e-Portfolio von Michael Lausberg
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Historienmalerei

In der Historienmalerei werden historische, religiöse, sagenhafte oder literarische Stoffe auf einen ahistorischen Moment verdichtet dargestellt. Als wichtiges Kennzeichen der Historienmalerei gilt, dass die dargestellten Hauptpersonen benennbar sind. Oft steht im Mittelpunkt ein Held, eine als autonom handelnd dargestellte Einzelpersönlichkeit. Historienbilder dienen seiner absichtsvollen Verklärung, seiner Überhöhung und der Ausgestaltung eines Geschichtsmythos, nicht einer realistischen Darstellung eines vergangenen Geschehens. Sie wurden oft von Herrschenden in Auftrag gegeben, erworben oder ausgestellt.

Ein Grund für die Entstehung dieser Kunstdisziplin war das sich wandelnde Geschichtsbewusstsein sowie ein damit verbundenes Bedürfnis, Vergangenheit mit bestimmten Intentionen bildlich darzustellen. Künstler malten in großem Format und manchmal in Kohärenz mit dem Ausstellungsort Geschichtsmotive, die sie in Bildern deuteten und fingierten.

Gemein bleibt der Historienmalerei in allen kunstgeschichtlichen Epochen die Abgrenzung zum Ereignisbild, das oftmals alltägliche Geschehen wie die Feldarbeit oder das Stadtleben darstellte. Das Historienbild hingegen kann und will durch zeitlose und übertragbare Symbolik von dem geschichtlich besonderen Moment erzählen. Oft stellt sich die Frage, ob es sich bei einem Historienbild um Kunst oder um Geschichte handelt. Beide Disziplinen können hierauf eine Antwort geben, die je nach fachwissenschaftlicher Perspektive verstanden werden muss.

Für den Historiker ist das Historienbild insofern auch Historie oder Geschichte, wenn man den dargestellten historischen Moment von der Entstehungsgeschichte und den Umständen, in denen sich der Maler befand, abstrahiert. Ansichten und Intentionen sowie für eine Zeit typische Gestaltungsmittel geben dem Historienbild erst einen eigentlichen geschichtlichen Gehalt. Der Inhalt, der oftmals geschickt inszeniert, manipuliert oder um einen Wahrheitsgehalt beschnitten ist, ist lediglich die Deutung eines Ereignisses bzw. die Deutung von Vergangenheit durch den Künstler. Ausgehend von diesem Standpunkt kann man sich nun dem Bild unter der Perspektive der Kunst nähern. Inhalt und Ausdruck von Historienbildern sind durch ästhetische Gestaltungsprinzipien der Kunst bestimmt, so dass die bildliche Inszenierung von Geschichte als Kunst(-werk) zu betrachten ist.

Auch die künstlerische Inszenierung und Gestaltung des Malers erfolgt in der Regel nicht in eigener Regie, da Absichten wie die Adoration der Herrschenden, die zur politischen Selbstdarstellung einer Person oder eines Staates sowie dessen Legitimierung von den dargestellten Parteien oft selbst in Auftrag gegeben wurden. So schließen sich künstlerische Eigenarbeit und politisches Zweckinteresse aus. Dem zeitgenössischen Betrachter war diese Dimension jedoch nicht unbedingt klar, denn die oftmals verklärende Darstellung wirkte auf den Rezipienten real. Also erfolgte in den wenigsten Fällen eine Trennung von Fiktion und Realität, was an dem Bildungsstand aber auch dem Grad der Mündigkeit großer Teile der Gesellschaft lag.

Des Weiteren ist die Greifbarkeit des Mediums Bild von Vorteil gewesen, da in diesem scheinbar objektiv etwas abgebildet wurde. In diesem Sinne deutete also der Künstler in der Gegenwart, der Entstehungszeit des Bildes, unter der Einnahme einer bestimmten Perspektive die Vergangenheit und aktualisierte sie somit für das Publikum. Den Betrachtern und Betrachterinnen sollte eine durch das Bild initiierte Symbiose zwischen Vergangenheit und Zukunft aufgezeigt werden, womit eine Historisierung des dargestellten Stoffes im Gedächtnis angestrebt wurde. Gerade für naive und ungebildete Rezipienten war dieses visuelle Angebot verlockend.

Im 15. Jahrhundert entwickelte sich neben den Disziplinen Genre, Portrait, Landschaft und Stillleben auch die der Historienmalerei; nicht zuletzt durch die zunehmende Beschäftigung mit der eigenen Identität und der Vergangenheit der Gesellschaft bildete sich diese Gattung durch ein in diesem Maße zuvor nicht vorhandenes Geschichts- und Vergangenheitsbewusstsein heran.

Es galt als Konsens, dass ein Mensch schwieriger darzustellen sei als eine Landschaft und aus diesem Grund entwickelte sich sukzessive eine Hierarchisierung unter den Malern. Diese genossen für die Erstellung von Historien oder Portraits höheres Ansehen und auch eine bessere Bezahlung. Bildinhalte sowie Motive der ersten Historienbilder lehnten sich an Elemente und Figuren aus der antiken Welt an und adaptierten somit die Figuren oder Themen der Mythologie. Neben dieser gestalterischen Funktion wiesen die Bilder durchweg geschichtliche oder religiöse Inhalte auf, nicht selten vereinten sie auch beides zusammen im Bild.

Als Zentrum der ersten Phase der Historienmalerei ist Italien zu lokalisieren, wo sich Leon Battista Alberti schon früh mit der Kunsttheorie dieser Bildgattung beschäftigte. Für ihn sollte der Historienmaler einen besonderen Status unter den anderen Künstlern einnehmen. Neben historischem Faktenwissen, das für die Inhalte des Bildes wichtig war, sollte der Maler durch die von ihm im Bild ausgerichtete Gestaltung der Wirklichkeit den Betrachter begeistern können. Um diese Wirkung beim Rezipienten zu hinterlassen, war das primäre Bildungsziel eines Malers das Studium der Natur und Mathematik – nicht etwa die humanistische Bildung – um Figuren und Elemente des Bildes durch die Mimesis der Wirklichkeit möglichst ansprechend zu gestalten.

An den Gestaltungsprinzipien des 15. Jahrhunderts sollte zunächst auch im folgenden 16. Jahrhundert festgehalten werden. Die Auffassung der sich langsam konstituierenden italienischen Kunsttheorie war es weiterhin, dem Maler Richtlinien und Rahmen für sein Werk aufzustellen. Der Fakt, dass Historienmaler unbedingt auch Kenntnisse über die von ihnen dargestellten historischen Stoffe besitzen müssen, reifte also weiter aus. Die Darstellungsform hatte weiterhin den Anspruch, dass der Betrachter vom Bild angezogen und betroffen gemacht werden sollte. Neu war die Forderung nach der Wahrung der convenevolezza – der Beachtung der Angemessenheit der Darstellung. So wurden idealisierende Motive in der Theorie so weit wie möglich zurückgedrängt und an die Darstellungskunst des Malers appelliert. Neben den Einflüssen der katholischen Kirche auf Motive und Bildinhalte − vielfach deutete man Kunstwerke als Predigt in Bildern – kennzeichnete die Forderung nach einer einfachen Lesart der Bilder diese Phase der Historienmalerei. Gabriele Paleotti forderte eine stringente und klare Gestaltung, die dem Betrachter die Lesart der Bilder vereinfachen sollte. Des Weiteren sah er in dem Medium Bild die Möglichkeit, einen viel größeren Rezipientenkreis anzusprechen, als es mit Schriften und Texten möglich war, da nur wenige Menschen eine Ausbildung in Lesen und Schreiben genossen. Der Epochenübergang von Renaissance zum Barock, der als Manierismus bezeichnet wird, stellte den Maler nicht nur als künstlerischen Handwerker dar, der Bilder entwarf, sondern vielmehr als Schöpfer eines Werkes, dessen Begabung sich in den von ihm geschaffenen Werken widerspiegelt.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts und mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts verlagerte sich das Zentrum der (Historien-)Malerei von Italien zunehmend nach Frankreich. Immer mehr spaltete sich auch hier die Meinung über Zweck und Inhalt der Historienmalerei. Einerseits wurde diese Bildgattung zum Gegenstand der nun an der Academie Francaise institutionalisierten Disziplin. Dem Kunstausschuss der Academie kamen sowohl organisatorische wie auch konzeptionelle Aufgaben im Bereich der Malerei zu. Der Rat entschied über die Statusvergabe der Berufsbezeichnung Maler, über die Regeln der vorherrschenden Kunst, über die Lehrjahre und Lehre der Maler sowie die Funktionalisierung der Malerei in politischen Angelegenheiten. Andererseits hielten Maler und Kritiker wie Roger de Piles an der Eigenständigkeit der Maler fest. De Piles nahm eine deutliche Gegenposition zur akademischen Kunst ein, deren Kern sich auf die Wahrnehmung des Malers und nicht auf aufgestellte Regularitäten bezog. Beide kunsttheoretischen Ansätze, der der Academie sowie der de Piles’, vereinten jedoch den erzieherischen und moralischen Aspekt, der Historienbildern zukam.

Die Errichtung der „Académie royale“ markiert das Ende der Kunstproduktion als rein handwerkliche Betätigung. Seither ist die bildende Kunst als „ars liberalis“ (dt.: freie Kunst) anerkannt – als eine Tätigkeit vorrangig geistiger Natur.

Die Akademie wirkte auf das französische Kunstschaffen vor allem durch

Vor der Gründung der Akademie hatte die Pariser Gemeinschaft der Maler- und Bildhauermeister von Paris – kurz Maîtrise – das Monopol über die Kunstproduktion. Innerhalb dieser seit 1391 existierenden Gilde herrschten auch im 17. Jahrhundert noch weitgehend mittelalterliche Strukturen und Gesetze: Nur ein zugehöriger Meister durfte in Paris Kunstaufträge annehmen und Kunstwerke anbieten. Vorgeschrieben war auch die Anzahl seiner Werkstattmitarbeiter und Lehrlinge. Die Ausbildung erfolgte nach überkommenen Regeln, umfasste im Grunde nur manuelle Fertigkeiten und technische Kenntnisse und zielte alles in allem auf die Ausbildung eines Kopisten des ausbildenden Meisters. Der Maîtrise gehörten neben einer kleinen Zahl „Künstler“ im neuzeitlichen Sinne vor allem Malerhandwerker, Mitarbeiter von Kunsthandwerksbetrieben und auch Kunsthändler an.

Gerade diese Vermengung mit Anstreichern und Händlern empfanden die neuzeitlichen Künstler als ihrer unwürdig und hinderlich, um von den gebildeten Schichten wie etwa den Gelehrten und Schriftstellern als ebenbürtig anerkannt zu werden. Die einzige Möglichkeit, den Gildenzwang und die damit verbundene Besteuerung zu umgehen, war die Beschäftigung als Hofkünstler. Als so genannter Brevetaire gehörte man dem königlichen Haushalt an und unterstand somit nicht der Jurisdiktion der Gilde. Zudem war es den Hofmalern und -bildhauern gestattet, Aufträge außerhalb des Hofes, gegebenenfalls sogar außerhalb von Paris, anzunehmen, was einen enormen Wettbewerbsvorteil darstellte. Diese Gruppe war zwar nicht an einer institutionellen Verbesserung der Künstlerstellung interessiert, weil dies ihre privilegierte Stellung entwerten könnte, dennoch trug sie indirekt dazu bei.

1647 setzte die Maîtrise die Begrenzung der Anzahl der Brevetaires durch und zusätzlich ihre Unterstellung unter die Gildengesetze: Ab sofort durften sie außerhalb des Hofes nur mit Erlaubnis der Gilde tätig sein oder hohe Bußgelder und Ächtung auf sich nehmen. Dies brachte die Hofmaler und -bildhauer auf die Seite einiger junger Künstler, die – inspiriert vom Ideal eines neuzeitlichen Künstlers, wie er von den großen italienischen Meistern verkörpert wurde –, aus dem Gildenzwang auszubrechen suchten.

Ganz vorne der gerade 28-jährige Charles Le Brun. 1646 aus Rom zurückgekehrt, genoss er bereits hohes Ansehen und wurde sofort zum Peintre du Roi (dt.: Maler des Königs, königlicher Hofmaler) ernannt. In Rom war er nicht nur mit der antiken und italienischen Kunst in Berührung gekommen, sondern auch mit prominenten Sammlern, Auftraggebern und so geschätzten Meistern wie Nicolas Poussin. In Paris wurde er von Kanzler Pierre Seguier protegiert, mit dessen Familie er mütterlicherseits verbunden war. Séguier verschaffte ihm Zugang zu gebildeten Kreisen um den Kardinal de Berulle und Madame Scudery. Unter seinem Vorsitz fand am 1. Februar 1648 die konstituierende Sitzung der Académie Royale de Peinture et de Sculpture statt. Martin de Charmois wurde ihr erster Direktor (noch Chef genannt), Kanzler Séguier ihr erster Protecteur (dt.: Schutzherr). Neun Maler und drei Bildhauer, darunter Le Brun, Charles Errard und Sebastien Bourdon , wurden als die ersten zwölf Professoren (noch Anciens genannt) in das Gremium gewählt. Weitere vierzehn Künstler gehörten seit der ersten Stunde dem Corps (dt.: Körperschaft) an.

In den ersten Jahren lief das Projekt allerdings nicht reibungslos: Die Finanzierung war unsicher, und die Förderer wurden durch die Fronde ins Exil gezwungen. Zudem hatte die Maîtrise 1649 eine Konkurrenzakademie errichtet, die Lukasakademie. Da die Rivalität den Beteiligten schon bald unerträglich wurde, mündete 1651 in eine Verschmelzung beider Institutionen. Nach der Niederschlagung der Fronde (1653) trieben die Gegner des Zusammenschlusses eine Reform voran und erreichten 1655 beim König: die Bestätigung der Gründungsregularien von 1648, die Erhebung der Kunstakademie in den gleichen Rang wie die Academie Francaise, die Bewilligung einer jährlichen Subvention von 1000 Livres, sowie von Räumlichkeiten im Louvre. Am wichtigsten war jedoch die Sicherung des Monopols auf Zeichenunterricht vor Modellen, womit die Grundlage jeder künstlerischen Ausbildung nun allen Meistern in allen Werkstätten untersagt war. Dies bedeutete den endgültigen Bruch – und die Unabhängigkeit der noch jungen Akademie. Le Brun sollte erneut eine führende Rolle einnehmen.

1664 reformierte Jean-Baptiste Colbert, Finanzminister und Surintendant des Bâtiments (dt.: Leiter der staatlichen Bauaufsichtsbehörde, d.h. eine Art Minister für Bauwesen) die Satzung der Akademie, insbesondere erhöhte er die staatliche Subvention auf 4000 Livres jährlich und nötigte die Künstler, die noch zwischen der Akademie und der Maîtrise schwanken, der Akademie beizutreten. Für Colbert war die Institutionalisierung der Kunstproduktion ein Staatsanliegen im Rahmen seiner Konzeption absolutistischer Herrschaft: Die Kunst sollte einen gôut français (dt.: französischen Geschmack) und dadurch nationale Identität generieren, gleichzeitig sollte sie den Ruhm, den Glanz, die Macht, kurz: die führende Rolle französischen Königtums den Franzosen und allen anderen Europäern vor Augen führen. Unter anderem aus dieser Zielsetzung heraus erklärt sich die Existenz der Akademie. Um den grand stil (dt.: repräsentativen Stil) dort auch zur Doktrin zu erheben, stand Colbert mit Charles Le Brun ein idealer Partner zur Seite. Beide Männer sollten die Kunstakademie zur höchsten Blüte führen.

Mit den Subventionskürzungen 1694 trat eine Wende ein – und es begann ein fünf Jahre währender Kampf ums nackte Überleben. 1705 fiel das Monopol auf den Zeichenunterricht, eine Niederlage gegenüber der Maîtrise, die allerdings 1714 mit der Erteilung des Königlichen Druckprivilegs wieder halbwegs wettgemacht wurde. Es folgten wenig aufregende Jahre, in denen ein Wettbewerb unter zwölf Historienmalern der Akademie (1727) noch das erwähnenswerteste Ereignis war.

1737 reanimierte der an Kunstfragen sonst nicht übermäßig interessierte Bauamtsdirektor Philibert Orry die berühmten Kunstausstellungen– und kurbelte damit das Interesse der Künstler an der Akademie wieder an. Zehn Jahre später erklärte ein neues Team, „der Akademie ihren alten Glanz zurückgeben“ zu wollen: der von der Mätresse Ludwigs XV, Marquise de Pompadour, protegierte Bankierde Tournehem und der Premier peintre du Roi und Akademiedirektor Charles Coypel. Ihre Maßnahmen: die Wiederbelebung der conférences und eine stärkere Reglementierung der Ausbildung. Ihr Erfolg: die Restauration des grand stil.

Frankreichs Beteiligung am Siebenjährigen Krieg (1756–1763) bewirkte, dass auch dieses Glück nicht von langer Dauer war. In der Folgezeit erreichte der neue Bauamtsdirektor Marquis de Marigny immerhin eine Genehmigung für die Nutzung der Apollongalerie (1764) und die Aufstockung der Zuwendungen (1771). Wirklich durchgreifende Maßnahmen durfte jedoch erst sein Nachfolgertreffen: regelmäßige Aufträge für die Akademiekünstler (und deren zügige Entlohnung!) (1774), die Genehmigung, auf dem Pont Neuf Verkaufsboutiquen zu errichten und zu vermieten (1774), die Auflösung der Lukasakameie und die Eröffnung einer zweiten École du modèle unter der Obhut der Königlichen Akademie (1776) sowie ein schöner neuer Zugang zum Salon (1780/81).

Die Akademie tagte ursprünglich in der rue Taînée (heute rue Rambuteau) im Hallenviertel, dann im sogenannten Hôtel de Clisson in der nahegelegenen rue des Deux-Boules, zog im Jahr 1661 in das Palais Brion beim Palias Royal und bekam schließlich 1692 die ehemaligen Gemächer Annas von Österreich im Louvre zur Verfügung gestellt. Der Louvre sollte die Kunstakademie bis zu ihrer Schließung beherbergen.

Als eine Institution der Monarchie war auch die Kunstakademie von den Ereignissen der Revolution betroffen: Unter der Führung Jacques Louis Davids wurde schon 1789 der Nationalversammlung eine Petition vorgelegt, die mehr Demokratie in der Struktur der Akademie forderte – alle Mitglieder und nicht nur die Funktionäre sollten an Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Die Reformierung der Akademie war im März 1791 abgeschlossen. Die Gruppe um David jedoch forderte deren Auflösung und die vollkommene Freiheit für alle Künstler. Dem ersten Schritt, der Öffnung des Salons für „alle französischen und fremden Künstler, ob Akademiemitglieder oder nicht“, folgte zwei Jahre später, am 8. August 1793, die Auflösung aller Königlichen Akademien durch den Nationalkonvent. Die Academie de France in Rom war nicht betroffen. Jedoch wurde der Direktorenposten abgeschafft und die Leitung der Einrichtung direkt der Regierung unterstellt.

Bereits 1795 griff die Revolutionsregierung die Idee einer Kunstakademie wieder auf und richtete innerhalb des Institut National eine Abteilung für Literatur und Kunst ein. 1803 trennte man Kunst und Literatur durch die Einrichtung einer gesonderten Abteilung der Schönen Künste, der 28 Mitglieder angehörten: zehn Maler, sechs Bildhauer, sechs Architekten, drei Musiker und drei Kupferstecher. Während der Restauration (1814–1815) wurde die Anzahl der Mitglieder auf 40 erhöht, wobei die Maler traditionell die Mehrheit stellten. Die Akademie der Schönen Künste übernahm die meisten Funktionen der einstigen Académie Royale: Ausschreibung von Wettbewerben, darunter denjenigen um den Rompreis, Leitung der Acadmie de France in Rom, Würdigung künstlerischer Leistungen in öffentlichen Sitzungen, Auswahl der Künstler für die Salons und Zusammenstellung eines Kunstlexikons.

Seit den Reformen der Restaurationszeit gab es nur wenig Veränderung in den Statuten der Akademie. 1985 wurden die 50 Mitglieder in sieben Sektionen geteilt, darunter eine für Kinematografie mit vier Mitgliedern. Bis heute sind Frauen nicht als vollwertige Mitglieder zugelassen. Allerdings hat die Akademie inzwischen auch keinen Einfluss mehr auf die aktuelle französische Kunstproduktion.

Die Organisation der Akademie lehnte sich an die Struktur der Malergilde an: Dieser gehörten Lehrlinge, Gesellen und Meister an, jener Schüler, vorläufige Mitglieder (frz.: agrées) und Vollmitglieder (frz.: académiciens).

Der Akademie stand ein Protektor aus den höfischen Kreisen vor, der meist auch Surintendant des Bâtiments (dt.: Oberintendant des Bauwesens) war, also zugleich der Architekturakademie vorstand und die Verbindung zu Regierung darstellte. Geleitet wurde sie vom Direktor, der meist zugleich Premier peintre du Roi (dt.: Erster Hofmaler, persönlicher Maler des Königs) war. Ihm unterstanden vier Rektoren, die organisatorisch tätig waren, und zwölf Professoren, denen der Lehrbetrieb oblag. Den Rektoren standen zwei Gehilfen, den Professoren acht zur Seite, die sie im Falle der Abwesenheit zu vertreten hatten – und zumeist beim Austritt ihrer Vorgesetzten auf deren Position nachrückten. Außerdem gab es einen Kanzler für die Besiegelung der Urkunden (bis 1683 zweite Funktion des Direktors), einen Sekretär (ab 1705 Sekretär-Historiograph) und einen Schatzmeister.

Um Mitglied der Akademie zu werden, musste der Kandidat die Unterstützung zweier Vollmitglieder finden und zunächst ein Bewerbungsstück (frz.: morceau d’agrément) abliefern. Fiel die geheime Abstimmung darüber positiv aus, wurde er als vorläufiges Mitglied (frz.: agréé) aufgenommen. Viele Künstler beließen es dabei, weil sie so bereits dem Gildenzwang entronnen waren und die Aufnahmegebühr von 100 Livres, die seit 1660 für eine Vollmitgliedschaft zu entrichten war, nicht aufbringen konnten. Das Verfahren sah weiter vor, dass der agréé innerhalb von drei Jahren ein Aufnahmestück (frz.: morceau de réception) abzuliefern hatte, dessen Thema der Akademiedirektor oder -kanzler stellte. Wurde dieses Stück positiv beurteilt, war er als Vollmitglied (frz.: académicien) in die Akademie aufgenommen. Um Betrug auszuschließen, wurden Anwärter schon bald angewiesen, Skizzen unter der Aufsicht eines Akademiemitglieds anzufertigen und später sogar die Aufnahmestücke selbst unter Aufsicht anzufertigen. Angenommene Aufnahmestücke gingen in den Besitz der Akademie über – sie dienten als repräsentativer Wandschmuck, Zeugnis der Virtuosität der Mitglieder und Anschauungsmaterial für den Lehrbetrieb und die Kunstdebatten (frz.: conférences). In den Revolutionsjahren wurde die hochkarätige Sammlung leider aufgelöst und zerstreut. Die Nachfolgeinstitution forderte keine Anfertigung eines Aufnahmestückes.

Obwohl die Academie Royale sich im Grunde als Vereinigung der Historienmaler verstand, wurden auch Maler weniger angesehener Gattungen aufgenommen: So z.B. schon 1648 die Brüder Le Nain, die sich auf Genreszenen spezialisiert hatten. 1717 wurde sogar eine gesonderte Kategorie eingerichtet, um Antoine Watteau als Maler der so genannten „fêtes galantes“ (dt.: galanten Feste) aufzunehmen. Anderseits konnte es auch geschehen, dass Künstler, die sich als Historienmaler beworben hatten, herabgestuft wurden – so 1769 mit Jean-Baptiste Greuze geschehen.

Dieser hohe Rang galt auch aus einem zweiten Grund als erstrebenswert: In den Statuten war geregelt, dass nur ein Historienmaler (oder Bildhauer) die Funktion eines Professors ausüben durfte. Damit war nicht nur die Ausrichtung der Lehre auf die Historie als Gipfel künstlerischer Leistung gesichert, sondern auch die Kontinuität dieser Ausrichtung, da die Funktionäre der Entscheidungsgremien sich aus dem Lehrkörper rekrutierten.

Im 17. Jahrhundert sicherten Mitgliederdebatten (frz.: conférences) und der Lehrbetrieb die Orthodoxie der akademischen Doktrin. Ein Instrument, diese auch über die Akademie hinausgehend zu verbreiten, waren die periodischen Kunstausstellungen.

Die conférences waren monatlich stattfindende öffentliche Diskussionen über Kunstfragen, die meist am Beispiel konkreter Kunstwerke ausgetragen wurden. Als Ehrenmitglieder durften auch Kunstamateure (frz.: amateurs) daran teilnehmen. Prominente Amateure waren die Kunsttheoretiker Andre Felibien, der die Sitzungsberichte veröffentlichte, und Roger de Piles, der sich für die Anerkennung des Laienurteils einsetzte und so die moderne Kunstkritik ermöglichte. Colbert und Le Brun sahen in den conférences ein Werkzeug, die „richtige“ Malerei, den gôut français, zu propagieren. Die conférences sind heute die wichtigste Quelle zur französischen Kunsttheorie des 17. Jahrhunderts.

Die akademische Doktrin der ersten Stunde zielte darauf ab, die Kunst – insbesondere die Malerei – in den Rang der als geistige Tätigkeit hochgeschätzten Schriftstellerei zu setzen und sie so vom bloß manuellen Handwerk abzugrenzen, als das sie traditionell angesehen wurde. So wird auch die Einstufung der Historienmalerei als höchste Gattung verständlich: Sie beschäftige sich inhaltlich – wie die Tragödie der antiken Poetiken – mit noblen Handlungen des Menschen und beinhalte formal alle übrigen Sujets.Die Ausübung der Historienmalerei erfordere hohe Bildung auf vielerlei Gebieten und universelle Meisterschaft in handwerklichen Aspekten der Malerei. An zweiter Stelle der Gattungshierarchie folge das Porträt, weil es den Menschen, das vollkommenste Werk Gottes, zum Gegenstand habe, sodann die Landschaft als Darstellung von lebendigen Gegenständen und schließlich das Stillleben als Darstellung von toten Gegenständen. Interessanterweise klammerte Félibien, der hier paraphrasiert wird, das Genrebild aus.

In den conférences wurde die bienséance (dt.: Angemessenheit) der Komposition definiert, Fragen der angemessenen Darstellung von Emotionen und der zu den Figuren passenden Proportionen diskutiert, sowie die korrekte Verwendung von Farbe, Licht usw. Henri Testelin , der Sekretär der Akademie, fasste 1680 die Lehre in Tabellen zusammen, die ebenfalls veröffentlicht wurden. Sie behandelten le trait (dt.: Linie, d.i. die Zeichnung bzw. – auch perspektivisch – korrekte Darstellung der Objekte), l’expression (dt.: Ausdruck, d.i. die Ausschöpfung des emotionalen oder inhaltlichen Potentials), les proportions (dt.: Proportionen, d.i. die – nicht nur anatomische – Korrektheit bzw. Schönheit der Zeichnung), le clair et l’obscur (dt.: Hell-Dunkel, d.i. die Verwendung von Licht und Schatten), l’ordonnance (dt.: Anordnung, d.i. die Schönheit oder Vollkommenheit der Komposition) und la couleur (dt.: Farbe, d.i. die korrekte Farbgebung, das Verständnis für Lokalfarben).

In ein so enges Korsett genötigt, rebellierten einige Künstler. Zur zentralen Auseinandersetzung wurde die Frage, ob der Farbe oder der Linie der Vorrang in der Malerei gebühre – bekannt geworden als Streit zwischen Poussinisten (Anhänger der Präferenz Zeichnung – als Ausdrucksträger des Intellekts) und Rubenisten (Anhänger der Präferenz Farbe – als Ausdrucksträger des Gefühls). Grundsätzliche geschichtsphilosophische und kulturtheoretische Fragen berührte die Auseinandersetzung darüber, ob die klassische Antike als vollkommenes Vorbild für die neue Kunst in jeder Hinsicht verbindlich sei oder die Moderne durch Neuerungen einen Kunstfortschritt erzielen könne.

In der Kunsttheorie traten liberalere principes (dt.: Prinzipien) an die Stelle der dogmatischen préceptes (dt.: Rezepte) – propagiert von Roger de Piles, der 1699 zum Ehrenmitglied der Akademie ernannt worden war. Nach dessen Tod (1708) jedoch ebbte das Interesse an den conférences deutlich ab. Erwähnung verdienen noch die Beiträge von Antoine Coypel (1708–1721) und Nicolas-Bernard Lepecie (1737–1743) sowie die 1747 durch die „Reflexions“ von LaFont de Saint-Yenne in Gang gesetzten Ausführungen des neuen Direktors Charles Coypel († 1752).

Die Lehre ist die zentrale Aufgabe einer Akademie. Im absolutistischen System Colberts und für die ästhetische Konzeption Le Bruns war die der Akademie angegliederte École Royale de Peinture et de Sculpture (Königliche Schule für Malerei und Bildhauerei) das wichtigste Instrument, um ihre Ziele zu verwirklichen. Sie gab die in den Akademiesitzungen definierte Doktrin an die folgenden Generationen weiter. Lehrziel war die Heranziehung von hervorragenden Künstlern, die diese Doktrin in ihrem Schaffen umsetzen, die den gôut français vertreten, dadurch nationale Identität generieren und die führende Rolle französischen Königtums vor Augen führen. Colbert hatte als Finanzminister sicherlich auch merkantilistische Aspekte im Auge: Eine angesehene Kunstproduktion bringt ausländisches Geld ins Land.

Diese Ziele wurden in einem klar definierten Curriculum nach einem monatlichen Stundenplan von den Professoren vermittelt. Da von den Schülern erwartet wurde, dass sie gleichzeitig eine Malerlehre bei einem Meister absolvieren, wurde im praktischen Unterricht nur Zeichnen gelehrt.

Um als Schüler angenommen zu werden, musste der Bewerber die Empfehlung eines Akademielehrers (frz.: billet de protection) vorweisen, die dessen Begabung bestätigte. Zunächst übten sich die Schüler durch Kopieren von Meisterarbeiten, dann im Gipszeichnen (frz.: étude de la bosse), wobei Abgüsse, Statuen und Reliefs als Modell dienten. Als nächste Stufe folgte das Zeichnen nach einem bis Ende des 18. Jhs. auf männliche Modelle beschränkte Naturakt (frz.: l'académie) – zuerst mit Kohle, Kreide oder Rötel, dann mit dem Pinsel. Zuletzt wurde das freie Kompositionszeichnen unterrichtet. Theoretische Pflichtfächer der Akademie waren schon im 17. Jh. Anatomie, Geometrie und Perspektive; im 18. Jh. kamen Geschichte, Mythologie und Geographie hinzu. Die Fortschritte in der Ausbildung und das Fortkommen im Curriculum wurden in periodischen Wettbewerben durch die Akademie festgestellt und bewertet. Wettbewerbsdisziplinen waren beispielsweise Zeichnung eines historischen Sujets, Ausdruckskopf oder Aktstudie.

Der renommierteste Preis – der jährlich ausgetragene Prix de Rome – berechtigte den Gewinner zu einem längeren Studienaufenthalt an der Akademie de France in Rom. Dort durfte er drei Jahre lang Werke der Antike und Renaissance im Original studieren, und wurde gleichzeitig nach einem dem Pariser ähnlichen Plan in Mathematik, Geometrie, Perspektive, Architektur, Anatomie und Aktzeichnung weiter unterrichtet. Allerdings war es ihm nur gestattet, anerkannte Kunstwerke zu studieren und nicht erlaubt, eigene Arbeiten anzubieten oder am römischen Kunstleben teilzunehmen. Stattdessen war er verpflichtet, Kopien und Eigenschöpfungen anzufertigen, die zunächst zur Ausstattung von Schloss Versailles und später von Provinzresidenzen bestimmt waren, oder der École Royale in Paris als Studienvorlagen dienten.

Die periodischen Kunstausstellungen machten die von der Académie Royale vertretene Doktrin auch einem interessierten Publikum bekannt. Die zunächst rein interne Veranstaltung, zu der jedes Mitglied ein Kunstwerk mitzubringen hatte, wurde 1665 erstmals durchgeführt. Es folgten die öffentlichen Expositionen 1667, 1669, 1671 und 1673 (evtl. auch 1675) – dann erst wieder 1699. Nach der zwischenzeitlich katastrophalen Finanzlage wollte der neue Protecteur Jules Hardouin-Mansart die Ausstellungen wieder aufleben lassen. Bis zur definitiven Reanimierung sollte es jedoch nur eine einzige Wiederholung geben (1704). Die Ausstellungen unter Clobert fanden im Palais Brion, einem Seitenflügel des Palais Royal, statt, die späteren in der Grande Galerie des Louvre.

1737 legte der Generalbaudirektor Philibert Orry den Grundstein zu einer festen Einrichtung. Die nach ihrem Veranstaltungsort im Salon carré des Louvre „Salon“ genannte jährliche Ausstellung wurde schnell zu dem Ereignis der kunstinteressierten Pariser. Mit den Anfeindungen 1746 und 1747 kam das Niveau der Kunstwerke auf den Prüfstand – mit dem Ergebnis, dass der Salon 1749 ausgesetzt und ab 1751 nur noch alle zwei Jahre durchgeführt wurde. In den Revolutionsjahren drängten aus die nicht der Kunstakademie angehörenden Künstler darauf, ihre Werke ausstellen zu dürfen. Letztlich mit Erfolg: Seit 1791 ist es jedem Künstler – Mann oder Frau, Franzose oder Ausländer – gestattet, am Salon teilzunehmen.

Die Vorleistungen des 17. Jahrhunderts im Bereich der Kunstkritik eröffneten eine im 18. Jahrhundert noch größere Auseinandersetzung in Institutionen aber auch durch Privatpersonen mit dem Gegenstand der Historienmalerei. Denis Diderot legte den Zwiespalt, der schon zwischen den Grundgedanken der Académie Française und denen de Piles bestand, erneut offen. Eine Opposition zwischen ästhetischen Gestaltungsprinzipien im Sinne des Malers selbst und den konservativem Regeln der Malerei sei nur schwer zu vereinbaren, so Diderot. In den zeitgenössischen Malern sah dieser lediglich die Unfähigkeit, moralische Aussagen der dargestellten Heldenfiguren ins Bild zu transferieren, sodass jeglicher Ausdruck von Leidenschaft fehlte. Diderots Gedanken zur Ästhetik gingen sogar über die alten Prinzipien der Gattung hinaus und er räumte Malern ausdrucksvoller Landschaftsmalereien den gleichen Stellenwert wie den Historienmalern ein.

Der Kunsttheoretiker Louis Etienne Watelet hingegen wies diese Einschätzung klar zurück und sah die Gattungshierarchie in der Malerei als begründet an. Da der Historienmaler mehr Wissen benötige als Künstler anderer Disziplinen, müsse ihm auch dementsprechend mehr Ruhm sowie Förderung zukommen, so Watelet. Weiterhin forderte er, dass die Öffentlichkeit und die Institutionen sowie Herrscherhäuser den Historienmaler durch Aufträge unterstützen müssen.

Die Diskussion zwischen Regeln der Malerei und den selbstständigen Gestaltungsprinzipien wurde von dem Maler Benjamin West entscheidend gebrochen. In den Fokus rückte bei Wests Bild Der Tod des General Wolfe nicht mehr unmittelbar das Gestaltungsprinzip, sondern vielmehr der dargestellte Inhalt. West malte, wie der Titel aussagt, den Tod des britischen Generals James Wolfe in der Schlacht auf der Abraham-Ebene gegen französische Truppen bei Quebec im September 1759. Das Besondere an diesem Bild war, dass es ein Ereignis der Zeitgeschichte zeigte und unmittelbar nach dem Tod des Generals angefertigt wurde. Nach einigen Diskussionen über die Ausstellung des Bildes konnte sich West durchsetzen und es wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. West begründete sein Bild damit, dass er sich neben der Position des Malers auch als Historiker verstand, dessen Pflicht es war, solch bedeutende Zeitgeschichte im Medium Bild zu dokumentieren.

1763 siedelte er nach London über. 1768 beteiligte er sich an der Gründung der Royal Academy of Arts. 1792 starb der erste Präsident der Akademie Joshua Reynolds. Benjamin West wurde sein Nachfolger und blieb bis an sein Lebensende (1820) Präsident der Royal Academy of Arts.

West schuf klassizistische Historienbilder, die in der englischen Kunstgeschichte zu den frühesten ihrer Art zählen. Sein Gemälde "Der Tod des Generals James Wolfe in Quebec " (1770), ausgestellt in der Royal Academy 1771, machte ihn international berühmt. Nach einer Anekdote soll West den Präsidenten der Akademie Sir Joshua Reynolds um Ratschläge gebeten haben. Reynolds habe zu einer Darstellung in antiken Gewändern und in antiker Pose geraten, was West ablehnte: "Das Ereignis, das ich mit meinem Bild festhalten will, fand am 13. September 1759 statt, in einem Teil der Welt, der den Griechen und Römern unbekannt war, und zu einer Zeit, als es weder eine dieser Nationen noch Helden in antiken Gewändern auf dieser Erde gab... Ich wünsche das Datum, den Platz und die beteiligten Parteien bei diesem Ereignis genau wiederzugeben". Trotz der Darstellung aus strikt zeitgenössischer Sicht blieb die Bildkomposition konventiell in der christlichen Tradition der Pietadarstellung oder der Kreuzabnahme verhaftet. Der exotische Bezug wurde durch eine Indianerdarstellung hergestellt. Der Erfolg war vielleicht gerade deshalb überwältigend. Der Strom der Besucher in der Royal Academie riss nicht ab. Ein Stich nach dem Gemälde wurde in kürzester Zeit in hoher Auflage verkauft.

1772 ernannte König Georg West zum Historien-Maler des Hofes mit einem Jahresgehalt von £1000. 1791 wurde er in die American Academy of Arts gewählt. Von 1791 bis zu seinem Tod war er Aufseher über die königlichen Gemälde.

West ist bekannt für seine großflächigen historischen Gemälde, mit ausdrucksstarken Figuren, Farben und einem Kompositions-Schema, das dem Betrachter hilft, die dargestellte Szene zu identifizieren. West nannte das „epische Repräsentation“.

Benjamin Best schuf für Johann Caspar Lavater das Gemälde "Christus mit einem Kind im Himmel". Der Kontakt zu Lavater war über den in London lebenden Schweizer Prediger Johann Heinrich Sulger zustande gekommen. Trotz einer begeistern Aufnahme lieferte West nur noch einige kleinere Arbeiten oder Stiche an Lavater.

In der Hofkapelle zu Windsor sind mehrere Altarbilder von ihm. Zu den Fenstergemälden fertigte er die Kartons, welche Forest von 1792 bis 1796 ausführte. Für die Audienzzimmer des Schlosses schuf er im Auftrag König George III sechs große Gemälde, deren Gegenstände der Geschichte des Königs Eduard III. entnommen sind, jetzt samt vielen anderen Bildern Wests in einem Saal zu Hampton Court vereinigt. Ein Altarbild in der Hospitalkirche zu Greenwich von West stellt St. Paulus auf Melite vor, wie er die Viper von sich schleudert. 1803 wurde West als auswärtiges Mitglied in die Academie des Beaux-Arts aufgenommen.

Die Schlacht auf der Abraham-Ebene war eine Schlacht des Siebenjährigen Krieges, dessen nordamerikanischer Schauplatz auch als Franzosen- und Indianerkrieg bekannt ist. Sie fand am 13. September 1759 in der Nähe der Stadt Quebec statt. Britische und französische Truppen standen sich auf der Abraham-Ebene, einem Hochplateau unmittelbar südwestlich der Stadtmauern von Quebec, gegenüber. Zwar waren insgesamt weniger als 10.000 Mann an der Schlacht beteiligt, doch diese erwies sich als entscheidendes Ereignis im Konflikt um die Herrschaft von Neufrankreich und hatte später einen Einfluss auf die Entstehung Kanadas.

Die eigentliche Schlacht dauerte nur rund 15 Minuten, bildete aber den Höhepunkt der zweieinhalb Monate dauernden Belagerung von Quebec durch die britische Armee und Marine. Mit Erfolg widerstanden die unter dem Kommando von General James Wolfe stehenden Briten einem Ausfallangriff französischer Truppen und kanadischer Milizen unter GeneralLouis de Montcalm . Sie wendeten neue Taktiken an, die sich gegen standardmäßige militärische Formationen, wie sie in den meisten großen europäischen Konflikten zur Anwendung gelangten, als ausgesprochen effektiv erwiesen. Beide Generäle wurden während der Schlacht tödlich verwundet. Wolfe wurde von drei Gewehrkugeln getroffen und starb wenige Minuten nach Beginn der Schlacht; Montcalm erlag einen Tag später seinen Verletzungen, die er sich durch eine Musketenkugel zugezogen hatte.

Als Folge der Schlacht gaben die Franzosen die Stadt auf und ihre verbliebenen Truppen in Nordamerika gerieten unter immer stärker werdenden Druck der Briten. Zwar kämpften die Franzosen nach der Eroberung Québecs weiter und behielten in einigen Gefechten die Oberhand, doch die Briten gaben die strategisch wichtige Stadt nicht mehr preis. Mit dem Pariser Frieden 1763 gingen die meisten französischen Territorien im östlichen Nordamerika in britischen Besitz über.

Die Franzosen waren eingekreist, konnten aber die gänzliche Eroberung Neufrankreichs mit dem Sieg in der Schlacht um Fort Carillon zunächst aufhalten. Als Misserfolg erwies sich die britische Blockade des Sankt-Lorenz-Stroms während des Winters, da es zahlreichen französischen Schiffen gelang, Nachschub nach Québec zu liefern. Im Mai 1759 begannen die Franzosen, die Bevölkerung zu evakuieren und sich zu verschanzen. Am 26. Juni landete die britische Flotte in der Umgebung Québecs, woraufhin die Soldaten die Ile d’Orleans  besetzten und dort das Hauptlager errichteten. Ein französischer Angriff auf die Flotte mit Brandern schlug fehl. Am darauf folgenden Tag besetzten die Briten auch das Südufer des Sankt-Lorenz-Stroms und begannen mit dem Aufbau von Artelleriebatterien .

Der britische Artilleriebeschuss vom gegenüberliegenden Ufer aus setzte am 12. Juli ein und hielt die nächsten zwei Monate unvermindert an. Der heftige Beschuss, dem die Franzosen kaum etwas entgegenzusetzen hatten, fand vor allem in den Nachtstunden statt und richtete große Schäden in der Stadt an. Zahlreiche Gebäude wurden ein Raub der Flammen. Am 31. Juli versuchte General James Wolfe einen ersten ernsthaften Angriffsversuch auf das Nordufer. Die Briten landeten bei Beauport, wurden aber von den Franzosen zurückgeschlagen. Insgesamt forderte diese Schlacht bei Beuaport 443 Verluste auf britischer und 60 Verluste auf französischer Seite. Als Vergeltung befahl Wolfe die Zerstörung sämtlicher Häuser in einem mehrere Dutzend Kilometer langen Abschnitt entlang dem Südufer des Sankt-Lorenz-Stroms, ebenso nordöstlich von Beauport. Während diese Aktion im Gange war, entwarf er neue Angriffspläne und verwarf diese wieder. Seine Arbeit musste er aufgrund einer länger andauernden Krankheitsphase im August unterbrechen.

Ende August einigten sich Wolfe und seine Brigadiere darauf, westlich der Stadt den Sankt-Lorenz-Strom zu überqueren. Zahlreiche Soldaten waren bereits an Bord der Schiffe gegangen und hatten sich mehrere Tage lang den Fluss hinauf- und heruntertreiben lassen, als Wolfe am 12. September den endgültigen Entschluss fasste und seine Wahl der Landestelle auf Anse au Foulon fiel. Diese kleine Bucht liegt südwestlich der Stadt bei Sillery, etwa drei Kilometer von Cap Diamant entfernt. Sie befindet sich am Fuße einer 53 Meter hohen Felswand, die in das darüber liegende Plateau übergeht; geschützt wurde sie damals durch eine Kanonenbatterie. Es ist nicht bekannt, weshalb sich Wolfe für diese Stelle entschied, da die Landung ursprünglich weiter flussaufwärts vorgesehen war. Dort hätten die Briten einen Landekopf aufbauen und gegen die weiter westlich lagernden Truppen von Louis Antoine de Bougainville vorgehen können, um dadurch de Montcalm aus der Stadt heraus auf das Hochplateau zu locken. In seinem letzten Brief, datiert am 12. September um 20:30 Uhr auf der HMS Sutherland, schrieb Wolfe:

“I had the honour to inform you today that it is my duty to attack the French army. To the best of my knowledge and ability, I have fixed upon that spot where we can act with most force and are most likely to succeed. If I am mistaken I am sorry for it and must be answerable to His Majesty and the public for the consequences.”

