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Ausbreitung des Kolonialismus in Afrika

Die Ausbreitung des Kolonialismus ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Afrika - vorwiegend durch die Europäer - führte dort zu einem grundlegenden Strukturwandel politischer und wirtschaftlicher Systeme mit tief greifenden Auswirkungen. Vor allem Missionare, Forscher und Abenteurer trieben die Kolonialisierung voran.

Die europäischen Entdeckungsfahrten des 16. und frühen 17. Jahrhundert, hatten dazu geführt, dass sich auch die politischen Horizonte und Ambitionen der europäischen Herrscher erweiterten. In den ausbrechenden Rivalitäts- und Konkurrenzkämpfen der europäischen Mächte um die neuentdeckten Territorien spielten dabei die Schifffahrt, der Seehandel, der Besitz von Kriegsflotten und von Kolonien eine entscheidende Rolle.

In Gegensatz zu anderen Ländern wie England, Frankreich oder Portugal begann in Deutschland erst relativ spät das imperialistische Handeln. Entscheidende Punkte für das Desinteresse staatlicherseits an Kolonien war die Begrenzung des deutschen politischen Denkens zu der Zeit auf die Belange in Deutschland und Europa und das Fehlen einer deutschen Seemacht, die für den Erwerb überseeischer Kolonien erst den machtpolitischen Rückhalt bieten konnte. Mit dem Aufbau der österreichischen Flotte und der preußischen Flotte ab 1848 wurden solche Machtmittel geschaffen und damit die Voraussetzungen für eine imperialistische Politik.

Im Jahre 1868 hatte Bismarck seine Ablehnung jeglichen Kolonialerwerbs noch deutlich gemacht. Nach der Reichsgründung von 1871 behielt er zunächst diese Meinung bei. Im Laufe der 1870er Jahre gewann die Kolonialpropaganda in Deutschland allerdings zunehmend an Öffentlichkeitswirksamkeit. Unter dem zunehmenden Druck änderte er 1884 seine Meinung und forcierte die deutsche Kolonisierung der Welt. Die Kolonialfrage bot sich für Bismarck auch als Mittel zur Festigung der eigenen Machtbasis an. Im Vorfeld der Reichstagswahlen vom Herbst 1884 stärkte Bismarck mit Kolonialparolen die nationalliberalen und konservativen Kräfte zu Lasten der bürgerlichen Linken und der Sozialdemokratie. Mit der Aussicht auf lukrative Geschäfte in den Kolonien wurde die wirtschaftsliberale Fraktion geködert, Besitzungen außerhalb Deutschlands wurden als neue Marktstrategie erfolgreich verkauft.

Mit dem Krimkrieg (1853-1856) endete das auf der Solidarität der Monarchen beruhende Ordnungssystem des Wiener Kongresses. Von nun an wurden Nationalismus und Imperialismus zu den alles bestimmenden außenpolitischen Prinzipien des europäischen Staates. In den 1880er Jahren des 19. Jh. wandelte sich der Charakter der europäischen Mächtebeziehungen vom „Fieberwahn des Imperialismus“ ergriffen grundlegend.

An die Stelle der traditionellen Machtpolitik trat nunmehr bei allen Großmächten das letztlich rational nicht mehr festzumachende Verlangen nach Kolonien und Absatzmärkten als Statussymbolen einer Teilnahme an der Weltherrschaft.

Mit Anfang der 1880er Jahre beschleunigte sich die koloniale Ausdehnung der europäischen Großmächte, die zu einer Verschärfung der internationalen Gegensätze führte. Für die Expansionspolitik des Imperialismus, die sich entweder direkt durch Gebietserweiterungen im außereuropäischen Raum oder indirekt durch starken wirtschaftlichen Einfluss äußerte, existieren folgende Gründe:

Im Imperialismus übersteigerte sich das Nationale als gesellschaftliche Integrationskraft zum kollektiven Gefühl der eigenen kulturellen Überlegenheit über die sogenannte Primitivität anderer Völker oder Staaten. Der nun beginnende Wettlauf um die Verteilung der noch nicht kolonialisierten Gebiete der Erde (vor allem in Afrika, Asien, Ozeanien) bzw. um die Sicherung des wirtschaftlichen Einflusses (insbesondere in China, Persien und der Türkei) brachte bis zum 1. Weltkrieg 84% der bewohnten Erdoberfläche in die Gewalt der europäischen Staaten, der USA und Japans.

Während in der ersten Hälfte des 19 Jh. gegenüber dem 18. eher eine Tendenz der Abwendung von kolonialer Politik festzustellen war, begann seit Anfang der 80er Jahre des 19. Jh. ein regelrechtes Wettrennen um die noch nicht in kolonialer Abhängigkeit gebrachten Gebiete in Übersee.

Der Imperialismus unterschied sich vom traditionellen Kolonialismus in erster Linie durch das Ausmaß an staatlichem und gesellschaftlichem Engagement. Während zuvor die europäischen Regierungen nur zögernd koloniale Erwerbungen durch einzelne Personen bzw. Handelsgesellschaften im Nachhinein akzeptiert hatte, so warfen die europäischen Staaten Ende des 19 Jahrhunderts nunmehr ihr gesamtes nationales Ansehen für den zielbewussten Erwerb außereuropäischer Einflusssphären in die Waagschale. Dem planmäßigen Einsatz politischer und militärischer Mittel bei der Eroberung folgte die systematische Durchdringung der in Besitz genommenen Gebiete durch die eigene Kapital- und Wirtschaftskraft.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts beschränkte sich die europäische Fremdherrschaft über afrikanische Landstriche in der Regel auf einige Handelsniederlassungen und befestigte Stützpunkte an der Küste sowie deren unmittelbares Hinterland. Ausnahmen von dieser Regel waren die Versuche der Portugiesen, sich bereits im 16. Jahrhundert entlang des Sambesi tiefer im heutigen Moçambique zu etablieren. Hinzu kamen die Vorstöße der Siedler der Kapkolonie, die Mitte des 18. Jahrhunderts in einem großen Treck die Siedlungsgrenze etwa 800 Kilometer nach Nordosten verlegten. Bereits lange vor den Europäern hatten arabische Händler ausgehend von Sansibar schon weit innerhalb Ostafrikas Handelsniederlassungen errichtet, die vor allem dem Sklaven- und Elfenbeinhandel dienten.

Die völlige Durchdringung des afrikanischen Kontinents durch die Europäer wurde weniger von Händlern und Politikern als vielmehr von Forschern, Abenteurern und Missionaren vorangetrieben. Geprägt von den Ideen der Aufklärung entwickelte sich ein Wettlauf zwischen den Entdeckern, um die letzten weißen Flecken auf der afrikanischen Landkarte zu tilgen. Es wurde als große Herausforderung empfunden, daß gerade jener fremde Kontinent am wenigsten erforscht war, der "vor der Haustür" Europas lag. Im Mittelpunkt des Forscherinteresses lag die Entdeckung der Quellgebiete der großen Flüsse Afrikas, des Niger, des Kongo und des Nil. Insbesondere der Wettlauf um die Entdeckung der Nilquellen nahm schon fast absurde Formen an – nicht zuletzt deshalb, weil damit die Hoffnung verbunden war, die sagenumwobenen Goldvorkommen der Königin von Saba zu finden.

Gefördert wurde dieser Wettlauf unter anderem von der britischen Royal Geographic Society, von Handelsunternehmen und europäischen Zeitungen. Die Ideen der Aufklärung hatten aber auch indirekt dem Missionsgedanken neuen Aufschwung gegeben. Während lange Zeit die schwarze Bevölkerung Afrikas vornehmlich als "gottlose Wilde" betrachtet wurden, die deshalb nicht in den Genuss der christlichen Heilsbotschaft kommen könnten, hatte die Aufklärung das Bild des "Wilden" verändert und zumindest seine Menschlichkeit als unzweifelhaft definiert. Damit stand für die europäischen Kirchen die Verpflichtung außer Frage, ihre Missionstätigkeit auf den afrikanischen Kontinent auszudehnen.

Im Gefolge der Missionare und Entdecker drangen auch zahlreiche Händler in bis dahin unbekannte Gebiete vor und versuchten, mit den Herrschern vor Ort Handelsabkommen zu schließen, die ihnen wirtschaftliche Monopol- oder zumindest Vorrechte garantierten. Je stärker sich der Wettbewerb zwischen den einzelnen Händlern intensivierte, desto mehr versuchten sie, ihre Heimatstaaten in Schutzabkommen einzubinden.

Damit ist bereits ein Grund genannt, warum europäische Mächte zu Kolonialmächten in Afrika wurden: In der Frühphase des Kolonialismus konnten sie sich zum Teil der Dynamik nicht entziehen, die der Missionsgeist der Kirchen, die Handelsinteressen der Unternehmer und die Entdeckungen der Forscher entfalteten. Die Bereitschaft europäischer Regierungen, sich auf die von einflussreichen Bevölkerungsgruppen geforderte Rolle einer Schutzmacht in afrikanischen Territorien einzulassen, wurde durch mehrere Faktoren erleichtert. Erstens ist die Kooperationswilligkeit ihrer afrikanischen Vertragspartner zu nennen: Sie hatten ein Interesse an der Aufrechterhaltung von Handelsbeziehungen, versuchten externe Schutzmächte als Trümpfe in internen Auseinandersetzungen oder Konflikten mit Nachbarn oder Konkurrenten auszuspielen, oder sie betrachteten derartige Verträge allein als Stück Papier, das ihnen Unannehmlichkeiten mit den europäischen Mächten ersparte, ohne große Folgen für die internen Machtstrukturen zu haben. Zweitens haben sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die Kosten der europäischen Staaten für eine Inbesitznahme afrikanischen Landes verringert – zum einen durch militär-technologische Fortschritte, die sie in der Kriegsführung den Afrikanern weit überlegen machten, zum anderen durch medizinische Fortschritte bei der Bekämpfung tropischer Krankheiten.

Es ist jedoch keineswegs so, dass Großbritannien, Frankreich, Portugal, Deutschland, Belgien und Spanien nur deshalb Kolonialmächte in Afrika wurden, weil der Aufwand niedrig gewesen ist. Es gab durchaus volkswirtschaftliche Erwägungen wie die Aufrechterhaltung von Handelsfreiheit in Afrika oder globale strategische Überlegungen wie die Sicherheit der Seeroute von Europa nach Indien, die den Erwerb von Kolonien begünstigten. Wichtiger war jedoch die national aufgeheizte Stimmung in den meisten Ländern Europas, die es Offizieren, Kaufleuten, Industriellen, Missionaren und Forschern ermöglichte, Druck auf ihre Regierungen auszuüben.

In Deutschland organisierten sich diese Personengruppen im Kolonialverein. Ihre Forderungen nach wirtschaftlicher Autarkie, Zugang zu Rohstoffen, Öffnung von Märkten, Schutz von Handelsrouten, Ausübung kultureller Hegemonie und das Empfinden, sich im Konkurrenzkampf mit anderen europäischen Mächten zu befinden, wurden von weiten Teilen der Bevölkerung in Frankreich, Großbritannien und Deutschland geteilt. Der europäische Imperialismus war somit weniger die Folge geopolitischer Überlegungen oder von Problemen der Kapitalverwertung in den frühen Industriestaaten, sondern basierte vor allem auf innenpolitischen Faktoren. Hinzu kamen spezifische Konstellationen vor Ort, die koloniale Expansion begünstigten oder bevorzugten.

Im Gegensatz zu anderen imperialistischen Mächten wie Großbritannien oder Frankreich stieg das Deutsche Reich erst spät in das Wettretten um Absatzmärkte und Großmachtpolitik ein. Die deutsche Kolonialpolitik begann 1884/85, Reichskanzler Bismarck verlieh mehreren afrikanischen Gebieten (Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika, Kamerun, Togo) sowie Deutsch-Neuguinea den Status deutsches „Schutzgebiet“. Innerhalb weniger Jahre wurden diese Gebiete in formelle Kolonien umgewandelt. Das Deutsche Reich entwickelte nach der Ablösung Bismarcks 1890 unter Kaiser Wilhelm II. mit dem „Neuen Kurs“ eine imperialistisch orientierte Politik. Im Jahr 1897 forderte der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow im Reichstag einen deutschen „Platz an der Sonne“. Diese Prämisse eines nationalen Prestigedenkens sollte die deutsche imperialistische Politik bis 1914 prägen.

Die deutsche Kolonialgeschichte spielt im Geschichtsbewusstsein der Deutschen und in der deutschen Geschichtsschreibung nach 1945 eine eher beiläufige Rolle. Die Gründe dafür liegen wohl in dem fehlenden historischen Verantwortungsbewusstsein sowie in der Kurzlebigkeit des deutschen Kolonialreiches (1884-1914). Die deutsche Kolonialvergangenheit gerät vor allem im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika (Namibia) in den Blick, da dort auch noch heute viele deutschstämmige Siedler wohnen. Dort herrscht noch immer die weiße Minderheit, in der Grundbesitzverteilung, der Bevölkerungs- und Sozialstruktur sowie dem Wanderarbeitssystem wird das Erbe der deutschen Kolonialverwaltung sichtbar.

Viele Protagonisten der 1848er Revolution sprachen sich schon damals für Kolonisation aus (liberales Bürgertum, Demokraten). Darunter waren vor allem das liberale Bürgertum und andere so genannte Demokraten zu nennen, die den indigenen Einwohnern jedoch jegliche Rechte absprachen. Die in den 1850er und 1860er Jahren auftretenden Kolonialprojekte blieben ohne größeres Interesse, ohne dass sie an Zahlenmäßigkeit verloren hatten. 1870/71 verlieh der deutsch-französische Krieg deutschen Kolonialplänen neuen Auftrieb; französischer Kolonialbesitz stand als Kriegsentschädigung zur Debatte. Hanseatische Kaufleute forderten die Reichsregierung auf, die Kriegsziele von Frankreich, die Abtretung von Cochinchinas mit der Hauptstadt Saigon zu fordern. Bismarck erteilte diesen Plänen eine Absage, dennoch existierte weiterhin eine Grundstimmung einer Notwendigkeit deutscher ökonomischer Expansion. Im Oktober war in Berlin der „Zentralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interesse im Ausland“ gegründet worden. Der „Westdeutsche Verein für Kolonisation und Export“, ein regionaler Zusammenschluss, zeigte schon in der Namensgebung die Wunschvorstellung und das interessenbedingte Motiv an.

In einer 1879 erschienenen Schrift wurde nicht nur auf die weltpolitische Machtstellung Großbritanniens, sondern auch auf die USA und Russland verwiesen. Außerdem wurden große Zukunftspläne geschmiedet:“Unsere großartigen Erfolge in den Jahren 1870 und 1871, berechtigen sie uns denn nicht, die alte bescheidene, schüchterne und bedientenhafte Rolle endlich einmal gründlich beseite zu legen, uns kühn und stolz unter die drei Bewerber um die künftige Weltherrschaft zu mischen (…)?“

Am 06.12.1882 gründeten Kreise der Schwerindustrie, des Bankkapitals und der Aristokratie in Frankfurt/M. den „Deutschen Kolonialverein“, der die koloniale Bewegung in Organisationsfragen zusammenfassen und Regierung und Reichstag zu einer ihren Vorstellungen entsprechenden radikalkolonialen Politik vorantreiben sollte. Auf Seiten der Wissenschaft kooperierten die Historiker Treitschke, Sybel und Ranke, die Geographen Ratzel und Kirchhoff sowie der Altertumsforscher Schliemann mit dem neu gegründeten Kolonialverein.

Die völlige Durchdringung des afrikanischen Kontinents durch die Europäer wurde weniger von Händlern und Politikern als vielmehr von Forschern, Abenteurern und Missionaren vorangetrieben. Geprägt von den Ideen der Aufklärung entwickelte sich ein Wettlauf zwischen den Entdeckern, um die letzten weißen Flecken auf der afrikanischen Landkarte zu tilgen. Es wurde als große Herausforderung empfunden, daß gerade jener fremde Kontinent am wenigsten erforscht war, der "vor der Haustür" Europas lag. Im Mittelpunkt des Forscherinteresses lag die Entdeckung der Quellgebiete der großen Flüsse Afrikas, des Niger, des Kongo und des Nil. Insbesondere der Wettlauf um die Entdeckung der Nilquellen nahm schon fast absurde Formen an – nicht zuletzt deshalb, weil damit die Hoffnung verbunden war, die sagenumwobenen Goldvorkommen der Königin von Saba zu finden.

Gefördert wurde dieser Wettlauf unter anderem von der britischen Royal Geographic Society, von Handelsunternehmen und europäischen Zeitungen. Die Ideen der Aufklärung hatten aber auch indirekt dem Missionsgedanken neuen Aufschwung gegeben. Während lange Zeit die schwarze Bevölkerung Afrikas vornehmlich als „gottlose Wilde“ betrachtet wurde, die deshalb nicht in den Genuss der christlichen Heilsbotschaft kommen könnten, hatte die bürgerliche Aufklärung das Bild des „Wilden“ verändert und zumindest seine Menschlichkeit und damit seine mögliche „Besserung“ im erzieherischen Sinne als unzweifelhaft definiert. Damit stand für die europäischen Kirchen die „Verpflichtung“ außer Frage, ihre christliche Missionstätigkeit auch auf den afrikanischen Kontinent auszudehnen.

Im Gefolge der Missionare und Entdecker drangen auch zahlreiche Händler in bis dahin unbekannte Gebiete vor und versuchten, mit den Herrschern vor Ort Handelsabkommen zu schließen, die ihnen wirtschaftliche Monopol- oder zumindest Vorrechte garantierten. Je stärker sich der Wettbewerb zwischen den einzelnen Händlern intensivierte, desto mehr versuchten sie, ihre Heimatstaaten in Schutzabkommen einzubinden. Dies führte vor allem in Großbritannien zu verstärktem Interesse an Afrika und seiner Eroberung, da dies auch den wirtschaftlichen Interessen des Staates auf lange Sicht nutzen würde.

Die anschwellende Bevölkerung und der Wunsch nach Auswanderung wurden völkisch interpretiert und unter diesem Vorzeichen nach brauchbaren nationalen Lösungen gesucht. Unter den Vorzeichen einer weltweiten Konkurrenz machte es sehr wohl einen Unterschied, wem die Auswanderung letztlich zugute kam, die sich in Deutschland schubweise vollzog. Es schien angeraten, den deutschen Emigranten Alternativen zu bieten, damit sie sich nicht als „Völkerdünger“ in die Welt zerstreuten. Vielmehr sollten sie nach Möglichkeit ein „Deutschland in Übersee“ gründen oder wenigsten als „Brückenköpfe“ des deutschen Einflusses wirken. Dies setzte voraus, dass die Auswanderer sich auch in ihrer neuen Heimat als Deutsche definierten, was in vielen Fällen der Fall war, aber nicht immer zutraf. Wenn es den Auswanderer gelang, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern, nahmen sie meist die Sitten und Bräuche des Aufnahmelandes immer mehr an und nahmen nicht mehr auf ihre deutsche Vergangenheit Bezug.

Entscheidende Punkte für das Desinteresse staatlicherseits an Kolonien war die Begrenzung des deutschen politischen Denkens zu der Zeit auf die Belange in Deutschland und Europa und das Fehlen einer deutschen Seemacht, die für den Erwerb überseeischer Kolonien erst den machtpolitischen Rückhalt bieten konnte. Mit dem Aufbau der österreichischen Flotte und der preußischen Flotte ab 1848 wurden solche Machtmittel geschaffen. Im Jahre 1868 hatte Bismarck in einem Brief an den preußischen Kriegs- und Marineminister Albrecht von Roon seine Ablehnung jeglichen Kolonialerwerbs noch deutlich gemacht: „Einerseits beruhen die Vorteile, welche man sich von Kolonien für den Handel und die Industrie des Mutterlandes verspricht, zum größten Teil auf Illusionen. Denn die Kosten, welche die Gründung, Unterstützung und namentlich die Behauptung der Kolonien veranlaßt, übersteigen sehr oft den Nutzen, den das Mutterland daraus zieht, ganz abgesehen davon, daß es schwer zu rechtfertigen ist, die ganze Nation zum Vorteil einzelner Handels- und Gewerbezweige zu erheblichen Steuerlasten heranzuziehen. – Andererseits ist unsere Marine noch nicht weit genug entwickelt, um die Aufgabe nachdrücklichen Schutzes in fernen Staaten übernehmen zu können.“

Nach der Reichsgründung von 1871 behielt er zunächst diese Meinung bei. Im Laufe der 1870er Jahre gewann die Kolonialpropaganda in Deutschland allerdings zunehmend an Öffentlichkeitswirksamkeit. 1873 wurde die „Afrikanische Gesellschaft in Deutschland“ gegründet, die ihre Hauptaufgabe in der geographischen Erkundung Afrikas sah. 1882 folgte die Gründung des Deutschen Kolonialvereins, der sich als Interessenverein für die Kolonialpropaganda sah. So sah sich Reichskanzler Bismarck immer mehr unter Druck gesetzt, bis er dann die Entscheidung, dass Deutschland nach Jahren der Abstinenz im Frühsommer 1884 in die Auseinandersetzung mit den anderen europäischen Kolonialmächten um überseeische Territorien eintrat. Die Agitatoren des Kolonialismus bereiteten dieser Entscheidung den Boden, aber erst der Entschluss Bismarcks stellte den „definitiven Umschlagpunkt zum informell indirekten Freihandelsexpansionismus seit den 1860er Jahren zum direkt-formellen Kolonialbesitz dar.“ Bis zu diesem Zeitpunkt im Frühsommer 1884 hatte Bismarck es immer abgelehnt, sich mit der Kolonialfrage überhaupt ernsthaft zu beschäftigen. Die Deutungsversuche für diese Wandlung Bismarcks sind heterogener Natur. Friedrich Meineke und Hermann Onken vertraten die These, dass Bismarck dem öffentlichen Druck nachgeben musste. Auf der anderen Seite waren M.E. Townsend und H.A. Turner der Ansicht, der Reichskanzler habe nur auf eine Möglichkeit der Kolonisationspolitik gewartet. Die Furcht vor einer Benachteiligung am gesamten deutschen Westafrikahandels dürfte der Grund gewesen sein, dass er 1884 den „Reichsschutz“ über deutsche Interessensgebiete in Afrika und in der Südsee zu formalisieren begann.

