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Von Margarete Lausberg

Eckpunkte der österreichischen Geschichte

Die Geschichte des Schlosses Schönbrunn war immer mit dem Haus Habsburg verbunden.

Nach der Wahl Rudolfs I. zum römisch-deutschen König etablierten die Habsburger mit dem Erwerb der Herzogtümer Österreich und Steiermark (durch Belehnung der Söhne Rudolfs) eine bedeutende Hausmacht.[1] Mit weiteren Gebietszuwächsen im Osten und dem Verlust der althabsburgischen Besitzungen in der Schweiz durch die Schweizer Habsburgerkriege im 14. und 15. Jahrhundert verlagerte sich das Machtzentrum endgültig in das Ostalpengebiet. Die Habsburg selbst fiel 1415 an die Eidgenossen. Dennoch blieben die Beziehungen der Habsburger zu ihrem früheren Kernland eng. Dies zeigte sich unter anderem am Kloster Muri und an der Abtei Königsfelden, zuletzt am jahrzehntelangen Aufenthalt der letzten Kaiserin, Zita, in der Schweiz.

Die Nichtberücksichtigung im Kreis der Kurfürsten in der Goldenen Bulle veranlasste Herzog Rudolf IV. 1358 / 1359 zu einer Fälschung, dem Privilegium Maius, in dem er den Erzherzogstitel, der später für die Habsburger charakteristisch wurde, für sich beanspruchte. Jedoch kam schon der italienische Gelehrte Francesco Petrarca zu dem Urteil, dass die Urkunden gefälscht worden waren. Das Privilegium Maius wurde erst 1453 durch den Habsburger Kaiser Friedrich III. bestätigt und reichsrechtlich anerkannt.[2]

Seit der Wahl König Albrechts II. 1438 stellten die Habsburger – mit Ausnahme Kaiser Karls VII. (1742–1745) – alle Kaiser des Heiligen Römischen Reiches bis zu dessen Ende 1806. Mit Hilfe ihrer Heiratspolitik erwarben die Habsburger im auslaufenden 15. Jahrhundert durch Maximilian I. die burgundischen Niederlande, die Freigrafschaft Burgund und danach die Kronen Spaniens, Böhmens, Kroatiens und Ungarns (Habsburgermonarchie).

Mit den Nachfolgern von Kaiser Karl V. teilten sich die Habsburger in eine spanische und in eine österreichische Linie. Nach dem Erlöschen der spanischen Linie mit Karl II. 1700 konnten die österreichischen Habsburger im spanischen Erbfolgekrieg nur einen kleinen Teil des spanischen Erbes gewinnen.

1740 starb auch die österreichische Linie im Mannesstamm aus.[3] Durch die Pragmatische Sanktion von 1713 hatte Karl VI. für diesen Fall das Erbrecht weiblicher Nachkommen gesichert, wodurch seine Tochter Maria Theresia die Herrscherrechte übernahm. Die regierende Erzherzogin von Österreich und Königin u. a. von Ungarn (mit Kroatien) und Böhmen (1740–1780) zählte zu den prägenden Monarchen der Ära des aufgeklärten Absolutismus. Nach dem Tod des Wittelsbachers Karl VII. 1745 erreichte sie die Wahl und Krönung ihres Gatten Franz I. Stephan zum römisch-deutschen Kaiser. Ohne eigene Hausmacht und ohne nennenswerte militärische oder politische Begabung widmete sich Franz Stephan vor allem der finanziellen Absicherung der kaiserlichen Familie – womit er sehr erfolgreich war. Die Regierungsgeschäfte der Habsburgermonarchie führte seine Frau allein. Wie jede Gattin eines Kaisers wurde sie, obwohl nicht selbst gekrönt, als Kaiserin tituliert.

Maria Theresia musste unmittelbar nach Antritt der Herrschaft den Österreichischen Erbfolgekrieg bestehen. Zwar büßte sie den größten Teil Schlesiens und die Grafschaft Glatz an Friedrich II. von Preußen ein, konnte aber alle weiteren Habsburger Besitzungen wahren. In der Folge betrieb sie eine umfassende Reformpolitik in verschiedenen Bereichen. Dazu gehörten die Staatsorganisation, das Justiz- und das Bildungswesen. In der Wirtschaftspolitik verfolgte sie eine neuere Form des Merkantilismus. Im Sinne des aufgeklärten Absolutismus wurde die Bedeutung der Stände und partikularen Kräfte zurückgedrängt und dadurch der Zentralstaat gestärkt. Außenpolitisch suchte Maria Theresia den Ausgleich mit Frankreich. Nach dem Siebenjährigen Krieg musste sie endgültig auf Schlesien verzichten. Im Zuge der Ersten Polnischen Teilung erwarb sie Galizien.[4]

Nach dem Tod ihres Ehemannes 1765 machte sie ihren Sohn Joseph II., der wie sein Vater zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt wurde, zum Mitregenten in den habsburgischen Erblanden. Allerdings erwies sich aufgrund unterschiedlicher politischer Vorstellungen die Zusammenarbeit zwischen Mutter und Sohn als relativ schwierig. Joseph II. war der erste Monarch des Hauses Habsburg-Lothringen, das bis 1918 regierte.

In den darauffolgenden Jahren wurden von Maria Theresia einige Änderungen für die Erblande in Österreich und Böhmen durchgeführt:[5]

Der ungarische Adel, der Maria Theresia im Machtkampf am Beginn ihrer Herrschaft unterstützt hatte, behielt seine Privilegien. Es entstand somit ein österreichisch-ungarischer Dualismus. Unter Maria Theresia begann man, die damals sehr dünn besiedelten Gebiete in Galizien und Lodomerien, dem Banat und Siebenbürgen zu besiedeln.[6] Die prägendste Einwanderergruppe waren die Donauschwaben. Diese Siedlungspolitik wurde bis zum Zerfall der Monarchie weitergeführt und führte unter anderem auch zur Ansiedlung von Juden in der Bukowina, die im späten 19. Jahrhundert die dortige Kultur stark prägten.

1765 wurde ihr Sohn Joseph II. Kaiser des römisch-deutschen Reiches und zum Mitregenten ernannt, er sollte jedoch erst nach dem Tod Maria Theresias 1780 die Amtsgeschäfte zur Gänze übernehmen. Joseph II. führte viele Reformen durch; seine Regierungsform (Josephinismus) wurde später als aufgeklärter Absolutismus bezeichnet.[7] Er öffnete ab 1766 bisherige Privatparks des Kaiserhofes für jedermann. Er schaffte 1781 die Leibeigenschaft ab und schloss Klöster, die nur kontemplativ tätig waren und keine Leistungen für die Allgemeinheit erbrachten. Nachdem 1779 im Frieden von Teschen das Innviertel für Österreich gewonnen wurde, scheiterte 1785 der Versuch, Bayern gegen die Österreichischen Niederlande zu tauschen. Weitere Reformen wurden vor allem durch den Widerstand Ungarns und der Österreichischen Niederlande verhindert, wo 1789 die Brabanter Revolution ausbrach. Trotzdem gilt Joseph als wichtiger Aufklärer und entscheidender Wegbereiter der bürgerlichen Gesellschaft.

Österreich wirkte 1773 an der ersten und in der Folge 1795 an der dritten Teilung Polens mit.[8] (Maria Theresia wollte 1773 dem Gebietsgewinn von Preußen und Russland nicht untätig zuschauen.) Bei der ersten Teilung erhielt Österreich Galizien mit dem Gebiet um Lemberg und gründete das Königreich Galizien und Lodomerien. Bei der dritten Teilung konnte Österreich das später Westgalizien genannte Gebiet mit Kleinpolen bis südöstlich von Warschau für sich gewinnen.

Josephs Nachfolger wurde sein jüngerer Bruder Leopold II. Seine Hilfe – gemeinsam mit Preußens Friedrich Wilhelm II. – für den französischen König Ludwig XVI. kam nicht mehr zustande, Leopold II. starb völlig überraschend im März 1792 im Alter von 44 Jahren. Nach ihrer Hochzeit mit Franz Stephan von Lothringen nannte sich die Dynastie Habsburg-Lothringen. Sie stellte nach dem Tod Kaiser Franz' I. Stephan von 1765 bis 1806 die Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. 1806 legte Kaiser Franz II. als Folge der napoleonischen Kriege die Krone nieder; das Heilige Römische Reich war damit de facto erloschen.

Schon zuvor, nämlich 1804, hatte Kaiser Franz II. als Franz I. das erbliche Kaisertum Österreich proklamiert, um Ranggleichheit mit Napoleon zu wahren, welcher im gleichen Jahr zum Kaiser der Franzosen proklamiert worden war. Das Kaisertum Österreich umfasste sämtliche habsburgischen Erbländer. 1867 erfolgte die Umwandlung zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie; diese zerfiel mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918.[9]

Im neuen Kaisertum Österreich wurde die im Auftrag von Kaiser Rudolf II. 1602 in Prag angefertigte Privatkrone des Hauses Habsburg zur offiziellen österreichischen Kaiserkrone erklärt, doch fand eine Krönung zum Kaiser von Österreich niemals statt. Allerdings ließ sich Franz I. die Krone tragend malen. Hingegen ließen sich alle österreichische Kaiser – Franz I. (1804–1835), Ferdinand I.(V.) (1835–1848), Franz Joseph I. (1848–1916) und Karl I.(IV.) (1916–1918) – mit der Stephanskrone zu ungarischen Königen krönen, um dem ungarischen Staatsrecht Genüge zu tun; Franz Joseph freilich erst 1867, nach einem fast zwanzigjährigen Kampf mit den ungarischen Ständen. Die Krönung mit der böhmischen Wenzelskrone fand letztmals 1836 für Ferdinand I.(V.) statt. Er war auch der einzige österreichische Kaiser, der (1838) mit der Eisernen Krone der Lombardei gekrönt wurde.

Das neue Kaisertum Österreich war ein Vielvölkerstaat, in dem außer Deutsch auch Ungarisch, Italienisch, Tschechisch, Polnisch, Ukrainisch, Rumänisch, Kroatisch, Serbisch, Slowakisch und Slowenisch gesprochen wurde. Mit seinen vormals zum Heiligen Römischen Reich gehörenden Gebieten gehörte es ab 1815 zum Deutschen Bund, in dessen Bundesversammlung der österreichische Gesandte den Vorsitz führte. Salzburg fiel im Jahr 1816, nach mehrmaligem Besitzwechsel, als Herzogtum an das Kaisertum Österreich, nachdem es seit 1328 ein eigenständiges geistliches Reichsfürstentum (Erzstift Salzburg) gewesen war.[10]

Leitender Politiker des österreichischen Biedermeiers war der Außenminister und spätere Staatskanzler Metternich. Ihm ging es darum, die Bevölkerung mit Zensur und Spitzelsystem zu kontrollieren, um mittels Restauration die alte Ordnung, die absolute Monarchie zu erhalten. Die gleichen Ziele hatten zu dem Zeitpunkt Preußen und Russland; gemeinsam gründeten diese drei Monarchien die Heilige Allianz. Andererseits fand in dieser Epoche auch die Industrialisierung Österreichs statt..

In der Revolution des Jahres 1848 strebten die Völker der Monarchie nach Demokratie und Unabhängigkeit, Staatskanzler Metternich wurde verjagt.[11] Nur die k. k. Armee unter Radetzky, Jelačić und Windisch-Graetz und die Hilfe der russischen Armee sicherten der Monarchie das Überleben. Am 2. Dezember 1848 löste auf Wunsch der Dynastie der 18-jährige Franz Joseph den kranken Kaiser Ferdinand I. auf dem Thron ab. Der unerfahrene neue Herrscher hielt 1849 Gericht über die aufständischen Ungarn und ließ ein Dutzend der höchsten ungarischen Heerführer hinrichten. 1851 hob er im Silvesterpatent die von ihm selbst oktroyierte Verfassung auf. Seine Popularität war in den ersten 20 Jahren seiner Regierung ausgesprochen gering.[12]

Im Kampf um die Vormachtstellung im Deutschen Bund (Deutscher Dualismus) erzwang Preußen unter Bismarck eine Entscheidung im Sinn der kleindeutschen Lösung ohne Österreich. Im Deutschen Krieg 1866 unterlag Österreich, das den Deutschen Bund anführte, den Preußen in der Schlacht bei Königgrätz.[13] Der Deutsche Bund löste sich auf und Österreich spielte im weiteren deutschen Einigungsprozess keine Rolle mehr. Bereits 1859 hatte Österreich nach der Schlacht von Solferino die Vorherrschaft in Norditalien verloren. Mit der Niederlage im Deutschen Krieg musste es 1866 auch noch Venetien an das mit Preußen verbündete Italien abtreten.

Der durch die Niederlagen politisch geschwächte Kaiser musste im Inneren tiefgreifende Reformen durchführen und seine (neo-)absolutistische Regierungsweise aufgeben. Gegen seinen zähen Widerstand erreichten seine Berater die Umwandlung in eine konstitutionelle Monarchie: mit dem auf das unzweckmäßige Oktoberdiplom 1860 folgenden Februarpatent 1861, mit dem der Reichsrat als Parlament geschaffen wurde.[14]

Der mit Ungarn erzielte Ausgleich von 1867 beendete den Boykott des Staates durch die magyarische Aristokratie und führte zur Umwandlung des bisherigen Einheitsstaates in die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie, eine Realunion. In Cisleithanien (ein Begriff der Bürokraten- und Juristensprache), der inoffiziell meist Österreich genannten westlichen Reichshälfte, wurde dies durch die sogenannte Dezemberverfassung 1867, die bis 1918 in Kraft blieb, effektuiert.[15] Die durch den Ausgleich erfolgte Begünstigung der Magyaren, die in der Innenpolitik nun von Österreich weitestgehend unabhängig wurden, gegenüber den anderen Völkern der Monarchie heizten die Nationalitätenkonflikte weiter an. Während die Bestrebungen der tschechischen Nationalbewegung um einen Österreichisch-Tschechischen Ausgleich scheiterten, konkurrierten die slowakische Nationalbewegung und in geringerem Maße die von kroatischen Intellektuellen angeführte Illyrische Bewegung, die von Russland unterstützt wurde, mit der Magyarisierungspolitik der ungarischen Regierung.[16]

In Österreich führten die nationalen Wünsche der einzelnen Völker zu einer politisch überaus schwierigen Situation. Im Reichsrat, dessen Männerwahlrecht sukzessive demokratisiert wurde, bestanden von den 1880er Jahren an nur kurzlebige Zweckbündnisse; tschechische Abgeordnete betrieben Obstruktionspolitik. Der Reichsrat wurde vom Kaiser deshalb oft Monate lang vertagt. Die k.k. Regierungen wechselten häufig, Beobachter sprachen von Fortwursteln statt zielgerichteter Politik.[17]

Nach dem erzwungenen Rückzug aus Deutschland und Italien hatten der Kaiser und seine außenpolitischen Berater Südosteuropa als neues Einflussgebiet erkoren. Mit der 1908 erfolgten Annexion des 1878 mit Zustimmung des Berliner Kongresses besetzten Bosnien, die die Bosnische Annexionskrise auslöste, wurde Habsburg für viele politische Aktivisten auf dem Balkan zum Feind, der den nationalen Zusammenschluss behinderte.[18] Außerdem trat die Monarchie dort in Konkurrenz zu Russland, das sich als Schirmherr aller Slawen bezeichnete.

Schloss Schönbrunn

Der Name Schönbrunn geht auf einen Kaiser Matthias zugeschriebenen Ausspruch zurück, der hier im Jahr 1619 auf der Jagd einen artesischen Brunnen „entdeckt“ und ausgerufen haben soll: „Welch’ schöner Brunn“. Gebaut als Residenz für Kaiserin Eleonora Gonzaga zwischen 1638 und 1643, wurde die Anlage in der Zweiten Wiener Türkenbelagerung 1683 schwer beschädigt. 1687 gab Leopold I. für seinen Thronfolger Joseph I. einen repräsentativen Neubau von Johann Bernhard Fischer von Erlach in Auftrag.[19]

Der barocke Palast war von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkrieges die Sommerresidenz des österreichischen Kaiserhauses. Das Schloss war in dieser Zeit fast durchgehend von einem mehrere hundert Personen umfassenden Hofstaat bewohnt und wurde zu einem kulturellen und politischen Mittelpunkt des Habsburgerreiches. Während der österreichisch-ungarischen Monarchie wurde es auch k. k. Lustschloss Schönbrunn genannt.

Das Pathos des Barocks konnte sich im Zuge der Gegenreformation und katholischen Reform und der damit einhergehenden Lehre und Praxis sowie in der Verherrlichung des absolutistischen Herrschers voll entfalten. Demgegenüber huldigte man in der nachfolgenden Zeit des Rokokos dem Schönheitsideal der höfischen Gesellschaft und brachte es in Gestalt verspielter und eleganter Formen lebhaft zum Ausdruck. Charakteristisch in diesem Bau- und Dekorationsstil sind überbordende Verzierungen wie an Bauten, Innenräumen, Möbeln, Geräten etc. und vor allem der Verzicht auf jegliche Symmetrie, die im Barock noch als wichtiges Element verwendet wurde. An die Stelle fester Formen treten leichte, zierliche, gewundene Linien und häufig rankenförmige Umrandungen. Diese bewusste Abkehr von Symmetrie wurde später im Jugendstil wieder aufgegriffen.

Das Rokoko brachte eine Verfeinerung des gesamten höfischen Lebens mit sich. Im Barock hatte Ludwig XIV. von Frankreich sein Leben zum öffentlichen Ereignis gemacht, um den Adel am Hofe zu halten und durch Gunstbeweise oder Entzug der Gunst zu lenken. Im Rokoko fand eine Gegenbewegung mit einem Rückzug ins Private statt (Höfischer Eskapismus). An die Stelle monumentaler Machtentfaltung und kraftvoller Dynamik des Barock traten nun kultivierte Lebensführung und ein leichtfüßiges, feinsinniges Lebensgefühl gepaart mit vornehm-zarter Sinnlichkeit und galanten Umgangsformen. In der Plastik und vor allem in der Malerei tauchen häufig private oder gar erotische Themen auf.

Erst ab 1743 wurde unter Kaiserin Maria Theresia durch Nikolaus von Pacassi und Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg das Schloss und der Park in seiner heutigen Form um- und ausgebaut.

Nikolaus Franz Leonhard von Pacassi (1716- 1790) war ein österreichisch-italienischer Architekt des Barock und des Frühklassizismus. 1753 wurde Nikolaus Pacassi als Nachfolger von Jean Nicolas Jadot de Ville-Issey Leiter des Hofbauamtes. Alle wichtigen Bauprojekte haben auch mit dem kaiserlichen Hof zu tun. Dazu zählen vor allem der Umbau von Schloss Schönbrunn und die Planung des Redoutensaaltraktes in der Wiener Hofburg, sowie der Neubau und Barockisierung von Teilen der Prager Burg. Im Oktober 1772 schied er auf eigenen Wunsch aus dem Dienst des Hofbauamtes aus und war dann bis zu seinem Tode nur noch als Berater tätig. Neben seiner Tätigkeit als Architekt war er seit 1756 auch Professor an der Accademia di San Luca in Rom.[20]

Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg wurde vom Staatskanzler Maria Theresias, Wenzel Anton Graf Kaunitz protegiert, so dass er 1765 die baukünstlerische Leitung von Schloss Schönbrunn übertragen bekam, das von Maria Theresia nach dem Tod ihres Ehemannes Kaiser Franz Stephan von Lothringen neu gestaltet wurde. 1766 wurde er geadelt und trug seither den Namen Hetzendorf von Hohenberg. Von 1769 bis 1772 war er Professor an der Architekturschule der Wiener Akademie, von 1773 bis zu seinem Tode deren Direktor. 1773 wurde er außerdem Mitglied der Académie de France in Rom. 1775 erfolgte die Ernennung zum Hofarchitekten, 1776 zum wirklichen Hofarchitekten. 1804 wurde er Ehrenbürger der Stadt Wien.

Seine erste Arbeit war die Innenausstattung des Schönbrunner Schlosstheaters, das von ihm in einem noch rokokoartigen Stil eingerichtet wurde.[21] Seine späteren klassizistischen Umbauvorschläge wurden allerdings nicht realisiert. Wichtig wurde Hetzendorf vor allem aber als Gestalter des Schlossgartens, den er nach strengen französischen Prinzipien anlegte. Manche Skulpturen wurden nach seinen Plänen entworfen, so etwa der Neptunbrunnen. Das markanteste Bauwerk des Schlossgartens, die Gloriette, stammt ebenfalls aus seiner Planung. Sie wurde 1772–1775 errichtet und gilt als erstes klassizistisches Bauwerk in Österreich. Sie ist ein Triumphbogen auf dem höchsten Schlosshügel, der sowohl als Aussichtspunkt als auch als optischer Abschluss des Schlossgartens fungiert. Sie ist als Kriegerdenkmal gedacht, daher ist sie mit Kriegs-Trophäen drapiert, die von Johann Baptist Hagenauer und Benedict Hainrizi stammen.

Ein bereits sehr deutliches klassizistisches Zitat sind der Obelisk im Schlossgarten sowie die Römische Ruine(unter Verwendung von Dekorationsteilen des Schlosses Neugebäude), die ihm als erstes Werk dieser Art internationale Anerkennung brachte. Diese künstliche Inszenierung von Verfallenem weist auch schon auf die Romantik hin.[22]

1783 baute er das Palais Pallavicini (damals Palais Fries) am Josephsplatz, gegenüber der Hofburg um. Die Front dieses Gebäudes ist geradezu ein antibarockes Modell sie ist nicht auf den Eingang hin akzentuiert und bleibt rein additiv, was noch dadurch verstärkt wird, dass als einzige Skulpturen nicht die obligatorischen Karvatiden neben dem Eingangsportal, sondern die ganze Front entlang Vasen in regelmäßigen Abständen vorgesehen waren. Dies wurde schärfstens abgelehnt, und der Besitzer Moritz Reichsgraf von Fries gab dem Druck der öffentlichen Meinung nach und beauftragte Franz Anton von Zauner (von dem auch das gegenüberstehende Denkmal Joesphs stammt), das Eingangsportal mit Karyatiden auszustatten.

In den folgenden Jahren beschäftigte sich Hetzendorf von Hohenberg vor allem mit der Umgestaltung von Kirchen, namentlich der Wiener Minoritenkircheder Michaelerkirche und der Augustinerkirche, beides ursprünglich gotische gotische Kirchen, die barockisiert worden waren. Die barocke Inneneinrichtung wurde größtenteils entfernt, was ihm den Ruf eintrug, ein „Regotisierer“ zu sein. Dies ist aber durchaus zweischneidig, da er einige Umbauten machen ließ, die der Gotik zuwiderlaufen: etwa ließ er in der Augustinerkirche im Chor Oratorien einbauen, was das für die Gotik wichtige Gefühl der Höhe empfindlich stört. In der Minoritenkirche ließ er den Ludwigschor, einen authentischen gotischen Chor, abmauern (er wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgerissen). Waren diese Änderungen also auch noch klassizistisch inspiriert, ging es ihm doch vor allem um einen harmonischen Gesamteindruck, der durchaus auch die Gotik zur Geltung brachte.

Diese Tendenz zur Neugotik schlug aber in seinen letzten Projekten immer mehr durch, so in seinen (in dieser Form nicht gebauten) Plänen für Schloss Laxenburg, wo er fast so etwas wie eine künstliche mittelalterliche Burg entwarf.

Hetzendorf von Hohenberg verkörperte wie kein anderer die vielfältigen Möglichkeiten seiner Zeit.[23] Durchaus noch mit der Barockarchitektur vertraut, verhalf er dem Klassizismus in Österreich zum Durchbruch, um am Ende bereits so etwas wie den Historismus vorwegzunehmen, dessen Pragmatismus – verschiedene ästhetische Lösungen für verschiedenartige Bauwerke zuzulassen – von ihm bereits vorweggenommen wurde.

Schönbrunn ist das größte Schloss und eines der bedeutendsten und meistbesuchten Kulturgüter Österreichs. Das Schloss und der etwa 160 ha große Park sind seit 1996 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Eine Hauptattraktion im Schlosspark ist der älteste noch bestehende Zoo der Welt, der Tiergarten Schönbrunn (16 ha).

In einem am Hang eines 60 m hohen Hügels gelegenen Augebiet des Wienflusses wird 1311 die Khattermühle erstmals urkundlich erwähnt, eine von etlichen Mühlen dieser Gegend. Sie ging 1312 mitsamt dem Areal in den Besitz des Stiftes Klosterneuburg über und wurde nach mehrfachem Besitzerwechsel 1548 vom späteren Wiener Bürgermeister Hermann Bayr erworben, der neben der Mühle seinen Herrensitz errichtete, die sogenannte Katter- oder Gatterburg.

Am 8. Oktober 1569 erwarb Kaiser Maximilian II. das weitläufige Grundstück, ließ es einfrieden und bestückte es mit Feder-, Rot- und Schwarzwild, um es zur Jagd zu nutzen. Er ließ Fischteiche anlegen und in einem gesonderten Bereich exotische Vögel wie Truthühner und Pfauen halten. Die Bezeichnung Fasangarten für den hinteren, nicht öffentlich zugänglichen Teil des Grundstücks weist heute noch darauf hin. Die Mühle wurde im folgenden Jahr abgetragen. Im nun bereits existierenden Tiergarten ließ Maximilian 1570 ein Jagdschloss errichten. Der Bau eines Schlosses war noch nicht vorgesehen: Maximilian ließ zu dieser Zeit auf der anderen Seite der Stadt Schloss Neugebäude erbauen, wo er auch eine Menagerie einrichtete.

1590 schenkte der Erzherzog von Innerösterreich und spätere Kaiser Ferdinand II. das Jagdschloss seinem Kriegszahlmeister Egid Gattermeier, nach dem es lange Zeit hindurch Gatterschloss und der zugehörige Wald Gatterhölzl genannt wurde. 1619 soll Kaiser Matthias, Sohn von Maximilian II., bei einer Jagd in dem Areal eine Quelle entdeckt haben, die später als Schöner Brunnen namensgebend für Schönbrunn wurde. Es soll Gefallen gefunden und eine Erweiterung des Jagdschlosses vorgenommen haben.[24]

Erst Eleonora Gonzaga, Witwe Ferdinands II., der ihr Stiefsohn Ferdinand III. das Anwesen als Witwensitz überlassen hatte, ließ zwischen 1638 und 1643 zum Gatterschloss einen dann Gonzaga-Schloss genannten Zubau errichten, in dem sie standesgemäße Empfänge geben konnte. Zu dieser Zeit ist auch erstmals von „an die hundert welschen Bäumen, darunter 24 Pomeranzen“ die Rede, also von einer frühen Orangerie, und auf einer Rechnung vom 24. Jänner 1642 für eine Holzlieferung taucht erstmals der Begriff Schönbrunn auf. Nach Eleonoras Ableben im Jahr 1655 ging Schönbrunn an Eleonora Magdalena Gonzaga, die dritte Ehefrau des verstorbenen Ferdinand III., als Witwensitz. 1661 legte Kaiser Leopold I. auf dem Schönbrunnerberg (wo heute die Gloriette steht) eine sogenannte Hasenremise an.

Im Zuge der Zweiten Türkenbelagerung im Jahr 1683 wurde die gesamte Anlage – das Schloss mit seinen Nebengebäuden und allen zugehörigen Gärten – bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt. Zwar bat Eleonora Magdalena Gonzaga darum, wenigstens zwei Zimmer und einen Saal wiederherzustellen, starb aber 1686, bevor es dazu gekommen war.[25]

Erst 1687 gab Leopold I. für seinen Thronfolger Joseph I. einen repräsentativen Neubau in Auftrag. Der soeben zugewanderte Johann Bernhard Fischer, der spätere Fischer von Erlach, schlug 1688 eine pompöse Anlage vor, die Schloss Versailles übertroffen hätte, aber nicht finanzierbar gewesen wäre. Stattdessen wurde der Architekt 1693 mit einer weitaus kleineren Anlage beauftragt, die 1696–1701 über den Trümmern der früheren errichtet und ab 1700, im Wesentlichen fertiggestellt, bewohnt wurde. Fischer wurde 1696 geadelt, das Projekt wurde aber wegen der Erbfolgekriege erst nach dem Tod von Leopold I. im Jahr 1705 von Joseph I. weiter gebaut, jedoch nicht in vorgesehener Form abgeschlossen.

Steinmetzaufträge erhielten die Wiener Meister Veith Steinböck und Thomas Schilck, beide von Eggenburg in Niederösterreich, mit dem Zogelsdorfer Stein, Meister Georg Deprunner von Loretto (damals Ungarn) und Meister Johann Georg Haresleben aus Kaisersteinbruch.[26] Der Kaiserstein, ein harter Kalkstein, wurde für tragende Architekturteile im Schloss verwendet. Nach Josephs Tod 1711 ging Schönbrunn im Jahr 1712 an seine Witwe Wilhelmine Amalie, die das Schloss bis 1722 bewohnte und es schließlich mit den Gärten im Jahr 1728 um 450.000 Gulden an den kaiserlichen Hof verkaufte.[27]

1590 schenkte der Erzherzog von Innerösterreich und spätere Kaiser Ferdinand II. das Jagdschloss seinem Kriegszahlmeister Egid Gattermeier, nach dem es lange Zeit hindurch Gatterschloss und der zugehörige Wald Gatterhölzl genannt wurde. 1619 soll Kaiser Matthias, Sohn von Maximilian II., bei einer Jagd in dem Areal eine Quelle entdeckt haben, die später als Schöner Brunnen namensgebend für Schönbrunn wurde. Es soll Gefallen gefunden und eine Erweiterung des Jagdschlosses vorgenommen haben.[28]

Erst Eleonora Gonzaga, Witwe Ferdinands II., der ihr Stiefsohn Ferdinand III. das Anwesen als Witwensitz überlassen hatte, ließ zwischen 1638 und 1643 zum Gatterschloss einen dann Gonzaga-Schloss genannten Zubau errichten, in dem sie standesgemäße Empfänge geben konnte. Zu dieser Zeit ist auch erstmals von „an die hundert welschen Bäumen, darunter 24 Pomeranzen“ die Rede, also von einer frühen Orangerie, und auf einer Rechnung vom 24. Jänner 1642 für eine Holzlieferung taucht erstmals der Begriff Schönbrunn auf. Nach Eleonoras Ableben im Jahr 1655 ging Schönbrunn an Eleonora Magdalena Gonzaga, die dritte Ehefrau des verstorbenen Ferdinand III., als Witwensitz. 1661 legte Kaiser Leopold I. auf dem Schönbrunnerberg (wo heute die Gloriette steht) eine sogenannte Hasenremise an.

Im Zuge der Zweiten Türkenbelagerung im Jahr 1683 wurde die gesamte Anlage – das Schloss mit seinen Nebengebäuden und allen zugehörigen Gärten – bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt. Zwar bat Eleonora Magdalena Gonzaga darum, wenigstens zwei Zimmer und einen Saal wiederherzustellen, starb aber 1686, bevor es dazu gekommen war.[29]

Erst 1687 gab Leopold I. für seinen Thronfolger Joseph I. einen repräsentativen Neubau in Auftrag. Der soeben zugewanderte Johann Bernhard Fischer, der spätere Fischer von Erlach, schlug 1688 eine pompöse Anlage vor, die Schloss Versailles übertroffen hätte, aber nicht finanzierbar gewesen wäre. Stattdessen wurde der Architekt 1693 mit einer weitaus kleineren Anlage beauftragt, die 1696–1701 über den Trümmern der früheren errichtet und ab 1700, im Wesentlichen fertiggestellt, bewohnt wurde. Fischer wurde 1696 geadelt, das Projekt wurde aber wegen der Erbfolgekriege erst nach dem Tod von Leopold I. im Jahr 1705 von Joseph I. weiter gebaut, jedoch nicht in vorgesehener Form abgeschlossen.

Steinmetzaufträge erhielten die Wiener Meister Veith Steinböck und Thomas Schilck, beide von Eggenburg in Niederösterreich, mit dem Zogelsdorfer Stein, Meister Georg Deprunner von Loretto (damals Ungarn) und Meister Johann Georg Haresleben aus Kaisersteinbruch.[30] Der Kaiserstein, ein harter Kalkstein, wurde für tragende Architekturteile im Schloss verwendet. Nach Josephs Tod 1711 ging Schönbrunn im Jahr 1712 an seine Witwe Wilhelmine Amalie, die das Schloss bis 1722 bewohnte und es schließlich mit den Gärten im Jahr 1728 um 450.000 Gulden an den kaiserlichen Hof verkaufte.[31]

Karl VI. war selbst an Schönbrunn wenig interessiert, schenkte es jedoch 1740 seiner Tochter Maria Theresia, die das Anwesen zum kaiserlichen Sommersitz erkor, der es bis 1918 blieb. 1741 ließ sie eine durchgängige Allee von Schönbrunn zum Schloss Laxenburg anlegen. 1743–1749 wurde das Schloss Schönbrunn nach Plänen ihres Hofarchitekten Nikolaus von Pacassi, der auch an der Hofburg wirkte, von Baumeister Valmagini entscheidend umgebaut und erweitert: So wurde das Gebäude um ein Stockwerk erhöht; in Ziegel ausgeführte Gesimse und Säulen wurden gegen solche aus Stein ersetzt. Dabei gingen beispielsweise Fresken von Johann Michael Rottmayr verloren. Ebenso ließ sie einen Großteil der Inneneinrichtung erneuern, die heute als fast einziges Beispiel eines österreichischen Rokoko gilt.[32]

Das kaiserliche Hofbauamt bezahlte die Steinmetzarbeiten der Umbauten der Jahre 1750–1752 den Meistern Matthias Winkler, Ferdinand Mödlhammer, Gabriel Steinböck und Johann Baptist Regondi.[33] Regondi aus dem kaiserlichen Steinbruch lieferte aus hartem Kaiserstein vor allem Stufen für die repräsentative Blaue Stiege, die Kapellen-, Schnecken- und Geheimstiege und die große Weiße Stiege, ein stattliches Treppenhaus für den Hofstaat mit steinernem Geländer sowie die gartenseitige Freitreppe.

In einem Seitentrakt des Schlosses befindet sich das Schlosstheater, das 1747 eröffnet wurde und wo unter anderem Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart auftraten. Maria Theresia ließ den Garten erweitern, 1752 die Menagerie und 1763 durch Adrian van Steckhoven den botanischen Garten anlegen.[34]

Um 1765 wurde Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg, ein Vertreter des Frühklassizismus, bei Hof eingeführt, doch enthielt sich Maria Theresia nach dem Tod ihres Gemahls sieben Jahre lang größerer baulicher Änderungen.[35] Erst 1772 gab sie solche in Auftrag. Hohenbergs markantestes Werk ist die Gloriette (um 1860 auch „das Gloriett“ genannt). Das Bauwerk ist ein Arkadengang auf dem Hügel oberhalb des Schlosses (auch Schönbrunnerberg genannt), der den Schlossgarten optisch abschließt. Gemeint ist sie als Denkmal für den gerechten Krieg (der zum Frieden führt), an der Stelle, wo nach dem ursprünglichen Plan Fischer von Erlachs das Hauptgebäude entstehen sollte, und nach dem zweiten Entwurf ein Belvedere. Man ließ die Galerie und die Säulen – allesamt aus hochwertigem Kaiserstein – abtragen und Säulen, Bogenlaibungen und Gebälkstücke, auch Stufensteine, für die Gloriette verwenden. 1775 waren die Arbeiten abgeschlossen. Ihre Fassade ist seit Josephinischer Zeit im prototypischen Schönbrunner Gelb gehalten.[36]

Zur selben Zeit wie die Gloriette entstanden auch die römische Ruine und der Obeliskbrunnen, die ebenfalls nach den Plänen von Hohenberg ausgeführt wurden. Von den Bildhauern Benedict Henrici, Johann Baptist Hagenauer und Franz Zächerl wurden die zugehörigen Statuen und sonstiges Beiwerk geschaffen. Das Schloss war namensgebend für das Schönbrunner Deutsch, welches bei Hofe ab Ende des 18. Jahrhunderts gesprochen wurde.

1805 und 1809 hielt sich Napoleon mit seinem Gefolge im Schönbrunner Schloss auf, als die Franzosen Wien besetzt hatten. Am 15. Dezember 1805 wurde hier der Vertrag von Schönbrunn zwischen Preußen und Frankreich unterzeichnet und am 14. Oktober 1809 der noch bedeutendere Friede von Schönbrunn zwischen Frankreich und Österreich.

1830 wurde hier der mit 18 Jahren zum Kaiser proklamierte Franz Joseph I. geboren. 1832 starb hier Napoleons Sohn, in Österreich als Herzog von Reichstadt geläufig, im Alter von 21 Jahren.[37]

Franz Joseph nutzte das Schloss als Sommerresidenz und fuhr viele Jahre lang von dort zum Arbeiten in die Hofburg, wo er im Winter auch wohnte. In seinen letzten Lebensjahren wohnte und amtierte er ganzjährig in Schönbrunn und starb hier 1916. Sein Nachfolger Karl I. unterzeichnete hier am 11. November 1918 seinen Verzicht auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften, enthob seine k.k. Regierung und verließ das im Staatsbesitz befindliche Schloss mit seiner Familie noch am gleichen Abend.[38]

Einem Antrag der Wiener Kinderfreunde, den ihr Obmann Max Winter (zu dieser Zeit Vizebürgermeister) 1919 an den Stadtrat stellte, zwei Trakte (Valerie- und Kavalierstrakt) für 350 Kinder, darunter viele Kriegswaisen, und die zu gründende private Erzieherinnenschule der Kinderfreunde zur Verfügung zu stellen, wurde nur zum Teil entsprochen: Der Kavalierstrakt blieb christlich-sozialen Vereinigungen vorbehalten. Zwei Arbeiterräte hatten 1919 die Räume des Gartendirektorstöckls beim Hietzinger Tor mit Gewalt beschlagnahmt, um den Hietzinger Bezirksarbeiterrat dort unterzubringen. Die gerichtliche Durchsetzung der Räumung dauerte fünf Jahre.[39]

Das in der Monarchie zum Hofärar zählende Schlossareal fiel 1919 auf Grund des Habsburgergesetzes in die Verwaltung des republikanischen Staates, ab 1920 des Bundes. Vom Staat erhielten hochgestellte Politiker Wohnungen im Schloss, bald aber auch Kriegsinvalide. Die Insassen des Invalidenheims, das bereits 1922 wieder aufgelöst wurde, sollen allerdings erhebliche Schäden am Mobiliar verursacht haben. Im Ostteil hatten die Pfadfinder von 1924 bis 1935 drei Räume zur Verfügung.

1922 wurden 70 ehemalige Hofpferde im Schloss einquartiert, weil man die früheren Hofstallungen zum Messepalast umbaute. Als im Frühjahr 1923 die Messe eröffnet wurde, war die Sammlung der verbliebenen Fahrzeuge des kaiserlichen Fuhrparks bereits in der ehemaligen Schönbrunner Winterreitschule untergebracht, die seither als Wagenburg bezeichnet wird und organisatorisch eine Abteilung des Kunsthistorischen Museums bildet.

Das Schlosstheater, das bereits vor dem Krieg zum Möbeldepot verkommen war, wurde ab 1919 wieder vom Burgtheater bespielt, was man jedoch aus finanziellen Gründen 1924 wieder einstellen musste. Ein würdiger Nachfolger fand sich jedoch 1929 im Max-Reinhardt-Seminar, das es seither als Übungsbühne nutzt.[40]

Gegen Ende des Krieges befand sich auf der Gloriette eine Flakstellung, und 1945 wurden der Haupttrakt und ein Teil der Gloriette durch Bombenangriffe der Alliierten schwer beschädigt. Unter anderem wurde der östliche Teil der Großen Galerie mit den Deckenfresken von Guglielmi völlig zerstört – die Fresken wurden in der Nachkriegszeit vom Theatermaler Paul Reckendorfer nach Bildvorlagen rekonstruiert.

Sowjetische Truppen, die das Gebiet im April 1945 besetzten, verhielten sich in diesem Fall vorbildlich.[41] Das Schloss war während der Besatzungszeit vom Herbst 1945 an Hauptquartier der britischen Besatzungsmacht, zu deren Wiener Sektor die beiden angrenzenden Bezirke 12 und 13 gehörten. Dies verhinderte Plünderungen und beförderte auch die baldige Reparatur der gröbsten Schäden. 1948 konnten Teile des Schlosses wieder besichtigt werden. 1955 zogen die Briten ab. 1961 gab Bundespräsident Adolf Schärf zum Gipfeltreffen Kennedy-Chruschtschow ein Galadinner im Schloss.

Die Verwaltung des Schlosses, lang einem Schlosshauptmann genannten Beamten des Handels-, Bauten- bzw. Wirtschaftsministeriums und seinen Mitarbeitern übertragen, wurde 1992 der dazu gegründeten, in Staatsbesitz befindlichen Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft m.b.H. übertragen. Die Gesellschaft ist seither in der Lage, die Erhaltung und Restaurierung des Schlosses aus eigenen Einnahmen zu finanzieren. Der Schlosspark wird von den Bundesgärten betreut, der Tiergarten wird von einer eigenen, ebenfalls staatseigenen GmbH verwaltet. 1996 wurden Schloss und Park zum UNESCO-Welterbe erklärt.

Heute zählt Schloss Schönbrunn 1.441 Zimmer verschiedenster Größe.[42] Ein Teil davon, der nicht zum Museum gehört, wird von der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. als Wohnung an Privatpersonen vermietet. Der Großteil des Schlosses fungiert jedoch als Museum, das 2014 rund 3 Millionen Besuche zählte. Der Park und seine Einrichtungen ziehen weitere rund 5 Millionen an, in Summe also etwa 8 Millionen Besuche pro Jahr.

Die Innenräume des Schlosses dienten nicht nur als Wohnresidenz der kaiserlichen Familie, sondern waren für Repräsentationszwecke gebaut und Schauplatz unzähliger Festlichkeiten und Zeremonien, die das Prestige der Monarchie symbolisieren und stärken sollten. Für diesen Zweck wurden viele bekannte Künstler und renommierte Handwerker bestellt, die die Räume mit der höchsten damaligen Eleganz ausstatteten. Die Stile reichen vom Barock bis zum Rokoko, dem Biedermeier und Stilen der Gründerzeit, die jedoch im Großen und Ganzen ein harmonisches Ensemble bilden.

Im westlichen Trakt des 1. Stockwerks befinden sich die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Wohnräumen des Kaisers Franz Joseph und der Kaiserin Elisabeth.[43] Im mittleren Teil befinden sich die Repräsentationsräume. Im östlichen Trakt sind die Appartements der Maria Theresia sowie die sogenannten Franz-Karl-Appartements der Erzherzogin Sophie und dem Erzherzog Franz Karl, die Eltern von Kaiser Franz Josephs.