„Ich hatte die Ehre, Sie heute zu informieren, dass es meine Pflicht ist, die französische Armee anzugreifen. Nach bestem Wissen und Gewissen habe ich mich für jene Stelle entschieden, wo wir mit der größten Stärke handeln können und am wahrscheinlichsten Erfolg haben werden. Sollte ich falsch liegen, so tut es mir leid und ich werde bei seiner Majestät und der Öffentlichkeit für die Folgen die Verantwortung tragen müssen.“

Wolfes Angriffsplan hing von Geheimhaltung und Überraschung ab. Eine kleine Gruppe sollte nachts am Nordufer an Land gehen, den steilen Hang hinaufklettern, eine kleine Straße besetzen und die dort Wache stehende Garnison überwältigen. Der Großteil der Armee (5000 Mann) sollte den Hang über die kleine Straße überwinden und sich danach auf dem Hochplateau formieren. Selbst wenn die erste Gruppe erfolgreich wäre und es der Armee gelänge, ihr zu folgen, wären seine Truppen innerhalb der französischen Verteidigungslinie platziert – mit dem Fluss als einzige Rückzugsmöglichkeit. Möglicherweise hatte Wolfes Entscheidung, die Landestelle zu ändern, weniger mit dem Wunsch nach Geheimhaltung zu tun, sondern vielmehr mit seiner allgemeinen Geringschätzung seiner Brigadiere (ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruhte). Vielleicht litt er auch noch immer an den Auswirkungen seiner Erkrankung in der zweiten Augusthälfte und der Opiate, die er als Schmerzmittel einnahm. Der Historiker Fred Anderson ist der Meinung, Wolfe habe den Angriff im Glauben befohlen, dass die Vorhut zurückgeschlagen werden würde und er damit rechnete, ritterlich mit seinen Männern zu sterben anstatt in Ungnade nach Hause zurückzukehren.

Bougainville, der mit der Verteidigung des weitläufigen Hochplateaus beauftragt war, befand sich am Abend des 12. September mit seinen Truppen weiter flussaufwärts bei Cap Rouge und bemerkte nicht die zahlreichen flussabwärts treibenden britischen Schiffe. Eine Gruppe von 100 Milizionären unter dem Kommando von Hauptmann Louis Du Pont Duchambon de Vergor hatte den Auftrag, die schmale Straße bei Anse au Foulon zu überwachen, die dem Ufer des Saint-Denis-Baches folgte. In der Nacht auf den 13. September waren wohl nur gerade 40 Mann auf ihrem Posten, da die anderen damit beschäftigt waren, die Ernte einzufahren. Vaudreuil und andere hatten sich über die mögliche Schwachstelle bei Anse au Foulon besorgt gezeigt, doch Montcalm wies sie zurück und sagte, 100 Mann genügten, um eine Armee bis Sonnenaufgang aufzuhalten. Er bemerkte dazu: „Es ist nicht davon auszugehen, dass der Feind Flügel besitzt, so dass er in derselben Nacht den Fluss überquert, von Bord geht, den hindernisreichen Hang hinaufsteigt und die Mauern überklettert, wobei er für letzteres Leitern mit sich tragen müsste.“

Wachen entdeckten tatsächlich Boote auf dem Fluss, doch sie erwarteten einen französischen Nachschubconvoi– ein Plan, der annulliert worden war, ohne dass Vergor davon in Kenntnis gesetzt worden wäre. Als die ersten Boote landeten, wurde die Besatzung aufgefordert, sich zu erkennen zu geben. Daraufhin antwortete ein ausgezeichnet Französisch sprechender Offizier der 78th Fraser Highlanders und zerstreute den Verdacht. Die Boote waren ein wenig vom Kurs abgekommen. Anstatt am Ende der Straße zu landen, fanden sich zahlreiche Soldaten am Fuße eines Hanges wieder. Eine von William Howe angeführte Gruppe von 24 Freiwilligen wurde ausgesandt, um den Zaun entlang der Straße zu räumen und den Hang hinaufzuklettern. Dies erlaubte es ihnen, hinter Vergors Lager aufzutauchen und es rasch einzunehmen. Wolfe folgte eine Stunde später, als er eine bequeme Zufahrtsstraße nutzen konnte, um zum Hochplateau zu gelangen. Als die Sonne über der Abraham-Ebene aufging, verfügte Wolfes Armee über eine solide Basis oberhalb des Hanges.

Mit Ausnahme von Vergors Lager war das Hochplateau unverteidigt, da Vaudreuil einem der französischen Regimenter kurz vor der Landung befohlen hatte, sich auf die Ostseite der Stadt zu begeben. Wären die unmittelbaren Verteidiger zahlreicher gewesen, wäre es den Briten möglicherweise nicht gelungen, sich aufzustellen und wären sogar zurückgedrängt worden. Ein Offizier, der üblicherweise nachts den Felsen entlang patrouillierte, war in dieser Nacht nicht zur Stelle, da eines seiner Pferde gestohlen worden war und seine beiden anderen lahmten. Die erste Meldung von der Landung kam von einem Laufburschen, der aus Vergors Lager geflohen war, doch einer von Montcalms Stabsmitarbeitern meinte, der Mann sei verrückt, schickte ihn fort und legte sich wieder schlafen. Vizeadmiral Charles Saunders hatte vor Beauport Manöver durchgeführt, um eine Landeoperation vorzutäuschen. Zu diesem Zweck feuerte er auf die Uferbefestigungen und ließ Boote mit Truppen beladen (wobei viele der Soldaten Patienten der Feldspitäler waren). Dadurch lenkte er Montcalms Aufmerksamkeit auf sich.

Montcalm war verblüfft, als er von der britischen Landeoperation erfuhr und seine Reaktion wurde als überstürzt bezeichnet. Er hätte auf Verstärkung durch Bougainvilles Kolonne warten können, was es ihm erlaubt hätte, die Briten gleichzeitig von vorne und hinten anzugreifen. Auch hätte er die Schlacht vermeiden können, während er seine Truppen konzentrierte. Stattdessen entschied er sich dazu, Wolfes Truppen direkt anzugreifen. Hätte er gewartet, so wären die Briten vollkommen abgeschnitten gewesen – auf dem gesamten Rückweg nach Anse au Foulon wären sie unter Beschuss geraten. Einem Artillerieoffizier namens Montbelliard erklärte Montcalm seine Entscheidung wie folgt: „Wir können das Eingreifen nicht vermeiden; der Feind verschanzt sich, er hat bereits zwei Kanonen. Wenn wir ihm Zeit geben sich einzurichten, werden wir nie die Möglichkeit haben, ihn mit den Truppen, die wir haben, anzugreifen.“

Insgesamt standen Montcalm in Québec und im Uferbereich von Beauport 13.390 reguläre Soldaten, Marinesoldaten und Milizionäre zur Verfügung, hinzu kamen 200 Kavalleristen, 200 Artilleristen. Doch die meisten dieser Truppen waren nicht an den Kampfhandlungen beteiligt. Viele Milizionäre waren unerfahren; die Akadier, Kanadier und Ureinwohner waren mehr mit der Guerilla-Kriegführung vertraut. Im Gegensatz dazu waren fast alle Briten reguläre Soldaten.

Am Morgen des 13. September stellte sich Wolfes Armee mit dem Rücken zum Fluss in einer Reihe auf. Sie schwärmte anschließend über das Hochplateau aus, mit der rechten Flanke beim Steilhang parallel zum Sankt-Lorenz-Strom und mit der linken Flanke bei einem Steilhang über dem Tal des Riviere Saint-Charles. Während die regulären französischen Streitkräfte sich von Beauport und Québec her näherten, nahmen kanadische und indianische Scharfschützen von Bäumen und Büschen aus die linke britische Flanke unter Beschuss. Die Milizen hielten ihre Positionen während der ganzen Schlacht und ließen sich während des allgemeinen Rückzugs von dort zurückfallen; schließlich hielten sie die Brücke über den Rivière Saint-Charles.

Rund 3300 britische Soldaten bildeten eine flache Hufeisenformation, die sich über die gesamte Breite des Hochplateaus erstreckte; die Hauptfeuerlinie war rund einen Kilometer lang. Um das gesamte Hochplateau abzudecken, musste Wolfe seine Soldaten zwei Reihen tief anordnen (statt der sonst üblichen drei Reihen). Am linken Flügel lieferten sich Regimenter unter Townshend einen Schusswechsel mit den Milizen im Gebüsch und nahmen mehrere Häuser sowie eine Getreidemühle ein, am die Linie zu verankern. Die Verteidiger trieben die Briten von einem der Häuser weg, wurden jedoch zurückgeschlagen, woraufhin sie mehrere Häuser in Brand steckten, um sie nicht in die Hand des Feindes fallen zu lassen. Der aufsteigende Rauch verbarg die linke britische Flanke und trug möglicherweise dazu bei, dass Montcalm die Breite der Linie falsch einschätzte. Als Wolfes Männer auf die Verteidiger warteten, wuchs das Feuer so stark an, dass er ihnen befahl, sich im hohen Gras und Gebüsch hinzulegen.

Als die französischen Truppen aus Beauport eintrafen, beschloss Montcalm (einer der wenigen Berittenen auf dem Feld), dass ein zügiger Angriff die einzige Möglichkeit sei, die Briten aus ihrer Position zu vertreiben. Dementsprechend stellte er die in und nahe Québec verfügbaren Truppen auf und bereitete einen sofortigen Angriff vor, ohne auf weitere Verstärkung aus Beauport zu warten. Er ordnete die rund 3500 Soldaten an: die besten regulären Soldaten in drei Reihen, andere in sechs Reihen und das schlechteste Regiment in einer Kolonne. Um 10 Uhr befahl Montcalm einen allgemeinen Vorstoß in Richtung britische Linie. Auf seinem schwarzen Pferd sitzend, winkte er mit dem Schwert, um die Männer zu ermutigen.

Montcalm setzte als europäisch geschulter militärischer Anführer auf große, standardisierte Schlachtformationen, bei denen Regimenter und Soldaten sich in präziser Ordnung bewegten. Eine solche Vorgehensweise erforderte disziplinierte Truppen, die monatelang auf dem Paradeplatz akribisch gedrillt worden waren, um im Takt zu marschieren, Formationen auf ein Wort hin zu ändern und angesichts von Gewehrsalven und Bajonett-Sturmangriffen zusammenzuhalten. Die regulären Regimenter (die troupes de terre oder metropolitains) waren an diese formelle Kriegführung gewohnt, doch im Laufe der Kampagne waren ihre Reihen mit weniger professionellen Milizionären ergänzt worden, deren Talente als Guerillakämpfer das Individuelle hervorhoben. Sie neigten dazu, früh zu schießen und sich zu Boden fallen zu lassen, um nachzuladen, wodurch der Effekt konzentrierten Feuers auf geringe Distanz verringert wurde.

Als sich die Franzosen näherten, hielten sich die britischen Linien zurück. Wolfe hatte 1755 eine Schießmethode entwickelt, um französische Kolonnenvorstöße zu stoppen. Zu diesem Zweck wartete das aus dem 43. und 47. Infanterieregiment bestehende Zentrum, bis sich die vorrückenden Franzosen auf etwa 30 Meter genähert hatten und eröffnete das Feuer massiert auf kurze Entfernung. Beide Armeen warteten etwa zwei bis drei Minuten, bis die Franzosen schließlich zwei ungeordnete Salven abfeuerten. Wolfe hatte seine Soldaten angewiesen, als Vorbereitung auf dieses Gefecht ihre Musketen doppelt zu laden. Nach ihrer ersten Salve rückten die britischen Linien einige Meter vor und feuerten eine zweite Salve auf die Franzosen ab. Der nachfolgende Angriff mit aufgepflanzten Bajonetten zermürbte die Franzosen und zwang sie zum Rückzug.

Wolfe, der beim 28. Regiment und den Louisbourg-Grenadieren positioniert war, hatte sich zu einer Anhöhe begeben, um die Schlacht zu beobachten. Zu Beginn des Kampfes war er am Handgelenk getroffen worden, hatte die Wunde jedoch verbunden und machte weiter. James Henderson von den Louisbourg-Grenadieren war beauftragt worden, die Anhöhe zu halten und berichtete anschließend, dass Wolfe wenige Augenblicke nach dem Feuerbefehl von zwei Kugeln getroffen wurde. Die erste traf die Magengegend, die zweite (letztlich tödliche) die Brust. Laut Knox schrie einer der Soldaten in Wolfes Nähe: „Sie rennen, seht wie sie rennen!“ Am Boden liegend öffnete Wolfe seine Augen und fragte, wer denn renne. Als er erfuhr, dass die Franzosen flohen, erteilte er mehrere Befehle. Er drehte sich zur Seite und sagte: „Jetzt, Gott sei gelobt, werde ich in Frieden sterben.“ Kurz darauf erlag er seinen Verletzungen.

Da Wolfe tot und mehrere wichtige Offiziere verwundet waren, war die Verfolgung der zurückweichenden Franzosen desorganisiert. Das 78. Regiment (Fraser Highlanders) erhielt von Brigadier James Murray den Befehl, den Franzosen mit gezogenen Schwertern hinterherzurennen. Nahe der Stadtmauer gerieten sie jedoch ins Feuer einer Batterie, welche die Brücke über den Rivière Saint-Charles abdeckte; auch von Milizionären, die auf den Bäumen geblieben waren, wurden sie unter Beschuss genommen. Das 78. Regiment erlitt die höchsten Verluste aller britischen Einheiten in der Schlacht. Townshend übernahm das Kommando und bemerkte, dass sich hinter ihnen Bougainville von Cap Rouge her näherte. Rasch formierte er zwei Bataillone und sandte sie den vorrückenden Franzosen entgegen. Bougainville zog sich zurück, während Montcalms Armee den Rivière Saint-Charles überquerte. Letztlich war es Townshends Manöver, das den britischen Sieg sicherte.

Während des Rückzugs wurde der noch immer berittene Montcalm entweder von einer Kartäsche der britischen Artillerie oder von wiederholtem Musketenfeuer getroffen. Dabei erlitt er Verletzungen am Unterleib und an der Hüfte. Er schaffte es in die Stadt zurück, doch seine Wunden waren tödlich und er starb am frühen Morgen des darauf folgenden Tages. Montcalm wurde in einem Granatenkrater im Boden der Ursulinenkapelle beigesetzt Die Schlacht resultierte in einer ähnlich hohen Opferzahl auf beiden Seiten: 644 Franzosen wurden getötet oder verwundet, während die Briten 658 Tote und Verwundete zählten.

Als Folge der Schlacht machte sich unter den französischen Truppen Verwirrung breit. Gouverneur de Vaudreuil, der später in einem Brief an die Regierung ausschließlich den verstorbenen Montcalm für die Niederlage verantwortlich machte, beschloss die Aufgabe Québecs und des Uferbereichs von Beauport. Er befahl allen seinen Truppen, nach Westen zu marschieren, um schließlich zu Bougainville zu stoßen.

Zunächst unter Townshends Kommando und später unter Murray machten sich die Briten daran, gemeinsam mit Saunders’ Flotte die mittlerweile umzingelte Stadt zu belagern. Fünf Tage später, am 18. September, ergab sich die französische Garnison, woraufhin Ramezay, Townshend und Saunders die Kapitulationsvereinbarung unterzeichneten. Darin verpflichteten sich die Briten, die Zivilbevölkerung und ihr Eigentum zu schützen sowie die freie Religionsausübung der Katholiken zu garantieren.

Die britische Flotte sah sich gezwungen, Québec zu verlassen, da der Fluss zuzufrieren begann. Vor der Eisschmelze im April marschierte Francois Gaston de Levis Montcalms Nachfolger, mit rund 7.000 Soldaten nach Québec. Die Briten unter dem Kommando von James Murray waren geschwächt, mehrere hundert Soldaten waren im Verlaufe des Winters an Skorbut gestorben. Diese Schlacht war verlustreicher als jene auf der Abraham-Ebene. Zwar wurden die Briten geschlagen, doch gelang es ihnen, sich hinter die Stadtmauern zurückzuziehen. Der Mangel an Artillerie und Munition sowie mittlerweile vorgenommene Verbesserung an den Verteidigungsanlagen machten es den Franzosen unmöglich, die Stadt vor dem Wiedereintreffen der britischen Flotte Mitte Mai einzunehmen. Die Seeschlacht in der Bucht von Quiberon vor der Küste Frankreichs führte zur Zerstörung der französischen Flotte, so dass kein Nachschub mehr nach Neufrankreich gelangen konnte. Am 8. September beugten sich die verbliebenen französischen Truppen bei Montreal der britischen Übermacht und kapitulierten. Mit dem Pariser Frieden musste Frankreich seine Besitzungen in Nordamerika abtreten.

Der größte Teil des Uferbereichs von Anse au Foulon, wo William Howe und seine Männer am Morgen der Schlacht den Hang hinaufkletterten, ist heute eine Industriezone. Die Abraham-Ebene wurde etwa zu zwei Drittel überbaut; im natürlichen Zustand erhalten geblieben ist die dem Sankt-Lorenz-Strom zugewandte Seite.

Für 1909 waren große Feiern und Militärparaden zum 150. Jahrestag der Schlacht auf der Abraham-Ebene geplant, was bei Frankokanadiern Unbehagen auslöste. Sie befürchteten, die Feiern würden zu einer Jubelveranstaltung des britischen Empire verkommen. Politischer Druck aus Québec führte dazu, dass die Feiern um ein Jahr vorverschoben wurden und stattdessen dem 300. Jahrestag der Stadtgründung durch Samuel de Champlain gewidmet waren.

Europäische Künstler und Theoretiker hingegen setzen sich auch in der Folge Wests zunächst weiterhin mit der Darstellungsform auseinander. Richardson und Shaftesbury plädierten für eine Zentrierung der Heldenfigur; in ihr müssten Mimik und Gestik so ausgerichtet sein, dass der Betrachter moralisch und teilnehmend durch das Bild angesprochen wird. Der Engländer Joshua Reynolds nahm in seiner Kunstdoktrin nochmals Bezug zu den Regeln der Académie Française. Die Ausbildung eines Malers sollte ihm zufolge drei wesentliche Elemente beinhalten: Die Anweisung zum Zeichnen, das Kopieren von Vorbildern und das Studium der Antike. Diese konservativen Gedanken vermengten sich allerdings mit einer veränderten Ausrichtung auf die Rezipientenschaft. Reynolds lehnte die Idealisierung einzelner ab und folgte dem Wandel der Gesellschaft, indem er eine stärkere Ausrichtung der Bilder an dem bürgerlichen Publikum forderte.

Die ursprüngliche Hängung des wohl in den späten siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts entstandenen Werks Selbstporträt Reynolds mit der Büste Michelangelos ist durch ein Gemälde von Singleton aus dem Jahr 1795überliefert. Das Porträt hing an der Südwand der Assembly Hall des am 16. Oktober 1780 eingeweihten Somerset Houses, das unter der Leitung von William Chambers für die 1768 gegründete Royal Academy of Arts in den Jahren 1778 - 1780 geplant und errichtet wurde. Ob Reynolds dieses Werk als Auftragsarbeit für die Royal Academy schuf oder ob er es als ihr erster Präsident für die Einweihung des Neubaus stiftete, dazu schweigen die Quellen des Somerset Houses. Doch bietet die bildlich tradierte ursprüngliche Hängung und die damit erhaltene primäre Funktion des Bildnisses eine selten vorhandene Möglichkeit, das Selbstporträt nicht nur typologisch und ikonographisch, sondern auch nach dem soziokulturellen Kontext seiner Hängung zu befragen.

Die mythologischeätiologie der griechischen Antike weist Narkissos und seinem Spiegelbild die erste bewusste Selbstporträtierung zu und setzt mit seinem suizidalen Ende zugleich eine Warnung vor allzu großer Selbstbespiegelung. Ob die griechische und römische Antike die künstlerische Form des Selbstporträts kannte, muss - solange eindeutige archäologische Funde fehlen - spekulativ bleiben. Doch werden zwei literarische Quellen über das Mittelalter hinweg tradiert, die von zwei antiken Formen der Selbstporträtierung künden: Zum einen soll ein skulptiertes Kryptoselbstporträt des Phidias auf dem Schild vor dem Kultbild der Athena im Parthenon existiert haben, zum anderen wird aus einem Epigramm des Apelles gedeutet, dass er sein Selbstporträt gemalt habe. Die literarische Tradition des Pliniuszitates zu dem Kryptoselbstporträt des Phidias - bereits von Cicero als Ersatz für eine schriftliche Signatur interpretiert8 - könnte einige Künstler des Hochmittel- alters neben einer zunehmenden Signierfreude zu Selbstporträts in Assistenz auf ihren Werken angeregt haben. Doch erst Petrarca leitet in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit dem Hinweis auf den bedeutenden Ort, an dem Phidias diese Selbstporträtierung vor- nahm, ein Recht des Künstlers auf Selbstporträtierung und Signatur ab. Eine im geschaffe-nen Werk sich zeigende Künstlergröße müsse dort auch dokumentiert werden. Die Reaktion der Maler des beginnenden Quattrocento äußert sich in einer Fülle von Selbstporträts in Assistenz in ihren Bildern. Für diese Signatur in effigie entwickelt man einen speziellen Typus: Das Selbstporträt in Assistenz wird zunehmend vom Bildraum oder im Maßstab abge- trennt, fingiert oder real gerahmt. Da mit der gleichzeitigen Zunahme von Stifterbildern im 15. Jahrhundert insgesamt mehr Porträts in den Gemälden auftreten, fördert dieses Verfahren den repräsentativen Charakter der Selbstporträts. Auf die römischen Ahnenbilder, die der virtus, der memoria und dem exemplum der Verstorbenen dienen, lassen sich die ersten Porträtdarstellungen auf den italienischen Grab- mälern der Frührenaissance zurückführen. Sie werden in Einzelfällen - wie bei Mantegna - noch vom lebenden Künstler für seine eigene memoria gefertigt. Auch das im Späthellenis- mus entstandene und in die Kunst der römischen Kaiserzeit integrierte imago clipeata wird im sepulkralen und memorialen Kontext sowohl als Künstlerbildnis als auch als Selbstporträt wieder verwandt.

Antike Gemmen und Münzen scheinen für Alberti das Vorbild gewesen zu sein, als er um 1435 zwei Bildnisplaketten von sich anfertigt.ähnliche Darstellungen von Selbstbildnissen auf Plaketten und Medaillen, deren Rückseite die Künstler zu allegorischen Darstellungen nutzen, finden sich im 15. Jahrhundert nur in Italien. Getragen vom traditionellen Gedanken der memoria sind sie dennoch, vom Künstler selbst entworfen, Aus- druck eines neuen Künstlerbewusstseins und weisen ein breites Spektrum an Selbstdarstellungen auf. Adressaten dieser Form der Selbstdarstellung sind die adligen Gönner an den italienischen Renaissancehöfen. Von ihrem Interesse an den Künstlern, deren Tätigkeit als Ausgestalter ihrer fürstlichen Repräsentation an Bedeutung gewinnt, zeugen auch die ersten Selbstporträts, die in den adligen Gemäldesammlungen ihrer Paläste hängen. Als erstes, nur in einer Kopieüberliefertes italienisches Selbstporträt scheint dasjenige von Alberti seinen Weg in den florentinischen Palazzo Ruccellai gefunden zu haben. Zunehmend entwickelt sich zwischen Auftraggeber und Künstler eine enge Bindung, die bei geschätzten Malern durch die Aufnahme ihres Selbstporträts in die Ahnengalerie des Auftraggebers dokumentiert wird. Gleichzeitig mit dem faktischen Prestigegewinn einzelner Maler erfolgt in den kunstästhetischen und philosophischen Schriften der Renaissance eine Evaluierung der Malkunst als achte ars liberalis . Vasari zeigt dies 1542 als Erster ikonographisch in seinem Entwurf zu den Fresken in der Stanza della fama seines Hauses in Arezzo und in dem Entwurf für die Sala del disegno oder Sala delle arti in seinem florentinischen Künstlerhaus . Als die neugegründeten Akademien in Florenz 1563 und Rom 1590 im 16. Jahrhundert von jedem Akademiemitglied ein Selbstporträt als Aufnahmebedingung fordern, entsteht ein besonderer, repräsentativer Typus des Selbstporträts, der bis ins 18. Jahrhundert hinein fast unverändert tradiert wird. Eine eigene Galerie ausschließlich mit den Selbstporträts herausragender Künstler entsteht unter Cosimo I. in Florenz. Seiner Bitte und der seiner Nachfolger um ein Selbstbildnis kommen viele Künstler mit einer Widmung ihres Porträts für die herzogliche Sammlung zuvor.

Den Weg vom mittelalterlichen Handwerker zum Künstlergelehrten der Renaissance begleiten in Italien zunehmend Selbstdarstellungen, in denen sich der Künstler mit Attrib]uten der Gelehrsamkeit umgibt und /oder gleichzeitig ein breites Spektrum seines Könnens zeigt. 1510 malt sich Giorgione als erster mit einer abrupten Kopfdrehung, die ikonographisch als Ausdruck des Malergenius typenbildend für die Entwicklung des Selbstporträts wird. Er stellt sich als David dar, erweitert sein Selbstporträt dadurch um die Aura des königlichen Literaten und Sängers. Einer numinosenüberlagerung des eigentlichen Selbstporträts fehlt in Italien die Resonanz, doch findet sich ein vergleichbarer Ansatz in dem zeitlich davor liegenden Münchener Selbstbildnis Dürers.

Erweitert wird in den Selbstbildnissen der Hochrenaissance nicht nur die Ikonographie, sondern auch die Bildgröße. Zunehmend stellen sich die Künstler nicht mehr im Brustbild, sondern als Halbfigur dar. Als erster zeigt sich Bandinelli zwar noch sitzend, jedoch in ganzer Figur. Als Künstlerfürst in stehender Ganzfigur malt sich Rubens in dem Selbstporträt von 1597, als Halbfigur vor fürstlichem Hintergrund mit Säule und Draperie in dem Selbstbildnis von 1599. Sein Schüler van Dyck vollzieht die endgültige Wandlung vom mechanischen Handwerkerkünstler zum malenden Hofmann, der sich - wie die anderen Kavaliere - mit den zeitgenössischen Attributen des Hofmannes darstellt.

Mit der Allegorisierung der Pictura und ihrer bildlichen Darstellung während des Malvorgangs setzt ein weiterer Typus des Selbstporträts ein, der den Künstler im Schaffensprozess vor seiner Leinwand zeigt. Der Blick der Figur aus dem Bild heraus wird dabei als Blick in den Spiegel gedeutet, um auf die große Authentizität des Abbildes zu verweisen. Manche Selbstbildnisse kommentieren diesen Vorgang zusätzlich schriftlich auf ihrer Leinwand. In den protestantischen Niederlanden entwickelt sich aus diesem Typus das allegorisierende Selbstbildnis und das vanitas -Selbstbildnis . Auch Sonderformen der Darstellung des Malers als Repräsentant der Sinne oder Selbstbildnisse, welche die pädagogische Aufgabe des Malers betonen, folgen diesem Typus. Im späten 17. Jahrhundert und zu Beginn des 18. Jahrhunderts wird meist die Präsentation eines fertigen Werkes auf der Staffelei dem dokumentierten Malvorgang vorgezogen. Es wer- den jedoch bis auf die Sonderformen des vanitas -Selbstbildnisses und des allegorisierenden Selbstbildnisses alle Typen bis ins 20. Jahrhundert hinein genutzt.

Bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein erschöpfte sich das kunsthistorische Interesse am Selbstporträt, das entweder als repräsentative Wiedergabe des eigenen Ichs oder als autobiographisches Dokument behandelt wurde, in dokumentarischen und psychologi- schen Fragestellungen. Doch fehlte zu beidem die notwendige Basis. Ohne einer im Vorfeld präzis analysierten historisch formal bedingten Gestaltung und einer aus ihr entwickelten Typologie des Selbstporträts konnte die jeweils intendierte funktionale kunsthistorische Einordnung im Einzelfall nur vage erfolgen. Gleichzeitig ermunterte dieser Mangel eine subjektiv-psychologisierende Interpretation. Hier wurde das mögliche Erkenntnisspektrum der Selbstporträts ungebührlich ausgeweitet. Zahllose Interpretationsversuche zu Rembrandts Selbstbildnissen zeugen von diesem Versuch.

Den Anstoß zu einer neuen Betrachtungsweise der Selbstporträts gibt 1984 Raupp mit seiner typologischen Untersuchung über die niederländischen Künstler- und Selbstporträts des 16. und 17. Jahrhunderts. Er weist selbst darauf hin, dass er seine im Rahmen einer Dissertation entstandene Arbeit als Anregung verstanden wissen möchte, weiterhin auf diesem Felde tätig zu sein, auf dem noch fast alles brachliege. Dieser Aufforderung wird gefolgt. Nach Schweik- harts Veröffentlichungen von 1990 und 1993über einzelne Aspekte des Selbstbildnisses in der Renaissance liegt seit 1998 mit Marschkes Dissertation Künstlerbildnisse und Selbst- porträts eine Untersuchungüber die funktionale Entwicklung dieser Bildnisform von der Antike bis zur Renaissance vor. Für das im Augenblick in der kunsthistorischen Forschung stiefmütterlich behandelte 18. Jahrhundert28 steht eine Typologisierung der Selbstporträts noch aus. Doch beschäftigen sich einige großangelegte Studien zur englischen Porträtkunst des 18. Jahrhunderts wie Hanging the head von Pointon und The Georgians von Shawe-Taylor auch mit dem soziokulturellen Kontext dieser Sonderform der Porträtgattung.

Das mangelnde Interesse der kunsthistorischen Forschung an der Kunst des 18. Jahrhunderts wirkte sich bis heute nachhaltig auf die Rezeption eines Malers wie Reynolds aus, der weder dem Rokoko noch dem beginnenden Klassizismus zuzuordnen war und dessen Werk fast nur aus Porträts besteht. So widmen die großen internationalen Abhandlungen über die Kunst des 18. Jahrhunderts Reynolds oft nur wenige Zeilen, verbannen ihn in Anmerkungen oder erwähnen ihn gar nicht. Selbst in England wird es nach seinem Tode still um ihn. Die Bewegung der Romantik bricht mit dem Typus des intellektuellen Maleraristokraten - einem Typus, dem Reynolds erst zum nationalen Durchbruch verholfen hatte - und huldigt einem subjektiven, allein seinem Genius verpflichteten Künstlertum, das sich oft bewusst verrätselt. So geraten sowohl Reynolds Bilder als auch seine theoretischen Schriften bald nach seinem Tod in Vergessenheit. Nur zwei Biographien, von denen eine von seinem Schüler Northcote verfasst wurde, und eine Edition eines Teils seines theoretischen Nachlasses erscheinen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Erst 1867, als man in der neugegründete National Portrait Gallery in London in einer Ausstellungüber die Zeit George III. einige Reynoldsbilder zeigt, ändert sich dies schlagartig. Von den Stichen seiner Bilder werden in einer Woche bis zu 5000 Exemplare verkauft. Weite Teile der englischen Bevölkerung entdecken durch dieöffnung der englischen Landsitze mit ihren oft reichen Porträtsammlungen einen neuen Aspekt ihrer Geschichte und werden zu leidenschaftlichen Sammlern dieser Porträtstiche. Das neu erwachte Interesse an Reynolds dokumentieren weitere Biographien um die Jahrhundert- wende, u.a. von Armstrong, und die erste wissenschaftliche Beschäftigung mit seinen Bil- dern. Es erschwert die Katalogisierungsarbeiten, dass [auch noch heute] fast 90% aller Bilder sich in Privatbesitz befinden.

Erst 1936 kann Waterhouse zur ersten großen postumen Reynoldsausstellung in der Royal Academy einen kritischen Katalog zu den gezeigten Bildern vorlegen. Waterhouse entdeckt auf seinen zahlreichen Reisen durch die englischsprechenden Staaten weitere Bilder von Reynolds, die er kritisch beurteilt und katalogisiert. Nach seinem Tod hat sein langjähriger Mitarbeiter David Mannings diese Arbeit fortgeführt und im Jahr 2000 einen vollständigen Katalog sämtlicher Bilder Reynolds veröffentlicht Bereits 1973 erscheint als Folge des in den siebziger Jahren zunehmenden Interesses am soziokulturellen Kontext von Porträts auch ein Verzeichnis sämtlicher Stiche der Reynoldsbilder, herausgegeben von Hamilton. Umfangreiche Arbeiten von Wendorf, Pointon etc. beleuchten nicht nur Reynolds Position als intellektueller Maler und als Kunsttheoretiker des 18. Jahrhunderts, sondern sie beschäftigen sich auch mit der praktischen Organisation seines Ateliers und mit der sozialen Situation der Käuferschicht. Anstoß dazu gibt u.a. die 1986 von Nicholas Penny organisierte Reynolds-Ausstellung in London. 1990 wird die erste umfangreiche deutschsprachige Dissertation zu Reynolds von Renate Prochno in München veröffentlicht. Sie versucht, seine Bilder vor dem Hintergrund seiner theoretischen Schriften einzuordnen. In den letzten Jahren häufen sich die kunsthistorischen Abhandlungenüber Reynolds. Um so verwunderlicher ist es, dass die beachtliche Anzahl von Selbstporträts bis heute noch unbeachtet geblieben ist.

Das Selbstbildnis in öl auf Holz mit den Maßen 127x101cm gehorcht dem gängigen Halblängen-Format. Es zeigt Reynolds von den Oberschenkeln aufwärts. Sein nach rechts [vom Dargestellten aus] gewandter Oberkörper - die rechte Schulter fast parallel zum horizontalen Bildrand - und sein Kopf sind dem Betrachter in Dreiviertelansicht zugewandt. Die rechte Hand stützt sich mit dem Handrücken zum Körper in die rechte Seite. Darüber wird der kantig abduzierte rechte Arm im Ellenbogen von der linken vertikalen Bildseite ge- schnitten. Aus dem verkürzten, zum Bildgrund gedrehten Kontur der linken Körperseite ent- wickelt sich auf der Höhe des Bauchansatzes vom Ellenbogen abwärts der linke, schräg abfal- lende Arm. Die um zwei Handschuh fest geschlossene linke Hand ruht in Taillenhöhe auf einemüppig verzierten Tisch, dessen Breitseite von der rechten vertikalen Bildseite geschnit- ten wird. Gekleidet ist Reynolds in einen Mantel und eine diskret durchgeknöpfte Weste. Der hinter der eingestützten rechten Hand zurückgeschlagene Mantel lenkt den Blick auf eine fast horizontal aufgesetzte Taschenklappe mit bogenförmiger Ausziehung in der Mitte der Weste. Sie wird gerahmt durch eine umlaufende, pelzverbrämte, schräg an den Mittelkanten angesetzte Bordüre mit bezogenen Stoffknöpfen an beiden Mantelseiten. Unverziert, in weiter Glockenform fallen die stoffreichen Mantelärmelüber die Handgelenke und geben nur ein schmales Spitzenjabot der Manschetten des darunter getragenen Hemdes frei. Den dreiecki- gen Ausschnitt der Weste besetzt eine Spitzenkrawatte, fortgesetzt als welliger Stehkragen über dem Pelzbesatz des Mantels. Aus ihm erhebt sich der leicht nach rechts gewandte ovale Kopf mit einem kräftigen Kinn und einer weich modellierten Wange. Kopfwendung und eine Verschattung der linken Gesichtshälfte durch ein weit in die Stirn getragenes dunkles Barett verwehren den Blick auf das gesamte Gesicht. Unter einer sanft ausgeschwungenen, kräftig gezeichneten Braue blickt das rechte Auge mäßig geöffnet auf den Betrachter. Aus dem inneren Brauenwinkel entwickelt sich der Kontur einer recht langen, geraden Nase mit einem breiten rechten Nasenflügel. An dessen auslaufendem seitlichen Ende führt diskret eine Naso- labialfalte zum weichen Mund und setzt sich in einem leichten Grübchen fort. Denübergang von Wange und Haaransatz betont das zunächst straff aus dem Gesicht gekämmte dunkel- blonde Haar, das oberhalb des Ohrläppchens in zwei weich ondulierte Haarsträhnen gelegt ist. Darüber senkt sich kreisförmig der tiefe Schatten des Baretts. Hinter Reynolds auf den Tisch gestützter linker Hand steht im Schatten, nur schwach konturiert, eine Büste Michelangelos im Profil nach links.

Weder die Situation der vom Betrachter durch keine Barriere getrennten Figur noch ihre Rela- tion zur Büste und zum Hintergrund sind perspektivisch eindeutig verankert. Doch spannen der rechte angewinkelte Arm, die zur vertikalen Mittelachse hin gedrehte Körpermitte und der ausgestreckte linke Arm einen Raum auf, der in den Bildgrund hineinführt. Dieser Raum wird durch die schräg zur vertikalen Mittelachse hin stehende Büste weiter geöffnet. Obwohl die von Figur - die aufrechte, in der Standachse fast vertikale Figur füllt die Hälfte links der Mittelachse - und Büste beanspruchten Malflächen von unterschiedlicher Ausdehnung sind, besetzen beide eine vertikal geteilte Bildhälfte. Nur der linke Arm der Figur schiebt sich in die rechte Hälfte hinüber. Die vertikale Mittelachse selbst bleibt - außer einer Barettspitze bis zur Höhe des linken Ellenbogens - dem Hintergrund vorbehalten. Sowohl Figur als auch Büste schneiden einen vertikalen Bildrand.

Der Dominanz der Vertikalen entgegen konstituiert sich als breite horizontale Basisüber dem unteren Bildrand zum einen die pyramidal aufgebaute Figur in unverkürzter Darstellung der rechten Körperseite vom Niveau des Oberschenkels bis zur Taillenhöhe, zum anderen die An- gabe des reich verzierten Tisches, auf welchem die linke Hand ruht. Sowohl das Standmotiv des Malers als auch die Standsituation des Tisches sind dem Betrachter entzogen. Figur und Büste sind in Untersicht gegeben.

Über dem Dunkel dieser Basis leuchten beide Hände der Figur. Sie liegen auf einer Bildhöhe - parallel zum unteren Bildrand - und spannen fastüber die gesamte Bildbreite mit ihrem hellen Inkarnat die Grundseite eines Dreiecks auf, dessen Scheitelpunkt im hell erleuchteten Oval des Gesichtes liegt. Das Gesicht ist auf Kosten des Craniums vergrößert, der Kopf- umfang der Figur in Relation zu ihrer Körpergröße verkleinert. Die gesamte Figur setzt sich aus mehreren Dreiecken zusammen: die vom weiten ärmel des angewinkelten rechten Arms eingenommene Fläche, der zum Hals hin spitz zulaufende Torso, das mit der Spitze nach unten gerichtete Dreieck des Gesichtes und ein kleines, spitzes Dreieck im dunklen Barett darüber, das senkrechtüber der Kinn- und Nasenspitze liegt. Den Kopf der Büste hingegen umgibt ein kantiger, fast rechtwinkliger Kontur, der an der oberen Stirnwölbung und in der Ausbuchtung des Hinterkopfes von der geraden Linie abweicht. Eine tangential am Kopf der Büste und an der Vorderseite des Baretts gezogene Linie würde die obere linke Bildecke schneiden. Parallel dazu verläuft der Kontur von linkem Arm und linker Körperseite. In unter- schiedlicher Höhe - der Halsansatz der Büste gehört bereits zur unteren Bildhälfte - fallen sowohl die rechte Schulter der Figur als auch die linke Schulter der Büsteähnlich stark zum jeweiligen Bildrand hin ab.

Leicht und transparent - als unbegrenzter Raum - umhülltüber der fast völlig von den Figuren des Vordergrundes gefüllten unteren Bildhälfte ein zart schattierter Hintergrund die Köpfe dieser Figuren im oberen Teil.

Die Figur ist organisch durchgebildet und präsentiert sich in alternierenden vor- und zurück- weichenden Bewegungen. Vom rechten Ellenbogen abwärts ist der Arm dem Betrachter zu- gewandt, vom Ellenbogen aufwärts biegt er sich in den Bildgrund hinein, wird oberhalb des Ellenbogens leicht vom vertikalen linken Bildrand geschnitten und läuft dann tangential auf die Schulter zu. Die rechte Körperseite ist etwasüber das Profil hinaus dem Betrachter zuge- wandt. Durch die in den Bildgrund sich hineindrehende linke Körperseite entsteht hier ein schmaler Kontur, den erst der Kontur des auf Herzhöhe sichtbaren linken Oberarms erweitert und diagonal zum Tisch hin abfallend ausklingen lässt. Zwischen dem durch den rechten El- lenbogen und die vorgestreckte linke Hand erweiterten Bildraum konstituiert sich also die Figur, deren Körper um das Volumen des reich drapierten Mantels vergrößert wird.

Die streng statuarische Form der Darstellung mit einer Bindung der Figur an die Ebene hat Reynolds durch eine gelöste Körperachse in seinem Selbstporträt verlassen. Trotz des ge- wählten Formats der Halbfigur mit der kostbaren Textur des Mantels verrät dies dem versier- ten Betrachter, dass es sich nicht um ein Fürstenporträt handeln kann. Seine Erweiterung des Bildraums durch Volumen, Gewandbildung und ausgreifende Gestik rekur- riert typologisch auf die Selbstporträts von Rubens. Gleichzeitig nähert er sich mit diesem Typus einem aristokratischen Ideal, das Rubens als erster in seiner Selbstdarstellung als Hofmann intendiert hatte. Die Angabe beider Hände, ein untrügliches Zeichen45 von Vornehmheit, in ihrer raffiniert und schwierigen Darstellung vor weißer Spitze - schon bei Rubens ein wichtiges Motiv - wird in den Porträts seines Schülers van Dyck ein unverzichtbares Motiv seiner Porträtkunst. Mit ihnen erhebt van Dyck in seinen Selbst- und Künstlerbildnissen die meist attributlosen Künstler in den Rang von Virtuosi und Kavalieren, macht sie den Porträts der Aristokraten ebenbürtig. Dazu tragen auch die meist nur auf einer Hand getragenen oder in der Hand gehaltenen Handschuhe bei, die ein geeignetes Motiv für eine geschlossene Hand bieten und ikonographisch ein Indikator der Höhe des sozialen Status sind. Typologisch zeigt Reynolds sowohl in den weit voneinander platzierten Händen, der um die beiden Handschuhe geballten Hand links, aber auch mit dem eingestützten Arm rechts große Nähe zu van Dyck. Das Motiv des eingestützten Armes erscheint erst in den Bildern van Dycks, die nach seinem Italienaufenthalt entstanden sind, vielleicht nach Vorbildern römischer Kopien griechischer Rhetorenstatuen. Er verwendet es jedoch häufiger für Fürsten- und Adelsporträts als für Porträts von Wissenschaftlern oder Künstlern. Im Frankreich des späten 17. und im 18. Jahrhundert wird es als Würdeformel ein obligates Zitat in den Selbstporträts der Akademie. So kann sich Reynolds hier sowohl in der Nachfolge van Dycks als auch anknüpfend an die Tradition einer renommierten Akademie präsentieren. Formal greifen die strengen Dreiecke, konstituiert zu einer eckigen Figurenansicht, direkt auf den Formenschatz Tizians zurück, doch verzichtet Reynolds auf den barriereartigen Verschluss der Figur mit dem vorderen Arm, der sich bei Tizian in seitlichen Ansichten findet: Reynolds enthüllt nicht nur die Körpermitte der Figur vom Mantel, sondern eröffnet sie durch leichte frontale Drehung zum Betrachter hin.

