 1994, S. 99
  33.  ↑ Ebd., S. 101
  34.  ↑ Ebd., S. 104
  35.  ↑ Restourix, F.: Französische Kulturgeschichte, Köln 1995, S. 178
  36.  ↑ Schippers, M.: Der Absolutismus in Frankreich, Spanien und Portugal, Wiesbaden 1996, S. 69
  37.  ↑ Denninger, H.: Französische Geschichte, Darmstadt 1994, S. 88
  38.  ↑ Ebd., S. 104
  39.  ↑ Heuberger, C.: Musikgeschichte. Eine Einführung, Darmstadt 1972, S. 254
  40.  ↑ Von Stackelberg, J.: Molière. Eine Einführung, Stuttgart 2005, S. 19
  41.  ↑ Von Stackelberg, J.: Molière. Eine Einführung, Stuttgart 2005, S. 32
  42.  ↑ Scott, V.: Molière. A theatrical life, Cambridge 2001, S. 19
  43.  ↑ Strich, C./Charbon, R./Haffmans, G. (Hrsg.): Über Molière., Zürich 1973, S. 55
  44.  ↑ Scott, V.: Molière. A theatrical life, Cambridge 2001, S. 39
  45.  ↑ Von Stackelberg, J.: Molière. Eine Einführung, Stuttgart 2005, S. 64ff
  46.  ↑ Strich, C./Charbon, R./Haffmans, G. (Hrsg.): Über Molière., Zürich 1973, S. 65
  47.  ↑ Scott, V.: Molière. A theatrical life, Cambridge 2001, S. 68
  48.  ↑ Strich, C./Charbon, R./Haffmans, G. (Hrsg.): Über Molière., Zürich 1973, S. 78
  49.  ↑ Strich, C./Charbon, R./Haffmans, G. (Hrsg.): Über Molière., Zürich 1973, S. 128
  50.  ↑ Scott, V.: Molière. A theatrical life, Cambridge 2001, S. 92
  51.  ↑ Bluche, F.: Im Schatten des Sonnenkönigs. Alltagsleben im Zeitalter Ludwigs XIV. Ploetz, Freiburg 1986, S. 76ff
  52.  ↑ Brandt, R.: Philosophie in Bildern, 2. Auflage, Köln 2001, S.266
  53.  ↑ Hocke, G.R.: Der Manierismus in der Literatur. Sprach-Alchemie und esoterische Kombinationskunst. Beiträge zur vergleichenden europäischen Literaturgeschichte, Hamburg 1959, S. 68f
  54.  ↑ Vgl. dazu Zerner, H.: Die Schule von Fontainebleau, Wien 1969
  55.  ↑ Schneider, N.: Historienmalerei: vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2012, S. 134ff
  56.  ↑ Vgl. dazu Wright, C.: Poussin. Gemälde. Ein kritisches Werkverzeichnis, Landshut 1989
  57.  ↑ Badt, K.: Die Kunst des Nicolas Poussin, Köln 1969, S. 73
  58.  ↑ Marin, L.: Zu einer Theorie des Lesens in den bildenden Künsten: Poussins Arkadische Hirten, in: Kemp, W. (Hrsg.): Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik, Köln 1985, S. 110–146, hier S. 124
  59.  ↑ Brandt, R.: Arkadien in Kunst, Philosophie und Dichtung,. 3. Auflage, Freiburg im Breisgau/Berlin 2006, S. 20
  60.  ↑ Ebd., S. 36
  61.  ↑ Kubusch, K.: Aurea Saecula, Frankfurt am Main 1986, S. 31–34
  62.  ↑ Becht-Jördens, G./ Wehmeier, P. M.: Picasso und die christliche Ikonographie, Berlin 2003, S. 182f
  63.  ↑ Becht-Jördens, G./Wehmeier, P. M.: Leben im Angesicht des Todes. Die Erfindung der Kunst als Medium der Angstbewältigung bei Nicolas Poussin (1594–1665), in: Boehlke, E./Förstl, H./Heuser, M.P. (Hrsg.): Zeit und Vergänglichkeit, Berlin 2008, S. 74–90, hier S. 75