Das Schloss hat hunderte von Räume und Zimmern, von denen jedoch nur die meisten Prunkräume und Wohnungsräume der kaiserlichen Familie der Öffentlichkeit zugänglich sind. Ein Teil der restlichen Räume werden als Gemeindewohnungen vermietet. Das Schloss steht deshalb nicht leer und wird nach wie vor ständig bewohnt.[44]

Im Jahr bewegen sich um die 1,6 Millionen Besucher durch das Schlossgebäude. Das sind im Jahresschnitt um die 4.000 Menschen, bei Hochsaison sogar 10.000 Gäste pro Tag. Die große Menge an Besuchern ist eine besondere Belastung für die Räume, die für so einen dichten Menschenverkehr nicht konzipiert waren. Besondere Herausforderung für die Verwaltung des Schlosses ist der aufwändige Erhalt und Sanierung der Räumlichkeiten, sie aber gleichzeitig der Öffentlichkeit weiter zugänglich zu lassen.

Im Erdgeschoß befinden sich unter anderen die Privatappartements der kaiserlichen Familie, die sogenannten „Berglzimmer“. Diese bestehen aus dem Gisela-, das Goëss- und das Kronprinzenappartement. Die Räume wurden mit Fresken von Johann Baptist Wenzel Bergl und seiner Werkstatt in den 1770er Jahren ausgemalt.[45]

Bergl bedeckte sämtliche Wände und Decken mit bunter Landschaftsmalerei, die von fremdartigen Tieren und Vögeln bevölkert war. Diese Welt ist jedoch nicht unberührt, sondern nach menschlichen Vorstellungen durch Laubengänge, Balustraden, und Rokokovasen eingegliedert. In dieser Hinsicht reicht der barocke Schlosspark draußen in die Räume rein. Bergls Fresken beruhen auf eingehenden Naturstudien, die er vielleicht sogar im Park und der Orangerie vom Schloss anfertigte. Die Berglzimmer wurden im Sommer von Maria Theresia verwendet, da sie kühler waren als die Räume im ersten Stockwerk.[46]

Viele seiner Ausmalungen zeigen paradiesische Gartenlandschaften, die er harmonisch und mit illusionistischem Geschick in die Raumarchitektur integrierte. Mit seinen idyllischen Landschaften voller exotischer Pflanzen und romantischer Szenerien schuf Bergl eine neuartige Variation der barocken Illusionsmalerei. Berühmtheit erlangte Bergl um 1770 mit den Fresken drei Bergl-Zimmer in Schloss Schönbrunn schuf.Die Fresken wurden später mit grauen Leinwänden überdeckt und erst im Jahre 1891 entfernt und 1965 restauriert. Im Jahr 1773 schuf er für die Grafenfamilie Kletzl im Schloss Donaudorf bei Ybbs das Freskenzimmer. Bergl wurde zu einem der Lieblingsmaler von Kaiserin Maria Theresia (1717–1780) für die er 1776 Wandgemälde in Ihren Privatgemächern in der Wiener Hofburg ausführte.

Die Fresken wurden im Laufe der Zeit mit grauer Farbe übermalt, jedoch 1891 wieder freigelegt. Seit 1965 fing die Restaurierung an und ab 2008 wurden sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Appartements des Kronprinzen Rudolf befinden sich im östlichen und südöstlichen Bereich.[47] Die sechs Räume wurden 1864 als Wohnung für den damaligen sechsjährigen Kronprinzen eingerichtet. Vier von diesen sechs Räumen wurden zwischen 1774 und 1778 ganzflächig von Bergl und seiner Werkstatt mit exotischen Landschaftsmalereien ausgestattet. Der heute als Goëss-Apartment bezeichnete Bereich besteht aus vier Berglzimmern und befindet sich im südlichen Bereich und gehörte zu den Privatgemächern der Maria Theresia.

Im südöstlichsten Teil im Erdgeschoß befinden sich vier Zimmer, deren weiße Wände und Decken mit goldenem Stuck aus dem Rokoko verziert sind.[48] Dieser Dekor findet sich in den meisten repräsentativen Räumen des Schlossgebäudes. Das größte Zimmer ist das ehemalige Turnzimmer der Kaiserin Elisabeth und hat eine Länge von 13,80 Metern, eine Breite von 7,85 Metern, eine Höhe von 4,70 Metern und eine Fläche von 108 Quadratmetern. Ein Marmorkamin mit einem großen Spiegel befindet sich in der Mitte der nördlichen Wand, der Boden ist ein Parkettboden mit schwarz-weiß-braunen Rautenmuster. Die kleineren, restlichen Räume sind ähnlich gestaltet. Heute werden die Zimmer für besondere Veranstaltungen verwendet.

Die repräsentative Blaue Stiege im westlichen Flügel führt vom Erdgeschoß in den ersten Stock, wo sich vorwiegend die Audienz- und Repräsentationsräume befinden.[49] Ein dunkelblauer Läufer zieht sich über die ganze Stiege. Dieser Raum ist einer der ältesten des Schlosses, er diente ursprünglich als Speisesaal im ehemaligen Jagdschloss von Kaiser Joseph I, damals noch Thronfolger. Im Auftrag von Maria Theresia wurde der Raum um 1745 von Nikolaus Pacassi umgebaut. Erkennbar ist die Höhe des ursprünglichen Bodens des Raumes als es sich im ersten Stockwerk befand, da die Fenster nicht mehr ohne Hilfe einer Leiter zu öffnen sind.[50]

Das Deckenfresko ist ein Original vom alten Speisesaal und zeigt die Verherrlichung vom Thronfolger Joseph als tugendhaften Kriegshelden, der schließlich als Sieger den Lorbeerkranz vor dem Thron der Ewigkeit empfängt.[51] Das Fresko wurde vom italienischen Maler Sebastiano Ricci in den Jahren 1701/02 ausgeführt. Ob der Name der Stiege vom blauen Läufer stammt oder vom blauen Himmel des Deckengemäldes ist nicht ganz eindeutig.

Ricci gilt als einer der wichtigsten venezianischen Maler seiner Zeit, lernte seinen Neffen Marco Ricci an, mit dem er dann nach 1710 zusammenarbeitete und dem er oft die Szenerie oder die Landschaften auf seinen Gemälden überließ, da der offenbar in diesem Genre der Bessere war, während er sich selbst auf die Porträts konzentrierte. Nach der Rückkehr der beiden Ricci aus London nach Venedig 1716 wurden sie vom britischen Kaufmann Joseph Schmidt gefördert.

Sebastiano Ricci war auch sehr viel außerhalb Venedigs tätig, etwa in Turin, Parma oder London. In Wien hat er ein Altarbild in der Wiener Karlskirche, insbesondere die Blauen Stiege in Schloss Schönbrunn gemalt. Joseph I. damals Kronprinz, holte Ricci 1702 zum Ausmalen des Speisezimmers. Es gilt als das erste selbständige, nicht von Stuck eingerahmte Deckengemälde im österreichischen Raum. Joseph ist als Tugendheld dargestellt, der zur Krönung durch den Lorbeerkranz schreitet. Durch die späteren Umbauten unter Kaiserin Maria Theresia wurde aus dem Speisesaal ein Stiegenaufgang. Der Name Blaue Stiege kommt vom Himmelsblau des Freskos.

Mitte der 1990er Jahre entdeckte man durch einen glücklichen Zufall eines der Frühwerke Riccis: der Brief eines englischen Touristen, der im 17. Jahrhundert Venetien bereiste, beschrieb zwei bis dato nicht bekannte, mit Fresken von Ricci bemalte Salons in der Villa Giovanelli in Noventa Padovana, Padua. Dank des glücklichen Umstandes, dass diese Fresken weiß übertüncht wurden, sind sie heute, nach ihrer vollständigen Freilegung und Restaurierung, in einem sehr guten Zustand.

Das Billardzimmer befindet sich am Anfang einer längeren Raumfolge von Audienz- und Privaträumen von Franz Joseph I..[52] Die Wände sind weiß mit vergoldeten Stuck aus dem Rokoko und einem verzierten Parkettboden. Ein weiß-goldener Kamin befindet sich in der nordöstlichen, eine Uhr an der nordwestlichen Ecke. Die heutige Möbelausstattung stammt aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In der Mitte befindet sich ein großer Billardtisch aus dem Biedermeier, der bereits 1830 im Inventar erwähnt wird.[53] Das Zimmer diente als Warteraum für kaiserliche Minister, Generäle und Offiziere. Während sie auf ihre Audienz warteten, konnten sie hier Billard spielen.

Die großen Gemälde im Zimmer änderten sich mit der Zeit. Die jetzigen zwei Gemälde handeln vom Militär-Maria-Theresia-Orden.[54] Ein Gemälde zeigt die erstmalige Ordensverleihung im Jahre 1758, es stammt aus der Werkstatt von Martin van Meytens. Das andere Gemälde aus dem Jahre 1857 stammt von Fritz L’Allemand und zeigt Kaiser Franz Joseph auf der Gartenstiege anlässlich der 100-Jahrfeier des Ordens. Das sogenannte Kinderzimmer befand sich nicht in diesem Raum, sondern lag tatsächlich im Erdgeschoß oder in den oberen Etagen des Schlosses.[55]

Es ist mit Porträts der Töchter von Maria Theresia geschmückt.[56] Die meisten ihrer 11 Töchter wurden bereits im Jugendalter aus politischen Gründen verheiratet. Sechs Porträts in dem Zimmer wurden vom anonymen Meister der Erzherzoginnen gemalt. Die Porträts sind von den Erzherzöginnen Maria Anna, Maria Christina, Maria Elisabeth, Maria Amalia, Maria Karolina und Maria Antonia. In der rechten Hälfte des Raumes hängt ein Porträt Maria Theresias in Witwentracht.

Auf der linken Seite befindet sich ein Badezimmer, das 1917 für Kaiserin Zita installiert wurde. Es ist mit Marmor verkleidet und verfügt über fließendes warmes und kaltes Wasser, eine Badewanne und eine Dusche. Das in der Südwestecke gelegene Kabinett wurde wahrscheinlich von Kaiserin Maria Josepha, der zweiten Gemahlin Josephs II., als Frühstückszimmer genutzt.[57]

Dieses Kabinett ist eines von mehreren Beispielen für die persönliche Mitarbeit der kaiserlichen Familie an der Innenausstattung des Schlosses.[58] In den Medaillons sind Applikationsarbeiten eingefügt, die von der Mutter Maria Theresias, Elisabeth Christine, angefertigt wurden. Sie nähte Stoffreste auf Seidenmoiree und gestaltete Blumenbouquets mit Insekten.

Das Spiegelzimmer stammt aus der Zeit der Maria Theresia und hat weiße Wände mit goldenen Stuckverzierungen aus dem Rokoko und rote Samtvorhänge mit weißen Gardinen.[59] Die Möbel aus dem Rokoko sind ebenfalls in weiß-goldenem Holz, die Bepolsterung mit rotem Samt bespannt. Bestimmendes Element sind die namensgebenden sieben großen Kristallspiegel, die einander reflektieren und den Raum optisch größer erscheinen lassen. Ein marmorner Kamin befindet sich in der Mitte der nördlichen Wand. Zwei große Kristalllüster hängen von der Decke.

Vermutlich fand hier oder im angrenzenden Rosa Zimmer das erste Konzert des sechsjährigen Wolfgang Amadeus Mozart vor der Kaiserin Maria Theresia und dem Hofstaat statt.[60] Augenzeugenberichten zufolge sprang der junge Mozart nach dem Klaviervorspiel der Kaiserin auf den Schoß und umarmte und küsste sie, sehr zu ihrer Freude. Der Spiegelsaal wurde auch als Empfangssalon von Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth verwendet.

Die Große Galerie ist das Herzstück mitten im Schlossgebäude.[61] Mit einer Länge von über 40 Metern, einer Breite von fast zehn Metern und insgesamt 420 m² wurde die Große Galerie vor allem für festliche Empfänge, Bälle und als Tafelsaal verwendet. Der Raum hat hohe Fenster zum Garten mit gegenüberliegenden Kristallspiegeln. Die weißen Wände sind mit vergoldetem Stuck aus dem Rokoko verziert, die Decke mit drei großen Gemälden bedeckt. Über 60 vergoldete Wandleuchter und zwei schwere Lüster spendeten ursprünglich mit Kerzen Licht.

Die Decke ist von drei großen Gemälden bedeckt, sie sind Werke vom italienischen Maler Gregorio Guglielmi.[62] Das mittlere Fresko stellt das Wohlergehen der Monarchie unter der Herrschaft Maria Theresias dar. Umringt von den personifizierten Tugenden der Herrschaft thronen in der Mitte Franz Stephan und Maria Theresia. Allegorien der Kronländer mit ihren jeweiligen Reichtümern sind um diese zentrale Gruppe angeordnet.

Neben Konzerten und Veranstaltungen wird die Große Galerie nach wie vor für staatliche Empfänge verwendet. 1961 fand hier das Treffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy und dem sowjetischen Premier Nikita Chruschtschow statt.[63] Im Frühjahr 2010 fing eine zweijährige Sanierung an. 1.400 m² Wand- und Deckenfläche werden von rund 15 Experten aufwendig gereinigt und restauriert. Die Kosten der Sanierung wurden auf 2,6 Millionen Euro geschätzt.

Der Zeremoniensaal wurde in erster Linie als Vorzimmer der Appartements des Kaiser Franz Stephan verwendet. Hier versammelte sich die kaiserliche Familie für Feste wie Taufen, Namenstage, Geburtstage und für große Hoftafeln, und um die Oratorien der Schlosskapelle zu betreten. Sechs große Gemälde sind das bestimmende Element in diesem Saal, die Maria Theresia bei Martin van Meytens und seiner Werkstatt in Auftrag gab.[64]

Fünf dieser Gemälde handeln von der Hochzeit zwischen dem Thronfolger und späteren Kaiser Joseph II. mit Isabella von Parma im Jahre 1760. Die Vermählung war nicht nur ein gesellschaftliches sondern vor allem politisches Ereignis, es sollte die Beziehungen zwischen dem Hause Habsburg und dem französischen Königshaus der Bourbonen verbessern.[65]

Der Gemäldezyklus ist chronologisch geordnet, die einzelnen Gemälde zeigen die wichtigsten Höhepunkte der Feierlichkeiten.[66] Das erste und größte Gemälde stellt den feierlichen Einzug der Prinzessin vom Schloss Belvedere zur Hofburg dar. Eine unendliche Cortege von festlichen Kutschen, Karossen und Reitern schlängelt sich durch ein Siegestor Richtung Hofburg. Die weiteren Gemälde zeigen die Trauung in der Augustinerkirche, die anschließende Hoftafel im Rittersaal und das Souper sowie abschließend die Serenade im Redoutensaal der Hofburg.[67] Van Meytens malte die Bauwerke und Personen und ihre Kleider so detailgetreu, dass eine individuelle Identifikation möglich ist. Bei dem Gemälde der Serenade im Redoutensaal der Hofburg wird sogar der kleine Mozart in der rechten unteren Ecke vermutet.

In der Mitte der östlichen Wand, zwischen den Gemälden der Trauung in der Kirche und der Serenade im Redoutensaal, befindet sich ein großes Porträt Maria Theresias.[68] Es zeigt sie stehend, als „Erste Dame Europas“ in einem kostbaren Kleid aus Brabanter Klöppelspitze neben einem Tisch auf dem sich vier Kronen auf einem roten Samtkissen mit goldenen Quasten befinden.[69] Ihre rechte Hand ruht auf einem Zepter, mit ihrer linken Hand deutet sie auf die Kronen ihrer Würde: die Reichskrone, die böhmische Wenzelskrone, die ungarische Stephanskrone sowie den österreichischen Erzherzogshut.

Das ehemalige Arbeitszimmer von Kaiser Franz I. nennt sich das Vieux-Laque-Zimmer. Nach seinem Tod 1765 ließ seine Witwe Maria Theresia sein Zimmer als Gedächtnisraum umgestalten.[70]

Das Zimmer ist vom Boden bis zur Decke mit Nussholz vertafelt. Zwischen dem Nussholz sind schwarze Lacktafeln aus Peking eingesetzt, die mit vergoldeten Rokoko-Rahmen versehen sind. Weiters befinden sich drei Porträts, die in Auftrag gegeben wurden. In der Mitte hängt das Gemälde von Franz I., welches vier Jahre nach seinem Tod im Jahre 1769 von Pompeo Batoni vollendet wurde. Auf der rechten Seite befindet sich das Gemälde von Kaiser Joseph II. und seinem jüngeren Bruder Großherzog Leopold von der Toskana, dem späteren Kaiser Leopold II. Dieses Gemälde wurde ebenfalls von Batoni im Jahre 1769 ausgeführt.

Die Lacktafeln waren ursprünglich Teil eines chinesischen Paravents, der in Einzelteile als Wanddekoration zersägt wurde.[71] Durch die Zersägung entstanden Risse, die mit der Zeit stärker wurden. Die Einzelteile wurden den ästhetischen Anspruch des Zimmers angepasst, nicht nach der ursprünglichen, chinesischen Anordnung. Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen griffen die Lacksubstanz im Laufe der Zeit weiter an, Ultraviolettlicht bleichte die Goldoberflächen aus.[72] Die Risse und die Oberfläche wurden zwar mehrmals ausgebessert, aber eine grundlegende Sanierung fing 2002 an und dauerte drei Jahre. Die letzte Sanierung davor war im Jahre 1872, als das Schloss für die Weltausstellung herausgeputzt wurde. Für die Sanierung wurden die 138 größeren und 84 kleinen Tafeln der Wände, Türfüllungen und Supraporten nacheinander abmontiert, restauriert und wieder eingefügt. Ältere, fehlerhafte Reparaturen wurden entfernt und fachgerecht ausgebessert um die Tafeln wieder dem ursprünglichen Erscheinungsbild zurückzuführen. Um die Tafeln in Zukunft besser zu schützen wird das Zimmer kontinuierlich vom Sonnenlicht abgeschirmt und ist nur mit gedämpften, elektrischem Licht beleuchtet.

Der ursprüngliche Wandschirm zeigte reale sowie fantasievolle Szenen aus der chinesischen Landschaft.[73] Erkennbar sind Motive mit Seen, Felsen, Pavillons und Berge auf denen Heilige und Genien ruhen, sowie Paläste, Jagd- und Alltagsszenen der chinesischen Adelsschicht mit ihrer Dienerschaft. Glück und Reichtum oder Vergänglichkeit und Unsterblichkeit werden durch Tier-, Früchte- und Blumenmotive symbolisiert.[74]

Als Napoleon in den Jahren 1805 und 1809 Wien besetzte, wählte er das Schloss als Hauptquartier.[75] Während dieser Zeit benutzte er vermutlich diesen Raum als Schlafzimmer. Durch seine Vermählung mit Erzherzogin Marie-Louise von Österreich, der Tochter Kaiser Franz II./ I., im Jahre 1810 sollte der Friede zwischen den beiden Reichen besiegelt werden. Aus dieser Verbindung ging der Sohn Napoleon Franz Bonaparte hervor, der später von seinem Großvater Kaiser Franz I. zum Herzog von Reichstadt ernannt wurde. Nach der Niederlage und Abdankung Napoleons brachte Marie-Louise den zweijährigen Jungen nach Wien. Dort wuchs er am Hofe seines Großvaters wohlbehütet auf. Als Liebling des Großvaters, teilte er dessen Interesse für Botanik.[76]

Der junge Herzog verstarb in diesem Zimmer im Jahre 1832 im Alter von 21 Jahren an Tuberkulose. Im Raum befinden sich seine Totenmaske und eine konservierte Haubenlerche, die sein geliebtes Haustier war.

Theresia als Spiel- und Arbeitszimmer. Das blau-weiß bemalte, holzgeschnitzte Rahmenwerk imitiert Porzellan und überzieht den gesamten Raum bis zur Decke.[77] Die Entwürfe zur Dekoration der Wände stammen vermutlich von Maria Theresias Schwiegertochter Isabella von Parma. 213 blaue Tuschzeichnungen sind in das Rahmenwerk eingefügt. Sie stammen von Kaiser Franz I. Stephan und einigen seiner Kinder und wurden nach Vorlagen von François Boucher und Jean-Baptiste Pillement ausgeführt. Lediglich der Lüster im Zimmer ist trotz des Namens aus Porzellan hergestellt.

Das Millionenzimmer ist eines der kostbarsten im ganzen Schloss.[78] Ursprünglich als Feketin-Kabinett bezeichnet, erhielt dieser Raum aufgrund seiner überaus wertvollen Vertäfelung aus Palisanderholz die Bezeichnung. In 60 Rokokokartuschen sind indo-persische Miniaturen eingelassen, die Szenen aus dem Privat- und Hofleben der Mogulherrscher im Indien des 16. und 17. Jahrhunderts zeigen.[79] Es gab keine direkte Verbindung zwischen dem österreichischen Königshaus in den Mittleren Osten, so dass die indo-persischen Miniaturen wahrscheinlich dem zu dieser Zeit herrschenden Exotismus geschuldet waren.

Um die Miniaturen den asymmetrischen Formen der Kartuschen anzupassen, wurden die Einzelblätter von Mitgliedern der kaiserlichen Familie zerschnitten und in einer Art Collage zu neuen Bildern wieder komponiert. Der Luster ist eine Wiener Handarbeit von 1760 und ist aus Bronze, mit Emaille-Blumen verziert. Die Büste hinter dem Sofa zeigt Maria Theresias jüngste Tochter Erzherzogin Marie Antoinette, die spätere Königin von Frankreich. Auf beiden Seiten des Raums sind Kristallspiegel angebracht, die sich gegenseitig reflektieren und so die Illusion eines unendlichen Raumes erzeugen.[80]

Neben dem Millionenzimmer befindet sich das Miniaturenkabinett. Die Wände dieses vergleichbar kleinen Raumes sind mit einer Vielzahl von kleinen und zum Teil signierten Bildern ausgestattet, die vom Gemahl und den Kindern Maria Theresias stammen. Die Wände und Decke sind mit Stuck aus dem Barock verziert, der Parkettboden weist ein Rautenmuster in drei Holzarten vor. In den weiß gestickten Spitzengardinen befindet sich in der Mitte der kaiserliche Doppeladler. Diese stammen aus der Zeit von Franz Joseph I.[81]

An den Wänden des Raumes hängen Brüsseler Tapisserien aus dem 18. Jahrhundert, genannt Gobelin, die Markt- und Hafenszenen zeigen. Der große Gobelin in der Mitte stellt den Hafen von Antwerpen dar. Antwerpen war damals ein Teil der Österreichischen Niederlande. Die sechs Fauteuils sind ebenfalls mit Tapisserien überzogen und zeigen die zwölf Monate des Jahres mit den dazugehörigen Tierkreiszeichen.[82]

Zuletzt wurde der Salon von Erzherzogin Sophie, der Mutter Kaiser Franz Josephs, als Wohnsalon verwendet. Nach dem Tod der Erzherzogin erhielt der Raum im Jahre 1873 anlässlich der Wiener Weltausstellung die heutige Ausstattung.

Ursprünglich diente der Raum als Bibliothek. Hinter den Täfelungen, die geöffnet werden können, befinden sich die Bücherregale.[83] Im 19. Jahrhundert wurde der Raum als Schreibzimmer der Kaisermutter Erzherzogin Sophie eingerichtet und war somit ein Teil der Appartements der Eltern von Kaiser Franz Joseph. Der rote Salon erhielt seinen Namen von den bespannten Seidentapeten an den Wänden. Auch die Vorhänge sind aus roter Samt und Seide hergestellt, der Teppich ist ebenfalls in rot.

Im Salon befinden sich mehrere Staatsportraits der habsburgischen Kaiser im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies, unter anderem Leopold II. seinen Sohn und Nachfolger Franz II., Ferdinand I. sowie seine Gattin Maria Anna von Savoyen. Die Doppelportraits von Kaiser Ferdinand I. und Kaiserin Maria Anna wurden von Leopold Kupelwieser gemalt. Rechts im Eingangsbereich des Vorhofes befindet sich auch ein Schlosstheater, das 1745 erbaut und bereits 1747 eröffnet wurde.[84] Dieser Hang zur Selbstdarstellung und der jeweiligen Vorfahren war ein klassisches Zeichen der absolutistischen Macht zu dieser Zeit.

Zunächst Anhänger des Wiener Klassizismus wurde Kupelwieser im Zuge eines Aufenthaltes in Rom im Jahr 1824 von den Nazarenern um Friedrich Overbeck beeinflusst. Nach dem Tod des russischen Adligen Alexander Beresin, in dessen Auftrag er Illustrationen angefertigt hatte, kehrte er nach Wien zurück und etablierte sich als Porträt- und Historienmaler. Kupelwieser beschäftigte sich aber ebenso mit Gebrauchsmalerei, so war er zum Beispiel für seine Ladenschilder bekannt.

Er war Mitglied des Freundeskreises um Franz Schubert, den „Schubertianern“, die sich im Sommer häufig im Schloss Atzenbrugg aufhielten. Von diesem Freundeskreis schuf er einige Bildnisse, darunter Franz Schubert, Franz Joseph Vinzenz von Bruchmann, Moritz von Schwind und Franz von Schober. Am 17. September 1826 heiratete er die am 26. Dezember 1803 geborene Maria Johanna Evangelista Augustina Stephania Theodora Lutz. Zu diesem Anlass widmete ihm Schubert den „Kupelwieser-Walzer“, der in der Familie mündlich tradiert wurde, bis er durch Richard Strauß als Gast im Hause Mautner-Markhof aufgezeichnet wurde. Leopold hatte zahlreiche Kinder, von denen acht das Erwachsenenalter erreichten. 1831 war er Korrektor und ab 1836 Professor für Historienmalerei an der Wiener Akademie und beschäftigte sich zunehmend mit religiösen Motiven und Freskenmalerei. Dort gehörte Adam Brenner zu seinen Schülern.[85]

1841 wurde der Sohn Carl Kupelwieser, der Onkel des späteren Philosophen Ludwig Wittgenstein, und 1842 der Sohn Paul Kupelwieser, ein späterer Industrieller, geboren (drei weitere Söhne hatten ähnliche Stellungen wie Paul). 1850 wurde Kupelwieser das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens verliehen. 1850 bis 1852 war er Professor der Vorbereitungsschule und 1852 bis 1862 Leiter einer Meisterschule für Malerei. Leopold Kupelwieser lebte ab 1840 eine Zeit lang im Schönbornpalais in der Rotenturmstraße. Er starb an Entkräftung und wurde am 19. November 1862 im Allgemeinen Währinger Friedhof beerdigt. Am 30. März 1883 wurden seine Überreste exhumiert und in einem ehrenhalber gewidmeten Grab auf dem Grinzinger Friedhof in Wien wiederbestattet.

Auch Kupelwiesers älterer Bruder, der Theaterdichter Josef Kupelwieser gehörte dem Kreis um Franz Schubert an; er dichtete für Schubert 1823 das Libretto zu Fierrabras. Zu Leopold Kupelwiesers namhaftesten Nachfahren zählen die Malerin Ida Kupelwieser (1870–1927), eine Schülerin Hugo Charlemonts, die mit Maximilian Lenz (1860–1948) verheiratet war, Marie Anna Mautner-Markhof („Pussi“, 1900–1990), der Bildhauer Hans Kupelwieser und Virgil Widrich.

Leopold Kupelwieser ist heute noch bekannt durch seine Bilder, die er von Franz Schubert und dessen Freundeskreis anfertigte. Seine Hauptwerke sind religiöse Altarbilder und Fresken, die er für Kirchen in Wien und im gesamten Bereich der Monarchie schuf. Ab den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts nahm die Monumentalmalerei eine immer bedeutendere Stellung in seinem Werk ein. Kupelwieser gehörte der Schule der Nazarener an und ist zusammen mit Joseph von Führich der Hauptvertreter der religiösen romantischen Malerei in Wien.

Die Schloss Schönbrunn Suite wurde im Frühjahr 2014 eröffnet und wird von den Austria Trend Hotels betrieben. Die Suite befindet sich im Osttrakt des Hauptgebäudes. Sie erstreckt sich über 167 Quadratmeter und bietet Platz für vier Personen. Es gibt zwei Schlafzimmer, zwei Bäder, einen Wohnsalon, ein Esszimmer und eine Küche, die im imperialen Stil gehalten sind, inklusive Himmelbett und Stuckarbeiten. Das Service wird vom nahegelegenen Parkhotel Schönbrunn ausgeführt, welches ebenfalls von der Kette betrieben wird.

Der Hofgarten gehörte zu spätestens seit der Aufklärung zu jeder europäischen Residenz.[86] Er war der Rahmen der Gartenfeste, für die eine Kammerordnung den Ablauf, die Zahl und den Rang der Gäste ordnete. Die Feste unterlagen zwar nach außen einem festen Zeremoniell, waren aber oft innerhalb ihres Ablaufs so zwanglos, dass es für die vielen aus ihnen hervorgegangenen unehelichen Kinder einen festen Begriff gab, die "Bankerts". Spätmittelalterliche Gartendarstellungen waren oft verbunden mit dem Genuss von Speis und Trank, Musizieren, Spiel und erotischen Anspielungen. Noch im 18. Jh. traf sich der deutsche Adel im Sommer mindestens zweimal in der Woche in seinen Hofgärten (z.B. in München am Sonntag, Dienstag und Donnerstag jeweils am Abend. Es wurden bei Musik Getränke und Konfekt gereicht, als Getränk bis 1740 in der Regel Wein, danach Kaffee und Tee).

Die Aufgabe dieser Feste war es, die soziale Stellung eines Fürsten hervorzuheben, seinen Machtanspruch zu demonstrieren und zu legitimieren. Gleichzeitig wurde dabei der kleine Adel unterhalten und ruhig gestellt. Durch seine Teilnahme wurde ihm das Bewusstsein einer exklusiven Sonderstellung vermittelt. Zwischen den Fürsten waren die Feste auch der Ausdruck ihres Konkurrenzkampfes. So können die Versailler Feste von 1660- 1680 auch als eine Reaktion Ludwig XIV. auf die Gartenfeste Fouquets gesehen werden. Berühmt wurden in dieser Beziehung auch die beiden Hochzeiten von 1719 in Dresden und München, als die Erbprinzen der beiden Kurfürsten eine Kaisertochter heirateten.

Der Zweck dieser Feste war immer eine Verherrlichung des Fürsten. Immer wieder musste bei den Veranstaltungen symbolisch auf sie eingegangen werden (oder auf die Geschichte ihrer ruhmreichen Familie). Dabei war oft nicht der Anlass des Festes das Entscheidende, sondern dessen künstlerische Ausgestaltung. Als Anlass benutzte man die Geburts- oder Namenstage eines Familienmitgliedes, ein politisches Ereignis, den Besuch eines anderen Fürsten oder etwas Ähnliches. Unser heutiges Wissen über diese Feste ist oft stark geschönt, da die Fürsten die Informationen über sie oft im Sinne der gewünschten Selbstdarstellung beeinflussten.

Besonders die Gartenfeste Ludwig XIV. haben in Europa Maßstäbe gesetzt. Tausende von Hilfskräften und die besten Künstler des Landes waren an ihren Vorbereitungen beteiligt. Schon lange vor dem Ausbau des Versailler Schlosses wurde der Garten für sie angelegt und benutzt. Berühmt wurden die drei Feste "Les plaisir de l'Isle enchantée" von 1664,1668 und 1674.

Solche Feste konnten mehrere Tage, aber auch mehrere Wochen dauern. Zwischen dicht gedrängten Veranstaltungstagen gab es Ruhezeiten (u.a. zur Vorbereitung neuer Höhepunkte). Sie wurden durch zwanglosere Veranstaltungen wie Wettspiele, Jagden, Bootsfahrten oder Schlendern durch die Gartenanlagen überbrückt. Die Darbietungen steigerten sich von Höhepunkt zu Höhepunkt und endeten in der Regel mit einem Feuerwerk.

Das Schloss und sein Park bilden ein untrennbares Ensemble.[87] Zwar ist die Anlage bereits in Fischer von Erlachs Entwurf skizziert, doch geht die gartenarchitektonische Gestaltung auf Jean Trehet, einen Schüler Le Nôtres, zurück, der 1695 mit den Planungen begann und bis 1699 ständig in Schönbrunn beschäftigt war.[88] Späteres, wenigstens zeitweiliges, Wirken ebenda ist anzunehmen. Auf Trehet geht die Breite des Parterres zurück (das sich damals aber vermutlich nur in halber jetziger Länge erstreckte), und er ließ die seitlich davon liegenden Boskette anlegen. Zu Trehets Anlage gibt es zwar Notizen, doch leider keine Abbildungen.

Nachdem Maria Theresia 1742 das Schloss zur Sommerresidenz erkoren hatte, wurde das Parterre um 1750 auf die jetzige Größe erweitert.[89] Um die Umgestaltung der Anlage kümmerte sich insbesondere Kaiser Franz I. Stephan, der 1752 den Tiergarten und 1753, auf dafür zugekauftem Grund, der westlich an das bisherige Areal anschloss, den Holländisch-Botanischen Garten einrichten ließ. Er beauftragte damit den Holländer Adrian van Steckhoven und seinen Gehilfen Richard van der Schot. Zwar wurde 1755 das jetzige Orangeriegebäude fertig gestellt, doch Pläne für die Gestaltung des Hügels gediehen zu Lebzeiten des Kaisers nur so weit, dass eine das Parkett fortführende Schneise in den Wald geschlagen wurde.[90]

Erst sieben Jahre nach dem Tode ihres Gemahls gab Maria Theresia eine gründliche Umgestaltung des Hügels und des Parks in Auftrag, und zwar an Hetzendorf von Hohenberg, den ihr Berater Kaunitz bereits 1765 bei Hof eingeführt hatte.[91] Hohenbergs erstes Projekt (1771/72) sah ein großes Bassin auf der Anhöhe vor, das eine Anzahl von Springbrunnen speisen sollte, beispielsweise neben dem Neptunbrunnen vier weitere im Großen Parterre. Die Bauarbeiten wurden 1773 begonnen. Ein in der Mittelachse des Parterres seit etwa 1700 bestehendes sternförmiges Becken wurde in das westliche Boskett versetzt, wo es bis heute als Sternbassin oder Westlicher Najadenbrunnen besteht.[92]

Erst 1776/77 stellte sich endgültig heraus, dass der Wasserbedarf der Brunnen von Hohenbergs erstem Entwurf nicht gedeckt werden konnte, weshalb zwölf bereits gegrabene Brunnenbecken wieder zugeschüttet wurden, die vier im Großen Parterre, die anderen am Hang.[93] Hohenberg vollendete stattdessen den Obeliskbrunnen (1777) und die Ruine (1778) und konzentrierte sich danach auf die Gestaltung des Neptunbrunnens. Dieser konnte 1780, noch zu Lebzeiten Maria Theresias, in Betrieb genommen werden.

Der Park wurde um 1779 von Kaiser Joseph II. zum Unmut des Hofadels der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und stellt seither ein wichtiges Erholungsgebiet für die Wiener Bevölkerung dar.[94] Bedeutender Hofgartendirektor war Friedrich Leo von Rottenberger, der die Leitung von 1918 bis 1934 erfolgreich innehatte. Nach dem Ende der Monarchie wurden die Gärten von den Bundesgärten Wien Innsbruck verwaltet. Nachfolger von Rottenberger wurde Franz Matschkai. Derzeit liegt die Leitung unter Brigitte Mang.[95]

Zentrum des Parks bildet das Große Parterre, das sich seit etwa 1780 an der Hauptachse der Anlage bis zum Gloriette-Hügel erstreckt (es hatte um 1750 bloß die halbe Größe, und etliche spätere Ideen konnten nicht umgesetzt werden. Insbesondere ein Entwurf von etwa 1770, der vier große Springbrunnen vorsah, war mangels Wassers nicht realisierbar.)[96]

Die 32 Skulpturen, die am Rand des „großen Parterre“ aufgestellt wurden, entstanden, wie auch die übrigen Figuren im Park, großteils im Atelier von Johann Christian Wilhelm Beyer und nach seinem Konzept; sie stellen Gestalten aus der griechisch-römischen Mythologie oder deren Geschichte dar.[97]

Am Fuß des Hanges steht der beeindruckende Neptunbrunnen, der mit überlebensgroßen Figuren das Parterre optisch abschließt und gleichzeitig den Übergang zum Hügel bildet. Nach vierjähriger Bauzeit konnte er noch kurz vor dem Tode Maria Theresias vollendet werden. Die dargestellte Meerfahrt des Neptun steht als Gleichnis für den Fürsten, der sein Land über die Fährnisse des Schicksals hinwegzulenken versteht.[98]

Die von Hohenberg entworfene und 1778 errichtete künstliche Ruine orientiert sich an Piranesis Darstellungen der Ruine des römischen Vespasian-und-Titustempels.[99] Sie hieß zunächst Ruine von Karthago. Bei der Restaurierung, die 2003 abgeschlossen war, wurde anhand eines zeitgenössischen Aquarells und auf den Steinen verbliebener Farbreste die ursprüngliche Färbelung wieder aufgebracht.

Die Anlage besteht aus einem mächtigen Rundbogen und seitlichen Mauerflügeln, die ein rechteckiges Bassin umfassen und dabei den Eindruck eines versinkenden antiken Palastes erwecken.[100] Im Bassin befindet sich auf einer künstlichen Insel eine von Beyer geschaffene Figurengruppe aus Sterzinger Marmor, welche die Flussgötter von Moldau und Elbe darstellt.[101]

Aus halber Höhe des Hanges im Hintergrund, exakt in der Achse des Torbogens, überragt die Statue des die Mächte des Bösen bekämpfenden Herkules das Ensemble. Geplant war, von dort aus Wasserkaskaden, einer Sintflut gleich, auf Karthago hinzuleiten, was jedoch nie umgesetzt wurde: Es mangelte an Wasser und Geld. In der bestehenden grasbewachsenen Schneise sind die dafür angelegten Terrassen jedoch noch erkennbar.[102]

Künstliche Ruinen, die im Zuge der aufkommenden Romantik ab Mitte des 18. Jahrhunderts sehr beliebt wurden, symbolisieren ambivalent den Untergang einstiger Größe ebenso wie den Bezug zur eigenen heroischen Vergangenheit (indem sie deren vorgebliche Überreste verherrlichen). Dies erklärt auch die Umdeutung des Gemäuers, das erst seit etwa 1800 Römische Ruine genannt wird und dadurch den Anspruch der Habsburger ausdrückt, dieses Imperium fortzuführen. Unweit davon ergänzt der kurz zuvor errichtete Obelisk-Brunnen das ikonographische Programm der Gartengestaltung und vertieft denselben Anspruch.[103] Der Obeliskbrunnen wurde ebenfalls von Hohenberg geplant und, wie in der vergoldeten Sockelinschrift kundgetan, 1777 vollendet.[104]

Ein Grottenberg, der sich aus dem Becken erhebt, wird von Flussgottheiten bevölkert und von einem Obelisken bekrönt, der auf vier goldenen Schildkröten ruht. Auf der Spitze ein vergoldeter Adler: Symbol absoluter Stabilität, hier mit ausdrücklichem Bezug auf die Pharaonen, und Ausdruck des Fortdauerns des Hauses Habsburg. Die zur Verherrlichung der Herrscher in den Obelisken geschnittenen Hieroglyphen waren zu diesem Zeitpunkt allerdings noch längst nicht entschlüsselt.

Die Gloriette wurde im Jahr 1775 als letzte Baulichkeit des Gartens nach Plänen von Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg als „Ruhmestempel“, zugleich Hauptblickfang (Point de vue) des Gartens und Aussichtspunkt über denselben erbaut.[105] Die Galerie und die Säulen sind aus hartem, weißem Kaiserstein gefertigt und wurden bei der Gloriette ebenso wiederverwendet wie die Stierköpfe und andere Teile. Die Hauptabmessungen sind in der Länge 84,3 m, mit Stufenanlage 135,3 m, der Breite 14,6 m und der Höhe 25,95 m.

Die Gloriette diente später als Speise- und Festsaal sowie als Frühstückszimmer für Kaiser Franz Joseph I.[106] Der Speisesaal wurde bis zum Ende der Monarchie benutzt, heute befindet sich ein Café darin; auf dem Dach ist eine Aussichtsplattform mit Blick über Wien. Der Skulpturenschmuck stammt von Johann Baptist Hagenauer. Die Gloriette wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bombentreffer schwer beschädigt, jedoch bereits 1947 wiederhergestellt. 1995 wurde sie erneut restauriert.[107]

Von 1790 bis 1910 waren die drei mittleren Bögen der Gloriette verglast. Danach war die Gloriette ohne Verglasung und deshalb ein offener Raum.[108] Nach einer Debatte, in der vor allem von Architektenseite „zeitgemäße“ Gestaltung reklamiert wurde, wurde im Laufe der Restaurierung in den 1990er Jahren eine Verglasung im historischen Stil basierend auf alten Fotografien eingebaut und ab April 1996 das Café Gloriette dort eingerichtet. Weiter östlich befindet sich die sogenannte Kleine Gloriette.[109]

Wenig abseits liegt der Schöne Brunnen, der dem Schloss und der Anlage den Namen gab.[110] Ein vom Hofgärtner Adrian van Steckhoven errichtetes Brunnenhaus wurde 1771 durch einen Neubau von Hofarchitekt Isidore Canevale ersetzt. Es hat die Form eines Pavillons mit quadratischem Grundriss und ist auf der Vorder- und Rückseite durch einen Rundbogen geöffnet.[111] Vor der Rückwand befindet sich mittig, auf einem Becken ruhend, eine allegorische Statue der Quellnymphe Egeria. Sie stammt von Wilhelm Beyer und wurde 1780 aufgestellt. Ihr rechter Arm umfasst die Vase, aus der einst das Quellwasser floss. Die Innenwände des Hauses sind reliefartig mit Tropfstein- und Pflanzendekor überzogen, die Außenseite trägt Tropfsteindekor. Das Bauwerk erstrahlt seit seiner Restaurierung 2012–2014 wieder in Weiß. Aus dem Brunnen wurde bis zum Bau der Hochquellenwasserleitung Trinkwasser für den Hof entnommen, das täglich in die Hofburg gebracht wurde.