Das Motiv deröffnung wird durch eine bewegt und malerisch gestaltete Ummantelung der Körperoberfläche betont. Diese Ummantelung dient der plastischen und malerischen Verein- heitlichung der Figur, der Unterordnung des Gliederhaften unter eine funktionale Einheit. Auch erweitert die Draperie den Raum, den die Figur einnimmt, und monumentalisiert sie. Vertikale Falten an denärmeln umschließen die nur durch horizontale Faltenangaben plas- tisch gedehnte Figurenmitte. Nicht in der sonst angewandten Lasurtechnik leuchtet pastos der Hemdkragen. Er erinnert an die Manier in einigen Selbstbildnissen von van Dyck und Rembrandt. Sein mattes Schimmernübertreffen die zahlreichen Lichtreflexe auf den erhabenen, peripheren Faltenpartien des Mantels, unterbrochen durch tiefe dunkle Faltentäler. Diese ausdrucksstarke, asymmetrische Formulierung der Gewandbildung schuf zuerst van Dyck in seiner Iconographie-Serie [1645 veröffentlicht] als inhaltliches Moment der charakterlichen Konstituierung des Typus des Künstlerporträts. In der Folgezeit wird sie zur Chiffre eines lebhaften künstlerischen Temperaments. Ikonographisch mehrdeutig gibt sich die Draperie in diesem Porträt: Neben derübernommenen tradierten Chiffre signalisiert die Doktorrobe nicht nur einen intellektuellen Anspruch des Porträtierten, son-dern auch seinen hohen sozialen Status.

Als rhetorische Funktion, um eine Kontaktaufnahme zum Betrachter aufzubauen, verwenden schon die mittelalterlichen Künstler eine scharfe Wendung des Kopfes entgegen der sich zum Bildgrund hin orientierten Körperachse. Vielleicht beeinflusst durch die Schriften Platos, der scharf zwischen den einzelnen Körperabschnitten und ihren daraus resultierenden Funktionen unterscheidet, wird die ursprüngliche rhetorische Funktion seit dem Selbstporträt Giorgiones als David von 1510 symbolisch überlagert: Die abrupte, scharfe Kopfdrehung wird zum Kennzeichen des Ingeniums, wie sie bereits der Jüngling in Raffaels Schule von Athen zeigt. Sowohl für die Allegorie der vera intelligenza als auch für die Allegorie der Pictura wird diese Kopfhaltung von Floris 1562 bzw. von Zuccari gewählt. Im 16. und im beginnenden 17. Jahrhundert bleibt diese Kopfhaltung meist auf Künstlerporträts be- schränkt, erst Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts zeigen auch die Porträts von Liebhabern der Künste sie. Als virtuosi mitähnlichen geistigen Fähigkeiten wie die Künstler steht ihnen dieser Typus in positura capricciosa zu. Reynolds gibt seiner Figur nicht die extrem starke Kopfwendungüber die Schulter hinweg, wie sie z. B. zwei Selbst- porträts von van Dyck zeigen, vielleicht weil ihm - in der Tradition der strengen Kunsttheorie der Renaissance stehend - die Ansichtigkeit unterschiedlicher Körperseiten obsolet war. Sondern er wählt eine gemäßigtere Kopfdrehung, die einerseits noch typologisch dem Künstlerbild folgt, sich andererseits auch der erhabenen Darstellung des Fürstenporträts nähert. Vorbild könnten ihm die Selbstbildnisse von Rubens als adliger Kavalier gewesen sein. Nähe zu Rubensäußert sich auch in dem Verzicht des linken Schulterkonturs auf der dem Betrachter abgewandten Seite der Figur und in der Ansicht des Gesichtes.

Die hier gewählte Form des Dreiviertelprofils mit Nähe zur reinen Profildarstellung - wie das verlorene Profil der Nase zeigt - verleiht durch die starke Differenzierung der beiden Ge- sichtshälften dem Gesicht einen lebendigen Ausdruck. Diese starke Verkürzung der abge- wandten Gesichtshälfte wird in der Porträtmalerei selten angewandt. In der Renaissance ver- wenden sie die großen Porträtmaler für Künstler- bzw. Selbstporträts. Noch Rubens wählt diese Ansicht für einige Selbstporträts und selbst van Dyck, der eine symmetrische Teilung des Gesichtshälften bevorzugt, malt sich gegen 1630 einmal mit stark verkürzter abgewandter Gesichtshälfte. Analog dem weit gedrehten Kopf kann auch eine asymmetrische Gesichts- aufteilung ikonographisch alsäußerer Ausdruck eines künstlerischen Ingeniums gedeutet wer- den: Dem Besitzer einer derartigen Physiognomie wird ein bewegter Geist zugesprochen. Die Schatten des Baretts auf der Stirn und dem linken Auge [der Figur], unterhalb der Nase und auf der oberen Kinnpartie verstärken diese Mobilität. Gleichzeitig entwickelt sich daneben eine seltsam weiche, in ihrer knochenlosen Form idealisierte rechte Gesichtshälfte. Sie ist dem Betrachter zugewandt, doch ohne rhetorische Funktion: Eine Kontaktaufnahme mit dem 13 Betrachter findet nicht statt. Die Augen, als Brennpunkt des mimischen Lebens in Künstler- bildnissen oft betont, sind hier stark zurückgenommen und nur mäßig offen. Nicht das Schauen als charakteristisches Merkmal des Künstlers wird hervorgehoben, sondern die Intuition. Diesäußert sich in der Verschattung der linken Gesichtspartie unter dem Barett, die seit Dürer als ein Symptom der faces nigra , der Melancholie, gedeutet wird. Diese Gemütsverfassung, von der auch die leicht zusammengezogenen Augenbrauen und der fast unmerklich nach unten herabgezogene Mundwinkel zeugen, gilt seit der Melancholia von Dürer, besonders in der niederländischen Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts, als ein Erkennungszeichen des künstlerischen Temperaments. Ein weiteres Indiz für ein ingenium virtutis präsentiert das glänzende, gelockte, nicht von einer Perücke bedeckte Haupthaar. Das Barett darüber vervollständigt nicht nur den akademischen Habitus, sondern ist zugleich Zitat mehrerer Selbstporträts von Rembrandt. Tangential auf einer Linie mit dem Barettkontur liegt im rechten Bildhintergrund der Scheitelpunkt der Büste Michelangelos.

Jacques-Louis Davids Werk gliedert sich in drei Epochen. Als Hofmaler des französischen Königshuases und Mitglied der franzöisischen Akademie schuf er zahlreiche Bilder mit antiken Motiven. Das gestische Pathos vieler seiner Figuren übernahm David von Jean-Baptiste Greuze.

David war zuerst Schüler von Joseph-Marie Vien. Er beteiligte sich 1771 mit dem Bild Mars im Kampf mit Minerva an der Ausschreibung zum Prix de Rome 1774 erhielt er für sein Gemälde Der Arzt Erasistratos entdeckt die Ursache der Krankheit des Antiochus den ersten Preis des Prix de Rome, ein Spipenium für einen mehrjährigen Aufenthalt in Rom.

In Rom widmete sich David dem Studium der Antike, Michelangelos und Raffaelswobei Raffael seinen Ehrgeiz besonders anstachelte. Daneben wirkten Guido Reni und Domenichino auf ihn ein. Diese verschiedenartigen Einflüsse zeigen sich auch in seinem Erstlingsbild, dem 1779 vollendeten heiligen Rochus mit den Pestkranken vor der Madonna.

Nachdem er 1781 nach Paris zurückgekehrt war, stellte er 1783 einen Belisar (Musée des Beaux-Arts, Lille) und 1784 eine trauernde Andromache aus. Im Auftrag des Königs malte er darauf den Schwur der Horatier (1784, im Louvre), der im Salon de Paris von 1785 großen Erfolg hatte. Man sah über das Theatralische der Situation, das unwahre Pathos und die trockene Färbung hinweg. Für dieses Bild hatte David neue Studien in Rom gemacht. In derselben Richtung bewegte sich der Stil der Gemälde La Mort de Socrate (1787) und 'Brutus, dem die Leichen seiner Söhne ins Haus gebracht werden' (1789, im Louvre, wo sich auch das 1788 gemalte Les Amours de Pâris et d'Hélène befindet).

Nach Beginn der Revolution wurde David politisch tätig und beeinflusste die französische Malerei. Im Auftrag der Gesetzgebenden Versammlung begann er den Schwur im Ballhaus, eine riesenhafte Komposition, die unvollendet geblieben ist. Als entschiedener Republikaner wurde er 1792 Mitglied des Corps électoral von Paris und Konventsdeputierter und stimmte als solcher für die Hinrichtung des Königs Ludwigs XVI.

Seine Stellung als Abgeordneter und Mitglied des Nationalkonvents nutzte David dazu, um in jenen Zeiten des Umsturzes so vieler Kunstinstitute manches zu erhalten. Andererseits betrieb er die Aufhebung der Akademie. In seiner Macht stand es, die Zerstörung vieler Kunstwerke zu verhindern; er unterließ es aber, weil er von den vielen alten Denkmälern der Malerei, Skulptur und Architektur nichts als gut anerkannte, sondern auch hier vom Grund auf neu schaffen wollte.

Als Jakobiner und Freund Robespierres übte er auch im Sicherheitsausschuss bedeutenden Einfluss aus; doch hatte dies die Folge, dass er in den Sturz Robespierres (Juli 1794) mit verwickelt war und eingekerkert wurde. Durch die Amnestie vom 26. Oktober 1795 bzw. die Bemühungen seiner Schüler und Verehrer wurde er gerettet. Während dieser wechselvollen Erlebnisse vollendete er zwei realistisch aufgefasste Gemälde, den Tod Lepelletiers de Saint-Fargeau und den Tod Marats. Auf seinem Bild Der Tod des Marat, das er 1793 im Auftrag des Konvents malte, stilisierte David den kurz zuvor ermordeten Jean Paul Marat zum politischen Märtyrer der Revolution. Deutlich einfacher in der Ausführung, jedoch kaum weniger berühmt ist Davids ebenfalls 1793 entstandene Federzeichnung mit der Darstellung der vormaligen Königin Marie Antoinette auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung am 16. Oktober 1793. Im Gefängnis entstand der Entwurf zu seinen Sabinerinnen, den er 1799 ausführte und der sich heute im Louvre befindet.

Schließlich bot Napoleons Machtergreifung eine neue Chance und somit den Beginn einer neuen Epoche für David. Das Monumentalgemälde Die Krönung Napoleons I und der Kaiserin Josefine in der Kathedrale Notre-Dame in Paris am 2. Dezember 1804 entstand in den Jahren 1806 / 1807. Es wurde 1808 im Regierungspalast aufgehängt und befindet sich ebenfalls im Louvre. In der Folgezeit entstanden viele Napoleon-Porträts und Schlachtenbilder.

Während der Herrschaft Napoleons verherrlichte David in seinen Bildern die Taten und Feste des Kaisertums. Davids Hauptwerke aus jener Zeit sind Napoleon zu Pferde, den St. Bernhard hinansprengend (Berliner Schloss, Trophäe Blüchers); die Krönung Napoleons (Louvre, le sacre genannt); Napoleon im Kaiserornat; die Verteilung der Adler 1810 (Museum in Versailles); das Fest auf dem Stadthaus etc. Außerdem schuf er 1814 Leonideas in den Thermopylen (im Louvre), das Porträt Pius VII und das Bildnis der auf einem Ruhebett hingestreckten Madame Recamier (Louvre).

Mit Napoleons ging auch Davids Glücksstern in Frankreich unter. Als „Königsmörder“ wurde er 1816 aus der Liste der Mitglieder des Instituts gestrichen und aus Frankreich verbannt. Eine Einladung des Königs von Preußennach Berlin, wo er die Direktion sämtlicher Kunstanstalten übernehmen sollte, schlug er aus und zog nach Brüssel, um wenigstens in der Nähe Frankreichs zu weilen. Hier malte er trotz seines Alters und sonstigen Missgeschicks weiter, stellte die dabei entstandenen Gemälde in Gent, Brüssel und einige auch in Paris aus, war aber nicht dazu zu bewegen, auf dem Weg der Bitte die Gnade des Königs von Frankreich, Louis XVIII, zu gewinnen.

Seine letzten größeren Gemälde, die jedoch seine alternde Hand und abnehmende Energie deutlich verraten, sind Der Zorn des Achilles (1819), Mars von Venus und den Grazien entwaffnet, Amor und Psyche und Der Abschied der Nymphe Eucharis von Telemach (1820).

David starb am 29. Dezember 1825 in Brüssel und wurde auf dem Friedhof von Evere bei Brüssel beigesetzt, abgesehen von seinem Herz, das auf dem Pariser Friedhof Pere Lachaise bestattet wurde

Die Zahl seiner Werke ist sehr groß; viele Gemälde befinden sich im Louvre und im Schloss Versailles.

David hat einen lange reichenden Einfluss auf die moderne französische Malerei ausgeübt. Auch hat er den Grund zu der gediegenen technischen Bildung gelegt, welche einen Hauptvorzug der französischen Schule ausmacht. Auch in einigen von seiner antikisierenden Richtung unabhängigen, auf naturalistische Auffassung gegründeten Bildnissen, hat er Dauerndes geschaffen. Seine historische Bedeutung ist im Zusammenhang mit der Französischen Revolution und der Napoleonischen Ära auf dem Gebiet der bildenden Kunst von epochaler Bedeutung.

Der Tod des Marat wurde im Sommer und Herbst 1793 in klassizistischem Steil in Öl Leinwand gemalt und misst 162 mal 128 cm. Es ist eine der berühmtesten Darstellungen von Ereignissen der Französischen Revolution.

Das Bild zeigt den sterbenden Jean Paul Marat als muskulösen Nackten: Er liegt in einer Badewanne, die Haare mit einer Art Turban verhüllt, im Schatten unterhalb seines Schlüsselbeins ist die Einstichwunde zu erkennen. Das Badewasser ist rot von Blut, vor der Wanne liegt die Tatwaffe, ein Messer. In seiner rechten Hand hält er eine Schreibfeder, in der linken einen Brief, auf dem die Worte lesbar sind: « du 13 juillet, 1793 / Marieanne Charlotte Corday au citoyen Marat. II suffit que je sois bien malheureuse pour avoir Droit à votre bienveillance. »

Auf der Wanne liegt eine Tischplatte mit Papieren, daneben eine einfache Holzkiste, auf der in Versalien unten die Widmung des Malers zu lesen ist: „À Marat, David.“ („Für Marat, David.“) mit einem Tintenfass, einer Assignate und einem weiteren Brief, in dem zu lesen ist: « Vous donnerez cet assignat à la mère de cinq enfants dont le mari est mort pour la défense de la patrie. »„Würden Sie diesen Assignaten der Mutter von fünf Kindern geben, deren Mann für das Vaterland gestorben ist.“

Der Hintergrund zeigt keinerlei Details und ist eher dunkel gehalten, nach rechts oben wird er heller. Die Bildkomposition ist streng klassizistisch. Eine Spannung erhält das Bild durch den Widerspruch, dass ein Ermordeter gezeigt wird, der aber noch Kraft in den Händen hat, Feder und Papier festzuhalten, und dessen Kopf auch noch nicht nach hinten oder vornübergesackt ist. David bemühte sich offenkundig, Marat im Moment des Sterbens zu zeigen.

Jean Paul Marat (1743–1793) war ursprünglich Arzt, Journalist, Mitglied im Club des Cordeliers und später auch im Jakobinerklub, sowie ab August 1792 Mitglied des. Wegen einer Hauterkrankung, die er sich angeblich zugezogen hatte, als er sich vor seinen Gegnern in der Kanalisation von Paris verstecken musste, war er in den letzten drei Jahren seines Lebens auf kühle Bäder zur Linderung der Symptome angewiesen. Wegen einer Verschlimmerung seines Leidens nahm er seit Juni 1793 kaum noch an den Parlamentssitzungen teil, blieb aber publizistisch aktiv. In seiner Zeitung l’Ami du Peuple rief er immer wieder zur Wachsamkeit gegenüber Verrätern, Verschwörern und so genannten Volksfeinden auf. Damit trug er zumindest indirekt zu verschiedenen revolutionären Gewalttätigkeiten bei, etwa zu den Septembermassakern 1792 oder zur Verfolgung der Girondisten nach ihrem Sturz im Juni 1793. Den girondistischen General Felix von Wimpffen, der sich im Sommer 1793 gegen den Nationalkonvent gestellt hatte und Caen besetzt hatte, bezeichnete er als „le plus vil des hommes“ – „den gemeinsten unter den Menschen“.

In Caen lebte die unverheiratete Adlige Charlotte Corday, die den Girondisten nahestand. Unter dem Einfluss der dort weit verbreiteten girondistischen Presse hielt sie Marat für den Urheber des Terrors, den sie erlebte. Sie beschloss, nach Paris zu fahren und ihn im Konvent zu ermorden. Am 11. Juli 1793 angekommen, erfuhr sie, dass Marat nicht mehr an den Konventssitzungen teilnahm. Daher versuchte sie ihn in seiner Wohnung in der rue des Cordeliers (heute rue de l’École de Médecine) aufzusuchen. Zu diesem Zweck hatte sie einen Brief an Marat verfasst, der mit dem auf dem Gemälde zitierten Worten endete. Zweimal wurde sie abgewiesen, beim dritten Mal drängelte sie sich mit einem Angestellten in die Wohnung. Von dem Lärm, den die Versuche, sie wieder hinauszuwerfen, verursachten, wurde Marat in seiner Badewanne aufgeschreckt und bat seine Lebensgefährtin Simone Evrard, Corday zu ihm zu bringen. Ohne ihm den Brief zu übergeben, verwickelte sie ihn in ein Gespräch über die Rebellion in der Normandie. Als Marat erklärte, er werde die Anführer „in ein paar Tagen alle guillotinieren lassen“, stach sie zu. Marat rief um Hilfe, einer seiner Angestellten schlug Corday mit einem Stuhl nieder, sie wurde gefesselt abgeführt und wenige Tage später hingerichtet. In ihrem ersten Verhör hatte sie sich zu der Tat bekannt, die sie allein geplant und ausgeführt habe, um Frankreich vom Bürgerkrieg zu befreien:

« Persuadée que Marat était le principal auteur de ce désastre, elle avait préféré à faire le sacrifice de sa vie pour sauver son pays. »

Marat war noch lebend aus der Wanne gehoben und auf sein Bett gelegt worden, wo er bald darauf an der Stichverletzung in der Brust verstarb.

Unmittelbar nach Marats Tod setzte in der Pariser Stadtbevölkerung ein regelrechter Kult um ihn ein, der von Marats Freund, dem Abgeordneten des Nationalkonvents und Maler Jacques-Louis David geschickt inszeniert wurde. In diesem Zusammenhang entstand auch das Gemälde. David war dazu unmittelbar nach der Nachricht vom Tode Marats im Nationalkonvent von dem Abgeordneten François-Elie Guiraut am 14. Juli 1793 aufgefordert worden: Er forderte ihn auf, ein Gegenstück zu seinem kurz zuvor entstandenen Bild „Les derniers moments de Michel Le Peletier “ („Die letzten Augenblicke Michel Le Peletier“) anzufertigen. Darauf hatte David den Tod des Le Peletiers verewigt, der, weil er für die Hinrichtung des Königs gestimmt hatte, im Januar 1793 von einem royalistischen Offizier ermordet worden war. David malte ihn sterbend auf dem Totenbett, über ihm, an einem Haar aufgehängt, ein Schwert mit einem Zettel, auf dem steht: „Je vote la mort du tyran“ („Ich stimme für den Tod des Tyrannen“). Dies Bild ist heute verloren, es existiert nur noch eine unvollständige Kopie in Form eines Kupferstichs von Pierre Alexandre Tardieu (1756–1844).

David vollendete sein Gemälde innerhalb von drei Monaten. Am 16. Oktober wurden beide Bilder in der Cour carrée des Louvre der Pariser Bevölkerung präsentiert, am 14. November übergab er den fertigen Tod des Marat dem Konvent. Der beschloss, beide Bilder an der Stirnseite des Sitzungssaales im Palais Bourbon aufzuhängen.

David idealisiert Marat als Märtyrer der Revolution. Die Tatsache, dass er ohne eigenes Zutun Opfer eines Mordanschlags wurde, wird in seinem Gemälde umgedeutet zu einer aktiven Selbstopferung. Die Mörderin ist auf dem Bild gar nicht zu sehen, nur der Brief (den Marat in Wirklichkeit nie erhielt), die Stichwunde und das Messer deuten auf ihre Anwesenheit hin. Auch andere namhafte Künstler wie Peter Paul Rubens und Guy François verwendeten dieses Stilelement. Die Darstellung des Revolutionärs in der Pose und Lichtgebung eines christlichen Märtyrers, wenn nicht gar eines Christus, übertrug die Bildsprache der Monarchie und des katholischen Glaubens auf die neue französische Republik.

Zur Idealisierung trägt auch bei, dass David die erwähnte Hauterkrankung Marats nicht darstellt, stattdessen ist der Körper Marats klassisch schön, in milchiges Licht getaucht. Die Schlichtheit der Malerei steht im Einklang mit den zugesagten Tugenden von Marat, die durch die großzügige Spende an die kinderreiche Kriegerwitwe noch beglaubigt wird. Der dominante dunkle Hintergrund wird von David als bedeutungssteigerndes Element und Betonung der hinterlassenen Leere eingesetzt.

Welche konkrete Propagandaabsicht David mit dem Bild verfolgte, das als Stich in zehntausendfacher Auflage weit verbreitet war, ist umstritten. Jörg Traeger sieht einen Zusammenhang mit der Kampagne für die neue Verfassung, die am 24. Juni 1793 beschlossen und am 10. August 1793 in einer Volksabstimmung von den Franzosen mit großer Mehrheit angenommen wurde. Thomas W. Gaehtgens glaubt dagegen, dass David mit dem Gemälde die Franzosen dazu aufrufen wollte, sich gegen innere Feinde, wie sie in den Attentaten auf Le Peletier und Marat sichtbar geworden waren, zu wehren. In dieser Interpretation wäre Der Tod des Marat ein Aufruf zum Großen Terror, der am 5. September 1793 offiziell begann.

Nach Robespierres Sturz wurde das Gemälde aus dem Palais Bourbon entfernt, David musste es jahrelang versteckt halten, um eine Zerstörung zu verhindern. Spätere französische Regierungen weigerten sich zweimal (1826 und 1837), das Bild zu kaufen, ein Neffe Davids vermachte es 1893 dem Königlichen Museum in Brüssel, wo der Maler auch seinen Lebensabend verbracht hatte.

Das Bild, eine Ikone der Französischen Revolution, wurde von anderen Malern vielfach rezipiert. Davids Zeitgenosse Guillaume-Joseph Roques (1757–1847) schuf noch 1793 einen Tod des Marat, der sich deutlich an David orientiert und ihn zu überbieten sucht: Seine Darstellung eines Toten ist realistischer – der Kopf ist nach hinten gesackt, die Augen gebrochen, die Hand kann die Schreibfeder nicht mehr halten –, das Zimmer hat deutlich mehr Details, auch die Wunde und das Blut sind drastischer gemalt. Statt Idealisierung geht es hier um Ausmalung des grauenhaften Geschehens. Der Historienmaler Paul Baudry (1828–1886) stellte das Ereignis in seinem Bild Die Ermordung Marats durch Charlotte Corday, das 1861, zur Zeit des zweiten Kaiserreiches entstand, ganz anders dar: Hier steht die Attentäterin im Mittelpunkt, sie ist die Heldin, die die mörderische Bestie der Revolution mutig zur Strecke gebracht hat – für Frankreich, das in Gestalt einer Landkarte den Hintergrund des Bildes beherrscht. Keine zwanzig Jahre später stellte Jean-Joseph Weerts (1847–1927) das Ereignis zur Zeit der Dritten Republik 1880 aus patriotisch-republikanischer Perspektive dar: Corday ist hier eine terroristische Mörderin. Sie steht, das blutige Messer noch in der Hand, der aufgebrachten, gerade hysterisch gestikulierenden Menge von Revolutionären gegenüber, die plötzlich ins Zimmer dringt. Der sterbende Marat ist an den unteren Rand der Bildmitte gerückt, ein Bezug auf Davids Werk ist nicht mehr zu erkennenAuch der mexikanische Maler Santiago Rebull Gordillo (1829–1902) romantisiert und dramatisiert in seinem 1875 entstandenen Werk La muerte de Marat das Geschehen: Marat bäumt sich auf, Corday reißt den Dolch an sich, im Hintergrund stürmen die entsetzten Bediensteten ins Zimmer. Eine politische Aussage ist hier nicht mehr zu erkennen. Der norwegische Maler Edvard Munch (1863–1944) erotisiert den Mord in seinem 1907 entstandenen GemäldeEr zeigt Corday nackt am Bett vor dem gleichfalls nackten Marat stehen, ein Gleichnis, des „grausamen, existenziellen Geschlechterkampfs“

Das Gemälde Bonaparte beim Überschreiten der Alpen am Großen Sankt Bernhard Davids aus dem Jahr 1800, das er bis 1802 in fünf Versionen schuf, ist eines der bekanntesten Napoleon-Gemälde. Es stellt in idealisierter Form den Übergang Napoléons über die Alpen am Großen Sankt-Bernhard-Pass einige Wochen vor seinem Sieg über österreichische Truppen bei Marengo während des Zweiten Koalitionskrieges (1799–1802) dar. Da das Gemälde den Alpenübergang anders darstellt als dieser tatsächlich stattgefunden hat, ist es außerdem als Propaganda-Gemälde anzusehen.

Das Gemälde zeigt Napoléon Bonaparte, der auf dem Rücken eines sich aufrichtenden Pferdes sitzt. Die Front von Reiter und Pferd zeigt nach links. Napoléon trägt auf halber Höhe umgeschlagene Stiefel und eine edle Uniform, deren Kragen, Rock und der rechte Ärmelaufschlag mit feinen Stickereien verziert sind. Nur an der linken Hand trägt er einen Handschuh. Auf dem Kopf trägt Napoléon einen Zweispitz mit goldenem Rand und weiß-blau-roter Kokarde. Sein Oberkörper ist in einen orangefarbenen Umhang gehüllt. An seiner linken Seite hängt ein Degen. Napoléons linke Faust hält die nicht angezogenen Zügel des Schimmels, dessen Augen, Nüstern und Mund wild aufgerissen sind. Napoléon sitzt ruhig im Sattel und schaut mit festem, entschlossenem Blick in Richtung des Betrachters. Sein Umhang, sein Haar, die Mähne und der Schweif des Pferdes wehen nach links, also in Marschrichtung. Mit der rechten Hand weist er die Richtung, nach oben.

Im Hintergrund ziehen seine Soldaten Kanonen einen schmalen Gebirgspass hinauf (im Bild nach links oben). Ihnen folgt die Infantrie, von der nur die Bayonette zu sehen sind. Dahinter, auf der rechten Seite des Bildes, ist die Trikolore zu sehen, die ebenfalls in Marschrichtung weht. Dahinter auf der linken Seite höher, erhebt sich ein Gebirge. Der Himmel im oberen Teil des Bildes ist bewölkt, bläuliche Stellen hinter Napoléons Kopf und über der Bergspitze sowie helle Felsen unterhalb der Steilwand hinter dem Hinterteil des Pferdes und in der Nähe des Gipfels könnten ein Aufklären des Himmels darstellen.

Im Vordergrund, auf der linken Seite, sind in Großbuchstaben drei Namen in den Fels geritzt: "ANNIBAL", "KAROLUS MAGNUS" und darüber "BONAPARTE". Die unteren beiden Namen sind auf den meisten Abbildungen sowohl in den Büchern als auch auf Internetseiten teilweise abgeschnitten oder schlecht lesbar. Die zweite Inschrift lautet vollständig "KAROLUS MAGNUS IMP".

Das Gemälde wird im Saur allgemeinen Künstlerlexikon unter dem französischen Titel Bonaparte franchissant les Alpes au Grand-Saint-Bernard geführt.

Von dem Gemälde gibt es fünf Versionen, die in den Jahren 1800 bis 1802 entstanden. David hatte die einzelnen Exemplare mit Hilfe anderer Maler angefertigt Die Spanne der Unterschiede reicht von geringfügigen Details bis zu starken Unterschieden in den Farbtönen . Die verschiedenen, jeweils in Öl auf Leinwand ausgeführten Versionen unterscheiden sich im Farbton des Hintergrundes, in der Gestaltung des Himmels, in der Farbe von Napoléons Umhang und in der Farbe des Pferdes. Der Hintergrund variiert zwischen rötlicher, gelblicher, blau-gräulicher und oliv-gräulicher Färbung. Auf einer Ausführung erkennt man deutlich eine aufbrechenden Wolkendecke und Sonnenstrahlen. Auf den meisten anderen ist der Himmel dicht bewölkt. Napoléons Umhang variiert zwischen rot und orange. Auf den meisten Versionen hat das Pferd ein weißes oder beiges Fell, auf einer Version ist es kastanienbraun. Außerdem sind die Versionen in verschiedenen Maßen ausgeführt worden. Die Höhe des Bildes variiert zwischen 259 und 272 cm, die Breite zwischen 221 und 237 cm. Die wahrscheinlich erste Version in Schloss Malmaison hat die Maße 259 x 221 cm.

Wer das Gemälde in Auftrag gab, ist nicht sicher. Etienne-Jean Delecluze, ein Schüler Davids, nannte Napoléon selbst als Auftraggeber. Dieser soll ein Gemälde zur Erinnerung an den Sieg von Marengo gewünscht haben. Antoine Schnapper hält es für wahrscheinlicher, dass der spanische König Karl IV das Gemälde vorgeschlagen hatte. Alexander Sturgis und Hollis Clayson nennen den König ausdrücklich als Auftraggeber. Angesichts der politischen Situation könnte man vermuten, dass das Bild für Karl IV. gemacht wurde, den Auftrag aber ein anderer gegeben hatte. Spanien war 1796 auf Seiten Frankreichs in den Ersten Koalitionskrieg eingetreten, jedoch blieb es im Zweiten Koalitionskrieg neutral. Das Gemälde könnte eine Warnung an den spanischen König gewesen sein. Wenn Napoléon mit einer Armee die Alpen überqueren konnte, so galt dies auch für die Pyrenäen. Zu dieser Theorie würde auch die Feststellung von Christopher Prendergast passen, die besagt, dass das Gemälde dem spanischen König gesandt wurde, wenn auch nur die zweite Version.

David wollte Napoléon mit dem Degen in der Hand malen, jedoch lehnte dieser ab, da man, wie er selbst sagte, Schlachten nicht mit dem Degen gewinnen würde. Er wünschte vielmehr in ruhiger Pose auf einem heißblütigen Pferd gemalt zu werden. David ließ sich vom Kammerdiener Napoléons Uniform, Mantel, Hut, Stiefel und Degen, die Napoléon in Marengo getragen hatte, in sein Atelier bringen und zog damit eine Puppe an, die er als Modell benutzte.

Davids Gemälde gehört zur Gattung der Herrscherportraits zu Pferde, die auf die antiken kaiserlichen Reiterstatuen Roms zurückgehen. Diese Gattung wurde von Tizian durch sein Bild Kaiser Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg aus dem Jahre 1548 begründet. David bezog sich bei seinem Gemälde aber nicht nur auf Tizian. Als Vorbild für Napoléons Pferd nahm er Etienne-Maurice Falconets Reiterstandbild des russischen Zaren Peter der Große.

Davids Gemälde verblieb dann bis 1808/09 in Spanien, bis es von Joseph Bonaparte während seiner kurzen Regentschaft auf dem spanischen Thron wieder zurückerlangt wurde. Es befindet sich heute im Musée du Château de Malmaison.

Nach dem Ersten Koalitionskrieg (1792–1797) gerieten die oberitalienischen Gebiete unter die Kontrolle Frankreichs. Während des Zweiten Koalitionskrieges (1799–1802) marschierten die Österreicher in die zu Frankreich gehörende Lombardei ein. Napoléon, seit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire VIII (9. November 1799) Erster Konsul, brach umgehend zu seinem zweiten Italienfeldzug auf. Um dem Feind in den Rücken zu fallen, ihm seine Versorgung wegzunehmen und ihn vom Nachschub abzuschneiden wagte Napoléon den Übergang über die Alpen. Nach der Überquerung des Großen St. Bernhard-Passes vom 17. bis 20. Mai 1800 fiel seine Armee in Oberitalien ein und schlug die österreichischen Truppen am 14. Juni bei Marengo. Zeitgleich griff Jean Moreau die Österreicher in Süddeutschland an und warf sie über den Inn zurück. Am 15. Juli wurde ein Waffenstillstand geschlossen.

Tatsächlich hatte Napoléon die Alpen, nicht wie auf dem Gemälde dargestellt auf einem Pferd, sondern auf einem Maultier in der Nachhut seiner Armee überquert. Die Beförderung der Kanonen hat ebenfalls nicht so stattgefunden wie es das Gemälde zeigt. Die Geschütze wurden zerlegt, die Lafetten auf Maultiere gespannt und die Rohre in ausgehöhlten Baumstämmen verpackt von jeweils 100 Mann den Berg hinaufgezogen und nicht von einigen wenigen Soldaten am Stück den Berg hinauf gezogen bzw. geschoben.

Napoléon war zum auf dem Gemälde dargestellten Zeitpunkt nur Erster Konsul und nicht, wie aufgrund der Verbindung zu Karl dem Großen und die einer Reiterstatue eines Caesaren ähnlichen Darstellung denkbar, Kaiser der Franzosen. Dies wurde er erst 1804. Aufgrund der Tatsache, dass Napoléon erst knapp ein halbes Jahr vor der Schlacht von Marengo Erster Konsul wurde, kann man davon ausgehen, dass er nicht um Frankreichs Willen nach Oberitalien gezogen ist, wie es durch die dargestellte Trikolore unterstellt werden könnte. Vielmehr galt es ihm wohl, seine Macht zu sichern. Der Verlust der Lombardei und Piemonts hätte auch gleichzeitig ein Prestigeverlust bedeutet und seinen Rang als Erster Konsul gefährdet.

Schlussendlich war die Alpenüberquerung durch Napoléon nichts Ungewöhnliches oder Einzigartiges. Schon in den zwei Jahren vor Napoléons Übergang hatten französische Armeen die Alpen passiert um österreichische und russische Truppen in der Schweiz abzufangen. Außerdem hatten während des Oberitalienfeldzuges vier weitere französische Verbände die Alpen überquert.

Napoléons Anteil am Sieg über Österreich ist ebenfalls nicht so, wie man bei der Betrachtung des Gemäldes denken könnte. Fünf weitere Feldherren operierten im Kriegsgebiet. Desaix und Kellermann trugen entscheidend zum Sieg in Marengo bei. Außerdem hatte Napoléon von Moreau eine Verstärkung durch Bon-Adrien Jeannot de Moncey mit 25.000 Mann verlangt. Dieser kam Napoléon mit 15.000 Mann zu Hilfe – nach einem Marsch über die Alpen.

Abgesehen davon war Napoléons Sieg nicht der einzige, der zum Waffenstillstand führte. Überdies dauerte der erzwungen Frieden nicht lange, so dass die Siege nichts mehr wert waren. Wie schon erwähnt entstanden noch weitere Versionen des Gemäldes in den Jahren 1801 und 1802. Es ist wahrscheinlich, dass diese Versionen in Auftrag gegeben und verbreitet wurden, um Napoléons Ansehen als einziger erfolgreicher Feldherr aufrechtzuerhalten. Die Realität sah anders aus. Der Krieg war im November 1800 wieder aufgeflammt. Nun war es aber Moreau, dem es schon am 3. Dezember desselben Jahres gelang, die österreichischen Truppen bei Hohenlinden entscheidend zu schlagen und sie durch rasches Nachsetzen am 25. Dezember zum erneuten Waffenstillstand zu zwingen.

Der Auftraggeber für das Gemälde „Der Schwur der Horatier“ war der Minister für schöne Künste der Regierung König Ludwigs XVI. von Frankreich. Das Motiv selbst war dem Künstler freigestellt, nur die Größe war festgelegt, die David aber im Laufe der Entstehungsphase erweiterte. Er entschied sich für die bei Livius (Ab urbe condita) überlieferte Geschichte des Kampfes der Horatier gegen die Curiatier, der zwischen 672 und 640 v. Chr. stattgefunden haben soll. Livius berichtet davon im Rahmen des Krieges zwischen Alba Longa und Rom.

Auf Grund von Streitigkeiten und wechselseitigem Viehdiebstahl zwischen den beiden Städten waren diese einander feind. Rom erklärte Alba Longa den Krieg, doch da die Etrusker beide Städte bedrohten und sie noch alle Streitkräfte benötigten, einigten sich die Städte auf einen Stellvertreterkampf zwischen je drei waffenfähigen Brüdern. In Alba Longa wählte man die Kämpfer aus der Familie der Curiatier aus, in Rom aus der Familie der Horatier.

Dass die Wahl auf sie gefallen war, erfüllte die Brüder mit Stolz, obwohl sie einen nicht ohne weiteres lösbaren Konflikt in sich barg, denn beide Familien waren miteinander verschwägert: Sabina, Schwester der Curiatier, war mit einem Horatier vermählt; Camilla, dessen Schwester, war mit einem der Curiatier verlobt, zugleich einem Freund ihres Bruders.

Aus dem Stellvertreterkampf kehrte nur der jüngste der Horatier zurück, allerdings als Sieger. Denn als seine beiden Brüder bereits gefallen waren, die Curiatier jedoch nur unterschiedlich verwundet, wandte er eine Kriegslist an: Zum Schein ergriff er die Flucht, in der richtigen Erwartung, die Gegner würden ihn nicht alle gleich schnell verfolgen können. Unvermutet stellte er sich dann wieder und erschlug alle drei, zuerst den schnellsten, weil nur leicht verletzten, zuletzt den am schwersten Verwundeten.

Als er zu seiner Familie zurückkehrte, brach seine Schwester Camilla in Tränen um ihren getöteten Verlobten aus. Daraufhin zog er das Schwert und erschlug sie mit den Worten: „Weg mit dir zu deinem Verlobten mitsamt deiner unangebrachten Liebe! Vergessen hast du deine toten Brüder und den Lebenden, vergessen deine Vaterstadt. So soll jede Römerin dahingehen, die um den Feind trauert!“

Den Schwur, den David darstellt, kommt bei Livius allerdings nicht vor, auch nicht bei einem der anderen Autoren (z. B. Plutarch, Valerius Maximus und Dionysios von Halikarnassos). Selbst in dem Theaterstück „Horace“ des Dramatikers Pierre Corneille wird er nicht gezeigt. Dieses 1640 in Paris uraufgeführte Stück, das als eigentliche Themen den Patriotismus und die Macht des Volkes zum Inhalt hatte, war der Pariser Gesellschaft zur Zeit Davids gut bekannt und der Künstler selbst war von dieser Aufführung begeistert. Damit hatte David sein Motiv für den staatlichen Auftrag gefunden und begab sich eigens mit seiner Familie nach Rom, um sich ganz in die Formenwelt der Antike einzusehen.

In seiner Bildkomposition ordnet David die Handlung wie auf einer Bühne bildparallel an. Mit dem dunkel gehaltenen Hintergrund der Arkaden hat er die unauslotbare Tiefe gleichsam als Bedeutungskulisse eingesetzt. Komposition und Aussage fallen dabei in eins zusammen: Im Zentrum steht der Auftrag zum Waffengang, personifiziert in der Vatergestalt. Im Zentrum blinken auch die Schwerter, die ausgestreckten Schwurhände deuten auf die Waffen, die auf die bevorstehende Tat hinweisen. Die fein abgestuften Abwinkelungen der Arme bilden einen harmonischen Dreiklang. Die unterschiedliche Gestaltung der Schwerter formuliert einen zusätzlichen Aspekt: Dies ist nicht uniforme Vorbereitung, sondern die Spontaneität individuell Begeisterter.

Hinter dem väterlichen Rücken blickt der Betrachter auf eine Gruppe Frauen mit zwei kleinen Kindern. Die blonde junge Frau mit dem weißen Schleier im Vordergrund wird in der Literatur als Sabina, die Schwester der Curiatier, gedeutet. Die Frau am äußeren rechten Rand soll Camilla, die Schwester der Horatier, darstellen. Ihr linker Arm hängt schlaff nach unten, sie selbst neigt sich kraftlos nach vorne. Während die Gruppe der Männer von Dynamik und Kampf durchdrungen ist, zeigen die Frauen Trauer, Müdigkeit und Resignation.

Mit der Fertigstellung des Schwur der Horatier läutete David den Klassizismus ein. Obwohl sein Gemälde keineswegs der Verschwörung gegen die Staatsautorität das Wort reden wollte, wurde die Darstellung in der gespannten Atmosphäre der vorrevolutionären Jahre in dieser Richtung interpretiert. Für den Künstler selbst wurde das Bild ein triumphaler Erfolg. Das Publikum war überwältigt vom vollzogenen Bruch mit der barocken Stiltradition. Hier war offensichtlich erstmals die Einheit von Zeit und Handlung in eine bewusst nüchterne Komposition eingebunden worden. Das Publikum kannte die Geschichte von der leidenschaftlichen Opferbereitschaft dieser Helden und war sich auch dessen bewusst, dass die trauernden Frauen im Bild für die Vorahnung des tragischen Ausgangs standen.

Nach vielen Rückschlägen verdankte David diesem Gemälde seinen Aufstieg zum Ruhm. So schrieb der Berichterstatter des Teutschen Merkur aus Rom: „Nicht nur die Künstler, Liebhaber und Kenner, sondern selbst das Volk läuft truppweise vom Morgen bis zum Abend herbey, es zu sehen … keine Papstwahl setzte je die Gemüter in eine größere Bewegung“, so der Schreiber, tief beeindruckt von der „antiken Simplizität“. Kurz darauf war im Journal de Paris zu lesen: „…beim Anblick dieses Gemäldes wird man von einem Gefühl ergriffen, das sie Seele erhebt und das, um mit Jean-Jacques Rousseau zu sprechen, etwas Herzerhebendes hat, das einen begeistert.“ Zwar wurde die steife, statuarische Figurenhaltung schon bald gerügt, doch in der Öffentlichkeit, vor allem im Salon de Paris, stieß gerade dieser Stilwandel auf Begeisterung.

David ließ weitere Gemälde dieser Art folgen, so etwa Sokrates, den Giftbecher trinkend (1787), und Brutus, dem die Leichen seiner Söhne ins Haus gebracht werden (1789). Es war jedoch der Schwur der Horatier, der gleichsam zum Programmbild der Französischen Revolution wurde und dem Künstler später auch einen Sitz im Nationalkonvent einbrachte.

Louis Albert Guislain Bacler d’Albe war ein französischer Militärtopograph und Landschaftsmaler. Als Leiter der Kartographieeinheit der französischen Armee und Mitglied im Generalstab begleitete er Napoleon auf allen seinen Feldzügen durch Europa. Er schuf großdimensionierte Kartenwerke mit hoher Genauigkeit, auf deren Grundlage die Truppenbewegungen dargestellt und geplant wurden. Als Künstler schuf er über 500 Bildwerke mit idyllischen Landschaftsansichten oder heroisierenden Schlachtendarstellungen.

Louis Albert Guislain Bacler d’Albe wurde am 21. Oktober 1761 in Saint-Pol-sur-Ternoise in Frankreich geboren.

Bacler verbrachte seine Kindheit in Saint-Pol-sur-Ternoise, Straßburg und Grenoble . Sein Vater war ein alter Artillerieoffizier, der ihn früh zum Studium der mathematischen Wissenschaften und der Schönen Künste anleitete. Als der Vater 1772 vom Militär pensioniert wurde trat dieser eine neue Stelle als Postmeister in Amiens an. An der dortigen Schule erhielt Bacler eine gute Ausbildung mit den Lehrern Jacques Delille und Nicolas-Joseph Selis (1737–1802). Mit 15 Jahren arbeitete Bacler als Angestellter im Hauptpostamt. In den folgenden Jahren vertrat er oft seinen kränkelnden Vater. Doch statt eine Karriere als Gelehrter oder als Nachfolger seines Vaters zu machen, fühlte er sich stark von den Schönen Künsten angezogen. Mit 20 Jahren gab er deshalb seine Arbeit bei der Post auf und begann zu reisen. Sein Weg führte ihn durch Frankreich, die Schweiz und Italien. Die Alpen faszinierten ihn besonders. Er erstellte zahlreiche Gemälde und Kupferstiche von Landschaftsansichten und beschäftigte sich mit Geographie. Nach seiner Heirat mit Marie ließ er sich ab 1785 für sieben Jahre in Sallanches am Mont Blanc nieder. Von dort aus konnte er für ihn interessante Orte erreichen ohne weit reisen zu müssen.