Daher war es für die europäischen Eliten attraktiv, in Afrika neue Märkte zu erobern sowie der einheimischen Bevölkerung Errungenschaften ihrer Zivilisation zu bringen. Da sich Europa von 1873 bis 1896 in einer langen Depression befand und die europäischen Märkte schrumpften, gleichzeitig deren Abschottung aber zunahm, bot sich in Schwarzafrika für Großbritannien, Deutschland, Frankreich und andere (europäische) Staaten eine gute Möglichkeit, Waren abzusetzen und die chronisch negativen Handelsbilanzen zu verbessern. Besonders für Großbritannien, das als erstes Land in das Postindustrielle Zeitalter vorstieß, waren ausländische Märkte von enormer Bedeutung. Durch Finanzexporte und deren Gewinne konnte man die höchst defizitäre Handelsbilanz entlasten. Weltweit wichtige Märkte für Großbritannien waren damals Afrika, Kolonien mit weißen Siedlern, der mittlere Osten, Südasien, Südostasien sowie Ozeanien. Investitionen in Übersee waren oft profitabler als in der Heimat. Das lag an billigen einheimischen Arbeitskräften, wenig Wettbewerb und sehr leicht verfügbaren Rohstoffen. Neben diesen Vorteilen bot Afrika auch Ressourcen, die die europäischen Staaten brauchten, in Europa aber nicht oder kaum existierten. Hier sind besonders Kupfer, Baumwolle, Kautschuk, Tee und Zinn zu nennen.

Es war dort auch wenig militärischer einheimischer Widerstand zu erwarten, der die Ausbeutung von Rohstoffen verhindern könnte. Daher konnte mit wenig militärischem Aufwand und niedrigen Kosten ein schneller Profit für das imperialistische Land in Afrika herausspringen.

Es herrschte zur Zeit des Eintritts Deutschlands in den Kolonialwettlauf eine außenpolitisch günstige Konstellation. In Afghanistan spitzten sich die russisch-englischen Rivalitäten zu, zudem stand England mit Frankreich in einem Konflikt um Ägypten. Die Kolonien konnten daher ohne größere Rückwirkungen für die deutschen außenpolitischen Beziehungen in Besitz genommen werden.

Die in direkter Abhängigkeit von Bismarcks Modell des europäischen Gleichgewichtes stehende außenpolitische Lage des Reiches hat somit den Kolonialerwerb ganz maßgeblich erleichtert. Es war Bismarcks Absicht, durch den Erwerb von Kolonien die notwendige Grundlage für eine koloniale Entente mit Frankreich zu schaffen, um die französischen Revanchegedanken, was den Erwerb Elsaß-Lothringen betraf, abzulenken. Seit Beginn der 1880er Jahre tauchte bei Bismarck immer wieder der Gedanke auf, mit Frankreich über eine Begünstigung im kolonialen Bereich zu einem Ausgleich zu kommen.

Die Kolonialfrage bot sich für Bismarck auch als Mittel zur Festigung der eigenen Machtbasis an: „Die öffentliche Meinung legt gegenwärtig in Deutschland ein so starkes Gewicht auf die Kolonialpolitik, dass die Stellung der Regierung im Innern von dem Gelingen desselben wesentlich abhängt.“

Im Vorfeld der Reichstagswahlen vom Herbst 1884 stärkte Bismarck mit Kolonialparolen die nationalliberalen und konservativen Kräfte zu Lasten der bürgerlichen Linken und der Sozialdemokratie. Mit der Aussicht auf lukrative Geschäfte in den Kolonien wurde die wirtschaftsliberale Fraktion geködert, Besitzungen außerhalb Deutschlands wurden als neue Marktstrategie (erfolgreich) verkauft.

Die Verwaltung der Kolonien sollte im Sinne eines freihändlerischen kommerziellen Expansionismus geschehen: „(…) der regierende Kaufmann und nicht der regierende Bureaukrat (ist das Ziel, M.L.) in jenen Gegenden, nicht der regierende Militär und der preußische Beamte; unsere Geheimen Räte sind ganz vortrefflich bei uns; aber dort in den kolonialen Gebieten erwarte ich von den Hanseaten, die draußen gewesen sind, mehr (…). Mein Ziel ist die Regierung kaufmännischer Gesellschaften, über denen nur die Aufsicht und der Schutz des Reiches und des Kaisers zu schweben hat.“

Der Deutsche Kolonialverein gehörte zu den Interessensorganisationen, die sich für ein imperialistisches Wettrüsten Deutschlands mit den anderen europäischen Mächten stark machten. Der Verein wurde am 6. Dezember 1882 in Frankfurt/Main unter der Leitung von Hermann Fürst zu Hohenlohe-Langenburg gegründet, der auch der erste Präsident wurde. Schon im Februar 1885 wechselte der Sitz nach Berlin, um näher an den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft zu sein. Im Verein gab es um die 15.000 Mitglieder. Sie kamen überwiegend aus der Politik, der Industrie, dem Handel und dem Bankwesen. Unter den Motiven verbanden sich nationalistische Rivalität mit anderen Großmächten, Sorge um eine Übervölkerung und Hoffnung auf Wirtschaftswachstum mit der Spekulation auf eine innenpolitische Entspannung im Kampf gegen die Sozialdemokratie.

Führende Mitglieder des Deutschen Kolonialvereins waren Johannes von Miquel, führender Vertreter der Disconto-Gesellschaft, Carl Ferdinand Stumm, Vertreter der Saar-Industrie, Louis Baare, Vertreter der rheinisch-westfälischen Großindustrie, Henry Axel Bueck , Generalsekretär des Zentralverbandes Deutscher Industrieller, Friedrich Ratzel, Geograph und Begründer der Anthropogeographie und Heinrich von Treischke, deutscher Historiker, Antisemit und Mitglied des Reichstages.

Der Deutsche Kolonialverein versuchte, durch Publizistik das Interesse der Deutschen für die Kolonialpolitik zu wecken sowie die Regierung und den Reichstag zu kolonialen Annexionen zu drängen. Die Mitglieder des Kolonialvereins forderten eine wirtschaftliche Förderung der bestehenden Kolonien und die Erschließung neuer Kolonialgebiete. Der Deutsche Kolonialverein wurde am 19. Dezember 1887 mit der 1884 von Carl Peters  gegründeten, radikaleren Gesellschaft für deutsche Kolonisation zur Deutschen Kolonialgesellschaft verschmolzen.

Anfang der 1880er Jahre nahm das europäische Interesse an Afrika stark zu. Henry Morton Stanley hatte mit der Erforschung des Kongobeckens 1874 bis 1877 den letzten großen „weißen Fleck“ von der Landkarte Afrikas beseitigt. 1878 erhielt er eine Einladung von Leopold II., dem König der Belgier, der bereits 1876 die Internationale Afrika-Gesellschaft mit dem Ziel der Erforschung und „Zivilisierung“ Afrikas gegründet hatte. 1879 wurde die Internationale Kongo-Gesellschaft gegründet, die wirtschaftliche Ziele verfolgen sollte, mit der AIA aber eng verknüpft war. Leopold kaufte die fremden Anteile der Kongogesellschaft heimlich auf, die philanthropische Afrikanische Gesellschaft diente hauptsächlich zur Kaschierung der imperialistischen Ziele der Kongogesellschaft.

Von 1879 bis 1884 reiste Stanley erneut an den Kongo, diesmal nicht als Reporter, sondern als Abgesandter Leopolds mit dem geheimen Auftrag, den Kongostaat zu organisieren. Gleichzeitig reiste der französische Marineoffizier Pierre Savorgnan de Brazza im westlichen Kongobecken und hisste im neu gegründeten Brazzaville 1881 die französische Flagge. Portugal, das aus alten Verträgen mit dem einheimischen Kongo-Reich ebenfalls Ansprüche auf das Gebiet herleitete, schloss am 26. Februar 1884 mit Großbritannien einen Vertrag, der vorsah, der Kongogesellschaft den Zugang zum Atlantik zu versperren.

Zur gleichen Zeit drangen mehrere europäische Staaten nach Afrika vor und es begann der „Wettlauf um Afrika“: Frankreich besetzte 1881 Tunesien und die heutige Republik Kongo sowie 1884 Guinea. Großbritannien besetzte 1882 das nominell auch weiterhin osmanische Ägypten, das wiederum über den Sudan und Teile Somalias herrschte. Italien nahm 1870 und 1882 erste Teile Eritreas in Besitz. Deutschland unterstellte 1884 die Küsten Togos und Kameruns sowie Deutsch-Südwestafrika seinem „Schutz“.

Die politischen Machtbereiche wurden auf der Kongo-Konferenz 1884 abgesteckt. Leopold II. von Belgien gelang es, Frankreich und Deutschland davon zu überzeugen, dass ein gemeinsames Handeln in Afrika in ihrem Interesse sei. Otto von Bismarck, der deutsche Reichskanzler, lud die Vertreter der USA, des Osmanischen Reiches und der europäischen Mächte Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Russland, Spanien und Schweden-Norwegen (bis 1905 Personalunion) zu einer Konferenz nach Berlin ein. Die Kongo-Konferenz trat am 15. November 1884 im Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße zusammen. Stanley nahm als technischer Berater der amerikanischen Delegation teil, hatte aber wenig Einfluss. Die Konferenz endete am 26. Februar 1885 mit der Unterzeichnung der Kongoakte durch die beteiligten Staaten. Leopold II. hatte einen großen Triumph erzielt, da er seinen Privatstaat bekam.

Der Kongo, das rohstoffreichste Gebiet Afrikas, war nicht in den Besitz einer Großmacht übergegangen, sondern faktisch an Belgien, das für die europäische Kontinentalpolitik kaum von Bedeutung war. Außerdem hatte sich herausgestellt, dass die Interessen Englands und Frankreichs, was die Kolonialpolitik betraf, miteinander unvereinbar waren. Bismarck hatte sich einmal mehr als „ehrlicher Makler“ bewährt, sein Interesse an der Kolonialpolitik blieb dominiert von innenpolitischen und europäischen Überlegungen.

Die Kongoakte regelte in 38 Artikeln folgende Punkte:

Unter Kaiser Wilhelm II. (1888–1918) versuchte Deutschland durch Erwerb weiterer Handelsvertretungen seinen Kolonialbesitz auszubauen. Die wilhelminische Ära steht für eine schwärmerisch-expansionistische Politik und eine forcierte Aufrüstung, insbesondere der kaiserlichen Marine. Die Kolonialbewegung war zu einem ernstzunehmenden Faktor in der deutschen Innenpolitik angewachsen. Der nationalistische und rassistische Alldeutsche Verband vertrat eine expansionistische Außenpolitik und begründete dies mit der Weltmachtstellung Deutschlands. Die für das deutsche Überlegenheitsdenken symbolische Wortprägung „Platz an der Sonne“ entstand durch eine Äußerung von Bernhard von Bülow (1849–1929) in einer Reichstagsdebatte am 6. Dezember 1897, wo er im Zusammenhang mit der deutschen Kolonialpolitik formulierte: „Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“ Diese Prämisse eines nationalen Prestigedenkens sollte die deutsche imperialistische Politik bis 1914 prägen. Auch danach empfanden viele Deutsche den Verlust der Kolonien nach dem Versailler Vertrag als unrechtmäßig und versuchten mit nationalistischen und rassistischen Argumenten, eine Revision des Status Quo durchzusetzen.

Kolonialbesitz schien auch im Licht der sozialdarwinistischen Interpretation der Konkurrenz zwischen den sich entwickelnden imperialistischen Industriestaaten eine Notwendigkeit und eine Verpflichtung gegenüber den nachfolgenden Generationen zu sein. Gewöhnlich wird von Sozialdarwinisten damit eine Höherentwicklung zu einer wertvolleren Lebensform verbunden so etwa bei Herbert Spencer und William Graham Sumner. Dabei kann zwischen sozialdarwinistischen Ansätzen danach unterschieden werden, ob sie sich auf individuellen oder kollektiven Wettbewerb beziehen. Konventionelle Ansätze des Sozialdarwinismus werden mit politischem Konservatismus, Imperialismus und Rassismus verbunden. Angeblich für die nachfolgende Generation wollte man sicherstellen, dass sie zu den Gewinnern in diesem Wettkampf – in dem es nur den survival of the fittest geben würde – gehören würden. War das nationale Bürgertum in weiten Teilen schon davon überzeugt, innerhalb der europäischen Nationen zu einer überlegenen zu gehören, so galt dies umso mehr im Vergleich zu außereuropäischen Kulturen. Aufgrund der eigenen, überlegenen Stellung glaubte man zur Kultivierung der vermeintlich zurückgebliebenen und primitiven Bewohnerinnen und Bewohner der außereuropäischen Welt berufen zu sein und besaß damit eine positive Rechtfertigung jeglichen kolonialen Strebens.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts beschränkte sich die europäische Fremdherrschaft über afrikanische Landstriche in der Regel auf einige Handelsniederlassungen und befestigte Stützpunkte an der Küste sowie deren unmittelbares Hinterland.

Die völlige Durchdringung des afrikanischen Kontinents durch die Europäer wurde weniger von Händlern und Politikern als vielmehr von Forschern, Abenteurern und Missionaren vorangetrieben. Geprägt von den Ideen der Aufklärung entwickelte sich ein Wettlauf zwischen den Entdeckern, um die letzten weißen Flecken auf der afrikanischen Landkarte zu tilgen.

An die Stelle der traditionellen Machtpolitik trat nunmehr bei allen Großmächten das letztlich rational nicht mehr festzumachende Verlangen nach Kolonien und Absatzmärkten als Statussymbolen einer Teilnahme an der Weltherrschaft.

Die Motive sind vor allem zweierlei: Die europäischen Kolonialmächte hatten ein Interesse an der Aufrechterhaltung von Handelsbeziehungen, versuchten externe Schutzmächte als Trümpfe in internen Auseinandersetzungen oder Konflikten mit Nachbarn oder Konkurrenten auszuspielen, oder sie betrachteten derartige Verträge allein als Stück Papier, das ihnen Unannehmlichkeiten mit den europäischen Mächten ersparte, ohne große Folgen für die internen Machtstrukturen zu haben. Zweitens haben sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die Kosten der europäischen Staaten für eine Inbesitznahme afrikanischen Landes verringert.

An die Stelle der regionalen Vielfalt, die noch Mitte des 19. Jahrhunderts in Afrika südlich der Sahara herrschte, trat die Übertragung relativ uniformer politischer Modelle und einheitlicher Wirtschaftsstrukturen. Eine der ersten entscheidenden Änderungen war die Festlegung von Grenzen in Afrika. Traditionelle afrikanische politische Einheiten kannten keine festen Grenzen. Die Kolonialherrschaft hat wenig am personalistischen Politikverständnis der meisten afrikanischen Gesellschaften geändert. Sie konnte den Vorrang lokaler sozialer Identitäten – wie den der Familie, der Dorfgemeinschaft, des Clans, der Altersgruppe und der Volksgruppe – vor abstrakteren, allgemeineren Identitäten wie die der Nation nicht beenden. Ebenso wenig führte sie in den meisten Fällen zu einer grundlegenden Veränderung der vor allem auf den Eigenbedarf ausgerichteten Wirtschaftsweise afrikanischer Kleinbauern.

Der französische Vorstoß in Westafrika vom Senegal aus wurde von einem patriotischen Gouverneur initiiert, der Frankreichs Heil im Erwerb von Kolonien sah. Dadurch sahen wiederum die Briten etablierte Handelsinteressen am Unterlauf des Niger bedroht. Sie verstärkten deshalb dort ihr Engagement. Durch das weitere Vordringen der Franzosen Richtung Zentralafrika sah sich der belgische König Leopold II. in seinen Bemühungen gefährdet, die Kontrolle über das Kongobecken auszuweiten, von dem er sich eine reiche Ausbeute versprach.

Die Briten erkannten Portugals jahrhundertealte Besitzungen in West- und im südlichen Afrika an, wofür sie dort im Gegenzug uneingeschränkte Handelsrechte erhielten. Der De-facto-Ausschluss der Händler anderer Nationen rief wiederum diese Staaten auf den Plan, allen voran Deutschland, das nun begann, sich in Westafrika, Südwestafrika und Ostafrika Kolonien zu sichern. Diese Entwicklungen in den einzelnen Regionen Afrikas waren eng miteinander verknüpft und bedingten sich zum Teil gegenseitig, so dass daraus letztendlich der Wettlauf der Kolonialmächte um afrikanische Besitzungen Ende des 19. Jahrhunderts entstand.

Um diesen Wettlauf in geordnete Bahnen zu lenken und Deutschlands Rolle als europäische Ordnungsmacht zu unterstreichen, organisierte Bismarck Ende 1884 die Berliner Konferenz, bei der die europäischen Mächte Afrika unter sich aufteilten. Sie endete 1885 mit folgenden Beschlüssen: Die Anerkennung der Besitzansprüche Leopolds II. im Kongobecken und Frankreichs in Zentralafrika, verbunden mit der Garantie der Handelsfreiheit in diesen Regionen.

Zudem wurden Großbritanniens Vorherrschaft im Mündungsgebiet des Niger und jene Frankreichs am Oberlauf des Flusses anerkannt. Die Anerkennung aller weiteren Besitzansprüche sollte in Zukunft von der Stärke des Engagements der Kolonialmächte in den jeweiligen Gebieten abhängen. Dies führte dazu, dass sie dort, wo sie bisher nur durch vereinzelte Handelsniederlassungen und isolierte Stützpunkte vertreten waren, ihre Herrschaft geographisch und funktional ausdehnten.

Nur in wenigen Fällen kam es in dieser Phase zu Konflikten zwischen den Kolonialmächten. Hervorzuheben sind hierbei der Konflikt zwischen Deutschland und Großbritannien um die Kontrolle in Ostafrika, der damit endete, dass Deutschland das Festland des heutigen Tansania mit Ruanda und Burundi zugesprochen bekam, Großbritannien das heutige Kenia. Die Konkurrenz zwischen Frankreich und Großbritannien um die Kontrolle über den Südsudan hätte beinahe zum Krieg zwischen beiden Mächten geführt.

Letztendlich musste jedoch Frankreich, nachdem es bereits bis zum weißen Nil vorgestoßen war, klein beigeben. Der einzige wirkliche Krieg um koloniale Besitzungen in Afrika südlich der Sahara wurde zwischen Großbritannien und der südafrikanischen Burenrepublik ausgetragen. Der britische Sieg über die Buren musste mit einem drei Jahre dauernden Krieg und dem Verlust von mehr als 20000 Menschenleben erkauft werden.

Zu Beginn des 1. Weltkrieges waren die Truppen in den deutschen Kolonien nicht auf einen Krieg mit europäischen Mächten vorbereitet. Die deutsche Seite hoffte vergeblich auf die Einhaltung des Beschlusses der Kongo-Konferenz von 1885, die ihrer Auffassung nach alle Kolonialstaaten zur Handelsfreiheit und friedlichen Lösung kolonialer Probleme in Afrika verpflichtete. Doch nur wenige Tage nach dem deutschen Kriegseintritt erlitten die deutschen Truppen eine Niederlage nach der nächsten. Bis Ende 1914 waren Togo, Deutsch-Neuguinea, Samoa und Kiautschou in die Hände der Entente gefallen. In den größeren Schutzgebieten gelangen den Deutschen hingegen Anfangserfolge, etwa in den Schlachten bei Garua, Sandfontein und Tanga sowie im Kampf um Naulila.

Der Kampf um Naulila war Höhepunkt sowie das Ende einer Strafexpedition der Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika auf dem Gebiet der Kolonie Portugiesisch-Westafrika (Angola). Vorausgegangen war die Ermordung eines deutschen Bezirkshauptmanns und von vier Offizieren der Schutztruppe durch die Portugiesen. Obwohl die Schutztruppe zahlenmäßig unterlegen sowie aufgrund der langen Anreise erschöpft war, konnte sie im Laufe des Gefechtes schnell die Oberhand gewinnen. Die portugiesische Besatzung des Forts erlitt in der Folge eine vernichtende Niederlage. Geschätzte 150 Portugiesen fanden im Verlauf des Gefechtes den Tod. Die überlebenden Portugiesen flohen früh in den Busch, wo die meisten von ihnen anschließend durch die aufgrund der portugiesischen Kolonialherrschaft in Angola unterdrückten Owambo getötet wurden. Fort Naulila wurde im Zuge des Gefechts vollkommen zerstört Anhaltender Widerstand scheiterte jedoch an der vergleichsweise geringen Truppenstärke sowie dem Mangel an Nachschub und schweren Waffen.

Die deutsche südwestafrikanische Schutztruppe ergab sich im Juli 1915 gegen die zehnmal so starken südafrikanischen Unionstruppen. In die Kolonie Kamerun schickten die Briten und Franzosen insgesamt 19.000 Soldaten und 24 Kriegsschiffe. Trotzdem ergaben sich die letzten Kompanien erst im Februar 1916. Nur in Deutsch-Ostafrika blieben die 15.000 Soldaten, darunter 11.000 afrikanische Askaris, unter Führung von Oberstleutnant Paul von Lettow-Vorbeck bis zur deutschen Kapitulation 1918 unbesiegt.