Das Taubenhaus wurde bereits um 1750 errichtet. Es ist eine hohe runde Voliere aus Drahtgitter, den oberen Abschluss bildet ein kupfernes kuppelartiges Dach, das von einem Knauf bekrönt wird. Dem luftigen Rundbau wurden vier gemauerte Nischen angefügt, um den Vögeln Schlafplätze zu bieten.[112]

Das Wegesystem, das um die Anlage herumführt, wurde um 1760 in ringförmigen und radialen Gängen angelegt, die im Schönbrunner Jargon „Ringelspiel“ genannt werden.[113] Das Haus wurde durch die wachsenden Bäume im Lauf der Zeit verdeckt und geriet „aus den Augen“. Die mit Anerkennung als UNESCO Weltkulturerbe verbundenen Auflagen nötigten die Betreiber, Bäume und Sträucher in der Nähe des Hauses so weit zu stutzen, dass es wieder im Sinn der früheren Gartengestaltung zur Geltung kommt.[114]

Eine weitere künstlerische Höchstleistung im Schlosspark ist das Palmenhaus.[115] Es wurde von Kaiser Franz Joseph I. 1880 bei seinem Hofarchitekten Franz Xaver Segenschmid in Auftrag gegeben, um die bis dahin auf mehrere Glashäuser verteilten umfangreichen aus aller Welt zusammengetragenen habsburgischen Pflanzensammlungen in würdigem Rahmen zu präsentieren, und nach nur zwei Jahren Bauzeit eröffnet.[116] 1883 war die erste Bepflanzung abgeschlossen. Mit einer Gesamtlänge von 111 m, einer Breite von 28 m und einer Höhe von 25 m ist das Palmenhaus Schönbrunn das größte Glashaus des europäischen Festlands und eines der drei größten der Welt. Es beherbergt rund 4500 Pflanzenarten, von denen nur ein Teil fest eingepflanzt ist, ein größerer Teil aber je nach Saison als blühende Kübelpflanzen präsentiert wird.[117]

Kaiser Franz I., Gemahl und Mitregent Maria Theresias, hatte 1753 von der Gemeinde Hietzing ein Areal an der Westseite des Schlossparks gekauft, auf dem er einen Holländischen Garten anlegen ließ. Adrian van Steckhoven und sein Gehilfe Richard van der Schot errichteten dort ein großes Treibhaus im Norden und vier Glashäuser im Westen des Gebietes, das in drei Bereiche aufgeteilt war: Der Grundstock der Exotensammlung, darunter die ursprüngliche „Maria Theresien-Palme“, eine Fächerpalme, wurde 1754 in Holland eingekauft. Wegen der Sammelleidenschaft der Habsburger war bereits unter Joseph II. die Erweiterung des Treibhauses um zwei Flügel und die Errichtung dreier zusätzlicher Glashäuser erforderlich, denen später noch zwei weitere Objekte folgten.[118]

1828 wurde in der Nähe das Alte Palmenhaus errichtet. Zwar blieben pflegerische Erfolge nicht aus, obwohl die nur ostseitige Glasfront dieses gemauerten Gebäudes der einwandfreien Kultur lichtbedürftiger Pflanzen abträglich war, doch war spätestens mit der Wiener Weltausstellung klar, dass nur eine vollverglaste Eisenkonstruktion optimale Bedingungen schaffen konnte. Das abseits gelegene Alte Palmenhaus ausgenommen, wurden alle Glashäuser südwestlich des Schlosses im Zuge des Neubaus abgetragen.[119]

Nach nur zwei Jahren Bauzeit eröffnete Kaiser Franz Joseph I. am 19. Juni 1882 das vom Hofschlosser und Eisenkonstrukteur Ignaz Gridl nach Plänen des Hofarchitekten und Brückenbauexperten Franz-Xaver von Segenschmid erbaute Palmenhaus. Für die Statik verantwortlich war Sigmund Wagner.

Der k.u.k. Hofgarten-Inspektor Adolf Vetter war verantwortlich für die gärtnerische Ausgestaltung, die er im März 1883 abschloss. Das größte Problem machte die Übersiedlung der höchsten Schönbrunner Palme, einer Livistona chinensis, aus dem alten Palmenhaus ins neue. Diese später wohl aus Sentimentalität Maria-Theresien-Palme genannte bildete das Zentrum des neuen Hauses, bis sie 1909 zu groß geworden war und ersetzt werden musste. Zuvor war sie einige Zeit durch Stahlseile schräg gestellt worden, um ihr eine Galgenfrist zu geben. Auch ihre drei Nachfolgerinnen wurden als Maria-Theresien-Palme bezeichnet.

Eine weitere Attraktion ist das Wüstenhaus, das 2004 im 1904 erbauten Sonnenuhrhaus präsentiert wurde.[120]

Das Gebäude wurde, ebenfalls im Auftrag von Kaiser Franz Joseph I. und nach Entwürfen von Alfons Custodis, errichtet, um die „Neuholländer-Sammlung“ unterzubringen, die neben den Pflanzen aus Australien, die der Sammlung den Namen gegeben hatten, inzwischen um Exemplare aus Südafrika sowie Süd- und Nordamerika angewachsen war. Auch wurde es als Überwinterungshaus genutzt.

Nach der Generalsanierung wurde 2004 in diesem Objekt das Wüstenhaus eröffnet, ein Gemeinschaftsprojekt von Bundesgärten und Tiergartenverwaltung, Gegenstück zum 2002 geschaffenen Regenwaldhaus des benachbarten Tiergartens: Neben den Sukkulenten werden Vögel, Reptilien und Kleintiere aus Wüstengebieten vorgestellt.

Der Schlosspark Schönbrunn wurde im 19. Jahrhundert auch für die militärische Ausbildung der Prinzen genutzt.[121] In der Meidlinger Vertiefung westlich des Schlosses zwischen Lichter Allee und Finsterer Allee wurde ein Spiel-, Turn- und Exerzierplatz für die kaiserlichen Kinder angelegt. Eine miniaturhafte Festung diente als Übungs- bzw. Spielbastion und Hilfsmittel zur Vermittlung militärischer Kenntnisse.[122]

Auf dem Areal entstand 1835 darüber hinaus ein Gartenpavillon, umgeben von einem Kleintierzoo und einer Indianerhütte aus Stroh.[123] Der Pavillon mit einer Fläche von etwa 120 Quadratmetern diente als Unterstand bei Regen und Schutz bei starker Sonne. Anders als die Spielbastion gibt es ihn noch heute. Er wurde 1927 erstmals als Kaffeehaus eröffnet und wird seit 2013 als Landtmann’s Jausen Station von der Familie Querfeld geführt.

Des Weiteren erwähnenswert sind der Irrgarten mit einem neuen Spielplatz und mit interessanten Klang-Stationen[124], der Kronprinzengarten (beide kostenpflichtig) und der (als reiner Schaugarten nicht betretbare, seit 1917 bestehende) Japanische Garten. Demgegenüber ist der am äußerst westlichen Rand liegende Botanische Garten ein von der Bevölkerung gern genutzter Park und Erholungsort.[125]

Der Irrgarten wurde im 18. Jahrhundert angelegt und geriet zunehmend in Vergessenheit und verfiel.[126] Er wurde in den 1990er Jahren nach ursprünglichem Muster wiederhergestellt. Der an der Ostfassade des Schlosses gelegene Garten wird seit 1875 als Kronprinzengarten bezeichnet, da er direkt am ehemaligen Appartement von Kronprinz Rudolf lag. Bis 1918 war dies der Privatgarten der kaiserlichen Familie.[127]

Der von wildem Wein bewachsene Laubengang wurde seit jeher zum Lustwandeln genutzt.[128] Das Treillagewerk des hufeisenförmigen Laubenganges wurde bereits um 1770 durch eine Eisenkonstruktion ersetzt. Die im Gang eingefügten ursprünglichen fünf Treillagepavillons sind weiß-grün bemalte, kunstvoll geschnitzte Holzkonstruktionen, bekrönt durch eine bemalte Kuppel.[129]

Der fünfte und mittlere Pavillon in der Laubengangmitte wurde 1962 auf Grund von Bauarbeiten entfernt und 2002 von Embacher Wien mit einem modernen Aussichtspavillon ersetzt.[130] Der neue Pavillon wurde aus gebürstetem Nirosta-Stahl mit Lochmuster der ursprünglichen Konstruktion nachempfunden erbaut. Dieses Gartensalettl wurde 2003 im Rahmen des alle zwei Jahre verliehenen Adolf Loos Staatspreis Design mit dem bronzenen Joseph Binder Award, dem Preis für Räumliche Gestaltung, ausgezeichnet.

Der Japanische Garten wurde im Jahr 1913 angelegt, geriet aber nach dem Ersten Weltkrieg in Vergessenheit. Er wurde in den 1990er Jahren mit Unterstützung durch das japanische Kulturinstitut und japanische Experten wiederhergestellt.[131]

Johann Christian Wilhelm Beyer (1725-1796) war ein deutscher Bildhauer, Porzellankünstler, Maler und Gartenarchitekt. Beyer hat den größten Anteil an der Ausgestaltung des Schönbrunner Schlossparks mit Statuen, was als sein Hauptwerk gilt. Beyer zog schon früh von Gotha nach Stuttgart, weil sein Vater, der fürstlich sächsische Hofgärtner Johann Nicolaus Beyer, in den Dienst des Herzogs Carl Eugen von Württemberg trat, und war dort „Garten-Ingenieur“. Zwischen 1748 und 1751 hielt sich Beyer auf Wunsch seines Dienstherrn in Paris auf, um Architektur und Malerei zu studieren. In Rom setzte er unmittelbar danach das Studium der Malerei fort, wandte sich aber der Bildhauerei zu, nachdem er sich an Ausgrabungen antiker Statuen beteiligt hatte (Begegnungen mit Abbate Vineti, dem päpstlichen Antiquar und Oberaufseher der römischen Altertümer, und Winckelmann).

Nach seiner Rückkehr nach Stuttgart 1759 arbeitete Beyer als herzoglich württembergischer Hofmaler und bis 1767 als Modellmeister der Porzellan-Manufaktur Ludwigsburg, der er mit seinen Werken zu rascher Blüte verhalf. Ebenfalls 1759 legte er deutschen Fürsten seinen Plan zur Gründung einer deutschen Kunstakademie in Rom vor. Nachdem Beyer aus dem herzoglichen Dienst im Februar 1767 ausgeschieden war, ging er nach Wien. Bereits 1768 war er Mitglied der k.k. Akademie, 1769 bei Hofe angestellt und wurde 1770 k.k. Hofmaler, Statuarius (Bildhauer) und Kammerarchitekt. Beyers Ruf als Künstler steht allerdings sein Geltungsbedürfnis gegenüber, das ihn, zusammen mit regelmäßigem Unterbieten der Konkurrenz, bei Künstlerkollegen und Mitarbeitern sehr unbeliebt machte.[132]

Er heiratete 1771 die aus Lothringen stammende Malerin Gabriele Bertrand, Tochter des Schlosshauptmanns von Schönbrunn, Zeichenlehrerin der Erzherzoginnen Marie Caroline und Marie Antoinette, der Töchter Maria Theresias, und eines der wenigen weiblichen Mitglieder der Akademie. 1778 erwarb er ein Haus in Hietzing, später auch angrenzende Liegenschaften.

1779 erschien sein zweibändiges Kupferstichwerk Österreichs Merkwürdigkeiten die Bild- und Baukunst betreffend, das detaillierte Erläuterungen mit Verweisen auf die mythologischen Quellen zur Mythologie (Vergil, Ovid, Plutarch und zeitgenössische Lexika) zu den von ihm verfassten Entwürfen enthielt (und damals unbekannte Fehler dieser Quellen enthält). Nach Beendigung der Arbeiten für Schönbrunn und nach dem Tod seiner Gönnerin Maria Theresia, 1780, widmete er sich wieder der Gartengestaltung. In ab 1784 entstandenen Werken zur deutschen Garten- und Landschaftsgestaltung tritt er für einen Mittelweg zwischen französischer und englischer Gartenkunst ein.

Seine wichtigste Arbeit wurde ein Auftrag, den Maria Theresia im Mai 1773 erteilte. Binnen dreier Jahre 32 Statuen nebst einer Anzahl von Vasen von weißem Marmor gegen einen Betrag von 1000 Gulden pro Stück, zuzüglich Nebenkosten, herzustellen. Wie aus den Rechnungen hervorgeht, war gemeint „pro Figur“, für Statuen mit zwei oder drei Figuren wurde annähernd das Mehrfache abgerechnet. Beyer hatte diesen Auftrag erhalten, nachdem es ihm gelungen war, in der Gegend um Sterzing hochwertigen Marmor ausfindig zu machen, der dem von Carrara gleichkam, und darüber hinaus eine günstige Transportmöglichkeit zu finden (der Wunsch, das Schönbrunner Gartenparterre mit Marmorskulpturen auszustatten, war mangels preisgünstigen hochwertigen Materials nicht früher verwirklicht worden).

Bereits im Sommer 1773 war Beyer mit einer Gruppe von 15 Bildhauern bei Sterzing unterwegs, um die Rohlinge zu gewinnen. Nach seinen Entwürfen wurden die Figuren vor Ort grob zurechtgehauen, um das Gewicht für den Transport zu verringern. Die Blöcke wurden im Winter auf Schlitten bis an die Brennerstraße gebracht, von wo Tiroler Fuhrleute sie kostengünstig nach Hall beförderten. Von dort weg war der ebenfalls preisgünstige Wasserweg über Inn und Donau möglich.

In Schönbrunn verfügte er über die Winterreitschule als Atelier.[133] Er selbst arbeitete dort nicht handwerklich, sondern nahm organisatorische und gestalterische Aufgaben wahr. Vom Preis der Statuen erhielt der ausführende Bildhauer rund die Hälfte, der Rest wurde für Gestaltung und Aufwand einbehalten. Signieren durften Beyers Mitarbeiter ihre Arbeiten nie, weshalb diese in der Mehrzahl der Fälle bloß als Arbeiten Beyers bekannt sind.

Angesichts des hochwertigen und preisgünstigen Materials ließ die Krone auch die Skulpturen der Innsbrucker Triumphpforte, die Johann Baptist Hagenauer zunächst aus Holz und Stuck geschaffen hatte, von Balthasar Ferdinand Moll in Marmor umsetzen. Auch an den Kurfürsten von Bayern wurde 1773 Marmor für dreizehn Statuen abgegeben, die im Schloss Nymphenburg aufgestellt wurden. Ab 21. März 1775 wurden die Statuen aufgestellt, und zwar vermutlich an den Ecken der Parterre-Felder, wie im Entwurf für das Große Parterre (Stich von Carl Schütz, 1772), dargestellt. Das heutige Arrangement entstand erst später. Beyer hatte für das Aufstellen eigens eine Maschine konstruiert.

Vier Figurengruppen für die vorgesehenen vier Brunnen des Großen Parterre entstanden 1776 (zwei in Beyers Atelier, eine bei Hagenauer, eine bei Zauner), mussten aber wegen der neuen Disposition 1777 anderweitig untergebracht werden: die aus Beyers Atelier in der Ruine und im Obeliskbrunnen, die anderen beiden in den Brunnen des Ehrenhofs. Beyers letzter großer Entwurf für Schönbrunn waren die Figuren für den 1780 noch kurz vor Maria Theresias Tod fertiggestellten Neptunbrunnen.

Der Neptunbrunnen ist gut hundert Meter lang, knapp fünfzig Meter breit und ohne Figuren etwas über sieben Meter hoch.[134] Die Grabungen für das Bassin (und vier weitere im Großen Parterre vorgesehene Brunnen) wurden 1776 begonnen, doch musste das Konzept 1777 abgeändert werden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass keine entsprechenden Mengen Wassers herbeigeleitet werden könnten. Dies führte dazu, dass gegrabene Bassins wieder zugeschüttet werden mussten und dass die Fertigstellung des Neptunbrunnens sich bis 1780 verzögerte.

Der Entwurf der aus Ziegeln gemauerten, aber mit Kaiserstein verkleideten Anlage stammt von Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg. Die Herstellung der Skulpturen aus weißem Sterzinger Marmor wurde dem k.k. Hofstatuarius (Hofbildhauer) Johann Christian Wilhelm Beyer übertragen und in seinem Atelier ausgeführt. Der Brunnen liegt in der Hauptachse zwischen Schloss und Gloriette am Rande des Großen Parterres, das die über-lebensgroßen Figuren abschließen, während sie gleichzeitig den Übergang zum Hügel akzentuieren. Er besteht aus einem großen Bassin, das gegen den Hang durch eine geschwungene Stützmauer abgeschlossen wird. In deren Mitte befindet sich eine künstliche Felsgrotte, darüber der Meeresgott Neptun auf einem Muschelwagen, gestützt auf seinen Dreizack.

Zu seiner Rechten kniet die Meeresnymphe Thetis, die seine Gunst für die sichere Seefahrt ihres Sohnes Achill nach Troja erfleht. Thetis ist eine Nymphe aus der griechischen Mythologie.[135] Sie war die Schönste der Nereiden genannten zahlreichen Töchter des Meeresgottes Nereus. Die Titanin Tethys war ihre Großmutter. In einer Prophezeiung der Themis war vorausgesagt worden, dass der Sohn der Thetis stärker und mächtiger als sein Vater werden würde. Deshalb wollte keiner der Götter die Göttin Thetis heiraten, und sie überließen ihr den sterblichen Peleus zum Mann.

Peleus überraschte Thetis schlafend in einer Grotte, packte sie und ließ sie nicht mehr los.[136] Nun versuchte sie, sich ihm durch Verwandlungen in verschiedene Gestalten zu entziehen: Sie wurde zu Feuer und zu Wasser, zu einem Löwen und zu einer Schlange. Sie verwandelte sich in einen Tintenfisch. Peleus hielt sie die ganze Zeit weiter fest, obwohl er verbrannt, durchnässt, übel zerkratzt, gebissen und mit Tinte bespritzt wurde. Letztlich blieb Peleus der Sieger dieses harten Ringkampfes. Aus dieser Verbindung ging Achill hervor, den Thetis in den Fluss Styx tauchte, um ihn unverwundbar zu machen; nur seine Ferse, an der sie ihn hielt, blieb unbenetzt – dies war dann die sprichwörtliche Achillesferse.

Zu der Hochzeit des Peleus und der Thetis waren alle olympischen Götter eingeladen, bis auf Eris, die Göttin der Zwietracht. Diese warf aus Rache einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „Der Schönsten“ unter die Gäste. Den daraufhin ausbrechenden Streit zwischen Hera, Athene und Aphrodite sollte Zeus entscheiden, doch dieser gab die Entscheidung (und damit den Apfel) an den trojanischen Prinzen Paris weiter. Alle drei Göttinnen suchten ihn durch Versprechen für sich zu gewinnen. Aphrodite versprach ihm die schönste Frau, und er entschied sich für sie. Die versprochene Frau war Helena, die jedoch bereits verheiratet war. Paris entführte sie mit Aphrodites Hilfe ihrem Mann Menelaos, was dann zum Trojanischen Krieg führte, in dem Achill als stärkster Heros der Griechen seinen Ruhm gewann, jedoch am Skäischen Tor fiel.

Zu Neptuns Linken, zu seinen Füßen, eine Nymphe mit Füllhorn, Hinweis auf den überquellenden Reichtum der Meere. Umgeben wird die Hauptgruppe von vier Tritonen, den Bändigern der Hippocampen (Meerespferde), die Neptuns Wagen ziehen. Die ursprünglich sieben Figurengruppen (neben der Hauptgruppe mit Neptun und den vier Tritonengruppen noch zwei Najadengruppen, die im Bassin aufgestellt werden sollten) führten zu Streit und einigem amtlichem Schriftverkehr: Die Najadengruppen waren gegenüber den anderen so unproportional klein ausgeführt, dass man sie in die beiden Becken des östlichen und westlichen Rondells (jetzt Rundes und Sternenbecken) setzen musste. Beyer wurde beschuldigt, dies absichtlich herbeigeführt zu haben, um anderen Bildhauern, die sonst für diese Bassins gearbeitet hätten, mit vollendeten Tatsachen zuvorzukommen.

Der die Meere beherrschende Neptun stand in der Kunst des 16. bis 18. Jahrhundert als Gleichnis für den sein Land lenkenden Souverän.[137]

Der römische Gott Neptun entspricht dem griechischen Wassergott Poseidon und war ursprünglich vermutlich der Gott der fließenden Gewässer, der springenden Quellen oder sogar des Wetters. Ab dem beginnenden 3. Jahrhundert v. Chr. wurde er dem griechischen Poseidon gleichgesetzt, womit er auch zum Gott des Meeres wurde. Seine Eltern sind der Mythologie nach Saturnus und Ops, seine Brüder Pluto und Jupiter, mit letzterem teilte er sich zudem die Herrschaft über die Oberwelt. Neptun war im römischen Mythos mit Salacia verheiratet, die der griechischen Amphitrite entspricht. Ob Triton auch in der römischen Mythologie als sein Sohn angesehen werden kann, ist ebenfalls umstritten. Es wird vermutet, dass er keine Nachkommen hatte. Auch ist seine Verwandtschaft mit Jupiter und Pluto nicht vor der Gleichsetzung mit dem griechischen Poseidon belegt.

Er wird meistens mit seinem Symbol, dem Dreizack, Seewesen oder Delphinen dargestellt. In den häufigsten Fällen trägt er einen Bart und lange Haare. Oft stellt er seinen Fuß auf eine Prora. Zu seinen Ehren wurden schon sehr früh am 23. Juli im Römischen Reich die Neptunalia gefeiert. Über das Fest selbst ist nicht viel bekannt, man weiß nur, dass Laubhütten errichtet wurden, zu welchem Zweck ist jedoch nicht genau belegt (Schutz vor Sonne, Verkaufsstände, Bitte um Regen).

Er wohnte in der Meerestiefe mit großem Gefolge niederer Meeresgottheiten und war Herrscher über die von Pontos und Gaia hervorgebrachten Meeresgottheiten Nereus, Phorkys und Keto. Die antiken Quellen (vor allem Plinius, Livius und Cassius Dio) überliefern mindestens zwei ihm gewidmete Kultstätten auf dem Marsfeld in Rom. Einen Tempel, der vor 206 v. Chr. im Gebiet des Circus Flaminius geweiht wurde und die sogenannte Basilica Neptuni, die 25 v. Chr. von Marcus Agrippa zu Ehren des Augustus, in unmittelbarer Nähe zum Pantheon, erbaut wurde. Auch in der Provinz und italienischen Städten außerhalb Roms, wurde er, vor allem an Flüssen, Seen oder in Meeresnähe verehrt.

Hinter dem Brunnen befindet sich ein in den Hang gemauertes Gebäude, durch das ein Ziegelgewölbe mit bis zu eineinhalb Meter dicken Mauern unterhalb des Brunnens und ein Verbindungsstollen zum hinteren Glorietteteich zugänglich werden.[138] Das Wasser wird durch eine Gravitationsleitung von dort zum Neptunbrunnen geführt. Wegen Wassermangels wurde der Brunnen früher nur bei besonderen Anlässen in Betrieb genommen, und nach jedem der beiden Weltkriege gar nicht. Erst seit der letzten und kompletten Sanierung des Brunnens ist ein Wasserkreislauf vorhanden und damit ein Dauerbetrieb möglich.

Der Wiener Kongress hat immer wieder Aufmerksamkeit auf sich gezogen – vor allem, wenn schwere Erschütterungen durch Kriege und Krisen Rufe nach einer neuen (Welt-)Ordnung laut werden ließen. Dabei wurde der Blick jedoch lange Zeit allein auf Europa gerichtet und vernachlässigt, dass der Wiener Kongress gegen Ende einer weltweiten revolutionären Krise und eines globalen Wettstreits um Präsenz und Einfluss ausgerichtet wurde. Dies spiegelte sich auf dem Kongress in vielfältiger Weise wider, wobei man zwischen zweierlei Debatten unterscheiden kann: einerseits jene, die zunächst mit Blick auf europäische Problemlagen geführt wurden, mittel- und langfristig aber zum Ursprung oder Vorbild globaler Regelungen wurden; andererseits jene, die vorrangig außereuropäischer Natur schienen, sich aber schnell als direkt mit Europas Neuordnung verflochten erwiesen. Im 18. Jahrhundert war die Welt viel enger zusammengerückt, ohne dabei jedoch homogener zu werden: Regionale Lösungen waren nicht sofort globale; beide Ebenen beeinflussten sich fortan jedoch stärker gegenseitig als im Jahrhundert zuvor. Nach Napoleons Niederlage nahmen die Siegermächte zügig Verhandlungen über eine Nachkriegsordnung auf und mühten sich, Frankreichs Platz in der künftigen Mächtebalance zu fixieren. Der im 18. Jahrhundert entwickelte Gedanke eines Mächtegleichgewichts als Garant dauerhaften Friedens wirkte dabei weiter. Die Großmächte erkannten jedoch, dass dieses Gleichgewicht sich nicht mehr von selbst ergeben würde, sondern aktiv hergestellt werden musste. Drei Faktoren trugen dazu bei. Erstens hatte sich die Bühne, auf der das Ringen der Mächte stattfand, immer mehr globalisiert. So war der in Europa sogenannte Siebenjährige Krieg von 1756 bis 1763 durch die Gleichzeitigkeit der Schauplätze in Nordamerika, Indien und Europa gekennzeichnet gewesen, und der amerikanische Unabhängigkeitskrieg Anfang der 1780er Jahre hatte mit dem drohenden Bankrott Frankreichs und den steigenden Steuern in England direkte Folgen für die Staatsfinanzen in Europa gehabt; auch die Kriege seit 1792 waren mehr und mehr durch eine direkte Verflechtung der europäischen und amerikanischen Schauplätze gekennzeichnet gewesen. Zweitens hatte diese Spirale eines immer stärker transregional ausgetragenen Wettlaufs um die Kontrolle über Handelsstützpunkte, Siedlerkolonien und Plantagenwirtschaften sowie über die dorthin führenden Schifffahrtsrouten eine Militarisierung der europäischen Gesellschaften zur Folge gehabt: Die Steuern stiegen, um die Armeen auszustatten; durch allgemeine Wehrpflicht, Freiwilligenrekrutierung oder Söldnertum wurde die Zahl der dauerhaft verfügbaren Soldaten erhöht. Welch riesige Heere sich in kurzer Zeit aufstellen ließen, hatte zuletzt Napoleon eindrucksvoll demonstriert, bevor er die noch auf feudaler Abhängigkeit beruhenden mitteleuropäischen Armeen überrannte. Die relative Berechenbarkeit der militärischen Möglichkeiten von Konkurrenten war also nicht mehr gegeben. Drittens war schließlich der ökonomische Stellenwert der Kolonien in Übersee im Laufe des 18. Jahrhunderts stärker hervorgetreten. Diese waren immer unübersehbarer zur Quelle des Aufschwungs in den europäischen Hafenstädten geworden. Der "revolutionäre Atlantik", in dessen Weiten sich die Kontrolle der Metropolen leicht verflüchtigte, fügte dem Mächtegleichgewicht ein weiteres, nicht kalkulierbares Element hinzu. Zugleich war die Zahl der Mitspieler im internationalen System gewachsen, womit sich das Risiko einer Fehlkalkulation weiter erhöhte. Seitens der europäischen Großmächte war es mithin konsequent, diese nach Möglichkeit wieder zu reduzieren. In der Anfang März 1814 unterzeichneten Allianz von Chaumont verständigten sich Russland, Österreich, Preußen und England darauf, bei einem künftigen Friedensschluss das Kommando zu übernehmen. Den zahlreichen kleineren Staaten, die aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und durch Napoleons Familienpolitik entstanden waren, sollte bei künftigen Verhandlungen nur der Katzentisch zugewiesen werden. Schon zu diesem Zeitpunkt zeigte sich, dass mit den Grenzverschiebungen in den Kolonien die Verbindung zur außereuropäischen Welt ebenfalls zur Debatte stand. England erklärte sich zur Rückgabe der Gebietsgewinne in der Karibik und in Indien bereit, wenn dafür die europäischen Friedensverhandlungen auf das Festland beschränkt blieben. Da Napoleon sich weigerte, einen solchen Kompromiss mitzutragen, unterstützten die Alliierten die Rückkehr der seit mehr als zwei Jahrzehnten im Exil wartenden Bourbonen auf den französischen Thron. Warum es angesichts so präziser Vorbereitungen nach dem Waffenstillstand vom 23. April 1814 nicht zügig zu einem Friedensvertrag kam, sondern eines langwierigen Kongresses in Wien bedurfte, wird nur verständlich, wenn man sich die Uneinigkeit der Alliierten vor Augen führt, die die französische Diplomatie unter dem rechtzeitig Napoleon den Rücken kehrenden Charles-Maurice de Talleyrand mit viel Geschick nutzte, um immer wieder neue Forderungen zu stellen. Die Idee, den gordischen Knoten aller miteinander verwobener Problemlagen zu durchschlagen, hintertrieb Talleyrand erfolgreich und machte besonders seinem britischen Kollegen Lord Castlereagh den Gedanken eines Kongresses schmackhaft, der die ungelösten Fragen bearbeiten könnte. Der Friedensvertrag vom 30. Mai 1814, den die vier Großmächte sowie aufgrund der zwischen ihnen und Frankreich strittigen Kolonialterritorien auch Schweden, Portugal und Spanien unterzeichneten, trug denn auch diese Handschrift: Die entscheidenden Fragen sollten auf dem geplanten Kongress nur noch ratifiziert werden; um der neuen Ordnung ein breiteres Fundament zu geben, sollten jedoch alle europäischen Staaten eingeladen werden.Darüber hinaus wurde dem Kongress eine Liste kniffliger Detailfragen zugewiesen, die den Monarchen nachrangig erschienen, sich aus heutiger Sicht allerdings als folgenreich erwiesen. Dazu zählten etwa die Frage, ob das Prinzip der Freiheit der Schifffahrt auf den Meeren ohne Weiteres auf die wichtigen Flüsse Europas übertragen werden könne, sowie die Regulierung der immer wichtiger werdenden Printmedien. Dies sind nur zwei Beispiele für die zunehmende Bedeutung grenzüberschreitender Problemlagen, die internationale Regelungen nötig machten. Auch wenn es zunächst nur um europäische Probleme ging und die europäischen Akteure vorrangig nach Wien eilten, um ihre eigenen Interessen zu vertreten, stellten sich vergleichbare Fragen später genauso in anderen Weltregionen. Es gehört zu den globalhistorischen Wirkungen des Wiener Kongresses, dass die dort ventilierten Lösungen später in internationalen Verträgen und Organisationen weiter umgesetzt wurden. Die Rheinschifffahrt, die angesichts der vielen Anrainerstaaten einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des Flusses andererseits zum Modellfall für die Lösung transnationaler Probleme werden sollte, hielten die Großmächte im Vorfeld des Kongresses für eine technische Frage, die bei den Friedensverhandlungen nicht mit Territorialfragen vermischt werden sollte. An diesem Beispiel zeigt sich, wie das Scheitern des gewaltigen Entwurfs Napoleons, Europa unter französischer Hegemonie neu zu organisieren, Probleme hinterließ, die im Nachgang nur multilateral zu lösen waren und deren sich der Wiener Kongresses annahm. Als Vorbild für die Regulierung der Rheinschifffahrt galt der Rheinschifffahrts-Octroi von 1804, der die verschiedenen auf dem Rhein erhobenen Durchgangszölle zugunsten einer einheitlichen Abgabe abgeschafft hatte, dem nun der besonders von den Briten propagierte Grundsatz der Freiheit der Schifffahrt auf den Meeren und ihren Zubringern an die Seite gestellt wurde: Mit der Wiener Schlussakte wurde die erste internationale Organisation, die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt mit Sitz in Mainz, eingerichtet und beauftragt, ein Abkommen zur Umsetzung der Schifffahrtsfreiheit vorzubereiten – die 1831 unterzeichnete Rheinschifffahrtsakte. Die ab 1920 in Straßburg angesiedelte Zentralkommission sorgte zunächst für Abgabenfreiheit und Flussbegradigung und expandierte später ihre Zuständigkeit in immer neue Facetten der Verkehrssicherheit. Bis heute richten sich multilaterale Abkommen über die gemeinsame Nutzung und inzwischen auch ökologische Pflege von Flüssen, die durch mehrere Staaten führen, an diesem frühen Vorbild aus, auch wenn Konflikte nie ganz vermieden werden können, wie die Geschichte der Zentralkommission selbst, deren Sitz und Mitgliedschaften verschiedentlich wechselten, belegt. Ganz ähnlich erlebt die erst 1999 gegründete Nilbeckenitiative seit 2010 eine substanzielle Krise, als die Staaten am Oberlauf des Flusses versuchten, mit der Einrichtung einer Nile River Basin Commission ihre Interessen gegen Ägypten und den Sudan durchzusetzen. Ungeachtet solcher Auseinandersetzungen wurden bereits 1815 die Aufgaben derartiger Kommissionen antizipiert, die bis heute von technischen und logistischen Fragen der Flussschifffahrt über ökologische Belange bis hin zu sozialen Aspekten der mit dem Fluss verbundenen Berufe reichen. Ebenso wie für die Rheinschifffahrt galt es auf dem Wiener Kongress, neue Regeln für die Zirkulation des Wissens zu finden. Während der Revolutionszeit hatten Presse und Pamphletistik eine völlig neue Rolle in der Gesellschaft übernommen. Durch das steigende Interesse am politischen Geschehen war der Buchmarkt enorm gewachsen. Damit war das wirtschaftliche Wohlergehen der Journalisten und Verleger jedoch nicht mehr nur abhängig vom unmittelbaren räumlichen Kontext, in dem lokale "Intelligenzblätter" zirkulierten, oder von einer kleinen Gemeinschaft europäischer Eliten. Die Auflagen stiegen und ihre Verbreitung nahm zu, auch die Zahl der Publikationen wuchs ins bisher Unermessliche. Ungeniert bedienten sich manche bei den Druckerzeugnissen der Konkurrenz. Hinzu kam die politische Kontrolle, die vor allem unter Napoleons strenger Zensurpolitik halb Europa betroffen hatte. Entsprechend interessiert blickten die Buchhändler auf die Verhandlungen in Wien und entsandten sogar eigene Vertreter, wie den Stuttgarter Verleger Johann Friedrich Cotta und seinen Weimarer Kollegen Friedrich Justin Bertuch. Sie traten für den Schutz vor Nachdrucken ein, womit sie den Weg für die späteren Regulierungen des geistigen Eigentums ebneten, sowie für die Pressefreiheit. Einerseits profitierten die Verleger und Drucker von der explosionsartigen Zunahme der Meinungsäußerungen und fürchteten daher erneute, aus konservativer Paranoia vor revolutionärer Propaganda entspringende Einschränkungen. Zugleich wandten sie sich jedoch mit der Hoffnung auf ein länderübergreifendes Regelwerk an den Staat, denn die völlige Freiheit für Raub- und Nachdrucke, gewissermaßen die zeitgenössische Variante des open access, hielten sie für geschäftsschädigend. Die Verknüpfung der Themen geistiges Eigentum und Zensurpolitik sollte die Verlagsbranche über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg nicht mehr loslassen. Der Vorstoß der Buchhändler in Wien endete allerdings zunächst vor allem in stärkerer Überwachung und Zensur, die 1819 mit den berüchtigten Karlsbader Beschlüssen zementiert wurden. Erst 1886 gelang mit der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst der Durchbruch zu einer länderübergreifenden Lösung für Urheberrechtsfragen, und es dauerte bis weit ins 20. Jahrhundert, um die unterschiedlichen Regelungen in Europa und den Amerikas anzunähern. Diese beiden Beispiele, denen weitere an die Seite gestellt werden können, zeigen, dass weder reiner Territorialgewinn noch außenpolitisches Kalkül allein den Wiener Kongress antreiben konnten. Befördert durch die Revolutionen auf beiden Seiten des Atlantiks war die Welt, die die Monarchen, Minister und Diplomaten ordnen wollten, immer weiter zusammengewachsen. Politik hatte einen Globalisierungsschub erfahren.[5 ] Die in Wien beschlossenen Regelungen sollten den weiteren Weg zu zahlreichen internationalen Vereinbarungen prägen.

Darüber hinaus wurde dem Kongress eine Liste kniffliger Detailfragen zugewiesen, die den Monarchen nachrangig erschienen, sich aus heutiger Sicht allerdings als folgenreich erwiesen. Dazu zählten etwa die Frage, ob das Prinzip der Freiheit der Schifffahrt auf den Meeren ohne Weiteres auf die wichtigen Flüsse Europas übertragen werden könne, sowie die Regulierung der immer wichtiger werdenden Printmedien. Dies sind nur zwei Beispiele für die zunehmende Bedeutung grenzüberschreitender Problemlagen, die internationale Regelungen nötig machten. Auch wenn es zunächst nur um europäische Probleme ging und die europäischen Akteure vorrangig nach Wien eilten, um ihre eigenen Interessen zu vertreten, stellten sich vergleichbare Fragen später genauso in anderen Weltregionen. Es gehört zu den globalhistorischen Wirkungen des Wiener Kongresses, dass die dort ventilierten Lösungen später in internationalen Verträgen und Organisationen weiter umgesetzt wurden. Die Rheinschifffahrt, die angesichts der vielen Anrainerstaaten einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des Flusses andererseits zum Modellfall für die Lösung transnationaler Probleme werden sollte, hielten die Großmächte im Vorfeld des Kongresses für eine technische Frage, die bei den Friedensverhandlungen nicht mit Territorialfragen vermischt werden sollte. An diesem Beispiel zeigt sich, wie das Scheitern des gewaltigen Entwurfs Napoleons, Europa unter französischer Hegemonie neu zu organisieren, Probleme hinterließ, die im Nachgang nur multilateral zu lösen waren und deren sich der Wiener Kongresses annahm. Als Vorbild für die Regulierung der Rheinschifffahrt galt der Rheinschifffahrts-Octroi von 1804, der die verschiedenen auf dem Rhein erhobenen Durchgangszölle zugunsten einer einheitlichen Abgabe abgeschafft hatte, dem nun der besonders von den Briten propagierte Grundsatz der Freiheit der Schifffahrt auf den Meeren und ihren Zubringern an die Seite gestellt wurde: Mit der Wiener Schlussakte wurde die erste internationale Organisation, die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt mit Sitz in Mainz, eingerichtet und beauftragt, ein Abkommen zur Umsetzung der Schifffahrtsfreiheit vorzubereiten – die 1831 unterzeichnete Rheinschifffahrtsakte. Die ab 1920 in Straßburg angesiedelte Zentralkommission sorgte zunächst für Abgabenfreiheit und Flussbegradigung und expandierte später ihre Zuständigkeit in immer neue Facetten der Verkehrssicherheit. Bis heute richten sich multilaterale Abkommen über die gemeinsame Nutzung und inzwischen auch ökologische Pflege von Flüssen, die durch mehrere Staaten führen, an diesem frühen Vorbild aus, auch wenn Konflikte nie ganz vermieden werden können, wie die Geschichte der Zentralkommission selbst, deren Sitz und Mitgliedschaften verschiedentlich wechselten, belegt. Ganz ähnlich erlebt die erst 1999 gegründete Nilbeckenitiative seit 2010 eine substanzielle Krise, als die Staaten am Oberlauf des Flusses versuchten, mit der Einrichtung einer Nile River Basin Commission ihre Interessen gegen Ägypten und den Sudan durchzusetzen. Ungeachtet solcher Auseinandersetzungen wurden bereits 1815 die Aufgaben derartiger Kommissionen antizipiert, die bis heute von technischen und logistischen Fragen der Flussschifffahrt über ökologische Belange bis hin zu sozialen Aspekten der mit dem Fluss verbundenen Berufe reichen. Ebenso wie für die Rheinschifffahrt galt es auf dem Wiener Kongress, neue Regeln für die Zirkulation des Wissens zu finden. Während der Revolutionszeit hatten Presse und Pamphletistik eine völlig neue Rolle in der Gesellschaft übernommen. Durch das steigende Interesse am politischen Geschehen war der Buchmarkt enorm gewachsen. Damit war das wirtschaftliche Wohlergehen der Journalisten und Verleger jedoch nicht mehr nur abhängig vom unmittelbaren räumlichen Kontext, in dem lokale "Intelligenzblätter" zirkulierten, oder von einer kleinen Gemeinschaft europäischer Eliten. Die Auflagen stiegen und ihre Verbreitung nahm zu, auch die Zahl der Publikationen wuchs ins bisher Unermessliche. Ungeniert bedienten sich manche bei den Druckerzeugnissen der Konkurrenz. Hinzu kam die politische Kontrolle, die vor allem unter Napoleons strenger Zensurpolitik halb Europa betroffen hatte. Entsprechend interessiert blickten die Buchhändler auf die Verhandlungen in Wien und entsandten sogar eigene Vertreter, wie den Stuttgarter Verleger Johann Friedrich Cotta und seinen Weimarer Kollegen Friedrich Justin Bertuch. Sie traten für den Schutz vor Nachdrucken ein, womit sie den Weg für die späteren Regulierungen des geistigen Eigentums ebneten, sowie für die Pressefreiheit. Einerseits profitierten die Verleger und Drucker von der explosionsartigen Zunahme der Meinungsäußerungen und fürchteten daher erneute, aus konservativer Paranoia vor revolutionärer Propaganda entspringende Einschränkungen. Zugleich wandten sie sich jedoch mit der Hoffnung auf ein länderübergreifendes Regelwerk an den Staat, denn die völlige Freiheit für Raub- und Nachdrucke, gewissermaßen die zeitgenössische Variante des open access, hielten sie für geschäftsschädigend. Die Verknüpfung der Themen geistiges Eigentum und Zensurpolitik sollte die Verlagsbranche über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg nicht mehr loslassen. Der Vorstoß der Buchhändler in Wien endete allerdings zunächst vor allem in stärkerer Überwachung und Zensur, die 1819 mit den berüchtigten Karlsbader Beschlüssen zementiert wurden. Erst 1886 gelang mit der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst der Durchbruch zu einer länderübergreifenden Lösung für Urheberrechtsfragen, und es dauerte bis weit ins 20. Jahrhundert, um die unterschiedlichen Regelungen in Europa und den Amerikas anzunähern. Diese beiden Beispiele, denen weitere an die Seite gestellt werden können, zeigen, dass weder reiner Territorialgewinn noch außenpolitisches Kalkül allein den Wiener Kongress antreiben konnten. Befördert durch die Revolutionen auf beiden Seiten des Atlantiks war die Welt, die die Monarchen, Minister und Diplomaten ordnen wollten, immer weiter zusammengewachsen. Politik hatte einen Globalisierungsschub erfahren. Die in Wien beschlossenen Regelungen sollten den weiteren Weg zu zahlreichen internationalen Vereinbarungen prägen.