Die französische Revolution und die folgenden Revolutionskrieg veränderten auch sein Leben. Beeinflusst von den revolutionären Ideen gab er seine Lieblingsbeschäftigung auf und trat am 1. Mai 1793 als Freiwilliger in das 2. Bataillon von Areige ein. Im selben Jahr nahm an der Belagerung von Toulon und Lyon teil und stieg bis zum Hauptmann der Artillerie auf. Sein Kommandeur war Napoleon Bonaparte, der bald auf seine besonderen Fähigkeiten aufmerksam wurde. Er setzte Bacler als Zeichner ein, zuständig für die kartographische Darstellung der Geländeaufklärung. Mit dieser Kernaufgabe wurde Bacler für fast zwei Jahrzehnte lang einer der engsten Mitarbeiter und Vertrauten Napoleons.

1794 wurde er mit der Aufklärung der Küstenregionen zwischen Nizza und Savona und später der weiteren östlichen Riviera betraut. Als Napoleon im März 1796 in Nizza das Kommando der Italienarmee übernahm, berief dieser Bacler in seinen Generalstab und ernannte ihn zum Direktor der Topographieeinheit. Während des folgenden Italienfeldzuges führte Bacler die für die Kriegsführung benötigte Kartografierung von Norditalien durch. General Desaix beschrieb ihn in dieser Zeit als einen kleinen dunklen Mann, gut aussehend, angenehm, perfekt ausgebildet, enorm talentiert und ein guter Zeichner.

Nach erfolgreichem Feldzug wurde Bacler der Leiter des topographischen Büros der Cisalpinischen Republik in Mailand. Der Mangel an guten Karten veranlasste ihn eine Italien-Karte zu erstellen. Dazu nutzte er die während des Krieges gemachten Vermessungen und weitere Daten, die ihm durch das französische Militärarchiv zugänglich waren. In den folgenden fünf Jahren erstellte er diese Karte die aus 30 aneinanderfügbaren Blättern mit einheitlichem Maßstab besteht und auf rund 3 mal 3 Metern neben Ober- und Mittelitalien auch Dalmatien, die Schweiz, Teile von Süddeutschland, und Teile von Frankreich darstellt. Er widmete sich auch wieder der Malerei. Es entstanden eine Reihe von Schlachtenbildern die detailreich die Höhepunkte des Italienfeldzuges beschreiben.

1798 bereitete Napoleon im Geheimen die Ägypten-Expidition vor. Er schrieb an Bacler um ihn für das Unternehmen anzuwerben. Baclers Frau jedoch unterschlug diesen Brief und so verpasste Bacler das einzige Mal einen Feldzug Napoleons.

Im April 1799 wurde Mailand von den Österreichern eingenommen. Einige der Kupferplatten der Italien-Karte wurden dabei geplündert. Die Österreicher boten Bacler an die Platten zurückkaufen zu können. Als dieser aber das geforderte Geld nicht aufbringen konnte drohte man ihm mit Schuldhaft. Bacler wandte sich an Napoleon und bat ihn ihm das nötige Geld zu geben für die 10 Jahre treue Dienste die er bisher geleistet hatte und für sein Bild von der Schlacht von Arcole. Napoleon kaufte ihm das Gemälde ab. So rettete Bacler seine Platten und sein imposantes Schlachtengemälde (3,57 m breit und 1,91 m hoch) hängt heute im Schloss von Versailles.

Von Mailand ging er nach Paris. Dort arbeitete er im Rang eines Oberstleutnants als Geographieingenieur im Französischen Kriegsdepot. Er vervollständigte seine Italien-Karte und ergänzte sie später noch um ein zweites Kartenwerk zu Süditalien, Sizilien und Malta. Nach Abschluss dieser Arbeiten begann er 1802 eine Monatsschrift aufzulegen, die Ménales pittoresques et historiques des paysagistes für die er Kupferstiche von Werken anderer Landschaftsmaler erstellte und zusammen mit deren Biografien veröffentlichte. Nach Abschluss des ersten Bandes musste der das Projekt jedoch einstellen, weil er wieder in den Krieg zog.

Bacler nahm 1806, 1807 und 1808 an den Feldzügen Napoleons in Spanien teil. Baclers Büro war der Ausgangspunkt für alle vorbereitenden Kriegsplanungen. Vor den Feldzügen studierte Napoleon zusammen mit ihm die Karten im Topographiebüro. Eine Anekdote besagt dass die Karten manchmal so groß waren, dass beide ausgestreckt auf dem Tisch liegend mit ihnen arbeiteten. Dabei kam es vor dass sie gelegentlich mit den Köpfen aneinanderstießen.

In seiner Stellung als Chef des Topographiebüros war Bacler während der Feldzüge täglich an allen Planungen beteiligt und ständig in direktem Kontakt mit dem Feldherrn. „Ruft mir den d’Albe“ war ein zu jeder Tages- und Nachtzeit zu hörender Befehl, wenn Napoleon sich einen kartographischen Überblick verschaffen wollte. Zu den regelmäßigen Ereignissen gehörte es, dass gewöhnlich um ein oder zwei Uhr in der Nacht die Geländeaufklärer im Hauptquartier eintrafen um ihre Meldungen zu bringen. Dazu bereitete Bacler einen großen Tisch vor auf dem er die beste Karte des jeweiligen Kriegsschauplatzes auslegte. Die von 20 bis 30 Kerzen beleuchtete Karte richtete er sorgfältig nach Kompass aus. Flüsse, Berge und Grenzen zeichnete er farbig ein und mit bunten Fähnchen auf Stecknadeln markierte er die Standorte der eigenen und der gegnerischen Truppen.

Die Schlacht bei Arcole fand vom 15. bis 17. November 1796 während des Italienfeldzuges zwischen den Franzosen unter General Napoleon Bonaparte und den Österreichern unter bei Arcole statt. Österreichische Entsatztruppen für die von den Franzosen eingeschlossene Festung Mantua marschierten in zwei Kolonnen nach Verona. Nach dreitägigen Kampf mussten die Österreicher die sich zwei Tage siegreich behauptet hatten, infolge Umgehung ihrer südlichen Flanke ihre Positionen räumen und zurückgehen.

Nach der Niederlage der französischen Armee unter General Moreaus in der Schlacht bei Schliengen mussten die Franzosen auf das westliche Rheinufer zurückgehen. General Moreau zog sich mit seiner Hauptmacht über den Rhein in das Elsass zurück, wodurch es den Österreichern möglich wurde, erhebliche Verstärkungen nach Italien zu senden.

Der österreichische Feldmarshall von Wurmser musste sich nach mehreren Niederlagen am 13. September mit dem Rest seiner Truppen in die Festung Mantua werfen, die er ursprünglich zu entsetzen versuchte. Im Monat Oktober 1796 stellten die Österreicher eine neue Entsatzarmee ins Feld. Feldzeugmeister Alvinczy hatte den Oberbefehl über 48.000 Mann, welche den Auftrag hatten die eingeschlossenen Truppen in Mantua neuerlich zu entsetzen. Alvinczy hatte in Absprache mit seinem Generalstabschef Franz von Weyrother seine Armee ähnlich wie beim vorangegangenen Entsatzversuch vom September aufgeteilt. Durch Tirol rückte eine 22.000 Mann starke Kolonne unter General Davidowitsch längs der Etsch vor, und blieb nach mehren Gefechten am 17. November an der Linie Compara und Castelnuovo stehen. Die Hauptmacht der Österreicher mit 24.000 Mann unter General– bei welcher sich der Oberbefehlshaber Alvinczy befand, rückte durch Friaul über Villanuova vor und erreichte am 11. November Verona. Um die österreichische Entsatzarmee abzufangen, rückte Napoleon Bonaparte mit 24.000 Mann auf dem linken Ufer der Etsch und auf dem rechten Ufer des Alpon vor.

Die den Österreichern zuerst entgegengeworfenen französischen Truppen wurden am 12. November bei Caldiero durch die österreichische Avantgarde unter dem Fürsten von Hohenzollern-Hechingen unter Verlust von 2000 Mann zurückgeworfen. Alvinczy wollte bereits das rechte Ufer der Etsch übersetzen, wurde aber zuvor durch die Franzosen angegriffen. Bonaparte überließ die Blockade von Mantua der Division des Generals Vaubois und wandte sich mit den restlichen Truppen gegen Alvinczy, dessen Truppen bei Vago aufgeklärt wurden. Das Tirolerkorps unter Davidovich war auf dem rechten Flussufer der Etsch nach Verona vorgedrungen und konzentrierte sich zwischen Gardasee und Rovereto um die Vereinigung mit dem Friauler Korps herzustellen.

Zum Entsatz der Festung Mantua hatten die Österreicher in der Nacht zum 15. November eine Pontonbrücke über die Etsch (Adige) errichtet und den Übergang bei Zerio begonnen. Am rechten Flügel stand die Division des FML Peter Quosdanovich zwischen San Bonifacio, Soave und Castelletto. Bei Montebello stand eine Reserve-Brigade unter Generalmajor Mittrowskiy mit 4.054 Mann. Bonaparte befahl seine Divisionen Massena und Augereau entlang der westlichen Ufer des Adige, sie schlugen bei Ronco eine Brücke über den Fluss. Den Flussabschnitt zwischen Ronco and Zevio sicherte die österreichische Brigade des Oberst Graf Brigido bei Arcole.

Die französische Division Vaubois verteidigte mit 8000 Mann eingenommene Stellungen bei Rivoli. In der Festung Verona verblieb eine französische Besatzung von 3.000 Mann unter General Macqueard. Bonaparte fasste den Entschluss, den Gegner vor seiner Vereinigung einzeln anzugreifen, er zog Verstärkungen vom französischen Blockadekorps vor Mantua an sich und trat den Friauler Korps entgegen. Bonaparte bewerkstelligte den Übergang bei Ronco, und führte etwa 18.000 Mann auf das rechte Etschufer um den Gegner an der südlichen Flanke anzugreifen. Die Division Massenas zählte 7900 Mann, die Division Augereau umfasste 6.500 Mann, als Reserve wurden 2.600 Mann dahinter postiert.

Bei Tagesanbruch des 15. November hatte französische Pioniere eine Pontonbrücke errichtet. Das linke Ufer bot hier aber wenig Raum für größere Truppenmassen. Das rechte Ufer des Alpon, der in südlicher Richtung von Villanuova in die Etsch einmündete, war durch Moraste eingegrenzt, durch welche sich nur ein gehbarer Damm in nordwestlicher Richtung nach Arcole und St. Bonifacio zog. An der nördlichen Flanke standen österreichische Truppen unter dem Fürsten von Hohenzollern in der Nähe von Verona, um sich rechts gegen einen Angriff aus der Stadt zu schützen. Im Zentrum führte General Alvinczy die Brigaden von Oberstleutnant von Gavasini und Generalmajor Brabeck zum Fluss um die französische Pontonbrücke anzugreifen. Sie stießen auf Truppen der Division Masséna, die zwischen Belfiore und Ronco aufmarschierte. Zunächst wurden die Österreicher wieder auf Belfiore zurückgetrieben. Der Angriff Augereaus richtet sich auf Arcole. Alvinczy hatte dort vier kroatische Bataillone unter Oberst Wenzel Brigido stehen; diese verteidigten mit je zwei Bataillonen Arcole und Porcil, das von der französischen Brigade unter General Bon angegriffen wurde. Brigido warf jeden verfügbaren Mann gegen die nachgezogenen Brigaden unter Verdier und Verne in den Kampf und wurde selbst durch die österreichische Hauptmacht verstärkt. Mittags hatten Truppen die Stellungen Brigidos ausreichend gefestigt. Von den Offizieren Augereaus wurden die Generäle Bon, Verdier, Verne und General Jean Lannes verwundet der französische Angriff geriet völlig ins Stocken.

General Jean Giueu versuchte an der Mündung bei Albaredo vergeblich zum Alpon durchzubrechen. Der Obergeneral Bonaparte erschien darauf vor der Brücke von Arcole, ergriff persönliche eine Fahne und marschierte an der Spitze seiner erneut vorgehenden Grenadiere zur Brücke. Die Österreicher führten aber gleichzeitig einen Ausfall und drängten die Franzosen auf das Ostufer zurück. An der Front und im Rücken angefallen, gerieten die Truppen Augereaus in Verwirrung. Bonapartes Truppen wurde in den Sumpf gedrängt, aber beim Rückzug von seinen Grenadieren gerettet. Er blieb trotz starken Feuers der Österreicher unversehrt, sein Aide-de-camp, Oberst Jean-Baptiste Muiron wurde dabei getötet. Am Abend überquerte General Guieu bei Albaredo den Fluss um die Stellung von Davidovich in den Rücken zu fallen. Später gelang es den Franzosen bei einem erneuten Anlauf Arcole einnehmen. Das neu eingenommene Terrain war aber zur Verteidigung unbrauchbar. Bonaparte im Ungewissen über das, was währenddessen nördlicher vor Verona, Rivoli und Mantua vorgefallen war, wagte nicht, diese unsichere Stellung zu behaupten. Er ließ infolge den Rückzug nach Ronco antreten und zog die Brigade Guieu aus Arcole über die Etsch zurück, eine Garnison hielt aber auf der österreichischen Seite des Flusses einen Brückenkopf. Der Angriff General Augereaus auf die Brücke von Arcole war am ersten Tag vollständig misslungen.

Auch der 16. November führte zu keinem anderen Resultat, wie tags zuvor kämpfte man wieder auf den sumpfigen Dämmen des Flusses mit gleichem Mut und wechselndem Glück auf beiden Seiten. Alvinczy verstärkte Mittrowsky im Brennpunkt bei Arcole durch die nach vorn gezogene Brigade Schubirz auf insgesamt 14 Bataillone und wies ihn an einen Gegenangriff südlich von Arcole voranzutreiben und den dortigen französischen Brückenkopf einzudrücken. Die nördlicher stehende Division Massena errang an diesen Tag Vorteile gegen die Truppen des FML Provera und drängte die Österreicher bis Caldiero zurück, vergeblich waren aber wieder alle Angriffe Augereaus auf Arcole. Am Abend war die Lage der Franzosen bei Arcole wieder ziemlich bedenklich. In der Nacht überschritt ein Teil der Division Augereau unterhalb von Arcole den Alpon und begann die österreichische Stellung zu umgehen.

Auch am 17. November waren die Österreicher anfangs im Vorteil; die Truppen Proveras hielten sich in Belfiore während Mittrowsky weiterhin die Stellungen bei Arcole behauptete. Im Zentrum wichen die Franzosen unter Massena zurück, während die Franzosen im äußersten Süden den Österreichern in den Rücken zu kommen suchten. Alvinczy zog die vor Verona detachierte Brigade Hohenzollern näher auf seine Hauptmacht nach Caldiero heran. Gegen 8 Uhr früh stand ein Teil der Division Augereau auf dem linken Ufer des Alpon, auch das österreichische Artilleriefeuer vermochte sie dort nicht mehr zu verdrängen. Eine auf dem Damme gegen Arcole vorrückende französische Kolonne wurde aufs neue zurückgeworfen und floh gegen Ronco zurück. Bonaparte hatte eine Halbbrigade der Division Massena, rechts des Dammes in einen Hinterhalt gelegt und fiel den verfolgenden Österreichern derartig in die Flanke, das sie nach Arcole zurückfluteten. Arcole konnte von den Franzosen wieder erobert werden. Auf dem linken Alpon-Ufer fand die Umgehungskolonne derweil hartnäckigen Widerstand. Vor St. Bonifacio erschienen 900 Mann mit 4 Kanonen, welche bei St. Stephano den Rükken der Österreicher bedrohten. Die dadurch erzeugte Furcht abgeschnitten zu werden, veranlasste schließlich deren Abzug auf Villanuova.

Die französischen Verluste bei Arcole zählten 3.500 Tote und Verwundete, weitere 1.300 Mann fielen in österreichische Gefangenschaft. Die Österreicher hatten etwa 2.200 Tote und Verwundete, verloren aber zusätzlich 4.000 Gefangene und 11 Kanonen. Auf französischer Seite wurde General Robert tödlich verwundet, während der österreichische Generalmajor Rosselmini am 19. November bei Vicenza seinen Verwundungen erlag.

Beim Kriegsrat am Morgen des 18. November entschloss sich Alvincy mit seinen verblieben 16.000 Mann am Kriegsschauplatz zu verbleiben. Am 21. November besetzten die Österreicher Caldiero wieder, konnte aber nach französischen Gegenmaßnahmen nicht weiter vorgehen. Als die Kunde durchdrang das auch die Kolonne unter Davidovich am 20. November bei Rivoli von den Franzosen geworfen worden war begannen die Österreicher am Abend des 23. November ihren Rückzug zur Brenta. Ein überraschender Ausfall Wurmsers aus Mantua am 23. November kostete fast 800 Verwundete, als er erfuhr, dass Davidovich in vollem Rückzug war mussten sich Wurmsers Truppen in die Festung zurückziehen.

Die folgende Niederlage Alvincys gegen die Franzosen in der Schlacht bei Rivoli am 14. und 15. Januar 1797 beendete den letzten Versuch Österreichs, die von Frankreich Mantua zu befreien. Die Besatzung unter Feldmarschall Dagobert Wurmser musste kapitulieren, die Übergabe erfolgte aber auch dann nicht durch direkte Kriegshandlungen, sondern vor allem durch eine Seuche, die auf beiden Seiten zahlreiche Opfer forderte. Am 2. Februar 1797 ergab sich die Festung, Feldmarschall Wurmser erhielt mit 500 Mann freien Abzug, etwa 16.000 fielen in Kriegsgefangenschaft, darunter 6000 Kranke.

Paul Delaroche war ein französischer Historienmaler des akademischen Realismus. Sein Vater war der 1761 geborene Grégoire-Hippolyte de la Roche, der aus einer seit Generationen in Paris ansässigen Familie stammte. Er arbeitete als Kunstexperte und –händler, Kunsttaxator am Leihhaus und Kunstauktionsleiter. Verheiratet war er mit der um ein Jahr jüngeren Marie-Catherine Bégat.

Am 28. Januar 1835 heiratete er in Rom die 17 Jahre jüngere Louise Vernet, die Tochter seines Kollegen Horace Vernet. Er hatte sich im Jahr zuvor während einer Italienreise mit ihr verlobt, Louise wurde von ihm mehrfach porträtiert und stand ihm Modell, allerdings sind auch Gemälde von ihr von Théodore Géricault (als Kind), von Ingres und von ihrem Vater erhalten. Der erste Sohn Horace wurde 1836 geboren, der zweite Sohn Philippe folgte am 1841. Am 28. Dezember 1845 starb Louise im Alter von 31 Jahren am Fieber, was Delaroche in tiefe Verzweiflung stürzte.

Seine Ausbildung begann er 1816 zunächst als Landschaftsmaler bei Watelet Zwei Jahre später wechselte er in das Atelier von Antoinr-Jean Gros, dem sein Bruder bereits angehörte. 1822 debütierte er im Salon de Paris. Hier lernte er die etwa gleichalten Theodore Gericault Eugene Delacroix kennen, mit denen er bald den Kern der Pariser Historienmaler bildete.

Der sterbende Mensch und das Erlöschen des Lebens bilden Delacroix` Grundthematik in seiner existentiellen künstlerischen Auseinandersetzung in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts. Im Bild „Das Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1824 thematisiert Delacroix explizit Zerstörung und Tod mit einhergehender Trauer und schmerzhaftem Leid inmitten eines Kriegsschauplatzes. Hier reiht sich das Gemälde „Der Tod des Sardanapal“ ein. Dargestelltes wird zum psychologischen Spiegelbild des Malers und des Betrachters.

Das Gemälde „La mort de Sardanapale“ des französischen Malers Eugène Delacroix zählt zu den brisantesten Bildern der Kunstgeschichte. Es entsteht 1827 in Frankreich an der Schwelle zwischen Klassizismus und Romantik. „Der Tod des Sardanapal“ bezieht sich auf Byrons Drama „Sardanapalus“ aus dem Jahr 1821 und zeigt das Ende des assyrischen Herrschers Sardanapal dessen Palast von Aufständischen belagert wird. In seiner Erwartung der bevorstehenden eigenen Ermordung durch die Eindringlinge lässt Sardanapal alle seine Reichtümer zerstören und seine Frauen umbringen.

Das großformatige Gemälde fügt sich in den Kontext einer sich herausbildenden romantischen Schule Frankreichs, bei der die subjektiven psychischen Zustände des Künstlers in sinnbildlichen Aspekten wie Hölle, Nacht und Traum zum Anlass und zum Thema künstlerischer Auseinandersetzung werden um dabei den idealisierten Helden aus dem formalen und inhaltlichen Bildzentrum zu vertreiben. Das Bild benennt die Geburtsstunde einer Malerei, bei der die Farbe selbst konkreter wird und zum Bildausdruck bzw. Bildinhalt heranwächst. Der klassizistische, plastisch theatralische Bildraum[2] und seine illustrative Gegenständlichkeit werden im Werk von Eugène Delacroix in radikaler Weise zu Gunsten der bevorzugten Rangstellung der Farbe zerstört. Die Bilder „Dante-Barke“ von 1822 und das „Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1824 gehen dem Bild „Der Tod des Sardanapal“ voraus. Parallel dazu entstehen Delacroix` „Faust Illustrationen“ in den Jahren 1824 bis 1827. Etwas später malt er „Die Freiheit führt das Volk“.

Nachdem „Der Tod des Sardanapal“ 1827 im Salon auf großes Entsetzen und kollektive Ablehnung stößt, wird das Bild erst wieder 1862 ausgestellt und schließlich 1921 vom Louvre in Paris angekauft, wo es heute zu sehen ist. Im Bild „Das Massaker von Chios“ aus dem Jahr 1824 thematisiert Delacroix explizit Zerstörung und Tod mit einhergehender Trauer und schmerzhaftem Leid inmitten eines Kriegsschauplatzes. Hier reiht sich das Gemälde „Der Tod des Sardanapal“ ein. Dargestelltes wird zum psychologischen Spiegelbild des Malers und des Betrachters.

Delacroix sucht nach den verborgenen, dunklen Seiten des eigenen Ichs und der Seele des Körpers. Er untersucht eine schwarze Welt und die Verstrickungen der eigenen Psyche mit allen Widersprüchlichkeiten wie Erotik und Schmerz, Macht und Hingabe, Lust und Leid, Leben und Tod. Die eigene Psyche treibt den Maler Delacroix zum künstlerischen Umgang mit Farbe. Subjektive Betrachtungsweisen unter dem Gesichtspunkt der Erotik zeigen, dass es im „Tod des Sardanapal“ darum geht, die eigenen Begierden, die eigene Lust im Bild zuzulassen und sie als Antrieb und Thema künstlerischer Arbeit zu akzeptieren.

In dunkel anmutenden Sinnbildern von Hölle, Nacht und Traum entwickelt Delacroix im „Tod des Sardanapal“ vor einem „Schwarzthema“ leuchtende Farben, indem er sie aus dem Dunkel des Hintergrundes, wie aus dem Nichts, malerisch über Grauabstufungen nach vorn heraus treten lässt. Es entfalten sich intensive aufregende Farbwelten durch das kontrastreiche Gegenüber von Licht und Dunkel, in der Entsprechung von Leben zu Tod und anderen Gegensätzlichkeiten unterbewusster Ängste die interpretiert werden können. Die Farbe wird dabei zum eigentlichen Argument des Bildes. „Der Tod des Sardanapal“ setzt sich in diesem Aspekt eindringlich von dem etwas früher entstandenen Gemälde „Das Floß der Medusa“ von Jean Louis André Théodore Gericault aus den Jahren 1818 und 1819 ab, da es die dreidimensionale Illusion des Gegenstandes innerhalb eines plastisch angelegten Tiefenraumes negiert um zu einem malerischen Bildraum in der Fläche vorzudringen, also die konkret gemalte Farbigkeit an der Oberfläche und ihre innewohnende Dramaturgie, aufzuzeigen.

Eugène Delacroix selbst verwendet die Metapher des „Massakers“. Er nimmt Bezug zu seinem früheren Gemälde „Das Massaker von Chios“ und bezeichnet das Bild „Der Tod des Sardanapal“ als sein „Massaker Nr.2“. Zunächst benutzt er diese Metapher angesichts der extrem negativen Aufnahme des Bildes beim Publikum während der Ausstellung im Salon von 1827, um seinen Selbstzweifel zu benennen. Die öffentliche Meinung spricht vom „Ende alles Romantischen“. Darüber hinaus ist das „Massaker“ in erster Linie ein von Delacroix bewusst verwendetes künstlerisches Mittel um der angestrebten Zerstörung einer veralteten Kunstauffassung Ausdruck zu verleihen. Strenge klassizistische Kompositionsprinzipien innerhalb etablierter, idealisierter Heldenbilder haben kein Potenzial weil sie artig und nicht brisant genug sind. Nur durch deren Überwindung können neue gestalterische Wege gefunden und mit modernen inhaltlichen Problematiken verknüpft werden.

Delacroix hinterfragt andere zeitgenössische künstlerische Standpunkte seiner Zeit radikal. Er entwirft psychologisch komplexe Gestalten in denen die dunkle Seite dominiert und benutzt keine vorgefundenen, gesellschaftlich sanktionierten Vorbilder oder Idealgestalten: Der Held weicht in den Hintergrund. Delacroix deckt neue Ausdrucksformen auf um letztlich individuelle Konfliktpotenziale mit gesellschaftlichen Spannungspotenzialen zu vereinen. Gegensätzlichkeiten werden jetzt zum Bildthema.

Das Gemälde schwankt zwischen erotisch-intimen Aspekten und der Darstellung eines historischen Ereignisses, der Belagerung des Palastes des Sardanapal, hin und her. Der Schrecken einer Untergangsstimmung und die Schönheit des Rausches einer nächtlichen Orgie begegnen sich in zwiespältig dramatischer Gegensätzlichkeit im Bild. Eine gewalttätige Szenerie mit dem Ineinander von Erotik und Gewalt löst ein bildzentrales Chaos aus. Hingabe und Zerstörung bestimmen das monumentale Gemälde. Hier wird das Motiv des Orients benutzt, weil freie Erotik und Sexualität in einer Kanalisierung von familiärer Ehe, unter dem Druck der Moralvorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft, nicht möglich sind. Der Orientalismus ermöglicht hier ein gemeinschaftlich akzeptiertes Spiegelbild der westlich-europäischen Gesellschaft zu gestalten, weil der Orient als etwas Fremdes angesehen werden kann.

Am 29.4.1874 schrieb der Kunstkritiker Jules Castanary in der Zeitung Le Siecle folgendes: „Sie sind Impressionisten in dem Sinn, daß sie nicht eine Landschaft wiedergeben, sondern die von ihr hervorgerufenen Sinneswahrnehmung.“ Dabei bezog er sich auf eine Ausstellung der Künstler Camille Pissarro, Claude Monet, Alfred Sisley, Auguste Renoir und Berthe Morisot. Erst zwei Jahre zuvor hatte Monet der künstlerischen Richtung zu ihrem Namen verholfen. Auf einer Ausstellung nach dem Titel eines Werkes gefragt, das eine Hafenansicht im Nebel zeigte, antwortete der Maler, es handele sich einfach um eine Impression, einen Sinneseindruck.

Nicht nur an dem einfachen Motiv, auch an der Technik und insbesondere an der Skizzenhaftigkeit des Werkes störten sich Publikum und Kunstkritiker. Zusammen mit diesem Bild stellte Monet im Jahre 1874 den Boulevard des Capucines aus, von dem zwei Fassungen existieren. Mit einzelnen Pinselstrichen sind Häuser, Bäume und Menschen wiedergegeben. Eine eindeutige Perspektive ist nicht erkennbar, ebenso wenig sind die dargestellten Figuren durch Konturen abgegrenzt. Zwei Herren mit Zylinder, die auf einem Balkon stehen, verschwinden größtenteils am rechten Bildrand. Formen und Bildraum lösen sich nur durch farbliche Kontraste aus der Fläche. Monets Anliegen war es dabei, den flüchtigen Eindruck des Lichtes und das Farbenspiel in der Natur zu einer bestimmten Tageszeit wiederzugeben. In kurzen Pinselzügen trug er reine, ungemischte Farbe auf die Leinwand auf. Dabei griff er zurück auf wissenschaftliche Erkenntnisse, nach denen der Beobachter in der freien Natur weniger eine einzelne Gegenstandsfarbe ausmacht als ein Gemisch von Farbtönen, die sich erst im Auge zu Flächen formen.

In skizzenhafter Malweise die Stimmung eines kurzen Moments zu zeigen, was allerdings nicht nur Monets Anliegen. Schon Mitte der 1860er Jahre malten Frédéric Bazille, Auguste Renoir und Alfred Sisley zusammen mit Monet im Wald von Fontainebleau Landschaften, in denen sie den Wechsel des Lichts festhielten. Die Aufwertung der Landschaftsmalerei trug dazu bei, dass sich das Malen in freier Natur größerer Beliebtheit erfreute. Monet zeigte in seinen Bilderserien auch die verschiedenen Stimmungen, die durch die Brechungen des Lichts entstanden. Seine gewählten Motive waren vielfältig: die Kathedrale von Rouen, Seerosen oder ein einfacher Heuschober. Einige Bilder von Monets Künstlerkollegen zeigen ihn beim Malen in der freien Natur, etwa in seinem Garten in Giverny, wo auch die Seerosen-Bilder entstanden.

1824 zeigte Delaroche im Salon die Bilder «St Vincent de Paule, Préchant devant La Cour de Louis XIII, pour les Enfans Abandonées» und «Jeanne d’Arc, malade, est interrogée dans sa prison par le cardinal de Winchester», die große Anerkennung fanden und ihn mit einem Schlag bekannt machten. In den folgenden Jahren stellte er La mort d’Elisabeth Ire (Der Tod Elisabeths), Les Enfants d’Édouard (Die Kinder König Eduards), Charles Ier insulté par les soldats de Cromwell (Karl I., von den Soldaten Cromwells verhöhnt), Cromwell au cercueil de Charles Ier d’Angleterre (Cromwell in Betrachtung von Karls I. Leichnam), La mort de Lady Jane Grey (Die Hinrichtung der Jane Grey), L’Assassinat du duc de Guise (Die Ermordung des Herzog von Guise) und weitere großformatige Gemälde aus, die Ereignisse vorwiegend der englischen und französischen Geschichte in dramatischer Überhöhung zeigten, oft emotional aufgeladen durch Blick, Mimik und Gestik der Protagonisten. Seine offenkundige Bevorzugung von Hinrichtungsthemen Hochadliger wurden von Zeitgenossen teilweise auch verspottet. Im Kontext der damaligen Situation aber, noch stark unter dem Einfluss der traumatischen Ereignisse der Französischen Revolution, der Napoleonischen Kriege und der fortgesetzten Umstürze stehend, verstand sein Publikum die Motive als Sinnbilder der aktuellen politischen Unsicherheit. Ein thematischer Einfluss waren auch die Werke Lord Byrons. 1832 folgte er als mit 35 Jahren jüngstes Mitglied auf den Sitz des verstorbenen Charles Meynier an der Academie des Beuax Arts. Sein Atelier hatte er in der Rue Mazarin in Paris. 1837 begann er mit der Arbeit an einem monumentalen Wandgemälde von 27 Meter Länge im Halbrund (frz.: Hémicycle) des Prüfungssaales der École des beaux-arts, in dem auch die Preisverleihungen stattfanden. In der Art von Raffaels Schule von Athen stellte er 75 Maler, Bildhauer und Architekten aller Epochen, die damals als Kanon der bildenden Künste angesehen wurden, gruppenweise in Gespräche vertieft, dar. Dabei zeigte er sie anachronistisch, in der für ihre jeweilige Zeit typischen Kleidung. In der Mitte des Frescos befinden sich Allegorien der Künste und der Kunstepochen. Das Werk beendete Delaroche 1841. 1838 und 1843 unternahm er erneut Reisen nach Italien. 1849 bereiste er Deutschland. Er befand sich in seinen letzten Lebensjahren auf dem Gipfel des Ruhms, 1853 wurde er in einer italienischen Kritik als der bedeutendste der lebenden Maler eingeschätzt.

Paul Delaroche verstarb im Alter von 59 Jahren in Paris. Eugène Delacroix übernahm seinen Sitz in der Akademie.

1835 übernahm er nach dem Suizid von Antoine-Jean Gros dessen Lehratelier, das er bis 1843 führte. In diesem Jahr gab er die Lehrtätigkeit trotz energischer Proteste seiner Schüler auf, nachdem ein Schüler bei einem Initiationsritus umgekommen war. Bezüglich der in den 1830er Jahren aufkommenden Daguerreotypie, einer frühen Form der Fotografie, wird ihm der Satz zugeschrieben: «À partir d’aujourd’hui la peinture est morte.» („Von heute an ist die Malerei tot.“)

Paul Delaroches Arbeiten zeigten noch klar den klassizistischen plastischen Ansatz seiner Lehrmeister, aber auch deutliche Einflüsse der Romantik. Sein Pinselstrich ist im Gegensatz zu etwa Delacroix kaum auszumachen, die Konturen sind betont. Delaroche arbeitete sehr akkurat, er bereitete seine Arbeiten intensiv vor, zum Beispiel indem er an Wachsmodellen den Schattenwurf überprüfte. Bei der Wahl der Motive ging es nicht unbedingt um die historische Genauigkeit, sondern um geeignete Szenen für die intensive Darstellung der Emotionen. Meist bildete er den Moment unmittelbar vor oder nach einem Ereignis ab. Zum Teil konstruierte er Situationen, wie bei dem Verhör der Jeanne d’Arc durch den Kardinal von Winchester, das es so gar nicht gegeben hatte. Auch die Hinrichtungsszene von Jane Grey im Tower ist ahistorisch, sie fand in Wirklichkeit unter freiem Himmel statt. In seinen letzten Lebensjahren wand er sich zunehmend religiösen Themen und Portraits, auch seiner Familienmitglieder, zu.

Die Hinrichtung der Lady Jane Grey ist ein monumentales Ölgemälde. Das 1833 entstandene Bild zeigt Delaroches Interpretation der letzten Minuten der englischen „Neuntagekönigin“ Jane Grey. Es hängt zentral im Raum für französische Malerei des frühen 19. Jahrhunderts in der National Gallery in London.

Das Gemälde zeigt Jane Grey in einer Kammer des Towers vor ihrer Hinrichtung, geleitet von Sir John Brydges, dem damaligen Konstabler des Tower. Rechts neben ihr wartet bereits der Henker, links sind zwei trauernde Frauen zu sehen.

Obwohl die Darstellung nur wenig Ähnlichkeiten mit den realen Ereignissen 300 Jahre vor Entstehung des Gemäldes hat, trug sie doch maßgeblich dazu bei, das öffentliche Bild des Tower of London und das von Jane Grey zu formen. Das Bild war bereits bei seiner ersten Veröffentlichung 1834 im Pariser Salon eine Sensation und sorgte europaweit für Diskussionsstoff. Zusammen mit den Pinzen im Tower gehört es zu den bekanntesten Werken von Delaroche. Es ist seit Langem ein Publikumsmagnet der National Gallery, gilt vielen Kunsthistorikern aber als rührselig und albern.

Die Szene spielt in einem dunklen Raum im Tower von London. Zentrale Figur des Gemäldes ist die junge, weiß gekleidete Jane Grey, die dem Betrachter das Gesicht zuwendet. Sie kniet auf einem Polster. Durch eine Augenbinde am Sehen gehindert, tastet sie nach dem Richtblock vor ihr, auf dem sie enthauptet werden soll. Der Konstabler des Towers, ein älterer Mann, hält, um sie zu führen, behutsam ihre Arme. Rechts von Grey steht der Henker, der gesenkten Blickes ruhig darauf wartet, dass er seine Arbeit verrichten kann. Links von ihr sind zwei ehemalige Bedienstete der Königin zu sehen. Während die eine Frau sich, dem Betrachter abgewandt, elegisch mit gebeugtem Kopf und erhobenen Armen an eine massive Säule lehnt, sitzt die andere daneben am Boden und scheint der Ohnmacht nahe.

Die Bediensteten tragen der Mode der Tudor-Zeit entsprechende Kleider, Greys Kleid dagegen – sein Weiß sticht aus dem Bild heraus – ist moderner. Es zeigt wesentlich mehr vom jugendlichen Körper der gestürzten Königin, als es ein zeitgenössisches Kleid hätte tun können.

Sowohl Konstabler als auch Henker scheinen in ihrer Haltung und ihrem Gesichtsausdruck Anteilnahme mit Jane Grey auszudrücken, was sie jedoch offenbar nicht von ihrem Tun abbringt.

Unter dem Block, auf den Grey ihren Hals legen soll, liegt Stroh, um das Blut aufzufangen. Dies sowie das mächtige Beil des Henkers weist auf die kurz bevorstehende Exekution hin.

Wie in seinen anderen Bildern auch, gelingt Delaroche eine Verbindung von klassischer akademischer Kunst und moderner romantischer Bewegung, die das Oxford Dictionary of Art als „akademisch und handwerklich tadellos, aber mit dem Aroma der Romantik“ ausgestattet kennzeichnet. Obwohl er handwerklich klassische Stilmittel verwendet und zur Erschaffung des Gemäldes umfangreiche historische Studien betrieb, gelingt ihm doch ein romantischer Ausdruck. Das Gemälde ist auf größtmögliche Wirkung und Pathos ausgelegt. Es zeigt Grey in ihrem unsichersten und verwundbarsten Moment und zielt dabei ebenso auf den Grusel des Betrachters wie auf die Wirkung der verletzlichen, unschuldigen jungen Frau als wehrloses Opfer.

Jane Grey war neun Tage lang englische Königin, bevor sie abgesetzt und 1554 im Alter von 16 Jahren auf dem Tower Green im Tower of London hingerichtet wurde. Grey, die bis dahin ein unauffälliges Leben geführt hatte, wurde im Rahmen der religiösen Auseinandersetzungen Englands als einzig mögliche protestantische Thronfolgerin ausersehen. Nach anfänglichem Zögern und erst auf massiven Druck der protestantischen Partei bestieg sie den Thron, wurde aber nur neun Tage später von ihrer katholischen Cousine Maria I. abgesetzt und schließlich hingerichtet. Die Geschichte der jungen „Neuntagekönigin“ hat seitdem die Engländer fasziniert und zu einer reichhaltigen künstlerischen Verarbeitung geführt.

Delaroche selbst malte in einer Zeit, in der die blutigen Ereignisse der französischen Revolution und ihrer Folgen den meisten Zeitgenossen noch gegenwärtig waren. Im Werke Delaroches lässt sich eine Entwicklung feststellen, die auf diese Ereignisse zusteuert. Sein Schaffen beginnt mit oftmals drastischer Historienmalerei, wobei er solche Szenen wie die Hinrichtung von Jane Grey bevorzugt, nähert sich im Laufe der Zeit jedoch thematisch und zeitlich immer mehr der französischen Revolution an. Die Hinrichtung einer amtierenden Monarchin spielt auf Ereignisse dieser historischen Periode an, die Delaroche in späteren Jahren auch explizit darstellt.

Delaroche verließ sich bei dem Gemälde außer auf seine künstlerische Inspiration auf historische Quellen. So kursierte die Geschichte, dass Jane Grey gefasst zur Hinrichtung gegangen, ruhig einen Psalm gesprochen, und die Augenbinde angelegt hätte. Danach sei sie allerdings in Panik geraten, hätte den Block gesucht, und wäre gestolpert. Diese Szene, über deren Wahrheitsgehalt sich die Geschichtswissenschaft nicht einig ist, wird von Delaroche dargestellt. Insgesamt zeigt sich das Gemälde deutlich mehr beeinflusst von der protestantischen Propaganda des 16. Jahrhunderts als dem nachvollziehbaren Ablauf der Ereignisse.

Bei seiner Präsentation im Pariser Salon 1834 sorgte das Bild für ein Aufsehen, wie es dort nur alle paar Jahre ein Ausstellungsstück hervorrief. Königsabsetzung und Machtübergang war ein geläufiges Thema der Zeit. Die Einschätzungen von Delaroches Bild allerdings waren verschieden. Während Louis-Philippe die Ereignisse um Jane Grey als Gegensatz zur eigenen friedlichen und legitimen Machtübernahme sah, nutzten seine politischen Gegner die Popularität des Bildes für ihre Zwecke. Nur wenige Wochen nach der Eröffnung des Pariser Salons veröffentlichte die Zeitschrift La Caricature eine Karikatur, die Louis-Philippe als Konstabler des Towers zeigte, und Libertas als Jane Grey.

Delaroches Bild ist ein herausragendes Beispiel für die künstlerische Uminterpretation der Geschichte. Diente Jane Grey schon lange als Projektionsfläche für romantische Erzählungen der englischen Geschichte, begann sich dieses Bild im 19. Jahrhundert zu wandeln. Bis dahin galt sie als romantische Heldin, die für den rechten Glauben kämpft und daran zugrunde geht. Delaroches Gemälde nimmt eine Umdeutung vor. In seinem Bild ist Jane Grey nicht mehr die kämpferische Heldin, sondern ein unschuldiges Opfer. Das Bild löste damit einen Trend aus, in dessen Verlauf Grey immer hilfloser und kindhafter porträtiert wurde.

Die Szene spielt in einem dunklen Raum im Tower von London. Zentrale Figur des Gemäldes ist die junge, weiß gekleidete Jane Grey, die dem Betrachter das Gesicht zuwendet. Sie kniet auf einem Polster. Durch eine Augenbinde am Sehen gehindert, tastet sie nach dem Richtblock vor ihr, auf dem sie enthauptet werden soll. Der Konstabler des Towers, ein älterer Mann, hält, um sie zu führen, behutsam ihre Arme. Rechts von Grey steht der Henker, der gesenkten Blickes ruhig darauf wartet, dass er seine Arbeit verrichten kann. Links von ihr sind zwei ehemalige Bedienstete der Königin zu sehen. Während die eine Frau sich, dem Betrachter abgewandt, elegisch mit gebeugtem Kopf und erhobenen Armen an eine massive Säule lehnt, sitzt die andere daneben am Boden und scheint der Ohnmacht nahe.

Die Bediensteten tragen der Mode der Tudor-Zeit entsprechende Kleider, Greys Kleid dagegen – sein Weiß sticht aus dem Bild heraus – ist moderner. Es zeigt wesentlich mehr vom jugendlichen Körper der gestürzten Königin, als es ein zeitgenössisches Kleid hätte tun können.

Sowohl Konstabler als auch Henker scheinen in ihrer Haltung und ihrem Gesichtsausdruck Anteilnahme mit Jane Grey auszudrücken, was sie jedoch offenbar nicht von ihrem Tun abbringt.

Unter dem Block, auf den Grey ihren Hals legen soll, liegt Stroh, um das Blut aufzufangen. Dies sowie das mächtige Beil des Henkers weist auf die kurz bevorstehende Exekution hin.

Wie in seinen anderen Bildern auch, gelingt Delaroche eine Verbindung von klassischer akademischer Kunst und moderner romantischer Bewegung, die das Oxford Dictionary of Art als „akademisch und handwerklich tadellos, aber mit dem Aroma der Romantik“ ausgestattet kennzeichnet. Obwohl er handwerklich klassische Stilmittel verwendet und zur Erschaffung des Gemäldes umfangreiche historische Studien betrieb, gelingt ihm doch ein romantischer Ausdruck. Das Gemälde ist auf größtmögliche Wirkung und Pathos ausgelegt. Es zeigt Grey in ihrem unsichersten und verwundbarsten Moment und zielt dabei ebenso auf den Grusel des Betrachters wie auf die Wirkung der verletzlichen, unschuldigen jungen Frau als wehrloses Opfer.

Jane Grey war neun Tage lang englische Königin, bevor sie abgesetzt und 1554 im Alter von 16 Jahren auf dem Tower Green im Tower of London hingerichtet wurde. Grey, die bis dahin ein unauffälliges Leben geführt hatte, wurde im Rahmen der religiösen Auseinandersetzungen Englands als einzig mögliche protestantische Thronfolgerin ausersehen. Nach anfänglichem Zögern und erst auf massiven Druck der protestantischen Partei bestieg sie den Thron, wurde aber nur neun Tage später von ihrer katholischen Cousine Maria I. abgesetzt und schließlich hingerichtet. Die Geschichte der jungen „Neuntagekönigin“ hat seitdem die Engländer fasziniert und zu einer reichhaltigen künstlerischen Verarbeitung geführt.