Als man in Deutschland noch an einen sicheren Sieg glaubte, wurden sogar Pläne für ein geschlossenes Deutsch-Mittelafrika geschmiedet. Es sollte sich vom Niger bis zur Kalahari-Wüste erstrecken und auch Angola, Mosambik, Belgisch-Kongo und weite Teile Französisch-Äquatorialafrikas miteinschließen. Insgesamt gesehen spielten das „Mittelafrikaprojekt“ und das Stützpunktprogramm in der deutschen Kriegszielpolitik aber nur eine untergeordnete Rolle, glaubte man doch, sie durch einen Sieg in Europa wie von selbst zu erreichen. Andererseits wurde das Ziel „Mittelafrika“ im weiteren Verlaufe des Krieges von liberal gesinnten Politikern mehr und mehr als Ersatz- und Ablenkungsziel für die Nation, fort von wilden Annexionsforderungen in Europa, benutzt. Kolonien waren für Deutschland eher Aufputz und Ausdruck seiner (Welt-)Macht. Die Konzepte für ein geschlossenes Deutsch-Mittelafrika erwarteten von ihrer Verwirklichung den sichtbaren Beweis der deutschen Weltmacht und rechneten, dass das Gebiet für Deutschland die Bedeutung erlangen würde, die Indien für Großbritannien hatte. Aber Schwerindustrie und Banken hatten schon vor dem Krieg wenig Interesse an weit entfernt liegenden Kolonien gezeigt und drängten auf die europäische Expansion.

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges und der deutschen Niederlage verlor das Land durch den Versailler Vertrag offiziell alle Kolonien. Die Entente teilten die Kolonien als Mandatsgebiete unter sich auf: Großbritannien bekam Deutsch-Ostafrika, Teile Kameruns und Westtogo.

Die Kolonisierung Afrikas führte zu einem grundlegenden Wandel afrikanischer politischer und wirtschaftlicher Systeme sowie der bestehenden Sozialstrukturen. An die Stelle der regionalen Vielfalt, die noch Mitte des 19. Jahrhunderts in Afrika südlich der Sahara herrschte, trat die Übertragung relativ uniformer politischer Modelle und einheitlicher Wirtschaftsstrukturen. Eine der ersten entscheidenden Änderungen war die Festlegung von Grenzen in Afrika. Traditionelle afrikanische politische Einheiten kannten keine festen Grenzen.

Stark vereinfacht formuliert handelte es sich bei ihnen entweder um zentralistische Staatswesen, für die zwar ein Kerngebiet identifizierbar, das aber von Einflusszonen und Vasallenstaaten umgeben war. Die Grenzen zwischen Kerngebiet und Einflusszone sowie zwischen Einflusszone und nicht politisch kontrollierten Gebieten waren jeweils fließend. Daneben gab es Regionen, die keiner zentralen Kontrolle unterlagen, sondern von relativ autonomen, einander verbundenen oder sich befehdenden Dorfgemeinschaften beherrscht wurden.

Die Kolonialmächte errichteten innerhalb der von ihnen definierten Grenzen unterschiedliche Formen der Kolonialverwaltung, die idealtypisch in die Kategorien direkte und indirekte Herrschaft unterteilt werden können. Erstere wurde im Wesentlichen von Frankreich, Belgien und Portugal bevorzugt, letztere von Großbritannien. Direkte Herrschaft in ihrer reinen Form bedeutete, dass alle entscheidenden Stellen im Verwaltungsapparat einer Kolonie mit europäischen Beamten besetzt wurden, selbst jene in den entlegensten Winkeln der Kolonialreiche. Vorkoloniale politische und administrative Strukturen wurden zerschlagen, traditionelle Herrscherfunktionen nur auf unterster lokaler Ebene zur Machtausübung benutzt.

Demgegenüber hatten die Briten erstmals in Nordnigeria ein Herrschaftssystem getestet, bei dem sie sich bestehender politischer und administrativer Strukturen bedienten, also ihre Herrschaft indirekt ausübten. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie alle traditionellen Herrscher in ihren Funktionen belassen hätten. Dieses Privileg genossen nur die kooperationsbereiten Vertreter, Widerstand Leistende wurden ausgetauscht. Gegenüber dem Modell der direkten Herrschaft besaß das der indirekten den Vorteil, dass es bei weitem mit geringeren Kosten verbunden war. Andererseits barg es das Risiko, dass traditionelle Herrscher ihre relative Autonomie zur Mobilisierung von Widerstand gegen die Kolonialherrschaft einsetzen konnten.

Unabhängig von der Frage direkter oder indirekter Herrschaftsausübung war es in jedem Fall die wichtigste Aufgabe der Kolonialbeamten, Finanzmittel für die Aufrechterhaltung der Kolonialverwaltung zu beschaffen. Dies geschah in der Regel durch Steuern und Zwangsarbeit, in den wenigen Gebieten Afrikas, in denen der Handel relativ intensiv war, auch durch Zölle. Daneben hatten die Kolonialbeamten vornehmlich für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dazu diente der Einsatz militärischer Gewalt und eine äußerst repressive Form der Rechtsprechung, die traditionelle afrikanische Systeme der Rechtsfindung zerschlug.

Besteuerung und Zwangsarbeit sollten jedoch nicht nur die Kosten der Kolonialverwaltung finanzieren. Sie hatten auch den Zweck, die afrikanische Bevölkerung zum Aufbau elementarer Infrastruktureinrichtungen heranzuziehen sowie ihre Integration in das koloniale Wirtschaftssystem zu erzwingen.

Die zentrale Infrastrukturinvestition war der Bau von Eisenbahnen. Er wurde ursprünglich vor allem aus strategischen Erwägungen begonnen, da nur die Eisenbahn den schnellen Transport von Truppen in entlegene Gebiete ermöglichte. Mit Hilfe des Schienenverkehrs gelang die Überwindung des afrikanischen Transportproblems, das bis dahin das entscheidende Hemmnis einer beschleunigten wirtschaftlichen Entwicklung gewesen war. Die Eisenbahn senkte wesentlich die Transportkosten. Für die zukünftige Entwicklung Afrikas war jedoch von Nachteil, dass die Eisenbahnschienen nicht traditionellen Handelsrouten folgten oder die wirtschaftliche Erschließung des gesamten Kolonialgebietes zum Ziel hatten. Vielmehr dienten sie neben dem strategischen Zweck nun vor allem dazu, den Gütertransport aus landwirtschaftlich oder mineralisch begünstigten Regionen zu den Häfen oder politischen Zentren eines Kolonialgebietes sicherzustellen.

Die Ausbeutung der mineralischen Ressourcen und die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion wären aber nicht möglich gewesen, wenn Steuerpflicht und Zwangsarbeit Afrikaner nicht dazu gezwungen hätten, sich in Minen und Plantagen zu verdingen. Da diese Arbeitstätigkeit in der Regel nicht für den Lebensunterhalt des Arbeiters und seiner Familie ausreichte, mussten er oder andere Familienmitglieder weiter das ihnen zur Verfügung stehende Land bestellen. Dies forcierte die Ausbildung einer spezifischen Form von Arbeitsstrukturen in vielen Kolonien, der Wanderarbeit. Die erwachsenen männlichen Mitglieder eines afrikanischen Haushalts arbeiteten zeitweilig außerhalb der Dorfgemeinschaft, die Frauen verblieben in ihr und arbeiteten in der Landwirtschaft. Dieses Schicksal blieb nur jenen Bauern erspart, die bereits vor der kolonialen Eroberung landwirtschaftliche Rohstoffe produziert und gehandelt hatten oder in Gebieten um die europäischen Siedlungszentren lebten und diese mit Nahrungsmitteln versorgten.

Die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen der Kolonialherrschaft auf afrikanische Gesellschaften waren tiefgreifend. Traditionelle politische und administrative Systeme wurden entweder im Rahmen der direkten Herrschaft zerschlagen, oder deren Führer durch Einbindung in die indirekte Herrschaft teilweise diskreditiert. Gleichzeitig führte die indirekte Herrschaft häufig zur Verschärfung von Konflikten zwischen Volksgruppen. So bedienten sich die Briten in Uganda der Aristokratie und der administrativen Strukturen des Königreichs Buganda, um auch den Rest des Landes zu regieren. Außerdem verpflichteten sie vor allem Soldaten der als kriegerisch geltenden Volksgruppen aus dem Norden Ugandas, um das Territorium militärisch unter Kontrolle zu halten. Dieser Fall ist exemplarisch für eine Politik des Prinzips "Teile und Herrsche", die wesentlich zur Vertiefung innenpolitischer Konflikte beitrug und Nährboden für spätere gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Volksgruppen war.

Eine weitere Auswirkung der Kolonialherrschaft war das Heranwachsen einer neuen afrikanischen Elite, die sich vor allem aus Verwaltungsbeamten, aus erfolgreichen Unternehmern und Missionsschülern rekrutierte. Sie ging zum Teil aus der traditionellen Elite hervor, versuchte sich aber auch von ihr abzugrenzen und sah sich in Konkurrenz zu ihr. Ein weiterer, negativer politischer Effekt der Kolonialherrschaft bestand darin, daß in ihr der Staat und seine Vertreter vor allem als Unterdrücker, Kontrolleure und Ausbeuter auftraten. Dies sollte die Einstellung der meisten afrikanischen Gesellschaften gegenüber dem Zentralstaat für Generationen beeinflussen.

Die Ausrichtung der Infrastrukturnetze auf den an den Interessen der Kolonialmächte ausgerichteten Zweck, landwirtschaftliche sowie mineralische Kerngebiete mit Häfen und Verwaltungszentren zu verbinden, behinderte in der nachkolonialen Phase die Integration der jeweiligen Volkswirtschaften. Sie begünstigt bis heute internationale Wirtschaftsstrukturen, bei der die ehemaligen Kolonialgebiete überwiegend die Rolle des Lieferanten mineralischer und landwirtschaftlicher Rohstoffe spielen.

Wanderarbeit und Geldwirtschaft führte zu grundlegenden Veränderungen in der Sozialstruktur. Sie schwächten die Familienbande und die Stellung der Frau, die vom Gelderwerb weitgehend ausgeschlossen war. Sie untergruben auch die traditionell starke Position der älteren Generation in afrikanischen Gesellschaften, da sie geringen Wert als Arbeitskräfte hatten. Frauen und die ältere Generation profitierten auch kaum von der Ausbreitung des Bildungswesens in einer späteren Phase der Kolonialherrschaft und gerieten somit gegenüber dem männlichen Teil jüngerer Generationen mehr und mehr ins Hintertreffen.

Ebenfalls in einer späteren Phase trat ein, was gegenwärtig für eine der entscheidenden Auswirkungen der Kolonialherrschaft gehalten wird: die Verbesserung des Gesundheitswesens und damit die einschneidende Senkung der Sterblichkeitsraten. In Verbindung mit gleichbleibend hohen Geburtenraten verursachte sie ein anhaltend hohes Bevölkerungswachstum in Afrika südlich der Sahara. Trotz der mit diesem Wachstum verbundenen Probleme, sind sowohl die Verbesserung des Gesundheitswesens als auch die Expansion des Bildungswesens zwei positive Ausprägungen des Kolonialismus in Afrika. Auch der Aufbau einer Basisinfrastruktur wäre ohne koloniale Inbesitznahme in so relativ kurzer Zeit kaum möglich gewesen. Außerdem hat sie den sozialen und kulturellen Wandel in der Region beschleunigt.

Zum Teil werden die Auswirkungen des Kolonialismus aber auch überschätzt. Die Kolonialherrschaft hat wenig am personalistischen Politikverständnis der meisten afrikanischen Gesellschaften geändert. Sie konnte den Vorrang lokaler sozialer Identitäten – wie den der Familie, der Dorfgemeinschaft, des Clans, der Altersgruppe und der Volksgruppe – vor abstrakteren, allgemeineren Identitäten wie die der Nation nicht beenden. Ebenso wenig führte sie in den meisten Fällen zu einer grundlegenden Veränderung der vor allem auf den Eigenbedarf ausgerichteten Wirtschaftsweise afrikanischer Kleinbauern.

Der Streit darüber, ob der Kolonialismus Afrika grundlegend verändert hat oder ob traditionelle Strukturen noch immer das Leben in Afrika so sehr bestimmen, dass die Phase kolonialer Unterwerfung eine Episode war, ist müßig. Kapitalismus, Christentum und Islam, das Konzept des Nationalstaats und westliche Werte erfuhren durch ihren Kontakt mit afrikanischen Kulturen einschneidende Umformungen, wie sie auch diese Kulturen grundlegend modifizierten. Dieser Prozess wird von dem Historiker Leo Frobenius so beschrieben: „Das Neue ersetzte nicht einfach nur das Alte, sondern vermischte sich vielmehr mit diesem, belebte es manchmal neu und führte zu neuartigen, spezifisch afrikanischen Formen der Synthese."

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts beschränkte sich die europäische Fremdherrschaft über afrikanische Landstriche in der Regel auf einige Handelsniederlassungen und befestigte Stützpunkte an der Küste sowie deren unmittelbares Hinterland.

Die völlige Durchdringung des afrikanischen Kontinents durch die Europäer wurde weniger von Händlern und Politikern als vielmehr von Forschern, Abenteurern und Missionaren vorangetrieben. Geprägt von den Ideen der Aufklärung entwickelte sich ein Wettlauf zwischen den Entdeckern, um die letzten weißen Flecken auf der afrikanischen Landkarte zu tilgen.

An die Stelle der traditionellen Machtpolitik trat nunmehr bei allen Großmächten das letztlich rational nicht mehr festzumachende Verlangen nach Kolonien und Absatzmärkten als Statussymbolen einer Teilnahme an der Weltherrschaft.

Die Motive sind vor allem zweierlei: Die europäischen Kolonialmächte hatten ein Interesse an der Aufrechterhaltung von Handelsbeziehungen, versuchten externe Schutzmächte als Trümpfe in internen Auseinandersetzungen oder Konflikten mit Nachbarn oder Konkurrenten auszuspielen, oder sie betrachteten derartige Verträge allein als Stück Papier, das ihnen Unannehmlichkeiten mit den europäischen Mächten ersparte, ohne große Folgen für die internen Machtstrukturen zu haben. Zweitens haben sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die Kosten der europäischen Staaten für eine Inbesitznahme afrikanischen Landes verringert.

An die Stelle der regionalen Vielfalt, die noch Mitte des 19. Jahrhunderts in Afrika südlich der Sahara herrschte, trat die Übertragung relativ uniformer politischer Modelle und einheitlicher Wirtschaftsstrukturen. Eine der ersten entscheidenden Änderungen war die Festlegung von Grenzen in Afrika. Traditionelle afrikanische politische Einheiten kannten keine festen Grenzen. Die Kolonialherrschaft hat wenig am personalistischen Politikverständnis der meisten afrikanischen Gesellschaften geändert. Sie konnte den Vorrang lokaler sozialer Identitäten – wie den der Familie, der Dorfgemeinschaft, des Clans, der Altersgruppe und der Volksgruppe – vor abstrakteren, allgemeineren Identitäten wie die der Nation nicht beenden. Ebenso wenig führte sie in den meisten Fällen zu einer grundlegenden Veränderung der vor allem auf den Eigenbedarf ausgerichteten Wirtschaftsweise afrikanischer Kleinbauern.

Einzelne Länder:

Konnte Ägypten unter Muhammad Ali in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Autonomie gegenüber dem Osmanischen Reich erringen, so wurde diese Freiheit unter seinem Sohn Muhammad Said (1854-1863) und seinem Enkel Ismail (1863-1879) gegenüber den europäischen Mächten und dem Osmanischen Reich wieder verspielt. Muhammad Said schaffte die Sklaverei ab, liess die ersten Eisenbahnen in Ägypten bauen, ferner erteilte er Ferdinand de Lesseps die Konzession zum Bau des Suezkanals. Unter Ismail wurde 1864 der Suezkanal eröffnet, er förderte den Ausbau des ägyptischen Eisenbahnnetzes und setzte sich für die Modernisierung des Landes ein. Gegenüber dem Osmanischen Reich vermochte er die innere Selbständigkeit Ägyptens zu wahren, musste dafür aber die staatliche und militärische Oberhoheit des Osmanischen Reiches anerkennen. Die Reformen und Modernisierungsmaßnahmen Ismails führten Ägypten jedoch in eine immer größere Verschuldung hinein. Schließlich wurde er gezwungen, zur Abwendung des Staatsbankrotts seine Hauptgläubiger um Hilfe zu bitten. England und Frankreich schafften daraufhin eine Staatsschuldenverwaltung. Schließlich setzte das Osmanische reich unter dem Druck Frankreichs und Englands Ismail zugunsten seines Sohnes Muhammad Taufiq (1879-1892) ab. Muhammad Taufiqs Versuch, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bekommen, konnte jedoch die allgemeine Unruhe im Land nicht beseitigen. 1881/82 kam es zu einer Militärrevolte, dem Urabi-Aufstand, der sich gegen den wachsenden europäischen Einfluss wandte und stark nationalistische Züge trug. Da die europäischen Mächte um ihre Schuldentilgung besorgt waren, griff Großbritannien 1882 auf das Beistandsgesuch Taufiqs hin ein und besetzte das Land.

Für 20 Jahre beherrschte der britische Generalkonsul Evelyn Baring Ägypten durch ein System indirekter Herrschaft, dem sich Taufiq und auch dessen Sohn, Abbas Hilmi II (1892-1914) beugten. Das Land wurde vor den Staatsbankrott bewahrt und konsolidierte sich nach innen. Beim Ausbruch des 1.Weltkrieges erklärte Großbritannien Ägypten zum Protektorat, da die Türkei an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten war. Der türkenfreundliche Abbas II. wurde durch seinen Onkel Husain Kamil (1914-1917) ersetzt, der als „Sultan von Ägypten“ nur eine machtpolitische Nebenrolle spielte. Er wurde 1917 durch seinen Bruder Fu’ad I. abgelöst, dem es schließlich gelang, Ägypten wieder unabhängig zu machen. Großbritannien hatte Ägypten aber nur eine eingeschränkte Souveränität zugestanden, weswegen die innere Entwicklung des Landes belastet war und ganz im Zeichen der Unabhängigkeit stand. Aufgrund des Einfalls Italiens in Äthiopien 1936 konnte Ägypten schließlich einen Vertrag mit England abschließen. Ägypten wurde nach dem Ende des 2. Weltkrieges in den Palästinakrieg verwickelt, der durch die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 29.11.1947 ausgelöst wurde. Als am 14.5.1948 David Ben Gurion den unabhängigen Staat Israel proklamierte, kam es zum offenen Krieg zwischen Israel und den Palästinensern. 1952 kam es zu einem Staatsstreich des mit der Herrschaft König Faruks unzufriedenen Militärs. Unter der Führung von General Muhammad Nagib erzwang die Armee am 23.7.1952 die Abdankung Faruks und 1953 übernahm General Nagib selbst die Herrschaft.

Er wurde jedoch bereits am 18.4.1954 durch den Führer der Militärjunta, Gamal Nassser, verdrängt, der ein Einparteiensystem institutionalisierte und Sozialisierungsmaßnahmen einleitete. Am 19.10.1954 konnte Nasser in einem Abkommen mit Großbritannien die Räumung der Suezkanalzone von britischen Truppen erreichten. Außenpolitisch steuerte Nasser zunächst einen neutralistischen Kurs zwischen Ost und West, wandte sich aber dann mehr den Staaten des Warschauer Paktes zu. Am 26.7.1956 beschloss er die Verstaatlichung der Suezkanalgesellschaft, um deren Einkünfte für die Errichtung des Assuan-Staudammes zu verwenden. Daraufhin entschlossen sich Großbritannien und Frankreich, zusammen mit Israel gegen Ägypten vorzugehen. Am 29.10.1956 drang Israel gegen die ägyptischen Stellungen auf der Sinai-Halbinsel vor, während Großbritannien und Frankreich eine Luftoffensive gegen Ägypten einleiteten. Aufgrund des Eingreifens der USA und der Sowjetunion kam es zu einem Waffenstillstand. Der Zusammenschluss von Ägypten und Syrien zur Vereinigten Arabischen Republik unter Nasser am 1.2.1958 bedeutete einen wesentlichen Schritt zur Verwirklichung des Panarabismus. Am 8.3.1958 erfolgte noch der Anschluss der Jemen an die Vereinigte Arabische Republik (VAR) durch eine Förderation. Da die Bildung der VAR in Syrien Störungen im wirtschaftlichen Leben hervorriefen, bildete sich dort rasch Widerstand. Schließlich kam es durch den Staatsstreich der syrischen Armee am 28.9.1961 wieder zum Bruch zwischen Syrien und Ägypten. Innenpolitisch strebte Nasser die Verwirklichung eines arabischen Sozialismus mit einer Nationalisierungspolitik in der Wirtschaft an. Nasser griff in den Bürgerkrieg im Jemen zugunsten der Republikaner ein. Nach dem Bruch des Abkommens von Dschidda am 24.8.1965 betrieb Nasser eine Politik des geheimen und offenen Kampfes gegen die konservativen arabischen Monarchien, zugleich verschärfte die VAR ihre Politik gegenüber Israel. Die Truppenkonzentration an der Sinaigrenze veranlassten Israel am 5.6.1967 zum Präventivkrieg gegen Ägypten, wobei es den israelischen Streitkräften gelang, die gesamte Sinaihalbinsel bis zum Suezkanal zu besetzen. Außenpolitisch begann sich die VAR nach dem Sechstagekrieg wieder an die Sowjetunion anzulehnen. Eine Eskalation der Auseinandersetzung mit Israel trat ein, als die VAR am 23.4.1969 den Waffenstillstand für beendet erklärte und einen „Abnützungskrieg“ gegen Israel ankündigte. Am 8.8, trat eine Waffenruhe aufgrund des Rogers-Plans, der von den USA vorgeschlagen worden war, in Kraft.