Der Wiener Kongress war einberufen worden, um das Kapitel revolutionärer Erschütterungen zu schließen, das mit dem Kampf der 13 nordamerikanischen Kolonien für ihre Unabhängigkeit von der britischen Herrschaft eröffnet worden war und 1815 zwar in Europa vorüber schien, aber besonders in Südamerika noch seinem Höhepunkt zustrebte. Daher verwundert es nicht, dass auf dem Kongress auch diese weit entfernten Schauplätze zu bedenken waren. Von Boston bis Warschau, Mainz und Neapel, von Amsterdam bis Caracas, von Port au Prince bis Paris hatten die Menschen in diesem transatlantischen Revolutionszyklus – oft unter der Parole der Unabhängigkeit von kolonialer Unterdrückung – die republikanische, auf Volkssouveränität basierende Selbstorganisation im Blick sowie Menschenrechte als Grundlage eines modernen Konstitutionalismus.[7 ] Dabei handelte es sich um alles andere als eine rein europäische Agenda; vielmehr war sie tief geprägt von den Erfahrungen des Kolonialismus. Verursacht hatte diese Kette von Revolutionen die instabil gewordene Kontrolle über die globalen Warenflüsse. Insbesondere die Plantagenwirtschaften der Karibik, in Brasilien und im Süden der USA lieferten Ressourcen für einen weltweiten Handelskreislauf. Dass die Plantagen so produktiv waren, hatte seine Grundlage nicht nur in den günstigen klimatischen Voraussetzungen, sondern vor allem in der gnadenlosen Ausbeutung der hauptsächlich aus Afrika stammenden Sklaven. Die enormen Gewinnspannen hatten immer mehr Akteure angezogen, sodass die Kontrolle über die Schiffsrouten und die Karibik sowie über Handelspatente und die Besteuerung der Einnahmen zu einem immer stärker umkämpften Terrain geworden waren. Frankreich, dessen Einstieg in das Plantagengeschäft erst relativ spät und zögerlich erfolgt war, verfügte schließlich mit Saint-Domingue über die produktivste der Inseln mit einem ungewöhnlich hohen Sklavenanteil an der Gesamtbevölkerung und weit unterdurchschnittlichen Fluchtmöglichkeiten. Während es im 18. Jahrhundert an anderen Orten seines Kolonialreiches eher zum Rückzug gezwungen worden war, hatte die Zuckerproduktion auf Saint-Domingue die Grundlage für florierende Hafenstädte von Nantes bis Marseille geliefert – angesichts der Kreditklemme ein rettender Strohhalm für die französische Krone. Auf ebenjener Zuckerinsel zog der mit der Französischen Revolution erschallende Ruf nach Freiheit und Gleichheit 1791 ein heftiges Echo in Form eines Sklavenaufstandes nach sich. Bis dahin war das humanitäre Argument gegen Sklaverei zwar auch in Frankreich präsent, aber beileibe nicht bestimmend für die Kolonialpolitik gewesen. Die Revolution der "schwarzen Jakobiner" stürzte Paris nun in größte Verlegenheit. Eine offene Konfrontation hätte das völlige Abreißen der Verbindung zum "Kronjuwel" des verstreuten französischen Überseebesitzes bedeutet. Der Anführer der siegreichen Sklaven, Toussaint L’Ouverture, hatte wiederum erkannt, dass die Bindung an Frankreich im unsicheren internationalen Umfeld auch eine Garantie gegen eine neue Kolonisierung bildete und Absatzmärkte für die monokulturell ausgerichtete Wirtschaft der Insel bot. Der von Robespierristen dominierte französische Konvent erkannte schließlich 1794 die Abschaffung der Sklaverei formell an und hielt damit den Kurs der Verwirklichung der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Der Sieg der ehemaligen Sklaven hatte somit die Radikalisierung der Revolution in Europa weit über ein ursprünglich beabsichtigtes Maß hinaus erzwungen. Dies hatte wiederum den Antagonismus zwischen dem revolutionären Frankreich und der britischen Monarchie verschärft. Als Napoleon 1799 dem britischen König Georg III. vorschlug, die Feindseligkeiten aufzugeben, lief dessen brüske Zurückweisung auf den Vorwurf hinaus, Frankreich habe die "gute soziale Ordnung" durcheinander gebracht, was nicht zuletzt auch ein Hinweis auf die politische Anerkennung der Abolition war. Kurz darauf schon begann das Rollback in der Sklavenfrage und Napoleon führte die Sklaverei 1802 per Gesetz wieder ein. Eine Militärexpedition ausgerechnet unter dem Ex-Jakobiner Charles Victoire Emmanuel Leclerc sollte die angestammte Ordnung auf Saint-Domingue wiederherstellen, was seitens des britischen Außenministeriums als ein Hoffnungszeichen gewertet wurde, dass Frankreich sich wieder an der gemeinsamen Sicherung der "sozialen Ordnung", mithin auch der Sklaverei in Übersee, beteiligen würde. Dass Leclercs Vormarsch scheiterte, erledigte die Planungen für Saint-Domingue, das sich 1804 unter dem Namen Haiti für unabhängig erklärte, aber keineswegs für die anderen Inseln in französischem Besitz. Es sollte bis 1848 dauern, ehe Frankreich die Sklaverei erneut per Verfassung verbot. Parallel hatte sich jedoch die innenpolitische Situation in England verändert. Nach dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien war es nur noch auf einigen Inseln auf Sklavenarbeit angewiesen. Zugleich hatte die anschwellende humanitäre Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei mit erfolgreichen Petitionen und Boykotts gegen von Sklaven produzierte Waren einen erheblichen Druck aufgebaut, sodass 1807 der Sklavenhandel per Erlass verboten wurde. In der Folge setzte sich Großbritannien, die weltweit größte Seemacht, aktiv für die internationale Ausdehnung dieses Verbots ein. Dabei erhielt die britische Regierung Unterstützung aus der Londoner City, wo befürchtet wurde, dass die europäischen Konkurrenten wirtschaftlich vom britischen Rückzug aus dem Sklavengeschäft profitieren könnten. Auf Drängen Castlereaghs wurde daher auf dem Wiener Kongress eine Abolitionskommission eingerichtet, die im Zuge ihrer Sitzungen eine Erklärung zur Abschaffung des afrikanischen Sklavenhandels erarbeitete, die als Annex 15 in die Wiener Schlussakte eingehen sollte. Dabei handelte es sich wohlgemerkt nicht um die Abschaffung der Sklaverei, aber es sollte ihr den Nachschub entziehen und nahm gewissermaßen Rücksicht auf die ökonomischen Interessen der Pflanzer, die sich langsam von der Droge billiger und allzeit umfassend verfügbarer Arbeitskräfte befreien sollten. Beim Kampf gegen den Sklavenhandel ging es dem Vereinigten Königreich nicht zuletzt auch um die Kontrolle der Meere: Die Visitierung von Häfen, Schiffen und Ladungen wurde der Royal Navy überlassen, die dafür am besten ausgestattet war. Die Erklärung sparte nicht mit süßen Worten von der "öffentlichen Meinung" in den "zivilisierten Ländern", die den Prinzipien der Humanität und der universellen Moral ebenso verpflichtet seien wie der christlichen Religion. Der Text wird deshalb nicht selten als ein Dokument wertegetriebenen humanitären Völkerrechts angesehen, das auf entsprechende Erklärungen im 20. Jahrhundert verweist, etwa auf das Genfer Abkommen gegen Sklaverei von 1926. Großbritannien zog denn auch den größten Prestigegewinn aus diesem Annex, galt es von nun an als Vorreiter von Humanität und Modernität. Zunächst sah die Realität aber anders aus. Bis in die 1880er Jahre setzte sich die Versklavung von Menschen aus Afrika fort; die Zahl der über den Atlantik transportierten Sklaven stieg im 19. Jahrhundert sogar noch an. Dennoch reiht sich die in Wien vollzogene Aufnahme des Problems in das Völkerrecht in die wichtigen Etappenschritte auf dem Weg zur moralischen, juristischen und politischen Ächtung der Sklaverei ein. Im Kontext des Wiener Kongresses bietet uns der Sinneswandel in der britischen Außenpolitik aber auch einen deutlichen Hinweis auf die neue Weltordnung. Denn Englands Interesse war nicht nur moralisch und handelspolitisch, sondern auch geopolitisch motiviert. Das Gleichgewicht in Europa, um einen dauerhaften Frieden herzustellen, war das eine Ziel, die Absicherung neuer Handelsräume das andere. Erstaunlich schnell normalisierten sich die Beziehungen zu den Exkolonien in den nunmehrigen Vereinigten Staaten von Amerika. Ein weiterer bislang noch unerschlossener, aber alsbald stark wachsender Markt ließ sich im Süden des amerikanischen Doppelkontinents vermuten. Doch weder Siedlerkolonialismus noch die Eroberung von Stützpunkten schienen hier geeignete Instrumente. Die kostengünstigere Variante war ein grundsätzliches Freihandelsregime, bei dem die Märkte nicht mehr durch die alten Kolonialprivilegien kontrolliert wurden. Vielmehr sollten die wichtigsten Meeresrouten durch die Royal Navy wenn schon nicht restlos kontrolliert, so zumindest freigehalten werden. Dieses Freihandelsregime für eine wachsende Menge relativ billiger Produkte, das den jeweils stärksten Regionalmächten die Sorge um die politische Stabilität überantwortete, beruhte auf geopolitischem Kalkül. So war das Ergebnis des Wiener Kongresses eine Art Regionalisierung der Welt, deren Zusammenhang wiederum durch das global vorherrschende britische Empire garantiert wurde. Nicht zufällig strebte der südamerikanische Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar parallel zum Wiener Kongress eine Vereinigung des südlichen Amerika in einer großen Republik an. Er scheiterte jedoch an den zentrifugalen Interessen seiner Mitstreiter und musste sich mit der langwierigen Herausbildung von Nationalstaaten aus dem imperialen Zusammenhang des vorherigen Kolonialbesitzes abfinden. So konnten die USA 1823 mit der Monroe-Doktrin ihren Anspruch anmelden, über ein eigenes Einflussgebiet zu bestimmen. Der größte Teil der Wiener Schlussakte behandelte europäische Angelegenheiten, insbesondere den Neuzuschnitt des zentralen Teils dieses Kontinents, der sich einer rationalisierenden Vereinigung unter Napoleon entwunden hatte. Dies geschah jedoch als Resultat einer globalen Kräftemobilisierung und bestimmte Europas Platz in der Welt und seine Verflechtung mit anderen Weltregionen neu. Wer Europa nach dem transatlantischen Revolutionszyklus eine stabile Friedensordnung geben wollte, musste die vielen Facetten seiner globalen Eingebundenheit berücksichtigen und die in Wien gefundenen Lösungen blieben nicht ohne Einfluss auf spätere Versuche, globale Krisen zu überwinden.

Nach der Niederlage Napoleons luden die siegreichen Großmächte Russland, Großbritannien, Österreich und Preußen die anderen Staaten Europas ein, Bevollmächtigte zu einem Kongress nach Wien zu schicken. So drängten im Spätsommer 1814 Kaiser, Könige, Fürsten, Minister und Repräsentanten in die befestigte Stadt, um über eine neue Ordnung auf dem Kontinent zu beraten. Lange war Europa entlang zweier Militärbündnisse geteilt gewesen – ein seinerzeit als "Mächtegleichgewicht" bezeichnetes Phänomen. Nach der Französischen Revolution, der Herrschaft Napoleons und zwanzig Jahren Krieg waren viele Staaten unterjocht, beliebig verändert oder sogar ganz verschwunden. Der Kontinent und insbesondere das Gebiet des heutigen Deutschland befanden sich im politischen Chaos. Darüber hinaus zeichnete sich schnell eine neue Bedrohung ab, als unter den Staaten fast sofort wieder Misstrauen und Rivalitäten aufkamen. Die Krise brach im Winter 1814/15 aus, als Zar Alexander I. vorschlug, das nach mehreren Teilungen von der Landkarte getilgte Polen wiederherzustellen – allerdings unter russischer Herrschaft. Als Ausgleich für den Verlust seiner polnischen Gebiete bot er Preußen das von russischen Truppen besetzte Sachsen an. Dieser Plan, der die Grenzen Russlands weiter nach Westen verschoben hätte, versetzte Großbritannien und Österreich in helle Aufregung. Beide gingen sogar so weit, dem gerade erst besiegten Frankreich eine geheime Allianz vorzuschlagen. Die Gefahr war real, dass Alexanders Vorhaben zu einer neuerlichen Teilung des Kontinents in zwei Blöcke ausarten könnte, womöglich sogar zu einem Krieg. Die Großmächte wussten dies jedoch zu vermeiden – durch geschickte diplomatische Verhandlungen, aber auch, weil beide Seiten eine friedliche Lösung anstrebten. Das Letzte, was der Zar wünschte, war ein erneuter europäischer Konflikt. Er erkannte, wohin sein Vorhaben führen würde, und ruderte zurück. Daraufhin kehrten die Mächte im freundschaftlichen Einvernehmen an den Verhandlungstisch zurück, und Polen wurde erneut aufgeteilt. Andere dringende Angelegenheiten waren zu regeln: die Gründung eines neuen deutschen Staatenbundes anstelle des untergegangenen Heiligen Römischen Reiches, die Wiedereinsetzung des königlichen Adelsgeschlechts der Bourbonen in Frankreich, Spanien und Neapel, eine Verfassung für die Schweiz sowie das diplomatische Rangsystem; auch soziale und wirtschaftliche Fragen galt es zu besprechen, etwa die Rechte deutscher Juden, die Abschaffung des Sklavenhandels und die Freiheit der Rheinschifffahrt. Inmitten dieser Verhandlungen kehrte Napoleon im März 1815 völlig unerwartet aus seinem Exil in Elba nach Frankreich zurück, wo er für die "Herrschaft der Hundert Tage" erneut den Thron bestieg. Die aufgebrachten Alliierten schlossen sich erneut zusammen und besiegten Napoleon in der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 endgültig – jedoch nicht ohne neun Tage zuvor die Schlussakte des Wiener Kongresses unter Dach und Fach gebracht zu haben. Das abermals besiegte Frankreich wäre fast von der Landkarte verschwunden: Um zu verhindern, dass es jemals wieder eine Bedrohung für Europa werden könnte, spielten die Siegermächte kurze Zeit mit dem Gedanken, das Land aufzuteilen. Letztlich kam es jedoch mit einer mehrere Jahre währenden militärischen Besatzung und enormen Reparationszahlungen davon. Der gestürzte französische Kaiser wurde vor den Augen Europas im Zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 angeklagt und für den Rest seines Lebens nach St. Helena verbannt, eine einsame britische Insel im Südatlantik. Die Aushandlung einer Nachkriegsordnung war für sich genommen schon ein komplexes Unterfangen. Doch die Großmächte verfolgten eine viel breitere Agenda: die Schaffung einer neuen politischen Ordnung in Europa. Die Fundamente der vorherigen waren hundert Jahre zuvor mit dem Frieden von Utrecht von 1713 gelegt worden. Auf dem Prinzip des Mächtegleichgewichts beruhend, gründete es auf zwei einander gegenüberstehenden Militärbündnissen, die ursprünglich von Frankreich und Österreich angeführt wurden. Durch die enorme taktische Überlegenheit seiner Armeen hatte Napoleon das Gewicht jedoch vollständig zu seinen Gunsten verlagert; die Alliierten hatten erst dann die Oberhand gewonnen, als es ihnen endlich gelungen war, ihre Truppen gleichzeitig gegen ihn ins Feld zu führen. 1815 wollten sie diese Erfahrung nicht wiederholen. Im September desselben Jahres schlug der Zar den anderen Mächten eine "Heilige Allianz" vor. Dieses Bündnis war insofern neuartig, als dass sein Ziel nicht darin bestand, Frieden zu schaffen, sondern ihn zu bewahren. Die Heilige Allianz trug zur Entstehung des sogenannten Kongresssystems bei: Über einige Jahre trafen sich Vertreter der Großmächte regelmäßig, um gemeinsame Sicherheitsfragen und andere Angelegenheiten zu besprechen. Dieses bis 1822 bestehende System markierte den Beginn der Konferenzdiplomatie in den internationalen Beziehungen und wurde zum Vorbild für das Zueinanderfinden von Mächten mit unterschiedlichen Interessen. Für drei weitere Jahrzehnte, bis zum Beginn des Krimkrieges 1853, war Europa nicht in zwei Bündnisse gespalten, sondern bildete einen einzigen Block, der als das "Europäische Konzert" bekannt wurde. In dieser Zeit erfreute sich der Ausdruck "Europäische Familie" beispielloser Beliebtheit. Schließlich handelte es sich um den ersten Versuch in der Geschichte, innerhalb eines einzigen Bündnisses größerer Staaten eine friedliche, auf aktiver Zusammenarbeit beruhende europäische Ordnung aufzubauen. Diese politische Ordnung wies allerdings auch Mängel auf, da sie auf die Bewahrung der Prinzipien des Status quo und der dynastischen Legitimität angelegt war – um jeden Preis. Innenpolitisch führte dies zu Unruhen und der Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten; die Presse wurde zensiert und Parlamente aufgelöst – ein als "Reaktion" bezeichnetes Phänomen. Das Ergebnis war eine endlose Abfolge nationaler Aufstände während der 1820er Jahre bis hin zu den Revolutionen von 1848.

Frankreich, dessen Einstieg in das Plantagengeschäft erst relativ spät und zögerlich erfolgt war, verfügte schließlich mit Saint-Domingue über die produktivste der Inseln mit einem ungewöhnlich hohen Sklavenanteil an der Gesamtbevölkerung und weit unterdurchschnittlichen Fluchtmöglichkeiten. Während es im 18. Jahrhundert an anderen Orten seines Kolonialreiches eher zum Rückzug gezwungen worden war, hatte die Zuckerproduktion auf Saint-Domingue die Grundlage für florierende Hafenstädte von Nantes bis Marseille geliefert – angesichts der Kreditklemme ein rettender Strohhalm für die französische Krone. Auf ebenjener Zuckerinsel zog der mit der Französischen Revolution erschallende Ruf nach Freiheit und Gleichheit 1791 ein heftiges Echo in Form eines Sklavenaufstandes nach sich. Bis dahin war das humanitäre Argument gegen Sklaverei zwar auch in Frankreich präsent, aber beileibe nicht bestimmend für die Kolonialpolitik gewesen. Die Revolution der "schwarzen Jakobiner" stürzte Paris nun in größte Verlegenheit. Eine offene Konfrontation hätte das völlige Abreißen der Verbindung zum "Kronjuwel" des verstreuten französischen Überseebesitzes bedeutet. Der Anführer der siegreichen Sklaven, Toussaint L’Ouverture, hatte wiederum erkannt, dass die Bindung an Frankreich im unsicheren internationalen Umfeld auch eine Garantie gegen eine neue Kolonisierung bildete und Absatzmärkte für die monokulturell ausgerichtete Wirtschaft der Insel bot. Der von Robespierristen dominierte französische Konvent erkannte schließlich 1794 die Abschaffung der Sklaverei formell an und hielt damit den Kurs der Verwirklichung der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Der Sieg der ehemaligen Sklaven hatte somit die Radikalisierung der Revolution in Europa weit über ein ursprünglich beabsichtigtes Maß hinaus erzwungen. Dies hatte wiederum den Antagonismus zwischen dem revolutionären Frankreich und der britischen Monarchie verschärft. Als Napoleon 1799 dem britischen König Georg III. vorschlug, die Feindseligkeiten aufzugeben, lief dessen brüske Zurückweisung auf den Vorwurf hinaus, Frankreich habe die "gute soziale Ordnung" durcheinander gebracht, was nicht zuletzt auch ein Hinweis auf die politische Anerkennung der Abolition war. Kurz darauf schon begann das Rollback in der Sklavenfrage und Napoleon führte die Sklaverei 1802 per Gesetz wieder ein. Eine Militärexpedition ausgerechnet unter dem Ex-Jakobiner Charles Victoire Emmanuel Leclerc sollte die angestammte Ordnung auf Saint-Domingue wiederherstellen, was seitens des britischen Außenministeriums als ein Hoffnungszeichen gewertet wurde, dass Frankreich sich wieder an der gemeinsamen Sicherung der "sozialen Ordnung", mithin auch der Sklaverei in Übersee, beteiligen würde. Dass Leclercs Vormarsch scheiterte, erledigte die Planungen für Saint-Domingue, das sich 1804 unter dem Namen Haiti für unabhängig erklärte, aber keineswegs für die anderen Inseln in französischem Besitz. Es sollte bis 1848 dauern, ehe Frankreich die Sklaverei erneut per Verfassung verbot. Parallel hatte sich jedoch die innenpolitische Situation in England verändert. Nach dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien war es nur noch auf einigen Inseln auf Sklavenarbeit angewiesen. Zugleich hatte die anschwellende humanitäre Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei mit erfolgreichen Petitionen und Boykotts gegen von Sklaven produzierte Waren einen erheblichen Druck aufgebaut, sodass 1807 der Sklavenhandel per Erlass verboten wurde. In der Folge setzte sich Großbritannien, die weltweit größte Seemacht, aktiv für die internationale Ausdehnung dieses Verbots ein. Dabei erhielt die britische Regierung Unterstützung aus der Londoner City, wo befürchtet wurde, dass die europäischen Konkurrenten wirtschaftlich vom britischen Rückzug aus dem Sklavengeschäft profitieren könnten. Die Aushandlung einer Nachkriegsordnung war für sich genommen schon ein komplexes Unterfangen. Doch die Großmächte verfolgten eine viel breitere Agenda: die Schaffung einer neuen politischen Ordnung in Europa. Die Fundamente der vorherigen waren hundert Jahre zuvor mit dem Frieden von Utrecht von 1713 gelegt worden. Auf dem Prinzip des Mächtegleichgewichts beruhend, gründete es auf zwei einander gegenüberstehenden Militärbündnissen, die ursprünglich von Frankreich und Österreich angeführt wurden. Durch die enorme taktische Überlegenheit seiner Armeen hatte Napoleon das Gewicht jedoch vollständig zu seinen Gunsten verlagert; die Alliierten hatten erst dann die Oberhand gewonnen, als es ihnen endlich gelungen war, ihre Truppen gleichzeitig gegen ihn ins Feld zu führen. 1815 wollten sie diese Erfahrung nicht wiederholen. Im September desselben Jahres schlug der Zar den anderen Mächten eine "Heilige Allianz" vor. Dieses Bündnis war insofern neuartig, als dass sein Ziel nicht darin bestand, Frieden zu schaffen, sondern ihn zu bewahren. Die Heilige Allianz trug zur Entstehung des sogenannten Kongresssystems bei: Über einige Jahre trafen sich Vertreter der Großmächte regelmäßig, um gemeinsame Sicherheitsfragen und andere Angelegenheiten zu besprechen. Dieses bis 1822 bestehende System markierte den Beginn der Konferenzdiplomatie in den internationalen Beziehungen und wurde zum Vorbild für das Zueinanderfinden von Mächten mit unterschiedlichen Interessen. Für drei weitere Jahrzehnte, bis zum Beginn des Krimkrieges 1853, war Europa nicht in zwei Bündnisse gespalten, sondern bildete einen einzigen Block, der als das "Europäische Konzert" bekannt wurde. In dieser Zeit erfreute sich der Ausdruck "Europäische Familie" beispielloser Beliebtheit. Schließlich handelte es sich um den ersten Versuch in der Geschichte, innerhalb eines einzigen Bündnisses größerer Staaten eine friedliche, auf aktiver Zusammenarbeit beruhende europäische Ordnung aufzubauen. Diese politische Ordnung wies allerdings auch Mängel auf, da sie auf die Bewahrung der Prinzipien des Status quo und der dynastischen Legitimität angelegt war – um jeden Preis. Innenpolitisch führte dies zu Unruhen und der Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten; die Presse wurde zensiert und Parlamente aufgelöst – ein als "Reaktion" bezeichnetes Phänomen. Das Ergebnis war eine endlose Abfolge nationaler Aufstände während der 1820er Jahre bis hin zu den Revolutionen von 1848.

Frankreich, dessen Einstieg in das Plantagengeschäft erst relativ spät und zögerlich erfolgt war, verfügte schließlich mit Saint-Domingue über die produktivste der Inseln mit einem ungewöhnlich hohen Sklavenanteil an der Gesamtbevölkerung und weit unterdurchschnittlichen Fluchtmöglichkeiten. Während es im 18. Jahrhundert an anderen Orten seines Kolonialreiches eher zum Rückzug gezwungen worden war, hatte die Zuckerproduktion auf Saint-Domingue die Grundlage für florierende Hafenstädte von Nantes bis Marseille geliefert – angesichts der Kreditklemme ein rettender Strohhalm für die französische Krone. Auf ebenjener Zuckerinsel zog der mit der Französischen Revolution erschallende Ruf nach Freiheit und Gleichheit 1791 ein heftiges Echo in Form eines Sklavenaufstandes nach sich. Bis dahin war das humanitäre Argument gegen Sklaverei zwar auch in Frankreich präsent, aber beileibe nicht bestimmend für die Kolonialpolitik gewesen. Die Revolution der "schwarzen Jakobiner" stürzte Paris nun in größte Verlegenheit. Eine offene Konfrontation hätte das völlige Abreißen der Verbindung zum "Kronjuwel" des verstreuten französischen Überseebesitzes bedeutet. Der Anführer der siegreichen Sklaven, Toussaint L’Ouverture, hatte wiederum erkannt, dass die Bindung an Frankreich im unsicheren internationalen Umfeld auch eine Garantie gegen eine neue Kolonisierung bildete und Absatzmärkte für die monokulturell ausgerichtete Wirtschaft der Insel bot. Der von Robespierristen dominierte französische Konvent erkannte schließlich 1794 die Abschaffung der Sklaverei formell an und hielt damit den Kurs der Verwirklichung der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Der Sieg der ehemaligen Sklaven hatte somit die Radikalisierung der Revolution in Europa weit über ein ursprünglich beabsichtigtes Maß hinaus erzwungen. Dies hatte wiederum den Antagonismus zwischen dem revolutionären Frankreich und der britischen Monarchie verschärft. Als Napoleon 1799 dem britischen König Georg III. vorschlug, die Feindseligkeiten aufzugeben, lief dessen brüske Zurückweisung auf den Vorwurf hinaus, Frankreich habe die "gute soziale Ordnung" durcheinander gebracht, was nicht zuletzt auch ein Hinweis auf die politische Anerkennung der Abolition war. Kurz darauf schon begann das Rollback in der Sklavenfrage und Napoleon führte die Sklaverei 1802 per Gesetz wieder ein. Eine Militärexpedition ausgerechnet unter dem Ex-Jakobiner Charles Victoire Emmanuel Leclerc sollte die angestammte Ordnung auf Saint-Domingue wiederherstellen, was seitens des britischen Außenministeriums als ein Hoffnungszeichen gewertet wurde, dass Frankreich sich wieder an der gemeinsamen Sicherung der "sozialen Ordnung", mithin auch der Sklaverei in Übersee, beteiligen würde. Dass Leclercs Vormarsch scheiterte, erledigte die Planungen für Saint-Domingue, das sich 1804 unter dem Namen Haiti für unabhängig erklärte, aber keineswegs für die anderen Inseln in französischem Besitz. Es sollte bis 1848 dauern, ehe Frankreich die Sklaverei erneut per Verfassung verbot. Parallel hatte sich jedoch die innenpolitische Situation in England verändert. Nach dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien war es nur noch auf einigen Inseln auf Sklavenarbeit angewiesen. Zugleich hatte die anschwellende humanitäre Bewegung für die Abschaffung der Sklaverei mit erfolgreichen Petitionen und Boykotts gegen von Sklaven produzierte Waren einen erheblichen Druck aufgebaut, sodass 1807 der Sklavenhandel per Erlass verboten wurde. In der Folge setzte sich Großbritannien, die weltweit größte Seemacht, aktiv für die internationale Ausdehnung dieses Verbots ein. Dabei erhielt die britische Regierung Unterstützung aus der Londoner City, wo befürchtet wurde, dass die europäischen Konkurrenten wirtschaftlich vom britischen Rückzug aus dem Sklavengeschäft profitieren könnten. Auf Drängen Castlereaghs wurde daher auf dem Wiener Kongress eine Abolitionskommission eingerichtet, die im Zuge ihrer Sitzungen eine Erklärung zur Abschaffung des afrikanischen Sklavenhandels erarbeitete, die als Annex 15 in die Wiener Schlussakte eingehen sollte. Dabei handelte es sich wohlgemerkt nicht um die Abschaffung der Sklaverei, aber es sollte ihr den Nachschub entziehen und nahm gewissermaßen Rücksicht auf die ökonomischen Interessen der Pflanzer, die sich langsam von der Droge billiger und allzeit umfassend verfügbarer Arbeitskräfte befreien sollten. Beim Kampf gegen den Sklavenhandel ging es dem Vereinigten Königreich nicht zuletzt auch um die Kontrolle der Meere: Die Visitierung von Häfen, Schiffen und Ladungen wurde der Royal Navy überlassen, die dafür am besten ausgestattet war. Die Erklärung sparte nicht mit süßen Worten von der "öffentlichen Meinung" in den "zivilisierten Ländern", die den Prinzipien der Humanität und der universellen Moral ebenso verpflichtet seien wie der christlichen Religion. Der Text wird deshalb nicht selten als ein Dokument wertegetriebenen humanitären Völkerrechts angesehen, das auf entsprechende Erklärungen im 20. Jahrhundert verweist, etwa auf das Genfer Abkommen gegen Sklaverei von 1926. Großbritannien zog denn auch den größten Prestigegewinn aus diesem Annex, galt es von nun an als Vorreiter von Humanität und Modernität. Zunächst sah die Realität aber anders aus. Bis in die 1880er Jahre setzte sich die Versklavung von Menschen aus Afrika fort; die Zahl der über den Atlantik transportierten Sklaven stieg im 19. Jahrhundert sogar noch an. Dennoch reiht sich die in Wien vollzogene Aufnahme des Problems in das Völkerrecht in die wichtigen Etappenschritte auf dem Weg zur moralischen, juristischen und politischen Ächtung der Sklaverei ein. Im Kontext des Wiener Kongresses bietet uns der Sinneswandel in der britischen Außenpolitik aber auch einen deutlichen Hinweis auf die neue Weltordnung. Denn Englands Interesse war nicht nur moralisch und handelspolitisch, sondern auch geopolitisch motiviert. Das Gleichgewicht in Europa, um einen dauerhaften Frieden herzustellen, war das eine Ziel, die Absicherung neuer Handelsräume das andere. Erstaunlich schnell normalisierten sich die Beziehungen zu den Exkolonien in den nunmehrigen Vereinigten Staaten von Amerika. Ein weiterer bislang noch unerschlossener, aber alsbald stark wachsender Markt ließ sich im Süden des amerikanischen Doppelkontinents vermuten. Doch weder Siedlerkolonialismus noch die Eroberung von Stützpunkten schienen hier geeignete Instrumente. Die kostengünstigere Variante war ein grundsätzliches Freihandelsregime, bei dem die Märkte nicht mehr durch die alten Kolonialprivilegien kontrolliert wurden. Vielmehr sollten die wichtigsten Meeresrouten durch die Royal Navy wenn schon nicht restlos kontrolliert, so zumindest freigehalten werden. Dieses Freihandelsregime für eine wachsende Menge relativ billiger Produkte, das den jeweils stärksten Regionalmächten die Sorge um die politische Stabilität überantwortete, beruhte auf geopolitischem Kalkül. So war das Ergebnis des Wiener Kongresses eine Art Regionalisierung der Welt, deren Zusammenhang wiederum durch das global vorherrschende britische Empire garantiert wurde. Nicht zufällig strebte der südamerikanische Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar parallel zum Wiener Kongress eine Vereinigung des südlichen Amerika in einer großen Republik an. Er scheiterte jedoch an den zentrifugalen Interessen seiner Mitstreiter und musste sich mit der langwierigen Herausbildung von Nationalstaaten aus dem imperialen Zusammenhang des vorherigen Kolonialbesitzes abfinden. So konnten die USA 1823 mit der Monroe-Doktrin ihren Anspruch anmelden, über ein eigenes Einflussgebiet zu bestimmen. Der größte Teil der Wiener Schlussakte behandelte europäische Angelegenheiten, insbesondere den Neuzuschnitt des zentralen Teils dieses Kontinents, der sich einer rationalisierenden Vereinigung unter Napoleon entwunden hatte. Dies geschah jedoch als Resultat einer globalen Kräftemobilisierung und bestimmte Europas Platz in der Welt und seine Verflechtung mit anderen Weltregionen neu. Wer Europa nach dem transatlantischen Revolutionszyklus eine stabile Friedensordnung geben wollte, musste die vielen Facetten seiner globalen Eingebundenheit berücksichtigen und die in Wien gefundenen Lösungen blieben nicht ohne Einfluss auf spätere Versuche, globale Krisen zu überwinden.