Delaroche selbst malte in einer Zeit, in der die blutigen Ereignisse der französischen Revolution und ihrer Folgen den meisten Zeitgenossen noch gegenwärtig waren. Im Werke Delaroches lässt sich eine Entwicklung feststellen, die auf diese Ereignisse zusteuert. Sein Schaffen beginnt mit oftmals drastischer Historienmalerei, wobei er solche Szenen wie die Hinrichtung von Jane Grey bevorzugt, nähert sich im Laufe der Zeit jedoch thematisch und zeitlich immer mehr der französischen Revolution an. Die Hinrichtung einer amtierenden Monarchin spielt auf Ereignisse dieser historischen Periode an, die Delaroche in späteren Jahren auch explizit darstellt.

Delaroche verließ sich bei dem Gemälde außer auf seine künstlerische Inspiration auf historische Quellen. So kursierte die Geschichte, dass Jane Grey gefasst zur Hinrichtung gegangen, ruhig einen Psalm gesprochen, und die Augenbinde angelegt hätte. Danach sei sie allerdings in Panik geraten, hätte den Block gesucht, und wäre gestolpert. Diese Szene, über deren Wahrheitsgehalt sich die Geschichtswissenschaft nicht einig ist, wird von Delaroche dargestellt. Insgesamt zeigt sich das Gemälde deutlich mehr beeinflusst von der protestantischen Propaganda des 16. Jahrhunderts als dem nachvollziehbaren Ablauf der Ereignisse.

Bei seiner Präsentation im Pariser Salon 1834 sorgte das Bild für ein Aufsehen, wie es dort nur alle paar Jahre ein Ausstellungsstück hervorrief. Königsabsetzung und Machtübergang war ein geläufiges Thema der Zeit. Die Einschätzungen von Delaroches Bild allerdings waren verschieden. Während Louis-Philippe die Ereignisse um Jane Grey als Gegensatz zur eigenen friedlichen und legitimen Machtübernahme sah, nutzten seine politischen Gegner die Popularität des Bildes für ihre Zwecke. Nur wenige Wochen nach der Eröffnung des Pariser Salons veröffentlichte die Zeitschrift La Caricature eine Karikatur, die Louis-Philippe als Konstabler des Towers zeigte, und Libertas als Jane Grey.

Delaroches Bild ist ein herausragendes Beispiel für die künstlerische Uminterpretation der Geschichte. Diente Jane Grey schon lange als Projektionsfläche für romantische Erzählungen der englischen Geschichte, begann sich dieses Bild im 19. Jahrhundert zu wandeln. Bis dahin galt sie als romantische Heldin, die für den rechten Glauben kämpft und daran zugrunde geht. Delaroches Gemälde nimmt eine Umdeutung vor. In seinem Bild ist Jane Grey nicht mehr die kämpferische Heldin, sondern ein unschuldiges Opfer. Das Bild löste damit einen Trend aus, in dessen Verlauf Grey immer hilfloser und kindhafter porträtiert wurde.

Delaroche verkaufte das Gemälde bei der Ausstellung im Pariser Salon an den russischen Aristokraten Anatole Demidoff. Von diesem erwarb es im Jahr 1870 ein englischer Geschäftsmann, der es 1902 der National Gallery stiftete. In den folgenden Jahrzehnten wechselte das Kunstwerk mehrfach zwischen National Gallery und Tate Gallery. Nach dem Themsehochwasser von 1928, das auch die Tate überflutet hatte, galt es als unrettbar zerstört. Es war aber nur beschädigt worden. Dennoch verschwand es für mehrere Jahrzehnte im Depot des Museums. Erst 1973 besann sich die National Gallery eines anderen und restaurierte das Gemälde. Als es 1975 das erste Mal wieder gezeigt wurde, war es in der Öffentlichkeit vollkommen in Vergessenheit geraten. Die National Gallery brachte zu dieser Zeit weder ihm noch seinem Maler viel Wertschätzung entgegen. Öffentlich gab sie bekannt, die einzige interessante Frage zum Werk Delaroches sei, warum ausgerechnet er zu Lebzeiten so populär gewesen sei.

Anfangs fand das Bild seinen Platz in einem Gang zwischen zwei Galerien der National Gallery. Als es jedoch später in den Raum für französische Malerei des frühen 19. Jahrhunderts gehängt wurde, führte dies zu einer kleinen Renaissance des Malers Delaroche. Aufgrund seiner schieren Größe von knapp zweieinhalb mal drei Metern dominiert das Bild den Raum. Im Jahre 2010 widmete die National Gallery Delaroche und Jane Grey sogar eine eigene Sonderausstellung unter dem Titel Painting History: Delaroche and Jane Grey. Von März bis Mai 2012 war es im Louvre zu sehen.

Da Delaroche einer der populärsten Maler seiner Zeit war, wurde jedes seiner Bilder auch als Kupferstich für ein breiteres Publikum hergestellt. Zwar sagte Delaroche die Jane Grey bereits 1834 dem Kupferstecher Paul Mercuri zu, doch der Stich erschien erst 1857.

Der schweizerisch-englische Maler Johann Heinrich Füssli, der neben Reynolds und West einer der bedeutendsten seiner Zeit gewesen ist, stellte drei Kategorien des Malens auf: Das historische, das epische und das dramatische Element. Hierbei sollte der historischen Kategorie am wenigsten Aufmerksamkeit zukommen, da der Rezipient von dramatischen und epischen Gestaltungsprinzipien am meisten angesprochen werde. In Deutschland bildete sich eine kunsttheoretische Auseinandersetzung mit Bildern erst vergleichsweise spät heraus. Grund hierfür lag zum einen in dem erst jetzt entstandenen Wandel des Geschichtsbewusstseins im Zuge des Historismus, so dass Historienbilder vielerorts ein gespanntes Publikum antrafen. Neben Ausstellungen fanden sie auch in Druckform in Illustrierten ihren Platz. In der Öffentlichkeit bestand vor allem der Bedarf einer authentischen Darstellung in Bildern, da eine schlechte schriftliche Quellenlage über die Vergangenheit aber auch Gegenwart vorherrschte.

Die Historienmalerei auf dem Gebiet des heutigen Deutschland entwickelte sich später als z.B. in Italien und in Frankreich. Bilder des späten 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts zeigten episch-philosophisch überhöhte Ereignisse der Welt- oder Regionalgeschichte bis hin zu volkstümlichen Erzählungen; hierbei überwogen Militär- und Schlachtenmalereine sowie Monumentalmalereien.

Der Kunstkritiker Robert Vischer forderte bezüglich der Form der Darstellung, dass Historienbilder „heiter und mythenleer“ sein und eine deutliche künstlerische Färbung aufweisen sollten. Er stellte demnach ebenfalls wie einige seiner europäischen Vorgänger Regeln der Kunst auf, die er allerdings später zugunsten der Freiheit der Kunst revidieren sollte. Sein Ideal galt nun der freien künstlerischen Entfaltung, die allerdings auf ein ausdrucksstarkes Bild abzielen sollte. Der Zwist zwischen historischem Wissen und der Gestaltung der Bilder, den schon Alberti im 15. Jahrhundert diskutierte, übertrug Cornelius Gurlitt auf die Rezipienten. Seiner Ansicht nach bedeute die Betrachtung der Historienbilder durch einen ungebildeten Betrachter nur halben ästhetisch-faktischen Genuss. Des Weiteren appellierte er an die Gestaltungsprinzipien der zeitgenössischen Maler, da diese durch die idealisierende Darstellung von Personen und Tatsachen Geschichte verklären und im Bild eine „Verkümmerung der Wirklichkeit“ hervorrufen. Ähnlich sah es auch Richard Muther, wenngleich er etwas distanzierter analysierte, indem er der Historienmalerei die Aufgabe zuschrieb, geschichtliche Kenntnisse zu vermitteln. Die Funktion und der Zweck der Historienmalerei war besonders im 19. Jahrhundert sehr vielschichtig, da ein Spektrum der Verwendung von privater Erbauung und sentimentaler Rührung über wissenschaftliche Erkenntnisse hin zu illustrativer Unterrichtung verzeichnet werden kann.

In Preußen war besonders das Jahr 1871 signifikant. Nach dem Sieg Preußens gegen Frankreich im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und der Ausrufung des Deutschen Reichs in Versailles, also auf feindlichem Territorium, wurde Vergangenheit durch zahlreiche Maler zugunsten der politischen Herrschaftselite einschließlich des Kaisers rezipiert, um die lange forcierte nationale Einheit zu legitimieren. Es lassen sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fünf zentrale Motive feststellen, die diesem Vorhaben in manipulativer Weise dienen sollten: Das erste dieser Motive war die Schlacht im Teutoburger Wald 9 n. Chr. zwischen Varus uns Arminius, auch als Hermann der Cherusker bekannt, aus der Hermann als Sieger hervorging, der in der bildlichen Umfunktionalisierung des 19. Jahrhunderts als erster Deutscher verstanden wurde.

Das zweite historische Ereignis, das vielseitig rezipiert und entfremdet wurde, ist der Tod Friedrich I. Barbarossas. Sein Tod im Jahr 1190 in Anatolien während der Kreuzzüge wurde von Künstlern adaptiert und umfunktionalisiert. So erscheint Wilhelm I. auf einem Bild in der Barbarossarolle, was den Kaiser des Heiligen Römischen Reichs nicht imitieren sollte, sondern vielmehr als Bild des Nachfolgers oder Vollstreckers der Absichten Friedrichs I. gedeutet werden muss. Da Barbarossa in der zeitgenössischen Malerei eine durch die künstlerische Gestaltung starke Ähnlichkeit zu dem gekreuzigten Jesus aufwies, wurde nicht nur auf politische Traditionen, sondern auch an die Religiosität der Nation appelliert. Auch Friedrich Kaulbach und Hermann Wislicenus arbeiteten zu dem Barbarossa-Motiv und verklärten es im Sinne politischer Absichten. Die Präsenz des Namens Barbarossas war auch noch über die Jahrhundertwende hinaus deutlich zu spüren, denn nicht nur Wilhelm I., sondern auch noch Adolf Hitler mit dem Unternehmen Barbarossa versuchten ihre Macht- und Herrschaftsanspruche in Europa mit dem Namen des früheren Kaisers zu legitimieren.

Auch für das nächste Motiv wird eine Person herangezogen, deren religiöser Hintergrund als Deutscher im 19. Jahrhundert aktualisiert wurde. Martin Luther, der in Bildern durch Künstler, obwohl er viel eher lebte, als Aufklärer dargestellt wurde. Auch an diesem Beispiel deutet der Maler ein historisches Ereignis in der Retrospektive: Der Verbrennung der Bannandrohungsrollen durch Luther im Jahr 1520. Catel hält dies in seinem Bild Martin Luther verbrennt die päpstliche Bulle und das canonische Recht. Luther wird in der gestalterischen Symbolik des 19. Jahrhunderts als der Reformator und Aufklärer der Deutschen dargestellt, der die Sprache der Vielen durch seine Bibelübersetzungen zu den Wenigen (Gebildeten) gebracht hat, gleichzeitig wird damit den Betrachtern dieser Bilder suggeriert, dass schon Luther Begründer des protestantischen Kaisertums war. Die Reformation diente also in der Entfremdung durch die Kunst und Politik des 19. Jahrhunderts als ein wichtiger Knotenpunkt des Ursprungs der nationalen Einheit.

In der chronologischen Abfolge der Zeit ist das nächste historische Ereignis erst wieder am Anfang des 19. Jahrhunderts zu lokalisieren. Die Völkerschlacht bei Leipszig 1813 und die vorhergehenden Kriegsjahre flossen nicht nur in politische wie literarische Schriften, sondern auch die zeitgeschichtliche Malerei ein. So rüstete sich die intellektuelle Elite in Wort und Bild, um ein solidarisches und patriotisches Zusammenhalten der Bevölkerung gegenüber dem von Napoleon angeführten französischen Feind zu erwirken.

Das Gemälde Ferdinande von Schmettau opfert ihr Haar auf dem Altar des Vaterlandes war eines der bekanntesten Bilder der Zeit; es vereinte alle mit dem historischen Ereignis intendierten Motive in Bild und Titel. Die Elemente Einheit und Opferbereitschaft sowie religiöse Motive werden im Titel und in der bildlichen Darstellung deutlich und durch andere Werke in den Bereichen wie der freiwilligen Meldung zum Krieg und später durch das Motiv des Siegers erweitert. Ebenfalls wie das Motiv Barbarossa floss das der Völkerschlacht bei Leipzig in die Geschichte des Folgejahrhunderts ein. 1913 wurde das Völkerschlachstdenkmal bei Leipzig eingeweiht und auch hier fand eine Entfremdung statt. Das Denkmal, zweckmäßig für die Gefallenen entworfen, diente als Symbol für den deutschen Sieg, jedoch wäre es ohne das russisch-österreichische Bündnis gegen Napoleon wahrscheinlich auch nicht zur Niederlage des Letzteren gekommen.

Als fünftes signifikantes historisches Ereignis lässt sich die Gründung des Deutschen Reichs, die auch als Kaiserproklamation bekannt geworden ist, festmachen. In diesem geschichtlichen Moment scheint sich die Erfüllung der deutschen Geschichte als Sieger im Kampf um die europäische Vormachtstellung erfüllt zu haben. Anton von Werner, der als erster Künstler zu diesem Ereignis arbeitet, und Augenzeuge der Proklamation war, wurde beauftragt, das Ereignis im Bild festzuhalten. In Werners Bildern zur Proklamation, drei unterschiedlichen Versionen, lässt sich gut erkennen, wie Geschichte durch den Maler rezipiert und gestaltet werden kann. In allen Bildern verändert sich die Betrachterperspektive, sodass die drei Sichtweisen der Militärs, der deutschen Fürsten und schließlich der preußischen Delegierten und Verantwortlichen repräsentiert wird. Der Betrachter rückt so sukzessive näher an das dargestellte Ereignis heran. Eine Begleiterscheinung der Perspektivenveränderung ist die Zunahme der Detailgetreue. Im Fokus der letzten und so genannten Friedrichsruher Fassung stehen die Preußen Wilhelm I., Moltke, Roon und Bismarck. Letzterer trägt auf dem Bild eine weiße Uniform, die er nachweislich gar nicht im Gepäck hatte und Roon wird mit ins Bild gesetzt, obwohl dieser aus Krankheitsgründen nicht an der Proklamation teilnehmen konnte. Weitere künstlerische Ergänzungen lassen das Bild bei genauerer Betrachtung als nicht authentisch erscheinen, Ziel jedoch war es, gerade in dieser Version das Verdienst der preußischen Generäle und Politiker sowie den des Kaisers herauszustellen. So zeigt auch hier das Historienbild nicht wie Geschichte war, sondern gesehen werden soll.

Ähnlich wie Anton von Werner wurde auch Hermann Wislicenus beauftragt, Gemälde zu entwerfen, die eine Symbiose zwischen Geschichte und Gegenwart eingehen sollten. Nachdem die Kaiserpfalz Goslar gegen Ende des 19. Jahrhunderts sanierungsbedürftig geworden war, gewann Wislicenus einen Wettbewerb zur Renovierung und Neugestaltung der Residenz. Die von ihm gestalteten 52 Wandgemälde im Kaisersaal bildeten eine zeitliche Abfolge der deutschen Geschichte mit Themen wie der mittelalterlichen Kaiserherrlichkeit, einer Dornröschen-Allegorie, die stellvertretend für das Erwachen der deutschen Staaten aus dem politischen Tiefschlaf stand, und letztlich der Reichsgründung von 1871. Die Motive symbolisieren den in der Entstehungszeit vom Künstler und den Auftraggebern so gesehenen geschichtlichen Werdegang des nun wieder zu neuem Leben erwachten Kaiserreichs.

Jan Alojzy Matejko war ein polnischer Maler patriotischer Historiengemälde. Er gilt als der bedeutendste Historienmaler Polens,

Jan Matejko wurde als neuntes von elf Kindern geboren. Seine Mutter verstarb früh und so hatte sein älterer Bruder Franciszek großen Einfluss auf seine Erziehung. Im Jahr 1852, als er gerade 14 Jahre alt war, begann er ein Kunststudium an der Krakauer Akademie der Schönen Künste. Bereits damals litt er an einem Augenleiden, was aber nicht verhinderte, dass er als einer der begabtesten Schüler galt. Nach einem kurzen Aufenthalt in Wien 1859/60 bei Christian Ruben kehrte er nach Krakau zurück und wurde 1873 Direktor der Akademie der Schönen Künste.

Matejko hatte mit seiner Frau Teodora fünf Kinder (Tadeusz, Jerzy, Beata, Helena und Regina), von denen seine jüngste Tochter kurz nach der Geburt starb. Er selbst starb am 1. November 1893 in seinem Haus und wurde auf dem Rakowicki beigesetzt. Ein Bürgerkomitee engagierte sich unmittelbar nach seinem Tod für die Errichtung eines Museums. Dafür wurde der Familie das Haus in der ul. Floriańska 41 abgekauft. 1904 wurde das Museum dann eröffnet. Heute sind auch in den Tuchhallen (Sukiennice) auf dem Marktplatz von Krakau einige seiner Gemälde zu bewundern. Die Kunstakademie, die er in seiner Heimatstadt besuchte, trägt seinen Namen. Er hatte wesentlichen Einfluss auf das geistige Leben in Polen und zum Teil in den Nachbarländern, vor allem in der tschechischen Malerei.

Großen Einfluss auf Matejkos Stil hatte Wilhelm von Kaulbachs „symbolisch-historischer“ Stil, der nicht eine möglichst genaue Darstellung eines Ereignisses aus historischer Sicht zum Ziel hatte, sondern dem Künstler Spielraum für Interpretationen ließ und die Möglichkeit eröffnete, Kenntnisse über das Geschehene mit einfließen zu lassen. Das Wesentliche sei somit nicht die Darstellung eines wahren Ereignisses, sondern der in einem Bild ausgedrückte Ideengehalt. Charakteristisch für seine Malerei sind die große Prächtigkeit, Fülle von historischen Requisiten und Gruppenszenen mit theatralischem Effekt.

Prägend für Matejko und seine Historienmalerei war die Dritte Teilung Polens, durch die Polen aufgehört hatte, als Staat zu existieren. Im Kampf der Polen um ihre Souveränität fiel einer seiner Brüder. Matejko betrachtete die glorifizierende Darstellung der polnischen Geschichte, vor allem des Mittelalters, als ein Mittel zur Bewahrung der nationalen Identität und patriotischen Ermutigung seiner Landsleute in der Zeit der Russifizierungs bzw. Germanisierungsbestrebungen der drei Teilungsmächte. Matejko selbst äußerte dazu:„Kunst ist eine Art Waffe; man darf die Kunst nicht von der Liebe zum Heimatland trennen.“

In den Jahren 1872 bis 1878 entstand das monumentale Gemälde Schlacht bei Grunwald, das vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.

1889 malte Matejko das Bild Die Aufnahme von Juden. Es wird dargestellt, wie nach den antijudaischen Ausschreitungen während des Volkskreuzzuges 1096 jüdische Flüchtlinge von Herzog Wlasyslaw I. Herman in Plock aufgenommen werden. Der Herzog wird im Gespräch mit dem Anführer der Juden gemalt. Diesen identifizierte Matejko als Benjamin von Tudela, einen bekannten jüdischen Reisenden des 12. Jahrhunderts, der in Wirklichkeit nie in Polen war. Die Polen werden im Gegensatz zu den deutschen Kreuzrittern als tolerant und gastfreundlich dargestellt, gleichzeitig erscheinen die Juden aber auch deutlich als Angehörige einer fremden Ethnie, die in ihrer orientalischen Tracht und ihrer drastischen Gestik einen starken Kontrast zu den betont gelassenen und europäisch gewandeten Polen bilden. Matejko, wollte zeigen, dass die Aufnahme der Juden nicht nur finanzielle Vorteile für die Polen gebracht habe – auf dem Bild werden wertvolle Edelsteine als Geschenke übergeben –, sondern auch Gefahren.

Ein weiteres Beispiel ist ein großformatiges Gemälde, dass zeigt, wie König Boleslaw Chrobry mit dem Szczerbiec, dem im 12. Jahrhundert geschmiedeten Krönungsschwert der polnischen Könige, bei seinem Einzug in Kiew im Jahr 1018 gegen das Goldene Tor schlägt, was aber nie stattgefunden haben kann.

Um seine persönliche Bewertung der Geschichte in den Gemälden unterzubringen, benutzte Matejko wiederholt die populäre Figur des Stanczyk, des 1560 verstorbenen Hofnarren der Könige Sigismund I und Sigismusnd August. In einem 1862 entstandenen Gemälde lässt er ihn während eines Balls der Königin Bona im Jahre 1514 allein und besorgt über die Nachricht nachsinnen, dass die Moskowiter -Russen Smolensk erobert haben. Die damit verbundene Anklage gegen die seines Erachtens allzu wenig tatkräftige Führung Polens wird noch dadurch unterstrichen, dass Matejko dem Hofnarren seine eigenen Züge lieh.

Ähnlich verhält es sich bei dem Gemälde Die preußische Huldigung aus dem Jahr 1882. Es zeigt den Moment des größten polnischen Triumphs über die nachmalige Teilungsmacht Preußen, als der letzte Hochmeister des Deutschen Ordens Albrecht I. von Brandenburg-Ansbach, Vorfahr des deutschen Kaisers, dem König Sigismund I. im Jahr 1525 in einer Demutsgeste den Lehnseid leistet. Die Szene ist feierlich gestaltet, die Farbgebung festlich-optimistisch, doch der zu Füßen Sigismunds sitzende Stańczyk zeigt mit seiner sorgenschweren Gestik und Mimik, dass die Zukunft für sein Land gleichwohl düster war.

Insbesondere aus polnischer Sicht wird Matjeko als Patriot und Vertreter des polnischen Positivismus gesehen wird, dessen Werke als erzieherische identitätsstiftende Heldenerzählungen der patriotischen Erbauung des Volkes in der Zeit der Unterdrückung durch die Teilungsmächte dienten, Der amerikanische Kunsthistoriker Richard Brettell kommentiert Matejkos wohl berühmtestes Werk, die Schlacht von Grunwald bzw. Tannenberg wie folgt:

„So benutzte das Gemälde die Geschichte für aktuelle politische Ziele und verkleidete einen grimmigen, aber frustrierten Nationalismus unter dem Mantel der Historienmalerei. Die schiere Bildenergie der Leinwand hat keinen Vorläufer im 19. Jahrhundert.“

Matejko fertigte neben großen Ölgemälden auch Aquarelle an und sammelte Waffen, Kleidung und Handwerksutensilien. Bekannt wurde er unter anderem durch sein Portfolio mit 44 Bleistiftzeichnungen – Poczet królów i książąt polskich (dt. Gefolge der polnischen Könige und Fürsten), der 1892 in Wien erschien. Zu jedem Porträt gab es einen knappen biographischen Essay von Historikern der Krakauer Universität. Die Herrscherporträts waren zwar größtenteils rein imaginär, entfalteten aber eine große Suggestivwirkung. Die Sammlung war daher kommerziell so erfolgreich, dass es mehrere erweiterte Neuauflagen gab, dann auch mit Kolorierungen von unbekannter Hand. Die Porträts sind heute noch auf den Zloty -Scheinen zu sehen und prägen bis heute das Geschichtsbild der Polen.

Stańczyk während eines Balls am Hof von Bona Sforza im Angesicht des Verlusts von Smolensk ist ein Gemälde aus dem Jahr 1862. Motiv ist der Hofnarr Stanczyk, der im 16. Jahrhundert drei polnischen Königen gedient und später zu einer nationalen Integrationsfigur geworden war. Das in Öl auf Leinwand ausgeführte, 120 Zentimeter hohe und 88 Zentimeter breite Gemälde gehört zur Sammlung des Nationalmuseums Warschau

Im Zentrum des Bildes sitzt der rot gekleidete Hofnarr Stańczyk in melancholischer Stimmung auf einem Stuhl. Seine Marotte liegt auf dem Boden, während auf seinem Bauch ein Medaillon der Schwarzen Madonna von Tschenstochau liegt. Diese beiden Attribute und ihre Position im Bild betonen noch einmal die Stimmung Stańczyks. Diese liegt in einem auf dem Tisch liegenden Brief begründet. Dieser trägt die Jahreszahl 1514 und den Namen Smlennsk, womit er auf den Verlust dieser russischen Stadt an das russische Grofürstentum Moskau Bezug nimmt. Im Gegensatz zur Gemütsverfassung des Hofnarrn steht die Ballszene, die am linken Bildrand in einem anderen Raum zu erkennen ist. Dieser findet anlässlich des Sieges in der Schlacht bei Orscha statt. Als Symbol des Ruhmes trägt beispielsweise ein Zwerg eine Laute. Das Bild wird dominiert von dunklen und warmen Farbtönen, besonders dem leuchtenden Rot des Anzugs des Narren.

Matejko zeigte Stańczyk in einigen weiteren Gemälden: Besonders bedeutend sind, das die Aufhängung der Sigsimsund Glocke Sigismund Glocke zeigt, aus dem Jahr 1874 und die Preußische Huldigung aus dem Jahr 1882. Matejko malte Stańczyk w czasie balu na dworze królowej Bony wobec straconego Smoleńska im Alter von 24 Jahren und begründete mit diesem Gemälde seinen Ruhm. Das Bild wurde von der Gesellschaft der Freunde der Schönen Künste in Krakau erworben, die es in einer Lotterie verloste. 1924 erwarb es dann da Nationalmuseum Warschau. Das Gemälde entwickelte Einfluss auf das Bild Stańczyks, das für patriotische Polen im 19. Jahrhundert bedeutend war.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gemälde von den Nationalsozialisten geraubt, geriet danach in die Sowjetunion, die es 1956 an Polen restituierte. Es gehört heute zu den bedeutendsten Werken im Nationalmuseum Warschaus.

Die Schlacht bei Grunwald ist ein Historiengemälde Jan Mateikos dem Jahr 1878. Das 426 Zentimeter hohe und 987 Zentimeter breite Bild ist in Öl auf Leinwand ausgeführt. Es zeigt die in Deutschland unter dem Namen Schlacht bei Tannenberg bekannte Auseinandersetzung, in der sich Polen und Litauen 1410 gegen den Deutschen Orden durchsetzten. Matejko inszeniert im Zentrum des Bildes den Tod des Hochmeisters des Deutschen Ordens, Ulrich von Jungingen. Die Schlacht bei Grunwald befindet sich in der Sammlung des Nationalmuseums Warschau und gilt als das bekannteste Kunstwerk Polens.

Die Komposition von Matejkos großen Gemälde ist äußerst komplex und kleinteilig. Er folgte in seiner Darstellung der Chronik von Jan Dlugosz. Links vom Zentrum befindet sich die Todesszene des Hochmeisters von Jungingen, der in der weißen Tracht des Deutschen Ordens und auf einem weißen Pferd reitend gezeigt wird. Er wird von zwei anonymen Bauern mit wildem Gesichtsausdruck getötet, die von Danuta Batorska als Litauer identifiziert wurden. Der eine von ihnen trägt die Mauritiuslanze. Im Zentrum des Bildes führt der Großfürst von Litauen, Vytautas, in rot gekleidet, der zu Pferde und mit erhobenem Schwert gezeigt wird. Hinter ihm befindet sich der polnische König Wlasyslaw II. Jagiello, womit diesem eine untergeordnete Rolle in der Schlacht zugeschrieben wird. Im Himmel über dem Kampfgeschehen ist der Heilige Stanislaus, der Schutzheilige Polens, zu sehen. Um die drei herausragenden Persönlichkeiten des Hochmeisters, Großfürsten und Königs wird der Angriff der deutschen Ordensritter auf Władysław II. gezeigt, während in der linken oberen Bildecke die Einnahme des Lagers des Deutschen Ordens zu sehen ist.

Matejko malte das Bild in der Zeit der Teilungen, als es keinen eigenen polnischen Staat gab. Daher war die Geschichte von der vernichtenden Niederlage, die die Polen den Deutschen beigebracht hatten, zu einem Geschichtsmythos geworden, einer sinnstiftenden Erzählung, die in den Geschichtsbüchern wie etwa dem dreibändigen Werk Karol Szajnocha Jadwiga i Jagiełło 1374 do 1413 (1855 und 1861) sowie in der Historienmalerei „zur Erwärmung der Herzen“ immer wieder neu erzählt wurde. Als nach der Reichsgründung 1871 die Macht der preußischen Teilungsmacht enorm stieg, fasste Matejko, beeinflusst von Szajnochas Darstellung, den Plan, die Schlacht bei Grunwald zum Gegenstand eines Monumentalgemäldes zu machen. 1874 fertigte er erste Studien an, im Folgejahr begann er die Arbeiten auf der Leinwand. 1878 schloss er die Arbeiten an dem Gemälde ab. Er zeigte zum einen ein antiquarisches Interesse an der historischen Begebenheit, was sich etwa in der historischen Treue des Kostüms zeigte, während das Kampfgetümmel seiner eigenen Imagination entsprang. Im Jahr 1877 besuchte Matejko das historische Schlachtfeld, was als ein Symbol für die polnische Unabhängigkeit interpretiert wurde. Sowohl Preußen als auch Russland erteilten ihm die Erlaubnis, die polnischen Territorien unter ihrer Herrschaft zu betreten, da sie bei einer Verweigerung negative Reaktionen befürchteten.

Als Matejko seine Schlacht bei Grunwald am 28. September 1878 im Rathaus von Krakau erstmals der Öffentlichkeit präsentierte, stieß er auf enthusiastische Reaktionen. und am folgenden Tag verlieh der Rat der Stadt dem Künstler ein goldenes Zepter, um ihn als führenden polnischen Künstler auszuzeichnen. 1880 schickte es Matejko in den Pariser Salon. Der Künstler erhielt sowohl einen Preis der französischen Regierung als auch eine Sevres-Vase.

Matejkos „mit Wut gemaltes“ Bild gillt als sein hervorragendstes Werk und als bekanntestes Gemälde Polens.

Matejko zielte damit nicht auf eine wirklichkeitsgetreue Darstellung des mittelalterlichen Geschehens ab, sondern er benutzte, wie der amerikanische Kunsthistoriker Richard Brettell urteilt, „die Geschichte für aktuelle politische Ziele und verkleidete einen grimmigen, aber frustrierten Nationalismus unter dem Mantel der Historienmalerei“. So lassen sich verschiedene Anachronismen in Bewaffnung und den Rüstungen feststellen. Auch, dass der Hochmeister durch die Hand von einfachen Fußsoldaten fiel, wird von der historischen Forschung heute bezweifelt.

Matejko lädt den Tod Jungingens mit künstlerischen Mitteln stark symbolisch auf, indem er den einen der beiden Fußknechte, die ihn attackieren, als Henker mit roter Kapuze und Henkersbeil, den anderen halbnackt als Heiden darstellt, der aber die Heilige Lanze zum Stoß ansetzt. Damit will der Maler die verbreitete These zum Ausdruck bringen, der Deutsche Orden habe seinen Glauben verraten, indem er das noch heidnische Großfürstentim Litauen im 14. Jh mit Krieg überzogen habe, statt es durch Überzeugung zum Christentim zu bekehren; gleichzeitig habe er auch die deutsch-polnische Freundschaft verraten, als deren Symbol die Lanze gilt, die Kaiser Otto III. im Jahr 1000 dem späteren polnischen König Boleslav Chrobry geschenkt haben soll. Dafür werde der Hochmeister als höchster Repräsentant des Ordens nun mit dem Tode bestraft. Weitere Symbole wie die sinkende Fahne des Deutschen Ordens und die Gestalt des Heiligen Stanislaus von Krakau, die in den Wolken über dem Geschehen schwebt, vervollständigen das Bildprogramm.

Bereits 1878 wurde das Gemälde von David Rosenblum aus Warschau erworben. Nach seinem Tod im Jahr 1902 erwarb die Gesellschaft zur Förderung der Schönen Künste die Schlacht bei Grunwald und stellte sie öffentlich in Warschau aus. Es wurde im Nationalmuseum Warschau präsentiert.

Im 2. Weltkrieg wurde das Gemälde evakuiert und vor den Deutschen versteckt. Nach der Ankunft in der Stadt am Morgen des 9. September kamen beide Maler im Bombardement durch die deutsche Luftwaffe um. Dies war nötig, weil die Besatzer die Schlacht bei Grunwald im Zuge der Germanisierungspolitik unter Hans Frank zur Zerstörung vorgesehen hatten. Die Gestapo befragte in Warschau mehrfach die Ehefrau Stanisław Ejsmonds, Janina Ejsmond, sowie die Angestellten des Nationalmuseums über den Verbleib der Schlacht bei Grunwald, auch suchten Angehörige der SS nach ihr. Als diese Bemühungen erfolglos blieben, bot Joseph Goebbels eine Belohnung von erst zwei, später zehn Millionen Reichsmark für ihre Auffindung. Das Gemälde war in einer Theke in den Bücherei des Museums versteckt. Als die deutschen Besatzer diesen Raum 1941 beanspruchten, wurde das Gemälde am 9. April 1941 aus dem Versteck entfernt und in Lublin vergraben. Um von dem Versteck abzulenken wurde bereits 1940 eine fiktive Nachricht über das polnische Radio in London verbreitet, dass die Schlacht bei Grunwald sicher in der britischen Hauptstadt angekommen wäre. Die Besatzer setzten ihre Suche in Lublin aber fort, in deren Verlauf mehrere Polen getötet wurden. Am 17. Oktober 1944 wurde das Gemälde aus seinem Versteck geholt. Es war in schlechtem Zustand, die gesamte Oberfläche mit Schimmel besetzt. 1949 wurde das restaurierte Werk wieder im Nationalmuseum von Warschau ausgestellt. 1990, 2000 und 2012 wurden erneut Restaurierungen vorgenommen.

Die Preußische Huldigung ist ein Ölgemälde, gemalt zwischen 1879 und 1882 in Karkau, das damals Teil von Österreich-Ungarn war. Es zeigt den Kniefall Albrechts von Preußen, nach dem Vertrag von Krakau Herzog von Preußen, vor Sigismund I. dem Alten, auf dem Marktplatz von Krakau am 10. April 1525. Das Gemälde ist ein patriotisches Historienbild, das die Geschichte des polnischen Staates glorifiziert. Gleichzeitig hat es eine dunkle Seite und erinnert an die Teilungen Polens im 18. Jahrhundert, an denen Preußen großen Anteil hatte. Das Gemälde gilt als ein Meisterwerk Matejkos.

Das Gemälde zählt zu Matejkos wichtigsten und auch größten Werken (388 x 785 cm). Es zeigt die Vorstellung des Malers von einem politischen Triumph Polens über die Preußen, als der geschwächte Ordensstaat zum polnischen Lehen wurde. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Gemäldes war Polen zwischen Russland, Österreich und dem preußischen Teil des Deutschen Reiches aufgeteilt. Matejko, der seine Kunst als „eine Art Waffe“ zur Bewahrung der kulturellen Identität und patriotischen Ermutigung seiner Landsleute in der Zeit der Unterdrückung durch die Teilungsmächte betrachtete, vermittelt in diesem Gemälde, dass die Machtverhältnisse in der Frühen Neuzeit einmal umgekehrt waren: In hellen, leuchtenden Farben stellt Matejko dar, wie der Vorfahr des deutschen Kaisers Wilhelm I., der Hohenzollernfürst Albrecht, vor dem polnischen König kniet und ihm den Lehnseid leistet.

Gleichzeitig deutet das Bild durch Gestik und Mimik der dargestellten Personen die zukünftigen Katastrophen an Das ist zum Beispiel deutlich zu sehen in den Figuren des Königs, Sigismund I. des Alten und Albrechts von Preußen, der vor ihm kniet. Sigismund wird als mächtige, majestätische Gestalt porträtiert, ohne drohend zu wirken; er behandelt Albrecht mit Milde, was zeigt, dass dieser Sieg nur ein zeitweiliger ist und keine völlige, andauernde Beherrschung, die den Gegner zermalmt. Albrecht hält die Fahne mit festem Griff, aber berührt die Bibel nur vorsichtig. Schließlich liegt auch ein Panzerhandschuh auf dem Boden, eine Ankündigung einer Herausforderung Sigismunds durch Albrecht Obwohl das Gemälde oft als antipreußisch gesehen wird, gibt es auch eine polenkritische Seite. Matejko zeigt auch, dass die Huldigung ein hohler Sieg war, ein Sieg, der nicht richtig genutzt wurde und Polens Zukunft nicht sicherte. Außer einer schwatzenden Hofdame lächelt niemand in diesem Bild.

Das Gemälde war Thema zahlreicher kunsthistorischer Studien und wurde durch Arbeiten von Künstlern wie Tadeusz Kantor neu interpretiert. Die Kleinkunstbühne Piwnica pod Baranami spielte 1992 das Gemälde nach.

Das Gemälde bildet zahlreiche Charaktere der polnischen Renaissance ab. Matejko nahm sich wie oftmals die Freiheit heraus, auch einige Charaktere abzubilden, die bei dem historischem Ereignis nicht dabei waren.

Im Mittelpunkt des Bildes ist Sigismund I. abgebildet und vor ihm kniet Albrecht von Preußen. Der spätere Sigismuns II. August wird hier als fünfjähriger Knabe in einem roten Kleid abgebildet, hochgehalten von seinem Hauslehrer, Piotr Opalinski In ihm porträtiert Matejko seinen Zeitgenossen Josef Szujski, Professor an der Jagiellonischen Universität. Außerdem sind 31 Gestalten aus der Zeit des Ereignisses abgebildet, darunter:

Matejko malte die Krakauer Tuchhallen, den historischen Ort des Geschehens, im Renaissancestil. Diese Gestalt hatten sie 1555 erhalten, nachdem ein Feuer das ursprünglich gotische Bauwerk zerstört hatte. Zur Zeit der Huldigung stand es noch. Im Hintergrund ist die Marienkirche von Krakau sichtbar.

Matejko begann das Bild am Weihnachtsabend des Jahres 1879 und stellte es 1882 fertig. Er stiftete das Gemälde der polnischen Nation (vertreten durch die Stadt Krakau) während eines Treffens des Galizischen Landtages in Lemberg am 7. Oktober 1882, um zu einer Spendensammlung für die Restaurierung des Wawels, der Residenz der polnischen Könige in Krakau, Anstoß zu geben. Das Gemälde wurde damals in Krakau, Lemberg und Warschau ausgestellt, auch in Berlin, Paris, Budapest und vor allem in Rom und Wien, bevor es 1885 nach Krakau zurückkehrte. Der Wawel wurde damals von der österreichischen Armee als Kaserne benutzt. Daher wurde das Gemälde im Museum der Krakauer Tuchhallen ausgestellt.

Während der deutschen Besatzung Polens 1939-1945 wurde das Gemälde vor den Besatzern, die es als Akt der Geschichtsrevision zerstören wollten, in der Stadt Zarmosc versteckt. Ähnlich wie Matejkos Schlacht bei Grunwald konnten die Deutschen es daher nicht finden

Seit 1945 wird das Bild meist in der „Halle der Preußischen Huldigung“ im Nationalmuseum in den Krakauer Tuchhallen ausgestellt.

Vom 23. September 2011 bis zum 9. Januar 2012 war es in der Ausstellung „Tür an Tür. Polen – Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte“, veranstaltet vom Königsschloss in Warschau zusammen mit dem Martin-Gropius-Bau, in Berlin zu sehen.

Die Verfassung vom 3. Mai 1791 ist ein Historiengemälde von Jan Metejko aus dem Jahre 1891. Es entstand anlässlich der Hundertjahrfeier zur Verfassung vom 3. Mai 1791 und will keine fotografische Darstellung der wirklichen Begebenheit sein, sondern eine Synthese der letzten Jahre der Adelsrepublik Polen-Litauen um den Geist der Verfassung zu erfassen. Das Gemälde ist eines der zuletzt gemalten und heute bekanntesten Werke Matejkos.

Das Gemälde mit dem Titel Konstytucja 3 Maja 1791 roku entspricht den Maßen 246 x 445 cm und ist in Öl auf Leinwand gemalt. Es zeigt die Prozession des gerade verabschiedeten Verfassungsdokuments vom Spätnachmittag des 3. Mai 1791 entlang der ulica Świętojańska, ausgehend vom Warschauer Königsschloss (im Hintergrund zu sehen) hervor zur Warschauer Johanneskathedrale (linker Bildhintergrund). Das Königsschloss ist der Ort, an dem die Verfassung verabschiedet wurde und die Kathedrale der Ort, an dem das Staatsoberhaupt seinen Treueeid auf sie leisten wird.

Hauptmotiv des Gemäldes ist das Verfassungsdokument in der rechten Hand des Sejmmarshalls Malachowski (1), welcher maßgeblicher Urheber der Verfassung war. Er trägt hier ein weißes, französisches Kostüm und hält in der linken Hand den Marschallstab. Da sich auf dem Deckblatt des historischen Dokuments nur der ausdrucksschwache Titel Ustawa rządowa (Gesetz über die Regierung) befindet, wählte der Historienmaler Matejko zur Betitelung des Papiers hier in künstlerischer Freiheit den Namen seines Gemäldes und bestimmt damit diesen als eigentlichen, zentralen Bildmittelpunkt.

Stanisław Małachowski, der maßgebliche Urheber der Verfassung, wird von seinen beiden stellvertretenden Sejmmarschallen Alexander Linowski (2) und Ignacy Zakrzewski (3) getragen. Sie repräsentieren zwei der bedeutendsten Regionen Polen-Litauens: Kleinpolen (2) und Großpolen (3). Unter der rechten Hand Małachowskis ist eine Person mit verbundenem Kopf zu sehen, der eine Fahne mit dem Staatswappen der Adelsrepublik Polen-Litauen trägt; dies ist Tadeusz Kosciuszko (4). Sein verwundeter Kopf ist eine Anspielung auf die Schlacht bei Maciejowice, zu der es allerdings erst drei Jahre später während des Kosciuszko 1794 kam. Links von Kościuszko ist eine Person, die von Wrona et al als Prinz Adam Czartorsyski identifiziert wurde. Andere Quellen bestreiten, dass er es sei.

Rechts neben Małachowski wird eine weitere Person getragen: dies ist der zweite Sejmmarschall und Marschall des Großfürstentums Litauen Nestor Sapieja (5). Er trägt traditionellere polnische Kleidung. Zwischen Małachowski und Sapieha ist der Kopf von Julian Niemcewisz (6) zu sehen, ein gut bekannter Schriftsteller. Er erscheint hier, um Sapieha zu tragen. Der andere, der Sapieha zu seiner rechten trägt, ist Michal Zabiello (7).

Unterhalb des zentralen Mittelpunkts zeigt Matejko eine Szene, die sich kurz vor der Verabschiedung der Verfassung im Warschauer Königsschloss abgespielt hat: Der Verfassungsgegner Jan Suchorzesski (8), Sejm-Abgeordneter aus Kalisz wollte den König noch im letzten Moment von der Unterzeichnung der Verfassung abbringen, indem er drohte, seinen eigenen Sohn umzubringen, falls die Verfassung verabschiedet würde, damit diesem der Verlust der Goldenen Freiheit erspart und er vor der "Sklaverei der Verfassung" bewahrt bliebe. Hier auf dem Gemälde fällt er zu Boden und versucht mit einer Hand, seinen Sohn zu sich hinunter zu ziehen; mit einem Messer in der anderen Hand will er ihn töten, doch der neben ihm stehende Sejm-Abgeordnete und Verfassungsbefürworter Stanislav Kublicki (9) aus Polnisch-Livland hält dessen Hand zurück. Dabei fallen Spielkarten aus Suchorzewskis Tasche, die dessen wahre Beweggründe verraten, die Verfassung zu verhindern: Bestechung durch den russischen Botschafter Otto Magnus von Stackelberg und Herman Branicki. In Wirklichkeit war Suchorzewski bei der Prozession (wie die meisten Verfassungsgegner) gar nicht anwesend.

Weitere bedeutende Personen im zentralen Mittelpunkt sind Befürworter der Verfassung, unter denen der Vizekanzler der Krone und Co-Autor der Verfassung Hugo Kollatai (11) der prominenteste ist. Er gestikuliert im Bild Verachtung gegenüber Suchorzewski. Der Priester, der die Bibel trägt, sollte der Krakauer Erzbischof Feliks Turksi (12) sein, manche identifizieren ihn auch als Tymoteusz Gorzenki. Die Personen rechts von Kołłątaj sind der Litauische Großmarschall Ignazy Potocki (13) und vielleicht Adam Czartoski (14) (obwohl manche Quellen Czartoryski auf dem Gemälde irgendwo in der Umgebung von Kościuszko identifizieren). Die Personen, die Kołłątaj umgeben, das sind die beiden Co-Autoren der Verfassung Scipione Piattoli (15) und Tadeusz Matuszewicz (16).