Einen Bruch in der ägyptischen Politik brachte der plötzliche Tod Nassers am 18.9.1970 in Heliopolis. Sein Nachfolger wurde der Vizepräsident Anwar as-Sadat, der sich in den ausbrechenden Machtkämpfen durchsetzen konnte. Eine innere Liberalisierung, die Annäherung an den Westen, das Abgehen vom Panarabismus und die Lösung von der Sowjetunion kennzeichneten Sadats Abkehr vom Nasserismus. 1973 begann er einen Krieg gegen Israel, der im Abkommen von Camp David endete.

Sadat leitete 1977 durch eine Friedensinitiative den Dialog mit Israel ein, der 1979 zum Friedensvertrag und zum Abzug der israelischen Truppen von der Sinai-Halbinsel führte. Dies führte dazu, dass das Land innerhalb der arabischen Welt isolierte wurde und den Widerstand islamischer Fundamentalisten stärkte. 1978 erhielt Sadat zusammen mit Israels Premierminister Menachem Begin den Friedensnobelpreis. 1982 wurde Sadat das Opfer eines Attentats; sein Nachfolger wurde der damals als Vizepräsident amtierenden Husni Mubarak. Mubarak schaffte es, Ägypten nach langer Zeit wieder als vollrespektiertes Mitglied in die Arabische Liga zurückzuführen. Er regierte seit dem Erlass der Notstandsgesetze 1982 bis zu der Revolution 2011 autoritär, was besonders radikal-islamische Kräfte stärkte.

Seit den 1990er Jahren kam es wiederholt zu Anschlägen radikaler Islamisten auf Touristen, christliche Kopten und staatliche Amtsträger. Mubarak selbst entging 1994 und 1996 Attentatsversuchen. Seit der Jahrtausendwende erhöhte sich der innenpolitische Druck, unter anderem aufgrund der Unzufriedenheit mit der mangelnden demokratischen Teilhabemöglichkeit in der Gesellschaft für viele Menschen sowie wegen der schlechten Arbeitsbedingungen, der großen Armut und Arbeitslosigkeit im Land. Ende 2004 gelang der Opposition die erste Demonstration in der Mubarak-Zeit, die ein Ende des Regimes forderte. Dies führte zur Gründung der Kifaja-Bewegung, gegen die Geheimdienst und Polizei unter anderem mit Verhaftungen und unerbittlicher Repression reagierten. Das Mubarak-Regime von den USA, Israel wie auch der Europäischen Union gestützt, da es trotz der autoritären Herrschaft eine für den Westen berechenbare Größe in der Krisenregion Nahost darstellt. Für die westlichen Staaten war das System Mubarak darüber hinaus ein möglicher Verbündeter gegen bestehende und potentielle radikale islamistische Bewegungen.

Bis zum Beginn des arabischen Frühlings war das Staatsoberhaupt der vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit nominierte und anschließend für sechs Jahre durch Volkswahl bestätigte Präsident, der gleichzeitig Oberbefehlshaber der Streitkräfte war. Nach einer Reform Mubaraks vom 26. Februar 2005 sollte der Präsident jedoch in Zukunft durch freie Wahlen mit mehreren zugelassenen Kandidaten gewählt werden. Der Präsident sollte ernennt den Premierminister und die Mitglieder des Kabinetts sowie die Gouverneure, die hohen Richter und Offiziere ernennen. Gleichzeitig hat er ein Vetorecht bei der Gesetzgebung, kann Dekrete erlassen und das Parlament auflösen. Es wurde kritisiert, dass Mubarak seit dem Tod seines Vorgängers per Notstandsgesetz regierte und somit Ägypten praktisch eine Präsidialherrschaft hätte. Weiterhin wurden Wahlen teilweise verschoben oder massiv beeinflusst und Oppositionelle nach Schauprozessen ins Gefängnis gesteckt.

Die Verfassung von 1971, die 2005 teilweise verändert wurde, legte fest, dass Ägypten eine Präsidialrepublik ist. Ab Juni 2012 erstellte eine Verfassunggebende Versammlung, in der Muslimbrüder und Salafisten eine Mehrheit der 100 Sitze hatten, eine neue Verfassung. Bei einem erneuten Verfassungsreferendum vom 16. Januar 2014 stimmten bei einer Stimmbeteiligung von 38,6 Prozent 98,1 Prozent für die von der ägyptischen Übergangsregierung vorgeschlagene neue Verfassung. In dieser wurde die Gründung politischer Parteien verboten, die sich ausschließlich auf die Religion stützten. Sie erkannte die Gleichheit von Mann und Frau an und schützt die christliche und jüdische Minderheit im Land. Die neue Verfassung räumt dem Militär eine Sonderstellung mit weitreichenden Befugnissen ein, was aus demokratischer Sicht eher ein Rückschritt bedeutete.

Im November 2012 Präsident Mohammed Mursi entzog seine Entscheidungen und Dekrete der Kontrolle durch die Justiz und erklärte sie für unantastbar. Die Gewaltenteilung setzte er damit faktisch außer Kraft und schwang sich zum Autokraten auf. Am 3. Juli 2013 verkündete Generaloberst Abd al-Fattah as-Sisi, dass Mursi nach den massiven Protesten in der Bevölkerung durch das Militär abgesetzt worden sei. Der Verfassungsrichter Adli Mansur wurde einen Tag später als Interimspräsident des Landes vereidigt. 2014 trat nach einem Verfassungsreferendum eine neue Verfassung in Kraft.

Im Zuge des Arabischen Frühlings, bei denen circa 850 Demonstranten in Ägypten ums Leben kamen, musste Mubarak zurücktreten. Dabei waren Proteste gegen das Regime Mubarak keineswegs neu. Der repressive und korrupte Staatsapparat und die schlechte sozio-ökonomische Lage hatten seit der Jahrtausendwende immer wieder Demonstrationen und Streiks hervorgerufen. Allerdings war die politische Führung konnte die Opposition durch brutale Polizeigewalt und Reformen unterdrücken. Daraufhin kam es erstmals zu freien Präsidentschaftswahlen. Am 24. Juni 2012 wurde das Ergebnis bekanntgegeben: Mursi wurde demzufolge mit 51,7 % der gültigen Stimmen zum Präsidenten gewählt und wurde mit seiner Vereidigung am 30. Juni 2012 zum amtierenden Staatsoberhaupt. Aus den Wahlen zum Rat des Volkes zwischen dem 28. November 2011 und 10. Januar 2012 ging die von der Partei der Muslimbrüder angeführte Demokratische Allianz für Ägypten als stärkste Kraft mit rund 45% der insgesamt 498 Sitze hervor. Die salafistische Partei des Lichts wurde mit ca. 25 % der Sitze zweitstärkste Fraktion. Die Nachfolgerparteien der vormals regierenden Nationaldemokratischen Partei verloren an Stimmen und kamen auf nur noch 18 Sitze.

Präsident Abdel Fattah al-Sisi plädierte in seiner Neujahrsansprache 2015 für eine Neuinterpretation des Islam. Angesichts der Verbrechen des IS forderte er eine islamische Reformation. Er sprach an der altehrwürdigen Al-Azhar-Universität zu Kairo, der höchsten religiös-rechtlichen Instanz im sunnitischen Islam, was seinen Worten zusätzliche Bedeutung gab. Al-Sisi kritisierte in seiner Ansprache den Muslimen im Allgemeinen und den Rechtsgelehrten im Besonderen: „Das Werk der islamischen Texte und Ideen, die wir über die Jahrhunderte als heilig erklärt haben, erzürnt die gesamte Welt. Die islamische Weltgemeinschaft (Umma) wird zerrissen, zerstört und ist verloren – durch unsere eigenen Hände." In seinem eindringlichen Appell an die religiösen Führer mahnte al-Sisi, es sei unfassbar, dass das, was die Muslime als ihr religiöses und heiliges Erbe betrachteten, für sie selbst und den "Rest der Welt als Quelle der Angst, der Gefahr des Mordens und der Zerstörung wahrgenommen wird. Unmöglich!"

Das islamische Erziehungssystem in Ägypten besteht generell aus der Vermittlung von Werten wie Toleranz gegenüber Andersgläubigen. In Schulbüchern wird aber auch deutlich gemacht, dass der Islam den anderen Religionen gegenüber überlegen ist. Terrorismus und insbesondere radikaler Islamismus wird darin verurteilt. Mehr als 90% der Einwohner Ägyptens bekennen sich zum sunnitischen Islam, Schiiten spielen zahlenmäßig nur eine sehr geringe Bedeutung. Viele ägyptische Muslime gehören einem sufischen Orden an. Eine der bekanntesten Orden ist die der Mevlevis, die auf den Sufipoeten Dschalal ad-Din Rumi zurückgeht. Die meisten seiner Werke sind in persischer, manche aber auch in arabischer Sprache verfasst. Die Derwische dieses Ordens praktizieren den Dhikr mit religiöser Musik und drehen sich dabei um die eigene Achse. Weitere überregionale Sufi-Orden sind Naqschbandi, Bektaschi, Kubrawi, Suhrawardi, Chishti oder Halveti. Diese Orden sind darüber hinaus in zahlreiche Unterverzweigungen gegliedert und haben manchmal auch Überschneidungen untereinander Diese sufistischen Ordensgemeinschaften sind bis heute wichtige Ausdrucksformen des Volksislam und des spirituellen Lebens, sondern auch bedeutende gesellschaftliche Formationen.

In Ägypten existiert seit Ende der 1920er Jahre mit der Muslimbruderschaft eine islamistische Massenbewegung, die in der Gegenwart noch sehr einflussreich ist. In den 1960er Jahren kam es in ihren Kreisen zu einer Radikalisierung. Der Ideologe Sayyid Qutb erklärte alle Muslime, die sich nicht streng an die Scharia hielten, für ungläubig. In den 1970er Jahren bildeten sich mehrere radikale islamistische Gruppen wie die Dschihad-Organisation, die Terroranschläge in Ägypten begingen. Einige Anhänger dieser Gruppen haben sich später der Terrororganisation al-Qaida angeschlossen.

Mangels schriftlicher Überlieferungen ist die Geschichte Äthiopiens, Eritreas und des Sudan vor der Entstehung des aksumitischen Reiches nur mangelhaft bekannt. Bereits im 3. vorchristlichen Jahrtausend existierte an der äthiopisch-sudanesischen und eritreischen Grenze eine weit entwickelte Kultur. Sie ist von einigen Siedlungen bekannt, die aber in der Regel bisher nicht ausgegraben wurden. Es gibt Steinäxte, Keulenköpfe, Keramik und Schmuck. Diese Kultur zeigt eine gewisse Verwandtschaft mit der nubischen C-Gruppe. In der Eisenzeit, der sog. Prä-Aksumitischen Periode, bestanden intensive Kontakte mit Südarabien. Besonders stark wurde der südarabische Einfluss auf Äthiopien etwa Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. mit der Entstehung des vermutlich ursprünglich vom südarabischen Reich Saba abhängigen Staates Da’amot (auch Di'amat u.ä.) auf der Tigray-Hochebene. Die Inschriften aus Da'amot sind teilweise auf sabäisch abgefasst, die königlichen Inschriften weisen jedoch Merkmale des Altäthiopischen, der Sprache des späteren aksumitischen Reiches, auf. Über das Ende von Da'amot ist nichts bekannt, die letzten Inschriften könnten in das 4. Jahrhundert v. Chr. gehören; die folgende Zeit ist dunkel.

Die Entstehung des aksumitischen Reiches kann spätestens um Christi Geburt angesetzt werden. Die ersten Erwähnungen der Stadt Aksum finden sich im anonymen Periplus Maris Erythraei, der um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. entstand, sowie in der Geographike Hyphegesis des Ptolemäus (um 170 n. Chr.). Ebenfalls aus diesen Jahrzehnten stammen die frühesten Funde und Reste größerer Bauanlagen aus Aksum. Bereits damals kontrollierte Aksum mit dem wichtigen Hafen Adulis den Zugang zum Roten Meer, was dem aksumitischen Reich eine Expansion nach Südarabien ermöglichte. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts dehnte Aksum seinen Machtbereich das erste Mal nachweislich auf südarabischem Boden aus und schloss ein Bündnis mit dem sabäischen König ’Alhan Nahfan. Dessen Sohn Scha'ir Autar brach jedoch das Bündnis und unterstützte den himyarischen König bei der Vertreibung aksumitischer Truppen aus der himyarischen Hauptstadt Zafar. Auch in den folgenden Jahrzehnten agierten aksumitische Truppen in Südarabien.

Adulis war eine wichtige Station für den römischen Indienhandel, weshalb es früh zu Kontakten mit dem römischen Reich kam. Der römische Kaiser Aurelian (270 bis 275) soll eine aksumitische Gesandtschaft empfangen haben. Von König Endubis an, der um 300 n. Chr. regierte, ließen die aksumitischen Herrscher Münzen nach römischem Vorbild und mit griechischer Beschriftung prägen; als Konstantin der Große das römische Münzwesen reformierte, passten sich die Aksumiten an. Ihre Münzen ermöglichen eine recht gut abgesicherte Chronologie. Die geschichtlichen Vorgänge sind jedoch auch weiterhin kaum bekannt.

Um 325 wurde die Besatzung eines römischen Schiffes, das einen aksumitischen Hafen angelaufen hatte, aus unklaren Gründen niedergemacht; unter den beiden Überlebenden soll sich auch Frumentius befunden haben, mit dem später die christliche Mission in Aksum ihren Anfang nahm. Mitte des 4. Jahrhunderts konvertierte der aksumitische König Ezana nach Ausweis von Münzen und Inschriften zum Christentum, gleichzeitig hatte er militärische Erfolge in Afrika und Südarabien zu verzeichnen. Fraglich ist hingegen, ob zwei Inschriften aus Meroe und der jüngere Abschnitt des berühmten auf ihn zurückgehen. Der römische Kaiser Constantius II. stand vermutlich in Kontakt mit dem Reich von Aksum, Theophilos der Inder kehrte von seiner offiziellen „Orientmission“ wohl über Aksum ins Imperium zurück. In Aksum, das von der römischen Grenze zu Land etwa 30 Tagesreisen entfernt war, setzte man damals griechische Inschriften.

Bis zum 6. Jahrhundert sind keine historischen Vorgänge überliefert. In der ausgehenden Spätantike sandte dann Kaiser Justinian zunächst den Diplomaten Julianus, dann Nonnosos nach Aksum, dessen Bericht als Zusammenfassung erhalten ist. Mit oströmischer Unterstützung griff König Ella Asbeha um 530 den jüdischen König Yusuf Asʾar Yathʾar (Dhu Nuwas) von Himyar (im heutigen Jemen) an, der zuvor blutig die himyarischen Christen verfolgt hatte. Er eroberte Himyar, das für einige Jahre unter aksumitischer Kontrolle blieb, bevor es um 535 unter Abraha die Selbstständigkeit erreichte. Die römische Unterstützung Aksums, trotz der dort vorherrschenden miaphysitischen Ausprägung des Christentums, ist auf strategische Gründe zurückzuführen: Rom und das neupersische Sassanidenreich befanden sich im Konflikt miteinander Konstantinopel erhoffte sich, neue sichere Handelsrouten im südarabischen Raum mit Hilfe des christlichen Reichs von Aksum zu gewinnen. Dies gelang nicht. Etwas später, um 550, verfasste der griechische Kaufmann Kosmas Indikopleustes einen Bericht über die Route des oströmischen Indienhandels, in dem er auch Aksum beschrieb. Auf Bitten der Einheimischen kopierte und übersetzte er das heute verlorene griechische Monumentum Adulitanum, das aus einer Siegesinschrift des Ptolemäers Ptolemaios III. sowie einer wohl deutlich später entstandenen Inschrift eines ungenannten aksumitischen Königs bestand.

In der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts brach die Münzprägung ab. Die beginnende Ausbreitung des Islam führte in dieser Zeit zum Niedergang des Königreiches, als Gebiete an der Küste vom christlichen Königreich abgetrennt und so die alten Handelswege blockiert wurden. Nun noch stärker abgeschlossen von der Außenwelt, konnten sich Teile der aksumitischen Kultur besonders in Äthiopien und Eritrea bewahren. Dass das Christentum im Bereich Äthiopiens und Eritreas nicht stärker bekämpft wurde und so überlebte, wird damit erklärt, dass der aksumitische König die Anhänger Mohammeds während der Hidschra beschützt hatte.

Der Niedergang des Reiches zog sich lange hin. Aksum wurde spätestens im 9. Jahrhundert als Hauptstadt aufgegeben. Um 960 tötete Königin Gudit von Shewa den letzten König von Aksum und übernahm die Herrschaft. Damit endete das aksumitische Reich. Im 11. oder 12. Jahrhundert kam die Zagwe-Dynastie an die Macht.

Aufgrund der spärlichen Schriftquellen ist nur wenig über die vorchristliche aksumitische Religion bekannt. Während in Da'amot typisch sabäische Gottheiten verehrt worden waren, findet sich auf aksumitischen Inschriften die aus Südarabien nicht bekannte Göttertriade Astar, Mahrem und Beher. Astar wurde mit Zeus identifiziert und ist ein weitverbreiteter semitischer Gott. Mahrem wurde Ares gleichgesetzt und galt als Vater und Beschützer des Königs. Beher könnte ein Wassergott gewesen sein. Vorchristliche Heiligtümer sind kaum bekannt. Unter den bekannten nimmt der präaksumitische Tempel von Yeha eine herausragende Stellung ein.

Nach späteren römischen Überlieferungen gelangte im 4. Jahrhundert der Tyrer Frumentius mit seinem Bruder nach Aksum und bekehrte dort König Ezana zum Christentum. Damit wurde Aksum zum ersten christlichen schwarzafrikanischen Staat überhaupt. Bischofssitze befanden sich zumindest in Aksum und in Adulis, Einzelheiten bezüglich der Gliederung der aksumitischen Kirche sind jedoch unbekannt. Die äthiopische Kirche war bis ins 20. Jahrhundert Teil der koptischen Kirche, mit der sie sich nach dem Konzil von Chalcedon 451 von der Reichskirche (später orthodoxe und römisch-katholische Kirche) trennte.

Durch die Isolation Äthiopiens vom Rest der christlichen Welt seit der islamischen Expansion – nur mit der koptischen Kirche in Ägypten bestanden noch Beziehungen – hat die äthiopische Kirche Merkmale der frühen Kirche bewahrt. Gleichwohl kann wegen der mittelalterlichen Kirchen- und Liturgiereform nicht davon ausgegangen werden, dass die Liturgie und die Bräuche der bis heute bestehenden Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche und Eritreisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche im Wesentlichen den Zustand während des aksumitischen Reiches widerspiegeln. Kennzeichnend für die traditionelle äthiopische und eritreische Liturgie sind starke alttestamentliche und koptische Einflüsse.

Der weitaus größte Anteil an gefundenen Werken aksumitischer Kunst und aksumitischen Handwerks entfällt auf die meist ohne Töpferscheibe hergestellte Keramik. Die aksumitische Keramik war meist rot, seltener schwarz oder grau. Neben grober unverzierter Gebrauchskeramik findet sich auch verschiedenartig verzierte Ware. Häufige Verzierungen sind eingeritzte, eingedrückte oder aufgemalte Kreuze, Pflanzen, Paneelen und sonstige Muster. Vereinzelt finden sich grob gearbeitete Tonfigürchen und Tonwaren unbekannter Verwendung.

Verhältnismäßig häufig kam auch Metall zur Anwendung, meist Eisen, Kupfer und Bronze; seltener auch Gold und Silber, worunter ein Schatzfund aus Matara hervorzuheben ist. Das Spektrum der Metallfunde umfasst zum einen verschiedene Arten von Gebrauchsgegenständen und Waffen, zum anderen auch Schmuckstücke, Figürchen und sonstige dekorative Objekte. Diese sind meist relativ klein. Größere Statuen werden zwar inschriftlich erwähnt, sind aber nicht erhalten. Unter den aksumitischen Metallarbeiten besonders erwähnenswert sind die aus Gold, Silber oder Bronze nach römischem Vorbild hergestellten Münzen.

Weitere Materialien, die im aksumitischen Reich verarbeitet wurden, sind Elfenbein, Stein und wohl nur vereinzelt auch Glas.

Von der aksumitischen Architektur sind hauptsächlich große Gebäude – wohl die Residenzen adliger Personen – aus Aksum, Dungur und Matara bekannt. Sie folgen einem relativ einheitlichen Bauplan. In der Mitte befand sich ein ungefähr quadratisches Gebäude mit einer Seitenlänge von 15–30 m und Eckrisaliten. Es war von einem oder mehreren Höfen sowie sich daran anschließenden Räumen umgeben, die insgesamt einen rechteckigen Komplex bildeten. Dessen Größe schwankte zwischen 50 m × 50 m und 120 m × 80 m. Die Wohnbauten der ärmeren Bevölkerung sind nur ansatzweise erforscht, besonders aussagekräftig sind die Ausgrabungen in Matara: Die Bevölkerung lebte dort in kleinen (ca. 25 m²), wenige Räume umfassenden Steinhäusern, die dicht aneinander gebaut Häuserblöcke bildeten, welche wiederum durch enge Gassen voneinander getrennt wurden.