Nach der Niederlage Napoleons luden die siegreichen Großmächte Russland, Großbritannien, Österreich und Preußen die anderen Staaten Europas ein, Bevollmächtigte zu einem Kongress nach Wien zu schicken. So drängten im Spätsommer 1814 Kaiser, Könige, Fürsten, Minister und Repräsentanten in die befestigte Stadt, um über eine neue Ordnung auf dem Kontinent zu beraten. Lange war Europa entlang zweier Militärbündnisse geteilt gewesen – ein seinerzeit als "Mächtegleichgewicht" bezeichnetes Phänomen. Nach der Französischen Revolution, der Herrschaft Napoleons und zwanzig Jahren Krieg waren viele Staaten unterjocht, beliebig verändert oder sogar ganz verschwunden. Der Kontinent und insbesondere das Gebiet des heutigen Deutschland befanden sich im politischen Chaos. Darüber hinaus zeichnete sich schnell eine neue Bedrohung ab, als unter den Staaten fast sofort wieder Misstrauen und Rivalitäten aufkamen. Die Krise brach im Winter 1814/15 aus, als Zar Alexander I. vorschlug, das nach mehreren Teilungen von der Landkarte getilgte Polen wiederherzustellen – allerdings unter russischer Herrschaft. Als Ausgleich für den Verlust seiner polnischen Gebiete bot er Preußen das von russischen Truppen besetzte Sachsen an. Dieser Plan, der die Grenzen Russlands weiter nach Westen verschoben hätte, versetzte Großbritannien und Österreich in helle Aufregung. Beide gingen sogar so weit, dem gerade erst besiegten Frankreich eine geheime Allianz vorzuschlagen. Die Gefahr war real, dass Alexanders Vorhaben zu einer neuerlichen Teilung des Kontinents in zwei Blöcke ausarten könnte, womöglich sogar zu einem Krieg. Die Großmächte wussten dies jedoch zu vermeiden – durch geschickte diplomatische Verhandlungen, aber auch, weil beide Seiten eine friedliche Lösung anstrebten. Das Letzte, was der Zar wünschte, war ein erneuter europäischer Konflikt. Er erkannte, wohin sein Vorhaben führen würde, und ruderte zurück. Daraufhin kehrten die Mächte im freundschaftlichen Einvernehmen an den Verhandlungstisch zurück, und Polen wurde erneut aufgeteilt. Andere dringende Angelegenheiten waren zu regeln: die Gründung eines neuen deutschen Staatenbundes anstelle des untergegangenen Heiligen Römischen Reiches, die Wiedereinsetzung des königlichen Adelsgeschlechts der Bourbonen in Frankreich, Spanien und Neapel, eine Verfassung für die Schweiz sowie das diplomatische Rangsystem; auch soziale und wirtschaftliche Fragen galt es zu besprechen, etwa die Rechte deutscher Juden, die Abschaffung des Sklavenhandels und die Freiheit der Rheinschifffahrt. Inmitten dieser Verhandlungen kehrte Napoleon im März 1815 völlig unerwartet aus seinem Exil in Elba nach Frankreich zurück, wo er für die "Herrschaft der Hundert Tage" erneut den Thron bestieg. Die aufgebrachten Alliierten schlossen sich erneut zusammen und besiegten Napoleon in der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 endgültig – jedoch nicht ohne neun Tage zuvor die Schlussakte des Wiener Kongresses unter Dach und Fach gebracht zu haben. Das abermals besiegte Frankreich wäre fast von der Landkarte verschwunden: Um zu verhindern, dass es jemals wieder eine Bedrohung für Europa werden könnte, spielten die Siegermächte kurze Zeit mit dem Gedanken, das Land aufzuteilen. Letztlich kam es jedoch mit einer mehrere Jahre währenden militärischen Besatzung und enormen Reparationszahlungen davon. Der gestürzte französische Kaiser wurde vor den Augen Europas im Zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 angeklagt und für den Rest seines Lebens nach St. Helena verbannt, eine einsame britische Insel im Südatlantik. Die Aushandlung einer Nachkriegsordnung war für sich genommen schon ein komplexes Unterfangen. Doch die Großmächte verfolgten eine viel breitere Agenda: die Schaffung einer neuen politischen Ordnung in Europa. Die Fundamente der vorherigen waren hundert Jahre zuvor mit dem Frieden von Utrecht von 1713 gelegt worden. Auf dem Prinzip des Mächtegleichgewichts beruhend, gründete es auf zwei einander gegenüberstehenden Militärbündnissen, die ursprünglich von Frankreich und Österreich angeführt wurden. Durch die enorme taktische Überlegenheit seiner Armeen hatte Napoleon das Gewicht jedoch vollständig zu seinen Gunsten verlagert; die Alliierten hatten erst dann die Oberhand gewonnen, als es ihnen endlich gelungen war, ihre Truppen gleichzeitig gegen ihn ins Feld zu führen. 1815 wollten sie diese Erfahrung nicht wiederholen. Im September desselben Jahres schlug der Zar den anderen Mächten eine "Heilige Allianz" vor. Dieses Bündnis war insofern neuartig, als dass sein Ziel nicht darin bestand, Frieden zu schaffen, sondern ihn zu bewahren. Die Heilige Allianz trug zur Entstehung des sogenannten Kongresssystems bei: Über einige Jahre trafen sich Vertreter der Großmächte regelmäßig, um gemeinsame Sicherheitsfragen und andere Angelegenheiten zu besprechen. Dieses bis 1822 bestehende System markierte den Beginn der Konferenzdiplomatie in den internationalen Beziehungen und wurde zum Vorbild für das Zueinanderfinden von Mächten mit unterschiedlichen Interessen. Für drei weitere Jahrzehnte, bis zum Beginn des Krimkrieges 1853, war Europa nicht in zwei Bündnisse gespalten, sondern bildete einen einzigen Block, der als das "Europäische Konzert" bekannt wurde. In dieser Zeit erfreute sich der Ausdruck "Europäische Familie" beispielloser Beliebtheit. Schließlich handelte es sich um den ersten Versuch in der Geschichte, innerhalb eines einzigen Bündnisses größerer Staaten eine friedliche, auf aktiver Zusammenarbeit beruhende europäische Ordnung aufzubauen. Diese politische Ordnung wies allerdings auch Mängel auf, da sie auf die Bewahrung der Prinzipien des Status quo und der dynastischen Legitimität angelegt war – um jeden Preis. Innenpolitisch führte dies zu Unruhen und der Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten; die Presse wurde zensiert und Parlamente aufgelöst – ein als "Reaktion" bezeichnetes Phänomen. Das Ergebnis war eine endlose Abfolge nationaler Aufstände während der 1820er Jahre bis hin zu den Revolutionen von 1848.Was ist vor diesem Hintergrund das Erbe des Wiener Kongresses? Sind aus dem Geschehen von damals allgemeine, heute möglicherweise noch relevante Prinzipien abzuleiten? Ich werde fünf "Lektionen" vorstellen, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch angewandt werden könnten – vor allem, wenn es darum geht, eine tragfähige Beziehung zwischen der Europäischen Union und Russland aufzubauen. Erstens: Ein Kriegssystem führt zu Krieg, ein Friedenssystem führt zu Frieden. Für die Heilige Allianz ließ sich Zar Alexander I. zum Teil von dem französischen Philosophen Charles Irénée Castel de Saint-Pierre inspirieren, der 1713 das "Traktat vom ewigen Frieden in Europa" veröffentlicht hatte. Darin hatte er argumentiert, dass eine allein auf einem Mächtegleichgewicht zwischen zwei Militärbündnissen beruhende politische Ordnung neue Kriege in Europa nicht verhindern könne, sondern dem Krieg sogar zuträglich sei. Er bezeichnete sie daher als "Kriegssystem". Alternativ plädierte Saint-Pierre für die Schaffung eines auf Schlichtung und Respekt vor territorialer Integrität basierenden "Friedenssystems". Ein "Europäischer Bund" von Staaten, den er auch "Föderation" oder "Union" nannte, solle einen Gerichtshof zur Schlichtung von Streitigkeiten einrichten. Eine gewöhnliche Armee solle nur als Ultima Ratio eingesetzt werden, gewissermaßen als eine Polizeitruppe gegen widerspenstige Staaten, die Entscheidungen des Gerichts nicht anerkennen. Saint-Pierres Idee sollte im 18. Jahrhundert nie konkrete Form annehmen; tatsächlich wurde er nicht einmal wirklich ernst genommen. Und doch ließen sich die Monarchen und Diplomaten 1815 von ihm inspirieren, auch wenn sie mit der Heiligen Allianz und dem Kongresssystem nicht ganz so weit gingen. Demgegenüber war der Kalte Krieg ein extremes Beispiel für ein militärisches Mächtegleichgewicht – auch "Gleichgewicht des Schreckens" genannt, da beide Supermächte über Nuklearwaffen verfügten. Obwohl ihm häufig gutgeschrieben wird, einen offenen Konflikt verhindert zu haben, war Europa über vier Jahrzehnte durch eine militärisch gesicherte Grenze geteilt. Heute würde eine durch verstärkte Feindseligkeiten zwischen NATO und Russland bewirkte sowie durch militärische Rhetorik geschürte Eskalation in der Ukraine-Krise eine Rückkehr zum "Kriegssystem" darstellen und Europa erneut spalten. Einmal mehr wäre Frieden in Europa ein "bewaffneter Waffenstillstand" mit dem erhöhten Risiko eines offenen Konflikts. Zweitens: Verhandlungen kosten weniger als Krieg. Gespräche zwischen zwei Parteien können zu probateren Ergebnissen führen als Konfrontation, und dies bei geringerem Aufwand. Der erfolgreiche Ausgang der Sachsen-Polen-Krise im Winter 1814/15 war darauf zurückzuführen, dass eine der Parteien nachgab und so Raum für Verhandlungen schuf. Selbst im hoffentlich unwahrscheinlichen Fall, dass um die Südostukraine ein Krieg ausbricht, müssten letztlich Diplomaten eine neue politische Ordnung aushandeln. Seit 1815 und erst recht seit 1918 haben sich die Regeln der internationalen Politik in Europa jedoch verändert. Weder einzelne Staaten noch die internationale Gemeinschaft verzeihen mehr einen einseitigen Bruch zuvor vereinbarter Regeln. Dies kann nicht nur die Aussöhnung zwischen Völkern verhindern, sondern auch zukünftiges Leid verursachen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor Deutschland noch mehr Gebiete und Einfluss in Osteuropa als 1919. Nach dem Kalten Krieg zerfiel die Sowjetunion, was zu einer Zeit der Wirren (smuta) in Russland und nicht zuletzt auch zu seinem gegenwärtigen politischen Dilemma führte. Falls die jüngere Geschichte ein Anhaltspunkt ist, wird die militärische Besetzung der Krim die Krise nicht lösen, sondern eher der Auftakt für weitere Not sein – sowohl für die Menschen vor Ort als auch für Russland. Beim Scheitern einer demokratischen, durch ein internationales Abkommen untermauerten Einigung könnte der Konflikt noch über Jahrzehnte hinweg gären. Heute könnten nur eine Deeskalation der bewaffneten Drohungen sowie Verhandlungen ohne militärischen Druck den Weg für eine friedliche Lösung ebnen. Um dies zu erreichen, muss eine hohe Hürde überwunden werden. Allem Anschein nach bedarf es einer starken politischen Position und wohl auch Mutes, um die friedliche Lösung einer Krise herbeizuführen. Regierungen, die sich in einer moralisch oder faktisch schwachen Verhandlungsposition sehen, neigen eher dazu, ein militärisches Vorgehen als Ausweg zu sehen. Oft verbirgt sich hinter kriegerischen Tönen in politischen Kreisen ein Gefühl der Angst. Bei der Sachsen-Polen-Frage 1814/15 hatte der preußische König die Krise durch Drohungen verschärft – wie nicht anders zu erwarten, war das von Napoleon schmachvoll besiegte und sich davon kaum erholende Preußen der schwächste Staat unter den Großmächten. Im Gegensatz dazu konnte Alexander I. Ruhe bewahren und Zugeständnisse machen, denn er genoss das Privileg militärischer Überlegenheit und allgemeinen Respekts, den er sich zwischen 1812 und 1815 durch seine verblüffenden Siege über Napoleon verdient hatte. Daraus folgt drittens: Frieden ist für Starke, Krieg ist für Schwache. Mit Blick auf die Ukraine-Krise ist die Feststellung interessant, dass beide Seiten – EU und NATO einerseits und Russland andererseits – aus einer Position der Schwäche heraus verhandeln, jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Nach dem Kalten Krieg sah Russlands politische Klasse ihr Land besiegt und im Chaos; dazu mischte sich das Gefühl, historisch zum russischen Kaiserreich und zur Sowjetunion gehörende Gebiete verloren zu haben, insbesondere die Ukraine beziehungsweise den Nordosten des Schwarzmeergebietes einschließlich der Krim. Russlands Präsident Wladimir Putin sieht sich heute vermutlich nicht in einer ausreichend starken Position, um bei der Ukraine Zugeständnisse zu machen – ganz im Gegenteil befindet sich sein Land in einer wirtschaftlichen Rezession, und ein Scheitern seiner Außenpolitik könnte eine innenpolitische Krise und seinen eigenen politischen Niedergang herbeiführen. Die EU hat ihrerseits die Praxis aus dem Kalten Krieg beibehalten, ihre Verteidigung größtenteils der NATO zu überlassen. Sie ist daher noch nicht zu einer unabhängigen und effektiven Außen- und Sicherheitspolitik imstande. Tatsächlich scheint der Fortbestand der NATO, die seinerzeit als Militärbündnis gegen die Sowjetunion entstand und nach dem Kalten Krieg in Zentralasien intervenierte, ein Problem für die "gemeinsame Sicherheit" in Europa zu sein – ein Konzept, das zunächst eine Aussöhnung zwischen den osteuropäischen Staaten und Russland erfordern würde. In diesem Zusammenhang könnte sich der unlängst von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geäußerte Vorschlag einer gemeinsamen europäischen Armee als sinnvoll erweisen, was auch eher im Einklang mit den heutigen Sicherheitsbedürfnissen stünde. Eine EU-Armee würde vermutlich auch nur ein militärisches Mächtegleichgewicht mit Russland herstellen, zumindest wäre sie jedoch rein defensiv ausgerichtet.[8 ] Folglich würde Russland sie wohl nicht als potenziellen Casus Belli betrachten. Viertens: Die Vertretung des Volkes zum Schweigen zu bringen, ist gefährlich. In der Tat können stabile politische Ordnungen in Europa ohne die freiwillige Unterstützung der Bevölkerung nicht existieren. Die postnapoleonische Zeit hat in der kollektiven Erinnerung zwei widersprüchliche Eindrücke hinterlassen. In den internationalen Beziehungen wird sie als Beginn der Moderne gepriesen, für National- oder Sozialhistoriker ist sie hingegen häufig der Inbegriff politischer Arroganz und sozialen Rückschritts. In der Tat heißt diese Zeit die "Reaktion." Die Vorwürfe sind alles andere als aus der Luft gegriffen: Russland, Österreich und Preußen waren Kaiserreiche, deren Monarchen Parlamenten misstrauten und deren Adelshäuser versuchten, verlorenen Boden wieder gut zu machen. Der Ausschluss zahlreicher Stimmen aus dem Kongresssystem führte überall in Europa zum Ausbruch von Unruhen. Den Großmächten blieb wenig Zeit für Geplänkel, da ihr drängendstes Problem darin bestand, das Streben ihrer Untertanen nach politischer Repräsentation einzudämmen. Routinemäßig liehen sich die Staaten in großem Umfang gegenseitig Polizeikräfte, um die Ordnung auf den Straßen wiederherzustellen. Statt abzuklingen, schwoll der öffentliche Unmut jedoch weiter an und kulminierte in den Revolutionen von 1848. Der Esprit de Corps zwischen den autokratischen Herrschern und ihren geschlossenen aristokratischen Kreisen ist im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerungen, die am meisten darunter litten, in schlechter Erinnerung geblieben. In der Ukraine-Krise mag der seit dem Ende des Kalten Krieges angesichts kultureller Diversität herrschende ukrainische Nationalismus nicht hilfreich gewesen sein. Doch ein Fehler korrigiert keinen anderen: Das jüngste "Referendum" auf der Krim, das in einer kriegerischen Atmosphäre und unter russischer Besatzung durchgeführt wurde, erschien in erster Linie als demokratischen Riten folgende politische Förmlichkeit ohne deren Substanz. In diesem Sinne wurde die Volksvertretung zum Schweigen gebracht. Wenn die russische Intervention auf der Krim überhaupt etwas bewirkt hat, so hat sie die Not der Bevölkerung verschärft, die nun unter einem Wirtschaftsembargo leidet. Die freiwillige Unterstützung der Bevölkerung für eine politische Ordnung erfordert ein effektives System politischer Repräsentation, in dem sich unterschiedliche politische Stimmen ausdrücken können und gehört werden. Der relative Erfolg der EU bei der Befriedung des ehemaligen Jugoslawiens trotz der dort jahrhundertelang herrschenden nationalen Feindschaften weist darauf hin, dass das Prinzip der "Einheit in Vielfalt" das einzige konkrete Gegenmittel ist, das in Europa Wirkung zeigt. Fünftens: Staaten und Bevölkerungen sind kein Eigentum. Territoriale Umgestaltungen etwa durch Unabhängigkeit oder die Vereinigung mit einem anderen Land mögen bisweilen unvermeidbar sein – solange sie den zweiten Präliminarartikel aus Immanuel Kants "Zum ewigen Frieden" befolgen: Eine Reihe von Klauseln in der Wiener Schlussakte wie die erneute Aufteilung Polens und die Besetzung Norditaliens durch Österreich verstießen eindeutig gegen dieses Prinzip – ein weiterer Mangel der in Wien ausgehandelten Ordnung. Dies hatte mit dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Irredentismus eine verhängnisvolle Auswirkung. Dem italienischen Ausdruck irredento (etwa: nicht befreit, unerlöst) entlehnt, handelte es sich um die Ideologie, Gebiete "zurückzuholen", die aufgrund eines "historischen Anrechts" als einer Nation "zugehörig" betrachtet wurden. Es hatte sich die fragwürdige Idee entwickelt, eine "Nation" könne ein Eigentumsrecht für Gebiete und Menschen außerhalb ihres Staates geltend machen. Jenseits von Europa mündete dies in den Kolonialismus, innerhalb Europas nahm die Idee etwa in Italien, Deutschland und auch Russland als Irredentismus Gestalt an. Der "Besitzer" von Gebieten und Menschen war nun kein Monarch mehr, sondern ein abstraktes Konzept namens "Nation" – in der Praxis führte dieser Gebietsanspruch jedoch genauso zum Krieg: Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt von 1939 hatte "Interessensphären" des Deutschen Reiches und der UdSSR definiert; auch die 1945 zwischen der Sowjetunion einerseits und den USA und Großbritannien andererseits getroffenen Vereinbarungen wurden über die jeweiligen Völker hinweg getroffen und führten letztlich zum Kalten Krieg und der Teilung Europas. Ebenso entbehrt auch die Idee, Russland sei berechtigt, im Namen der in der Ukraine lebenden russischsprachigen Bevölkerung zu sprechen, jeder Grundlage internationalen Rechts.In der Enzyklopädie der Aufklärung ist unter dem Eintrag "Frieden" zu lesen, Krieg sei für Nationen das, was Krankheiten für den Menschen sind. Das Interesse zivilisierter Staaten, Krieg zu verhindern, sei geradezu lebenswichtig; Krieg sei nur dann gerechtfertigt, wenn er Frieden wiederherstelle. Trotz seiner zahlreichen Fehler könnte Zar Alexander I. nach wie vor eine Inspiration für politische Führer in Brüssel, Moskau und Washington sein. Angesichts einer ernsten internationalen Krise handelte er friedvoll und zügelte seine territorialen Ambitionen. Denn er hatte bereits nachdrücklich bewiesen, dass er – um es mit Winston Churchill auszudrücken – "Im Krieg: Entschlossenheit! In der Niederlage: Trotz! Im Sieg: Großmut!" aufbringen konnte. 1814/15 konnte er glaubhaft argumentieren, er habe zwar ein Problem mit Napoleon, aber nicht mit den Franzosen. Tatsächlich setzte er sich für die Bewahrung der territorialen Integrität Frankreichs ein und trug damit zur Sicherung der Zukunft dieser Nation bei. Diese Bereitschaft, einem besiegten Land die Hand zu reichen, schlug sich 1918 auch im 14-Punkte-Programm von US-Präsident Woodrow Wilson nieder. Amerika hege keinerlei Missgunst gegenüber deutscher Größe und wolle Deutschland weder schaden noch seinen legitimen Machteinfluss in irgendeiner Form infrage stellen, so Wilson am 8. Januar 1918 in seiner Rede vor dem US-Kongress. Diese weisen Worte beherzigten Briten und Franzosen leider nicht, was 1919 zu den harten Bedingungen des Versailler Vertrags führte. Umgekehrt war es der Brite Churchill, der 1946 in Zürich die Bedeutung des Respekts vor der Würde vormaliger Feinde ebenso unterstrich wie die grundlegende Notwendigkeit, durch eine Versöhnung Frankreichs und Deutschlands die europäische Familie wiederherzustellen. Etwas Vergleichbares geschah zwanzig Jahre nach der russischen Niederlage im Kalten Krieg hingegen nicht. Offensichtlich wittert die russische Regierung heute Missgunst sowie das Bestreben, ihren Einfluss einzuschränken – wie Deutschland 1918. In solchen Fällen ist die beste Vorbeugung, derartige Ängste nicht zu schüren. Mit Blick auf das postkommunistische Russland haben die US-amerikanische und europäische Führung des frühen 21. Jahrhunderts die Lektionen von 1815 offenbar nicht gelernt, vielmehr scheinen sie die Fehler von 1919 zu wiederholen. Wenn die europäische Geschichte einen Anhaltspunkt gibt, dann sind militärische Muskelspiele und Wirtschaftssanktionen gegenüber einem vormals besiegten Land nicht besonders effektiv. Vielmehr schüren sie Nationalismus, Militarismus und Irredentismus. Dies könnte erklären, warum die russische Öffentlichkeit bereit ist, eine aggressive Politik ihrer eigenen Regierung gegenüber anderen Ländern – kollektiv als "der Westen" bezeichnet – zu akzeptieren.[13 ] Die Regierungssysteme sind zwar nicht zu vergleichen, aber die russische Regierung und Bevölkerung empfinden womöglich ähnlich wie Deutschland und die Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg, und auch aus ähnlichen Gründen. Aber könnte Europa beziehungsweise Russland eine Eskalation der Ukraine-Krise noch verhindern? Die Zukunft ist ein unbeschriebenes Blatt, möglicherweise gibt es jedoch ein Heilmittel: : Es kann kein Wiederaufleben Europas geben, ohne eine geistig große EU und ein geistig großes Russland. Realistischerweise würde auch eine stärkere EU mit einem einzigen Finanzmarkt, einem vereinheitlichten öffentlichen Finanzsystem und einer gemeinsamen Verteidigung Russland auf kurze Sicht nicht einschließen, sie wäre jedoch eine verlässliche Grundlage für eine Versöhnung im östlichen Europa und im Schwarzmeerraum. Wie das Kongresssystem nach 1815 zeigte, sind Friedensarbeit und Diplomatie besonders für starke und geduldige politische Führer geeignet. Generell liegt die Verantwortung für Frieden und Versöhnung auf beiden Seiten.

Die politische Landkarte Mitteleuropas um 1800, das Ergebnis Jahrhunderte langer Prozesse der Teilung und neuerlichen Zusammenführung politischer Einheiten durch Erbgang, Verheiratung, Schenkung oder Krieg, war extrem uneinheitlich. Kein Staat war im heutigen Sinne territorial abgerundet. Selbst ein großflächiges Gebilde wie das Königreich Preußen besaß Streubesitz weit entfernt von seinen hauptsächlichen Landesgrenzen. So gehörte das niederrheinische Kleve bis zu seiner Besetzung durch französische Revolutionstruppen 1794 als Enklave zu Preußen; auch die fränkischen Gebiete um Ansbach und Bayreuth waren preußisch, ebenso das französischsprachige Neuchâtel in der Schweiz. Noch stärker zersplittert war zum Beispiel das Herrschaftsgebiet des Kurfürsten von Mainz. Zu ihm gehörten der Bischofssitz Erfurt sowie kleine Gebietsstücke in Westfranken, an der Lahn, in Nordhessen und sogar nördlich der Werra. Herrschaft wurde bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland nicht als Herrschaft über zusammenhängende Territorien gedacht, sondern als Geltungsbereich von Rechtsordnungen. „Kurmainz“ lag dort, wo Mainzer Recht galt. Im Nachbardorf konnte es schon nassauisches oder sächsisches Recht sein. Zollschranken waren allgegenwärtig. Maße, Gewichte und die Uhrzeit unterschieden sich von Ort zu Ort, und ein extrem uneinheitliches Geld- und Münzwesen erschwerte schon im Nahbereich den Wirtschaftsverkehr.Eine wichtige Nebenwirkung solch komplizierter Gemengelagen war das Fehlen eines nationalen kulturellen Zentrums oder auch mehrerer solcher Zentren. Die Geschichte der deutschen Hochkultur ist bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eine Geschichte bürgerstädtischer oder fürstlich-höfischer Kulturförderung und Kulturentfaltung gewesen. War das kulturelle Leben Frankreichs auf Paris, das englische auf London konzentriert, so gab es im deutschsprachigen Raum neben Wien, Berlin oder München eine Vielzahl kultureller Brennpunkte, deren Aufstieg und Fall in Residenzstädten eng mit dem Engagement einzelner fürstlicher Mäzene zusammenhing. In den Jahren um 1800 waren Kleinstädte wie Weimar oder Jena erstrangige Zentren von weiter Ausstrahlung.Die zahlreichen, oft winzigen autonomen Herrschaftsgebiete auf „deutschem“ Territorium wurden durch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation überwölbt. Es war kein Staat im modernen Sinne, sondern eine damals in Europa einzigartig gewachsene, niemals systematisch entworfene Konstruktion, „ein Personenverband, der im Kern bis zum Schluss auf gegenseitigen persönlichen Treueverpflichtungen beruhte“ (so die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger). Daher gab es beim Kaiser in Wien, der außerhalb der habsburgischen Lande keinerlei „absolute“ Macht ausübte, keine deutsche „Regierung“; es gab keine Reichsarmee und keine Reichsverwaltung, kein einheitliches Finanzwesen, kein allgemeines Recht für alle Bewohner des Reiches, nur Ansätze zu einer gemeinsamen Außenpolitik. An Anhängern fehlte es dem Reich bis zum Ende nicht. „Reichspatrioten“ priesen die Vorteile eines lockeren Zusammenhalts, aber die Unfähigkeit des Reiches zu Reformen war vielen Kritikern schon im 18. Jahrhundert aufgefallen.Den Test eines neuen großen Krieges bestand es nicht. Seit 1792 rückten die Truppen des revolutionären Frankreich gegen den Westen Deutschlands vor, unterstützt durch sympathisierende Aufstände in Mainz und in anderen Städten und Landregionen des Rheinlandes. Dass der Kaiser Anfang 1793 den „Reichskrieg“ erklärte, hatte wenig Bedeutung, da die größeren Länder ihre jeweils eigene Politik betrieben. Angesichts des vehementen französischen Vordringens musste jeder sehen, wie er seine Interessen vertrat, etwa durch separate Friedensschlüsse. Zudem machte Frankreich Angebote der territorialen Neuordnung, die für manche ihrer Adressaten verlockend waren.In dieser Situation beschlossen einige der mächtigsten Fürsten die Selbsttransformation des Reiches. Der Reichsdeputationshauptschluss vom Februar 1803, das Ergebnis einer Kombination von deutschem Reformwillen und französischem Druck, bedeutete eine revolutionäre Vereinfachung der politischen Landkarte, eine territoriale „Flurbereinigung“ größten Stils. Der Rhein wurde als Grenze zu Frankreich endgültig anerkannt. Die meisten der geistlichen Fürstentümer wurden aufgehoben; im Zuge der „Säkularisation“ wurden kirchliche Hoheitsrechte und umfangreicher Kirchenbesitz (etwa Klöster und Stifte) an die weltlichen Fürstenstaaten verteilt. Sie waren auch die wichtigsten Nutznießer der sogenannten Mediatisierung: 45 der noch bestehenden 51 Freien Reichsstädte, die bis dahin direkt dem Kaiser unterstanden hatten, wurden von benachbarten oder sie umgebenden fürstlichen Territorien annektiert. Hunderte bis dahin juristisch autonome Adelsherrschaften wurden aufgehoben und landesherrlicher Regierung unterstellt. Vor allem Bayern, Baden und Württemberg konnten ihren Territorialbesitz dramatisch vermehren und ihre Grenzen abrunden. 1803 änderte das Heilige Römische Reich seinen Charakter derart radikal, dass es de facto aufhörte zu bestehen. Die ohnehin schwachen Institutionen des Reiches, vor allem der Kaiser und der Reichstag (im Grunde eine Fürstenversammlung), wurden überflüssig. Franz II. proklamierte 1804 erstmals ein „österreichisches“ Erbkaisertum. Im Juli 1806 erklärte er unter dem Druck des siegreichen Eroberers Napoleon das Reich für aufgelöst.Der territoriale Umbau Mitteleuropas war zu diesem Zeitpunkt bereits im Wesentlichen abgeschlossen. Er gelang, weil die Neuordnungspläne Frankreichs, dessen Politik ab 1799 vom Ersten Konsul, ab 1804 Kaiser Napoleon Bonaparte (1769-1821) bestimmt wurde, mit den Interessen der größeren deutschen Fürsten übereinstimmten. Napoleon stellte den beiden mächtigsten deutschen Staaten, Österreich und Preußen, einen westlichen Block des „Dritten Deutschland“ entgegen, der politisch als Allianzpartner, militärisch als Puffer und wirtschaftlich als Ressourcenquelle Frankreichs dienen sollte. Seine Organisationsform war ab 1806 der „Rheinbund“ unter französischem Protektorat, in dem es zahlreiche Abstufungen der Nähe zu und Abhängigkeit von Frankreich gab. Die territoriale Revolution von 1803/06 überdauerte den Sturz Napoleons im Jahre 1815. Auf dem Wiener Kongress von 1814/15 wurde sie von sämtlichen europäischen Großmächten bestätigt. Napoleons ehemalige deutsche Verbündete, vor allem die Königreiche Bayern und Württemberg, wurden nicht geschwächt. Preußen erhielt große Gebiete im Rheinland und in Westfalen zugesprochen; Österreich, das sich nun ganz aus den Niederlanden und vom Oberrhein zurückzog, gewann Norditalien hinzu. Die damals vereinbarte politische Landkarte blieb im Prinzip bis 1866 bestehen. Sie war gekennzeichnet durch drei Machtpole: Preußen im Norden, Österreich im Südosten, das Dritte Deutschland in der Mitte und im Südwesten. An der Polyzentralität Deutschlands änderte sich wenig. Als übergreifende Organisationsform dieser vereinfachten, aber immer noch fragmentierten Staatenwelt wurde 1815 der Deutsche Bund mit erst 38, später 41 Mitgliedern geschaffen. Er war zwar kompakter organisiert als das Reich vor 1806, jedoch eher eine Institution der gemeinschaftlichen Beratung und Abstimmung unter selbstständigen Staaten als ein Quasi-Nationalstaat mit starken Regierungsfunktionen. Politik wurde weiterhin in und zwischen den Fürstenstaaten gemacht. Diese Politik war während der folgenden Jahrzehnte noch nicht primär nationale Politik. Doch hatten die Befreiungskriege gegen Napoleon, vor allem 1813/14, sowie die Idee einer auch staatlich geeinten deutschen Kulturnation viel Zustimmung gefunden. In propagandistisch geschürter Franzosenfeindschaft schien sich eine gesamtdeutsche Identität zu stärken.Dass die Fürsten und die „von unten“ aus der bürgerlichen Gesellschaft organisierte Nationalbewegung am gleichen Strang ziehen würden, erwies sich nach dem Ende der Kriege allerdings als Illusion. Der österreichische Staatsminister Klemens Wenzel Fürst von Metternich (1773-1859), der einflussreichste Architekt der nachnapoleonischen Ordnung in Deutschland und Europa, war nicht der Einzige, der verstand, dass die deutsche Nationalbewegung, so schwach sie noch war, letztlich eine liberale Verfassung anstrebte und damit die Einschränkung der Fürstenherrschaft, deren Sicherung wiederum Metternichs höchstes Ziel war. Das Wartburgfest vom Oktober 1817, überwiegend von Studenten bestritten, markierte die Abwendung der enttäuschten deutschen Patrioten vom Deutschen Bund. Im September 1819 setzte Metternich gegen Widerstände auch unter den Fürsten mit den „Karlsbader Beschlüssen“ harte Repressionsmaßnahmen durch. Was bis dahin in den deutschen Staaten bereits an Meinungs- und Pressefreiheit erreicht war, wurde weitgehend rückgängig gemacht. Die Zensur von Gedrucktem aller Art spielte eine größere Rolle als je zuvor. Kritiker der Fürstenherrschaft und Anhänger von Nationalideen wurden ins Gefängnis geworfen, aus staatlichen Ämtern entlassen, von Agenten bespitzelt. In dieser Zeit, die in Literatur und Malerei vom „Biedermeier“ geprägt war, dem Beschwören unpolitischer und unheroischer kleiner Lebenskreise, wie sie etwa Carl Spitzweg (1808-1885) darstellte, zogen sich Viele eingeschüchtert oder resignierend ins Privatleben zurück. Einige der klügsten Köpfe wie Heinrich Heine (1797-1856), Ludwig Börne (1786-1837) oder Karl Marx (1818-1883) gingen ins Exil.Dennoch wäre es übertrieben, in Deutschland eine Friedhofsruhe anzunehmen. Die Politisierung größerer Teile der Gesellschaft, wie sie in den 1790er-Jahren begonnen hatte, ließ sich nicht vollkommen rückgängig machen. Institutionen der Öffentlichkeit wie Presse, Buchmarkt, Lesegesellschaften und ein aufblühendes Vereinswesen konnten sich auch im engen Rahmen polizeilicher Überwachung fortentwickeln. Eine im Juli 1830 von Paris ausgehende Revolution stürzte in den deutschen Ländern zwar kein einziges Herrscherhaus, äußerte sich aber bis 1834 als „revolutionsähnliche Erregung gesellschaftlicher Kräfte“ (so der Historiker Wolfram Siemann) und führte in einer ganzen Reihe von Ländern des Dritten Deutschland zu verfassungspolitischen Fortschritten. Der nun beginnende „Vormärz“ (1830-47) wurde zu einer Zeit der Entstehung politischer Programme und Parteiströmungen. In Süddeutschland, vor allem im Großherzogtum Baden, hatten es die Fürsten und ihre Regierungen als Folge reformerischer Zugeständnisse erstmals mit gewählten Landtagen zu tun, in denen liberale Mehrheiten selbstbewusst für größere Freiheiten stritten.Diese beginnende Parlamentarisierung und Konstitutionalisierung – von der Preußen und Österreich einstweilen unberührt blieben – sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass während der gesamten ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die wichtigsten politischen Initiativen „von oben“ ausgingen, von einer modernisierungsorientierten Staatsbürokratie. Sowohl im Rheinbund als auch in Preußen wurden nach 1806 große Reformprogramme umgesetzt, die an frühere Formen eines „aufgeklärten Absolutismus“ anschlossen und sich zugleich das napoleonische Frankreich zum Vorbild nahmen. In Staatsverwaltung und Militär, im Bildungswesen und in der Wirtschaftspolitik wurden die Strukturen und Praktiken des vornapoleonischen Ancien Régime überwunden. Dies geschah in den Rheinbundstaaten, besonders durchgreifend im Königreich Bayern unter dem Minister Maximilian Graf Montgelas (1759-1838), in enger Anlehnung an Frankreich und mit der Absicht, den monarchischen Staat auf Kosten verbliebener ständischer Sonderrechte zu stärken. In Preußen entstand der Reformimpuls umgekehrt aus der Abwehr Frankreichs. Nach der ungeschickt provozierten Schlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 war der preußische Staat zusammengebrochen. Der Königshof floh, französische Besatzungstruppen zogen in Berlin ein. 1807 sah sich Preußen nach Fläche wie Bevölkerung auf die Hälfte reduziert. In dieser extremen Notlage entwarf ein kleiner Kreis von Angehörigen der Elite – Karl vom und zum Stein (1757-1831), Karl August von Hardenberg (1750-1822), Wilhelm von Humboldt (1767-1835) und andere – ein Rettungsprogramm für Preußen, das zumindest teilweise verwirklicht wurde.Ob Rheinbund oder Preußen, ob pro- oder anti-französisch: Die Resultate waren ähnlich. Die Staatsverwaltung wurde zentralisiert, hierarchisiert, nach Fachressorts geordnet, von Patronage- und Pfründenwirtschaft befreit, stärker für nichtadlige Karrierebeamte geöffnet. Aus Fürstendienern wurden Staatsbedienstete. Durch die Zurückdrängung des bis dahin auch politisch dominierenden Adels und überhaupt von „ständischen“ Zwischengewalten aller Art gewann der Staat – wie gleichzeitig im napoleonischen Frankreich – eine beispiellose Machtfülle. Diese wiederum weckte mit der Zeit aus der Gesellschaft heraus Forderungen nach Mitsprache und Kontrolle.Der gestärkte Staat nahm zahlreiche Reformprojekte in Angriff. Von besonders nachhaltiger Wirkung war zum Beispiel die Bildungsreform, die ein kleiner Kreis um den Gelehrten Wilhelm von Humboldt ab 1809 in Preußen initiierte und die rasch auch außerhalb Preußens Nachahmer fand. Statt Drill und Wissensansammlung sollte „Bildung“ die optimale Entfaltung individueller Begabungen ermöglichen. Auf die Ideen der Humboldt-Gruppe gingen Neuerungen wie das dreigliedrige Bildungssystem, das auf Alten Sprachen und Mathematik beruhende humanistische Gymnasium, die wissenschaftliche Ausbildung von Gymnasiallehrern und das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre an den Universitäten zurück.

ext. Referenz 

Andere Reformen hatten Auswirkungen auf Sozialstruktur und Wirtschaftsleben. Manchmal zeigten sich ihre Ergebnisse erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten. Dazu zählten gesetzlich verordnete Änderungen der Agrarverfassung („Bauernbefreiung“), die zahlreiche Einschränkungen der Mobilität und der persönlichen Entscheidungsfreiheit der bäuerlichen Bevölkerung aufhoben und es ihr ermöglichten, Landeigentum zu erwerben und sich durch Ablösezahlungen von Arbeitsdiensten für den Grundherrn freizukaufen. Keiner der größeren deutschen Staaten war auf diesem Gebiet so fortschrittlich wie Preußen. Ähnliches gilt für die Einführung der Gewerbefreiheit. Sie garantierte Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit für jeden, der einen Handwerksbetrieb, eine Fabrik oder ein Handelsgeschäft eröffnen wollte – ein Grundpfeiler einer liberalen, den freien Wettbewerb erleichternden Wirtschaftsordnung. Ein weiteres Reformfeld war die Judenemanzipation. Sie folgte dem Vorbild des revolutionären Frankreich und beseitigte zunächst ab 1808 im Königreich Westfalen, einem französischen Satellitenstaat um die Hauptstadt Kassel, später in Preußen und anderen deutschen Staaten die vielfältigen Beschränkungen, die der jüdischen Minderheit (etwa ein Prozent der Bevölkerung) seit Jahrhunderten auferlegt worden waren. Bis zur Revolution von 1848/49 war die rechtliche Gleichstellung der Juden im Wesentlichen überall in Deutschland erreicht, auch wenn in der Praxis gewisse Diskriminierungen fortbestanden. Die Judenemanzipation ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Staat durch Gebote und Verbote Freiräume schaffen konnte, in denen sich gesellschaftliche Kräfte dann selbsttätig entfalteten. Denn die zunehmende Integration der jüdischen Bevölkerung in die deutsche Gesellschaft konnte nicht staatlich verordnet werden; sie beruhte auf dem Verdienst der juristisch Emanzipierten.Überhaupt sollte man die staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten nicht überschätzen. Viel mehr als heute müssen für das 19. Jahrhundert gesellschaftliche und auch wirtschaftliche Prozesse als nur wenig durch Politik gesteuert betrachtet werden. Fundamental unter diesen Prozessen war in der ersten Hälfte des Jahrhunderts eine Bevölkerungsexplosion. Zwischen 1800 und 1850 nahm die Bevölkerung auf dem Gebiet des späteren Deutschen Reiches (ab 1871) von etwa 23 auf über 35 Millionen zu. Dieses Wachstum erklärt sich aus einem Zusammenwirken mehrerer Faktoren, unter anderem dem Rückgang von medizinisch unkontrollierbaren Seuchen, der Verbesserung der öffentlichen Hygiene (etwa durch Kanalisation und Frischwasserversorgung), der Aufhebung älterer rechtlicher Ehebeschränkungen und der Ausweitung von Erwerbschancen vor allem in der ostdeutschen Landwirtschaft. Doch nicht überall verbesserten sich die Beschäftigungsmöglichkeiten. Das Bevölkerungswachstum war daher kein Anzeichen steigenden Wohlstandes. Im Gegenteil: Bis zur Mitte des Jahrhunderts wurde immer wieder die „Überfüllung“ einzelner Gewerbezweige beklagt. Auch die Zunahme der Auswanderung, vor allem nach Nordamerika, lässt sich auf den Mangel an Lebenschancen zu Hause zurückführen.Es gab weiterhin Gegenden in Deutschland, in denen etwa die Hälfte der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebte. In manchen Regionen verschlechterte sich die materielle Lage vor allem der Landbevölkerung; man spricht hier von „Pauperismus“ (von lat.: pauper = arm). Wanderarbeit und Bettelei blieben verbreitet. Wie viele andere Teile des europäischen Kontinents, so war auch Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem heute schwer nachvollziehbaren Maße ein Land der Massenarmut. Die ersten Ansätze der Industrialisierung genügten noch nicht, um in hinreichendem Umfang Beschäftigung und Wohlstand zu schaffen. Im Vergleich zur zweiten Jahrhunderthälfte stagnierte die Wirtschaft, und das Tempo gesellschaftlicher Veränderungen blieb begrenzt.Dennoch gab es Inseln der Dynamik, die in die Zukunft wiesen. Dazu gehörte die „agrarkapitalistische“, also mit Lohnarbeitern für den Markt produzierende Landwirtschaft auf den großen Gutshöfen im ostelbischen Preußen und die bäuerliche Familienlandwirtschaft überall dort, wo Agrarreformen die Stellung des selbstständigen Bauern stärkten, oft auf Kosten der landlosen Dorfbevölkerung und des Gesindes.Ein zweites Feld wirtschaftlicher Dynamik war die zaghaft beginnende Industrialisierung ab Mitte der 1830er-Jahre. Sie wurde einerseits durch die Baumwollspinnerei getragen (die aber niemals eine solch fundamentale Bedeutung erlangte wie in der englischen industriellen Revolution), andererseits durch den Eisenbahnbau, der in den 1840er-Jahren seinen ersten Boom erlebte. Die Eisenbahn hatte eine doppelte Wirkung: Einerseits erleichterte sie als Verkehrsmittel den Transport von Personen und Gütern. Andererseits wurde sie zum Wachstumsmotor, indem sie selbst eine riesige Nachfrage nach Investitionen und Arbeitsleistungen schuf. Die charakteristische Erfolgsformel der deutschen Industrialisierung bildete sich schon damals heraus: Eisen- und Stahlindustrie plus Steinkohlebergbau plus Maschinenbau. In kurzer Zeit war Deutschland in der Lage, sich vom Import britischer Lokomotiven unabhängig zu machen und das nötige Eisenbahninventar selbst herzustellen.Noch war die Industrie zu schwach und regional zu wenig verbreitet, um eine neuartige „Industriegesellschaft“ hervorzubringen. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war eine Zeit des Übergangs. Der Adel, durchweg politisch konservativ eingestellt, vermochte überall in Deutschland seine Stellung zu bewahren, nicht selten durch Nutzung neuer wirtschaftlicher Möglichkeiten. Die Agrarreform schwächte seine direkte Kontrolle über die Bauern, leitete auf dem Wege über Ablösezahlungen aber flüssiges Kapital in die Kassen der adligen Herren. Zur gleichen Zeit gewann ein städtisches Wirtschaftsbürgertum an Einfluss und Reichtum, das zunächst noch seine Geschäfte eher im Handel als in der Industrie tätigte. Weitsichtige Kaufleute investierten aber auch früh in neu entstehende Wachstumsbranchen wie den Maschinenbau. Besonders charakteristisch für Deutschland waren die Verbreitung und das Prestige jener „gebildeten Stände“, die sich nun mehr denn je durch anspruchsvolle nicht-manuelle – anders gesagt: akademische – Fähigkeiten als Mediziner, Juristen, Theologen, Wissenschaftler oder philologisch geschulte Gymnasialprofessoren definierten und die sich vom örtlichen Adel durch intellektuellen Ehrgeiz und durch Selbstvervollkommnung in den Künsten und populären Wissenschaften abgrenzten. Diese lesende und musizierende Gesellschaftsschicht, oft im Staatsdienst tätig, haben Historiker „Bildungsbürgertum“ getauft.Insgesamt stellt sich bei einem Blick auf die Soziallandschaft zwischen dem Rheinland und Ostpreußen, zwischen der Nordsee und Tirol die Frage, ob man überhaupt von einer einzigen „deutschen Gesellschaft“ sprechen kann. „Zutreffender dürfte es sein, von einer Vielzahl regionaler und städtischer Gesellschaften auszugehen.“ (so der Sozialhistoriker Jürgen Kocka).