Wenig begeistert war Matejko von König Stanislav August Poniatowski  (17). Er portraitierte ihn in deshalb in einer mäßig pompösen Haltung, die Hände zum Kuss ausgestreckt, umgeben von zahlreichen, hübschen Damen; eine Anspielung auf dessen Ruf als Frauenheld. Er besteigt die Treppen des Kirchenportals und begibt sich in die Johanneskathedrale, in der er gleich seinen Treueeid auf die neue Verfassung leisten wird. Eine Frau reicht ihm einen Lobeerkranz (18); Quellen identifizieren sie als Prinzessin Dorothea von Medem. Hinter ihr (ganz links in der Gruppe der zwei Frauen, von denen nur das Gesicht zu sehen ist) steht Elszbieta Grabowska (19), des Königs Mätresse und Mutter seiner Kinder. Poniatowskis Einbeziehung in die Prozession auf dem Gemälde ist ebenfalls eine von Matejkos künstlerischen Freiheiten. In Wirklichkeit war das Staatsoberhaupt Polen-Litauens nämlich bereits vor der Prozession in der Kathedrale eingetroffen.

Der sich am Kirchenportal vor dem König verbeugende Herr ist der ehemalige Warschauer Bürgermeister Jan Dekert (20). Er ist von seiner - dem Bildbetrachter abgewandten - Tochter Marianna (38) begleitet, die eine führende Position in der Nähe des Königs einnimmt. Dekerts Einbeziehung in das Gemälde ist ein weiteres Beispiel der künstlerischen Freiheiten Matejkos mit der Historizität, da der ehemalige Warschauer Bürgermeister zum Zeitpunkt der Prozession bereits ein halbes Jahr verstorben war. Unter Einfluss Hugo Kołłątajs und Stanisław Małachowskis setzte er sich jedoch für die Stärkung der Städte und des Bürgertums ein. Während des Vierjährigen Sejms kamen die Vertreter der königlichen Städte in Warschau zusammen, an der Spitze der Delegation (die „schwarze Prozession“ genannt wurde) stand Jan Dekert. Am 2. Dezember überreichte er dem König ein Memorandum mit Postulaten. Er wird in der polnischen Geschichte bis heute mit dem Free Royal Cities Act assoziiert, der als Artikel III in die Verfassung vom 3. Mai 1791 eingegliedert wurde. Matejko wollte ihn deshalb auf dem Gemälde verewigt wissen, das den Geist der Verfassung erfassen will.

Neben den beiden Verfassungsgegnern Prinz Antoni Czetwetyynski-Swiatopelk (21) und Antoni Zlotneicki (22) sticht vor allem der schwarzbekleidete, französische Royalist (23) ins Auge, der verängstigt schaut, als fühle er das Aufkommen einer zweiten Revolution in Europa; er reißt seine Hand über den Kopf des Königs. Unter den Schaulustigen am unteren, linken Bildrand ist auch der Bürger und Anführer des Kościuszko-Aufstandes Jan Kilinski (24) bemerkenswert. Zu seiner Rechten befindet sich der heilige Clemens Maria Hofbauer (25), der dem Zug der Zeit gemäß in Warschau eine Armenschule für 350 Jungen, eine höhere Mädchenschule und ein Waisenhaus gründete. Von Warschau aus wirkte er bis nach Süddeutschland und in die Schweiz hinein.

Die beiden Reformer Stanislaw Staznic (26) und Andreaj Zarnoski (27) fallen hier sofort ins Auge. Zamoyski, der seinen Arm um Staszic legt, ist der Autor des Zamoyski Code, mit dem er früher schon versucht hatte, die Adelsrepublik zu reformieren. Bischof Gorzenski (28) aus Smolensk ist nur ganz klein im Hintergrund zu sehen. Auffälliger ist unterhalb von Staszic und Zamoyski der Sekretär und polnische Jakobiner Konopka (29) mit ausgestreckter Hand; er trägt eine blau-weiß-rote Blume an seinem Hut und einen Eispickel in der Hand. Interessant scheint auch die Einbeziehung eines ins Auge fallenden, aber am Rande der (Prozessions-) Gesellschaft stehenden Bauern (33): Sein passiver Ausdruck wird als Sinnbild der gleichgültigen Haltung der polnischen Bauern gegenüber den Reformen jener Jahre gedeutet.

Auf der rechten Bildseite dominiert der Neffe des Königs, Prinz Josef Poniatowski (34) das Geschehen, der hier als Oberbefehlshaber der Herzoglichen Armee Warschau auf einem grauen Pferd reitend dargestellt ist und zusammen mit seinen Soldaten ein schützendes Auge auf die Prozession wirft. Zum Zeitpunkt der Prozession war er allerdings erst Kommandeur der Warschauer Garnison. Matejko spielt hier in künstlerischer Freiheit mit der Uniform auf die Tatsache an, dass Prinz Józef Poniatowski nach der Jahrhundertwende als Oberbefehlshaber der Herzoglichen Armee für sein Volk in der Völkerschlacht bei Lispzig fiel.

Nach längerer Betrachtung (da durch Poniatowskis Pferdekopf auch teilweise verdeckt) ist auch der Sejm-Abgeordnete und General Stanislaw Mokronowski (35) auf dem Gemälde zu entdecken. Er war Anführer des Kościuszko-Aufstandes in Litauen.

Viel diskutiert wurde unter Kunsthistorikern die Darstellung der beiden polnischen Juden ganz am Rande der Gesellschaft: Dabei wurde der jüngere Jude (36), wenn überhaupt, als von den Ereignissen ergriffen beschrieben. Die meisten Kunsthistoriker beschäftigte allerdings die Darstellung des älteren Juden (37), dessen Hand eine Sy, git-Geste ("Das ist gut"-Geste) macht. Manche Kunsthistoriker wollen in beiden Juden Ausdruck von Hoffnung auf weitere Reformen sehen, die ihren Lebensstandard verbessern, andere dagegen ordnen sie ganz klar den Verfassungsgegnern zu und beschreiben die Juden als Stirn runzelnd das Ende der Adelsrepublik kommen sehend. Letztere Deutung wird durch die Tatsache bekräftigt, dass Matejko den Portraits von Juden in all seinen Gemälden negativen Rollen zuwies.

Gemäldeskizzen zu seinem Meisterwerk begann Jan Matejko schon im Jahre 1890, mit der eigentlichen Arbeit am Original jedoch erst Mitte Januar 1891 kurz vor der Hundertjahrfeier. Obwohl es bis zum Oktober des Jubiläumsjahres unvollendet blieb, war es während der Feierlichkeiten zum 3. Mai 1891 mindestens so weit gereift, dass man es bei der Jubiläumsausstellung in den Krakauer Tuchhallen präsentierte. Am 7. April 1892 überreichte Matejko schließlich sein vollendetes Kunstwerk dem Sejmmarschall von Galizien, Prinz Eustachy Stanisław Sanguszko, und ließ es im Gebäude des Sejms von Lwiw aufhängen. Dort hing es bis zu seinem Tode.

Nach dem Krieg ging das Gemälde in den Besitz des Nationalmuseum Warschau über und hang nur noch gelegentlich im Gebäude des heutigen Sejm. Seit 1984 befindet es sich auch in der Kollektion der Außenstelle Warschauer Königsschloss und ist an dem Platz zu sehen, den sich Matejko wünschte: im Vorraum der Senatorenkammer, in der die Verfassung vom 3. Mai 1791 verabschiedet wurde. Nach einer umfassenden Restaurierung im Jahre 2007 erstrahlt das Gemälde wieder in ursprünglicher Schönheit.

Matejkos verwendete Maltechnik bei diesem Gemälde unterscheidet sich deutlich von seinen früheren Werken. Der Kunsthistoriker Wrede et al. führt dies auf dessen Suche nach neuen Techniken zurück aber merkt an, dass die Zeitgenossen Matejkos in seiner Ablösung vom alten Stil einen untergehenden Star sahen und seinen Wandel nicht begrüßten. Es fällt auch auf, dass sich Matejko bei Gemälden dieser Größe für gewöhnlich zwei Jahre Zeit ließ, die "Verfassung vom 3. Mai 1791" aber in weniger als einem Jahr vollendet war (in einer Periode, in der Matejko an anderen Projekten arbeitete und unter starken Stress und Depressionen litt). Er mochte auch das 18. Jahrhundert mit seiner Polnischen Aufklärung nicht so sehr und gab an, dass er zu malen jedes andere Jahrhundert bevorzuge. Er fühle sich anlässlich der Jahrhundertfeier zur Verfassung vom 3. Mai 1791 nur dazu angehalten, ein Werk zu schaffen, das dem großen Ereignis polnischer und europäischer Geschichte würdevoll gedenkt.

Das Gemälde will keine fotografische Darstellung der wirklichen Begebenheit sein, sondern eine Synthese der letzten Jahre der Adelsrepublik Polen-Litauen, um den Geist der Verfassung zu erfassen.

Zur Identifizierung der Personen auf seinen Gemälden lieferte Matejko im Allgemeinen eine angefertigte Bildlegende mit, nicht aber bei diesem Gemälde. Folglich sind bis heute manche Personen nicht eindeutig zu identifizieren. Eine lückenhafte Bildlegende fertigte Matejkos Sekretär Marian Gorzkowski, und obwohl in ihr 39 Personen nachgewiesen sind, behauptet Wrede et al., diese "chaotische Beschreibung" sei wenig hilfreich. Bedeutende Bildanalysen jüngeren Datums wurden von den beiden polnischen Historikern Jarosław Krawczyk und Emanuel M. Rostworowski durchgeführt.

Zu Lebzeiten Matejkos wurde das Gemälde heftig für seine unklare Komposition bzw. als "zu überfüllt" kritisiert. Heute ist es eines der bekanntesten Meisterwerke Matejkos, das in Polen und Litauen von der Allgemeinheit als "Unterricht in Nationalgeschichte" betrachtet wird. Denn Historiker betiteln die Verfassung vom 3. Mai 1791 international als erste moderne Verfassung Europas und nach der US-amerikanischen Verfassung als zweite moderne Verfassung der Welt.

Adolph Friedrich Erdmann von Menzel), geadelt 1898, war Maler, Zeichner und Illustrator. Er gilt als der bedeutendste deutsche Realist des 19. Jahrhunderts. Sein Werk ist außerordentlich vielfältig; bekannt und zu Lebzeiten hoch geehrt wurde er vor allem wegen seiner historisierenden Darstellungen aus dem Leben Friedrichs des Großen.

Adolph Menzel wurde in Breslau geboren, wo der Vater Carl Erdmann Menzel eine Steindruckerei betrieb. Seine künstlerische Begabung zeigte sich schon früh.

1830 zog die Familie in die aufstrebende Hauptstadt Berlin, sei es, weil der Vater sich dort bessere Chancen für sein Geschäft erhoffte, sei es, weil man dem Sohn eine akademische Ausbildung ermöglichen wollte. Aber schon zwei Jahre später starb der Vater, und der gerade 16-jährige Adolph Menzel sah sich vor die Aufgabe gestellt, für den Lebensunterhalt der Familie (Mutter und zwei jüngere Geschwister) zu sorgen. Er führte das väterliche Geschäft fort, und schon jetzt zeigten sich seine typischen Charaktereigenschaften: Pflichtbewusstsein, Fleiß und Selbstdisziplin.

1839 erhielt Menzel den Auftrag zu Illustrationen einer mehrbändigen Geschichte Friedrichs des Großen von Franz Theodor Kugler. Bis 1842 fertigte er dazu rund 400 Federstrichzeichnungen an. Diese Arbeit brachte die entscheidende Wende in Menzels Laufbahn. Sie machte ihn einer breiten Öffentlichkeit bekannt und verschaffte ihm wichtige Kontakte (u. a. zum preußischen Königshof) sowie weitere Aufträge.

In den darauf folgenden Jahren illustrierte er zwei weitere Werke aus dem Friedrich-Themenkreis. Seine Gemälde, die zunächst oft historische Sujets, später zunehmend solche der Gegenwart behandelten, wurden immer begehrter. 1856 wurde sein Bild Friedrich und die Seinen in der Schlacht bei Hochkirch in der Akademie der Künste ausgestellt, 1867 auch auf der Pariser Weltanstellung. Das 1857 für eine private Kunstvereinigung gemalte Bild Begegnung Friedrichs II. mit Kaiser Joesph II. in Neisse im Jahre 1769, dessen Thema Menzel selbst gewählt hatte, fand aus ästhetischen und politischen Gründen geteilte Aufnahme1861 erhielt Menzel seinen einzigen staatlichen Auftrag: Er schuf das offizielle Monumentalbild der Krönung von Wilhelm I. zum König von Preußen in Königsberg. Von da an wurde Menzel zu Hoffestlichkeiten eingeladen. Die Darstellung des Bürger- und Großbürgertums wurde von nun an eins seiner Themen. In seiner Nähe zum Hof und seiner Eigenschaft als Ereignis- und Militärmaler ist sein Wirken mit dem seines Zeitgenossen Emil Hünten vergleichbar.

1873 wurde Menzels Tafelrunde Friedrichs des Großen vom preußischen Staat für die geplante Nationalgalerie angekauft. Später erwarb die Galerie noch weitere Gemälde und Zeichnungen Menzels. 1885 fand in Paris eine Menzel-Ausstellung statt; in Berlin wurde sein 70. Geburtstag mit einer großen Ausstellung und vielen Ehrungen gefeiert.

Der wachsende Ruhm ging einher mit einem gesellschaftlichen Aufstieg und zahlreichen öffentlichen Ehrungen. 1853 wurde Menzel zum Mitglied der Königlichen Akademie der Künste gewählt, 1856 zum Professor, unterrichtete aber nie. Menzel erhielt mehrere Orden, darunter 1898 den Schwarzen Adlerorden, mit dem der erbliche Adel verbunden war. Menzel stand diesen Ehrungen zunehmend skeptisch gegenüber und sprach von seinen Orden gern als all „dem ganzen Kladderadatsch“.

Als Vorlagen für Stollwerck-Sammelbilder und -Postkarten erwarb der Kölner Schokoladenproduzent Ludwig Stollwerck im Jahre 1900 von Menzel für 120.000 Mark ein Skizzenbuch mit Zeichnungen von Soldaten der preußischen Armee. Das Skizzenbuch schenkte Ludwig Stollwerck nach seiner Ernennung zum Kommerzienrat dem Kaiserhaus.

Am 9. Februar 1905 starb Adolph Menzel. Sein Ende hatte er kommen sehen. Am Neujahrstag 1905 sandte er an Kaiser Wilhelm II. den Gruß: „Die letzte Stunde ist vor der Tür! Schütze der Himmel Eure Majestät und Ihr ganzes Haus und unser Deutsches Vaterland!“ Wilhelm, der in Menzel einen Verherrlicher des Preußentums sah und ihn deshalb sehr verehrte, ordnete ein Staatsbegräbnis an und folgte mit seiner Familie dem Sarg. Seine letzte Ruhestätte fand Adolph Menzel auf dem Dreifaltigkeitskirchhof II im Feld OM, G1. Die Ehrengrabstätte wird von einer Bronzebüste nach dem 1875 entstandenen Modell von Reinhold Begas geschmückt. Wenig später fand in der Nationalgalerie eine Gedenkausstellung statt, in der die Öffentlichkeit zum ersten Mal Menzels Balkonzimmer sah. Die Galerie erwarb den Nachlass Menzels.

Hier fand der als verschlossen beschriebene Künstler, der nur wenige engere Freunde hatte, Gelegenheit zum Gedankenaustausch. Menzels einzelgängerisches Wesen stand sicherlich in Zusammenhang mit seiner Kleinwüchsigkeit, wegen der er auch als „die kleine Exzellenz“ tituliert wurde. Er war nur 1,40 Meter groß und wegen „Gnomenhaftigkeit“ für militäruntauglich erklärt worden. Menzel war nie verheiratet, über Beziehungen zu Frauen ist nichts bekannt. Emotionale Nähe fand er in seiner Familie. Er wohnte mit der Mutter und den Geschwistern zusammen, später, nach dem Tod der Mutter, dem frühen Tod des Bruders und der Heirat der Schwester, in Wohnungsnachbarschaft mit deren Familie. Gemeinsam führten sie mehrere Umzüge durch und fuhren auch zusammen in die Sommerfrische. Menzel stand seinen Angehörigen sehr nahe und hat sie auch verschiedentlich finanziell unterstützt.

Reisen brachten Abwechslung in Menzels recht ereignisarmes Leben; allerdings führten sie ihn wiederum oft in bereits bekannte Gegenden. Seit 1850 unternahm Menzel alljährlich eine längere Sommerreise. Häufige Ziele waren Dresden und das Elbsandsteingebirge, Süddeutschland und Österreich. Dreimal war Menzel in Paris: 1855 und 1867 zur Weltausstellung, wo jeweils auch Werke von Menzel gezeigt wurden, sowie 1868 (Ausstellung dreier seiner Bilder im Salon); dreimal war er in Oberitalien.

1866 reiste er zu den Schauplätzen des Preußisch-Österreißischen Krieges nach Böhmen. Seine Motive waren nach eigenem Bekunden Pflichtgefühl (wenn er schon nicht als Soldat teilnehmen konnte) sowie Neugier, der „Durst noch Dies und Jenes zu wissen, wenns einmal doch nicht das frische Schlachtfeld sein konnte“ (24. Juli 1866). Menzel hatte in Zusammenhang mit seinen Friedrich-Illustrationen bereits des Öfteren Krieg und Tod dargestellt, ohne diese jedoch jemals wirklich gesehen zu haben. Jetzt zeichnete er verwundete, sterbende und tote Soldaten, und die neue Erfahrung scheint ihn, wie sich an diesen Blättern ablesen lässt, sehr erschüttert zu haben. Menzel hat danach keine Kriegsthemen mehr gemalt.

Adolph Menzels Karriere ist eng verbunden mit dem gleichzeitigen Aufstieg seiner Wahl-Heimatstadt. Aus der Hauptstadt des preußischen Staates wurde, während Menzel dort lebte, die Hauptstadt des Deutschen Reiches, das Zentrum von Politik, Finanzwelt und Industrie. Zählte Berlin 1800 noch 170.000 Einwohner, so wurde in Menzels Todesjahr 1905 die Zwei-Millionen-Grenze überschritten. Die aufstrebende, schnell sich wandelnde Stadt versorgte Menzel mit einer zahlungskräftigen Kundschaft, aber auch mit vielfältigen Motiven. Häufig hat er beispielsweise die zahlreichen Baustellen Berlins gezeichnet und gemalt. Auf vielen seiner Bilder sind Berliner Örtlichkeiten zu erkennen, und vor allem in späteren Jahren machte er das Berliner Bürgertum zu einem Thema seiner Arbeiten. Menzel war aber nicht nur Maler, sondern hatte auch eine Professur inne. Er zog in Berlin mehrfach um, beispielsweise wohnte er 1874 in der Potsdamer Straße 7 und seine Tätigkeit wurde angegeben mit Historienmaler; Professor und ordentliches Mitglied der Kgl. Academie der Künste. 1890 findet sich Menzel in der Sigismundstraße 3 in Berlin W und seine Stellung wurde angegeben mit Dr., Geschichts-Maler, Prof. u. Senator d. Kgl. Academie der Künste.

Durch seine Arbeit an den Illustrationen zur Geschichte Friedrichs des Großen hatte Adolph Menzel sich zum Friedrich-Experten entwickelt. Sicherlich fühlte er sich dem König darüber hinaus persönlich verbunden: Zum Gefühl der Isoliertheit in ihrer Umgebung kam der Umstand, dass beide in einer fast reinen Männerwelt lebten, beiden die geliebte Schwester wichtigste Bezugsperson war. Er selbst schrieb dazu (in einem Brief an seinen Freund C. H. Arnold 1840): „… mich hat nicht bald was so ergriffen. Der Stoff ist so reich, so interessant, so großartig, … so malerisch, dass ich bloß einmal so glücklich werden möchte, aus dieser Zeit einen Zyklus großer historischer Bilder malen zu können.“ Ab 1849 malte Menzel eine Serie von Darstellungen aus dem Leben Friedrichs des Großen, darunter als bekannteste Werke Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci, König Friedrichs II. Tafelrunde in Sansscouci und Friedrich und die Seinen bei Hochkirch.

Schon bei seinen Friedrich-Illustrationen hatte Menzel hohen Wert auf die größtmögliche historische Richtigkeit bei der Darstellung der damals rund hundert Jahre zurückliegenden Ereignisse gelegt. Anhand geschichtlicher Quellen hatte er sich über Kleidung und Uniformen der damaligen Zeit informiert, er hatte die Original-Schauplätze besucht. Diese Detailgenauigkeit übertrug er auf seine Friedrich-Gemälde; sie verleiht den Bildern große Glaubwürdigkeit und macht sie sozusagen zu einer Bilddokumentation der historischen Ereignisse.

Menzel stellte den Herrscher nicht in glorifizierender Herrscherpose dar. Stattdessen bevorzugte er Szenen, in denen Friedrich als Privatmann (Tafelrunde, Flötenkonzert) oder als volkstümlicher, gütiger König erscheint (Die Bittschrift, Friedrich der Große auf Reisen). Von den beiden Darstellungen aus dem Siebenjährigen Krieg zeigt die eine (Friedrich und die Seinen bei Hochkirch) eine Schlacht, die mit einer preußischen Niederlage endete, die andere, Ansprache Friedrichs des Großen an seine Generale vor der Schlacht bei Leuthen, die angespannte Situation vor einer scheinbar aussichtslosen Schlacht (die dann allerdings doch gewonnen wurde). Menzel vermied auf seinen Friedrich-Bildern konsequent jeden Eindruck von Pathos oder bloßer Feierlichkeit. So sieht man bei Flötenkonzert auf der linken Seite einen Zuhörer, der gelangweilt zur Decke schaut. Die Tafelrunde wird keineswegs vom König beherrscht; vielmehr sind im Vordergrund mehrere Herren in Privatgespräche vertieft.

Wegen ihres mangelnden Sinns für das Heroische und Majestätische fanden die Bilder bei der konservativen Kunstkritik und auch bei der königlichen Familie, auf die Menzel sicherlich als Käufer gerechnet hatte, zunächst wenig Anklang. Das änderte sich, als mit wachsendem Nationalismus und der Reichsgründung die Gemälde zunehmend unter nationalistischen Aspekten interpretiert wurden, bis Wilhelm II. schließlich von Menzel als „dem Ruhmeskünder Friedrichs des Großen und seiner Armee“ sprechen konnte. Das war aber nicht die Absicht gewesen; vielmehr hatte der Maler mit seinen Bildern ein Beispiel für ein aufgeklärtes Herrschertum mit dem König als „erstem Diener des Staates“ liefern wollen. Auch war Menzel in seinem Herzen keineswegs (vor allem in seinen späteren Jahren nicht) der preußische Patriot, für den seine Bewunderer ihn hielten. Das zeigen seine Äußerungen zur Revolution von 1848 ebenso wie der Umstand, dass er sich mehrfach Anweisungen seines Königs bzw. Kaisers widersetzte.

Obwohl die Friedrich-Bilder nur einen recht kleinen Anteil an Menzels Gesamtwerk ausmachen, waren und sind sie im öffentlichen Bewusstsein überproportional präsent und haben ihm den Ruf eines Staatskünstlers eingetragen. Tatsächlich hat er aber nur ein einziges Bild in staatlichem Auftrag gemalt. Das Riesengemälde (345 × 445 cm), geschaffen anlässlich der Krönung König Wilhelms I. zu Königsberg 1861, weist im Übermaß all das Pathos auf, das Menzel sonst sorgfältig vermied (hier spielten auch die Vorstellungen des königlichen Auftraggebers eine Rolle), und wirkt aus heutiger Sicht so theatralisch-leer wie der Staatsakt selbst. Die Abwicklung des Auftrags scheint mindestens für eine Seite nicht völlig zufriedenstellend verlaufen zu sein; jedenfalls folgte ihm kein zweiter nach.

Er beendete 1871 seine Historienmalerei mit dem Bild der Abreise Wilhelm I. zur Armee am 31. Juli 1870.

Themen der Gegenwart nehmen in Adolph Menzels Werk einen breiten Raum ein. Er malte die Menschen, unter denen er sich bewegte, also Angehörige des Bürger- und, ab 1861, des Großbürgertums. Dabei gab er wieder, was er sah. In Abkehr von dieser objektivierenden Darstellungsweise lassen sich auf seinen Bildern der besseren Gesellschaft allenfalls hin und wieder gewisse karikaturhafte Züge feststellen. So auf dem bekannten Ballsouper (dargestellt ist eine Festveranstaltung am kaiserlichen Hof): Der Offizier im Vordergrund versucht mit wenig Erfolg, im Stehen Messer und Gabel zu handhaben und dabei gleichzeitig Teller, Glas und Hut zu halten.

Völlig frei von Ironie sind dagegen Menzels Darstellungen von Handwerkern und Arbeitern. Sie drücken den Respekt aus, den der Maler vor ernsthafter, gut gemachter Arbeit gleich welcher Art empfand. In diese Kategorie gehört Das Eisenwalzwerk (1872–1875). Bei dem Bild handelt es sich um eine Auftragsarbeit, jedoch hatte Menzel das Motiv selbst gewählt. Das Eisenwalzwerk (158 × 254 cm) gilt als die erste größere Industriedarstellung in Deutschland. Zur Vorbereitung des Bildes reiste Menzel ins schlesische Königshütte in die damals – nach dem Ruhrgebiet – modernste Industrieregion Deutschlands. In einem dortigen Walzwerk fertigte er etwa hundert Detailzeichnungen an, die als Grundlage für das spätere Gemälde dienten.

Dargestellt ist die Herstellung von Eisenbahnschienen. Menzel zeigt aber nicht nur den Produktionsprozess selbst. Vorne rechts verzehren Arbeiter das Essen, das eine junge Frau (die als einzige Figur den Blick zum Betrachter gewendet hat) gebracht hat. Links sieht man sich waschende Arbeiter, und im linken Hintergrund den Ingenieur oder Werksleiter (mit rundem Hut), der die Arbeiter und den Produktionsablauf überwacht.

Schon bald nach seiner Fertigstellung erhielt das Bild den Beinamen Moderne Cyclopen (Cyclopen sind in der griechischen Sage die Gehilfen des Schmiedegottes, die im Inneren der Vulkane Blitze sowie die Waffen der Götter schmieden). Offenbar hielt man eine mythologische Überhöhung für notwendig, um dem Publikum das neuartige Thema schmackhaft zu machen. Die Zeitgenossen begriffen das Gemälde, entsprechend der Fortschrittsgläubigkeit der Epoche, als ein Sinnbild für die unbegrenzten Möglichkeiten der modernen Technik. Später ist es gern als eine Anklage gegen die elende Situation der Arbeiterschaft interpretiert worden. Dagegen spricht, dass Menzels Arbeiter als selbstbewusste Individuen erscheinen, die stolz sind auf ihre Fähigkeiten und den Wert ihrer geleisteten Arbeit. Zur Entstehungszeit des Bildes steckte der soziale Gedanke noch in den Anfängen (1863 war der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein, ein Vorläufer der SPD, gegründet worden, 1883 sollte die Sozialversicherung eingeführt werden). Es ist wenig wahrscheinlich, dass Menzel heimlich mit den Ideen der entstehenden Arbeiterbewegung sympathisiert hat. Er malte, was er sah, und das waren in diesem Fall eben auch die harten Arbeitsbedingungen in der Industrie. Ob er mit dem Eisenwalzwerk überhaupt ein außermalerisches Ziel verfolgte, bleibt offen. Vielleicht reizten ihn auch einfach die exakte Darstellung der komplizierten technischen Abläufe und die ungewöhnlichen Lichteffekte.

Menzels Werk wird dem Stil des Realismus zugeordnet. Darunter wird – im Gegensatz zum verklärenden Idealismus – eine Malerei verstanden, die die vorgefundene Wirklichkeit abbildet. Für Menzel war die realitätsgetreue Darstellung auch kleinster Details ein wichtiges Anliegen. Darüber hinaus weist aber besonders das Werk seiner reiferen Jahre eine Reihe von charakteristischen Stilmerkmalen auf.

Vielleicht war Menzels Streben nach größtmöglicher Wirklichkeitstreue ein Grund für die Detailfülle, die viele vor allem seiner späteren Bilder auszeichnet: Pariser Wochentag (1869), Piazza d’Erbe in Verona (1882–1884), Brunnenpromenade in Kissingen (1890), Frühstücksbuffet der Feinbäckerei in Kissingen (1893). Jedoch verbindet in diesen Bildern die verwirrende Menge der Personen und der Einzelheiten sich nicht zu einem harmonischen Ganzen; jedes Element bleibt autonom, wodurch der Eindruck des Chaotischen ebenso erzeugt wird wie der der Isolation und der in verschiedenste Richtungen strebenden Dynamik. Auch weisen die Bilder kein Zentrum auf, das den Blick und die Aufmerksamkeit des Betrachters festhalten könnte. Nach Meinung des Kunstwissenschaftlers Forster-Hahn zeigt diese Malweise die „Unmöglichkeit, die Welt als harmonische Einheit zu erfassen“ (Forster-Hahn 1980). Der Eindruck der Isolation wird verstärkt dadurch, dass die Personen auf diesen Bildern meist nicht nur in keiner kompositorischen, sondern auch in keiner Handlungsbeziehung zueinander stehen: Sie blicken aneinander vorbei, kein Gespräch findet statt, jeder ist mit seinen eigenen Dingen beschäftigt.

Darüber hinaus wählte Adolph Menzel gern Bildausschnitte, die wie zufällig wirken und dadurch an die Schnappschüsse eines Fotografen erinnern, in Wirklichkeit aber sorgfältig arrangiert sind. Auf diesen Bildern werden Gegenstände und Menschen manchmal fast gewaltsam von den Bildrändern abgeschnitten. Ein Beispiel ist die Brunnenpromenade in Kissingen: Das Gemälde zeigt im Vordergrund eine Hand, die einen an der Leine ziehenden Hund hält; der dazugehörige Arm aber und der Rest der Person sind dem Bildrand zum Opfer gefallen.

In den 1840er und 1850er Jahren, also in einer relativ frühen Phase seines Schaffens, malte Adolph Menzel eine Reihe von Bildern, die Elemente des Impressionismus um Jahrzehnte vorwegzunehmen scheinen (beispielsweise den Verzicht auf eine Handlung, die farbige Darstellung des Lichts und den Eindruck des Momentanen, Flüchtigen). Dazu zählen unter anderem Das Balkonzimmer (1845), eines seiner bekanntesten Gemälde überhaupt, sowie Schlafzimmer des Künstlers in der Ritterstraße (1847) und Waldesnacht (1851). Adolph Menzel betrachtete diese Bilder offenbar als private, inoffizielle Arbeiten und stellte sie erst sehr spät erstmals aus; zum Teil wurden sie der Öffentlichkeit erst nach seinem Tod bekannt. Das gern als „vorimpressionistisch“ bezeichnete Frühwerk, das so ganz aus dem Rahmen des von Menzel Gewohnten fiel, wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.

Übrigens hat Adolph Menzel den in der Jugend eingeschlagenen Weg nicht weiter verfolgt. Den ab den 1870er Jahren in Frankreich sich entwickelnden Impressionismus nahm er kaum wahr; die Impressionisten bezeichnete er einmal als „faule Künstler“.

Adolph Menzel hinterließ rund 6000 Zeichnungen, hinzu kommen 77 Skizzenbücher und Hefte. Diese gewaltige Menge erklärt sich zum einen aus der damals üblichen Vorgehensweise, jedes Gemälde mit einer Vielzahl von Zeichnungen vorzubereiten; so schuf Menzel beispielsweise zum Eisenwalzwerk mehr als hundert Zeichnungen. Zum anderen aber wird Menzel von den Zeitgenossen als manischer Zeichner beschrieben: „Kein Gegenstand war ihm zu gering, und er zeichnete, wo er ging und stand, mit geradezu krankhaftem Eifer.“ (Paul Meyerheim 1906). Diese Leidenschaft gab Anlass zu einer ganzen Reihe von Anekdoten.

Das Zeichnen begleitete Menzel sein ganzes Leben lang. Eines seiner ersten Zeugnisse ist die gezeichnete Hand des Vaters. Nach 1875 ging die Zahl seiner Gemälde deutlich zurück, und im hohen Alter hat er nur noch gezeichnet. Menzel zeichnete zunächst gern mit spitzem Bleistift, aber auch mit Pastellkreiden und entwickelte sich zu einem Meister der Gouache und der aquarellierten Zeichnung. Später bevorzugte er den breiten Zimmermannsbleistft, den er im Alter ausschließlich benutzte. Dabei neigte er zunehmend dazu, die Linien zu verwischen, so dass die Zeichnungen seiner letzten Jahre einen verschwommenen, unwirklichen Eindruck vermitteln.

Menzels Zeichnungen werden bewundert für die Beobachtungsgabe, die in ihnen zum Ausdruck kommt, und für die Fähigkeit des Künstlers, mit einfachsten Mitteln das Wesen der Dinge und Personen zu erfassen. Unbelebte Gegenstände scheinen in diesen Zeichnungen oft auf magische Weise ein Eigenleben zu erhalten (Rüstkammer-Phantasien, Norwegische Fettaustern). Da Menzel sich in seinen Zeichnungen mehr Freiheiten nahm als in seinen Gemälden, treten charakteristische Elemente seines Werks dort häufig besonders stark hervor, so die Wahl scheinbar willkürlicher Bildausschnitte und das Interesse an Unordnung und Zerfall. In einigen Zeichnungen seiner späten Jahre nähert Menzel sich der Abstraktion (Kurhausstraße in Kissingen nach einem Gewitterregen, Enger Durchblick zwischen zwei Häusern).

Aufbahrung der Märzgefallenen entstand 18148 als Ereignisbild, das die Folgen der Märzrevolution am 18. März 1848 in Berlin, die in einem Barrikadenkampf zwischen Bürgern und Militär mündete, dokumentiert.

Am 22. März wurden 183 Särge gefallener Zivilisten auf den Stufen des Deutschen Domes am Gendarmenmarkt aufgereiht. Das Bild ist insoweit ein Novum in der bis dahin bestehenden deutschen Malerei, als dass es mit dem Sujet indirekt eine Kritik an den bestehenden Machtverhältnissen übt.

Die Särge der Gefallenen des 18. März 1848 wurden zum eigens dafür angelegten Friedhof der Märzgefallenen in Friedrichshain gebracht. Als der Trauerzug am Schloss vorbeikam, zollte König Friedrich Wilhelm IV. den Toten durch Ziehen seines Hutes Respekt, um die aufgebrachte Menge zu beruhigen.

Menzel war am 22. März 1848 von Kassel nach Berlin geeilt, um sich vor Ort ein Bild machen zu können. Auch das Verhalten des gedemütigten Königs beobachtete er und notierte: „So oft nun ein neuer Zug Särge vorbeikam, trat der König barhaupt heraus und blieb stehen, bis die Särge vorüber waren. Sein Kopf leuchtete von ferne wie ein weißer Flecken. Es mag wohl der fürchterlichste Tag seines Lebens gewesen sein.“

Gemalt hat Menzel allerdings die Szene am Gendarmenmarkt. Vieles ist verschwommen, geradezu ein Vorgriff auf den Impressionismus. Menzel, der für seine Detailtreue bekannt und beliebt war, lässt Menschen wie auch Einzelheiten des Deutschen Domes wie die Statuen und Reliefs im Dreiecksgiebel teilweise nur vage. Das Bild ist auch erkennbar unvollendet, sichtbar zum Beispiel in der linken unteren Ecke. Seine Größe von lediglich 63 x 45 cm spricht dafür, dass es sich um eine Vorstudie zu einem geplanten Gemälde handelt, das jedoch nie realisiert wurde.

Das Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci heute in der Alten Nationalgalerei in Berlin hängt. Es zeigt den Preußenkönig beim Flötensolo während eines Abendkonzerts, das er zusammen mit Musikern vor Gästen im festlich erleuchteten Konzertzimmer seines Rokokoschlosses Sanssouci abhält.

Menzel malte das Bild in den Jahren 1850 bis 1852. Friedrich der Große, der selbst Flötensonaten komponierte und für sein hervorragendes Querflötenspiel bekannt war, brachte seine Kompositionen öfter in der Stunde vor dem Abendessen seinen Verwandten, Freunden und Bediensteten zu Gehör. Bei einem derartigen Konzert wird der Monarch von Menzel dargestellt, wie er im vom Kerzenschein vieler Leuchter erhellten Musikzimmer Flöte spielend vor seinen rechts sitzenden Musikern am Notenpult steht, während links und hinter ihm festlich gekleidete Gäste zuhören. Dass diesen privaten Konzerten nicht immer alle mit Begeisterung beiwohnten, zeigt Menzel in seinem Bild aber auch.

Für sein Gemälde fertigte der Künstler zahlreiche Studien an, sowohl zu den Möbeln, zum Notenständer und zur Architektur als auch zur Kleidung und zu den Stellungen der Figuren. Der Raum, der bis heute in Sanssouci so zu besichtigen ist, wie Menzel ihn malte, erscheint auf dem Bild jedoch größer als in der Realität. Insgesamt stellt der Künstler eine von ihm erfundene Szene dar, denn es ist fraglich, ob Friedrich II. tatsächlich jemals vor so großen Gruppen und in Uniform musiziert hat.

An zentraler Stelle des Gemäldes steht Friedrich der Große, die Querflöte im Ansatz, das Notenpult vor ihm von zwei Kerzen beleuchtet. Er trägt eine Zopfperücke, einen langen, geöffneten, preußisch-blauen und rot gefütterten Rock sowie soldatische Stulpenstiefel. Er wird von einem Mann am Cembalo und einer Streichinstrumentengruppe begleitet. Mit Ausnahme des Cembalisten und des Cellisten verharren alle männlichen Anwesenden, auch die Männer im Publikum, stehend, um dem König ihre Reverenz zu erweisen.

Das Gemälde wird durch Friedrichs Notenständer, der in der Bildmitte platziert ist, in zwei unterschiedliche Hälften geteilt. In jeder der beiden Hälfte befinden sich acht Personen, von denen jeweils fünf stehen und drei sitzen.

Rechts im Bild steht ein älterer Zuhörer, den Blick nicht dem König zugewandt, sondern auf den Boden gerichtet. Es ist der Flötenlehrer Friedrichs des Großen, Johann Joachim Quantz, der seine ganze Konzentration den Klängen der Musik zu widmen scheint. Seine Haltung ist väterlich, er zollt dem König allerdings nicht seinen ganzen Respekt, denn er lehnt sich gedankenverloren an ein größeres Gemälde, das rechts an der Wand hängt. Der Musiker mit der Violine rechts außen ist der Konzertmeister Franz Benda.

Auch die Zuhörer auf der linken Seite des Bildes sind eindeutig zu identifizieren. Menzel hat in einer seiner Vorstudien zum Bild deren Namen preisgegeben Der ins Auge stechende Dicke mit der altmodischen Perücke ist Graf Gustav Adolf von Gotter ein Lebemann, von Zeitgenossen als nervtötend beschrieben, gleichwohl ein Günstling des Königs, der stets seinen Vorteil zu nutzen wusste. Leicht versetzt hinter ihm steht mit verzücktem Gesichtsausdruck Jakob Friedrich Freiherr von Bielfeld. Er gehörte zu den Bewunderern Friedrichs des Großen, die tatsächlich wegen der Musik (und nicht nur wegen der Ehre, eingeladen zu werden) an dessen Konzerten teilnahmen. Der Mathematiker und Geograf Pierre-Louis Moreau de Maupertuis hingegen schaut gelangweilt zur Decke. Er gehört zu denjenigen unter den geladenen Gästen, die an der Musik weniger interessiert zu sein scheinen. Im hinteren Teil des Gemäldes sitzt die Lieblingsschwester Friedrichs des Großen, Wilhelmine von Bayreuth, auf einem rot gepolsterten Sofa.

Auch am Cembalo sitzt kein Unbekannter: Es ist Carl Emanuel Bach, der Sohn Johann Sebastian Bachs. 28 Jahre stand er im Dienst des Königs. Auf dem Bild sieht man allerdings, dass er von den musikalischen Künsten seines Arbeitgebers nicht so viel hält. Zwar wendet er dem Flötenspieler das Gesicht zu und scheint auf seinen Einsatz zu warten, doch die genauere Betrachtung lässt erkennen, dass seine Augenlider halb geschlossen sind und sein Gesichtsausdruck blasiert und fast abweisend wirkt.

Die alte Dame, die hinter dem Notenständer in der Bildmitte sitzt, ist die Gräfin Camas Zur Rechten von Wilhelmine und direkt hinter dem musizierenden Preußenkönig sitzen im Publikum die jüngste Schwester Friedrichs, Amalie von Prueßen, die wie der Monarch Musikstücke komponierte, und eine Hofdame. Hinter den Prinzessinnen steht der Hofkapellmeister Carl Heinrich Graun. Der Mann im Hintergrund ist Friedrichs Freund Chasot.

Nach seinen eigenen Worten war Menzel, der Realist, bei seinem Gemälde aber gar nicht so sehr an der Darstellung der genannten Personen interessiert, die er nichtsdestoweniger vortrefflich wiedergab, sondern vorrangig an der malerischen Darstellung der Beleuchtungssituation mit den vielen Kerzen. Einem Besucher soll er gestanden haben, dass er „das Bild eigentlich nur des Kronleuchters wegen“ gemalt habe.

Maria Theresias Sohn Erzherzog Joseph, seit 1765 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, bewunderte den aufgeklärten Monarchen Friedrich für seine militärischen, administrativen und wirtschaftlichen Erfolge und bemühte sich ab 1766 um eine Begegnung mit ihm. Nach anfänglichem Widerstand Maria Theresias kam die Begegnung 1769 in der grenznahen Residenzstadt Neisse zustande, wo Friedrich sich zu Militärmanövern aufhielt. Joseph traf als Graf von Falkenstein gegen Mittag des 25. August in Neisse ein und begab sich unmittelbar zum fürstbischöflichen Schloss, wo Friedrich ihn empfing. An der Begegnung nahmen ranghohe Adlige und Militärs beider Seiten teil. Der Kaiser und der König blieben bis zum 28. August in Neisse. Tagsüber beobachteten sie die preußischen Manöver, abends besuchten sie die Opera comique.

Adolph Menzel, der die Episode als Thema für das von der Verbindung deutscher Kunstvereine für historische Kunst bestellte Historienbild selbst auswählte, war mit der Szene seit der Zeit vertraut, als er für Franz Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen von 1840 die Illustrationen gezeichnet hatte. Kugler schmückt die Begegnung romanhaft aus und liefert dem Künstler willkommene Details. Demnach fand die Begegnung der Herrscher im Treppenhaus des Neisser Schlosses statt, wo Friedrich dem hinaufeilenden Joseph entgegenkam und beide sich in die Arme fielen. Anschließend habe Friedrich den Kaiser „an der Hand in den Saal“ geführt. Auch an den folgenden Tagen habe man „die beiden Häupter des deutschen Reiches nur Arm in Arm“ gesehen.

Für seine Buchillustration hatte Menzel den Moment des Hand-in-Hand gewählt. Auch dort ist im Hintergrund der Treppenaufgang mit dem Gefolge des Kaisers zu sehen; Joseph selbst steht jedoch schon auf gleicher Ebene mit Friedrich und überragt ihn um Haupteslänge. Für das Ölgemälde wählte Menzel den Moment der Begrüßung im Treppenhaus. An einer Wendung der Treppe begegnet der von unten heraufeilende junge Kaiser dem von oben entgegenkommenden altersreifen König. So muss Joseph zu Friedrich aufblicken, und in seine Miene legt Menzel den Ausdruck schwärmerischer Bewunderung. Seine kaiserliche Würde ist allein durch den weißen, rot gesäumten Reiseumhang im Kontrast zu Friedrichs dunkler Alltagskleidung ausgedrückt. Die Gesichter kommen sich sehr nah, die Begrüßung geschieht mit beiden Händen; die von Kugler beschriebene Umarmung zeigt Menzel jedoch nicht. Hinter den Herrschern erscheinen im Halbdunkel des Treppenhauses mehrere uniformierte Begleiter, deren Mimik und Gestik die Bedeutung des Augenblicks unterstreichen.