Die sicherlich berühmtesten Bauwerke aus dem aksumitischen Reich sind aber die großen Stelen in den Nekropolen von Aksum. Sie weisen eine Höhe von bis zu 30 m auf. Ihre Seiten sind mit Reliefs, die offenbar aksumitische Hauswände nachahmen, bearbeitet.

Ein besonderes Element aksumitischer Architektur bilden die Kirchen. Sie waren ähnlich den Bauten im christlichen Syrien apsidiale Basiliken. Derartige Bauwerke wurden u.a. in Aksum, in Matara und in Adulis ergraben.

Grundlage der aksumitischen Wirtschaft waren die Landwirtschaft und die Viehzucht, die besonders im Süden Äthiopiens durch Klima und Bodenverhältnisse begünstigt wurden. Ob für die Landwirtschaft wie in Südarabien Bewässerungsanlagen eingesetzt wurden, lässt sich nicht sicher beantworten. Die erhaltenen Reste von Wasserspeicheranlagen wie dem Mai Shum in Aksum lassen sich nicht datieren.

Den Aufstieg Aksums dürfte aber erst der Handel ermöglicht haben. Für diesen existieren römische Quellen. Für die Frühzeit sind dies insbesondere der Periplus Maris Erythraei, für das 6. Jahrhundert der Bericht des Kosmas Indikopleustes. Nach ihren Aussagen exportierte das aksumitische Reich in besonderem Maße aus den in Äthiopien beheimateten Tieren gewonnene Produkte, wie Elfenbein, Schildpatt, Flusspferdhaut und Affen. Ebenfalls eine Rolle spielte der Export von Weihrauch und Gewürzen, Gold und auch Sklaven. Aksum importierte im Gegenzug aus Indien und dem Römischen Reich hauptsächlich Stoffwaren, Keramikware, Glaswaren und Metalle.

Die Sprache des aksumitischen Reiches war das Altäthiopische, das zu den äthiosemitischen Sprachen aus dem südlichen Zweig der semitischen Sprachen gehört. In königlichen Inschriften wurde jedoch – bereits vor der Christianisierung – nicht selten das Griechische verwendet. Die äthiopische Schrift stammt aus Südarabien. Wie die altsüdarabische Schrift war sie zunächst eine reine Konsonantenschrift; unter der Regierung Ezanas wurde sie aber durch Zufügung kleiner Striche und Kreise zu einer Silbenschrift erweitert.

Nach dem Aufstieg des islamischen Reichs und der Eroberung Ägyptens verlor das christliche Aksum jegliche Verbindung zu anderen christlichen Reichen. Die Aksumiten zogen sich nach Süden ins Hochland zurück und schließlich ging das Reich im 10. Jahrhundert n. Chr. unter (andere Datierungen sprechen vom 1. bis 7. Jahrhundert n. Chr.). Danach gehörten die verschiedenen Völker, die auf dem Gebiet des heutigen Eritrea lebten, zum Teil zum äthiopischen Kaiserreich (dem Nachfolgerreich von Aksum) und zum Teil waren sie von Ägypten bzw. dem Sultanat Adal unterworfen worden.

Auf die Zeiten nach der Herrschaft des aksumitischen Reiches folgten die Osmanen bzw. nochmals die Ägypter, die ihr Reich über die arabische Halbinsel, über das Rote Meer auf die Küste Eritreas ausdehnten. Sie selbst unterschieden sich in Bezug auf Lebensweise, Ökonomie, Sprache und Religion. Obwohl die Küste nicht mehr direkt von den äthiopischen Kaisern regiert wurde, hatte deren Statthalter in Mareb Malesh (alter Name der Region Eritreas) trotzdem noch den Titel Bahrä Nägasch oder Bahr Negus – „Regent des Meeres“ – inne.

Am 15. November 1869, zwei Tage vor der Einweihung des Suezkanals, kaufte der italienische Entdecker Giuseppe Sapeto die Bucht von Assab. Dessen Gesellschaft Rubattino kaufte im März/April 1870 weiteres Gebiet beim nahegelegenen Beilul dazu, es handelt sich dabei um einen sechs Kilometer langen Streifen, einen militärisch geschützten Handelsstützpunkt. Rubattino beliefert dort Schiffe mit Kohle. Am 29. April 1870 wird der Küstenstreifen von der ägyptischen Flotte zurückerobert, die Gesellschaft zieht sich zurück, die italienische Regierung hatte es verpasst in der Zwischenzeit zur Absicherung einen Freundschaftsvertrag mit den Briten abzuschließen. Am 15. März 1880 kauft die Gesellschaft „Rubattino“ Assab zurück. Im Juli 1882 übernimmt der italienische Staat die Hafenstadt und ruft die Kolonie Assab aus.

1882 wird Ägypten von Großbritannien erobert, es droht keine Gefahr mehr für Assab, zumal sich ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Italien und Großbritannien entwickelt, da jene in Italien auch ein ihnen zugewandtes Gegengewicht zu Frankreich aufbauen wollen. Diverse Organisationen, zu denen auch die Società Geographica Italiana (gegründet 1867) und die Società di Esplorazione Commerciale (gegründet 1879) zählen, unternehmen immer wieder Expeditionen ins Landesinnere von Eritrea und Äthiopien. Ein Anstoß dafür sind auch die Berliner Verträge von 1885, in denen Italien quasi unbeachtet bleibt und keinerlei Ansprüche geltend machen kann.

Im Februar 1885 besetzen italienische Truppen mit Hilfe eines britischen Kanonenbootes die Hafenstadt Massaua, im Sommer erwirbt man den davor liegenden Dahlak-Archipel. In Asmara, der abessinischen Provinzhauptstadt, sieht man die italienische Ausbreitung mit Unbehagen, am 26. Januar 1887 überfallen abessinische Truppen in Dogali ins äthiopische Hochland vorrückende italienische Truppen, ein herber Rückschlag für das aufstrebende Italien. Das Wiedererlangen des nationalen Prestiges steht nunmehr im Zentrum italienischer Außenpolitik, die Regierung beschließt die Ausweitung des Einflusses auf das ganze Gebiet. Im August 1889 besetzten die Truppen Asmara und es erfolgte die Vereinigung und Erweiterung der Gebiete Assab und Massaua zur Kolonie Eritrea, die am 1. Januar 1890 offiziell ausgerufen wurde. Immer wieder gab es aber Probleme in den Grenzgebieten zum

Die Besiedlung, insbesondere mit Bauern, wurde kontinuierlich vorangetrieben. So wurde ihnen jeweils 20 ha Land zugewiesen und 4.000 Lire für Reise und erste Niederlassung zur Verfügung gestellt. Das Land sollte in ihren privaten Besitz übergehen, wenn binnen fünf Jahren das Geld zurückbezahlt wird. Mit politischen Gegnern ging man indessen rigoros um, das Lager Nocra wurde installiert, insbesondere unter Gouverneur Baldissera wurde besonders hart gegen Rebellen vorgegangen. 1893 wurden 400.000 Hektar Land enteignet, man führte zahlreiche Pflichten und Verbote für die Bevölkerung ein, was 1894 zu einer Revolte führte, die blutig niedergeschlagen wurde. Ein Grund, für den besonders starken Widerstand im bald folgenden Krieg um Äthiopien, der in der Schlacht von Adua ein für die italienischen Truppen katastrophales Ende nahm.

Die Schlacht von Adua wurde von der äthiopischen Armee unter Kaiser (Negus Negest) Menelik II. gegen Invasionstruppen des Königreichs Italien unter General Baratieri am 1. März 1896 bei der Stadt Adua im Norden Äthiopiens geschlagen. Sie war die wichtigste Schlacht des Italienisch-Äthiopischen Kriegs und sicherte die äthiopische Souveränität.

Am 21. Februar 1896 war der Kommandeur der italienischen Truppen, Baratieri, von der italienischen Regierung abgelöst worden. Sein Nachfolger, General Antonio Baldissera, schiffte sich am 23. Februar in Brindisi nach Massaua ein. In der Zwischenzeit entschloss sich Baratieri dazu, sich mit seinen Truppen dem abessinischen Lager bei Adua zu nähern, um dort günstig liegendes Gelände zu besetzen.

Am 29. Februar um 21:00 Uhr begannen die Italiener an vier Stellen mit diesem begrenzten Vormarsch, jedoch verliefen sich einige ihrer Verbände in der Nacht. Als sie am nächsten Morgen von den Äthiopiern entdeckt wurden, hatte die italienische Führung kein vollständiges Bild der Lage mehr, während isolierte italienische Verbände vom Gegner nach und nach geschlagen wurden. Einer der Gründe für den Erfolg der Äthiopier war, dass noch 1889 Italien selbst an Menelik Tausende moderne Gewehre für den Kampf gegen die aus dem Sudan eindringenden Mahdisten und britisch-ägyptische Ansprüche geliefert hatte. Auch die durch Alfred Ilg forcierte eigene Waffenproduktion Äthiopiens spielte eine Rolle.

Dreitausend italienische Gefangene wurden erst nach Anerkennung der vollständigen Unabhängigkeit Äthiopiens freigelassen. Die Provinz Eritrea wurde offiziell italienischer Besitz. Die italienischen Expansionsbestrebungen waren damit für die nächsten 40 Jahre unterbunden. Äthiopien blieb (neben Liberia, das allerdings von 1817 bis 1847 US-Kolonie gewesen war, und Marokko, das 1912 französisches Protektorat wurde) der einzige afrikanische Staat, der nicht unter Kolonialherrschaft stand. Adua wurde somit zu einer Niederlage stellvertretend auch für andere Kolonialmächte in Afrika. Andererseits hatte sich Äthiopiens Kaiser Menelik II. für seinen Widerstand gegen Italien erst der Rückendeckung der mit Italien rivalisierenden Großmächte Frankreich und Russland versichern müssen.

Die Niederlage führte zu einer schweren Regierungskrise in Italien und dem Sturz von Ministerpräsident Francesco Crispi.

Der Diktator Mussolini nutzte den Wunsch vieler Italiener nach „Rache für Adua“ als Propagandainstrument zur moralischen Mobilisierung der Bevölkerung vor und während seines Überfalles auf das Kaiserreich Abessinien (Italienisch-Äthiopischer Krieg (1935–1936)). Nach der Niederlage war Äthiopien bis zur Befreiung 1941 Teil der italienischen Kolonie Italienisch-Ostafrika oder Africa Orientale Italiana, abgekürzt A.O.I..

Nur 20 Jahre nach Erreichen seiner nationalen Einheit entschloss sich Italien trotz enormer Probleme im eigenen Land dazu, am Wettlauf um Afrika teilzunehmen, um so seinen Platz im Konzert der europäischen Mächte zu sichern. Trotz dieser politischen Zielsetzung waren die ersten italienischen Kolonialisierungsversuche in Ostafrika eher zögerlicher und improvisierter Natur.

Eine erste Niederlassung in der Region entstand im Jahr 1870 in der Bucht von Assab im heutigen Eritrea. Dort kaufte die Reederei Rubattino im Auftrag der italienischen Regierung ein kleines Gebiet, das aber aus wirtschaftlichen und politischen Gründen bald wieder aufgegeben wurde. Erst die Regierung Depretis interessierte sich 1882 wieder für die kleine Besitzung und übernahm es von Rubattino, womit es auch offiziell zu einer italienischen Kolonie wurde.

Die weitere Ausdehnung der Kolonialherrschaft gelang durch diplomatische Absprachen mit Großbritannien, das damit u. a. einer französischen Expansion in der Region (Dschibuti) entgegenwirken wollte. 1885 besetzte Italien die eritreische Hafenstadt Massawa (Massaua) und die davor gelegenen Inseln des Dahlak-Archipels, was beim Kaiserreich Abessinien (Äthiopien) wegen der Seezugänge zu erheblicher Beunruhigung führte.

Am 25. Januar 1887 kam es bei Saati (20 km westlich von Massawa) erstmals zu Zusammenstößen zwischen italienischen und abessinischen Truppen. 10.000 abessinische Soldaten unter Ras Alula griffen das dortige Fort an, das von zwei italienischen Kompanien und 300 Einheimischen verteidigt wurde. Nach dreistündigem Gefecht mussten sich die abessinischen Truppen zurückziehen. Am 26. Januar machte sich ein von 500 italienischen Soldaten eskortierter Nachschubkonvoi auf den Weg zum Fort Saati, wurde jedoch auf halbem Weg von Alulas Soldaten überrascht und in der Schlacht bei Dogali völlig vernichtet. Die wenigen hundert Italiener zogen sich auf die Hügel bei Dogali zurück und kämpften gegen die abessinische Übermacht, bis ihnen die Munition ausging, danach mit blanken Waffen. Der italienische Kommandeur, Oberstleutnant De Cristoforis, fiel zusammen mit 430 weiteren Soldaten.

Nach diesem Zwischenfall entsandte Italien 15.000 Soldaten nach Eritrea. Sie besetzten das evakuierte Saati und weiteten bis 1888 den italienischen Machtbereich um Massawa aus. Der Negus (Kaiser) von Abessinien nahm daraufhin Verhandlungen mit Italien auf. Man einigte sich auf den Status Quo. Italien zog bis auf eine 6.000 Mann starke Schutztruppe in Massawa seine Truppen aus der Region ab. Diese Schutztruppe unter General Antonio Baldissera stellte 1888 auch die erste italienische Askari-Truppe auf, die aus 1.900 eritreischen Soldaten bestand, jedoch von italienischen Offizieren und Unteroffizieren geführt wurde.

Kurz danach kam es in Abessinien zu einem Bürgerkrieg, bei dem Italien Kaiser Menelik II. gegen territoriale Entschädigungen unterstützte. Durch den Vertrag von Wichale/Uccialli (2. Mai 1889) erhielt Italien das Recht, das Gebiet zwischen Arafali und Asmara zu besetzen. Der Artikel 17 dieses Vertrags war eine hinterlistige Täuschung zugunsten Italiens. In der Übersetzung des Vertragstextes war die Rede davon, dass der Kaiser von Äthiopien seine Außenpolitik mit Unterstützung der italienischen Regierung führen könne, während im italienischen Text stand, dass seine Außenpolitik nur über italienische Botschaften führen dürfe, was de facto die Errichtung eines Protektorats bedeutete. Dieser nicht gültige Vertrag war letztlich der Grund für Äthiopiens Kriegserklärung.

Zwischen 1889 und 1890 setzten sich die Italiener im Süden und Nordosten Somalias fest und weiteten ihren Machtbereich dort bis 1925 stetig aus. Sie errichteten die Kolonie Italienisch-Somaliland mit Mogadischu (Mogadiscio) als Hauptstadt.

Zwischen Juni 1889 und Januar 1890 besetzten italienische Truppen Keren, Asmara und sogar Adwa, das weit jenseits der Grenzen des Vertrags von Wichale lag. 1890 gab man Adwa dem Negus jedoch wieder zurück. 1893 kündigte dieser den Vertrag von Wichale, weil er sich dem italienischen Protektoratsanspruch nicht beugen wollte.

In Italien übernahm kurz danach Francesco Crispi das Amt des Ministerpräsidenten. Crispi war ein ehemaliger italienischer Freiheitskämpfer, der sich bis zu seiner Regierungsübernahme im Jahr 1894 zu einem antiparlamentarischen Imperialisten entwickelt hatte, der eine entschiedenere italienische Kolonialpolitik forderte. Ähnlich dachte auch sein Statthalter in Eritrea, der autoritäre General Oreste Baratieri. Die Spannungen zwischen Italien und Abessinien spitzten sich immer mehr zu.

Bereits am 21. Dezember 1893 war eine aus 10.000 Mann bestehende Streitmacht unter Amir Ahmed Ali bei der italienischen Festung von Agordat geschlagen worden. Im Sommer 1894 griff Baratieri in den Mahdi-Aufstand an der äthiopisch-sudanesischen Grenze ein und eroberte am 17. Juli Kassala. Im Dezember fiel Baratieri in die äthiopische Provinz Tigray ein. Am 13. bzw. 15. Januar 1895 schlug er die Truppen von Ras Mangasha bei Coatit und Senafé, bis Oktober besetzte er dann den Rest der Gegend.

Kaiser Menelik II. griff nun zu Gegenmaßnahmen: Er hob im ganzen Land frische Truppen aus und kaufte Waffen und Munition in Russland und Frankreich. Im November 1895 marschierte der Negus mit 150.000 Mann von Addis Abeba nach Eritrea. Auf dem Weg dorthin griff er mit 30.000 Mann auch einen italienischen Militärstützpunkt auf dem Amba Alagi an. Die dort stationierten 2.400 Soldaten verteidigten sich unter ihrem Kommandeur, Major Pietro Toselli, bis zur letzten Patrone und wurden dann (bis auf 600 Mann) niedergemacht. Am 21. Januar 1896 eroberte Menelik nach zweiwöchiger Belagerung das Fort von Makallé zwischen dem Amba Alagi und Adwa.

Italien beorderte nun hastig zusammengewürfelte Verstärkungen nach Eritrea. Im Februar 1896 standen auf den Höhenzügen von Saurià (westlich von Adwa) 10.000 italienischen Soldaten und 7.000 Askaris etwa 120.000 Männer Meneliks gegenüber. Angesichts des Kräfteverhältnisses, der geringen Ortskenntnisse und der Nachschubprobleme seiner Truppen hielt sich Baratieri zunächst zurück. Wegen seiner Vorsicht wurde er schon am 21. Februar 1896 von der italienischen Regierung abgelöst. Sein Nachfolger, General Antonio Baldissera, schiffte sich am 23. Februar in Brindisi nach Massawa ein. In der Zwischenzeit entschloss sich Baratieri dazu, sich mit seinen Truppen dem abessinischen Lager bei Adwa zu nähern, um dort günstig liegendes Gelände zu besetzen. Am 29. Februar um 21.00 Uhr begannen die Italiener an vier Stellen mit diesem begrenzten Vormarsch, jedoch verliefen sich einige ihrer Verbände in der Nacht. Als sie am nächsten Morgen von den Äthiopiern entdeckt wurden, hatte die italienische Führung kein vollständiges Bild der Lage mehr, während isolierte italienische Verbände vom Gegner nach und nach geschlagen wurden. Dieser Sieg Äthiopiens ging in die Geschichte ein als die Schlacht von Adwa. 4.900 italienische Soldaten und 1.000 Askaris fielen, 500 Italiener und 1.000 Askaris wurden verwundet, 1.900 Italiener und 800 Askaris gingen in Gefangenschaft. Auf äthiopischer Seite waren 7.000 Mann gefallen und 10.000 verwundet. Auf Grund eigener Nachschubprobleme zog sich der Negus zurück und nutzte Adwa nur für spätere Verhandlungen mit den Italienern.

Nach dieser Niederlage kam es in Italien zur Krise. Crispi trat zurück und mit ihm endete vorläufig auch die imperiale Kolonialpolitik. Baratieris Nachfolger Baldissera erreichte Massaua am 4. März. Er reorganisierte seine Truppen und holte die italienischen Gefangenen zurück nach Eritrea. Am 26. Oktober 1896 unterzeichneten beide Seiten einen Friedensvertrag, in dem Italien die volle Unabhängigkeit Äthiopiens anerkannte.

In den Jahren nach Adwa verzichtete nicht nur Italien, sondern auch die anderen europäischen Kolonialmächte darauf, Äthiopien zu erobern. Frankreich und Großbritannien hatten Ende des 19. Jahrhunderts in Tunesien und Ägypten keine Rücksicht auf die Interessen Italiens im Mittelmeer genommen. Obwohl das strategisch wichtige Britisch-Somaliland isoliert lag, machte Großbritannien keine Anstalten, dieses Gebiet am Roten Meer über das fruchtbare abessinische Hochland mit seinen anderen afrikanischen Kolonien territorial zu verbinden. Die britische Kolonialpolitik verfolgte in diesen Jahren das Ziel, die Linien Kairo-Kapstadt und Kairo-Indien zu sichern, weswegen u. a. auch der Sudan unterworfen wurde, um auf diesem Weg die fehlende Verbindung nach Kenia herzustellen. Mit der Besetzung Äthiopiens hätte Großbritannien nicht nur die Isolation Britisch-Somalilands beendet, sondern auch seine strategischen Verbindungen gegen italienische Bedrohungen sichern können. Auch Frankreich hatte in den Jahrzehnten vor der britischen Eroberung des Sudan darauf verzichtet, seine strategisch besonders wichtige Besitzung Dschibuti mit seinem Kolonialreich in West- und Zentralafrika zu verbinden. Erst das faschistische Italien ließ sich 1935 endgültig dazu hinreißen, seine ostafrikanischen Kolonien durch die Eroberung Äthiopiens abzurunden und dabei den riskanten Angriff auf das zerklüftete, militärisch hochproblematische abessinische Gebirgsland zu wagen.

Strategisch noch problematischer war der Umstand, dass Großbritannien mit Gibraltar, Malta und Sues das Mittelmeer und die Verbindung von dort zum Roten Meer (sowohl über Sues als auch über Gibraltar und das Kap der Guten Hoffnung) kontrollierte und damit Italien und besonders auch seine ostafrikanischen Kolonien faktisch in der Hand hatte.