ext. Referenz 

Zwischen etwa 1800 und 1820 erlebte Deutschland politische Umwälzungen von größter Tragweite. 1830 wurde es von den Impulsen der Pariser Julirevolution erfasst. Aber eine Revolution, die in Gestalt einer Volksbewegung eine etablierte politische Elite stürzte und zu einem unumkehrbaren Systemwandel führte, gab es bis 1848 nicht. In jenem Jahr wurden die deutschen Länder Teil einer beinahe gesamteuropäischen Revolutionswelle. Die Revolution in Deutschland begann Anfang März 1848 mit Protestversammlungen und Unruhen in Baden und anderen Gebieten Südwestdeutschlands. Sie endete im Juli 1849 mit dem Sieg von Bundestruppen über die letzten Aufständischen in Baden und in der Pfalz. Die Revolution erfasste nahezu alle deutschen Staaten. Sie war zugleich eine konstitutionelle, eine nationale und eine soziale Revolution. Sie erschütterte die preußische Hohenzollernmonarchie, die bis dahin kaum Zugeständnisse an liberale Verfassungsforderungen gemacht hatte, und trieb die Herrschaft der Habsburger in Wien an den Rand des Zusammenbruchs. Mit der Krise seiner beiden Vormächte schien vorübergehend das Schicksal des Deutschen Bundes besiegelt zu sein.Die Revolution führte zu den ersten gesamtdeutschen Wahlen für eine Nationalversammlung. Dieses gesamtdeutsche, überwiegend mit Vertretern des Bürgertums besetzte Parlament, das erste in der deutschen Geschichte, trat im Mai 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Nach sorgfältigen Beratungen verkündete es im März 1849 eine deutsche Reichsverfassung, gültig für das gesamte Territorium des Deutschen Bundes, jedoch unter Ausschluss der im Deutschen Bund vertretenen Teile der Habsburgermonarchie („kleindeutsche Lösung“). Die Verfassung sah eine erbkaiserliche Spitze vor, eine durch das allgemeine und direkte Männerwahlrecht gewählte Zweite Kammer des Reichstags („Volkshaus“) sowie eine Erste Kammer („Staatenhaus“), die aus Vertretern der Einzelstaaten bestehen sollte, davon die Hälfte von den Regierungen entsandt, die andere Hälfte von den Landtagen gewählt. Obwohl die Paulskirchenverfassung niemals in Kraft trat, wurde sie zu einem Basisdokument der deutschen Demokratie. Sie enthielt einen ausführlichen Grundrechtekatalog, in dem die politischen Bestrebungen des deutschen und europäischen Liberalismus einen gültigen Ausdruck fanden. Ebenso neuartig und wegweisend waren die Überlegungen, die die Verfassungsväter zur Frage der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Zentralstaat („Reich“) und Einzelstaaten anstellten. Die Verfassung stärkte das Reich in einem solchen Maße, dass der Übergang vom Staatenbund zum Bundesstaat konstitutionell vollzogen wurde. Der nationale Einheitsstaat auf föderaler Grundlage, wie er 1871 mit größerem Gewicht der Einzelstaaten realisiert wurde und wie wir ihn im Prinzip heute noch kennen, wurde 1849 erstmals entworfen. Damit verstärkte sich auch ein nationalistisches Denken, das die Frage, wer und was „deutsch“ sei, mit einer neuen Bedeutung versah.In der Modellhaftigkeit der Verfassung von 1849 liegt die wichtigste Fernwirkung einer Revolution, die ihre Ziele selbst nicht verwirklichen konnte. Das Scheitern der Revolution warf die Demokratisierung Deutschlands um Jahrzehnte zurück und schwächte republikanische und sozialrevolutionäre Kräfte; es stärkte den preußischen Anspruch auf Vorherrschaft in Deutschland und verhinderte eine Dezentralisierung oder gar Auflösung der Habsburgermonarchie. Manche politischen Vorhaben der Revolutionszeit sollten erst wieder nach dem Ersten Weltkrieg aktuell werden. Die Revolution bündelte die politischen Themen, die während der ersten Jahrhunderthälfte intellektuelle Minderheiten beschäftigt hatten: Einschränkung von Fürstenherrschaft und Regelung des politischen Lebens durch Verfassungen, Schutz des Individuums durch liberale Freiheitsrechte, Schaffung von Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsorientierte und kapitalistische Marktgesellschaft, Neuordnung der politischen Geografie Mittel- und Südosteuropas nach nationalen Gesichtspunkten. Alle diese Themen wurden umfassend diskutiert und blieben nach 1849 auf der politischen Tagesordnung.Die Revolutionäre waren sich untereinander nicht einig. Bei allen Unterschieden ihrer Ziele und ihres radikalen Temperaments gingen sie jedoch miteinander ziviler um, als dies bei anderen europäischen Revolutionen davor und danach der Fall war. Terror wurde weniger von den Revolutionären praktiziert als von ihren Gegnern – und auch dort vergleichsweise maßvoll. Die Revolution von 1848/49 fand von Anfang an eine Massenbasis, über die die liberalen Honoratioren an ihrer Spitze erstaunten und zum Teil erschraken. Sie war eine Revolution für „bürgerliche“ Werte und Ideale, jedoch, sozial gesehen, keine Revolution ausschließlich der Bürger. Es gab zugleich Revolutionen von Bauern und von städtischen Unterschichten. Wenn sie auch politisch fehlschlug, so setzte die Revolution doch nachhaltige Lernprozesse in Gang, auch bei den konservativen Siegern. Die Herrschaft Napoleons in Frankreich und das napoleonische Imperium in Europa waren etwas historisch ganz Beispielloses und insofern der Beginn einer neuen Epoche. Napoleon Bonaparte, ab 1804 als Napoleon I. der erste Kaiser, den Frankreich je hatte, besaß keinerlei dynastischen Hintergrund. Er hatte durch Begabung und Protektion im Militärdienst des revolutionären Frankreich Karriere gemacht. Im Sommer 1794 war der revolutionäre Terror beendet worden. Unter der neuen Regierung des „Direktoriums“ formierten sich Institutionen; es bildeten sich Ansätze einer liberalen Republik; die Wirtschaft kam wieder in Gang. Seit 1792 stand Frankreich jedoch im Krieg mit wechselnden Koalitionen der Großmächte. In dieser Situation schlug die Stunde des Militärs. Der erfolgreichste unter den Generälen, Bonaparte, putschte im November 1799 und machte sich in zielstrebigen Schritten zum Alleinherrscher Frankreichs. Damit war nach zehn Jahren die Revolution beendet.Obwohl Napoleon auf dem Höhepunkt seiner Stellung mehr Macht auf sich vereinigte als jeder frühere französische Monarch, bedeutete seine politische Ordnung keine Rückkehr zum Ancien Régime; die französische Gesellschaft behielt ihren nachrevolutionären Charakter. Napoleon setzte die entmachteten Eliten nicht wieder in ihre alten Positionen ein; er restaurierte die seit 1789 schrittweise zertrümmerte Eigentumsordnung nicht. Frankreich blieb fortan unter den großen Ländern Europas dasjenige mit dem schwächsten grundbesitzenden Adel. Das napoleonische politische System stützte sich teils auf „Notabeln“, das heißt eine sozial angesehene besitzbürgerliche Oberschicht in den Städten, teils auf neue Leute, die auf der Grundlage weniger ihrer Herkunft als vielmehr ihrer persönlichen Fähigkeiten in Militär und Zivilbürokratie Karriere machten. In zahlreichen Schlüsselpositionen wurden auch Mitglieder von Napoleons umfangreicher korsischer Familie untergebracht. Das Ideal Napoleons und seiner Mitstreiter war ein leistungsorientierter, rational organisierter, auf Paris hin zentralisierter Verwaltungsapparat. Das 1800 eingeführte Präfektursystem besteht in seinen Grundzügen noch heute. Eine straffe Befehlskette reichte vom Kaiser an der Spitze bis hinunter zu lokalen Amtsinhabern. Der autokratische Verwaltungsstaat unterlag zwar keinerlei demokratischer Kontrolle; Volksabstimmungen – die nun zum ersten Mal abgehalten wurden – waren manipuliert. Doch die Funktionäre waren angehalten, gewisse Rechtsnormen zu beachten. Das Recht der napoleonischen Zeit wurde zwar nicht von Parlamenten beschlossen, aber von vorzüglichen Juristen systematisch ausgearbeitet. Sein Kern war ein modernes, den Erfordernissen der Zeit gerecht werdendes Zivilrecht (Code civil, 1804), das fortan, obwohl keineswegs überall eingeführt, für die Rechtsentwicklung auf dem europäischen Kontinent von größter Bedeutung werden sollte.Die napoleonische Ordnung war die erste nationale Entwicklungsdiktatur der Neuzeit. Anders als die vorrevolutionäre Königsherrschaft setzte sie sich das Ziel, reformierend in die Gesellschaft einzugreifen. Frankreich sollte nach den Vorstellungen einer Modernisierungselite umgestaltet werden; ein großer Teil der Ziele, für die im 18. Jahrhundert die Denker der Aufklärung geworben hatten, wurde nun realisiert. National war ein solches Programm deshalb, weil es ausdrücklich der Stärkung und dem Ruhm der französischen Nation dienen sollte, nicht mehr allein dem Glanz des Herrschers.Eine solche Ordnung hätte sich in Friedenszeiten möglicherweise bewähren können. Friedenszeiten blieben jedoch aus. Zunehmend wurde der napoleonische Staat zu einer riesigen Maschinerie, die Rekruten, Waffen und Nahrungsmittel für das Militär zu besorgen hatte. Europa stand zwischen 1792 und 1815 mit einigen kurzen Unterbrechungen – vor allem 1802 bis 1805 – permanent im Krieg. Daher spricht man zusammenfassend von den „Kriegen der Revolution und Napoleons“. Frankreich sah sich wechselnden Koalitionen von Gegnern gegenüber. Die für Napoleon gefährlichsten waren Großbritannien, das Frankreich 1805 – in der Seeschlacht von Trafalgar, nahe der Straße von Gibraltar – als Seemacht ausschaltete, sowie das Zarenreich, das Napoleon schließlich zum militärischen Verhängnis werden sollte. Österreich und Preußen, beide militärisch schwächer als die „großen Drei“ Eurasiens, kamen von Fall zu Fall hinzu, wurden aber zeitweise von Napoleon deklassiert.Die Frage, wer die verschiedenen Kriege verursachte, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Am Anfang standen sich einerseits die Absicht der alten Monarchien, die Revolution in Frankreich einzudämmen oder zu unterdrücken, andererseits der französische Übergang von der Defensive zum befreienden Revolutionsexport gegenüber. Später nährte sich der Krieg aus Konstellationen des Augenblicks. Er gewann eine Eigendynamik, auch wenn immer wieder einsame Entschlüsse Napoleons eine entscheidende Rolle spielten, vor allem bei der Invasion des Zarenreiches im Sommer 1812. Der Höhepunkt von Napoleons militärischen Erfolgen war mit einer Serie von Blitzkriegen während der Jahre 1805 bis 1810 erreicht. Um 1810 war auf dem europäischen Kontinent ein beispielloses Großreich entstanden. Napoleon hatte keinen früh entworfenen Eroberungsplan systematisch umgesetzt, aber doch immer wieder Expansionschancen genutzt und sich um die Integration unterworfener Gebiete in das entstehende Reich gekümmert.Mit den Soldaten kamen die Zivilverwalter, die das Imperium konsolidieren sollten. Das Reich wurde indes keineswegs einförmig regiert. Man kann es sich in drei konzentrische Zonen gegliedert vorstellen. Den inneren Ring, den die Herrschaftszentrale fest im Griff hatte, bildeten Frankreich, die Niederlande, das heutige Belgien, Oberitalien sowie die deutschen Satellitenstaaten (zum Beispiel das Königreich Westfalen). In einem mittleren Ring, in dem Frankreich eine weniger direkte Kontrolle ausübte, befanden sich die deutschen Rheinbundstaaten (Baden, Württemberg, Bayern, Frankfurt), Sachsen, Mecklenburg, Dänemark, Polen (genauer: das Großherzogtum Warschau) sowie Süditalien (das Königreich Neapel). Schwächer und kurzfristiger war der französische Einfluss im „äußeren Imperium“, zu dem sich Mittelitalien, Spanien und der nördliche Balkan zählen lassen. Die modern anmutenden Tendenzen, dieses insgesamt riesige Gebiet administrativ und wirtschaftlich zu integrieren, schwächten sich in dem Maße ab, wie Napoleon militärisch in die Defensive geriet. Begrenzte Aufstände, etwa in Tirol, konnten das Regime nicht schwächen, aber gefährlich wurde es, als sich das große Land Spanien ab 1808 seiner Unterwerfung widersetzte. 1812 scheiterte Napoleons Grande Armée (die überwiegend aus Soldaten der nichtfranzösischen Verbündeten bestand) nicht nur am russischen Winter, sondern auch am Geschick der zarischen Militärführung. Von 655 000 Soldaten, die die Weichsel ostwärts überschritten hatten, kehrten nur 93 000 zurück. An vier blutigen Tagen im Oktober 1813 unterlag Napoleon dann seinen vereinten Gegnern in der „Völkerschlacht“ bei Leipzig. War das Imperium nun verloren, so hätte der Kaiser noch an diesem Punkt seine Herrschaft in Frankreich retten können. Doch er kämpfte weiter. Von seinen Marschällen im Stich gelassen, dankte er am 6. April 1814 ab und ließ sich von den Großmächten zum Exil auf der Insel Elba vor der toskanischen Küste verurteilen. Die Kriege zwischen 1792 und 1815 hatten zahlreiche Regionen Europas verwüstet. Mindestens 2,5 Millionen, nach anderen Schätzungen sogar bis zu fünf Millionen Bewohner des Kontinents hatten ihr Leben verloren, prozentual etwa derselbe Anteil von Opfern, den später der Erste Weltkrieg fordern sollte. Der große Gewinner der Kriege war das Vereinigte Königreich. Es war einer französischen Invasion entgangen und hatte Napoleons Kontinentalsperre, die seinen Handel mit dem Festland treffen sollte, gut überstanden.Es hatte keine einzige seiner Kolonien verloren, aber einige neue hinzugewonnen, vor allem Südafrika und Ceylon (das heutige Sri Lanka). Mit dem Zusammenbruch des napoleonischen Imperiums war Frankreich, seit dem 17. Jahrhundert der größte weltpolitische Rivale der Briten, für viele Jahrzehnte geschwächt.Weder die britische Politik noch die der anderen Siegermächte wollte Rache an Frankreich üben. Wenige Tage nach der Abdankung Napoleons wurden Frankreich, nun wieder unter einem Bourbonenkönig, großzügige Friedensbedingungen gewährt, im Osten sogar die Rheingrenze. Doch Ende Februar floh Napoleon von Elba, sammelte Truppen und traf am 20. März 1815 in Paris ein. Nun erklärten die Mächte der Koalition Napoleon für vogelfrei und organisierten einen neuen Krieg gegen ihn. Mit seiner Niederlage in der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 endete Napoleons Hundert-Tage-Herrschaft über Frankreich und damit eine Epoche.Nach dem Friedenskongress von Münster und Osnabrück (1648) war der Wiener Kongress von 1814/15 der zweite große Versuch, die Verhältnisse unter den Staaten Europas so zu ordnen, dass neue Kriege erschwert würden. Das Vierteljahrhundert der Kriege schien auf den ersten Blick die europäische Staatenwelt nicht verändert zu haben. Die fünf Großmächte waren dieselben wie vor 1792: Russland, Preußen, Österreich, Frankreich sowie Großbritannien mit seiner insularen Sonderstellung. Die ersten drei genehmigten sich gegenseitig Landgewinne auf Kosten kleinerer Nachbarn, insbesondere Polens. Preußen profitierte durch den Zugewinn von Provinzen in Westfalen und am Rhein und wurde damit insgesamt „westeuropäischer“. Frankreich wurde strenger behandelt als im Jahr davor, rettete aber seinen Status als Großmacht. Das alte System des Gleichgewichts der Mächte, wie es vor der Französischen Revolution bestanden hatte, schien wiederhergestellt zu sein.Tatsächlich aber war während der neun Monate, die man sich für den Wiener Kongress gönnte, eine Ordnung neuer Art geschaffen worden. Der Deutsche Bund stabilisierte die politische Geografie Mitteleuropas. Von ungefähr 300 selbstständigen politischen Einheiten in Deutschland um 1789 waren 1815 nur noch 39 übrig geblieben, durch einen lockeren Bundesrahmen zusammengehalten. Wichtiger: Die Wiener Ordnung ruhte auf neuen ideologischen Grundlagen. Die leitenden Staatsmänner der Großmächte erkannten den Zusammenhang zwischen Revolution und Krieg. Revolution konnte leicht zu Krieg führen, und deshalb, nicht nur wegen der Gefährdung der herrschenden Dynastien, musste sie so früh wie möglich verhindert werden. Umgekehrt war Krieg zu vermeiden, da er die bestehenden Verhältnisse in Unruhe versetzen und Revolutionen Vorschub leisten würde.Aus diesem Grunde entstand in Wien eine Ordnung mit einem doppelten Gesicht: Einerseits war sie antirevolutionär und legitimierte die militärische Intervention einzelner oder mehrerer Mächte gegen Umsturzversuche. Andererseits sah sie erstmals so etwas wie Vertrauensbildung unter den Großmächten vor. Niemals zuvor war der Wille zur Kriegsvermeidung in Europa größer gewesen. Das Bewusstsein, einem einheitlichen europäischen Völkerrechtsraum anzugehören, und die Bereitschaft, Streitfragen nicht gleich durch Krieg, sondern zuerst durch Konsultationen zu lösen, waren neue Elemente der europäischen Politik. Diese „Wiener Ordnung“ bestand bis zum Beginn des Krimkrieges 1853. In diesen vier Jahrzehnten blieben Kriege zwischen den europäischen Großmächten aus – ein bedeutender Schritt über die militärische Anarchie hinaus, die bis 1815 geherrscht hatte. Selbst wenn man die Kriege, die einzelne Großmächte zwischen 1854 und 1871 gegeneinander führten, hinzurechnet, war das Jahrhundert zwischen 1816 und 1913 das friedlichste der neueren europäischen Geschichte. Insgesamt gab es im 18. Jahrhundert siebenmal mehr Kriegstote im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Europas als im 19. Jahrhundert. Und dies, obwohl die Kriegführung seit etwa der Mitte des Jahrhunderts von der Industrialisierung der Rüstungsproduktion erfasst wurde und dadurch die Zerstörungskraft von Waffen stieg; die Kriege von 1792 bis 1815 waren noch mit vorindustrieller Militärtechnologie geführt worden.Nach dem Zusammenbruch von Napoleons europäischer Ordnung gab es auf dem europäischen Kontinent nur noch ein einziges expansives Imperium: das Reich der russischen Zaren. Es war neben Großbritannien und Preußen der dritte große Gewinner der napoleonischen Kriege. Indem sich das Zarenreich den größten Teil Polens („Kongresspolen“) einverleibte, schob es den russischen Einfluss weiter nach Westen vor. Sein diplomatisches Gewicht war erheblich gestiegen. In der europäischen Außenpolitik war Russland fortan, anders als noch im 18. Jahrhundert, ein ständig präsenter Faktor. Im 18. Jahrhundert hatte es in Europa nur eine begrenzte Vielfalt staatlicher Herrschaftsformen gegeben. Die meisten Länder waren absolute Monarchien. Nur in Großbritannien war als Folge der Revolutionen des 17. Jahrhunderts das Parlament zu einem mächtigen Rivalen und später Partner der Krone aufgestiegen. Daneben gab es noch unabhängige Stadtstaaten (Venedig oder die Hansestädte) und die kleinen Republiken der Schweiz und der Niederlande. Die Französische Revolution und die Monarchie neuen Typs, wie Napoleon sie einführte, erweiterten das Spektrum politischer Möglichkeiten. Die Revolution hatte zunächst, aber nur für kurze Zeit, zu einer liberalen, parlamentarischen und rechtsstaatlichen Republik geführt, einem Staatstyp, der in Frankreich erst ab den späten 1870er-Jahren dauerhaft etabliert werden würde. Bald hatte sich die Revolution zur intoleranten und gewalttätigen Alleinherrschaft einer einzigen politischen Richtung, der Jakobiner, weiterentwickelt. Sie fand im 19. Jahrhundert (mit Ausnahme der „Pariser Commune“ von 1871, die unter Kriegsbedingungen entstand) keine Nachfolger, nahm aber manche Züge dessen vorweg, was im 20. Jahrhundert als „Totalitarismus“ in großem Stil wieder aufleben sollte.Napoleon schuf ab 1799 eine moderne Diktatur, die auf drei Säulen ruhte: dem Militär, der Bürokratie und einer pseudodemokratischen Bestätigung durch Scheinwahlen; man spricht daher von „Bonapartismus“. Napoleons Neffe Louis Bonaparte, ab 1852 Kaiser Napoleon III. (1808-1873), errichtete 1851 in Frankreich abermals ein solches System, das bis 1870 bestand.Zwischen 1815 und 1917/18 blieb die „legitime“, das heißt sich auf dynastische Erblichkeit gründende Monarchie in Europa die vorherrschende Regierungsform. Aber sie wandelte nach 1815 ihren Charakter. Überall, wo die napoleonische Besatzung die bis dahin herrschenden Kräfte ausgeschaltet oder in den Hintergrund gedrängt hatte, kam es nach dem Wiener Kongress zu einer Restauration. Die alten Fürstenhäuser wurden wieder eingesetzt, Vertreter liberaler Forderungen nach Grundrechten und der Beteiligung größerer Gruppen der Bevölkerung am politischen Prozess verfolgt und drangsaliert. Dennoch wurden nur selten, vor allem in Spanien und im Süden Italiens, die politischen Uhren auf die Zeit vor 1789 zurückgestellt. Überall sonst begann ein Prozess der schleichenden Erosion von Königsherrschaft, der sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts fortsetzte. Die Form der konstitutionellen Monarchie, bei der auch der dynastische Herrscher als ein Staatsorgan unter mehreren galt und nicht länger als der „Besitzer“ seines Staates, wurde nicht von heute auf morgen eingeführt. Sie gewann aber zunehmend an Boden. Verfassungen wurden gewährt, Parlamente bei der Steuerbewilligung und Gesetzgebung mehr und mehr beteiligt, Spielräume für freie Meinungsäußerung erweitert, Gerichte im Sinne des Prinzips der Gewaltenteilung von politischem Druck entlastet. Das Wahlrecht wurde von einer winzigen Minderheit der Besitzenden Schritt für Schritt auf größere Bevölkerungskreise ausgedehnt.Im frühen 19. Jahrhundert begannen in Europa drei langwierige politische Prozesse, die in den einzelnen Ländern unterschiedlichen Zeitabläufen folgten und nicht überall mit gleicher Gründlichkeit durchgesetzt wurden: Konstitutionalisierung (Unterstellung sämtlicher politischer Organe unter ein überpersönliches Staatsgrundgesetz), Parlamentarisierung (Kontrolle der Exekutive durch gewählte Repräsentativversammlungen) und Demokratisierung (maximale Ausweitung der wahlberechtigten Aktivbürgerschaft).Eine Sonderrolle kam dabei den beiden weltpolitisch stärksten Akteuren zu, die beide erhebliche Interessen außerhalb Europas hatten: Großbritannien und dem Zarenreich. Russland blieb zwischen 1815 und 1905, dem Jahr einer ersten russischen Revolution, eine absolute Monarchie ohne konstitutionelle Einschränkung. Der Zar regierte mit Hilfe seiner Bürokratie im Wesentlichen allein. Großbritannien verkörperte das andere Extrem: eine in ganz Europa als fortschrittlich betrachtete Ordnung. Sie war in ihren Grundzügen bereits in der Glorious Revolution von 1688 entstanden, hatte sich aber seither fortentwickelt. Ein wichtiger Einschnitt war eine Modernisierung des politischen Systems durch das Reformgesetz des Jahres 1832, das britische Gegenstück zur Revolution von 1830, die in Frankreich einen „Bürgerkönig“ auf den Thron brachte. Obwohl auch danach die Macht des Land besitzenden britischen Adels kaum herausgefordert wurde, war ein System, das auf rechtsstaatlichen Grundlagen beruhte und bei dem das Parlament und die ihm – und nicht dem Monarchen – verantwortliche Regierung die zentralen Staatsorgane bildeten, flexibel genug, um neue politische Kräfte einzubeziehen. So wurde Großbritannien zum Vorbild für die Liberalen des Kontinents. Mit seiner freiheitlichen Ordnung bot es den politisch Verfolgten aller Länder Zuflucht.Was die Monarchie an tatsächlicher Macht verlor, gewann sie an symbolischem Prestige. Auch hier ging Großbritannien anderen europäischen Ländern voran. Als die junge Prinzessin Victoria 1837 den Thron bestieg, war das Ansehen der britischen Monarchie auf einem Tiefpunkt angelangt. Während Victorias langer Regierungszeit (bis zu ihrem Tod 1901) entstand dann aber eine loyale Bindung der britischen Bevölkerung an die Krone, wie sie noch im heutigen Kult um die „Royals“ nachwirkt. In ganz Europa blieb das 19. Jahrhundert bis zu seinem Ende eine Epoche der Monarchie, die – außerhalb des Zarenreiches – schwindende Macht durch erhöhten Glanz kompensierte.Die vier oder fünf Jahrzehnte nach der Französischen Revolution waren auch eine Zeit, als in der politischen Theorie jene Lehren formuliert wurden, die bis weit in das 20. Jahrhundert fortwirken sollten: Liberalismus, Konservativismus und Sozialismus. Wichtige Grundlagen waren bereits von Denkern der Aufklärung formuliert worden, vor allem von dem Engländer John Locke (1632-1704), dem Franzosen Charles-Louis de Montesquieu (1689-1755) und dem Nordamerikaner Thomas Jefferson (1743-1826) samt seinen Mitstreitern. Doch erst die Französische Revolution gab den Anstoß zur Ausarbeitung ganzer politischer Weltbilder.Der Liberalismus lehnte die Radikalisierung der Revolution ab und knüpfte an deren moderate Anfänge an. Er forderte einen in seiner Machtfülle begrenzten, von der gesellschaftlichen Elite kontrollierten Staat, der privates Eigentum garantierte, Freiheiten wie die der öffentlichen Meinungsäußerung, der Religionsausübung und der Berufswahl gewährleistete und den Einzelnen einen möglichst großen Spielraum zur Ausbildung und Entfaltung individueller Talente eröffnete. Auf einem ungeregelten Markt sollten die Individuen mit ihren Angeboten frei und friedlich konkurrieren können. Der Staat solle dafür den gesetzlichen Rahmen schaffen. Leistung müsse sich lohnen, der Aufstieg in der Gesellschaft möglich sein. Kleinstaaterei solle zu Gunsten eines größeren Zusammenhangs überwunden werden, den man „die Nation“ zu nennen begann.Die Konservativen zogen ganz andere Lehren aus der Erfahrung der Revolution. Sie misstrauten den ungeregelten Aktivitäten von Individuen. Die Menschen müssten ihren Platz in Hierarchien kennen und bewährte Autoritäten respektieren. Sie bedürften der Führung durch den monarchischen Staat, die Kirche und die überkommene aristokratische Elite. Ein nachrevolutionärer Konservativismus verabschiedete sich allerdings von antiquierten Lehren wie dem Gottesgnadentum der Fürsten. Auch Konservative gingen mit der Zeit.Der Sozialismus schließlich war die jüngste der politischen Strömungen, zunächst noch ohne Einfluss auf konkrete Politik. Er stellte das revolutionäre Schlagwort der „Gleichheit“ (egalité) über das der „Freiheit“ (liberté) und war in seiner Frühphase vor 1848 eine Utopie der Solidarität (fraternité), Gütergemeinschaft und genossenschaftlichen Produktion in kleinen Einheiten. Erst mit dem Fortschreiten der Industrialisierung in der zweiten Jahrhunderthälfte wurde er zum kämpferischen Weltbild der Arbeiterklasse. Obwohl die Industrielle Revolution in England bereits in den 1770er-Jahren begonnen hatte und die Wirtschaft in England und Südschottland (aber nicht in Irland) um die Jahrhundertmitte schon stark von der industriellen Produktionsweise geprägt war, beschränkte sich die Industrialisierung auf dem Kontinent noch für mehrere Jahrzehnte auf kleine Enklaven. Außerhalb Deutschlands waren dies Belgien (das als selbstständiger Staat erst 1830 entstanden war), einzelne Regionen Frankreichs, die Nordschweiz oder Katalonien. Die meisten Bewohner Europas waren um 1850 noch nicht mit der Fabrikindustrie in Berührung gekommen. Neugierige Besucher vom Kontinent reisten in die Industriestadt Manchester, um dort eine neue Welt der Dampfmaschinen und der Massenproduktion zu bestaunen, die es zu Hause nicht gab. Um 1850 überstieg in Europa insgesamt die Zahl der handwerklichen Schuster, Schneider oder Weber diejenige der Kohlebergleute, Maschinisten und Bediener dampfgetriebener Spinnmaschinen. Wenn von „Arbeitern“ die Rede war, dachte man weniger an ein industrielles Proletariat als an Tagelöhner, herumziehende Handwerksburschen oder Frauen, Kinder und Männer, die auf dem Lande für städtische „Verleger“ weiterverarbeitende Tätigkeiten verrichteten. Im Englischen nennt man dies anschaulich als Gegensatz zur Fabrikindustrie cottage industry, also eine nicht-handwerkliche, keine besonderen Fähigkeiten verlangende Produktion in „Hütten“ und Privathäusern. Eine solche „Proto-Industrie“ konnte zur Fabrikindustrie hinführen, musste dies aber nicht zwangsläufig tun.Die junge Schwerindustrie war stark standortgebunden, da sie auf Kohle- und Eisenerzvorkommen angewiesen war. Die herkömmliche Energiegewinnung, zum Beispiel aus Holzkohlemeilern oder der Verbrennung von Torf, reichte nicht aus, um jene Temperaturen zu erzeugen, die für die neuen Eisentechnologien erforderlich waren. Vor 1850 finden sich auf dem Kontinent allein in Belgien Ansätze zu einer solchen „modernen“ Schwerindustrie.Obwohl sich die vorindustriellen Verhältnisse der Frühen Neuzeit bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts fortsetzten und obwohl Millionen von Menschen an der Armutsgrenze lebten und weiterhin von Hungersnöten bedroht blieben, war die erste Hälfte des Jahrhunderts keineswegs bloß eine Zeit wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stagnation. In Frankreich und in manchen Gebieten, die unter seinen Einfluss geraten waren, hatten sich die Eigentumsverhältnisse drastisch gewandelt. Aristokratischer Landbesitz und das Grundeigentum der Kirche waren an Bauern umverteilt worden. Frankreich wurde zu einem Land selbstständiger Kleinbauern. „Bauernbefreiungen“ unterschiedlicher Art hatten alte Feudalprivilegien wie etwa Arbeitsdienste für den Herrn und Sonderabgaben zu zahlreichen Anlässen abgeschafft und die Rechtsstellung der Bauern insgesamt verbessert, jedenfalls in einer breiten Zone, die von der Elbe und den Pyrenäen begrenzt war. Europa lebte weiterhin überwiegend von der Landwirtschaft; vor allem auf der iberischen Halbinsel, dem Balkan und in Osteuropa blieb sie dominant. Doch war Bewegung in den Charakter der ländlichen Gesellschaft gekommen. Dazu trug auch bei, dass kommerzielle Beziehungen auf dem Lande zunahmen und sich verdichteten. Immer weniger Bauern produzierten allein für den Eigenbedarf der Familie oder des Dorfes, immer mehr versorgten über Zwischenhändler entfernte Märkte. Dies traf nicht nur auf freie Bauern zu. Auch dort, wo weiterhin Leibeigenschaft vorherrschte oder verbreitet war (in Spanien bis in die 1830er-Jahre, in der Habsburgermonarchie bis 1848, in Russland bis 1861), gewann die Produktion für den Markt an Bedeutung.In der Landwirtschaft wie im Hausgewerbe und sogar in der Fabrikindustrie (jedenfalls der Textilproduktion) teilten sich Männer und Frauen die Arbeit. In Baumwollfabriken stellten Frauen und Kinder sogar 50 bis 80 Prozent der Arbeitskräfte. Auch im frühen englischen Kohlebergbau wurden Frauen und Kinder so lange und so intensiv eingesetzt, dass Kritiker dies als Skandal anprangerten und erste Schutzgesetze erlassen wurden. Insgesamt veränderten sich die Geschlechterrollen unter der Mehrheit der Bevölkerung nicht dramatisch. Die allgemeine Arbeitsbelastung in dieser Phase des Übergangs scheint jedoch zugenommen zu haben, vermutlich überproportional zu Lasten von Frauen.Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs der relative Anteil von nichtadligen Mittelschichten in den europäischen Gesellschaften. Sie prägten zunehmend das allgemeine kulturelle Klima, auch wenn ihr politischer Einfluss in vielen Ländern ihrem zunehmenden gesellschaftlichen Gewicht nicht entsprach. Diese Mittelschichten, ebenso wie zuvor schon die „Bürger“ der Frühen Neuzeit, fanden sich vor allem in den Städten. Aktivisten der neuen Wirtschaftsformen, also Fabrikbesitzer, Bankiers oder Reeder, bildeten europaweit innerhalb dieses Bürgertums noch eine Minderheit. Vielmehr trafen in dieser höchst uneinheitlichen gesellschaftlichen Gruppierung Leute aus verschiedenartigen Herkunftskreisen zusammen: erstens Kaufleute, die von der Zunahme der Kommerzialisierung profitierten; zweitens nichtadlige – oft aber dann aufgrund ihrer Verdienste geadelte – Staatsdiener, die infolge des Ausbaus der Verwaltung Karriere machten; drittens Anbieter gehobener nichtmanueller Dienstleistungen, etwa Anwälte, Ärzte, Professoren. Was sie alle gemeinsam hatten, war die symbolische Abgrenzung nach unten, vom handarbeitenden, in finanziell unsicheren Verhältnissen lebenden „Volk“ (zu dem auch das „Kleinbürgertum“ gehörte), und nach oben, von einer Aristokratie, die aus der Sicht einer bürgerlichen Leistungsethik als passive Konsumentin ihres ererbten Reichtums fragwürdig legitimiert war.Allerdings gab es vielfältige Berührungen zwischen Bürgertum und Aristokratie und nur noch selten, wie im Ancien Régime, eine unüberwindliche Klassenschranke. In Frankreich, aber auch in deutschen Städten oder in Norditalien bildete sich eine einflussreiche Elitenschicht der „Notabeln“ oder städtischen Honoratioren. Nicht nur in den deutschen Ländern, wo Oberschulen und Universitäten zu einem bevorzugten Objekt staatlichen Reformeifers geworden waren, gewann das Bürgertum des frühen 19. Jahrhunderts sein Selbstbewusstsein und seine Identität aus dem Genuss von Kultur und der Selbstvervollkommnung durch Erziehung und Bildung. Der Bürger und die Bürgerin schlossen sich in Lesegesellschaften zusammen und besuchten die Oper, die erstmals außerhalb Italiens ein breites Echo fand. Sie legten großen Wert auf eine sorgfältige Ausbildung ihrer Kinder, und sie wurden selbst zunehmend zu Gegenständen der Romanliteratur und der Malerei. War die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts noch kein eindeutig „bürgerliches Zeitalter“, so drängte diese neue gesellschaftliche Klasse, überwiegend wirtschaftlich erfolgreich, doch schon nach einer kulturellen Vormachtstellung. In Paris, das der Philosoph und Kulturhistoriker Walter Benjamin die kulturelle „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“ nannte, in Manchester, Frankfurt oder Hamburg gab sie um 1850 bereits den Ton an.Um 1800 waren die einzelnen Teile der Erde noch sehr weit voneinander entfernt. Von einem Kontinent zum anderen gelangte man nur durch gefährliche und beschwerliche Seereisen. Von England aus war ein Schiff nach China vier bis fünf Monate unterwegs. Bis nach Australien, das erst ab 1788 systematisch von Europäern besiedelt wurde, zunächst als britische Sträflingskolonie, dauerte es sogar sieben bis acht Monate. Nirgendwo, auch nicht über den Nordatlantik hinweg, gab es einen fahrplanmäßigen Schiffsverkehr, von Tourismus ganz zu schweigen. Das meeresferne Innere von Asien, Afrika und Südamerika war in der Außenwelt so unbekannt, dass europäische Kartografen die berühmten weißen Flecken ließen. Die Welt von 1800 war eine Welt ohne Hotels. Nachrichten waren ebenso lange unterwegs wie Schiffe, denn es gab keine andere Methode, sie zu befördern. Die Gouverneure in den europäischen Überseekolonien konnten daher kaum von ihren Zentralen in London, Paris oder Amsterdam kontrolliert werden. Diese aus heutiger Sicht unvorstellbar schwierigen Kommunikationsverhältnisse verhinderten indes nicht, dass sich intensive Fernkontakte knüpften.Diese Kontakte waren geografisch sehr ungleich verteilt. Die Initiative zu ihnen ging vorwiegend von Europäern aus. Seit 300 Jahren hatten die Europäer – erst Spanier und Portugiesen, dann Holländer, Engländer und Franzosen – als ungebetene Gäste andere Teile der Welt militärisch erobert und unter ihre Kontrolle gebracht. Dies war selten ohne die Mitwirkung von Einheimischen geschehen, die oft die Fremden als Verbündete in lokalen Machtkonflikten schätzten. Um 1800 hatten die europäischen Mächte keineswegs schon den überwiegenden Teil der Erdkugel unter ihre Herrschaft gebracht. In Afrika war nur die Südspitze des Kontinents niederländisches, dann britisches Kolonialgebiet. In Asien hielten sich winzige portugiesische Küstenenklaven (Goa in Indien, Macau in China) als Reste eines verschwundenen Handelsimperiums. Bedeutenden Kolonialbesitz, der ebenfalls ein Nebeneffekt von Handelsinteressen war, unterhielten nur die Niederlande im heutigen Indonesien sowie die Briten, deren halboffizielle East India Company seit den 1760er-Jahren Territorialherrin in Bengalen (mit der Hauptstadt Kalkutta) war und um 1800 erfolgreich Kriege zur Ausweitung ihres Herrschaftsbereichs führte. Französische Versuche, sich in Asien festzusetzen, waren gescheitert. Spanier saßen in der Stadt Manila und auf einigen der größeren philippinischen Inseln, denen aber wenig eigener kolonialer Wert beigemessen wurde, dienten sie doch vor allem als Zugang nach Ostasien.Viel tiefer hatte sich der europäische Kolonialismus in der westlichen Hemisphäre eingewurzelt. Dort war er aber in den 1760er-Jahren in eine tiefe Krise geraten. Diese Krise hatte 1776 dazu geführt, dass 13 der britischen Kolonien in Nordamerika ihre Unabhängigkeit erklärten. Sie siegten in einem Krieg gegen das vormalige Mutterland und gaben sich 1787 eine gemeinsame Verfassung. 1789, im Jahr der Französischen Revolution, nahmen die Organe eines neu gegründeten Staates – Präsident, Senat und Repräsentantenhaus – ihre Arbeit auf: die der Vereinigten Staaten von Amerika. Die USA waren durch Sezession ohne verbleibende Bindung aus dem British Empire ausgeschieden.Die imperiale Krise der 1760er-Jahre hatte auch das große spanische Reich in der Neuen Welt erfasst. Damals hatte Spanien versucht, den Zugriff auf seine Vizekönigtümer in Amerika zu verstärken, und damit den Widerstand der Kreolen, also der in Amerika geborenen Nachfahren spanischer Eltern, geweckt. Diese Gruppierung sah ihre wirtschaftlichen Interessen und politischen Privilegien bedroht. Eine scharfe Eskalation wie in Nordamerika blieb jedoch einstweilen aus. Der hispano-amerikanische Unabhängigkeitskampf begann erst, nachdem Napoleons Invasion Spaniens 1808 das Ancien Régime in Madrid gestürzt und ein südatlantisches Machtvakuum geschaffen hatte. Zwischen 1810 und 1826 wurde mit wechselnden regionalen Brennpunkten auf dem ganzen Subkontinent gekämpft. Trotz eines gewaltigen Militäreinsatzes musste sich Spanien geschlagen geben. Aus dem riesigen spanischen Imperium wurde ein Mosaik von 16 souveränen Staaten: großen wie Mexiko, Venezuela oder Argentinien, kleinen wie Panama oder Honduras. Unter anderen Umständen löste sich Brasilien 1822 von Portugal und machte sich zu einem selbstständigen Kaiserreich. Nur die Inseln Kuba und Puerto Rico verblieben bis 1898 in spanischer Hand.Die Unabhängigkeit Lateinamerikas war die umfassendste Veränderung der politischen Landkarte in der gesamten Neuzeit. Fügt man hinzu, dass Napoleon 1803 die riesigen französischen Besitzungen in Nordamerika, die sich heute auf 15 Bundesstaaten verteilen, an die USA verkaufte, so zeigt sich, dass zwischen 1783 – als die späteren USA nach ihrem militärischen Sieg über Großbritannien de facto selbstständig wurden – und 1826 aus einem vom arktischen Norden bis in den tiefen Süden von Europa kolonisierten Kontinent eine Welt post-imperialer Nationalstaaten geworden war; nur Kanada blieb britisch. Die spanischsprachigen Republiken fanden aber nicht – wie die 13 britischen Kolonien – zu einer Union zusammen. Auch war es zunächst unter der Herrschaft von Militärführern und kleinen Oligarchien von Großgrundbesitzern mit ihrer inneren Stabilität und demokratischen Entwicklung nicht gut bestellt. Wirtschaftlich wurden sie von Großbritannien abhängig, gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend von den USA.Die Inselwelt der Karibik ging einen anderen Weg als das Festland. Dort behauptete sich der europäische Kolonialismus. Eine Ausnahme bildete die französische Kolonie Saint-Domingue, die westliche Hälfte der Insel Hispaniola. Saint-Domingue war die wirtschaftlich produktivste und profitabelste Kolonie des französischen Ancien Régime. Hunderttausende von Sklaven, die aus Afrika herbeigeschleppt worden waren, bauten dort für französische Pflanzer Zucker und Tabak an, „Kolonialwaren“ für europäische Kunden. Nachrichten vom Ausbruch der Französischen Revolution weckten Freiheitshoffnungen in allen Teilen der Bevölkerung. Die französischen Plantagenbesitzer hofften auf eine größere Autonomie vom Mutterland; eine ethnisch gemischte Mittelschicht von Mulatten und freigelassenen Sklaven wollte sich von der Vormundschaft der weißen Pflanzer befreien; die Sklaven, die die große Mehrheit der Bevölkerung ausmachten, erstrebten ein Ende von Sklaverei und Plantagensystem. Später wurde Saint-Domingue in die weltpolitische Auseinandersetzung zwischen Napoleon und der britischen Krone hineingezogen. Frankreich verfolgte einen Zickzack-Kurs: 1794 wurde die koloniale Sklaverei abgeschafft, 1802 führte Napoleon sie wieder ein. Vorübergehend schien sich die Möglichkeit eines autonomen Sonderstatus innerhalb des französischen Staatsverbandes abzuzeichnen. Sie wurde verspielt. Am Ende eines blutigen Tumults, der insgesamt von 1791 bis 1804 dauerte, stand die Gründung des neuen Staates Haiti – das erste Beispiel für einen erfolgreichen anti-kolonialen Befreiungskampf von Nicht-Weißen. Die Haitianische Revolution bildet eine wichtige Episode in der Geschichte revolutionärer Wechselwirkungen über den Atlantik hinweg in den Jahrzehnten um 1800. Während in Amerika europäische Kolonialreiche zerfielen und unabhängige Staaten entstanden, liefen in Asien die historischen Prozesse in andere Richtungen. Asien war vor 1800 auch nicht annähernd so ausgedehnt und intensiv kolonisiert worden wie Amerika einschließlich der Karibik. Das bevölkerungsreichste Land des Kontinents, China, war im 18. Jahrhundert selbst noch ein machtvolles Imperium, das sich nach Zentralasien ausdehnte und dabei erstmals Mongolen und Tibeter in die Grenzen des Reiches einschloss. Zur selben Zeit nahm China als Exporteur von Tee, Seide und Porzellan in großem Umfang am Welthandel teil. Auch viele andere Küstenregionen Asiens wurden in den interkontinentalen Warenverkehr einbezogen. In beschränktem Maß galt dies sogar für Japan, das sich bewusst von der Außenwelt isolierte. Nirgendwo in Asien gab es um 1850 auch nur Spuren einer Industrie modernen, also „englischen“ Typs. Dabei waren die Ökonomien der dicht besiedelten Kernländer keineswegs primitiv oder rückständig, sondern besaßen ein leistungsfähiges Handwerk, das oft zur Massenproduktion fähig war, sowie eine Landwirtschaft, der es immerhin gelang, vor der Erfindung des Kunstdüngers die Versorgung einer stetig wachsenden Bevölkerung auf kargem Niveau sicherzustellen. Alle diese Länder waren als mehr oder weniger absolute Monarchien auf agrarischer Grundlage organisiert.Während sich in Amerika die europäischen Kolonialreiche auflösten, gerieten in Asien die seit langem etablierten agrarischen Monarchien in eine tiefe Krise. In Indien war bereits im frühen 18. Jahrhundert das vordem riesige und mächtige Mogulreich in Teilstaaten zerfallen. Erst diese Zersplitterung hatte es den Briten erlaubt, in Bengalen Fuß zu fassen und von dort aus – dies war bis 1818 geschehen – große Teile des Subkontinents zu erobern. So weit kam es in anderen Teilen Asiens einstweilen noch nicht. Der im 17. Jahrhundert starke und kulturell blühende Iran wurde Opfer nicht europäischer, sondern afghanischer Invasionen. Dennoch war die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Wendezeit für Asien, denn das bis dahin bestehende ungefähre Gleichgewicht zwischen Asien und Europa verschwand.Europa, vor allem vertreten durch das wirtschaftlich dynamische Großbritannien, konfrontierte Asien mit militärischen und kulturellen Herausforderungen, auf die eine Antwort schwerfiel. Keine der agrarischen Monarchien erwies sich als reformfähig genug, um dem Westen Widerstand leisten zu können. Indien konnte erobert werden, weil sich die Briten die indische Zerstrittenheit zu Nutze machten und weil sie fähig waren, ihren quantitativ keineswegs überwältigenden Militärapparat besser zu organisieren als ihre indischen Gegner. Das Fußvolk der britischen Truppen in Indien bildeten Inder, sodass man sagen kann, die Briten hätten eine Methode gefunden, Indien sich selbst erobern zu lassen. Japan fiel es dank seiner Insellage relativ leicht, Ausländer von seinen Küsten fernzuhalten. Aber die Bedrohung nahm unverkennbar zu, und der streng hierarchisch geordneten japanischen Feudalordnung fehlte die Flexibilität, sich auf eine neue Zeit einzustellen. Als im Juli 1853 vier Schiffe der US-Marine in der Bucht von Tokio aufkreuzten, war die japanische Machtelite überrascht und ratlos. Da sie wenig Widerstand leistete, wurde Japan ohne einen Krieg für Kontakte mit der Außenwelt „geöffnet“. An dieser Öffnung, die bald positiv als eigener Anschluss an die „Zivilisation“ interpretiert wurde, beteiligten sich viele Japaner bereitwillig oder sogar mit Enthusiasmus.Napoleon schuf ab 1799 eine moderne Diktatur, die auf drei Säulen ruhte: dem Militär, der Bürokratie und einer pseudodemokratischen Bestätigung durch Scheinwahlen; man spricht daher von „Bonapartismus“. Napoleons Neffe Louis Bonaparte, ab 1852 Kaiser Napoleon III. (1808-1873), errichtete 1851 in Frankreich abermals ein solches System, das bis 1870 bestand.Zwischen 1815 und 1917/18 blieb die „legitime“, das heißt sich auf dynastische Erblichkeit gründende Monarchie in Europa die vorherrschende Regierungsform. Aber sie wandelte nach 1815 ihren Charakter. Überall, wo die napoleonische Besatzung die bis dahin herrschenden Kräfte ausgeschaltet oder in den Hintergrund gedrängt hatte, kam es nach dem Wiener Kongress zu einer Restauration. Die alten Fürstenhäuser wurden wieder eingesetzt, Vertreter liberaler Forderungen nach Grundrechten und der Beteiligung größerer Gruppen der Bevölkerung am politischen Prozess verfolgt und drangsaliert. Dennoch wurden nur selten, vor allem in Spanien und im Süden Italiens, die politischen Uhren auf die Zeit vor 1789 zurückgestellt. Überall sonst begann ein Prozess der schleichenden Erosion von Königsherrschaft, der sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts fortsetzte. Die Form der konstitutionellen Monarchie, bei der auch der dynastische Herrscher als ein Staatsorgan unter mehreren galt und nicht länger als der „Besitzer“ seines Staates, wurde nicht von heute auf morgen eingeführt. Sie gewann aber zunehmend an Boden. Verfassungen wurden gewährt, Parlamente bei der Steuerbewilligung und Gesetzgebung mehr und mehr beteiligt, Spielräume für freie Meinungsäußerung erweitert, Gerichte im Sinne des Prinzips der Gewaltenteilung von politischem Druck entlastet. Das Wahlrecht wurde von einer winzigen Minderheit der Besitzenden Schritt für Schritt auf größere Bevölkerungskreise ausgedehnt.Im frühen 19. Jahrhundert begannen in Europa drei langwierige politische Prozesse, die in den einzelnen Ländern unterschiedlichen Zeitabläufen folgten und nicht überall mit gleicher Gründlichkeit durchgesetzt wurden: Konstitutionalisierung (Unterstellung sämtlicher politischer Organe unter ein überpersönliches Staatsgrundgesetz), Parlamentarisierung (Kontrolle der Exekutive durch gewählte Repräsentativversammlungen) und Demokratisierung (maximale Ausweitung der wahlberechtigten Aktivbürgerschaft).Eine Sonderrolle kam dabei den beiden weltpolitisch stärksten Akteuren zu, die beide erhebliche Interessen außerhalb Europas hatten: Großbritannien und dem Zarenreich. Russland blieb zwischen 1815 und 1905, dem Jahr einer ersten russischen Revolution, eine absolute Monarchie ohne konstitutionelle Einschränkung. Der Zar regierte mit Hilfe seiner Bürokratie im Wesentlichen allein. Großbritannien verkörperte das andere Extrem: eine in ganz Europa als fortschrittlich betrachtete Ordnung. Sie war in ihren Grundzügen bereits in der Glorious Revolution von 1688 entstanden, hatte sich aber seither fortentwickelt. Ein wichtiger Einschnitt war eine Modernisierung des politischen Systems durch das Reformgesetz des Jahres 1832, das britische Gegenstück zur Revolution von 1830, die in Frankreich einen „Bürgerkönig“ auf den Thron brachte. Obwohl auch danach die Macht des Land besitzenden britischen Adels kaum herausgefordert wurde, war ein System, das auf rechtsstaatlichen Grundlagen beruhte und bei dem das Parlament und die ihm – und nicht dem Monarchen – verantwortliche Regierung die zentralen Staatsorgane bildeten, flexibel genug, um neue politische Kräfte einzubeziehen. So wurde Großbritannien zum Vorbild für die Liberalen des Kontinents. Mit seiner freiheitlichen Ordnung bot es den politisch Verfolgten aller Länder Zuflucht.Was die Monarchie an tatsächlicher Macht verlor, gewann sie an symbolischem Prestige. Auch hier ging Großbritannien anderen europäischen Ländern voran. Als die junge Prinzessin Victoria 1837 den Thron bestieg, war das Ansehen der britischen Monarchie auf einem Tiefpunkt angelangt. Während Victorias langer Regierungszeit (bis zu ihrem Tod 1901) entstand dann aber eine loyale Bindung der britischen Bevölkerung an die Krone, wie sie noch im heutigen Kult um die „Royals“ nachwirkt. In ganz Europa blieb das 19. Jahrhundert bis zu seinem Ende eine Epoche der Monarchie, die – außerhalb des Zarenreiches – schwindende Macht durch erhöhten Glanz kompensierte.Die vier oder fünf Jahrzehnte nach der Französischen Revolution waren auch eine Zeit, als in der politischen Theorie jene Lehren formuliert wurden, die bis weit in das 20. Jahrhundert fortwirken sollten: Liberalismus, Konservativismus und Sozialismus. Wichtige Grundlagen waren bereits von Denkern der Aufklärung formuliert worden, vor allem von dem Engländer John Locke (1632-1704), dem Franzosen Charles-Louis de Montesquieu (1689-1755) und dem Nordamerikaner Thomas Jefferson (1743-1826) samt seinen Mitstreitern. Doch erst die Französische Revolution gab den Anstoß zur Ausarbeitung ganzer politischer Weltbilder.Der Liberalismus lehnte die Radikalisierung der Revolution ab und knüpfte an deren moderate Anfänge an. Er forderte einen in seiner Machtfülle begrenzten, von der gesellschaftlichen Elite kontrollierten Staat, der privates Eigentum garantierte, Freiheiten wie die der öffentlichen Meinungsäußerung, der Religionsausübung und der Berufswahl gewährleistete und den Einzelnen einen möglichst großen Spielraum zur Ausbildung und Entfaltung individueller Talente eröffnete. Auf einem ungeregelten Markt sollten die Individuen mit ihren Angeboten frei und friedlich konkurrieren können. Der Staat solle dafür den gesetzlichen Rahmen schaffen. Leistung müsse sich lohnen, der Aufstieg in der Gesellschaft möglich sein. Kleinstaaterei solle zu Gunsten eines größeren Zusammenhangs überwunden werden, den man „die Nation“ zu nennen begann.Die Konservativen zogen ganz andere Lehren aus der Erfahrung der Revolution. Sie misstrauten den ungeregelten Aktivitäten von Individuen. Die Menschen müssten ihren Platz in Hierarchien kennen und bewährte Autoritäten respektieren. Sie bedürften der Führung durch den monarchischen Staat, die Kirche und die überkommene aristokratische Elite. Ein nachrevolutionärer Konservativismus verabschiedete sich allerdings von antiquierten Lehren wie dem Gottesgnadentum der Fürsten. Auch Konservative gingen mit der Zeit.Der Sozialismus schließlich war die jüngste der politischen Strömungen, zunächst noch ohne Einfluss auf konkrete Politik. Er stellte das revolutionäre Schlagwort der „Gleichheit“ (egalité) über das der „Freiheit“ (liberté) und war in seiner Frühphase vor 1848 eine Utopie der Solidarität (fraternité), Gütergemeinschaft und genossenschaftlichen Produktion in kleinen Einheiten. Erst mit dem Fortschreiten der Industrialisierung in der zweiten Jahrhunderthälfte wurde er zum kämpferischen Weltbild der Arbeiterklasse. Obwohl die Industrielle Revolution in England bereits in den 1770er-Jahren begonnen hatte und die Wirtschaft in England und Südschottland (aber nicht in Irland) um die Jahrhundertmitte schon stark von der industriellen Produktionsweise geprägt war, beschränkte sich die Industrialisierung auf dem Kontinent noch für mehrere Jahrzehnte auf kleine Enklaven. Außerhalb Deutschlands waren dies Belgien (das als selbstständiger Staat erst 1830 entstanden war), einzelne Regionen Frankreichs, die Nordschweiz oder Katalonien. Die meisten Bewohner Europas waren um 1850 noch nicht mit der Fabrikindustrie in Berührung gekommen. Neugierige Besucher vom Kontinent reisten in die Industriestadt Manchester, um dort eine neue Welt der Dampfmaschinen und der Massenproduktion zu bestaunen, die es zu Hause nicht gab. Um 1850 überstieg in Europa insgesamt die Zahl der handwerklichen Schuster, Schneider oder Weber diejenige der Kohlebergleute, Maschinisten und Bediener dampfgetriebener Spinnmaschinen. Wenn von „Arbeitern“ die Rede war, dachte man weniger an ein industrielles Proletariat als an Tagelöhner, herumziehende Handwerksburschen oder Frauen, Kinder und Männer, die auf dem Lande für städtische „Verleger“ weiterverarbeitende Tätigkeiten verrichteten. Im Englischen nennt man dies anschaulich als Gegensatz zur Fabrikindustrie cottage industry, also eine nicht-handwerkliche, keine besonderen Fähigkeiten verlangende Produktion in „Hütten“ und Privathäusern. Eine solche „Proto-Industrie“ konnte zur Fabrikindustrie hinführen, musste dies aber nicht zwangsläufig tun.Die junge Schwerindustrie war stark standortgebunden, da sie auf Kohle- und Eisenerzvorkommen angewiesen war. Die herkömmliche Energiegewinnung, zum Beispiel aus Holzkohlemeilern oder der Verbrennung von Torf, reichte nicht aus, um jene Temperaturen zu erzeugen, die für die neuen Eisentechnologien erforderlich waren. Vor 1850 finden sich auf dem Kontinent allein in Belgien Ansätze zu einer solchen „modernen“ Schwerindustrie.Obwohl sich die vorindustriellen Verhältnisse der Frühen Neuzeit bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts fortsetzten und obwohl Millionen von Menschen an der Armutsgrenze lebten und weiterhin von Hungersnöten bedroht blieben, war die erste Hälfte des Jahrhunderts keineswegs bloß eine Zeit wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stagnation. In Frankreich und in manchen Gebieten, die unter seinen Einfluss geraten waren, hatten sich die Eigentumsverhältnisse drastisch gewandelt. Aristokratischer Landbesitz und das Grundeigentum der Kirche waren an Bauern umverteilt worden. Frankreich wurde zu einem Land selbstständiger Kleinbauern. „Bauernbefreiungen“ unterschiedlicher Art hatten alte Feudalprivilegien wie etwa Arbeitsdienste für den Herrn und Sonderabgaben zu zahlreichen Anlässen abgeschafft und die Rechtsstellung der Bauern insgesamt verbessert, jedenfalls in einer breiten Zone, die von der Elbe und den Pyrenäen begrenzt war. Europa lebte weiterhin überwiegend von der Landwirtschaft; vor allem auf der iberischen Halbinsel, dem Balkan und in Osteuropa blieb sie dominant. Doch war Bewegung in den Charakter der ländlichen Gesellschaft gekommen. Dazu trug auch bei, dass kommerzielle Beziehungen auf dem Lande zunahmen und sich verdichteten. Immer weniger Bauern produzierten allein für den Eigenbedarf der Familie oder des Dorfes, immer mehr versorgten über Zwischenhändler entfernte Märkte. Dies traf nicht nur auf freie Bauern zu. Auch dort, wo weiterhin Leibeigenschaft vorherrschte oder verbreitet war (in Spanien bis in die 1830er-Jahre, in der Habsburgermonarchie bis 1848, in Russland bis 1861), gewann die Produktion für den Markt an Bedeutung.In der Landwirtschaft wie im Hausgewerbe und sogar in der Fabrikindustrie (jedenfalls der Textilproduktion) teilten sich Männer und Frauen die Arbeit. In Baumwollfabriken stellten Frauen und Kinder sogar 50 bis 80 Prozent der Arbeitskräfte. Auch im frühen englischen Kohlebergbau wurden Frauen und Kinder so lange und so intensiv eingesetzt, dass Kritiker dies als Skandal anprangerten und erste Schutzgesetze erlassen wurden. Insgesamt veränderten sich die Geschlechterrollen unter der Mehrheit der Bevölkerung nicht dramatisch. Die allgemeine Arbeitsbelastung in dieser Phase des Übergangs scheint jedoch zugenommen zu haben, vermutlich überproportional zu Lasten von Frauen.Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs der relative Anteil von nichtadligen Mittelschichten in den europäischen Gesellschaften. Sie prägten zunehmend das allgemeine kulturelle Klima, auch wenn ihr politischer Einfluss in vielen Ländern ihrem zunehmenden gesellschaftlichen Gewicht nicht entsprach. Diese Mittelschichten, ebenso wie zuvor schon die „Bürger“ der Frühen Neuzeit, fanden sich vor allem in den Städten. Aktivisten der neuen Wirtschaftsformen, also Fabrikbesitzer, Bankiers oder Reeder, bildeten europaweit innerhalb dieses Bürgertums noch eine Minderheit. Vielmehr trafen in dieser höchst uneinheitlichen gesellschaftlichen Gruppierung Leute aus verschiedenartigen Herkunftskreisen zusammen: erstens Kaufleute, die von der Zunahme der Kommerzialisierung profitierten; zweitens nichtadlige – oft aber dann aufgrund ihrer Verdienste geadelte – Staatsdiener, die infolge des Ausbaus der Verwaltung Karriere machten; drittens Anbieter gehobener nichtmanueller Dienstleistungen, etwa Anwälte, Ärzte, Professoren. Was sie alle gemeinsam hatten, war die symbolische Abgrenzung nach unten, vom handarbeitenden, in finanziell unsicheren Verhältnissen lebenden „Volk“ (zu dem auch das „Kleinbürgertum“ gehörte), und nach oben, von einer Aristokratie, die aus der Sicht einer bürgerlichen Leistungsethik als passive Konsumentin ihres ererbten Reichtums fragwürdig legitimiert war.Allerdings gab es vielfältige Berührungen zwischen Bürgertum und Aristokratie und nur noch selten, wie im Ancien Régime, eine unüberwindliche Klassenschranke. In Frankreich, aber auch in deutschen Städten oder in Norditalien bildete sich eine einflussreiche Elitenschicht der „Notabeln“ oder städtischen Honoratioren. Nicht nur in den deutschen Ländern, wo Oberschulen und Universitäten zu einem bevorzugten Objekt staatlichen Reformeifers geworden waren, gewann das Bürgertum des frühen 19. Jahrhunderts sein Selbstbewusstsein und seine Identität aus dem Genuss von Kultur und der Selbstvervollkommnung durch Erziehung und Bildung. Der Bürger und die Bürgerin schlossen sich in Lesegesellschaften zusammen und besuchten die Oper, die erstmals außerhalb Italiens ein breites Echo fand. Sie legten großen Wert auf eine sorgfältige Ausbildung ihrer Kinder, und sie wurden selbst zunehmend zu Gegenständen der Romanliteratur und der Malerei. War die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts noch kein eindeutig „bürgerliches Zeitalter“, so drängte diese neue gesellschaftliche Klasse, überwiegend wirtschaftlich erfolgreich, doch schon nach einer kulturellen Vormachtstellung. In Paris, das der Philosoph und Kulturhistoriker Walter Benjamin die kulturelle „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“ nannte, in Manchester, Frankfurt oder Hamburg gab sie um 1850 bereits den Ton an-Um 1800 waren die einzelnen Teile der Erde noch sehr weit voneinander entfernt. Von einem Kontinent zum anderen gelangte man nur durch gefährliche und beschwerliche Seereisen. Von England aus war ein Schiff nach China vier bis fünf Monate unterwegs. Bis nach Australien, das erst ab 1788 systematisch von Europäern besiedelt wurde, zunächst als britische Sträflingskolonie, dauerte es sogar sieben bis acht Monate. Nirgendwo, auch nicht über den Nordatlantik hinweg, gab es einen fahrplanmäßigen Schiffsverkehr, von Tourismus ganz zu schweigen. Das meeresferne Innere von Asien, Afrika und Südamerika war in der Außenwelt so unbekannt, dass europäische Kartografen die berühmten weißen Flecken ließen. Die Welt von 1800 war eine Welt ohne Hotels. Nachrichten waren ebenso lange unterwegs wie Schiffe, denn es gab keine andere Methode, sie zu befördern. Die Gouverneure in den europäischen Überseekolonien konnten daher kaum von ihren Zentralen in London, Paris oder Amsterdam kontrolliert werden. Diese aus heutiger Sicht unvorstellbar schwierigen Kommunikationsverhältnisse verhinderten indes nicht, dass sich intensive Fernkontakte knüpften.Diese Kontakte waren geografisch sehr ungleich verteilt. Die Initiative zu ihnen ging vorwiegend von Europäern aus. Seit 300 Jahren hatten die Europäer – erst Spanier und Portugiesen, dann Holländer, Engländer und Franzosen – als ungebetene Gäste andere Teile der Welt militärisch erobert und unter ihre Kontrolle gebracht. Dies war selten ohne die Mitwirkung von Einheimischen geschehen, die oft die Fremden als Verbündete in lokalen Machtkonflikten schätzten. Um 1800 hatten die europäischen Mächte keineswegs schon den überwiegenden Teil der Erdkugel unter ihre Herrschaft gebracht. In Afrika war nur die Südspitze des Kontinents niederländisches, dann britisches Kolonialgebiet. In Asien hielten sich winzige portugiesische Küstenenklaven (Goa in Indien, Macau in China) als Reste eines verschwundenen Handelsimperiums. Bedeutenden Kolonialbesitz, der ebenfalls ein Nebeneffekt von Handelsinteressen war, unterhielten nur die Niederlande im heutigen Indonesien sowie die Briten, deren halboffizielle East India Company seit den 1760er-Jahren Territorialherrin in Bengalen (mit der Hauptstadt Kalkutta) war und um 1800 erfolgreich Kriege zur Ausweitung ihres Herrschaftsbereichs führte. Französische Versuche, sich in Asien festzusetzen, waren gescheitert. Spanier saßen in der Stadt Manila und auf einigen der größeren philippinischen Inseln, denen aber wenig eigener kolonialer Wert beigemessen wurde, dienten sie doch vor allem als Zugang nach Ostasien.Viel tiefer hatte sich der europäische Kolonialismus in der westlichen Hemisphäre eingewurzelt. Dort war er aber in den 1760er-Jahren in eine tiefe Krise geraten. Diese Krise hatte 1776 dazu geführt, dass 13 der britischen Kolonien in Nordamerika ihre Unabhängigkeit erklärten. Sie siegten in einem Krieg gegen das vormalige Mutterland und gaben sich 1787 eine gemeinsame Verfassung. 1789, im Jahr der Französischen Revolution, nahmen die Organe eines neu gegründeten Staates – Präsident, Senat und Repräsentantenhaus – ihre Arbeit auf: die der Vereinigten Staaten von Amerika. Die USA waren durch Sezession ohne verbleibende Bindung aus dem British Empire ausgeschieden.Die imperiale Krise der 1760er-Jahre hatte auch das große spanische Reich in der Neuen Welt erfasst. Damals hatte Spanien versucht, den Zugriff auf seine Vizekönigtümer in Amerika zu verstärken, und damit den Widerstand der Kreolen, also der in Amerika geborenen Nachfahren spanischer Eltern, geweckt. Diese Gruppierung sah ihre wirtschaftlichen Interessen und politischen Privilegien bedroht. Eine scharfe Eskalation wie in Nordamerika blieb jedoch einstweilen aus. Der hispano-amerikanische Unabhängigkeitskampf begann erst, nachdem Napoleons Invasion Spaniens 1808 das Ancien Régime in Madrid gestürzt und ein südatlantisches Machtvakuum geschaffen hatte. Zwischen 1810 und 1826 wurde mit wechselnden regionalen Brennpunkten auf dem ganzen Subkontinent gekämpft. Trotz eines gewaltigen Militäreinsatzes musste sich Spanien geschlagen geben. Aus dem riesigen spanischen Imperium wurde ein Mosaik von 16 souveränen Staaten: großen wie Mexiko, Venezuela oder Argentinien, kleinen wie Panama oder Honduras. Unter anderen Umständen löste sich Brasilien 1822 von Portugal und machte sich zu einem selbstständigen Kaiserreich. Nur die Inseln Kuba und Puerto Rico verblieben bis 1898 in spanischer Hand.Die Unabhängigkeit Lateinamerikas war die umfassendste Veränderung der politischen Landkarte in der gesamten Neuzeit. Fügt man hinzu, dass Napoleon 1803 die riesigen französischen Besitzungen in Nordamerika, die sich heute auf 15 Bundesstaaten verteilen, an die USA verkaufte, so zeigt sich, dass zwischen 1783 – als die späteren USA nach ihrem militärischen Sieg über Großbritannien de facto selbstständig wurden – und 1826 aus einem vom arktischen Norden bis in den tiefen Süden von Europa kolonisierten Kontinent eine Welt post-imperialer Nationalstaaten geworden war; nur Kanada blieb britisch. Die spanischsprachigen Republiken fanden aber nicht – wie die 13 britischen Kolonien – zu einer Union zusammen. Auch war es zunächst unter der Herrschaft von Militärführern und kleinen Oligarchien von Großgrundbesitzern mit ihrer inneren Stabilität und demokratischen Entwicklung nicht gut bestellt. Wirtschaftlich wurden sie von Großbritannien abhängig, gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend von den USA.Die Inselwelt der Karibik ging einen anderen Weg als das Festland. Dort behauptete sich der europäische Kolonialismus. Eine Ausnahme bildete die französische Kolonie Saint-Domingue, die westliche Hälfte der Insel Hispaniola. Saint-Domingue war die wirtschaftlich produktivste und profitabelste Kolonie des französischen Ancien Régime. Hunderttausende von Sklaven, die aus Afrika herbeigeschleppt worden waren, bauten dort für französische Pflanzer Zucker und Tabak an, „Kolonialwaren“ für europäische Kunden. Nachrichten vom Ausbruch der Französischen Revolution weckten Freiheitshoffnungen in allen Teilen der Bevölkerung. Die französischen Plantagenbesitzer hofften auf eine größere Autonomie vom Mutterland; eine ethnisch gemischte Mittelschicht von Mulatten und freigelassenen Sklaven wollte sich von der Vormundschaft der weißen Pflanzer befreien; die Sklaven, die die große Mehrheit der Bevölkerung ausmachten, erstrebten ein Ende von Sklaverei und Plantagensystem. Später wurde Saint-Domingue in die weltpolitische Auseinandersetzung zwischen Napoleon und der britischen Krone hineingezogen. Frankreich verfolgte einen Zickzack-Kurs: 1794 wurde die koloniale Sklaverei abgeschafft, 1802 führte Napoleon sie wieder ein. Vorübergehend schien sich die Möglichkeit eines autonomen Sonderstatus innerhalb des französischen Staatsverbandes abzuzeichnen. Sie wurde verspielt. Am Ende eines blutigen Tumults, der insgesamt von 1791 bis 1804 dauerte, stand die Gründung des neuen Staates Haiti – das erste Beispiel für einen erfolgreichen anti-kolonialen Befreiungskampf von Nicht-Weißen. Die Haitianische Revolution bildet eine wichtige Episode in der Geschichte revolutionärer Wechselwirkungen über den Atlantik hinweg in den Jahrzehnten um 1800. Während in Amerika europäische Kolonialreiche zerfielen und unabhängige Staaten entstanden, liefen in Asien die historischen Prozesse in andere Richtungen. Asien war vor 1800 auch nicht annähernd so ausgedehnt und intensiv kolonisiert worden wie Amerika einschließlich der Karibik. Das bevölkerungsreichste Land des Kontinents, China, war im 18. Jahrhundert selbst noch ein machtvolles Imperium, das sich nach Zentralasien ausdehnte und dabei erstmals Mongolen und Tibeter in die Grenzen des Reiches einschloss. Zur selben Zeit nahm China als Exporteur von Tee, Seide und Porzellan in großem Umfang am Welthandel teil. Auch viele andere Küstenregionen Asiens wurden in den interkontinentalen Warenverkehr einbezogen. In beschränktem Maß galt dies sogar für Japan, das sich bewusst von der Außenwelt isolierte. Nirgendwo in Asien gab es um 1850 auch nur Spuren einer Industrie modernen, also „englischen“ Typs. Dabei waren die Ökonomien der dicht besiedelten Kernländer keineswegs primitiv oder rückständig, sondern besaßen ein leistungsfähiges Handwerk, das oft zur Massenproduktion fähig war, sowie eine Landwirtschaft, der es immerhin gelang, vor der Erfindung des Kunstdüngers die Versorgung einer stetig wachsenden Bevölkerung auf kargem Niveau sicherzustellen. Alle diese Länder waren als mehr oder weniger absolute Monarchien auf agrarischer Grundlage organisiert.Während sich in Amerika die europäischen Kolonialreiche auflösten, gerieten in Asien die seit langem etablierten agrarischen Monarchien in eine tiefe Krise. In Indien war bereits im frühen 18. Jahrhundert das vordem riesige und mächtige Mogulreich in Teilstaaten zerfallen. Erst diese Zersplitterung hatte es den Briten erlaubt, in Bengalen Fuß zu fassen und von dort aus – dies war bis 1818 geschehen – große Teile des Subkontinents zu erobern. So weit kam es in anderen Teilen Asiens einstweilen noch nicht. Der im 17. Jahrhundert starke und kulturell blühende Iran wurde Opfer nicht europäischer, sondern afghanischer Invasionen. Dennoch war die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Wendezeit für Asien, denn das bis dahin bestehende ungefähre Gleichgewicht zwischen Asien und Europa verschwand.Europa, vor allem vertreten durch das wirtschaftlich dynamische Großbritannien, konfrontierte Asien mit militärischen und kulturellen Herausforderungen, auf die eine Antwort schwerfiel. Keine der agrarischen Monarchien erwies sich als reformfähig genug, um dem Westen Widerstand leisten zu können. Indien konnte erobert werden, weil sich die Briten die indische Zerstrittenheit zu Nutze machten und weil sie fähig waren, ihren quantitativ keineswegs überwältigenden Militärapparat besser zu organisieren als ihre indischen Gegner. Das Fußvolk der britischen Truppen in Indien bildeten Inder, sodass man sagen kann, die Briten hätten eine Methode gefunden, Indien sich selbst erobern zu lassen. Japan fiel es dank seiner Insellage relativ leicht, Ausländer von seinen Küsten fernzuhalten. Aber die Bedrohung nahm unverkennbar zu, und der streng hierarchisch geordneten japanischen Feudalordnung fehlte die Flexibilität, sich auf eine neue Zeit einzustellen. Als im Juli 1853 vier Schiffe der US-Marine in der Bucht von Tokio aufkreuzten, war die japanische Machtelite überrascht und ratlos. Da sie wenig Widerstand leistete, wurde Japan ohne einen Krieg für Kontakte mit der Außenwelt „geöffnet“. An dieser Öffnung, die bald positiv als eigener Anschluss an die „Zivilisation“ interpretiert wurde, beteiligten sich viele Japaner bereitwillig oder sogar mit Enthusiasmus.Ein Grund für dieses aktive Interesse am Westen, der in Japan von Anfang an doppelt als Europa und die USA auftrat, war das Schicksal Chinas, an dessen Ausbeutung auch Japan Interesse hatte. An der südchinesischen Küste hatte sich seit etwa 1820 ein Konflikt um Opium zusammengebraut. Das Rauschgift wurde in Britisch-Indien produziert und zunehmend statt des früher dafür verwendeten Silbers zur Bezahlung chinesischer Tee-Exporte benutzt. Die Weigerung der chinesischen Regierung, diese Praxis weiter zu dulden, wurde unter britischen Diplomaten und Handelsfirmen als willkommener Anlass gesehen, das bis dahin selbstbewusst verschlossene China zur Öffnung seiner Häfen für Ausländer zu zwingen. Dies geschah im britisch-chinesischen Opiumkrieg von 1840-42, dem 1856-60 ein zweiter Krieg folgte. Zwar wurde China vor 1895 noch nicht in nennenswertem Umfang kolonisiert, doch war erstmals in der Geschichte seine militärische Unterlegenheit gegenüber Europa offenbar geworden. Die Europäer nutzten diese Schwäche, um die Tür für ihre Geschäftsleute und Missionare zu öffnen.Im Nahen Osten war um 1800 – wie bereits seit vier Jahrhunderten – das Osmanische Reich, das vom Sultan in Istanbul regiert wurde, die beherrschende politische Kraft. Anders als Japan und erst recht als China hatte es seit Jahrhunderten im feindseligen Kontakt mit Europa gestanden. An ein langsames Zurückweichen vor Russland und Österreich auf dem Balkan hatte man sich einigermaßen gewöhnt, doch es war ein großer Schock, dass Bonaparte 1798 in einer militärischen Aktion die Provinz Ägypten unter seine Kontrolle brachte. Auch wenn die Franzosen den Nil bereits nach wenigen Jahren verließen und Ägypten nicht zu ihrer Kolonie machten, so zeigte dies doch die außerordentliche Verwundbarkeit des Reiches. Sie erwies sich erneut, als die Großmächte England und Russland in den 1820er-Jahren mit ihrer Seemacht eine schwache griechische Unabhängigkeitsbewegung unterstützten und den Sultan zwangen, 1830 der Errichtung eines griechischen Staates unter gesamteuropäischer Protektion zuzusehen. Im selben Jahr begann Frankreich mit der Unterwerfung Algeriens, das zumindest nominell dem Sultan untertan war. Die osmanische Elite reagierte auf diese Kette von Niederlagen mit einem ehrgeizigen Reformprogramm (Tanzimat, „Neuordnung“), das, 1839 beginnend, das Reich effektiver gestalten und näher an die westlichen Vorbilder England und Frankreich heranrücken sollte. Damit wurde das Osmanische Reich zur ersten der agrarischen Monarchien Asiens, die sich selbst ein Modernisierungsprogramm verordnete. Das oberste Ziel all dieser Programme war es, das eigene Land – wie es damals oft hieß – „reich und stark“ zu machen und auf diese Weise dem Schicksal der Kolonisierung zu entgehen, das man in Gestalt Indiens mahnend vor Augen sah. Im Falle des Osmanischen Reiches wurde dieses Minimalziel erreicht. Zu den erstaunlichsten und folgenreichsten Entwicklungen während des 19. Jahrhunderts gehörte der langsame Aufstieg der USA zum reichsten Land der Erde und schließlich zur politisch-militärischen Großmacht. Innerhalb des British Empire hatten die nordamerikanischen Kolonien keine herausgehobene Rolle gespielt. Wirtschaftlich war lange Zeit aus Londoner Sicht die Zucker produzierende Karibik (wie beispielsweise Jamaika, Barbados und andere Inseln) wichtiger gewesen. Nur wenige Beobachter in Europa sagten den neu gegründeten USA eine glanzvolle Zukunft voraus.Die Union startete indes sehr erfolgreich ins 19. Jahrhundert. Die republikanische Regierungsform, die noch niemals in einem der großen Flächenstaaten praktiziert worden war, erwies sich als stabil und handlungsfähig. Eine Gruppe herausragend talentierter Politiker – die Gründerväter um George Washington (1732-1799) und Thomas Jefferson – löste die Probleme, die sich stellten. Die ehemaligen Kolonien, nunmehr Bundesstaaten, wuchsen trotz großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturunterschiede zusammen. Bäuerliche Landwirtschaft, Schifffahrt und Fernhandel in den nördlichen Staaten, die Produktion von Baumwolle und anderen Agrarprodukten auf Sklavenplantagen im Süden bildeten die Grundlagen einer sich schnell entwickelnden Prosperität. Trotz der politischen Trennung von Europa, die 1823 durch die Monroe-Doktrin („Amerika den Amerikanern!“) bekräftigt wurde, integrierten sich die USA erfolgreich in den Welthandel.