Menzels Gemälde entstand zu einer Zeit, als das Ende des Heiligen Römischen Reichs bereits ein halbes Jahrhundert zurücklag und im 1815 gegründeten Deutschen Bund die nationale Frage und die preußisch-österreischische Rivalität immer bedrängender wurden. Vor diesem Hintergrund zeigt das Bild eine symbolische Versöhnung der beiden deutschen Großmächte, die zwar den König aus Berlin dem Kaiser aus Wien mindestens gleichstellt, zugleich aber der kleindeutsche Politik Bismarcks widerspricht.

Der Maler Anselm Feuerbach war ein Enkel von Paul Johann Anselm Ritter von Feuerbach und der Sohn von Joseph Anselm Feuerbach und dessen Gattin Amalie, geb. Keerl. Schon 1830 verlor er seine Mutter und wurde zusammen mit seiner Schwester Emilie für vier Jahre bei den Großeltern in Ansbach untergebracht. 1834 heiratete sein Vater Henriette Heydenreich zwei Jahre später wurde er an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg berufen und übersiedelte mit seiner Familie dorthin. Anselm Feuerbach besuchte das Gymnasium in Freiburg. Ab 1843 erhielt er Zeichenunterricht vom Anatomiezeichner der Universität. 1844 malte er Szenen aus dem Nibelungenlied und eine Auswahl von Zeichnungen wurde zur Begutachtung an Carl Friedrich Lessing und Wilhelm von Schadow nach Düsseldorf geschickt. 1845 ging er ohne Schulabschluss für zwei Jahre nach Düsseldorf, wo er sich anfangs Schadow, dann Alfred Rethel anschloss. An der Kunstakademie Düsseldorf war er Schüler von Wilhelm von Schadow, Karl Ferdinand Sohn und Johann Wilhelm Schirmer. Sein erstes größeres Gemälde, der flötende Silen, entstand 1846. 1848 zog er nach München. In diese Zeit fällt der Einfluss durch Karl Rahl.

Um sich im Kolorismus zu vervollkommnen, ging er 1850 nach Antwerpen, wo er bei Gustave Wappers lernte, und 1851 nach Paris. Dort studierte er die modernen Meister und arbeitete in Thomas Coutures Atelier. Zwei seiner ersten Gemälde, Hafis in der Schenke und Der Tod Pietro Ariinostos, zeigen den Einfluss Coutures, weisen aber auch bereits auf das Vorbild der Venezianer hin, denen er sich später noch enger anschloss. Weitere Maler, die ihn in dieser Lebensphase beeinflussten, waren Eugène Delacroix, Gustave Courbet, Constant Troyon und Théodore Rousseau. Möglicherweise hatte er 1853 auch Kontakt zu Édouard Manet.

1854 kehrte er nach Deutschland zurück und 1855 ging er nach Heidelberg, wo seine mittlerweile verwitwete Stiefmutter und die Schwester Emilie lebten. Dort kam er in Kontakt mit Joseph Victor von Scheffel. Bis April 1855 lebte er in Karlsruhe, dann trat er mit Scheffel eine Studienreise nach Italien an, die ihn zunächst nach Venedig führte, wo er Tizians Himmelfahrt kopierte. Im Sommer hielt er sich im Castel Toblino auf und machte Landschaftsstudien. Im Spätherbst unterzog er sich in Venedig einer Syphiliskur. Seine Reise führte ihn 1856 nach Florenz und Rom, wo er seinen späteren Biografen Julius Allgeyer kennenlernte, und wo sich im Studium von Michelangelo und Raffael allmählich seine eigene, spezielle Richtung ausbildete. Er orientierte sich am historisch-monumentalen Stil, aber auch am Farbenreichtum der venezianischen Malerei, dämpfte aber die Leuchtkraft der Lokalfarben durch graue Zwischentöne. Dies stieß bei seinen Zeitgenossen auf heftige Kritik.

In dieser Zeit entstanden Dante und die edlen Frauen in Ravenna (1858).

Ab 1857 war Feuerbach Mitglied des Deutschen Künstlervereins in Rom. Vom Sammler Ludwig Landsberg erhielt er den Auftrag für Dante. Damals mietete er ein Atelier im Palazzo Costa. Weil er sein Gemälde Dante behalten wollte, zahlte Feuerbach 1858 mit Hilfe eines Darlehens Scheffels Landsbergs Vorschuss zurück. Das Werk wurde im März und April an der Piazza deö Popolo öffentlich ausgestellt. Der hannoversche Konsul in Palermo Karl Wedekind bestellte nach einem Atelierbesuch ein halbfertiges Kinderständchen bei Feuerbach.

1860 lernte Feuerbach Anna Risi kennen, genannt Nanna. Die Frau eines nach Rom zugewanderten Kunsttischlers wurde sein Modell und seine Geliebte. Damit begann die Serie der berühmten Nanna-Bildnisse. Vom Mai bis Oktober war er für Bildnisaufträge in Heidelberg. 1861 plante Feuerbach seine Iphigenie und das Gastmahl. Im Sommer machte er Meeresstudien in Anzio.

Während seines Aufenthalts in Rom fand er von 1862 bis 1868 im Grafen von Schack einen Mäzen, der elf seiner Werke ankaufte. Zunehmend führte die Stiefmutter Henriette die geschäftliche Korrespondenz mit Schack.

Es entstanden Francesca da Rimini und Paolo Malatesta, Laura und Petrarca, Hafis am Brunnen, die Pieta (1863) und die Kinderbilder: Idyll aus Tivoli, Belauschtes Kinderkonzert und Mutterglück. War in diesen Gemälden neben der klassischen Formengebung noch ein romantischer Zug zu finden, so wandte sich Feuerbach von da ab fast ausschließlich der Darstellung antiker Gegenstände im Gewand des modernen, aber durch eine völlig plastische Formenbehandlung gedämpften und gebundenen Kolorismus zu. Beispiele hierfür sind Iphigenie (1871, Staatsgalerie Stuttgart) und Das Gastmahl des Plato (1873, Berliner Nationalgalerie) sowie Die Amazonenschlacht, Das Urteil des Paris und mehrere Bilder aus der Sage der Medea. Feuerbachs Freundschaft mit Böcklin zerbrach, und er hegte Selbstmordgedanken. 1865 arbeitete Feuerbach wieder an der Komposition des Gastmahls. Er schloss eine engere Bekanntschaft mit Hans von Marées. Seine Geliebte Nanna verließ ihn und ging mit einem Engländer nach Süditalien. Den Sommer 1866 verbrachte Feuerbach wieder in Anzio, um Studien für den Hintergrund der Münchener Medea zu machen. Er lernte Lucia Brunacci kennen, die wie Nanna sein Modell und seine Geliebte wurde. Im Oktober reiste er nach Berlin. Feuerbach glaubte, durch den Sieg Preußens über Österreich im Deutschen Krieg werde sich dort der kulturelle Mittelpunkt Deutschlands bilden. Er erhielt einen Auftrag Schacks für die Medea und Ricordo di Tivoli.

1867 fand Feuerbach endlich in Rom ein großes Atelier in der Via S. Nicola da Tolentino. Ende März reiste er zur Erholung nach Baden-Baden. Er hatte nun engeren Kontakt mit Clara Schumann und Johannes Brahms. Im Oktober war er wieder in Rom, wo Feuerbach und Marées sich mit Conrad Fiedler anfreundeten. Die Beziehung zu Fiedler kühlte sich schnell ab, weil dieser den mittellosen Marées unterstützte. Im Dezember 1868 erfolgte der Abbruch der Beziehung zu Schack.

1869 vollendete Feuerbach die erste Fassung des Gastmahls, die er auf der Großen Internationalen Kunstausstellung in München ausstellte. Dort wurde das Bild von der Malerin Marie Röhrs erworben. Der Karlsruher Kunstverein bemühte sich um eine Ausstellung des Gastmahls. Auch die Möglichkeit einer Berufung nach Karlsruhe stand im Raum, doch Feuerbach reagierte ablehnend. Dennoch wurde 1870 die Medea in Karlsruhe ausgestellt. Der Karlsruher Hof interessierte sich für Feuerbach, doch dieser konterkarierte durch übersteigerte Forderungen die Absicht des Großherzogs, ihn nach Karlsruhe zu ziehen. Im Juli dieses Jahres war er in Berlin. Durch Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges konnte er erst im September nach Rom zurückkehren. Im Herbst stellte er Das Urteil des Paris mit Hilfe Ferdinand Kellers fertig, das zur Berliner Herbstausstellung geschickt wurde.

1871 begann Feuerbach die Arbeit an der zweiten Fassung der Amazonenschlacht und an der zweiten Fassung des Gastmahls. 1872 reiste er nach Heidelberg und von dort nach Wien, wo er erstmals mit Rudolf Eitelberger zusammentraf und wegen einer Professur an der Wiener Akademie der Bildenden Künste vorfühlte. Die Berufung zum Professor erfolgte am 7. August. Feuerbach vollendete seine Amazonenschlacht und ging im Juni 1873 an die Akademie der bildenden Künste Wien. In das Jahr 1873 fiel auch der Tod der Schwester Emilie. Feuerbach war nicht mit Bildern auf der überfüllten Wiener Weltausstellung vertreten und schwankte angesichts der Erfolge Hans Makarts zwischen Bewunderung und Neid. 1874 stellte er Die Amazonenschlacht und die zweite Fassung des Gastmahls im Wiener Künstlerhaus aus. Die Kritiker reagierten ablehnend.

Feuerbach pendelte 1875 zwischen Wien und Rom und wurde wegen nicht eingereichter Urlaube vom Ministerium ermahnt. Ab Oktober war er wieder in Wien. Er begann mit den Arbeiten am Titanensturz für den Plafond der Aula der Akademie der bildenden Künste Wien. An diesem Werk arbeitete er ab 1878 intensiv; er vollendete es infolge von Meinungsverschiedenheiten mit dem Architekten Theophil Hansen erst 1880 in Rom; auf der Münchener Ausstellung 1879 stieß der Titanensturz indes auf heftige Kritik.

Im März 1876 erkrankte Feuerbach an einer Lungenentzündung. Mit hohem Fieber fuhr er zur Stiefmutter nach Heidelberg. Ein großer Teil seiner Lebenserinnerungen entstand als Pamphlet, als Abrechnung mit seinen Zeitgenossen, u. a. auch Über den Makartismus – Pathologische Erscheinung der Neuzeit. Im Juni reichte Feuerbach in Wien sein Entlassungsgesuch ein. Im Juli übersiedelte Henriette Feuerbach nach Nürnberg; Feuerbach pendelte nun bis 1879 zwischen Nürnberg und Venedig.

In den letzten Jahren seines Lebens führte Feuerbach, der zeitweise mit dem Gedanken gespielt hatte, als Porträtmaler nach London zu gehen, ein Gemälde aus für den Justizpalast in Nürnberg, Huldigung Ludwigs des Bayern. Feuerbach wurde in Nürnberg auf dem St. Johannisfriedhof (Grab St. Johannis I / 0715) begraben. Im April 1880 fand eine große Gedächtnisausstellung seines Nachlasses in der Berliner Nationalgalerie statt.

Der Tod des Dichters Pietro Aretino ist ein Gemälde Anselm Feuerbachs. Das 1854 gefertigte Werk mit den Maßen 2,67 x 1,76 Meter befindet sich heute in der Öffentlichen Kunstsammlung des Kunstmuseums Basel und ist Eigentum der Gottfried-Keller-Stiftung (Bern).

Seit Herbst 1853 beschäftigte sich Feuerbach mit der Idee zu diesem Bild. Aus vorangegangenen Studien und Skizzen lässt sich die Entwicklung der Idee hin zu ihrer Ausführung erschließen.

Am Gemälde selbst arbeitete Feuerbach von August bis November 1854 in seinem Atelier in Karlsruhe. Am 9. Oktober schrieb er in einem Brief an seine Stiefmutter Henriette: „Frommel und er (gemeint ist Johann Wilhelm Schirmer) sahen den Aretin, Schirmer beschämte Frommel in Gegenwart meines Bildes, er behandelte mich als Meister und bot mir eine Professorenstelle an... Am Aretin habe ich mit der größten Anstrengung und Erfolg gearbeitet, und ich kann jetzt sagen mit der Hand auf dem Herz, daß dieses Bild mir meinen Namen feststellen wird.“ Nach der Fertigstellung hoffte Feuerbach, der Prinzregent werde das Bild für seine Gemäldesammlung erwerben. Am 28. Dezember schreibt er in einem Brief: „Dieser Tage kommt die Kommission zusammen, und ich habe sehr große Hoffnung. Prinz Karl war mit dem Regenten da und sagte: ‚Das Bild müssen wir haben.’“ Im Januar 1855 lehnte die Ankaufskommission des Regenten das Bild ab. Ernüchtert schreibt Feuerbach am 1. Februar: „Der Regent ist eben ein Kind in Kunstsachen.

Die markanteste Eigenschaft des Gemäldes ist seine Dynamik, die „die Gefahr dionysischen Überschwanges birgt“ (Herbert von Einem). Verschiedene Bewegungsrichtungen und retardierende Elemente finden in der spiralförmigen Szene in der Bildmitte einen rhythmischen Zusammenhang. Die Einleitung zur Komposition und Handlung gibt die mittlere Dame, die sich stark beleuchtet über den Tisch dem stürzenden Dichter zuneigt.

Es verdutzt, dass keine der Figuren angesichts des tödlichen Sturzes Betroffenheit oder Entsetzen zeigt. Lediglich die verkrampfte Haltung des Mannes zur Linken des Gestürzten und das Zurückweichen der Frau zur Rechten deuten Anteilnahme an. Darum wird das Bild weniger als historische Inszenierung angesehen, als vielmehr als Versuch einer Weltdeutung, bei der die Motive der Vanitas und des Memento mori eine Rolle spielen. Das umgestürzte Weinglas verstärkt diesen Eindruck. Der Kunsthistoriker Jörn Bahns dagegen sieht in dem Gemälde ein Nebeneinander von historischem Sittenbild und Weltdeutung.

Die monumentale Bildform wählte Feuerbach nach Eckers Meinung zu dem Zweck, den Eindruck des Wertes dieses dargestellten Ereignisses zu steigern. Dieses Mittel wandte Feuerbach auch bei anderen Werken mit tragischen Momenten an.

Die Amazonenschlacht (zweite Fassung) ist ein Gemälde des deutschen Malers Anselm Feuerbach. Das 1871 geschaffene und 1873 vollendete Werk mit den Maßen 4,05 mal 6,93 Meter befindet sich heute im Germanischen Nationalmuseum und ist im Besitz der Stadt Nürnberg. Feuerbach malte das Bild während eines längeren Aufenthaltes in Rom.

Das erste Werk Feuerbachs, das die Amazonenschlacht zum Thema hatte, entstand Ende 1856 und war 1857 vollendet. Doch schon 1845 hatte Feuerbach an einer ähnlichen Schlachtenszene gearbeitet: Die Erstürmung des germanischen Lagers in der Schlacht auf den Raudischen Feldern. Die Arbeit mit Pinsel in verschiedenen Brauntönen und Deckweiß über Bleistift auf hellbraunem Papier ist sein erstes Schlachtenbild. Am 29. September 1845 war es in den Maßen 29,7 mal 38,3 cm vollendet und befindet sich heute im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin. Feuerbachs Bekannter und Biograf Julius Allgeyer beurteilte die Zeichnungen zu der Germanenschlacht treffend als „Zeugnis kindischen Ungeschicks“ nach Konzeption und Ausführung, sieht aber auch den Zusammenhang mit den späteren Fassungen der Amazonenschlacht „gleichsam in embryonischer Form vorgebildet“. Erst wenige Wochen zuvor hatten er und Feuerbach sich in Rom kennengelernt.

Die erste Fassung einer Amazonenschlacht, die Feuerbach 1856–57 schuf, hat die Form eines Querovals, die der Künstler in der Frühphase seiner Zeit in Rom bevorzugte. Die kompositorischen Probleme dieser Form löste Feuerbach im Vergleich zu seinen Nymphenbildern. Die Landschaft – ein karger Küstenstrich – baut sich vom Hintergrund in den Vordergrund stufenweise auf. Die S-förmig angelegten Figuren bilden zwei Gruppen, in denen theatralische Einzelinszenierungen aneinandergefügt werden. Die Szene wirkt durchkomponiert und geordnet, obwohl man bei dem Thema des Bildes Verwirrung und Getümmel erwartet. Der Kunsthistoriker Ulrich Christoffel lobt in seiner 1944 erschienenen Monographie über Feuerbach dessen dynamisches Flächengefühl und seinen „Sinn für die kontrapunktische Verteilung von Masse und Licht“. Jürgen Ecker bezeichnet in seinem 1991 erschienenen Werk über Feuerbach die Ölstudie als ein kompositorisches Experiment Feuerbachs und weniger als eine glaubhafte Darstellung des Themas. Die Ölstudie mit den Maßen von 53 mal 64,5 cm befindet sich heute im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Oldenburg.

Nach Fertigstellung der Ölstudie 1857 beschäftigte Feuerbach sich weiterhin mit dem Gedanken der Darstellung einer Amazonenschlacht. In einem Brief an seine Stiefmutter Henriette Feuerbach vom 10. Januar 1860 beschreibt er seine Begeisterung über die Komposition seines ersten Entwurfs zur Amazonenschlacht und drückt seine Entschlossenheit aus, die Thematik zu verfolgen.

In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts arbeitete Feuerbach kontinuierlich auf die erste Gemäldefassung der Amazonenschlacht hin: Im „Städelschen Kunstinstitut Frankfurt“ befindet sich eine gezeichnete Teildarstellung der Szene, ein beigefügtes Blatt im Münchner Skizzenbuch in der „Staatlichen Graphischen Sammlung“ und in Hamburg, Leipzig und Dresden einige Kreidedarstellungen weiblicher Akte.

In die Zeit zwischen der Ölstudie und der ersten Gemäldefassung der „Amazonenschlacht“ fällt Feuerbachs Bekanntschaft mit Anna Risi, genannt „Nanna“. Bis 1865 ist sie seine Geliebte und sein wichtigstes Modell.

Am 3. Februar 1868 kündigte er in einem Brief an, er sei mit seinem Werk Orpheus und Eurydike befasst und werde in der nächsten Woche die Amazonenschlacht in Angriff nehmen. Feuerbach verkündet am 12. März dieses Jahres die Herstellung eines Rahmens für die Amazonenschlacht. Mit der Untermalung auf Leinwand hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen, allerdings fehlten ihm noch Naturstudien, besonders an Pferden. Er berichtet im selben Brief seiner Stiefmutter, dass er aus diesem Grund viel Zeit im Heidelberger Marstall zu verbringen gedenke. Schließlich unterbrach Feuerbach die Arbeit an dem Bild und erwähnt es in seinen Briefen das ganze Jahr über nicht mehr. In einem undatierten Brief, wahrscheinlich vom Februar 1869, berichtet er, dass er in acht Tagen die Schlacht anfangen werde. Im Oktober 1869 entschließt sich Feuerbach, das Bild ungestört zu vollenden, beendet es aber auch im Dezember nicht.

Wieder spielt die Schlacht in einer kargen Küstenlandschaft, die im Verlauf der beiden Bilddiagonalen komponiert ist. Der Schwerpunkt der Handlung befindet sich links von der Bildmitte und bildet ein rechtwinkliges Dreieck. Durch die versetzte Überlagerung zweier Kompositionsprinzipien entsteht eine Spannung im Bild, die von den Figuren der Schlacht – wie in der ersten Amazonenschlacht 1857 – nicht ausgeht. Die feindlichen Mächte sind nicht in Schlachtordnung und Formation gegeneinander ausgerichtet, sondern zerstreuen sich in Einzelaktionen über das Bild. Die Vielzahl der im Bild verwendeten Zitate trägt ebenfalls nicht zur Spannung bei: Es finden sich Ableitungen von Michelangelos Liegefiguren der Medicigräber, die Landschaft im rechten Bilddrittel hat dasselbe Motiv wie Feuerbachs Federzeichnung Medea tötet ihre Kinder). Die erste Gemäldefassung der Amazonenschlacht maß 1,20 mal 2,77 Meter und befand sich zuletzt in der Nationalgalerie Berlin, bevor sie im Zweiten Weltkrieg in einen Charlottenburger Flakturm ausgelagert und zerstört wurde.

Als Feuerbachs Bekannter und vormaliger Interessent Korad Fiedler im Spätherbst 1869 diese Amazonenschlacht in Feuerbachs Atelier entdeckte, reagierte er verhalten und peinlich berührt. Feuerbach machte sich recht bald an die Arbeiten zu seiner zweiten Gemäldefassung der Amazonenschlacht.

Im Herbst 1870 kündigte Feuerbach in einem Brief lakonisch an, er werde am 1. Dezember die Arbeiten zu seinem Gastmahl und der Amazonenschlacht aufnehmen und ohne weitere Studien an der Natur arbeiten. Am 2. Februar 1871 meldete er, fünf Mappen Handzeichnungen mit über 250 Entwürfen für die Schlacht angefertigt zu haben. Er beschrieb den zügigen Fortgang der Vorbereitungsarbeiten für die Gemäldefassung der Amazonenschlacht in Lebensgröße und verkündete stolz: „Die Schlacht wird von dämonischer Wirkung.“ Für die meisten dargestellten Amazonen stand Feuerbachs Geliebte Lucia Brunacci Modell. Die vielen Studien zeigten Feuerbachs ernsthaftes Bemühen um eine glaubhafte figürliche Darstellung in seiner zweiten und endgültigen Fassung der Amazonenschlacht. Im November 1871 verkündete Feuerbach die Fertigstellung des Gemälde, im Januar und Februar 1872 ging er es akribisch durch und korrigierte Feinheiten.

Als Feuerbach 1873 im Rahmen seiner Berufung an die „Akademie der Bildenden Künste“ nach Wien zog, ließ er sich das Gastmahl und die Amazonenschlacht unverzüglich nachschicken. Das Schlachtenbild, das nach Feuerbachs Bekunden fast das ganze Atelier einnahm, gab er sofort zur Spannung und war „trotz der Nuditäten“ vom Adel und der Größe seines Werks eingenommen. Im November 1873 wurde das Bild gefirnisst.

Der Gegenstand des Bildes geht auf die Sage der Amazonen im Trojanischen Krieg zurück, wie sie uns aus dem Epos Ilias überliefert ist, das dem griechischen Dichter Homer zugeschrieben wird. Unter Führung ihrer Königin Pentisiela kommen sie dem trojanischen König zu Hilfe, der von den Griechen unter Führung von König Menelaos von Sparta angegriffen wird. Im Kampf gegen die Griechen wird Penthesilea vom legendären Krieger Achilles getötet, der sich in sie verliebt, als er der sterbenden Amazone den Helm abnimmt. Entgegen den Bräuchen, nach denen die Leichname der Feinde nach der Schlacht den Aasfressern überlassen werden, übergibt Achilles den der Penthesilea an die Trojaner.

Wieder zeigt Feuerbachs freie Behandlung des Sagenstoffes keine Schlacht im eigentlichen Sinn. Wenngleich die zwei großen, gegenläufigen Bewegungsrichtungen zwei aufeinanderprallende Schlachtordnungen suggerieren, sind auch die Figuren der zweiten Fassung der Amazonenschlacht nur in Einzelszenen addiert. Die links im Hintergrund heransprengende Amazonenschar greift zwar eine weiter rechts befindliche Gruppe Männer an, doch die Zwecklosigkeit dieser Attacke ist daraus ersichtlich, dass es sich bei den Männern nur um Verwundete handelt. Auch wenn diese Szene inhaltlich sinnlos wirkt, hat sie doch formale Funktion: Sie leitet die Bewegungsszene im Hintergrund ein, die sich noch in den Wolken fortsetzt und im rechts davonrasenden Pferd ausklingt. Der Geier im linken Teil durchbricht die Bewegungsrichtung. Während in der ersten Gemäldefassung die Bucht das gesamte rechte Bilddrittel einnahm, reduzierte Feuerbach sie in der zweiten Fassung auf einen schmalen Küstenstreifen, den Porto d’Anzio, in den er auch den Landschaftsausschnitt mit dem fliehenden Pferd aufnahm. Der einzige Ruhepol im rechten Bilddrittel ist eine kleine Szene: Ein Schimmel beugt sich über die Leiche einer Frau.

Die Einzelkämpfe im Vordergrund sind sämtlich dezentral angesetzt. Ein Trapez rechts von der linken unteren Ecke hin zur Bildmitte fängt den Blick des Betrachters rasch ein: Er wird von einer monumentalen Rückenfigur dominiert, die auf Michelangelos Leda zurückgeht. Sie bleibt vom Geschehen in der Gasse unberührt und verteilt, in sich ruhend, die verschiedenen Bewegungsrichtungen des Vordergrunds. Um sie sind fünf Amazonen gruppiert, teils verwundet, teils gefallen, die einen Rahmen um die Rückenfigur bilden. Dieser Rahmen bildet die innere von zwei Ellipsen, die sich um die Rückenfigur ziehen. In dem Bereich um sie zeigt sich Feuerbachs Bemühen, seine erworbenen Fähigkeiten in der Darstellung verschiedener Körperformen unter Beweis zu stellen.

Die Liegende rechts neben der Rückenfigur ist an ihrem Kopfschmuck als Amazonenkönigin Penthesilea zu erkennen. Die Position ihres Kopfes auf der Mittelsenkrechten ist bedeutungsvoll. Anders als die meisten gefallenen Amazonen, die nackt dargestellt sind, trägt Penthesilea ein kostbares Gewand und hat, wie die kämpfenden Amazonen, die rechte Brust entblößt. Hier bricht Feuerbach mit der Tradition, denn in antiken Darstellungen tragen die Amazonen ihre linke Brust entblößt. Der Grund für diesen Bruch ist unklar. In der Rechten liegt die Streitaxt der ermatteten Amazonenkönigin, mit der Linken sucht sie Halt an einem älteren Krieger. Sie ist auf ihren Schild gestützt, und ihr (wie bei der Reiterin links im Bild) mit Pfauenfedern geschmückter Helm liegt im Vordergrund neben ihr und wird vom unteren Bildrand überschnitten. Durch ihren Ausdruck gemahnt Penthesilea an die von Homer angedeutete Herkunft ihres Namens vom griechischen (pénthos, „Leid“). Ansonsten hat ihre Darstellung jedoch kaum mit der antiken Vorgabe zu tun. Ihr Sturz weist auf die Niederlage der Amazonen hin, die Konfrontation mit Achilles kommt jedoch nicht vor. Die Haltung der Penthesilea leitet jedoch zu einem weiteren Hauptmotiv des Gemäldes über, die noch mehr als die Amazonenkönigin Leid und Anteilnahme ausdrücken.

Die Gruppe der zwei Männer neben Penthesilea ist ein weiteres Hauptmotiv des Gemäldes. Ein verwundeter Jüngling mit Wolfsfell, das als Trophäe der Wolfsjagd von allen Männern im Bild getragen wird, wird von einem älteren Mann im Schuppenhemd vom Schlachtfeld getragen. Für die Haltung der beiden Figuren stand besonders die Gruppe des Achilles mit Penthesilea auf dem Amazonenschlachtsarkophag (2. Jahrhundert n. Chr., Vatikanische Sammlungen) Pate. Ein Brief vom 1. November 1870, in dem Feuerbach seiner Stiefmutter vom Erwerb einer Fotografie des Sarkophags berichtet, belegt seine Kenntnis der Darstellung. Einzelne Motive finden sich laut Marianne Arndt auf Tusche- und Löschblattskizzen, die Feuerbach in dieser Zeit anfertigte. Arndt stellte auch die These auf, dass Feuerbach ganz im Kanon Carl Ludwig Fernows gehandelt habe, der in seiner 1806 in Zürich erschienenen Abhandlung Über den Zweck, das Gebiet und die Gränzen der Dramatischen Malerei schrieb: „Wenn unser Blick im wilden Getümmel der Schlacht umhergeirrt hat und von den mannigfaltigen Szenen des Kampfes ermüdet ist, dann ruht er mit stiller Betrachtung auf der rührenden Gruppe des Vaters aus, der seinen getöteten Sohn in der Schlacht findet.“ Christoffel, der (laut Ecker fälschlich) den Jüngling als Amazone beschreibt, vergleicht das Paar mit der antiken Szene des Menelaos mit dem toten Patroklos im Arm. Er führt es darum auch auf die Pasquino-Gruppe (vor 100 v. Chr.; Kopie im Palazzo Braschi, Rom) zurück, was Ecker für nicht unwahrscheinlich hält. Ecker schreibt den Unterkörper und die Beine des Jünglings formalen Anregungen aus Michelangelos Pietà Palestrina (, Florenz) zu. Er sieht die Gruppe als retardierendes Moment im Erzählverlauf des Bildes, das durch die labile Haltung die Bildkomposition ins Kippen bringt, gleichzeitig abschließt und dadurch Spannung erzeugt. Als Grund für die Verzögerung der Handlung führt er „die den Krieger zurückhaltende Linke Penthesileas und das kurze Innehalten des Mannes im Bergen des Verwundeten“ an.

Die nächste bildbeherrschende Figur erhebt sich rechts von den zwei Männern. Eine Amazone erhebt auf dem Rücken eines schräg ins Bild ragenden Schimmel die Streitaxt. Sie wird dabei von einer zurückgedrängten Kriegerin behindert, und der Schlag der Reiterin gilt offenbar dem Krieger, der ihre Kampfgefährtin bedrängt. In Haltung und Ausdruck hat der Kopf der Reiterin Ähnlichkeit mit dem Kopf des Laokoon (Vatikanische Sammlungen, Rom). Sie bildet die rechte Grenze einer Pyramidalkonstruktion, deren Spitze die im Mittelgrund befindliche Amazone auf dem sich aufbäumenden Pferd bildet. Der in differenzierten schwarz-grau-braun-violetten Tönen gemalte Rappe wirkt vor dem Abendhimmel nahezu gespenstisch und weist durch seine Haltung auf das Geschehen im Vordergrund. Sein Gewicht und die weit ausgreifenden Vorderhufe richten sich auf die Gasse mit den Verwundeten.

Links unterhalb des Rappens ist ein Nahkampf inszeniert: Zwei Amazonen bedrängen mit Speer und Streitaxt einen bronzehäutigen Gegner, der sich ihnen verzweifelt, aber sinnlos entgegenstemmt. Die Anregung für diese Szene könnte Feuerbach vom Konstantinsbogen in Rom genommen haben, wo im Friesbereich „Trajan in der Dakerschlacht“ eine die Streitaxt schwingende Amazone dargestellt ist.

Der linke Rand der Gasse mit den Verwundeten wird von einer „Gruppenkette“ (Allgeyer) begrenzt. Dort findet sich ein dunkelhäutiger Krieger, der einer Amazone eine Perlenkette aus dem Haar zieht. Allgeyers zu dieser Szene hingeworfener Kommentar „Schlachthyäne“ deutet die damalige Sicht Feuerbachs und seiner Kreise auf die Afrikaner an. Das Opfer des Dunkelhäutigen wehrt sich nicht und fügt sich mit großer Geste in ihr Schicksal. Der Winkel ihres linken Arms erinnert an die Sterbende Niobide (gegen 430 v. Chr.,) und den Sterbenden Sklaven des Michelangelo (Paris). Besonders an dieser Figur sind deutliche Merkmale von Feuerbachs Modell Lucia Brunacci zu finden. Der Kampf rechts von diesem Paar ist an Rubens Amazonenschlacht (München) angelehnt. Eine streitende Amazone zu Pferde, die es mit einem zum Streich ausholenden Krieger aufnimmt, vollendet die Gruppe. Die Rückenfigur ist in ihrer plastischen Durchführung die Frucht eingehender Studien Feuerbachs und steht nach Christoffel für den Symbolismus des Bildes. Hierbei ist die Diskrepanz zwischen Feuerbachs theatralischen Gesten und der Forderung der damaligen Gesellschaft nach dem „wirklichen Leben“ das Hauptproblem für die Akzeptanz des Gemäldes bei seinen Zeitgenossen. In gewisser Weise hing Feuerbach auch den Zeichen der Zeit hinterher, denn selbst die Oper hatte sich Mitte des 19. Jahrhunderts den mehr realistischen Darstellungsformen zugewandt.

Die Farbgebung des Bildes ist insgesamt sehr zurückhaltend und vermeidet grelle Töne. Im Mittelgrund bei den Gefallenen und dem Bergungstrupp blitzen in der sonst grau und braun gehaltenen Umgebung blaue, grüne, violette und rosa Farbtöne auf. Die Gasse mit den verwundeten und gefallenen Amazonen wird von einem matten Lichtstreifen erhellt. Zu den Bildrändern hin verdunkelt sich das Geschehen zu violetten und braunen Tönen.

Zur Zusammenstellung der Figuren bemerkt Allgeyer besonders die Präsenz der Sieben: Zweimal sieben weibliche gegen sieben männliche Figuren, sieben verschiedene Aktionen, sieben im Kampf stehende und sieben außer Gefecht gesetzte Amazonen. Der Sturz Penthesileas als deutliches Zeichen für den Ausgang der Schlacht hebt diese Pattsituation auf. Für Marianne Arndt liegt der Schwerpunkt „nicht mehr auf der Schlacht als solcher, sondern auf ihren Folgen, was auch der Bildentwicklung der Medea entspricht. Hier wie dort ist das endgültige Ziel die Vertiefung des tragischen, nicht des dramatischen Gehaltes.“

Feuerbachs Ausführung der zweiten Fassung der Amazonenschlacht weist in ihren Aussagen auf Friedrich Schiller Gedicht Nänie hin, das Johannes Brahms zu Gedenken seines Freundes Anselm Feuerbach vertonte. Ecker hält es für äußerst wahrscheinlich, dass Feuerbach und Brahms gemeinsam über die Nänie reflektiert haben.

Vom Moment ihrer Fertigstellung an galt die zweite Fassung der Amazonenschlacht als Maßstäbe setzendes Werk Feuerbachs.. Ranzoni spricht von Befriedigung, die ihn angesichts der zweiten Fassung der Amazonenschlacht erfasste, da der Künstler in ihr seinen tiefen sittlichen Ernst und dessen fortschreitende Weiterentwicklung bezeuge. Die symmetrische, aber geschickt verschobene Komposition vergleicht er mit dem „Cinquecento“. Obwohl er noch 1872 Feuerbachs Farbgebung bemängelt hatte, lobt er jetzt gleichfalls einen Fortschritt darin und führte als Beleg die aufsehenerregende Farbgebung des Pietro Aretimo an. Auch die Proportionen der Figuren sind für ihn diesmal stimmig. Abschließend appelliert er an den Leser, Feuerbachs Amazonenschlacht wohlwollend und angemessen mit Hans Makarts aufsehenerregendem Gemälde Venedig huldigt Catarina Cornaro zu vergleichen.

In derselben Zeitschrift erschien jedoch bald auch ein kritischer Beitrag von Daniel Spitzer , der nicht nur die mangelnde Authentizität der Amazonen in ihrer Darstellung kritisiert, sondern auch die unnatürliche Farbgebung des Himmels und den mangelnden dramatischen Ausdruck der Figuren spöttisch präsentiert. Nach diesem Artikel verlor Feuerbach den Mut, weiter auf einen durchschlagenden Erfolg seines Gemäldes zu hoffen. Er wollte sogar seine Professur in Wien niederlegen und die Ausstellung der Amazonenschlacht absagen. Henriette Feuerbach sprach sich zwar zugunsten ihres Stiefsohnes aus, aber seine Wiener Kollegen wussten mit dem egozentrischen und verletzlichen Maler geschickt so umzugehen, dass es ihnen nutzte.

In der Ausstellung am 15. Januar 1874 in Wien, auf der Feuerbachs Amazonenschlacht und die zweite Fassung des Gastmahls erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden, bleibt Feuerbach dann hinter Makart zurück, wie von Ranzoni befürchtet. Das verbitterte ihn und erschwerte seine Suche nach einem Käufer für das Bild, für das er 40.000 Gulden veranschlagte. In einem Brief vom April 1874 schreibt er: „Die Schlacht ist aufgeschlagen, sie ist überaus prachtvoll, nur räudige Affen können so etwas begeifern. Ich schicke sie ohne Rahmen, sie braucht keinen.“ Zu Feuerbachs Lebzeiten blieb das Werk unverkauft. Seine Stiefmutter bot es zusammen mit seinem Urteil des Paris der Münchener Pinakothek für 20.000 Mark an, die jedoch ablehnte. Nach Anselms Tod schenkt Henriette Feuerbach das Gemälde der Stadt Nürnberg.

Christoffel hält die zweite Amazonenschlacht Feuerbachs für seine bedeutendste Schöpfung und gleichzeitig „eines der merkwürdigsten und geistvollsten Bilder der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts“. Er charakterisiert es als Verschmelzung mehrerer Elemente der Figurenbildung zu einem stilistischen Gefüge. Die Figuren hält er für äußerst glaubhaft, und die Akzentuierung des Themas findet er in wenigen markanten formalen und künstlerischen Elementen

Den Auftrag für die Deckengestaltung der Aula der Wiener Akademie der bildenden Künste erhielt Anselm Feuerbach während seiner Lehrtätigkeit an der Akademie ab 1873. Die Bildidee zum Titanensturz hatte Feuerbach bereits seit den 1860er Jahren. Im Juni 1874 schlug er zwei Themen vor: 1. Der Titanensturz oder 2. Goethes Gedicht „Apollo vertreibt die Bacchanten vom Parnaß“. Anfänglich musste er sich mit dem Architekten Theophil Hansen wegen des Entwurfes für die Deckengestaltung auseinandersetzen. Am 07. Dezember 1874 wurde Feuerbach mit der Ausführung des Titanensturzes beauftragt.

Feuerbach musste 1876 seine Anstellung an der Akademie aufgrund einer Lungenentzündung aufgeben. Von 1878 bis zu seinem Tod 1880 pendelte Feuerbach zwischen Venedig, wo er den Titanensturz fertig stellte, und Nürnberg. Am 15. März 1879 schrieb er an das Rektorat der Wiener Akademie, dass er den Titanensturz an das Ministerium schicken wolle, damit er zum 25. Jahrestag der Vermählung des Kaiserpaares da sei. Es wurde ihm aber am 05. Mai 1879 mitgeteilt, dass das Bild erst montiert wird, wenn die restlichen acht Bilder für die Decke vor Ort seien. Erst ein Jahr nach seinem Tod kaufte das Ministerium die fertigen Bilder an.

Für Anselm Feuerbach war Wien von hoher Bedeutung als „endgültige Niederlassung“. Wien schien für ihn nach dem Deutsch-Französischen Krieg und durch die Gründung des Deutschen Reiches zum kulturellen Mittelpunkt geworden zu sein. Zudem vollzogen sich in Wien beachtliche städtebauliche Entwicklungen, für die insbesondere die Weltausstellung 1873 von Bedeutung war. Im Mai 1873 trat Anselm Feuerbach seine Professur für Historienmalerei an der Wiener Akademie der bildenden Künste an.

Hans Makart, welcher auch als Historienmaler nach Wien berufen wurde, erregte Feuerbach wegen seiner Malweise, welche Hermann Boch als „fröhliche Apokalypse“ bezeichnet. Anselm Feuerbach wollte wenig Reibungsfläche für ein vernichtendes Kunsturteil bieten. Aber dies erschien aufgrund seines Rufes als „an römischer Form geschulten Klassizisten“ schwer. Sein Stil stellte eine Historienmalerei dar, welche „einfach“ und „poetisch“ war. Es stand somit ein feuerbachscher „Neoklassizismus“ einem makartschen „Neobarock“ im Kulturzentrum Wien gegenüber. Beide waren zwar nach Wien berufene Historienmaler, aber keine Geschichtsmaler: Makart betonte „das Rauschhafte, das Unterbewußte und die große Daseinslust“. Dagegen hebt Feuerbach „Maß und Ordnung, die Welt des Scheins der Schönheit und die Sehnsucht nach Erkenntnis“ hervor.

Der dargestellte Himmel ist finster, wolkig und teilweise stürmisch. Nur im oberen Bildbereich erstrahlt die Sonne und beleuchtet die Szenerie. Zwei Bereiche sind dadurch besonders fokussiert: Die stürzenden Titanen und das klagende Weib in der Mitte. Zudem herrscht im gesamten Bild eine starke Spannung und Dynamik, welche durch die zyklische Erzählstruktur und die vielschichtigen Handlungen erzeugt wird: Die Erzählung des Sturzes der Titanen erstreckt sich aus der Bildmitte entlang an der rechten Bildhälfte nach oben, dann verläuft sie am linken Bildrand nach unten und endet in der rechten Bildhälfte.

Drei Titanenweiber im mittleren Bildbereich sind entsetzt über das hereinbrechende Verhängnis. Die linke Titanide wendet den Blick nach oben auf die Titanen mit einer von Angst erfüllten Mimik. Ihre gefalteten Hände verweisen nach links auf Poseidon. Dieser steht mit seinem Dreizack regungslos im linken Bildbereich auf dem Festland. Er ist in von der Handlung abgewandter Körperhaltung und mit Blick nach oben dargestellt. Die sitzende Frau in der Mitte presst ihr Kind so fest an ihren Körper, dass ihre Brust dadurch entblößt wird. Ihre Haltung ist leicht geduckt und ihr Blick wendet sich den stürzenden Titanen zu. Das gestützt sitzende Titanenweib rechts von ihr streckt ihre linke Hand in Richtung des Titanen in der finsteren Mitte. Alle drei weiblichen Figuren lenken den Blick des Bildbetrachters in die obere Bildhälfte.

Im oberen Bildbereich lenkt Zeus eine Quadriga, wobei er Blitze hinab schleudert. Er befindet sich im Olymp, der durch ein Wolkenband nach unten abgegrenzt ist. Der Göttervater wird von dem Sonnengott Apollon und der wehrhaften Pallas Athena, erkennbar durch Helm und Schild, begleitet. Ihr Blick ist auf Zeus gerichtet. Sie sind bestrebt, die Herrschaft der Titanen zu beenden. Ein Teil der Titanen stürzt aus der Höhe, vom Zorn des Zeus getroffen, rücklings herab. Der sie umhüllende Stoff löst sich von ihren Leibern und entblößt sie. So fallen sie, teilweise oder ganz nackt, mit zum Boden gewendetem Blick. Andere versuchen sich dem berstenden Felsen des Olymp entgegenzustemmen. Aber ihre Haltung senkt sich unter dem Gewicht. So zeigt sich der Titan in der Mitte, der sich fast vollständig im Schatten befindet, in einer stark gebeugten Haltung, die dem Gewicht des Felsens zu erliegen scheint. Sein Blick richtet sich nach rechts auf seine Mitstreiter, die dem Gewicht des Felsens ebenfalls zu erliegen scheinen. Der eine wendet den Blick zum Boden und beugt das Knie stark, der andere ganz rechts scheint nach hinten weg zu rutschen. Am rechten Bildrand wird ein Titan von Zeus´ Adler hinabgestoßen.

Im linken unteren Bildbereich ist ein dreiköpfiger Hund, der Höllenhund Kerberos, zu erkennen. Daneben kämpft ein Meeresgott in den Tiefen der Fluten gegen die Hydra mit ihren vielen Köpfen. An ihn schmiegt sich eine Frau, und am unteren Bildrand liegt eine tote Titanide auf wertvollem Gewand. Neben ihr, im rechten Bildbereich, erhebt sich Aphrodite mit einem Gefolge von fliegenden Putti, bei denen es sich um kleinen Kindern ähnliche Wesen mit Flügeln handelt. Sie befindet sich auf einem von Delphinen gezogenen, mit Rosen beladenen Muschelwagen, der dem kämpfenden Meeresgott entgegenfährt. Aphrodite ist dem Kampf im oberen Bildgeschehen zugewandt und schwenkt die Siegespalme. Direkt über ihr ist die Siegesgöttin mit Lorbeerkranz, Flügeln und Posaune blasend dargestellt. Sie verkündet, unterstützt durch eine herbeifliegende Taube, den Sieg der olympischen Götter über die Titanen.

Feuerbach bereitete das Ovalbild durch mehrere Entwürfe vor, um die zu erblickende dramatische Verdichtung zu erzielen. Als seine Leitbilder bei der Gestaltung dieses klassischen antiken Stoffes sind vor allem Michelangelo, die großen Venezianer des 16. Jahrhunderts, Rubens und Delacroix zu nennen. Besonders legte er aber auf Veronese Wert, was sich im Deckenbild widerspiegelt: Beweglichkeit und Anmut der Gestalten, die natürliche Farbgebung und die Kenntnis des menschlichen Organismus. Anselm Feuerbach verbindet in seinem Stil römische, venezianische und romantisch deutsche Elemente.