Als Benito Mussolini 1935 mit der Eroberung Äthiopiens begann (Italienisch-Äthiopischer Krieg, vom Völkerbund verurteilt, das Embargo wurde unterlaufen), riskierte er einen Krieg mit Großbritannien. Während die britische Regierung – ein National Government unter Stanley Baldwin – die Home Fleet ins Mittelmeer schickte, massierte Mussolini an der libysch-ägyptischen Grenze Truppen, um Sues und damit die britische Herrschaft im Mittelmeer zu bedrohen. Großbritannien ließ es schließlich aus politischen Gründen zu, dass Mussolini mit 330.000 italienischen Soldaten – der größten außerafrikanischen Armee, die je in Afrika agierte – und 87.000 Askaris von Eritrea und Somalia aus Abessinien eroberte und bei den Kämpfen gegen die 500.000 Mann des äthiopischen Kaisers auch Giftgasbomben einsetzte. Auch die Zivilbevölkerung und landwirtschaftliche Flächen wurden massiv mit Senfgas bombardiert, was einen Verstoß gegen das auch von Italien im Jahr 1928 ratifizierte Genfer Protokoll bedeutete. Der damals von vielen (u. a. Hitler) bewunderte italienische Mut stand somit auch mit Großbritannien in Zusammenhang und nicht nur mit Äthiopien. Obwohl Addis Abeba fiel, hatten die Italiener zu keiner Zeit das gesamte äthiopische Gebiet unter Kontrolle.

Die Entscheidung der britischen Führung, die italienische Invasion zuzulassen, brachte Großbritannien in den kommenden Jahren im Mittelmeerraum in eine ähnlich problematische Lage wie Italien. Italien hatte in Ostafrika 1936 ein recht großes Kolonialgebiet, das jedoch vom Mutterland völlig isoliert lag. Allerdings stellte es eine gewisse Bedrohung der britischen Verbindungen zwischen Kairo, Kapstadt und Indien dar. Wirklich bedrohlich für Großbritannien war jedoch, dass Italien von der libyschen Kyrenaika und von Ostafrika aus den Sudan, Ägypten, den Sueskanal, also ganz Nordostafrika und somit die britische Kontrolle über das Mittelmeer und die Seeroute nach Britisch-Indien in Gefahr bringen konnte.

1940 zeigte sich dann, dass Italiens unzureichend motorisierte und gepanzerte Truppen im nordafrikanischen Wüstenkrieg keine wirkliche Bedrohung für das britisch kontrollierte Ägypten und den Sueskanal darstellten. Auch in Ostafrika konnten die isolierten italienischen Verbände gegen die aus Indien und anderen Teilen des Empires kommenden Commonwealth-Truppen letztlich kaum auf einen strategischen Erfolg (Sudan, Libyen, Ägypten) hoffen, vor allem nicht, wenn es in Nordafrika zu keinem gleichzeitigen Vormarsch nach Osten und Südosten kam.

Italien konnte in Ostafrika 1940 gegen Großbritannien gewisse Erfolge erzielen (Besetzung von Britisch-Somaliland in kurzer Zeit). Dieser und der anschließend an verschiedenen Stellen teilweise kühn geführte Kampf gegen den alliierten Gegenangriff können nicht über die zum Teil katastrophale Vorbereitung, Planung und Führung des Krieges durch das faschistische Regime hinwegtäuschen.

Vor allem wegen der Aufstände gegen die faschistische Herrschaft in Äthiopien waren dort beträchtliche italienische Truppenkontingente stationiert (vgl. Italienische Kriegsverbrechen in Afrika). 1937 standen statt der vorgesehenen 100.000 Soldaten 135.000 italienische Soldaten und 120.000 Kolonialtruppen auf äthiopischem Boden, im Mai 1940 waren es dann insgesamt 285.000 Soldaten, davon 85.000 Italiener (etwas später dann 91.000). Diese Truppen sollten (und mussten) im Falle eines Kriegs auf sich allein gestellt kämpfen. Ihr Befehlshaber, Marschall Rodolfo Graziani, forderte im Dezember 1937 u. a. drei Panzerbrigaden (praktisch die ganze damalige italienische Panzertruppe) zur wirksamen Verteidigung des Gebiets, was mit der Begründung abgelehnt wurde, er solle sich vorrangig um die innere Sicherheit kümmern. Erst im Mai 1940 trafen 50 minderwertige Panzer (11 Tonnen (Fiat M11/39) bzw. 5 Tonnen) und einige Artilleriegeschütze ein. Wegen mangelnder Motorisierung konnten sich die zahlenmäßig starken italienischen Verbände kaum auf angemessene Weise in den enormen Operationsräumen bewegen. Die ständigen Aufstände banden darüber hinaus einen großen Teil dieser Verbände in Äthiopien. Die Nachschublage war weit davon entfernt, die „autonome“ Kriegsführung (vorgesehene Dauer: ein Jahr) zu ermöglichen. Die Italiener und ihre Eritreer konnten mit diesen Verbänden gerade noch Aufstände niederschlagen, aber keinen modernen Krieg gegen eine Großmacht führen. Italienische Anfangserfolge wurden dadurch begünstigt, dass Großbritannien zunächst sehr wenige Truppen in der Region stationiert hatte (fast 20.000). Im Gegensatz zu den Italienern konnten diese jedoch laufend verstärkt (+60.000) und versorgt werden.

Nach Mussolinis Kriegserklärung am 10. Juni 1940 eroberten die Italiener zunächst das strategisch wichtige Kassala im Südosten des Sudans und einige kleinere, als günstig erachtete Stellen an den Grenzen zum britischen Kenia (Moyale) und zum französischen Dschibuti. Obwohl man befürchtete, dass das zum Vichy-Frankreich gehörende Dschibuti von den Briten als künftige Operationsbasis besetzt werden könnte, verzichtete man hier vertragsgemäß auf einen Angriff. Britisch-Somaliland war hingegen ab dem 3. August 1940 das Ziel eines ersten großen italienischen Angriffs. Die wenigen Bataillone (darunter ein Bataillon des schottischen Black-Watch-Regiments) des britischen Generals Arthur Reginald Chater versuchten an einer Bergkette 60 km hinter der Grenze eine wirksame Verteidigung aufzubauen, scheiterten aber bei Tug Argan nach vier Tagen schwerer Kämpfe an den 26 Bataillonen des italienischen Generals Guglielmo Nasi. Nach der Besetzung Britisch-Somalilands hatten die Commonwealth-Truppen 250 Mann verloren, die Italiener und ihre Askaris 205.

Sechs Monate später, im Februar 1941, startete Großbritannien von Kenia aus eine Gegenoffensive in Richtung Italienisch-Somaliland. Der italienische Widerstand gegen den britischen Vormarsch war zunächst sporadisch und wenig effektiv, später brach er angesichts der mangelnden Motorisierung und Luftunterstützung völlig zusammen. General Cunninghams motorisierte Truppen stießen nach der Besetzung Mogadischus weiter in das äthiopische Tiefland (Ogaden) vor.

Zur gleichen Zeit griffen britische Truppen unter Lieutenant-General William Platt vom Sudan aus an, wodurch Abessinien in eine strategische Zange genommen werden konnte. Die Italiener zogen sich in isolierte und leichter zu verteidigende Gebiete zurück, auch weil die britischen Truppen von einheimischen Rebellen sehr effektiv unterstützt wurden. Dabei kam es u. a. auch zum Massaker von Dire Dawa (80 km nordwestlich von Harar), wo die vollständige Auslöschung der italienischen Bevölkerung nur durch eine Intervention des britischen Generals Harry Edward de Robillard Wetherall verhindert werden konnte (im weiteren Verlauf ersuchten die Italiener die britischen Truppen mehrmals, bestimmte Gebiete schnell zu besetzen, um weitere Massaker an der italienischen Zivilbevölkerung zu verhindern). Ende März 1941 hielt der italienische Vizekönig, Amadeus III. von Savoyen-Aosta, einen weiteren italienischen Widerstand bei Addis Abeba für unmöglich. Er zog sich mit 7.000 Mann auf den Amba Alagi zurück, wo schon 1895 die 2.400 Mann des Majors Pietro Toselli bis zur letzten Patrone gekämpft hatten. Erst jetzt fingen die Italiener an, sich entschlossen zu wehren. Bei Keren scheiterte der britische Vormarsch nach Massawa zwei Monate lang am Widerstand der Truppen des italienischen Generals Nicolangelo Carnimeo. Von El Alamein (Fallschirmjägerdivision „Folgore“ und Panzerdivision „Ariete“) und Enfidaville (Infanteriedivision „Trieste“) abgesehen, kämpften die italienischen Truppen im Zweiten Weltkrieg nirgendwo so entschlossen und diszipliniert gegen die Truppen des Empire wie in Keren, auf dem Amba Alagi und um Gondar. Insgesamt blieb der entschlossene italienische Widerstand jedoch auf einige wenige Orte und Personen (Amedeo Guillet) beschränkt, in vielen anderen Gegenden zeigten die italienischen Offiziere und ihre Truppen einen vergleichsweise geringen Kampfgeist, was zum Teil bis zu Verweigerungen von Befehlen des Vizekönigs (so bei der befohlenen Verteidigung der Bergpässe bei Harar und anderer Schlüsselstellungen) führte. Der vereinzelte entschiedene italienische Widerstand endete im November 1941 mit dem Fall von Gondar.

Der Siegestag der Schlacht von Adua ist bis heute ein äthiopischer Feiertag.

Der 1897 als Gouverneur von Eritrea installierte Martini zeigt sich deutlich loyaler als sein Vorgänger, er kämpft gegen Korruption und führt Ordnung ein. Es konnte ein Übergang von einer Militär- zu einer Zivilregierung konstatiert werden. Positive Erscheinungen für die Kolonie waren ein Aufschwung der Wirtschaft, eine zunehmende Verstädterung (Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Eisenbahn), ein Aufkommen neuer Sozialklassen und eine Modernisierung. Negativ hervorzuheben sind die Ausbeutung der Eritreer als billige Arbeitskräfte und Soldaten, die Leoparden- und Antilopenjagd zum Fellverkauf und dass Eritrea eigentlich nur als Aufmarschbasis für spätere Vorhaben in Äthiopien diente.

Im Zweiten Weltkrieg war Eritrea zunächst mit dem besetzten Kaiserreich Abessinien, der Kolonie Italienisch-Somaliland und dem Gebiet Oltre Giuba in das italienische Kolonialgebiet Italienisch-Ostafrika vereinigt.

Ab dem 2. April 1941 jedoch eroberte Großbritannien Eritrea, nachdem die Italiener sich am 1. April in Asmara geschlagen geben mussten. Großbritannien übernahm für den Rest des Krieges die Herrschaft in Person von General Platt als General Officer Commanding in Eritrea (G.O.C.E.).

Am 2. Dezember 1950 verlängerte die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der Resolution 390(V)A das britische Mandat über Eritrea, welches Italien im Vertrag von 1947 anerkannt hatte. Eritrea wurde am 15. September 1952 in die Obhut der kurz davor gegründeten Vereinten Nationen übergeben.

1947 fanden Wahlen statt, bei denen christliche Pro-Einheits-Parteien (darunter auch die Neue Eritrea-Partei) gewannen. 1950 hatte die UNO unilateral auf eine so genannte Föderation mit dem Kaiserreich Abessinien bestanden, die später erzwungen wurde. Die Autonomie Eritreas wurde von Abessinien Stück für Stück aufgehoben, beispielsweise durch die Herabstufung der autonomen Regierung zu einer Verwaltungsbehörde am 20. Mai 1960, bis 1961 das Kaiserreich endgültig Eritrea besetzte und das Land annektierte, nachdem sich das Parlament selbst aufgelöst hatte.

1961 entstand die Eritreische Befreiungsfront (ELF). 1970 spaltete sich von dieser die Eritreische Volksbefreiungsfront (EPLF) ab. Die äthiopische Regierung erhielt zeitweise Unterstützung von sowjetischen, kubanischen, israelischen und amerikanischen Truppen und Militärberatern, konnte die Befreiungsbewegung aber nicht ausschalten. Weitere Unabhängigkeitsbewegungen entstanden, der Konflikt spitzte sich nach dem Sturz der Monarchie weiter zu.

1989 begann die Eritreische Volksbefreiungsfront mit einer großangelegten Offensive gegen die äthiopischen Truppen. 1991 besiegte die eritreische Volksbefreiungsfront zusammen mit äthiopischen Widerstandsgruppierungen die äthiopische Armee. Dann unterstützte sie die äthiopischen Rebellen, um die äthiopische Regierung in der Hauptstadt Addis Abeba zu übernehmen. Im April 1993 kam es zu einem Referendum, in dem 99,8 % für die Unabhängigkeit Eritreas stimmten und am 24. Mai 1993 wurde die Unabhängigkeit proklamiert.

Die Beziehungen zu Äthiopien blieben gespannt. 1998 erklärte Äthiopien Eritrea den Krieg, nachdem es zu einem Grenzzwischenfall gekommen war. Im Eritrea-Äthiopien-Krieg kam es zu schweren Kämpfen, insbesondere um das eigentlich bedeutungslose Grenzgebiet Yirga, das nach eritreischer Auffassung zur Region Gash-Barka, nach äthiopischer dagegen zu Tigre gehört.

Der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea dauerte vom 6. Mai 1998 bis zum 18. Juni 2000 und endete mit der äthiopischen Besetzung der umstrittenen Gebiete. Der anschließende Waffenstillstand wurde im Abkommen von Algier vereinbart.

Eritrea wurde Ende des 19. Jahrhunderts italienische Kolonie (die Kolonie Eritrea), während Äthiopien (Kaiserreich Abessinien) seine Unabhängigkeit verteidigen konnte. Zu dieser Zeit wurden auch die entscheidenden Grenzverträge zwischen der Eritrea beherrschenden italienischen Kolonialmacht und Äthiopien geschlossen, die später Auswirkungen auf den Grenzkonflikt haben sollten. Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges bildete Eritrea ab 1952 eine Konföderation mit Äthiopien, seine nominelle Eigenständigkeit wurde aber zunehmend eingeschränkt. Vor allem unter der marxistisch-leninistischen Derg-Militärregierung unter Mengistu Haile Mariam bildete sich Widerstand in Eritrea wie auch in weiteren Regionen Äthiopiens, so im angrenzenden Tigray. Der Kampf gegen den gemeinsamen Feind einte die äthiopischen und eritreischen Rebellen, die eine gute Zusammenarbeit entwickelten. 1991 gelang den Rebellen der Sturz des Derg-Regimes.

So erhielt Eritrea nach dreißigjährigem Unabhängigkeitskrieg 1993 schließlich friedlich die Unabhängigkeit von Äthiopien, obwohl Äthiopien dadurch seinen direkten Meereszugang verlor und zu einem reinen Binnenstaat wurde. Wirtschaftlich waren beide Staaten zunächst um eine enge Zusammenarbeit bemüht. So schlossen beide Länder einen Kooperationsvertrag, in dem sie einen zollfreien Handel vereinbarten. Außerdem behielt Eritrea die äthiopische Währung Birr bei und bildete so eine Währungsunion mit Äthiopien. Als Ausgleich für den Verlust des Meereszuganges wurde die eritreische Stadt Assab zum Freihafen erklärt, über den Äthiopien seine Güter zollfrei einführen konnte und auch die Nutzung der Raffinerie in Assab wurde Äthiopien im Austausch gegen 30 % des äthiopischen Erdöls gewährt.

Schon mit der Unabhängigkeit Eritreas setzten jedoch die ersten Grenzstreitigkeiten ein. Die Grenze war zwar 1900, 1902 und 1908 zwischen Großbritannien, dem Königreich Italien und Kaiserreich Abessinien ausgehandelt worden. Äthiopien argumentierte aber, dass diese Verhandlungsergebnisse niemals umgesetzt worden waren, manche Gebiete auch danach von Äthiopien verwaltet wurden und somit nicht zur italienischen Kolonie Eritrea gehörten. Als Eritrea schließlich auch nach größerer wirtschaftlicher Unabhängigkeit strebte, nahmen die Auseinandersetzungen weiter zu. Ende 1996 erhöhte Eritrea die Nutzungsgebühren für die Raffinerie in Assab um 10 %, daraufhin stellte Äthiopien die Förderung eigenen Erdöls ein und importierte stattdessen fertige petrochemische Produkte. Dadurch musste Eritrea seine unrentable Raffinerie schließen und von nun an seine petrochemischen Produkte zu importieren. Im November 1997 führte Eritrea eine eigene Währung, den Nakfa, ein und beendete damit die Währungsunion mit Äthiopien. Eritrea wollte aber die von der äthiopischen Zentralbank bereitgestellten Birr-Banknoten weiter verwenden, woraufhin Äthiopien mit der Einführung neuer Birr-Noten reagierte und alle Handelsprivilegien Eritreas strich.

Durch die wirtschaftlichen Streitigkeiten nahmen auch die Auseinandersetzungen über die ungeklärte Grenzziehung wieder zu. Im Juli 1997 besetzten äthiopische Einheiten Gebiete um die Stadt Adi Murug und ersetzten die lokale Verwaltung durch eine äthiopische Verwaltung. Daraufhin wurde zwischen beiden Ländern zwar die Bildung einer Grenzkommission beschlossen, was aber den Krieg nicht abwendete. Am 8. Mai 1998 forderte ein Schusswechsel zwischen Einheiten Äthiopiens und Eritreas auf beiden Seiten Todesopfer. Welche Seite den Schusswechsel begonnen hatte, ist bis heute ungeklärt, jedenfalls besetzten am 12. Mai 1998 eritreische Einheiten das ca. 400 km² große Yirga-Dreieck im Grenzgebiet. Äthiopien forderte den sofortigen Abzug Eritreas und reagierte, indem es Militäreinheiten in die Region schickte. Außerdem wurde ein totaler Wirtschaftsboykott gegen Eritrea verhängt, woraufhin Eritrea die Häfen Massawa und Assab für Äthiopien sperrte, über die Äthiopien zwei Drittel seines Außenhandels abwickelte.

Als Reaktion auf den Wirtschaftsboykott ordnete Eritrea die Mobilmachung seiner Armee an. Kurz darauf besetzten eritreische Einheiten weitere Gebiete in Grenznähe. Am 5. Juni erfolgten die ersten Luftangriffe. Äthiopien bombardierte den Flughafen der eritreischen Hauptstadt Asmara und Eritrea die äthiopische Stadt Mekele, Provinzhauptstadt der Region Tigray. Auch am Boden kam es zu mittlerweile heftigen Kämpfen um die umstrittenen Gebiete. Der damalige Präsident der USA, Bill Clinton, vermittelte schließlich die Einstellung der Luftangriffe am 15. Juni 1998. Auch die Kämpfe am Boden flauten zunächst ab, da die Regenzeit einsetzte und diese Truppenbewegungen beinahe unmöglich machte.

In dieser Phase des Krieges rüsteten beide Staaten enorm auf. Die Truppenstärke Eritreas vervierfachte sich auf 200.000 Mann und die Truppenstärke Äthiopiens wurde auf 300.000 Mann mehr als verdoppelt. Die Rüstungsausgaben beider Staaten betrugen zwischen Mai 1998 und Februar 1999 geschätzte 600 Millionen US-Dollar – eine sehr hohe Summe in Anbetracht der Tatsache, dass Äthiopien und Eritrea zu den ärmsten Ländern der Welt gehören. Äthiopien wies außerdem ca. 70.000 in Äthiopien wohnhafte eritreische Staatsbürger aus und beschlagnahmte deren Vermögen. Äthiopien beschuldigte zwar Eritrea, auch äthiopische Staatsbürger ausgewiesen zu haben, Vermittler der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) konnten dies jedoch nicht bestätigen.

Nach sieben Monaten eskalierte der Krieg wieder. Vor allem zwischen Februar und März 1999 gab es tausende Tote bei Grenzgefechten. Als sich die eritreischen Einheiten Ende Februar schließlich vor der äthiopischen Übermacht aus der Stadt Badme zurückziehen mussten, war der eritreische Präsident Isayas Afewerki zur Annahme eines Friedensplanes der OAU bereit, den er kurz zuvor noch strikt abgelehnt hatte. Nun weigerte sich jedoch Äthiopien, den Friedensplan anzunehmen. Im April begann Äthiopien mit der Bombardierung der eritreischen Hafenstädte Massawa und Assab und brach damit den Vertrag vom Juni 1998.

Erst in der Regenzeit von Juli bis September flauten die Kämpfe wieder ab und gaben den OAU-Vermittlern erneut Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des Konflikts. Eritrea stimmte dem Plan der OAU zwar zu, der äthiopische Präsident Meles Zenawi sträubte sich jedoch erneut dagegen und lehnte den Plan im Dezember 1999 schließlich endgültig ab. Trotzdem kam es bis zum Mai des folgenden Jahres nur gelegentlich zu Schusswechseln. Am 12. Mai 2000 startete die äthiopische Armee jedoch eine Großoffensive und schaffte es binnen zweier Wochen, alle umstrittenen Gebiete zu besetzen. Am 26. Mai erklärten beide Seiten ihr Einverständnis zu einem Waffenstillstand. Dennoch wurden die Artilleriegefechte und äthiopischen Luftangriffe in den darauffolgenden Tagen mit unverminderter Heftigkeit fortgeführt. Auch als der äthiopische Präsident am 31. Mai 2000 die Beendigung aller Kampfhandlungen erklärte und die Friedensverhandlungen der OAU in Algier begannen, endeten die Kämpfe nicht. Erst als die Außenminister beider Staaten am 18. Juni 2000 ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichneten, wurden die Kämpfe beendet.