Während sich in Amerika die europäischen Kolonialreiche auflösten, gerieten in Asien die seit langem etablierten agrarischen Monarchien in eine tiefe Krise. In Indien war bereits im frühen 18. Jahrhundert das vordem riesige und mächtige Mogulreich in Teilstaaten zerfallen. Erst diese Zersplitterung hatte es den Briten erlaubt, in Bengalen Fuß zu fassen und von dort aus – dies war bis 1818 geschehen – große Teile des Subkontinents zu erobern. So weit kam es in anderen Teilen Asiens einstweilen noch nicht. Der im 17. Jahrhundert starke und kulturell blühende Iran wurde Opfer nicht europäischer, sondern afghanischer Invasionen. Dennoch war die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Wendezeit für Asien, denn das bis dahin bestehende ungefähre Gleichgewicht zwischen Asien und Europa verschwand.Europa, vor allem vertreten durch das wirtschaftlich dynamische Großbritannien, konfrontierte Asien mit militärischen und kulturellen Herausforderungen, auf die eine Antwort schwerfiel. Keine der agrarischen Monarchien erwies sich als reformfähig genug, um dem Westen Widerstand leisten zu können. Indien konnte erobert werden, weil sich die Briten die indische Zerstrittenheit zu Nutze machten und weil sie fähig waren, ihren quantitativ keineswegs überwältigenden Militärapparat besser zu organisieren als ihre indischen Gegner. Das Fußvolk der britischen Truppen in Indien bildeten Inder, sodass man sagen kann, die Briten hätten eine Methode gefunden, Indien sich selbst erobern zu lassen. Japan fiel es dank seiner Insellage relativ leicht, Ausländer von seinen Küsten fernzuhalten. Aber die Bedrohung nahm unverkennbar zu, und der streng hierarchisch geordneten japanischen Feudalordnung fehlte die Flexibilität, sich auf eine neue Zeit einzustellen. Als im Juli 1853 vier Schiffe der US-Marine in der Bucht von Tokio aufkreuzten, war die japanische Machtelite überrascht und ratlos. Da sie wenig Widerstand leistete, wurde Japan ohne einen Krieg für Kontakte mit der Außenwelt „geöffnet“. An dieser Öffnung, die bald positiv als eigener Anschluss an die „Zivilisation“ interpretiert wurde, beteiligten sich viele Japaner bereitwillig oder sogar mit Enthusiasmus.Ein Grund für dieses aktive Interesse am Westen, der in Japan von Anfang an doppelt als Europa und die USA auftrat, war das Schicksal Chinas, an dessen Ausbeutung auch Japan Interesse hatte. An der südchinesischen Küste hatte sich seit etwa 1820 ein Konflikt um Opium zusammengebraut. Das Rauschgift wurde in Britisch-Indien produziert und zunehmend statt des früher dafür verwendeten Silbers zur Bezahlung chinesischer Tee-Exporte benutzt. Die Weigerung der chinesischen Regierung, diese Praxis weiter zu dulden, wurde unter britischen Diplomaten und Handelsfirmen als willkommener Anlass gesehen, das bis dahin selbstbewusst verschlossene China zur Öffnung seiner Häfen für Ausländer zu zwingen. Dies geschah im britisch-chinesischen Opiumkrieg von 1840-42, dem 1856-60 ein zweiter Krieg folgte. Zwar wurde China vor 1895 noch nicht in nennenswertem Umfang kolonisiert, doch war erstmals in der Geschichte seine militärische Unterlegenheit gegenüber Europa offenbar geworden. Die Europäer nutzten diese Schwäche, um die Tür für ihre Geschäftsleute und Missionare zu öffnen.Im Nahen Osten war um 1800 – wie bereits seit vier Jahrhunderten – das Osmanische Reich, das vom Sultan in Istanbul regiert wurde, die beherrschende politische Kraft. Anders als Japan und erst recht als China hatte es seit Jahrhunderten im feindseligen Kontakt mit Europa gestanden. An ein langsames Zurückweichen vor Russland und Österreich auf dem Balkan hatte man sich einigermaßen gewöhnt, doch es war ein großer Schock, dass Bonaparte 1798 in einer militärischen Aktion die Provinz Ägypten unter seine Kontrolle brachte. Auch wenn die Franzosen den Nil bereits nach wenigen Jahren verließen und Ägypten nicht zu ihrer Kolonie machten, so zeigte dies doch die außerordentliche Verwundbarkeit des Reiches. Sie erwies sich erneut, als die Großmächte England und Russland in den 1820er-Jahren mit ihrer Seemacht eine schwache griechische Unabhängigkeitsbewegung unterstützten und den Sultan zwangen, 1830 der Errichtung eines griechischen Staates unter gesamteuropäischer Protektion zuzusehen. Im selben Jahr begann Frankreich mit der Unterwerfung Algeriens, das zumindest nominell dem Sultan untertan war. Die osmanische Elite reagierte auf diese Kette von Niederlagen mit einem ehrgeizigen Reformprogramm (Tanzimat, „Neuordnung“), das, 1839 beginnend, das Reich effektiver gestalten und näher an die westlichen Vorbilder England und Frankreich heranrücken sollte. Damit wurde das Osmanische Reich zur ersten der agrarischen Monarchien Asiens, die sich selbst ein Modernisierungsprogramm verordnete. Das oberste Ziel all dieser Programme war es, das eigene Land – wie es damals oft hieß – „reich und stark“ zu machen und auf diese Weise dem Schicksal der Kolonisierung zu entgehen, das man in Gestalt Indiens mahnend vor Augen sah. Im Falle des Osmanischen Reiches wurde dieses Minimalziel erreicht. Zu den erstaunlichsten und folgenreichsten Entwicklungen während des 19. Jahrhunderts gehörte der langsame Aufstieg der USA zum reichsten Land der Erde und schließlich zur politisch-militärischen Großmacht. Innerhalb des British Empire hatten die nordamerikanischen Kolonien keine herausgehobene Rolle gespielt. Wirtschaftlich war lange Zeit aus Londoner Sicht die Zucker produzierende Karibik (wie beispielsweise Jamaika, Barbados und andere Inseln) wichtiger gewesen. Nur wenige Beobachter in Europa sagten den neu gegründeten USA eine glanzvolle Zukunft voraus.Die Union startete indes sehr erfolgreich ins 19. Jahrhundert. Die republikanische Regierungsform, die noch niemals in einem der großen Flächenstaaten praktiziert worden war, erwies sich als stabil und handlungsfähig. Eine Gruppe herausragend talentierter Politiker – die Gründerväter um George Washington (1732-1799) und Thomas Jefferson – löste die Probleme, die sich stellten. Die ehemaligen Kolonien, nunmehr Bundesstaaten, wuchsen trotz großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturunterschiede zusammen. Bäuerliche Landwirtschaft, Schifffahrt und Fernhandel in den nördlichen Staaten, die Produktion von Baumwolle und anderen Agrarprodukten auf Sklavenplantagen im Süden bildeten die Grundlagen einer sich schnell entwickelnden Prosperität. Trotz der politischen Trennung von Europa, die 1823 durch die Monroe-Doktrin („Amerika den Amerikanern!“) bekräftigt wurde, integrierten sich die USA erfolgreich in den Welthandel.Sie gehörten zur zweiten Generation der Industrialisierer, die unmittelbar auf den Pionier Großbritannien folgte. Bereits in den 1820er-Jahren entstand in den Neuenglandstaaten eine fabrikmäßige Textilproduktion. Ende der 1840er-Jahre erlebte die US-Wirtschaft dann einen spektakulären take-off zur Industrialisierung, etwa gleichzeitig mit Frankreich und noch vor Deutschland. Ebenso wie Europa waren auch die USA damals noch von der Landwirtschaft geprägt, doch wies die Tendenz zumindest im atlantischen Nordosten in Richtung auf eine Gesellschaft, die durch Industrie zu Wohlstand kam. Die USA verfügten über einzigartig günstige Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung. Sie besaßen, anders als Länder wie China, Japan oder Indien, fruchtbares Land in unbegrenzter Fülle, dazu alle nötigen Rohstoffe und den für die Industrialisierung unerlässlichen Energieträger Kohle. Arbeitskräfte strömten aus Europa herbei, viele von ihnen qualifizierte junge Leute. Keine alten feudalen Strukturen behinderten die Dynamik einer Gesellschaft neuen Typs; es gab keine parasitäre Autokratie wie in einigen Teilen Europas. Die republikanischen Institutionen wirkten als Rahmen, der eine „Marktrevolution“ zur Entfaltung kommen ließ. Wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Aufstieg des Einzelnen waren in den USA viel weniger von seinem Familienhintergrund abhängig als in der Alten Welt.Viel tiefer hatte sich der europäische Kolonialismus in der westlichen Hemisphäre eingewurzelt. Dort war er aber in den 1760er-Jahren in eine tiefe Krise geraten. Diese Krise hatte 1776 dazu geführt, dass 13 der britischen Kolonien in Nordamerika ihre Unabhängigkeit erklärten. Sie siegten in einem Krieg gegen das vormalige Mutterland und gaben sich 1787 eine gemeinsame Verfassung. 1789, im Jahr der Französischen Revolution, nahmen die Organe eines neu gegründeten Staates – Präsident, Senat und Repräsentantenhaus – ihre Arbeit auf: die der Vereinigten Staaten von Amerika. Die USA waren durch Sezession ohne verbleibende Bindung aus dem British Empire ausgeschieden.Die imperiale Krise der 1760er-Jahre hatte auch das große spanische Reich in der Neuen Welt erfasst. Damals hatte Spanien versucht, den Zugriff auf seine Vizekönigtümer in Amerika zu verstärken, und damit den Widerstand der Kreolen, also der in Amerika geborenen Nachfahren spanischer Eltern, geweckt. Diese Gruppierung sah ihre wirtschaftlichen Interessen und politischen Privilegien bedroht. Eine scharfe Eskalation wie in Nordamerika blieb jedoch einstweilen aus. Der hispano-amerikanische Unabhängigkeitskampf begann erst, nachdem Napoleons Invasion Spaniens 1808 das Ancien Régime in Madrid gestürzt und ein südatlantisches Machtvakuum geschaffen hatte. Zwischen 1810 und 1826 wurde mit wechselnden regionalen Brennpunkten auf dem ganzen Subkontinent gekämpft. Trotz eines gewaltigen Militäreinsatzes musste sich Spanien geschlagen geben. Aus dem riesigen spanischen Imperium wurde ein Mosaik von 16 souveränen Staaten: großen wie Mexiko, Venezuela oder Argentinien, kleinen wie Panama oder Honduras. Unter anderen Umständen löste sich Brasilien 1822 von Portugal und machte sich zu einem selbstständigen Kaiserreich. Nur die Inseln Kuba und Puerto Rico verblieben bis 1898 in spanischer Hand.Die Unabhängigkeit Lateinamerikas war die umfassendste Veränderung der politischen Landkarte in der gesamten Neuzeit. Fügt man hinzu, dass Napoleon 1803 die riesigen französischen Besitzungen in Nordamerika, die sich heute auf 15 Bundesstaaten verteilen, an die USA verkaufte, so zeigt sich, dass zwischen 1783 – als die späteren USA nach ihrem militärischen Sieg über Großbritannien de facto selbstständig wurden – und 1826 aus einem vom arktischen Norden bis in den tiefen Süden von Europa kolonisierten Kontinent eine Welt post-imperialer Nationalstaaten geworden war; nur Kanada blieb britisch. Die spanischsprachigen Republiken fanden aber nicht – wie die 13 britischen Kolonien – zu einer Union zusammen. Auch war es zunächst unter der Herrschaft von Militärführern und kleinen Oligarchien von Großgrundbesitzern mit ihrer inneren Stabilität und demokratischen Entwicklung nicht gut bestellt. Wirtschaftlich wurden sie von Großbritannien abhängig, gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend von den USA.Die Inselwelt der Karibik ging einen anderen Weg als das Festland. Dort behauptete sich der europäische Kolonialismus. Eine Ausnahme bildete die französische Kolonie Saint-Domingue, die westliche Hälfte der Insel Hispaniola. Saint-Domingue war die wirtschaftlich produktivste und profitabelste Kolonie des französischen Ancien Régime. Hunderttausende von Sklaven, die aus Afrika herbeigeschleppt worden waren, bauten dort für französische Pflanzer Zucker und Tabak an, „Kolonialwaren“ für europäische Kunden. Nachrichten vom Ausbruch der Französischen Revolution weckten Freiheitshoffnungen in allen Teilen der Bevölkerung. Die französischen Plantagenbesitzer hofften auf eine größere Autonomie vom Mutterland; eine ethnisch gemischte Mittelschicht von Mulatten und freigelassenen Sklaven wollte sich von der Vormundschaft der weißen Pflanzer befreien; die Sklaven, die die große Mehrheit der Bevölkerung ausmachten, erstrebten ein Ende von Sklaverei und Plantagensystem. Später wurde Saint-Domingue in die weltpolitische Auseinandersetzung zwischen Napoleon und der britischen Krone hineingezogen. Frankreich verfolgte einen Zickzack-Kurs: 1794 wurde die koloniale Sklaverei abgeschafft, 1802 führte Napoleon sie wieder ein. Vorübergehend schien sich die Möglichkeit eines autonomen Sonderstatus innerhalb des französischen Staatsverbandes abzuzeichnen. Sie wurde verspielt. Am Ende eines blutigen Tumults, der insgesamt von 1791 bis 1804 dauerte, stand die Gründung des neuen Staates Haiti – das erste Beispiel für einen erfolgreichen anti-kolonialen Befreiungskampf von Nicht-Weißen. Die Haitianische Revolution bildet eine wichtige Episode in der Geschichte revolutionärer Wechselwirkungen über den Atlantik hinweg in den Jahrzehnten um 1800. Während in Amerika europäische Kolonialreiche zerfielen und unabhängige Staaten entstanden, liefen in Asien die historischen Prozesse in andere Richtungen. Asien war vor 1800 auch nicht annähernd so ausgedehnt und intensiv kolonisiert worden wie Amerika einschließlich der Karibik. Das bevölkerungsreichste Land des Kontinents, China, war im 18. Jahrhundert selbst noch ein machtvolles Imperium, das sich nach Zentralasien ausdehnte und dabei erstmals Mongolen und Tibeter in die Grenzen des Reiches einschloss. Zur selben Zeit nahm China als Exporteur von Tee, Seide und Porzellan in großem Umfang am Welthandel teil. Auch viele andere Küstenregionen Asiens wurden in den interkontinentalen Warenverkehr einbezogen. In beschränktem Maß galt dies sogar für Japan, das sich bewusst von der Außenwelt isolierte. Nirgendwo in Asien gab es um 1850 auch nur Spuren einer Industrie modernen, also „englischen“ Typs. Dabei waren die Ökonomien der dicht besiedelten Kernländer keineswegs primitiv oder rückständig, sondern besaßen ein leistungsfähiges Handwerk, das oft zur Massenproduktion fähig war, sowie eine Landwirtschaft, der es immerhin gelang, vor der Erfindung des Kunstdüngers die Versorgung einer stetig wachsenden Bevölkerung auf kargem Niveau sicherzustellen. Alle diese Länder waren als mehr oder weniger absolute Monarchien auf agrarischer Grundlage organisiert.Während sich in Amerika die europäischen Kolonialreiche auflösten, gerieten in Asien die seit langem etablierten agrarischen Monarchien in eine tiefe Krise. In Indien war bereits im frühen 18. Jahrhundert das vordem riesige und mächtige Mogulreich in Teilstaaten zerfallen. Erst diese Zersplitterung hatte es den Briten erlaubt, in Bengalen Fuß zu fassen und von dort aus – dies war bis 1818 geschehen – große Teile des Subkontinents zu erobern. So weit kam es in anderen Teilen Asiens einstweilen noch nicht. Der im 17. Jahrhundert starke und kulturell blühende Iran wurde Opfer nicht europäischer, sondern afghanischer Invasionen. Dennoch war die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Wendezeit für Asien, denn das bis dahin bestehende ungefähre Gleichgewicht zwischen Asien und Europa verschwand.Europa, vor allem vertreten durch das wirtschaftlich dynamische Großbritannien, konfrontierte Asien mit militärischen und kulturellen Herausforderungen, auf die eine Antwort schwerfiel. Keine der agrarischen Monarchien erwies sich als reformfähig genug, um dem Westen Widerstand leisten zu können. Indien konnte erobert werden, weil sich die Briten die indische Zerstrittenheit zu Nutze machten und weil sie fähig waren, ihren quantitativ keineswegs überwältigenden Militärapparat besser zu organisieren als ihre indischen Gegner. Das Fußvolk der britischen Truppen in Indien bildeten Inder, sodass man sagen kann, die Briten hätten eine Methode gefunden, Indien sich selbst erobern zu lassen. Japan fiel es dank seiner Insellage relativ leicht, Ausländer von seinen Küsten fernzuhalten. Aber die Bedrohung nahm unverkennbar zu, und der streng hierarchisch geordneten japanischen Feudalordnung fehlte die Flexibilität, sich auf eine neue Zeit einzustellen. Als im Juli 1853 vier Schiffe der US-Marine in der Bucht von Tokio aufkreuzten, war die japanische Machtelite überrascht und ratlos. Da sie wenig Widerstand leistete, wurde Japan ohne einen Krieg für Kontakte mit der Außenwelt „geöffnet“. An dieser Öffnung, die bald positiv als eigener Anschluss an die „Zivilisation“ interpretiert wurde, beteiligten sich viele Japaner bereitwillig oder sogar mit Enthusiasmus.Ein Grund für dieses aktive Interesse am Westen, der in Japan von Anfang an doppelt als Europa und die USA auftrat, war das Schicksal Chinas, an dessen Ausbeutung auch Japan Interesse hatte. An der südchinesischen Küste hatte sich seit etwa 1820 ein Konflikt um Opium zusammengebraut. Das Rauschgift wurde in Britisch-Indien produziert und zunehmend statt des früher dafür verwendeten Silbers zur Bezahlung chinesischer Tee-Exporte benutzt. Die Weigerung der chinesischen Regierung, diese Praxis weiter zu dulden, wurde unter britischen Diplomaten und Handelsfirmen als willkommener Anlass gesehen, das bis dahin selbstbewusst verschlossene China zur Öffnung seiner Häfen für Ausländer zu zwingen. Dies geschah im britisch-chinesischen Opiumkrieg von 1840-42, dem 1856-60 ein zweiter Krieg folgte. Zwar wurde China vor 1895 noch nicht in nennenswertem Umfang kolonisiert, doch war erstmals in der Geschichte seine militärische Unterlegenheit gegenüber Europa offenbar geworden. Die Europäer nutzten diese Schwäche, um die Tür für ihre Geschäftsleute und Missionare zu öffnen.Im Nahen Osten war um 1800 – wie bereits seit vier Jahrhunderten – das Osmanische Reich, das vom Sultan in Istanbul regiert wurde, die beherrschende politische Kraft. Anders als Japan und erst recht als China hatte es seit Jahrhunderten im feindseligen Kontakt mit Europa gestanden. An ein langsames Zurückweichen vor Russland und Österreich auf dem Balkan hatte man sich einigermaßen gewöhnt, doch es war ein großer Schock, dass Bonaparte 1798 in einer militärischen Aktion die Provinz Ägypten unter seine Kontrolle brachte. Auch wenn die Franzosen den Nil bereits nach wenigen Jahren verließen und Ägypten nicht zu ihrer Kolonie machten, so zeigte dies doch die außerordentliche Verwundbarkeit des Reiches. Sie erwies sich erneut, als die Großmächte England und Russland in den 1820er-Jahren mit ihrer Seemacht eine schwache griechische Unabhängigkeitsbewegung unterstützten und den Sultan zwangen, 1830 der Errichtung eines griechischen Staates unter gesamteuropäischer Protektion zuzusehen. Im selben Jahr begann Frankreich mit der Unterwerfung Algeriens, das zumindest nominell dem Sultan untertan war. Die osmanische Elite reagierte auf diese Kette von Niederlagen mit einem ehrgeizigen Reformprogramm (Tanzimat, „Neuordnung“), das, 1839 beginnend, das Reich effektiver gestalten und näher an die westlichen Vorbilder England und Frankreich heranrücken sollte. Damit wurde das Osmanische Reich zur ersten der agrarischen Monarchien Asiens, die sich selbst ein Modernisierungsprogramm verordnete. Das oberste Ziel all dieser Programme war es, das eigene Land – wie es damals oft hieß – „reich und stark“ zu machen und auf diese Weise dem Schicksal der Kolonisierung zu entgehen, das man in Gestalt Indiens mahnend vor Augen sah. Im Falle des Osmanischen Reiches wurde dieses Minimalziel erreicht. Zu den erstaunlichsten und folgenreichsten Entwicklungen während des 19. Jahrhunderts gehörte der langsame Aufstieg der USA zum reichsten Land der Erde und schließlich zur politisch-militärischen Großmacht. Innerhalb des British Empire hatten die nordamerikanischen Kolonien keine herausgehobene Rolle gespielt. Wirtschaftlich war lange Zeit aus Londoner Sicht die Zucker produzierende Karibik (wie beispielsweise Jamaika, Barbados und andere Inseln) wichtiger gewesen. Nur wenige Beobachter in Europa sagten den neu gegründeten USA eine glanzvolle Zukunft voraus.Die Union startete indes sehr erfolgreich ins 19. Jahrhundert. Die republikanische Regierungsform, die noch niemals in einem der großen Flächenstaaten praktiziert worden war, erwies sich als stabil und handlungsfähig. Eine Gruppe herausragend talentierter Politiker – die Gründerväter um George Washington (1732-1799) und Thomas Jefferson – löste die Probleme, die sich stellten. Die ehemaligen Kolonien, nunmehr Bundesstaaten, wuchsen trotz großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturunterschiede zusammen. Bäuerliche Landwirtschaft, Schifffahrt und Fernhandel in den nördlichen Staaten, die Produktion von Baumwolle und anderen Agrarprodukten auf Sklavenplantagen im Süden bildeten die Grundlagen einer sich schnell entwickelnden Prosperität. Trotz der politischen Trennung von Europa, die 1823 durch die Monroe-Doktrin („Amerika den Amerikanern!“) bekräftigt wurde, integrierten sich die USA erfolgreich in den Welthandel.