Theophil Hansen wollte eine kleinteilige Deckengestaltung. Feuerbach zielte aber auf ein deckenfüllendes Gemälde. Die Debatte zwischen beiden wird belegt durch Briefe, welche Feuerbach an seine Stiefmutter schrieb. Hierbei zeigt sich, wie wichtig Feuerbach das Hauptbild in der Mitte war. Aber beide sollten sich einigen. So entstand ein Entwurf, „der den Anforderungen Hansens Rechnung trug und in kleinteiligen Bildfeldern der Stu[ck]atur der Deckenrahmung untergeordnete Malereien mythologischer Sujets zeigt.“

Feuerbach zielte auf eine „Aufwertung und Gleichstellung der Malerei“. Er ließ sich von seiner Stiefmutter drei Zeichnungen aus seiner Studienzeit mit venezianischen Zeichnungen zuschicken. Für die Bilder um das Hauptbild schickte Feuerbach seiner Mutter im Oktober 1874 einen Plan mit einer Beschreibung der geplanten Darstellung.

Im Dezember war der erste Entwurf für die Decke der Aula der Akademie der bildenden Künste in der Neuen Münchener Pinakothek gelungen. Die Hauptszene wird von unbewegten Gestalten eingefasst: Oben Eros und Gaia, unten Uranos und Kronos. Der Entwurf unterscheidet sich von dem späteren fertigen Deckenbild.

Bei der Vorlage der Entwürfe von Feuerbach und Hansen beim Ministerium wurde die Idee von Feuerbach bevorzugt. Das Deckenprogramm sieht eine Aufteilung in ein großes Mittelbild und acht kleine Nebenbilder vor. Bei der Umgestaltung zum Oval musste Feuerbach die betonte Vertikale aufgeben, um eine „dekorative Gesamtbewegung des Mittelbildes“ zu schaffen.

Der Gemäldezyklus an der Decke der Aula umfasst außer dem Ovalbild Titanensturz in der Mitte auch noch acht weitere Gemälde. Vier davon wurden 1875 von Feuerbach vollendet: 1. „Gaia“, 2. „Uranos“, 3. „Gefesselter Prometheus“ und 4. „Aphrodite“. Der „Eros“ und „Okeanos“ wurden nach Feuerbachs Entwürfen von seinem Schüler Heinrich Tentschert 1880 angefertigt. Die Gemälde „Prometheus als Herdgründer“ und „Demeter“ stellte Christian Griepenkerl bereit.

1. „Gaia“ und 2. „Uranos“. Die Göttin schwebt in der wolkigen Nacht durch die Dunkelheit. An ihrer Seite ist ein geflügelter Putto dargestellt. Die Figur wird durch einen linearen Bewegungszug zusammengefasst. Diese Bewegung wird durch die Haltung der Arme und die im Wind wehende Draperie hervorgehoben. „Uranos“ zeichnet sich vor dem Hintergrund im Profil ab und wird von zwei Putten umgeben. Sein angewinkeltes Knie und seine Arme lehnen sich über die Wolke, auf der er zu stehen scheint. „Uranos“ und „Gaia“ zeichnen sich durch das frei Schwebende aus, das der „zugleich kern- und tiefenhaften Bildgebung der romantischen Kunst“ entspricht. Sie haben in der dekorativen Gesamtheit der Decke „nur eine bildkünstlerische und keine allegorische Bedeutung“

3. „Gefesselter Prometheus“. Das Oval ist nach dem ersten Plan ausgeführt. Der Held wird in einer starken diagonalen Verkürzung an einem Felsen liegend und festgekettet dargestellt. Er wird von einer Gruppe Okeaniden beweint. Hierbei liegt der weinenden Okeanide mit Nereus eine entsprechende Studie zugrunde. Die liegende Figur im Vordergrund, die ihre gefalteten Hände zu Prometheus wendet, orientiert sich ebenfalls an einer zuvor gefertigten Studie, welche die Okeanide aber weniger bedeckt zeigt.

4. „Aphrodite“. Sie wird von ihrem im Wind wehenden Schleier, auf dem Wasser schwimmend, gezeigt. Zwei Putten mit ernster Miene bringen ihr einen Fisch. Das Bild zeigt dieselbe Dynamik wie Feuerbach sie bereits zuvor in einem Entwurf festgehalten hatte.

5. „Eros“ und 6. „Okeanos“ Die Ausführung von Heinrich Tentschert zeigt einen zum Abschuss entschlossenen Eros. Seine Hand greift nach einem Pfeil aus seinem Köcher. In der Skizze von Feuerbach zeigt sich dieser eher in einer zurückhaltenden Gestik und ohne den Putto. Die Haltung und Draperie stimmt in Skizze und Ausführung überein. Bei der Ausführung des „Okeanos“ verhält sich das ähnlich. Er wird in einer gestreckten Haltung auf tobenden Wellen dargestellt. Die Dramatik, welche Feuerbach in seinem Entwurf nur andeutet, bringt Tentschert in der Ausführung der Wellen auf den Punkt. Zudem fügt Tentschert in der Umsetzung der Skizze einen weiteren Putto in der rechten unteren Bildecke ein, welcher sich vom Geschehen abwendet.

7. „Prometheus als Herdgründer“. Das Oval zeigt Prometheus mit Umhang und Fackel in der Hand. Er präsentiert einer begeisterten Menge das Feuer. Im Hintergrund herrscht Finsternis und man erkennt einige Neugierige, die auch einen Blick auf das Feuer werfen wollen. In einem Entwurf hatte Feuerbach vor seinem Tod die Szenerie angedacht, welche eine größere Verdichtung im Bereich des Mittelfelds vorsah und die äußere Rahmenhandlung ausblendete. Christian Griepenkerl muss diesen Entwurf gekannt haben, weil seine Komposition dieser Abbildung nachempfunden erscheint.

8. „Demeter“. Sie stützt sich in einer halb liegenden Position mit gekreuzten Beinen an ein Gestein. In ihrer rechten Hand hält sie eine Sichel und in ihrer linken Armbeuge eine geflochtene Garbe. Ihr Blick ist ernst und richtet sich aus der Szenerie hinaus. Im Hintergrund tanzen drei Genien mit Kränzen, welche die Jahreszeiten symbolisieren. Das Feld um Demeter erscheint ganz still, während im Hintergrund ein dynamisches Treiben vorherrscht. Griepenkerl orientierte sich bei der Darstellung der Demeter an einer Skizze von Feuerbach, welche eine Frau mit Sichel zeigt.

Wichtig bei allen Gemälden der Zeit ist der Anspruch der Wirkungskraft beim Betrachter, deshalb musste auch für deren Gewährleistung die passende Möglichkeit der Veröffentlichung gefunden werden. Hierzu sah man zum einen Ausstellungen wie die Nationalgalerie (1861 gegründet) vor, die nach französischem Vorbild zunächst ausschließlich für Historienmalereien vorgesehen war. Eine andere Publikationsmöglichkeit war die Nutzung der Außenseiten öffentlicher Gebäude. Die hier entstandenen Historien waren staatlich in Auftrag gegeben und sollten neben der im Vordergrund stehenden Entwicklung des Nationalstolzes auch als Bildungsmittel für das Volk gelten. Peter von Cornelius erhielt auf seinen Vorschlag im Jahr 1826 hin den Zuschlag der Organisation und Gestaltung der Arkaden mit 16 Bildern der Geschichte des Wittelsbacher Hauses seit der Dynastiebegründung durch Otto I. Ob Ernst Försters Gemälde Befreiung des Heeres im Engpass von Chiusa durch Otto von Wittelsbach 1155 oder Karl Stürmers Max Emanuel bei der Eroberung Belgrads 1688, immer stehen zentral als Heldenfiguren in ruhmreicher Pose die jeweilig bedeutenden Personen des Wittelsbacher Hauses. Auch bei dieser Serie von Historienmalereien wurde versucht, durch Kunst zum Landespatriotismus zu motivieren; wenngleich der Zeitgenosse Sulzer bemerkt, dass die Bilder sehrwohl inhaltlich erzieherische Vorteile haben, für die Geschichtsschreibung jedoch keine Konkurrenz sind. Die Gründe im Bereich der Bildgestaltung und Motivauswahl sind wie oben aufgezeigt auf historisch markante Ereignisse und Persönlichkeiten zurückzuführen. Die Akzeptanz beim Betrachter gegenüber diesen Darstellungen basiert auf der Zeitenwende in Europa nach der Phase der Französischen Revolution. Der Begriff Freiheit wurde fortan an den der Nation oder des Staates gebunden und somit die in einem Staat lebende Gemeinschaft dahingehend orientiert. Indem man Mythen und Geschichte vergegenwärtigte, legte man den Einheitsgedanken als oberstes Ziel auf dem Weg zum Wohlbefinden der Nation aus. Mythische und legendenartige Stoffe, wie ein schlafender Barbarossa, der die politische Lage vor der Reichsgründung 1871 als in tiefen Schlaf verklärend darstellt, sollten historische Verweise und Kontinuität zu vormaligen Epochen ermöglichen.

Hermann Wislicenus war ein deutscher Maler. Wislicenus ging 1844 auf die Kunstakademie in Dresden .Nach seiner Rückkehr ließ er sich in Weimar nieder und eröffnete ein großes Atelier. Bis 1868 arbeitete er hier und wurde von Kritikern wie auch von seinem Publikum hoch geschätzt. Im Frühjahr 1868 folgte Wislicenus einem Ruf als Professor an die Akademie in Düsseldorf. Neben seinem Lehrauftrag entstanden auch hier wichtige Arbeiten wie Die vier Jahreszeiten oder Die Lurlei.

Die Wandbilder des Kaisersaals in Goslar sind ein Zyklus von Wandmalereien im Kaisersaal der Kaiswrpfalz in Goslar. Sie folgen einem durchdachten Bildprogramm, das die Geschichte der Pfalz Goslar innerhalb der Kontinuität eines christlichen, deutschen Kaisertums von Karl dem Großen über die römisch-deutschen bis zu Wilhelm I. und dem deutschen Kaiserreich darstellt.

Mit der kleindeutschen Reichsgründung unter Preußens Führung 1871 begann die Suche nach identitätsstiftenden Symbolen für den jungen Nationalstaat und sein Herrscherhaus. Sie verband sich mit den Nachwirkungen der romantischen Mittelalterverehrung. So weckte die Goslarer Kaiserpfalz, die nach jahrhundertelangem Verfall seit 1868 restauriert wurde, reichsweites Interesse. 1875 besuchte sie der Kaiser, und im selben Jahr wurden von der Landdrostei Hildesheim Pläne für die historische Ausmalung des Kaisersaals entwickelt und beim Kunstfonds des preußischen Kultusministeriums eingereicht, der die Finanzierung übernahm.

In dem ausgeschriebenen Wettbewerb waren die Entwürfe von Hermann Wislicenus, Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, siegreich. Seine zugleich sinnlich-konkrete und symbolisch-idealisierende Präsentation der Szenen und sein an den Nazarenern orientierter Stil galten als vorbildlich. Zu Auswahl und Gewichtung der historischen Episoden, insbesondere derjenigen, in denen das Kaisertum unterlegen erschien, gab es jedoch öffentliche Diskussionen Die allgemeine Kunstentwicklung ließ Wislicenus’ Ästhetik schon während der zwei Jahrzehnte seiner Arbeit am Kaisersaal hinter sich.

Der Saal umfasst nahezu das gesamte erste Stockwerk des zweigeschossigen, von Nordnordwest nach Südsüdost gestreckten Pfalzgebäudes. Er ist 47 m lang und 16 m breitund durch Holzpfeiler in ein Mitteljoch mit hölzernem Quertonnengewölbe und je drei Seitenjoche mit flacher Balkendecke gegliedert. Bei der Ausmalung legten sich damit von selbst ein großes Zentralbild an der Westwand des Mitteljochs und mehrere Ebenen von großen und kleinen Erzählbildern an den übrigen westlichen Wandflächen sowie den schmalen Nord- und Südseiten nahe.

Der Bilderzyklus umfasst in symmetrischer Anordnung um das monumentale Hauptbild zehn große Historiengemälde – je zwei an der Süd- und der Nordwand, je drei an Süd- und Nordhälfte der Westwand – sowie, im Wechsel mit den Großbildern der Westwand, acht kleinere Bilder. Unter jedem Großbild sind zwei kleine Grisaillen mit thematisch zugehörigen Szenen angeordnet. Die freien Flächen über und unter den kleineren Bildern sind mit weiteren Szenen im Fayencestil und mit Ornamentwerk ausgefüllt.

Das Zentralbild sollte nach der ursprünglichen Planung die Kaiserprpklamation Wislicenus entschied sich jedoch, gegen anfänglichen Widerstand in der Öffentlichkeit, für eine sinnbildliche Komposition: Wilhelm I. zu Pferde mit einem Ensemble von Personen aus Gegenwart und Geschichte, die sein Kaisertum stützen und überhöhen

Das Gemälde ist als Triptychon nach Art eines Altarretables konzipiert. Die seitlichen Felder sind vom Hauptbild durch gemalte Säulen abgegrenzt, die bekrönende Rundbögen tragen. Auch die Zone darüber bis unter das Gewölbe ist ausgemalt.

Wie der gesamte Saal ist das Zentralbild nach dem Prinzip der Symmetrie gestaltet. Den Mittelpunkt bildet Kaiser Wilhelm, der auf einem Rappen dem Betrachter entgegenreitet. Sein weißbärtiger Kopf mit der Pickelhaube ragt über die anderen Lebenden hinaus in den „himmlischen“ Bereich.Darunter ist eine Nische für die Lehne eines Thronsessels ausgespart, der auf einer – nicht mehr vorhandenen – steinernen Tribüne vor dem Triptychon stand und für zeremonielle Besuche des Kaisers vorgesehen war.

Am Himmel über dem Kaiserporträt sind schattenhaft Personen der Vergangenheit dargestellt. In der Mittelachse über Wilhelm schwebt seine Mutter Königin Luise und hält eine Krone über ihn; sie vertritt zugleich die – nun erfüllte – Hoffnung der Befreiungskrieg. Flankiert wird sie von Kaisern des Heiligen Römischen Reiches, rechts Friedrich Barbarossa, durch Gewandfarbe und -bewegung hervorgehoben, der mit dem Finger auf Wilhelm deutet. Die Symmetrieachse setzt sich über dem Triptychon fort im großen kaiserlichen Wappen, das zwei Victorien mit Lobeerkränzen tragen, umgeben von weiteren Kaisergestalten.

Hinter Kaiser Wilhelm reitet auf einem Braunen sein Sohn, der Thronfolger Friedrich, dessen Kopf, auf Schulterhöhe Wilhelms, ebenfalls die anderen überragt. Beidseitig neben ihnen wehen schwarz-weiß-rote Fahnen.

Im Mittelteil des Triptychons sind außerdem links Otto von Bismarck mit Hammer und Säulenbasis als Baumeister des neuen Reichs und Generalfeldmarshall Helmuth von Moltke abgebildet, rechts zwei junge Frauen als Personifikationen des 1871 annektierten Reichslandes Elsaß-Lothringen mit Modellen der Dome von Straßburg und Metz in Händen sowie Prinz Friedrich Karl, Kaiserneffe und gefeierter Heerführer im Deutsch-Französischen Krieg.

Die Außenflügel des Bildes zeigen links die deutschen Fürsten, von denen Ludwig II. von Bayern als Monarch des nach Preußen größten Landes im Reich Wilhelm symbolisch die Krone reicht, rechts den Kaiserenkel Wilhelm als Knaben neben seiner Mutter Victoria und seiner Großmutter Augsuta, die dem Kaiser mit Palmzweigen huldigen, dahinter weitere Fürsten und Militärs.

Emanuel Gottlieb Leutze war ein deutsch-amerikanischer Historienmaler. Leutze kam 1825 im Kindesalter in die USA und studierte in Philadelphia Maelrei. Im Alter von 25 Jahren kehrte er zum Weiterstudium nach Europa zurück. Sein berühmtestes Gemälde (1851) „Washington überquert den Delaware“ stammt aus dieser Zeit und enthält Eindrücke der Flusslandschaft des Rheins. Die Stadt Meerbusch behauptet, dass es sich bei dem Ufer, das im Hintergrund des Bildes zu sehen ist, nicht um das Ufer des Delaware handelt, sondern um das Rheinufer bei Meerbusch.

1845 kehrte er nach Düsseldorf zurück, wo er im Oktober Juliane Lottner heiratete. Ihr Porträt malte er 1846 (mit Fächer) und 1847 (Die Bernsteinkette, Gattin mit Tochter Ida auf dem Arm). Auch in seiner Zeit in Europa widmete er seine Malerei vor allem Motiven der europäisch-amerikanischen Geschichte, so bereits sein erstes Bild der Düsseldorfer Zeit, Kolumbus vor dem Hohen Rat in Salamanca. Zu diesem Themenbereich gehören weiterhin Werke wie Kolumbus an der Pforte des Klosters La Nahida, Sir Walter Raleigh und Königin Elisabeth auf dem Spaziergang (1845), Torquemada bestimmt König Ferdinand, die Gesandtschaft der Juden abzuweisen (1846), Puritaner, seine Tochter vor einem Madonnenbild überraschend (1847) und Washington bei Monmouth (1852–1854).

1859 siedelte er wieder nach Amerika über, wo er die Sitzungssäle des Kongresses und des Senats im Washingtoner Kapitol mit historischen Wandgemälden schmücken sollte. 1861 schuf er im Rahmen dieses Auftrags das monumentale Wandbild, nachdem er im Jahr zuvor zum Vollmitglied (NA) der National Academy of Design gewählt worden war – seine dortige Ehrenmitgliedschaft (Honorary Member) seit 1843 genügte ihm nicht, er wollte sich wie jedes andere Mitglied zusätzlich einer Jury stellen. Er tat dies mit der Abgabe einer Porträtstudie George Washingtons (George Washington, Study for Washington Crossing the Delaware, c. 1850, 53,3 cm × 43,2 cm, Öl auf Leinwand)

Der Einfluss der Düsseldorfer Malerschule - die Werke zeichneten sich oft durch eine Bezugnahme auf Dichtung aus - auf Leutze zeigt sich auch darin, dass sowohl bei dem Wandgemälde im Washingtoner Kapitol wie bei dem Bild von der Delawareüberquerung ein Bezug zu einem literarischen Text hergestellt wird: Im Kapitol durch eine Verszeile von Georde Berkeley, bei dem Washingtonbild durch Worte aus jener Eloge, die Henry Lee  anlässlich des Todes von George Washington verfasste. Lees Worte befanden sich während des Sezessiosnkrieges an einem pompösen Goldrahmen, der 2012 nach einer Fotografie von 1864 wieder hergestellt wurde. Washington Crossing the Delaware zählt fest zur nationalen Ikonograhoie der USA und wurde entsprechend oft karikiert, in Kunstwerken und Fotomontagen verarbeitet

Washington Crossing the Delaware (dt. Washington überquert den Delaware) ist ein Ölgemälde des deutsch-US-amerikanischen Historienmalers Emanuel Leutze aus dem Jahr 1851. Es zeigt General George Washington Überquerung des Flusses Delaware in der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember 1776. Dieses Ereignis war die erste Truppenbewegung in Form eines Überraschungsangriffs gegen die Hessischen Einheiten in der Schlacht von Trenten, New Jersey.

Das Originalbild war Teil der Sammlung der Kunsthalle Bremen. Es wurde bei britischen Luftangriffen im Jahr 1942 zerstört. Schon zuvor war es am 5. November 1850 bei einem Brand in der Wohnung unter Leutzes Atelier angesengt worden; Leutze hatte das Bild jedoch versichert und konnte es restaurieren.

Leutze hatte eine zweite Version des Gemäldes gemalt, die er im Sommer 1851 fertigstellte. Im September 1851 wurde das Bild im Stuyvesant Institute in New York ausgestellt, wo es begeistert aufgenommen wurde. „Ich zögere nicht, Ihnen zu sagen, Gentlemen, dass ich Washington Crossing the Delaware für eins der größten Werke des Zeitalters halte. Es ist wahrhaft würdig, das größte Ereignis im militärischen Leben des bedeutenden Mannes zu dokumentieren, den die ganze Nation über alles verehrt“, sagte der New Yorker Sammler und bei einem Bankett zu Ehren Leutzes. Zunächst erwarb der New Yorker Schiffsbaumagnat Marshall O. Roberts das Gemälde für 10.000 Dollar.

Das Gemälde ist bekannt für seine kühne Komposition: George Washington hebt sich von einem unnatürlich hellen Nachthimmel ab, während sein Gesicht in die aufgehende Sonne blickt. Der Grundton der Farben ist dunkel, wie es in der Dämmerung zu erwarten ist. Die Männer im Boot repräsentieren Menschen aus den amerikanischen Kolonien Es sind etwa ein Afroamerikaner, ein Mann mit Schottenmütze, ein Gewehrschütze aus dem Westen der Vereinigten Staaten, zwei Farmer, eine androgyne Person in roter Kleidung und ein Mann aus der indigenen Bevölkerung dargestellt.

Anton von Werner wuchs als Sohn eines Tischlers in Frankfurt/Oder auf. Dieser entstammte einer seit dem 16. Jahrhundert in Ostpreußen ansässigen und 1701 nobilierten Beamten- und Offiziersfamilie. Anton von Werners vielseitige musische Anlagen wurden früh gefördert. In den Jahren 1857 bis 1860 absolvierte Werner eine Lehre als Stubenmaler, in der er Techniken der Wand- und Dekorationsmalerei, der Gestaltung von Schriftbildern, Ornamenten und Illustrationen erlernte. So vorgebildet, nahm er 1860 ein Studium an der Berliner Akademie der Künste auf.

Im Jahre 1865 besuchte er Paris, wo ihn die moderne französische Malerei faszinierte. Von März 1867 bis Juli 1868 hielt sich Werner erneut in Paris auf, zunächst als Beauftragter der Süddeutschen Staaten für die Weltausstellung 1867, dann als freischaffender Maler. Auf der Weltausstellung hatte Werner die Gemälde Konradin von Staufen und Friedrich von Baden und Luther vor Cajetan gezeigt, für die er den Preis der Michael Beer-Stiftung der Berliner Akademie der Künste für Historienmalerei erhalten hatte. Der Preis ermöglichte Werner eine Studienreise nach Italien von November 1868 bis Ende November 1869. In Rom fand er Anschluss an die deutsche Künstlerkolonie, zu der der prominente Anselm Feuerbach gehörte, der Werners Figurenmalerei der folgenden Jahre deutlich beeinflusste.

Von Mitte Oktober bis Ende November 1870 erlebte Anton von Werner auf Vermittlung seines großherzoglichen Gönners die Endphase des Krieges im Hauptquartier der III.Armee, die dessen Schwager, der preußische Kronprinz Friedrich Wilheelm, befehligte. Im Januar 1871 ließ ihn Friedrich Wilhelm auffordern, von Karlsruhe ins deutsche Hauptquartier nach Versailles zu reisen, um die dortige Proklamation des Deutschen Kaiserreiches für die Nachwelt festhalten zu können. Die preußischen Offiziere im Hauptquartier sahen ihn als Standesgenossen an und unterstützten seine Arbeit. Werner wurde den Bundesfürsten und den Vertretern der Hansestädte, die er porträtierte, bekannt. Zum Kronprinzen entstand ein nahezu freundschaftliches Verhältnis, das später auch die Familien einbezog. Friedrich Wilhelm stellte persönliche Beziehungen Werners zum Reichskanzler Otto von Bismarck und zum Generalstabschef Helmuth von Moltke her und ebenso zum Kaiser Wilhelm, der Werner fortan als Berater in Kunstfragen bevorzugte. Mit dem Aufenthalt in Versailles begann Werners Aufstieg zu einem der vielbeschäftigsten und einflussreichsten Künstler im Kaiserreich. Im vollen Bewusstsein kommender Erfolge ging er 1871 in die neue Reichshauptstadt Berlin. Am 22. August des gleichen Jahres heiratete er Malvine Schroedter (1847–1901).

Noch im Jahre 1871 schuf Werner eines der fünf Velarien, die beim Einzug der siegreichen Truppen in Berlin die Straße Unter den Linden überspannten. Daraufhin erhielt er den Auftrag zum Wandbild in der Säulenhalle des Siegesdenkmals wo er das Motiv des Velariums abgewandelt unter dem Titel Kampf und Sieg als Karton verwendete. Diese Arbeit begann 1872. Werner schuf hiermit etwas Neuartiges durch „die Nutzung der Malerei für das Stadtbild, indem er die ephemeren Dekorationen für die Siegesfeier von 1871 in die dauerhafte Technik des Glasmosaiks übertrug“. Den Deutsch-Französischen Krieg thematisierten ebenfalls Auftragswerke wie Moltke und der Generalstab vor Paris 1873, für den Schleswig-Holsteinischen Kunstverein, und der „Saarbrücker Rathauszyklus“, der u. a. den Einzug König Wilhelms von Preußen in die von französischer Besatzung befreite Stadt und den General Bruno von Francais beim Sturm auf die Spichener Höhen kurz vor seinem Tod zeigt.

Seine 1871 bezogene Wohnung und, mit erweitertem Bildprogramm, sein 1874 errichtetes Haus, die Villa VI an der Potsdamer Straße, hatte Werner in neuartiger Weise mit Wandmalereien ausgestaltet Die Folge waren im Jahre 1872 Aufträge zur Gestaltung großformatiger Wandbilder für das Haus des Bankiers Jacob Landau in der Wilhelmstraße und das Palais Prinesheim, ebenfalls in der Wilhelmstraße. Werner entwarf hier mit dem aufstrebenden Architektenduo Ebe und Benda die erste polychrome Fassade Berlins und ergänzte sie durch ein Fries von acht Glasmosaiken mit Darstellungen der Lebensalter, die er von Antonio Salviati in Venedig herstellen ließ. Baedekerreife hatten Werners großformatige Wandbilder im Cafe Bauer 1877 zum Thema Römisches Leben und 1882 zu Ein römischer Tag. In der Aufholjagd Berlins gegenüber anderen europäischen Metropolen bedeuteten Werners Neuerungen eine Steigerung des Niveaus der Berliner Baukunst.

Werner gehörte in der neuen Hauptstadt zur Gesellschaft, die nach der Reichsgründung zu Macht und Geld gekommen war. In seinem persönlichen Umgang kannte Werner keine Klassen- oder Religionsunterschiede, ausschlaggebend war für ihn der Erfolg – egal ob als Künstler, Industrieller, Politiker, Bankier oder Zeitungsmann. Sein Haus war ein gesellschaftlicher Treffpunkt. Politisch stand Werner dem nationalliberalen Lager nahe, das in der Errichtung des Kaiserreiches einen Erfolg sah, dessen Bewahrung und Ausbau nationale Aufgabe war. Das galt nach Werners Auffassung auch für die Künstler. Sie waren als verantwortliche gesellschaftliche Kraft zur Zusammenarbeit mit dem Staat verpflichtet, im Dienste einer Ästhetik, die einen Realismus bevorzugte, der erheben oder unterhalten, erzählerische oder didaktische Elemente nicht scheuen, aber niemals schockieren sollte.

Neben privaten Aufträgen wie 1874 das Wandgemälde La Festa für das Treppenhaus der Villa Behrens Hamburg und Martin Luther auf einem Familienfest, wobei die „Familie“ die des Auftraggebers war, wie auch 1879 das Familienportrait Pringsheim in Kostümen der Renaissance, beschäftigten Werner zunehmend Darstellungen zeremonieller Ereignisse des preußischen Hof- und Staatslebens. Das bekannteste Bild war 1877 nach sechsjähriger Arbeit Die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871) für den Weißen Saal des Berliner Schlosses, ein Geschenk der deutschen Fürsten und Hansestädte an den Kaiser aus Anlass seines 80. Geburtstages. Es folgten Wandbilder für die Ruhmeshalle des Zeuhauses in Berlin: 1882 eine verkleinerte Wiederholung der Kaiserproklamation und 1887 Die Krönung Friedrich I. zum König in Preußen in der Schlosskapelle in Königsberg (18. Januar 1701).

Werner wuchs als Künstler in die Rolle eines Hof- und Gesellschaftschronisten hinein. Er malte in einem beinahe fotografisch realistischem Stil ohne tieferen Ausdrucksgehalt. Werner war offenbar von der Sorge getrieben, die Fotografie könnte die Malerei, speziell in dem von ihm bevorzugten Sujet, der Darstellung historischer Ereignisse, verdrängen. Die Stärke der Malerei gegenüber der Fotografie sah Werner in der Möglichkeit, die abzubildenden Ereignisse durch Gewichtung bestimmter Figurengruppen sowie die Überhöhung eines Einzelnen durch freies Erfassen der räumlichen Situation und Führung des Lichts würdevoll zu inszenieren.

Um die Teilnehmer an den von ihm protokollierten Ereignissen genau wiederzugeben, fertigte Werner von ihnen detaillierte Porträts und Bewegungs- und Kleidungsstudien in Skizzen, Zeichnungen und Ölbildern an. Da zu den Anlässen Feierlichkeiten des europäischen Hochadels, der Berliner Kongress, die Reichstagseröffnung von 1888 und kommunale und private Ereignisse Berlins gehörten, hinterließ Werner die Bildnisse hunderter seiner Zeitgenossen des In- und Auslandes.

Seit den späten achtziger Jahren entstanden als Auftragswerke zahlreiche Porträts von Fürsten, Militärs, Diplomaten, Politikern und Kunstschaffenden, darunter mehrere bekannte Bismarckporträts, von denen sich jenes von 1888, Bismarck am Bundesratstisch, im Berliner Reichstagsgebäude im Besitz der Bundesrepublik Deutschland befindet. Aufträge zur Schilderung historischer Ereignisse realisierte er mit Abneigung, weil er die Dargestellten nicht selbst porträtieren konnte. Seine im Krieg geschaffenen Skizzen verwandte er noch Jahre später für seine Genremalerei: 1886 entstand Kriegsgefangen und 1894 Im Etappenquartier vor Paris – beides friedenssehnsüchtliche Szenen aus dem Soldatenleben, die in Reproduktionen große Verbreitung fanden.

Schon 1874 wählte die Preußische Akademie der Künste Werner zum ordentlichen Mitglied. Ihre Abteilung für die bildenden Künste, die sich durch Zuwahl und Ernennungen ergänzte und deren Mitglieder ihren Vorsitzenden und den Senat der Künste wählten, war die einflussreichste Institution im preußischen Kunstleben mit seiner großen Ausstrahlung auf ganz Deutschland. Wichtigste Aufgabe des Senats war die Mitwirkung in der Landeskunstkommission der Regierung, wie bei den Ausschreibungen von Wettbewerben für staatliche Bau- und Denkmalaufgaben, der Ausrichtung der jährlichen Kunstausstellungen, den Ankäufen für Museen und bei der Vergabe von staatlichen Aufträgen, Preisen und Stipendien und der Berufung in staatliche Lehrämter.

Im Jahr darauf trat Werner sein Amt an, das er vierzig Jahre bis zu seinem Tode innehaben sollte. Dass Werner sich nicht als Hofmaler sah und Wert auf Unabhängigkeit legte, hatte er bei seiner Einstellung als Direktor der Kunstakademie durch den Verzicht auf die damit verbundene Lebensstellung unterstrichen.

Werner erarbeitete 1882 ein Statut der Hochschule, worin das dreijährige Studium geregelt wurde. Er selbst unterrichtete in den Sparten Komposition und Zeichnen nach der Natur. Besonders talentierten Studenten ermöglichte er durch die Einführung von Meisterateliers, sich noch im Studium zu vervollkommnen. Er schrieb im Statut fest, keine Schülerinnen aufzunehmen. Bereits im ersten Jahr seiner Amtsführung verdoppelte sich die Zahl der Studenten auf 138 und stieg bis zur Jahrhundertwende auf beinahe dreihundert an.

In den 1880er Jahren sah sich Werner auf dem Höhepunkt seines Schaffens und seiner gesellschaftlichen Stellung. Dies brachte er 1885 in seinem Selbstportrait im Atelier zum Ausdruck. Zum Hintergrund wählte er die beiden Ölbilder Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (Friedrichsruher Fassung) und die Farbskizze zur Krönung Friedrichs I., beides Aufträge der königlichen Familie und des preußischen Staates, an denen er in diesem Jahr arbeitete. Der Kunstkritiker Ludwig Pietsch schrieb, dass aus Werners Augen und Minen die Klarheit, Entschiedenheit und Entschlossenheit des Willens, mit einem Wort die „Schneidigkeit“ spricht, welche sich in seinen Kunstschöpfungen, wie in all seinem Tun und Handeln, in seiner ganzen Lebensführung offenbart ...

Im Jahre 1887 hatte der private Verein Berliner Künstler Werner zum Vorsitzenden gewählt. Die Wahl fand jährlich statt. Werner behielt das Amt bis 1895 und hatte es von 1899 bis 1901 und zuletzt von 1906 bis 1907 inne. Er war damit zugleich Vorsitzender der Berliner Sektion der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft. In diesen Funktionen arbeitete Werner im Sinne seiner Auffassung von der gesellschaftlichen Funktion der Künstler an Versicherungs- und Versorgungsplänen für die Mitglieder. Die Bedeutung des Vereins für das Einkommen der Künstler steigerte Werner, indem er dessen Ausstellungs- und Verkaufsprogramm modernisierte und den Bau eines neuen Galeriegebäudes durch die Regierung an zentraler Stelle in der Bellevuestraße durchsetzte. In offiziellen Kommissionen und Ausschüssen wuchs die Präsenz des Vereins auf Kosten der Akademie, dem Werkzeug der absolutistischen Regierung. Weithin Aufsehen erregten die von Werner als Vereinsvorsitzenden organisierten Künstlerfeste, von denen das von 1886 aus Anlass der Präsentation des Pergamonaltars mit 1300 antik gewandeten Berliner Künstlern konservative Sittenwächter auf den Plan rief.

Werner handelte bewusst als Standesvertreter der Berliner und deutschen Künstler, was angesichts seiner starren Kunstauffassung jedoch die Einheit des Vereins gefährdete. Zu einem ersten Konflikt im Verein kam es 1892 durch die von namhaften Künstlern wie Max Liebermann unterstützte Gründung der Elf, einer modern orientierten Künstlergruppe, die neben dem jährlich vom Verein und der Akademie veranstaltetem Salon gesondert ausstellte. Als im November 1892 der Künstlerverein dem vorexpressionistischen Maler Edvard Munch eine Ausstellung ermöglichte, provozierte dies sofort heftige Kritik der Mitglieder. Auf ihrer eilig einberufenen Generalversammlung stimmte eine knappe Mehrheit für die Schließung der Ausstellung und die Absetzung der Ausstellungskommission, worauf ein Teil der Minderheit spontan die Freie Künstlervereinigung gründete. Werner hatte sich als Vorsitzender nicht an der Abstimmung beteiligt, benutzte aber den der Durchsetzung des Beschlusses folgenden Konflikt zur Entfernung seiner Gegner.

Während seiner zweiten Amtszeit als Vorsitzender der Abteilung für die bildenden Künste der Akademie der Künste von 1902 bis 1906 fungierte Werner 1904 als „Berater“ der Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft bei der Gestaltung der deutschen Kunstabteilung in der Weltausstellung in St. Louis. Dies war die Lösung eines reichsweiten Konfliktes um das alleinige Recht der Kunstgenossenschaft bei der Auswahl der auszustellenden Bilder. Er führte zur Gründung des Deutschen Künstlerbund und damit zur organisatorischen Spaltung der deutschen Künstlerschaft. Im Februar 1904 errangen die Gegner der Politik der Reichsregierung bei der Auswahl der Bilder für St. Louis in einer Reichstagsdebatte einen moralischen Sieg über Werner und den hinter ihm stehenden Kaiser Wilhelm II.

In allen diesen Kämpfen konnte sich Werner auf die Unterstützung des Kaisers verlassen, der ihm, seit er ihn in Kindestagen im Zeichnen unterrichtet hatte, persönlich bekannt war und der ähnliche Ansichten wie er zur modernen Kunst vertrat und dabei vehemente Eingriffe ins Kunstleben nicht scheute. Zugleich stand hinter Werner die Masse der organisierten deutschen Künstler, die in ihm den Garanten ihres geregelten Einkommens und ihrer gesellschaftlichen Anerkennung sahen und deren Werke zugleich dem breiten Publikumsgeschmack entsprachen.

Werners streng konservative Kunstauffassung traf seit seiner Parteinahme gegen die moderne Kunst in den 1890er Jahren zunehmend auf öffentliche Kritik. Für Corneluis Gurlitt war Werner 1899 ein „geschickter Berichterstatter“, dessen Bilder keine „eigentlichen Kunstwerke“ seien. Zum fortschreitenden Ansehensverlust Werners trug bei, dass er trotz öffentlicher Kritik am Zulassungsverbot für Frauen festhielt. Als 1913 die Akademie Werner anlässlich seines 70. Geburtstages mit einer Retrospektive ehren wollte, lehnte er dies ab, weil die Reichsregierung in der Befürchtung, die Präsentation seiner Bilder zum Deutsch-Französischen Krieg könnte in Frankreich als Provokation verstanden werden, ihm das Ausstellungsprogramm vorschreiben wollte. Werners gesellschaftlicher Rückhalt nahm ab, nur die chauvinistische Presse unterstützte ihn. In Karikaturen erschien Werner als Witzfigur und auch die angesehene Kunstkritik benannte distanziert seine „trockene, künstlerisch nichtssagende und unbefriedigende, wenn auch bis ins einzelste genaue Wirklichkeitswiedergabe“ Werners Beiträge für den Berliner Dom wurden als „Berliner Frömmelei und heiliges Augenverdrehen“ kritisiert.

Das von Werner repräsentierte Kunstschaffen der wilhelminischen Ära fiel nach der Novemberrevolution in der deutschen Kunstkritik einhelliger und radikaler Ablehnung zum Opfer. Die nationalsozialistische Kunstbetrachtung wertete die offizielle Kunst des Kaiserreiches trotz ihrer figürlich-gegenständlichen Formensprache als Verfallserscheinungen und ignorierte Werner wegen seiner Verbundenheit mit der Monarchie und dem – auch jüdischen – Großbürgertum.

Nach Ansicht der DDR-Kunstgeschichte verherrlichte Werner die chauvinistische Reichsvereinigungspolitik und die reaktionäre Reichspolitik in akademisch-pseudorealistischer Manier. Was unbestritten von Werner blieb, sind „gemalte Berichte von nicht zu unterschätzendem dokumentarischem Wert“, wie die immer noch weithin bekannte Kaiserproklamation, wobei deren in den verschiedenen Fassungen sich verändernden inhaltlichen Botschaften inzwischen vergessen sind

Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches (18. Januar 1871) ist der Titel mehrerer Historienbilder.Anton von Werner war am 18. Januar 1871 bei der Ausrufung des deutschen Kaiserreichs in seiner Eigenschaft als Maler anwesend. In den folgenden Jahren schuf er in größeren Zeitabständen mehrere Fassungen der Kaiserproklamation, von denen in Berlin zwei an herausgehobenen Stellen gezeigt wurden. Nur eine dritte Fassung blieb an von Bismarcks letztem Wohnsitz Friedensruh erhalten und ist heute öffentlich zugänglich. Sie ist das am meisten reproduzierte Bild zur Kaiserproklamation.

Da die drei Fassungen starke Unterschiede aufweisen, haben die Bilder großen dokumentarischen und geschichtsdidaktischen Wert. Von Werner passte sie offenbar den Wünschen seiner jeweiligen Auftraggeber an. Die Kleidung Bismarcks in der ersten Fassung stimmt mit den beiden anderen Versionen nicht überein. Bismarck ist in der zweiten und dritten Fassung mit seiner weißen Paradeuniform dargestellt, die ihn in den Fokus des Betrachters rückt. Tatsächlich trug er in Versailles jedoch einen blauen Waffenrock. Außerdem trägt er zur weißen Paradeuniform den Orden Pour le Merite, den er jedoch erst 1884 verliehen bekam. Auch Kriegsminister Albrecht von Roon, der nicht an der Proklamation in Versailles teilnahm, wurde in die dritte Fassung eingebaut. In der ersten, zweiten und dritten Fassung ruft der Großherzog von Baden sein Hoch auf den neuen Kaiser aus. Durch die Perspektive wird der Anschein erweckt, dass die Kaiserproklamation vor allem ein Werk der Fürsten und des Militärs sei.

Für Werner begann mit der Arbeit am Bild der Aufstieg zu einem der meistbeschäftigten und einflussreichsten deutschen Künstler.

Werner hatte 1870 auf Vermittlung seines großherzoglichen Gönners Friedrich von Baden die Endphase des Deutsch-Französischen Krieges unter dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm erlebt. Dass es sich dabei um die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches handeln würde, erfuhr Werner erst unmittelbar zuvor am 18. Januar. Den Kronprinzen hatte die Gestaltung des Schlosses Versailles beeindruckt, das sich seinen Besuchern durch Ausstattung mit Historiengemälden als nationale Ruhmesstätte Frankreichs darbot. Er wünschte sich etwas Vergleichbares für Berlin, war allerdings anders als Napoleon nicht auf die Idee gekommen, die bevorstehende Zeremonie durch den Maler für die Nachwelt gestalten zu lassen. Napoleon hatte Jacques Louis David erlaubt, die Ausstattung und das Auftreten der Beteiligten an seiner Kaiserkrönung für ein Historiengemälde regelrecht zu inszenieren.

Die preußische Zeremonie im Spiegelsaal von Versailles war kurz und einfach. In der langgestreckten Galerie standen auf der Fensterseite geordnet einfache preußische und bayrische Soldaten, auf der Spiegelseite drängten sich ihre Offiziere, vermischt mit einigen aus anderen süddeutschen Armeen. Der König durchschritt, begleitet von deutschen Bundesfürsten und seinem Gefolge, das Spalier bis zur Mitte, wo ein Feldaltar aufgebaut war. Dort zelebrierte ein Potsdamer Militärgeistlicher einen Gottesdienst, den das Absingen des Chorals Nun danket alle Gott beschloss. Dann ging die Gruppe zu einem flachen Podest am Ende der Galerie, wo sich die Fürsten mit Wilhelm in der Mitte aufstellten. Bismarck, der unten stand und von Heerführern umgeben war, verlas die Kaiserproklamation. Daraufhin brachte der Großherzog von Baden ein „Hoch“ auf „seine Majestät Kaiser Wilhelm“ aus, das die Anwesenden dreimal wiederholten. Die Zeremonie war beendet, während sich die Hochrufe unter den im Palast und im Park aufgestellten Truppen fortsetzten.

Während des Gottesdienstes konnte Werner die Hauptpersonen aus unmittelbarer Nähe schnellzeichnen. Später porträtierte er die Bundesfürsten, die Vertreter der Hansestädte und zahlreiche Offiziere. Während der Arbeit entstand ein nahezu freundschaftliches Verhältnis zum Kronprinzen, der persönliche Beziehungen Werners zum Reichskanzler Bismarck und ebenso zu Kaiser Wilhelm herstellte.

Werner hatte das Problem, das Spalier, das die Soldaten mit den Offizieren zur Empore bildeten, und die darauf um den Kaiser gruppierten Fürsten darzustellen. Das nebenstehende Ölgemälde von Victor Bachereau-Reverchon (1842–1885) zeigt den verhältnismäßig schmalen Raum, von dessen Ende die flache Empore für den Kaiser bereits entfernt ist. Wichtig war ferner, auf dem Bild die Deckengemälde unterzubringen, die Ludwig XIV als Eroberer deutscher Länder und Städte verherrlichen. Noch im Januar 1871 entstanden ein konzeptioneller Entwurf und später ein Modello, das die Zustimmung des Kronprinzen fand.

Das Bild war ein Auftragswerk für das Berliner Stadtschloss. Werner bestimmte das Bildformat entsprechend einem von ihm ausgewählten Ort im „Weißen Saal“, dem größten des Schlosses, der für öffentliche Ereignisse wie Reichstagseröffnungen und große Hoffeste genutzt wurde. Seine Besichtigung war der End- und Höhepunkt der geführten Rundgänge durch die Repräsentationsräume des Schlosses, an denen täglich mehrere Hundert zahlende Besucher teilnahmen.. Als Wilhelm II. 1892 die Neugestaltung des Saales verfügtekam das Bild in das nur 9,5 × 9,7 Meter große Kompartiment am westlichen Ende der Bildergalerie, wodurch es an Wirkung einbüßte.