Im Waffenstillstandsvertrag wurde vereinbart, dass das 4.000 Mann starke UNO-Kontingent UNMEE den Abzug der Streitkräfte auf die Positionen vor dem Krieg überwacht. Außerdem wurde eine temporäre Sicherheitszone zwischen den beiden Staaten errichtet und eine Grenzkommission eingesetzt, die den genauen Verlauf der Grenze klären soll. Im April 2002 regelte die EEBC-Grenzkommission als Schlichterin den Verlauf der Grenzlinie anhand der bereits erwähnten Kolonialverträge „endgültig und bindend“. Das umstrittene Gebiet um die Stadt Badme wurde Eritrea zugesprochen, was dazu führte, dass Äthiopien protestierte und eine Korrektur des Schiedsspruchs verlangte. Bis zum heutigen Tag (2011) konnte die geplante Umsetzung der Grenzdemarkierung deswegen nicht vollzogen werden. Sämtliche UN-Truppen, die zur Friedenssicherung abgestellt worden waren, wurden von Eritrea aus Protest gegen die äthiopische Blockadehaltung massiv in ihrer Arbeit behindert und sind inzwischen allesamt abgezogen worden. Weiterhin stehen sich beide Staaten somit feindlich und schwer bewaffnet gegenüber. Die Zahl der Opfer des Krieges ist unklar: Die Angaben bzw. Schätzungen liegen zwischen 19.000 Opfern auf eritreischer und 34.000 auf äthiopischer Seite bis zu auf beiden Seiten jeweils rund 150.000 Opfern. Die Zahl von 19.000 eritreischen Opfern basiert auf Angaben der Regierung; Äthiopien hat keine Angaben über eigene Verluste veröffentlicht. Außerdem wurden ca. eine Million Eritreer zu Flüchtlingen, was ungefähr einem Drittel der eritreischen Bevölkerung entspricht. Äthiopien gibt die Zahl der äthiopischen Flüchtlinge mit 350.000 an. Beide Staaten wurden durch den Krieg und die Rüstungsausgaben in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung weit zurückgeworfen. Die jeweiligen Machteliten um Meles Zenawi und Isayas Afewerki wurden jedoch durch eine Welle des Nationalismus in ihren Positionen gestärkt.

Die eritreisch-äthiopischen Beziehungen sind auch weiterhin gespannt, sodass manche Beobachter einen weiteren Krieg befürchten. Beide Staaten tragen zudem ihre Streitigkeiten als „Stellvertreterkrieg“ in Somalia weiterhin aus, indem sie miteinander verfeindete Parteien im somalischen Bürgerkrieg unterstützen.

Im Mai 2000 weigerte sich Äthiopien, an Friedensverhandlungen mit Eritrea teilzunehmen, und begann seine dritte Offensive. Nach deren teilweisem Scheitern kam es im Juni zu einem Waffenstillstandsabkommen und im Dezember wurde der algerische Friedensplan von beiden Seiten angenommen und unterschrieben, nachdem die äthiopische Armee rund ein Drittel Eritreas erobert hatte und dieses von der eritreischen Armee wieder zurückerobert wurde. Nach dem Friedensplan sollte eine unabhängige Grenzkommission in Den Haag über den strittigen Grenzverlauf entscheiden. Im Oktober 2003 akzeptierte Äthiopien deren Schiedsspruch jedoch nicht.

2006 und 2007 wurde Eritrea beschuldigt, in Somalia die Äthiopien feindlich gegenüberstehende Union islamischer Gerichte zu unterstützen. Es wurde befürchtet, der Bürgerkrieg in Somalia könnte sich zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Äthiopien und Eritrea entwickeln.

Die Religionszugehörigkeit ist für Christen und Moslems identitätsstiftend und teilt die Bevölkerung in zwei Lager. Zu offenen Konflikten um den Glauben ist es in der eritreischen Geschichte aber bisher nicht gekommen, die meisten Bevölkerungsgruppen wurden bis zur Unabhängigkeit durch das verbindende Ziel eines eigenen Staates zusammengehalten. Streitigkeiten zwischen ihnen werden seither durch die Einparteienregierung unter Isayas Afewerki mit Machtmitteln, die die Freiheitsrechte einschränken, unterdrückt.

Tschad liegt in Zentralafrika mit Grenzen zu Libyen, Niger, Nigeria, Kamerun, Zentralafrikanischer Republik und Sudan. Das Land besteht etwa zu einem Drittel aus der Sahara im Norden, der ariden Sahelzone in der Mitte und dem tropisch-feuchten Süden.

Im Vielvölkerstaat Tschad kämpften Ende der 1970/Anfang der 1980er Jahren verschiedene Fraktionen um die politische und wirtschaftliche Macht. Der ehemalige lybische Staatspräsident Gaddafi unterstützte die moslemischen Gruppen, die ihren Rückhalt hauptsächlich unter den Toubou des Tibesti-Gebirges hatten. Dabei ging es ihm aber nicht nur um Hilfe für die Glaubensbrüder, sondern er versuchte auch alte libysche Gebietsansprüche auf den nördlichen Aouzou-Streifen durchzusetzen. Die Rebellen wurden in Südlibyen ausgebildet und mit Infanteriewaffen versorgt. Zusätzlich kamen aber auch kleinere Einheiten der Islamischen Legion zum Einsatz. Da sich in ihren Reihen viele Flüchtlinge aus dem Tschad befanden, konnte man diese Aktionen gut als die von „Freiheitskämpfern“ ausgehen. Im Laufe der Jahre wuchs jedoch das libysche Engagement, bis schließlich einige tausend Soldaten im Norden des Tschads standen und feste Basen im Aouzou-Streifen errichteten. Auf internationalen Druck hin wurden die Kämpfe immer wieder unterbrochen und es wurde der Versuch unternommen, auf dem Verhandlungsweg zu einer Lösung zu kommen.

1979 konnten dann die beiden Toubou-Rebellenführer Habré und Goukouni in N’Djamena die Macht übernehmen. Bald kam es jedoch auch zwischen ihren Truppen zu Zusammenstößen, und Goukouni wurde mit seinen Anhängern aus der Hauptstadt vertrieben. Habré war sehr antilibysch eingestellt und dachte gar nicht daran Gaddafis Ansprüche auf den Aouzou-Streifen anzuerkennen. Dieser schloss daraufhin mit Habrés Konkurrenten Goukouni, der offiziell als Präsident galt, ein Freundschaftsbündnis und schickte Truppen in großer Zahl.

Neben gut 7.000 Mann der libyschen Armee kamen nun auch 7.000 Legionäre zum Einsatz. In Libyen ging man deshalb in großem Stil dazu über Arbeitsimmigranten und Flüchtlinge mit Täuschung und Zwang zu rekrutieren und ohne Ausbildung an die Front zu werfen. Die französische Zeitung Le Monde schrieb darüber: „Das Expeditionskorps von 15.000 Mann, das in den Tschad geschickt worden war, war eine sehr gemischte Gruppe, von äußerst begrenzten strategischen Fähigkeiten und wenig Motivation. Einige waren Berufssoldaten, dazu eine große Zahl schlecht ausgebildeter Reservisten; der Rest Ausländer. Araber oder Afrikaner, Söldner, die sich selbst verachteten; arme Teufel, die nach Libyen auf der Suche nach Arbeit gekommen waren und mit mehr oder weniger Gewalt dazu gezwungen worden waren sich zu melden und nun in einer unbekannten Wüste kämpfen sollten.“

Für weiteren Nachschub an Käpfern sorgten die libyschen Volksbüros, die in befreundeten Staaten unterhalten wurden und nun in großem Stil damit begannen Söldner zu rekrutieren. Man warb dabei nicht nur in arabischen Staaten, sondern auch in Westafrika, Bangladesch und Pakistan. Mit der Wahrheit nahm man es dabei nicht so genau. Viele „Freiwillige“ unterzeichneten Arbeitsverträge und dachten, sie würden in der Ölindustrie gutes Geld verdienen. So sollen 1981 einige tausend Pakistaner als Gastarbeiter nach Libyen geholt worden sein, um dann im Tschad zu kämpfen.

Habrés Truppen den libyschen Flugzeugen und Panzern nichts entgegen zu setzen. Sie mussten sich geschlagen in den Sudan zurückziehen, setzten aber von dort aus den Kampf fort. Gaddafi konnte nun seinen ersten großen Sieg feiern und verkündete kurz darauf die Vereinigung des Tschads mit Libyen. Allerdings kam dies bei der Bevölkerung nicht gut an. Die Libyer bevorzugten in allem die arabische Minderheit und versuchten das Land radikal zu arabisieren. Besonderen Unwillen erregte, dass zur Vereinigung der „untrennbaren Völker“ im Norden einheimische Frauen mit libyschen Soldaten verheiratet wurden. Dabei verstand sich von selbst, dass Toubou-Männer dafür natürlich niemals libysche Frauen erhielten. Diese Praxis wurde mit gutem Grund als rassistisch empfunden.

Bald kam es zu schweren Kämpfen zwischen der von Goukouni geführten GUNT und der Islamischen Legion, die den Großteil der Besatzungstruppen stellte. Die Legion hatte dabei schwere Verluste sowohl im Gefecht wie auch durch Desertionen zu beklagen. Schwerer wog allerdings der politische Druck der afrikanischen Staaten, und als dann auch noch Goukouni den Abzug der Libyer forderte, zogen sich diese Ende 1981 in den Aouzou-Streifen zurück.

Die inneren Kämpfe und die allgemeine Unzufriedenheit nutzte Habré zu einem Einfall in den Osttschad. Gestärkt durch neue Allianzen eroberte er die Hauptstadt N’Djamena, den ganzen Süden und schließlich sogar die strategisch wichtige Oase Faya-Largeau im Norden, so dass die GUNT völlig ins Tibesti-Gebirge zurückgedrängt wurde.

Dies provozierte im Juni 1983 eine neue Offensive der Libyer mit der GUNT. Die Legion war daran nur gering beteiligt, da anscheinend erst noch die schweren Verluste von 1981 ersetzt werden mussten. Die Kämpfe konzentrierten sich auf Faya-Largeau, das mehrmals den Besatzer wechselte. Habré reorganisiert die verschiedenen Milizen nun als FANT, die ausgesprochen gut kämpfte. Dennoch konnte eine libysche Großoffensive nur durch massives französisches Eingreifen abgewehrt werden.

Der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser hatte schon 1965 vor einer zu schnellen arabischen Vereinigung ohne vorangegangene wirtschaftliche Integration gewarnt. Nach Ägyptens Niederlage im Sechstagekrieg 1967, die ein Scheitern seiner Politik bedeutete, zog Nasser die ägyptischen Soldaten auch aus dem Nordjemenitischen Bürgerkrieg zurück, von Ägypten gingen zunächst keine Vereinigungsprojekte mehr aus. Libyen trat erst danach als panarabischer Akteur und Initiator arabischer Vereinigungsprojekte in Erscheinung.

Am 1. September 1969 putschte unter Führung Muammar al-Gaddafis eine Gruppe junger, proägyptischer Offiziere in Libyen und stürzte die Monarchie. Bereits im Mai 1969 hatte ein Militärputsch unter Führung Dschafar Muhammad an-Numairis auch im Sudan ein proägyptisches Regime an die Macht gebracht. Gaddafi, der als glühender Anhänger Nassers auftrat, versuchte sofort, sein Idol für eine Vereinigung Libyens und Sudans mit Ägypten zu gewinnen. Nasser unterstützte Libyen zwar beim Umbau des Bildungssektors und der Verwaltung mit ägyptischen Beratern, gleichzeitig soll er aber aus seiner Geringschätzung für Gaddafi keinen Hehl gemacht und nach dem ersten Treffen der beiden deutlich auf Distanz zu ihm gegangen sein.

Objektiv sprachen einige historische und wirtschaftliche Aspekte durchaus für einen Zusammenschluss Libyens mit seinen Nachbarstaaten. Von der Arabisierung bzw. Islamisierung Libyens im 7. Jahrhundert bis zur italienischen Kolonialzeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte der Osten des heutigen Libyen (zumindest Barqa) über viele Jahrhunderte hinweg immer wieder mehr oder weniger zu Ägypten gehört, der Westen Libyens (zumindest Tripolitanien) hingegen meist zu Tunesien. Der erst seit 1951 unabhängige Staat Libyen war und ist wegen seiner kleinen Bevölkerungszahl trotz seines Ölreichtums ein Land mit Arbeitskräftemangel. Seine wirtschaftlich ärmeren Nachbarländer Ägypten, Sudan, Tunesien und Tschad hingegen sind Staaten mit einem Bevölkerungs- bzw. Arbeitskräfteüberschuss. Die sich seit 1959 rasch entwickelnde Ölindustrie Libyens benötigte zunehmend Gastarbeiter aus den Nachbarländern. Gaddafis ausgreifende Bewässerungsprojekte schienen zudem Lebensraum für Millionen zusätzlicher Einwohner zu bieten, während die begrenzten fruchtbaren Gebiete am Nil die wachsende Bevölkerung allmählich kaum noch ernähren können. Die aus dem Ölgeschäft sprudelnden Milliardengewinne versprachen wiederum jene Lücken in den Staatshaushalten Ägyptens und Sudans zu füllen, die die Kriege gegen Israel bzw. gegen südsudanesische Rebellen hinterlassen hatten.

Pauschal wird zumeist der mit den Ambitionen der jeweiligen Unionspartner rivalisierende Führungsanspruch Gaddafis und seine vermeintliche Unberechenbarkeit als Grund für das Scheitern aller Vereinigungspläne angeführt. Für das jeweilige Scheitern sind aber immer auch spezifisch-politische, wirtschaftliche und historisch-bedingte Besonderheiten mitverantwortlich gewesen, die die beteiligten arabisch-afrikanischen Staaten und ihre Gesellschaften unterscheiden.

Gaddafis erster Vereinigungsversuch war zugleich Nassers letzter. Auf mehr als ein politisches Aktionsbündnis, eine Revolutionäre Arabische Front mit Libyen und Sudan, ließ sich der ägyptische Präsident aber zunächst nicht ein (Charta von Tripolis, Dezember 1969). Erst im April 1970 kam es zu einer trilateralen Föderationsvereinbarung, doch im September 1970 verstarb Nasser plötzlich.

Den nächsten Schritt vereinbarte Gaddafi mit Nassers Nachfolger Anwar as-Sadat. Ägypten, Libyen und Sudan bildeten Anfang November 1970 eine Vereinigte Politische Führung, die eine Föderation Arabischer Republiken vorbereiten sollte. Nach dem Putsch Hafiz al-Assads schloss sich Ende November 1970 auch das nichtafrikanische Syrien an, woraufhin sich Sudan allmählich zurückzog. Die Föderation wurde im April 1971 stattdessen von Ägypten, Libyen und Syrien geschlossen und trat im Januar 1972 formal in Kraft. Innerhalb der Föderation vereinbarten Gaddafi und Sadat im August 1972 sogar den vollständigen Zusammenschluss ihrer Staaten in einer Union bis September 1973.

Gaddafis und Sadats Beweggründe und Zielsetzungen waren allerdings sehr verschieden. Gaddafi sah sich als ideologischer Erbe Nassers und wollte dessen Nachfolger Sadat auf eine Fortsetzung der Politik Nassers festlegen, doch zunächst war Gaddafi noch zur Unterordnung unter den über 23 Jahre älteren Sadat bereit. Der ebenfalls noch im Schatten von Nassers Charisma stehende Sadat strebte danach, seine Position durch einen erneuten Krieg gegen Israel und die Rückeroberung der unter Nasser 1967 verlorenen Gebiete (Sinai, Gaza) zu festigen. Für diesen Krieg war das ägyptisch-syrische Militärbündnis wichtiger als die Union mit Libyen, welche keine bedeutende militärische Verstärkung darstellte. Auch Syrien war mehr an militärischer Unterstützung zur Rückeroberung der israelisch besetzten Golanhöhen als an einer vollständigen Vereinigung interessiert. Libyen wiederum, das keine Gebiete verloren hatte, hielt einen solchen Krieg für Ressourcenverschwendung und war gerade mit der Eroberung des tschadischen Aouzou-Streifens beschäftigt.

Sadat taktierte und zögerte die Verwirklichung der ägyptisch-libyschen Union immer wieder heraus. Frustriert über die Stagnation des Vereinigungsprozesses versuchte Gaddafi im Juli 1973, die Verwirklichung der Union durch einen friedlichen Einheitsmarsch tausender Libyer nach Kairo zu erzwingen, doch Sadat ließ die Demonstration an der ägyptischen Grenze stoppen, womit die Union faktisch schon gescheitert war. Im Oktober 1973 lösten Ägypten und Syrien den Krieg aus, ohne Libyen in die Vorbereitungen eingebunden oder auch nur konsultiert zu haben. Dennoch sandte Gaddafi unmittelbar nach Ausbruch der Kämpfe etwa 40 libysche Mirage-Kampfflugzeuge und Milliarden von US-Dollars zur Unterstützung. Den infolge des militärischen Patts nach ägyptischer Offensive und israelischer Gegenoffensive abgeschlossenen Waffenstillstand mit Israel lehnte er ab und stoppte deshalb im März 1974 die finanzielle Unterstützung für Ägypten. Sadat holte daraufhin im April 1974 provokativ den von Gaddafi gestürzten libyschen Ex-König Idris nach Kairo. Die Föderation war damit faktisch beendet. Die ägyptisch-libyschen Beziehungen verschlechterten sich rasch und führten schließlich im Juli 1977 zu einem kurzen ägyptisch-libyschen Grenzkrieg, doch erst nach Sadats Jerusalem-Reise im November 1977 verließen Libyen und Syrien auch formal die Föderation.

Einer der ungewöhnlichsten libyschen Vereinigungspläne war die Union mit dem zwischen Südeuropa und Nordafrika liegenden Inselstaat Malta. Die 1972 von Gaddafi und Maltas sozialistischem Premier Dom Mintoff (Malta Labour Party) angekündigte Libysch-Maltesische Bundesrepublik kam jedoch trotz der Zahlung von 1 Milliarde US-Dollar an Malta nie zustande.

Gaddafi und Mintoff betonten dennoch weiterhin die arabischen Wurzeln Maltas. Maltesisch ist ein Ableger des Arabischen, aber unter gemeinsamer (christlicher) Herrschaft standen Tripolis und Malta zuletzt im 16. Jahrhundert. Trotz späterer Phasen zwischenzeitlicher Verstimmungen und christdemokratischer Wahlsiege blieben die Beziehungen während der langen Regierungszeit Mintoffs und auch nach dessen Abgang 1984 mehr oder weniger freundschaftlich, vor allem auch weil sie von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt sind. Auch Malta hat einen Arbeitskräfteüberschuss, selbst während der Zeit der westlichen Sanktionen arbeiteten Malteser auf libyschen Ölfeldern und libysche Firmen investierten auf Malta. Vor dem US-amerikanischen Angriff 1986 wurde Libyen von Malta gewarnt. (Gaddafi hielt sich daraufhin nicht in seiner Residenz auf und überlebte so den US-Bombenangriff.) Malta ist heute das EU-Mitglied mit den besten Beziehungen zu Libyen.

Schon im Dezember 1972 hatte Gaddafi den prowestlichen, sozialdemokratischen Präsidenten Tunesiens, Habib Bourguiba aufgefordert, sein Land an die Föderation Arabischer Republiken anzuschließen, was Bourguiba damals noch abgelehnt hatte. Bourguiba hatte sich jedoch im September 1973 für einen späteren Zusammenschluss Algeriens, Tunesiens und Libyens ausgesprochen („Vereinigte Staaten von Nordafrika“). Nach dem Scheitern der Föderation bzw. der Union Libyens mit Ägypten schlossen der damals 30-jährige Gaddafi und der bereits 70-jährige Bourguiba am 12. Januar 1974 im tunesischen Djerba eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Arabischen Islamischen Republik, der Bourguiba völlig überraschend doch noch zugestimmt hatte. Obwohl Bourguiba nur drei Tage später nach Widerständen innerhalb seiner alleinregierenden Destur-Partei von der Vereinbarung wieder zurücktrat, indem er am 14. Januar 1974 die für den 20. März 1974 vorgesehene Volksabstimmung auf unbestimmte Zeit verschob, wurde in Libyen die Volksabstimmung am 18. Januar 1974 durchgeführt. Der als panarabisch geltende Außenminister Tunesiens, Muhammad Masmudi, der sich besonders für das Zustandekommen der Vereinigungsvereinbarung eingesetzt hatte, wurde noch im Januar 1974 entlassen. Die libysch-tunesischen Beziehungen verbesserten sich erst wieder 1977 etwas und verschlechterten sich 1980 erneut, als Libyen Unruhen in Tunesien schürte.

Nachdem die Föderation Arabischer Republiken mit der Jerusalem-Reise Sadats im November 1977 endgültig auseinandergebrochen war, lud Gaddafi Syrien sowie andere progressive arabische Regimes zur Bildung einer Front der Standhaftigkeit gegen den 1978 geschlossenen ägyptisch-israelischen Separatfrieden von Camp David ein. Ein anderer Aspekt dieser von Libyen und Algerien inszenierten Frontbildung war das Bemühen Gaddafis um militärischen Schutz vor einer ägyptischen Invasion. Der kurze ägyptisch-libysche Grenzkrieg vom Juli 1977 hatte bereits die hoffnungslose Unterlegenheit der kleinen libyschen Armee gegenüber der zehnmal größeren Streitmacht Ägyptens offenbart. Gaddafi hoffte, die anderen „Standhaftigkeitsländer“ würden gegebenenfalls Truppen zum Schutz seines Regimes entsenden und Libyen so den Rücken während seines Eingreifens in den Tschadischen Bürgerkrieg freihalten. Schließlich holte Gaddafi noch das nichtarabische und nichtislamische (kommunistische) Regime Äthiopiens in die Front.