  64.  ↑ Bätschmann, O.: Dialektik der Malerei von Nicolas Poussin, München 1982, S. 84
  65.  ↑ Johannsen, R.H.: 50 Klassiker Gemälde. Die wichtigsten Gemälde der Kunstgeschichte, Hildesheim 2001, 2. Auflage, S. 108
  66.  ↑ Hermann, A.: Denn alle Kunst will Ewigkeit. Acht Essays über Bilder, Stuttgart 2012, S. 77
  67.  ↑ Brandt, Philosophie in Bildern, a.a.O., S.265ff
  68.  ↑ Joch, P.: Methode und Inhalt. Momente von künstlerischer Selbstreferenz im Werk von Nicolas Poussin, Hamburg 2003, S. 145f
  69.  ↑ Becks-Malorny, U.: Cézanne 1839-1906. Wegbereiter der Moderne, Köln 2007, S. 82
  70.  ↑ Berthold, G.. Cézanne und die alten Meister''.'' Stuttgart 1958, S. 142
  71.  ↑ Machotka, P.: Cézanne: Landscape into Art, Yale University Press 1996, S. 45
  72.  ↑ Zerner, H.: Die Schule von Fontainebleau, Wien 1969, S. 23ff
  73.  ↑ Schneider, N.: Historienmalerei: vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2012, S. 136
  74.  ↑ Becht-Jördens, G./Wehmeier, P. M.: Leben im Angesicht des Todes. Die Erfindung der Kunst als Medium der Angstbewältigung bei Nicolas Poussin (1594–1665), in: Boehlke, E./Förstl, H./Heuser, M.P. (Hrsg.): Zeit und Vergänglichkeit, Berlin 2008, S. 74–90, hier S. 88
  75.  ↑ Brandt, R.: Philosophie in Bildern, 2. Auflage, Köln 2001, S. 255
  76.  ↑ Zerner, H.: Die Schule von Fontainebleau, Wien 1969, S. 103ff
  77.  ↑ Ebd., S. 106
  78.  ↑ Schneider, N.: Historienmalerei: vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2012, S. 137
  79.  ↑ Zerner, H.: Die Schule von Fontainebleau, Wien 1969, S. 78
  80.  ↑ Becht-Jördens, G./Wehmeier, P. M.: Leben im Angesicht des Todes. Die Erfindung der Kunst als Medium der Angstbewältigung bei Nicolas Poussin (1594–1665), in: Boehlke, E./Förstl, H./Heuser, M.P. (Hrsg.): Zeit und Vergänglichkeit, Berlin 2008, S. 74–90, hier S. 89
  81.  ↑ Schwesig, B.-R.: Ludwig XIV. mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek 2001, S. 48
  82.  ↑ Ziegler, G.: Der Hof Ludwigs XIV. in Augenzeugenberichten, Düsseldorf 1964, S. 48
  83.  ↑ Erlanger, P.: Ludwig XIV. Das Leben eines Sonnenkönigs. Bechtermünz, Augsburg 1996, S. 38
  84.  ↑ Ranum, O.: Paris in the Age of Absolutism. An essay, Pennsylvania 2003, S. 20
  85.  ↑ Newton, W.R.: Hinter den Fassaden von Versailles, Berlin 2010, S. 17
  86.  ↑ d’Archimbaud, N.: Versailles. Verlag Stiebner, 2001, S. 47
  87.  ↑ Walton, G.: Louis XIV’s Versailles, London 1986, S. 65
  88.  ↑ Pérouse de Montclos, J.-M./Polidori, R.: Versailles, Köln 1996, S. 27
  89.  ↑ Newton, W.R.: Hinter den Fassaden von Versailles, Berlin 2010, S. 53
  90.  ↑ Walton, G.: Louis XIV’s Versailles, London 1986, S. 53