Während sich in Amerika die europäischen Kolonialreiche auflösten, gerieten in Asien die seit langem etablierten agrarischen Monarchien in eine tiefe Krise. In Indien war bereits im frühen 18. Jahrhundert das vordem riesige und mächtige Mogulreich in Teilstaaten zerfallen. Erst diese Zersplitterung hatte es den Briten erlaubt, in Bengalen Fuß zu fassen und von dort aus – dies war bis 1818 geschehen – große Teile des Subkontinents zu erobern. So weit kam es in anderen Teilen Asiens einstweilen noch nicht. Der im 17. Jahrhundert starke und kulturell blühende Iran wurde Opfer nicht europäischer, sondern afghanischer Invasionen. Dennoch war die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Wendezeit für Asien, denn das bis dahin bestehende ungefähre Gleichgewicht zwischen Asien und Europa verschwand.Europa, vor allem vertreten durch das wirtschaftlich dynamische Großbritannien, konfrontierte Asien mit militärischen und kulturellen Herausforderungen, auf die eine Antwort schwerfiel. Keine der agrarischen Monarchien erwies sich als reformfähig genug, um dem Westen Widerstand leisten zu können. Indien konnte erobert werden, weil sich die Briten die indische Zerstrittenheit zu Nutze machten und weil sie fähig waren, ihren quantitativ keineswegs überwältigenden Militärapparat besser zu organisieren als ihre indischen Gegner. Das Fußvolk der britischen Truppen in Indien bildeten Inder, sodass man sagen kann, die Briten hätten eine Methode gefunden, Indien sich selbst erobern zu lassen. Japan fiel es dank seiner Insellage relativ leicht, Ausländer von seinen Küsten fernzuhalten. Aber die Bedrohung nahm unverkennbar zu, und der streng hierarchisch geordneten japanischen Feudalordnung fehlte die Flexibilität, sich auf eine neue Zeit einzustellen. Als im Juli 1853 vier Schiffe der US-Marine in der Bucht von Tokio aufkreuzten, war die japanische Machtelite überrascht und ratlos. Da sie wenig Widerstand leistete, wurde Japan ohne einen Krieg für Kontakte mit der Außenwelt „geöffnet“. An dieser Öffnung, die bald positiv als eigener Anschluss an die „Zivilisation“ interpretiert wurde, beteiligten sich viele Japaner bereitwillig oder sogar mit Enthusiasmus.Ein Grund für dieses aktive Interesse am Westen, der in Japan von Anfang an doppelt als Europa und die USA auftrat, war das Schicksal Chinas, an dessen Ausbeutung auch Japan Interesse hatte. An der südchinesischen Küste hatte sich seit etwa 1820 ein Konflikt um Opium zusammengebraut. Das Rauschgift wurde in Britisch-Indien produziert und zunehmend statt des früher dafür verwendeten Silbers zur Bezahlung chinesischer Tee-Exporte benutzt. Die Weigerung der chinesischen Regierung, diese Praxis weiter zu dulden, wurde unter britischen Diplomaten und Handelsfirmen als willkommener Anlass gesehen, das bis dahin selbstbewusst verschlossene China zur Öffnung seiner Häfen für Ausländer zu zwingen. Dies geschah im britisch-chinesischen Opiumkrieg von 1840-42, dem 1856-60 ein zweiter Krieg folgte. Zwar wurde China vor 1895 noch nicht in nennenswertem Umfang kolonisiert, doch war erstmals in der Geschichte seine militärische Unterlegenheit gegenüber Europa offenbar geworden. Die Europäer nutzten diese Schwäche, um die Tür für ihre Geschäftsleute und Missionare zu öffnen.Im Nahen Osten war um 1800 – wie bereits seit vier Jahrhunderten – das Osmanische Reich, das vom Sultan in Istanbul regiert wurde, die beherrschende politische Kraft. Anders als Japan und erst recht als China hatte es seit Jahrhunderten im feindseligen Kontakt mit Europa gestanden. An ein langsames Zurückweichen vor Russland und Österreich auf dem Balkan hatte man sich einigermaßen gewöhnt, doch es war ein großer Schock, dass Bonaparte 1798 in einer militärischen Aktion die Provinz Ägypten unter seine Kontrolle brachte. Auch wenn die Franzosen den Nil bereits nach wenigen Jahren verließen und Ägypten nicht zu ihrer Kolonie machten, so zeigte dies doch die außerordentliche Verwundbarkeit des Reiches. Sie erwies sich erneut, als die Großmächte England und Russland in den 1820er-Jahren mit ihrer Seemacht eine schwache griechische Unabhängigkeitsbewegung unterstützten und den Sultan zwangen, 1830 der Errichtung eines griechischen Staates unter gesamteuropäischer Protektion zuzusehen. Im selben Jahr begann Frankreich mit der Unterwerfung Algeriens, das zumindest nominell dem Sultan untertan war. Die osmanische Elite reagierte auf diese Kette von Niederlagen mit einem ehrgeizigen Reformprogramm (Tanzimat, „Neuordnung“), das, 1839 beginnend, das Reich effektiver gestalten und näher an die westlichen Vorbilder England und Frankreich heranrücken sollte. Damit wurde das Osmanische Reich zur ersten der agrarischen Monarchien Asiens, die sich selbst ein Modernisierungsprogramm verordnete. Das oberste Ziel all dieser Programme war es, das eigene Land – wie es damals oft hieß – „reich und stark“ zu machen und auf diese Weise dem Schicksal der Kolonisierung zu entgehen, das man in Gestalt Indiens mahnend vor Augen sah. Im Falle des Osmanischen Reiches wurde dieses Minimalziel erreicht. Zu den erstaunlichsten und folgenreichsten Entwicklungen während des 19. Jahrhunderts gehörte der langsame Aufstieg der USA zum reichsten Land der Erde und schließlich zur politisch-militärischen Großmacht. Innerhalb des British Empire hatten die nordamerikanischen Kolonien keine herausgehobene Rolle gespielt. Wirtschaftlich war lange Zeit aus Londoner Sicht die Zucker produzierende Karibik (wie beispielsweise Jamaika, Barbados und andere Inseln) wichtiger gewesen. Nur wenige Beobachter in Europa sagten den neu gegründeten USA eine glanzvolle Zukunft voraus.Die Union startete indes sehr erfolgreich ins 19. Jahrhundert. Die republikanische Regierungsform, die noch niemals in einem der großen Flächenstaaten praktiziert worden war, erwies sich als stabil und handlungsfähig. Eine Gruppe herausragend talentierter Politiker – die Gründerväter um George Washington (1732-1799) und Thomas Jefferson – löste die Probleme, die sich stellten. Die ehemaligen Kolonien, nunmehr Bundesstaaten, wuchsen trotz großer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturunterschiede zusammen. Bäuerliche Landwirtschaft, Schifffahrt und Fernhandel in den nördlichen Staaten, die Produktion von Baumwolle und anderen Agrarprodukten auf Sklavenplantagen im Süden bildeten die Grundlagen einer sich schnell entwickelnden Prosperität. Trotz der politischen Trennung von Europa, die 1823 durch die Monroe-Doktrin („Amerika den Amerikanern!“) bekräftigt wurde, integrierten sich die USA erfolgreich in den Welthandel.Sie gehörten zur zweiten Generation der Industrialisierer, die unmittelbar auf den Pionier Großbritannien folgte. Bereits in den 1820er-Jahren entstand in den Neuenglandstaaten eine fabrikmäßige Textilproduktion. Ende der 1840er-Jahre erlebte die US-Wirtschaft dann einen spektakulären take-off zur Industrialisierung, etwa gleichzeitig mit Frankreich und noch vor Deutschland. Ebenso wie Europa waren auch die USA damals noch von der Landwirtschaft geprägt, doch wies die Tendenz zumindest im atlantischen Nordosten in Richtung auf eine Gesellschaft, die durch Industrie zu Wohlstand kam. Die USA verfügten über einzigartig günstige Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung. Sie besaßen, anders als Länder wie China, Japan oder Indien, fruchtbares Land in unbegrenzter Fülle, dazu alle nötigen Rohstoffe und den für die Industrialisierung unerlässlichen Energieträger Kohle. Arbeitskräfte strömten aus Europa herbei, viele von ihnen qualifizierte junge Leute. Keine alten feudalen Strukturen behinderten die Dynamik einer Gesellschaft neuen Typs; es gab keine parasitäre Autokratie wie in einigen Teilen Europas. Die republikanischen Institutionen wirkten als Rahmen, der eine „Marktrevolution“ zur Entfaltung kommen ließ. Wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Aufstieg des Einzelnen waren in den USA viel weniger von seinem Familienhintergrund abhängig als in der Alten Welt.Zum Zeitpunkt der Gründung der USA 1789 wusste man an der Atlantikküste so gut wie nichts über das Innere und den Westen des eigenen Kontinents. Erst Forschungsexpeditionen, die in die „Wildnis“ entsandt wurden, brachten Nachrichten von riesigen Wäldern, Grasländern, Gebirgen und Flüssen und von den „Indianern“, den Bewohnern des Westens. Auf die Entdeckungsreisenden folgten Pioniere und agrarische Siedler in stetig zunehmender Zahl. Die Erschließung des Westens dauerte bis zum Ende des Jahrhunderts und wurde zu einem der großen Themen des US-amerikanischen Selbstverständnisses. Dieses Voranschieben einer Siedlungsgrenze, der frontier, war mit brutalem Vorgehen gegenüber der indianischen Bevölkerung verbunden. Viele Indianer wehrten sich; als geschickte Reiterkrieger leisteten sie Widerstand, der aber die Siedlerwelle nicht aufhalten konnte. Die Indianer verloren ihr Land und ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage, sie wurden deportiert und schließlich zwangsweise in Reservaten untergebracht. Die Erschließung des Westens führte nicht nur zur Ausdehnung der landwirtschaftlichen Flächen, die für Weizenanbau und Rinderzucht genutzt wurden, sondern auch zur Anlage zahlreicher Städte, allen voran Chicago, das nach 1833 innerhalb kurzer Zeit von einer kleinen Siedlung zur zweitgrößten Metropole der Union aufstieg. Die USA wurden zu demjenigen Teil der Welt, in dem die Industrialisierung am schnellsten voranschritt.Kalifornien wurde anfangs nicht durch die Ost-West-Bewegung der agrarischen Frontier besiedelt, sondern von Abenteurern, die nach der Entdeckung von Gold im Jahre 1848 in diese Region strömten. Durch einen Angriffskrieg gegen Mexiko hatten die USA zu Beginn desselben Jahres den mittelamerikanischen Nachbarstaat zur Abtretung des größten Teils Kaliforniens gezwungen. Das Staatsgebiet der USA wurde seit der Unionsgründung kontinuierlich erweitert. Immer neue Gebiete kamen hinzu: durch Besiedlung, militärische Eroberung und Annexion oder durch Kauf (wie 1803 „Louisiana“ oder 1867 Alaska, das von Russland erworben wurde). Die Einbeziehung der neuen Territorien in den Zusammenhang der Föderation gehört zu den erstaunlichsten Leistungen politischer Organisation in der Weltgeschichte des 19. Jahrhunderts. So wurde verhindert (was durchaus denkbar gewesen wäre), dass sich auf nordamerikanischem Boden, ähnlich wie in Süd- und Mittelamerika, mehrere unabhängige Staaten bildeten.Die territoriale Expansion schuf aber mindestens ein zentrales Problem: die Ausdehnung der Sklaverei in die neu angeschlossenen Gebiete. Die Einfuhr neuer Sklaven in die USA war 1808 durch Bundesgesetze verboten worden. Die Sklaverei jedoch blieb weiterhin erlaubt. Sie wurde mehr denn je zur wirtschaftlichen Grundlage einer boomenden Plantagenproduktion, vor allem von Baumwolle, in den Südstaaten und zur zentralen gesellschaftlichen Institution in diesen Teilen der USA. Da sich die Sklavenbevölkerung in den USA, anders als in der Karibik, ohne neuen Zustrom selbst vermehrte, herrschte an schwarzen Arbeitskräften kein Mangel. Im Norden, das heißt nördlich von Virginia und Kentucky, war die Sklaverei nach 1780 durch einzelstaatliche Gesetzgebung schrittweise abgeschafft worden. Den neu an die Union angeschlossen Staaten wurde es nicht länger anheimgestellt, sich selbst für oder gegen die Sklaverei zu entscheiden („Missouri-Kompromiss“ von 1820). Da jeder neue Staat die Machtbalance zwischen freien Staaten und Sklavenstaaten in der nationalen Politik, etwa in der Zusammensetzung des Senats, veränderte, wurde die Förderung oder Einschränkung der Sklaverei zu einem permanenten Streitpunkt in der amerikanischen Innenpolitik. Jeder Schritt zur Erweiterung der Union schuf neue Ungleichgewichte und Risiken. Trotz Ausdehnung, schnell wachsender Bevölkerungszahl und wirtschaftlichem Aufschwung waren die USA das ganze 19. Jahrhundert hindurch noch nicht die Weltmacht, die sie durch ihren Eintritt in den Ersten Weltkrieg 1917 werden sollten. Sie führten einen Angriffskrieg gegen Mexiko, erweiterten stetig ihren Einfluss in Mittel- und Südamerika und im pazifischen Raum und gingen bei der Öffnung Japans voran. Aber sie betrieben keine Weltpolitik. Die einzige wirkliche Weltmacht im 19. Jahrhundert war Großbritannien. Wie schon in den Jahrhunderten zuvor unterhielt es keine stehenden Heere. Seine Möglichkeiten zur Landkriegführung waren begrenzt; um 1830 war sogar die österreichische Armee doppelt so groß wie die britische.Vor dem Zeitalter von Luftkrieg und militärischer Raketentechnologie war eine weltweit aktionsfähige Kriegsmarine das wirksamste Instrument globaler Politik. Bereits seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 war die britische Flotte sämtlichen Gegnern überlegen. Die Vernichtung von Napoleons Seemacht bekräftigte nach 1805 die maritime Vorrangstellung des Vereinigten Königreichs. Die Royal Navy diente der Verteidigung der Heimatgewässer, mehr noch aber dem Zweck, die Verbindungslinien innerhalb des British Empire offen zu halten. Das britische Weltreich unterschied sich von allen anderen zeitgenössischen Reichen dadurch, dass es (beim Stand von etwa 1850) neben Flächenkolonien wie Kanada, Australien, Neuseeland, Indien oder Südafrika ein weltweites System von Hafenstützpunkten unterhielt, die unter anderem der Proviantierung der Schiffe dienten. Auf diese Weise kontrollierte es einen großen Teil der für die Schifffahrt bedeutsamen Meerengen (zum Beispiel das Kap der Guten Hoffnung, die Straße von Gibraltar oder die Straße von Malakka, an der die Hafenkolonie Singapur lag). Dabei verfolgte Großbritannien keineswegs die Politik, Verkehr und Handel auf den Ozeanen für sich zu monopolisieren.Nachdem das britische Parlament mit Wirkung ab 1808 den Sklavenhandel verboten hatte, wurden das Aufbringen von Sklavenschiffen und die Befreiung der Sklaven zu einer weiteren, quasi-polizeilichen Daueraufgabe der Navy. Schließlich war die Flotte auch zu Kriegseinsätzen fähig. Nach der Einführung dampfgetriebener Kanonenboote, wie sie erstmals im Opiumkrieg gegen China eingesetzt wurden, besaß sie die Kapazität, im außereuropäischen Raum zur Durchsetzung imperialer Interessen lokal zu intervenieren und Druck auszuüben. Dampfschiffe hatten dabei den Vorteil, dass sie flussaufwärts fahren und Städte im Landesinneren bedrohen konnten.Der Begriff des britisch durchgesetzten Friedens, der Pax Britannica, umfasst noch mehr. Zum einen bezieht er sich auf die Tatsache, dass die Briten nach der Eroberungsphase in vielen ihrer Kolonien für einen inneren Landfrieden sorgten. In Indien zum Beispiel hörten die großen Kriege des 18. Jahrhunderts nach der Errichtung der britischen Vorherrschaft 1818 auf. Zum anderen bedeutete Pax Britannica, dass die britische Seeherrschaft durch die leistungsfähigste Ökonomie der Welt untermauert war. Die britische Wirtschaft war dabei in hohem Maße auf ihre weltwirtschaftliche Einbindung angewiesen. Ihre wichtigsten Rohstoffe, vor allem Baumwolle, bezog sie aus Übersee; ihre einträglichsten Absatzmärkte lagen außerhalb der heimatlichen Inseln. Auch die britische Handelsflotte war führend in der Welt. Mehr durch Abschreckung als durch tatsächlichen Einsatz sorgte die Royal Navy dafür, dass Großbritannien seine wirtschaftliche Überlegenheit als Industrieproduzent, Finanzzentrum und Betreiber eines globalen Handelsnetzwerks optimal nutzen konnte. Der Wiener Ordnung auf dem europäischen Kontinent entsprach keine per Konferenz und Verträge abgesicherte internationale Ordnung. Die Pax Britannica, gegen die vor den 1880er-Jahren keine der anderen Großmächte ernsthaften Protest anmeldete, fungierte als eine Art von Ersatz für eine solche Ordnung.

Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre nahm die Zahl ausländischer Arbeitskräfte deutlich zu, 1973 erreichte die "Gastarbeiterwanderung" ihren ersten Höhepunkt.Das änderte sich de facto erst mit der systematischen Aufnahme von sogenannten "Gastarbeitern"[1 ]. Österreich war in der unmittelbaren Nachkriegszeit eher ein Auswanderungsland mit einem ausreichenden Arbeitskräfteangebot und einer mäßig wachsenden Wirtschaft. Erst Anfang der 1960er Jahre verzeichnete Österreich ein im Vergleich zu Deutschland verspätetes Wirtschaftswachstum mit einer steigenden Nachfrage nach Arbeitskräften. Gleichzeitig setzte mit der Beseitigung der Nachkriegsnot und der Erlangung eines gewissen Wohlstandes ein Baby-Boom ein, der vermehrt Frauen veranlasste, aus der Erwerbstätigkeit auszuscheiden. Österreich reagierte darauf mit der systematischen Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland ("Gastarbeitern") und schloss eine Reihe von Anwerbeabkommen ab. Ein erstes Anwerbeabkommen wurde 1962 mit Spanien vereinbart, ein zweites 1964 mit der Türkei, ein drittes 1966 mit Jugoslawien. Das Abkommen mit Spanien blieb in der Praxis bedeutungslos, jene mit dem ehemaligen Jugoslawien und mit der Türkei entwickelten sich jedoch zu einem wesentlichen Instrument der Arbeitskräfterekrutierung. Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre nahm die Zahl ausländischer Arbeitskräfte deutlich zu, 1973 erreichte die "Gastarbeiterwanderung" ihren ersten Höhepunkt. Nach den Konjunktureinbrüchen der Siebzigerjahre wurden zwar viele ausländische Arbeitskräfte in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt, die Beschäftigung von Ausländern blieb jedoch fester Bestandteil des österreichischen Arbeitsmarktes. Phasen ökonomischer Stagnation nach 1973 und das Nachrücken der ersten Baby-Boom-Jahrgänge auf den Arbeitsmarkt führten ab Mitte der Siebzigerjahre zu einem deutlichen Abbau der "Gastarbeiter"-Kontingente. Die zeitlich befristeten Aufenthalts- und Beschäftigungsgenehmigungen (Rotationsprinzip) wurden nicht mehr verlängert. Bis 1984 nahm die Zahl der registrierten ausländischen Arbeitskräfte um fast 40 Prozent ab, gleichzeitig setzte jedoch der Familiennachzug in großer Zahl ein. Das Ende der "Gastarbeiteranwerbung" war zugleich ein Signal an die schon Anwesenden, sich zu entscheiden: Rückkehr oder längerfristiger Aufenthalt in Österreich. Wer sich zum Aufenthalt entschlossen hatte, der holte auch die Familie nach. Das Leben in zwei Gesellschaften, in den 1960er Jahren gelebte Realität, nahm an Bedeutung ab, vielfältige Bezüge zu den Herkunftsländern blieben aber erhalten. Nach Jahren vergleichsweise geringer Zuwanderung setzte Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre abermals eine Zuwanderung in größerer Zahl ein. Mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs und dem Beginn der Kriege auf dem Balkan war ein verstärkter Zustrom von Asylwerbern und Kriegsflüchtlingen nach Österreich zu beobachten. Gleichzeitig stieg aufgrund der guten Konjunkturentwicklung in Österreich abermals die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer. Das quantitative Ausmaß der Zuwanderung Anfang der 1990er Jahre war außergewöhnlich – sie war von jährlich unter 20.000 Zuwanderern Mitte der 1980er Jahre auf um die 80.000 Zuwanderer in den Jahren 1990 bis 1992 gestiegen . Beendet wurde dieses Zuwanderungshoch durch verschärfte Einreise- und Zuzugsbestimmungen für ausländische Arbeitskräfte und Asylwerber. Die restriktivere Fassung einschlägiger Gesetze vermochte die Zuwanderung nach Österreich zwar nicht vollständig zu stoppen, aber dennoch deutlich zu senken. Die Reduktion der Zuwanderung aus Drittstaaten ab Mitte der 1990er Jahre wurde aber von einem Anstieg der Zuwanderung aus der Europäischen Union, der Österreich 1995 beigetreten war, teilweise kompensiert.

Österreichs Migrationspolitik war über viele Jahrzehnte von der Idee der "Gastarbeit" getragen: Menschen kommen, wenn sie gebraucht werden und verlassen das Land wieder, wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften nachlässt. Sie verursachen keine Integrationskosten, denn sie kommen alleine und leben dort, wo sie gebraucht werden, nämlich in den Mitarbeiterunterkünften am Arbeitsort. Sie erwirtschaften für sich die Arbeitserträge und senden diese in das Heimatland zurück, um damit die Familie zu versorgen oder selbst ein kleines Unternehmen zu gründen. In dieser Vorstellung erschien die "Gastarbeiterwanderung" als eine Triple-Win-Situation, die sowohl der Bevölkerung in den Herkunftsgebieten, als auch der Wirtschaft in den Zielgebieten und den "Gastarbeitern" selbst nützte. Dass im Laufe der Zeit aus den Zeitwanderern Zuwanderer wurden, lag an den Unternehmen, die nicht immer neue Arbeitskräfte einarbeiten wollten, aber auch an den Menschen selbst, die nach einer Zeit des Hin und Her Stabilität anstrebten. Als Reaktion auf die steigende Zuwanderung von Arbeitskräften, Flüchtlingen und Familienangehörigen novellierte die österreichische Regierung 1988 und 1990 das 1976 in Kraft getretene Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), welches den Zugang ausländischer Arbeitskräfte zum österreichischen Arbeitsmarkt regelt. Mit den Reformen wurde eine absolute Obergrenze für die Beschäftigung von Ausländern in Österreich eingeführt ("Ausländerquote"), die der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz per Verordnung festlegt. Nach dem EU-Beitritt Österreichs fielen EU-Bürger nicht mehr unter diese Zuwanderungsquote, da die Beschäftigung von EU-Ausländern europarechtlich nicht durch Höchstzahlen limitiert werden darf. Für Ausländer aus Drittstaaten ist die Quotenregelung aber weiterhin relevant.1992 trat auch ein neues Asylgesetz in Kraft, welches in weiterer Folge oftmals novelliert und verschärft wurde. Wesentlich war damals die Schaffung einer eigenen Asylbehörde (Bundesasylamt, heute Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), die in erster Instanz über Asylanträge rascher entscheiden kann als es vorher üblich war. Erstmals aufgenommen wurden auch Bestimmungen, wonach Asyl nicht zu gewähren ist, wenn der Asylwerber bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war oder aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt. Schließlich trat 1993 ein eigenes Gesetz in Kraft, welches, unabhängig von Asyl und dem Arbeitsmarktzugang von Ausländern, die Zuwanderung aus Drittstaaten regelte (Aufenthaltsgesetz; heute Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz). Obwohl eine einschlägige Bezeichnung mit Rücksicht auf die vorherrschende öffentliche Meinung vermieden wurde, handelte es sich beim Aufenthaltsgesetz von 1993 de facto um eines der ersten Einwanderungsgesetze in Europa. Ziel dieses Gesetzes war es, die zunehmende, wirtschaftlich bedingte Ost-West-, aber auch Süd-Nord-Wanderung zu steuern und quantitative und qualitative Kriterien für den Aufenthalt von Ausländern festzulegen. Der Zuzug sollte durch Quoten, die sich an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientieren, begrenzt werden; bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen wurden Personen mit besonderen und nachgefragten Qualifikationen bevorzugt. Die Reformen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und des Asylgesetzes sowie die Neuformulierung eines Aufenthaltsgesetzes signalisieren einen klaren migrationspolitischen Paradigmenwechsel: Die Zuwanderung von Arbeitskräften obliegt nicht mehr nur den Interessen der Sozialpartner (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände), sondern geht als eine gesellschaftspolitisch relevante Frage zunehmend in die Kompetenz des Gesetzgebers und der Bundesregierung über. Zudem wird in Form von Zuwanderungsquoten politisch eine Obergrenze für Österreichs Aufnahmekapazität formuliert. Und schließlich machen die Reformen von Anfang der 1990er Jahre deutlich, dass Österreich neue Prioritäten setzt. Nicht mehr die Zuwanderung von niedrigqualifizierten "Gastarbeitern" steht im Vordergrund, sondern eine bevorzugte Behandlung von zuwanderungsbereiten und besonders qualifizierten Arbeitskräften. Letzteres wird mit der 2011 implementierten besonders deutlich. Sie ist zu einem Symbol der "erwünschten" Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaten geworden, indem sie einen besonderen Fokus auf Hochqualifizierte, die auch ohne Arbeitsvertrag einreisen dürfen, auf Berufstätige in Mangelberufen und auf Studienabsolventen einer österreichischen Hochschule, die aus Drittstaaten zugewandert sind und sich in Österreich niederlassen wollen, legt. In der Summe macht diese "erwünschte" und politisch steuerbare Zuwanderung aber nur einen kleinen Teil des realen Wanderungsgeschehens aus. Ein Großteil der Zuwanderung erfolgt aus anderen EU-Staaten und ist damit nicht direkt steuerbar. Unionsbürger, die als Arbeitskräfte, Studierende oder Familienmitglieder bereits Zugewanderter nach Österreich kommen und sich dort niederlassen wollen, dürfen das ungehindert tun, solange sie keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen, ohne vorher in Österreich gearbeitet zu haben. Hinzu kommen Flüchtlinge und Asylbewerber aus Drittstaaten, deren Zahl und Herkunft ebenfalls nicht unmittelbar steuerbar sind, solange es sich nicht um Flüchtlinge handelt, die im Rahmen eines Progranns nach Österreich kommen. Und schließlich kommen Familienangehörige von inzwischen eingebürgerten, ehemaligen Drittstaatsangehörigen, die aufgrund EU-Vorgaben ebenfalls weitgehend ungehindert zuwandern dürfen. Der autonome Handlungsspielraum einer nationalen Migrationspolitik ist kleiner geworden. Der für EU-Bürger und langanwesende Drittstaatsangehörige offene europäische Wanderungsraum sowie die rechtlichen Regelungen für das (GEAS) sind die entscheidenden migrationspolitischen Weichenstellungen. Auch wenn es dem Wahlvolk oft anderes verkauft wird, hat doch die nationale Politik – auch im Rahmen globaler Entwicklungen des Migrationsgeschehens – nur geringe Möglichkeiten, auf die Zuwanderung und die Entwicklung der Asylbewerberzahl Einfluss zu nehmen. Was jedoch in der Hand des Nationalstaats liegt, sind integrationspolitische Maßnahmen. Die Art und Weise wie Zugewanderte integriert werden, gehört nicht zu den Kompetenzen der EU . In diesem Bereich ist Österreich in den vergangenen Jahren ausgesprochen aktiv geworden. Die Vermittlung von Deutschkenntnissen, die Verbesserung der Schulleistungen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und die berufliche Nachqualifizierung zur Steigerung der Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt sind zentrale Maßnahmen der Integrationspolitik.

Fußnoten

  1.  ↑ Kleindel, W. (Hrsg.): Die Chronik Österreichs. 4., ergänzte und aktualisierte Auflage. Wien 1999, S. 67
  2.  ↑ Brauneder, W./Höbelt, L. (Hrsg.): Sacrum Imperium. Das Reich und Österreich 996-1806, Wien 1996, S. 39
  3.  ↑ Kleindel, W. (Hrsg.): Die Chronik Österreichs. 4., ergänzte und aktualisierte Auflage. Wien 1999, S. 120f
  4.  ↑ Brauneder, W./Höbelt, L. (Hrsg.): Sacrum Imperium. Das Reich und Österreich 996-1806, Wien 1996, S. 136
  5.  ↑ Bamberger, R. u.a.(Hrsg.): Österreich-Lexikon. Verlagsgemeinschaft Österreich-Lexikon, Wien 2004, S. 238
  6.  ↑ Bruckmüller, E.: Sozialgeschichte Österreichs. 2. Auflage, Wien 2001, S. 100
  7.  ↑ Scheuch, M.:: Österreich im 20. Jahrhundert (Von der Monarchie zur Zweiten Republik), Wien 2000, S. 26
  8.  ↑ Brauneder, W./Höbelt, L. (Hrsg.): Sacrum Imperium. Das Reich und Österreich 996-1806, Wien 1996, S. 149
  9.  ↑ Karner, S./Mikoletzky, L. (Hrsg.): Österreich. 90 Jahre Republik. Beitragsband der Ausstellung im Parlament. Innsbruck 2008, S. 15
  10.  ↑ Bamberger, R. u.a.(Hrsg.): Österreich-Lexikon. Verlagsgemeinschaft Österreich-Lexikon, Wien 2004, S. 332
  11.  ↑ Berger, P.: Kurze Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert. 2. Auflage, Wien 2008, S. 27
  12.  ↑ Scheuch, M.:: Österreich im 20. Jahrhundert (Von der Monarchie zur Zweiten Republik), Wien 2000, S. 24
  13.  ↑ Konrad, H./Maderthaner, W. (Hrsg.): Das Werden der Ersten Republik. … der Rest ist Österreich. Wien 2008, S. 27
  14.  ↑ Bruckmüller, E.: Sozialgeschichte Österreichs. 2. Auflage, Wien 2001, S. 156
  15.  ↑ Berger, P.: Kurze Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert. 2. Auflage, Wien 2008, S. 29
  16.  ↑ Karner, S./Mikoletzky, L. (Hrsg.): Österreich. 90 Jahre Republik. Beitragsband der Ausstellung im Parlament. Innsbruck 2008, S. 21
  17.  ↑ Berger, P.: Kurze Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert. 2. Auflage, Wien 2008, S. 30
  18.  ↑ Bamberger, R. u.a.(Hrsg.): Österreich-Lexikon. Verlagsgemeinschaft Österreich-Lexikon, Wien 2004, S. 178
  19.  ↑ Eigl, E./Hubmann, F./Barndstätter, C.: Schönbrunn. Ein Schloß und seine Welt, Wien 1982, S. 25f
  20.  ↑ Raschauer, O.: Schönbrunn. Der Schlossbau Kaiser Josephs I., Wien 1960, S. 65
  21.  ↑ Eigl, E./Hubmann, F./Barndstätter, C.: Schönbrunn. Ein Schloß und seine Welt, Wien 1982, S. 27
  22.  ↑ Raschauer, O.: Schönbrunn. Der Schlossbau Kaiser Josephs I., Wien 1960, S. 76
  23.  ↑ Kugler, G.: Schloß Schönbrunn. Die Prunkräume, Wien 1998, S. 20
  24.  ↑ Eigl, E./Hubmann, F./Barndstätter, C.: Schönbrunn. Ein Schloß und seine Welt, Wien 1982, S. 34
  25.  ↑ Glaser, J./ Glaser, H.: Führer durch Schönbrunn, Wien 1964, S. 57
  26.  ↑ Kugler, G.: Schloß Schönbrunn. Die Prunkräume, Wien 1998, S. 25
  27.  ↑ Glaser, J: Führer durch Schönbrunn, Wien 1968, S. 19
  28.  ↑ Eigl, E./Hubmann, F./Barndstätter, C.: Schönbrunn. Ein Schloß und seine Welt, Wien 1982, S. 34
  29.  ↑ Glaser, J./ Glaser, H.: Führer durch Schönbrunn, Wien 1964, S. 57
  30.  ↑ Kugler, G.: Schloß Schönbrunn. Die Prunkräume, Wien 1998, S. 25
  31.  ↑ Glaser, J: Führer durch Schönbrunn, Wien 1968, S. 19
  32.  ↑ Seemann, H./ Lunzer, C.: Schönbrunn 1860-1920, Wien 2006, S. 31
  33.  ↑ Raschauer, O.: Schönbrunn. Der Schlossbau Kaiser Josephs I., Wien 1960, S. 27
  34.  ↑ Glaser, J./ Glaser, H.: Führer durch Schönbrunn, Wien 1964, S. 69
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  124.  ↑ Friedl, I./Gletterhofer, M.: Schönbrunn für Kinder. Das Schloss und seine berühmten Bewohner, Wien 2011, S. 38
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  126.  ↑ Eigl, E./Hubmann, F./Barndstätter, C.: Schönbrunn. Ein Schloß und seine Welt, Wien 1982, S. 104
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