  91.  ↑ Pérouse de Montclos, J.-M./Polidori, R.: Versailles, Köln 1996, S. 26
  92.  ↑ Newton, W.R.: Hinter den Fassaden von Versailles, Berlin 2010, S. 76
  93.  ↑ d’Archimbaud, N.: Versailles. Verlag Stiebner, 2001, S. 53
  94.  ↑ Lablaude, P.A.: Die Gärten von Versailles, Worms 1995, S. 26
  95.  ↑ Ranum, O.: Paris in the Age of Absolutism. An essay, Pennsylvania 2003, S. 97
  96.  ↑ Milovanovic, N: Les grands appartements de Versailles sous Louis XIV, Paris 2005, S. 44
  97.  ↑ Walton, G.: Louis XIV’s Versailles, London 1986, S. 79
  98.  ↑ d’Archimbaud, N.: Versailles. Verlag Stiebner, 2001, S. 76
  99.  ↑ Pérouse de Montclos, J.-M./Polidori, R.: Versailles, Köln 1996, S. 39
  100.  ↑ Lablaude, P.A.: Die Gärten von Versailles, Worms 1995, S. 38
  101.  ↑ Milovanovic, N: Les grands appartements de Versailles sous Louis XIV, Paris 2005, S. 77
  102.  ↑ Lablaude, P.A.: Die Gärten von Versailles, Worms 1995, S. 49
  103.  ↑ d’Archimbaud, N.: Versailles. Verlag Stiebner, 2001, S. 125
  104.  ↑ Walton, G.: Louis XIV’s Versailles, London 1986, S. 39
  105.  ↑ Schwesig, B.-R.: Ludwig XIV. mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek 2001, S. 55
  106.  ↑ Walton, G.: Louis XIV’s Versailles, London 1986, S. 103
  107.  ↑ Schwesig, B.-R.: Ludwig XIV. mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek 2001, S. 73
  108.  ↑ Ranum, O.: Paris in the Age of Absolutism. An essay, Pennsylvania 2003, S. 48
  109.  ↑ Erlanger, P.: Ludwig XIV. Das Leben eines Sonnenkönigs. Bechtermünz, Augsburg 1996, S. 55
  110.  ↑ Lablaude, P.-A.: Die Gärten von Versailles. Werner, Worms 1995, S. 17ff
  111.  ↑ Lewis, W. H.: Ludwig XIV. Der Sonnenkönig. Heyne, München 1989, S. 55
  112.  ↑ Ranum, O.: Paris in the Age of Absolutism. An essay, Pennsylvania 2003, S. 29
  113.  ↑ Ziegler, G.: Der Hof Ludwigs XIV. in Augenzeugenberichten, Düsseldorf 1964, S. 28
  114.  ↑ Wrede, M.: Ludwig XIV. Der Kriegsherr aus Versailles, Darmstadt 2015, S. 39
  115.  ↑ Ranum, O.: Paris in the Age of Absolutism. An essay, Pennsylvania 2003, S. 58
  116.  ↑ Bernier, O.: Ludwig XIV. Eine Biographie, Zürich 1989, S. 145
  117.  ↑ Goubert, P.: Ludwig XIV. und zwanzig Millionen Franzosen, Berlin 1973, S. 39
  118.  ↑ Erlanger, P.: Ludwig XIV. Das Leben eines Sonnenkönigs. Bechtermünz, Augsburg 1996, S. 103
  119.  ↑ Bluche, F.: Im Schatten des Sonnenkönigs. Alltagsleben im Zeitalter Ludwigs XIV. Ploetz, Freiburg 1986, S. 38
  120.  ↑ Schultz, U.: Der Herrscher von Versailles. Ludwig XIV und seine Zeit, München 2006, S. 65
  121.  ↑ Lewis, W. H.: Ludwig XIV. Der Sonnenkönig. Heyne, München 1989, S. 45
  122.  ↑ Sonnino, P.: Louis XIV and the origins of the Dutch War, Cambridge 1988, S. 49
  123.  ↑ Lablaude, P.-A.: Die Gärten von Versailles. Werner, Worms 1995, S. 87