Syrien hatte nach dem Wegfall des militärischen Bündnispartners Ägypten zunächst Ersatz gesucht im Irak, der bereits 1972 einen Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion geschlossen hatte. Auch unter dem Druck des israelischen Einmarsches in den Südlibanon ab April 1978 wurde am 26. Oktober 1978 vorübergehend eine syrisch-irakische Aussöhnung erreicht und sogar eine Vereinigung beider baathistischen Staaten beschlossen. Doch nach dem Machtantritt Saddam Husseins kündigte der Irak im Juli 1979 die beschlossene Union auf. Ein erster Aufstand der Muslimbrüder und der sich seit Juli 1980 ankündigende Irakisch-Iranische Krieg verschlimmerte die militärische Lage des isolierten Syrien weiter. In eiliger Parteinahme für den Iran hatte Syrien der (von Nachschub und Ersatzteilen aus den USA abgeschnittenen) iranischen Luftwaffe zahlreiche syrische Kampfflugzeuge „geliehen“, und über 1.000 syrische Panzer waren drohend an den Grenzen zum Irak und zu Jordanien aufgefahren. Die Sowjetunion hatte daraufhin die Lieferung weiteren Kriegsmaterials bis zur Begleichung der syrischen Schulden ausgesetzt.

Aus Furcht vor einem Zweifrontenkrieg wandte sich Syrien daher wieder Libyen zu. Gaddafi beglich zunächst gegenüber der Sowjetunion syrische Schulden in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar und schlug am 1. September 1980 Assad den Zusammenschluss Libyens und Syriens zu einem sozialistischen Einheitsstaat vor. Assad stimmte dem Vereinigungsvorschlag zu und schon am 10. September wurde eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet, die eine „Organische Union“ bzw. die Verschmelzung beider Staaten binnen eines Monats vorsah. Die Rolle der Sowjetunion hinter dieser Diplomatie blieb unklar, doch nach der Ankündigung der Union schloss die Sowjetunion im Oktober 1980 auch mit Syrien einen Freundschaftsvertrag.

Die Unterschiedlichkeit Syriens und Libyens erschwerte einen Zusammenschluss grundsätzlich. Anders als noch 1971 war die Etablierung der libyschen Dschamahirija 1980 bereits fortgeschritten. Diese Staatsform war trotz gemeinsamer „sozialistischer Orientierung“ mit dem militärisch-bürokratischen Beamtenstaat Syrien kaum kompatibel. Bei einem libysch-syrischen Gipfeltreffen vom 15. bis 17. Dezember 1980 in Banghazi wurden daher Abstriche am Zeitplan für die Vereinigung gemacht, womit das Projekt faktisch gescheitert war. Gaddafi und Assad beschlossen nur die Einsetzung einer Kommission, die erst einmal eine gemeinsame Verfassung erarbeiten sollte.

Kritik kam vor allem von der irakischen Führung. Iraks Außenminister Tariq Aziz wies 1981 auf den geringen militärischen bzw. geostrategischen Wert des geplanten Zusammenschlusses hin.

Sadat taktierte und zögerte die Verwirklichung der ägyptisch-libyschen Union immer wieder heraus. Frustriert über die Stagnation des Vereinigungsprozesses versuchte Gaddafi im Juli 1973, die Verwirklichung der Union durch einen friedlichen Einheitsmarsch tausender Libyer nach Kairo zu erzwingen, doch Sadat ließ die Demonstration an der ägyptischen Grenze stoppen, womit die Union faktisch schon gescheitert war. Im Oktober 1973 lösten Ägypten und Syrien den Krieg aus, ohne Libyen in die Vorbereitungen eingebunden oder auch nur konsultiert zu haben. Dennoch sandte Gaddafi unmittelbar nach Ausbruch der Kämpfe etwa 40 libysche Mirage-Kampfflugzeuge und Milliarden von US-Dollars zur Unterstützung. Den infolge des militärischen Patts nach ägyptischer Offensive und israelischer Gegenoffensive abgeschlossenen Waffenstillstand mit Israel lehnte er ab und stoppte deshalb im März 1974 die finanzielle Unterstützung für Ägypten. Sadat holte daraufhin im April 1974 provokativ den von Gaddafi gestürzten libyschen Ex-König Idris nach Kairo. Die Föderation war damit faktisch beendet. Die ägyptisch-libyschen Beziehungen verschlechterten sich rasch und führten schließlich im Juli 1977 zu einem kurzen ägyptisch-libyschen Grenzkrieg, doch erst nach Sadats Jerusalem-Reise im November 1977 verließen Libyen und Syrien auch formal die Föderation.

Einer der ungewöhnlichsten libyschen Vereinigungspläne war die Union mit dem zwischen Südeuropa und Nordafrika liegenden Inselstaat Malta. Die 1972 von Gaddafi und Maltas sozialistischem Premier Dom Mintoff (Malta Labour Party) angekündigte Libysch-Maltesische Bundesrepublik kam jedoch trotz der Zahlung von 1 Milliarde US-Dollar an Malta nie zustande.

Gaddafi und Mintoff betonten dennoch weiterhin die arabischen Wurzeln Maltas. Maltesisch ist ein Ableger des Arabischen, aber unter gemeinsamer (christlicher) Herrschaft standen Tripolis und Malta zuletzt im 16. Jahrhundert. Trotz späterer Phasen zwischenzeitlicher Verstimmungen und christdemokratischer Wahlsiege blieben die Beziehungen während der langen Regierungszeit Mintoffs und auch nach dessen Abgang 1984 mehr oder weniger freundschaftlich, vor allem auch weil sie von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt sind. Auch Malta hat einen Arbeitskräfteüberschuss, selbst während der Zeit der westlichen Sanktionen arbeiteten Malteser auf libyschen Ölfeldern und libysche Firmen investierten auf Malta. Vor dem US-amerikanischen Angriff 1986 wurde Libyen von Malta gewarnt. (Gaddafi hielt sich daraufhin nicht in seiner Residenz auf und überlebte so den US-Bombenangriff.) Malta ist heute das EU-Mitglied mit den besten Beziehungen zu Libyen.

Schon im Dezember 1972 hatte Gaddafi den prowestlichen, sozialdemokratischen Präsidenten Tunesiens, Habib Bourguiba aufgefordert, sein Land an die Föderation Arabischer Republiken anzuschließen, was Bourguiba damals noch abgelehnt hatte. Bourguiba hatte sich jedoch im September 1973 für einen späteren Zusammenschluss Algeriens, Tunesiens und Libyens ausgesprochen („Vereinigte Staaten von Nordafrika“). Nach dem Scheitern der Föderation bzw. der Union Libyens mit Ägypten schlossen der damals 30-jährige Gaddafi und der bereits 70-jährige Bourguiba am 12. Januar 1974 im tunesischen Djerba eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Arabischen Islamischen Republik, der Bourguiba völlig überraschend doch noch zugestimmt hatte. Obwohl Bourguiba nur drei Tage später nach Widerständen innerhalb seiner alleinregierenden Destur-Partei von der Vereinbarung wieder zurücktrat, indem er am 14. Januar 1974 die für den 20. März 1974 vorgesehene Volksabstimmung auf unbestimmte Zeit verschob, wurde in Libyen die Volksabstimmung am 18. Januar 1974 durchgeführt. Der als panarabisch geltende Außenminister Tunesiens, Muhammad Masmudi, der sich besonders für das Zustandekommen der Vereinigungsvereinbarung eingesetzt hatte, wurde noch im Januar 1974 entlassen. Die libysch-tunesischen Beziehungen verbesserten sich erst wieder 1977 etwas und verschlechterten sich 1980 erneut, als Libyen Unruhen in Tunesien schürte.

Nachdem die Föderation Arabischer Republiken mit der Jerusalem-Reise Sadats im November 1977 endgültig auseinandergebrochen war, lud Gaddafi Syrien sowie andere progressive arabische Regimes zur Bildung einer Front der Standhaftigkeit gegen den 1978 geschlossenen ägyptisch-israelischen Separatfrieden von Camp David ein. Ein anderer Aspekt dieser von Libyen und Algerien inszenierten Frontbildung war das Bemühen Gaddafis um militärischen Schutz vor einer ägyptischen Invasion. Der kurze ägyptisch-libysche Grenzkrieg vom Juli 1977 hatte bereits die hoffnungslose Unterlegenheit der kleinen libyschen Armee gegenüber der zehnmal größeren Streitmacht Ägyptens offenbart. Gaddafi hoffte, die anderen „Standhaftigkeitsländer“ würden gegebenenfalls Truppen zum Schutz seines Regimes entsenden und Libyen so den Rücken während seines Eingreifens in den Tschadischen Bürgerkrieg freihalten. Schließlich holte Gaddafi noch das nichtarabische und nichtislamische (kommunistische) Regime Äthiopiens in die Front.

Syrien hatte nach dem Wegfall des militärischen Bündnispartners Ägypten zunächst Ersatz gesucht im Irak, der bereits 1972 einen Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion geschlossen hatte. Auch unter dem Druck des israelischen Einmarsches in den Südlibanon ab April 1978 wurde am 26. Oktober 1978 vorübergehend eine syrisch-irakische Aussöhnung erreicht und sogar eine Vereinigung beider baathistischen Staaten beschlossen. Doch nach dem Machtantritt Saddam Husseins kündigte der Irak im Juli 1979 die beschlossene Union auf. Ein erster Aufstand der Muslimbrüder und der sich seit Juli 1980 ankündigende Irakisch-Iranische Krieg verschlimmerte die militärische Lage des isolierten Syrien weiter. In eiliger Parteinahme für den Iran hatte Syrien der (von Nachschub und Ersatzteilen aus den USA abgeschnittenen) iranischen Luftwaffe zahlreiche syrische Kampfflugzeuge „geliehen“, und über 1.000 syrische Panzer waren drohend an den Grenzen zum Irak und zu Jordanien aufgefahren. Die Sowjetunion hatte daraufhin die Lieferung weiteren Kriegsmaterials bis zur Begleichung der syrischen Schulden ausgesetzt.

Aus Furcht vor einem Zweifrontenkrieg wandte sich Syrien daher wieder Libyen zu. Gaddafi beglich zunächst gegenüber der Sowjetunion syrische Schulden in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar und schlug am 1. September 1980 Assad den Zusammenschluss Libyens und Syriens zu einem sozialistischen Einheitsstaat vor. Assad stimmte dem Vereinigungsvorschlag zu und schon am 10. September wurde eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet, die eine „Organische Union“ bzw. die Verschmelzung beider Staaten binnen eines Monats vorsah. Die Rolle der Sowjetunion hinter dieser Diplomatie blieb unklar, doch nach der Ankündigung der Union schloss die Sowjetunion im Oktober 1980 auch mit Syrien einen Freundschaftsvertrag.

Die Unterschiedlichkeit Syriens und Libyens erschwerte einen Zusammenschluss grundsätzlich. Anders als noch 1971 war die Etablierung der libyschen Dschamahirija 1980 bereits fortgeschritten. Diese Staatsform war trotz gemeinsamer „sozialistischer Orientierung“ mit dem militärisch-bürokratischen Beamtenstaat Syrien kaum kompatibel. Bei einem libysch-syrischen Gipfeltreffen vom 15. bis 17. Dezember 1980 in Banghazi wurden daher Abstriche am Zeitplan für die Vereinigung gemacht, womit das Projekt faktisch gescheitert war. Gaddafi und Assad beschlossen nur die Einsetzung einer Kommission, die erst einmal eine gemeinsame Verfassung erarbeiten sollte.

Kritik kam vor allem von der irakischen Führung. Iraks Außenminister Tariq Aziz wies 1981 auf den geringen militärischen bzw. geostrategischen Wert des geplanten Zusammenschlusses hin. Wie die Kriege von 1967 und 1973 gelehrt hätten, benötige das schwache Syrien im Falle eines Kriegs gegen Israel ein starkes Hinterland, das natürlich nur der Irak, nicht aber das weit entfernte und militärisch schwächere Libyen sein könne. Libyen könne aus geographischen Gründen bestenfalls Ägyptens Hinterland sein, doch benötige ein starkes Ägypten kein solches Hinterland und sei ohnehin nicht Teil des geplanten Zusammenschlusses: „Die Fläche Libyens spielt keine Rolle bei dem arabisch-zionistischen Konflikt, nur dann, wenn Libyen als strategische Tiefe für Ägypten genutzt wird. Aber Ägypten, wohlgemerkt, verfügt über eine große Landfläche und bedarf dieser Tiefe auch in seinem Kampf gegen den zionistischen Feind nicht. Das ist ganz verschieden zum Beispiel von den syrisch-irakischen Beziehungen. Aufgrund der kleinen Bevölkerungszahl und des niedrigen Niveaus… der technologischen Entwicklung Libyens ist es kaum in der Lage, eine militärische Streitmacht aufzustellen, die eine entscheidende Bedeutung… haben kann.“

Angesichts der Konfrontation zwischen Libyen und der US-Flotte im Golf von Syrte im August 1981 erklärte Assad zwar erneut seine Solidarität mit Libyen, und Gaddafi verhandelte in Syrien noch immer über die Union, militärisch jedoch stand Libyen in diesem Konflikt und beim Bürgerkrieg im Tschad ebenso allein wie Syrien bei der israelischen Annexion der Golanhöhen im Dezember 1981 bzw. beim Aufstand der Moslembrüder in Hama und beim Libanonkrieg 1982. Dennoch trat das libysch-syrische Oberste Politische Komitee noch am 20. Mai 1985 zu einer (letzten) gemeinsamen Sitzung zusammen, Libyen gehörte zu diesem Zeitpunkt aber bereits einer anderen Union an (Arabisch-Afrikanische Föderation mit Marokko). Syrien hat sich seitdem an keinerlei weiteren Einigungsprojekten mehr beteiligt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Unionsprojekten mit Libyens Nachbarstaaten führte das Scheitern des libysch-syrischen Projekts nicht zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen Libyen und Syrien – auch nicht während des Kuwait-Krieges 1990/91, als Syrien sich der antiirakischen Koalition anschloss, Libyen aber eine proirakische Haltung einnahm.

Nach dem vorläufigen Scheitern der panarabischen Einigungspläne widmete sich Gaddafi zunächst der panislamischen Mission in den angrenzenden afrikanischen Sahel-Staaten und folgte damit zumindest indirekt einer Mission, die schon im 19. Jahrhundert von libyschen Senussi begonnen worden war. Dabei konzentrierte er sich auf das südliche Nachbarland Tschad, dessen sehr dünn besiedelte Nordregionen vor der französischen Kolonialherrschaft (1899/1907–1960) von den Senussi dominiert worden waren. Gaddafis Mission wurde allerdings seit seiner Verdammung durch die Islamische Weltliga (1983) erschwert.

Im Schatten des Tschadischen Bürgerkriegs annektierte Libyen 1973 den Aouzou-Streifen und unterstützte 1979 die gegen die Regierung in N’Djamena kämpfenden FROLINAT-Rebellen um den aus dem Nordtschad stammenden Goukouni Oueddei. Zu diesem Zweck hatte Gaddafi 1974 die „Islamische Legion“ geschaffen – eine von Libyen ausgebildete, ausgerüstete und finanzierte Art Fremdenlegion muslimischer Revolutionäre und nichtmuslimischer Söldner vor allem aus Westafrika.

Mit Hilfe libyscher Truppen übernahm Oueddei 1980 als Präsident einer Übergangsregierung (GUNT) die Macht in N'Djamena. Die 1981 verkündete Union mit Libyen aber isolierte Oueddei. nach dem Abzug der Libyer wurde er 1982 mit französischer Hilfe von Verteidigungsminister Hissène Habré gestürzt und nach Norden vertrieben. Eine erneute libysche Invasion zugunsten Oueddeis wurde 1983 und 1984 durch direktes französisches und zairisches Eingreifen gestoppt („Operation Manta“). Nördlich der von Frankreich festgelegten „roten Linie“ (zuerst 15. bzw. ab 1984 dann 16. Breitengrad) aber konnte Oueddeis GUNT sich in Faya-Largeau sowie der gesamten Borkou-Tibesti-Region behaupten und ein mit Libyen verbündetes bzw. von Libyen abhängiges Regime errichten. Im nordtschadischen Ouadi Doum errichteten die Libyer eine Luftwaffenbasis, in Bardai residierte die GUNT-Gegenregierung. Bei GUNT-internen Kämpfen förderte Gaddafi 1986 den arabisch-stämmigen Acheikh ibn Oumar gegen den erfolglosen Oueddei, während sich Oueddei zunächst mit Habré, dann aber wieder mit Gaddafi und Ibn Oumar aussöhnte. Sofort griffen tschadische Truppen in die Kämpfe ein und mit französischer Hilfe vertrieben sie die Libyer bis 1987 aus dem gesamten Norden des Landes („Operation Epervier“ 1986, „Toyota wars“ 1987). Allein den Aouzou-Streifen konnte Gaddafi nach einer libyschen Gegenoffensive zunächst noch behaupten. 1988 verbündete sich auch Ibn Oumar mit Habré, so dass sich Libyen 1989 gezwungen sah, die Entscheidung über den Aouzou-Streifen dem Internationalen Gerichtshof zu überlassen.

Ähnlich Nassers Eingreifen in den Nordjemenitischen Bürgerkrieg (1962–1967) hatte auch Gaddafis Tschad-Abenteuer Libyen überfordert und nur Verluste eingebracht: Die kleine Armee war geschwächt, der Krieg hatte mehrere Milliarden US-Dollar und viel internationales Ansehen gekostet.

Ebenso erfolglos blieben Gaddafis Versuche, in Niger, Mali oder dem Sudan durch Putschversuche und die Unterstützung von Rebellengruppen prolibysche Regime an die Macht zu bringen, die sich dann wiederum mit Libyen zu den „Vereinigten Staaten des Sahel“ oder den „Vereinigten Staaten von Nordafrika“ zusammenschließen sollten. Malis und Nigers Tuareg-Rebellen bot Gaddafi wiederholt Libyen als Rückzugsgebiet an und erklärte Libyen sogar zu deren vermeintlicher Urheimat. In Zentralafrika und Uganda intervenierten libysche Truppen vergeblich zur Unterstützung der Regimes Bokassas und Idi Amins (später auch zugunsten Patassés). Allein in Burkina Faso errichtete Gaddafis Bewunderer Thomas Sankara 1983 ein mit Libyen verbündetes Regime, das Gaddafi stolz als „die zweite Dschamahirija in der Welt“ bezeichnete. Mit der Ermordung Sankaras 1987 durch prowestliche Putschisten endete allerdings auch dieses Bündnis.

Die Idee einer Vereinigung Marokkos und Libyens in einer Union ging eher von König Hassan II. als von Gaddafi aus. Das war zunächst umso überraschender, weil Libyen 1971/72 zwei republikanische Putschversuche in Marokko und seit 1979 die gegen Marokko kämpfende Frente Polisario unterstützt hatte.

In der Region waren beide Staaten um 1984 mehr oder weniger isoliert – Marokko wegen des Westsaharakonflikts, Libyen wegen der zunehmenden Konfrontation mit der US-Mittelmeer-Flotte in der Großen Syrte sowie wegen der libyschen Unterstützung für Rebellen im Tschad und im Südsudan. 1982 und 1983 hatten Ägypten und Sudan bestimmte Integrationsschritte und Militärkooperationen unternommen, die sich vor allem gegen Libyen richteten. POLISARIO-Hauptförderer Algerien wiederum hatte 1983 eine Allianz mit Tunesien und Mauretanien geschlossen, die sich zwar hauptsächlich gegen Marokko richtete, aber auch Libyen ausschloss. 1984 sah sich Marokko gezwungen, aus der Organisation für Afrikanische Einheit auszutreten, die sich ebenfalls auf die Seite der POLISARIO gestellt hatte.

Die am 13. August 1984 im ostmarokkanischen Oujda geschlossene und durch Volksabstimmungen in beiden Ländern mit jeweils über 97 % bestätigte Arabisch-Afrikanische Föderation (wörtlich eigentlich: Arabisch-Afrikanische Union) Marokkos und Libyens führte faktisch zu keinerlei Verschmelzung der ungleichen Partner. Die wohlhabende, antiwestliche und sozialistisch-orientierte Volksrepublik gab der verarmten, konservativen und prowestlichen Monarchie aber Wirtschaftshilfe, im Gegenzug dazu vermittelte Marokko zwischen Frankreich und Libyen ein Stillhalteabkommen, das den Tschad faktisch entlang des 16. Breitengrads teilte. Libyen wiederum stellte seine Unterstützung für die POLISARIO ein, ohne jedoch die Anerkennung der Sahara-Republik zurückzunehmen. Drei Tage vor seinem Sturz im April 1985 behauptete der sudanesische Militärdiktator Dschafar Muhammad an-Numairi, Gaddafi habe ihm 5 Milliarden US-Dollar für einen Beitritt auch des Sudan zur Arabisch-Afrikanischen Föderation angeboten.

Die auf Konfrontation mit Libyen ausgerichtete US-Politik der Regierung Reagan konnte oder wollte Marokko kaum beeinflussen. Wegen des US-amerikanischen Embargos gegen Libyen kam im Januar 1986 zwar nochmals der gemeinsame Wirtschaftsausschuss der Föderation zusammen, doch die US-Angriffe vom März 1986 und April 1986 konnte oder wollte Marokko nicht abwenden. Libyen warf Marokko vor, den von Großbritannien kommenden US-Bombern den Überflug gestattet zu haben (anders als etwa Frankreich, Italien oder Spanien. Damit war die Föderation faktisch gescheitert; Libyen begann, sich mit Marokkos Gegner Algerien zu versöhnen. Zum endgültigen Bruch kam es erst, als König Hassan am 22. Juli 1986 den damaligen israelischen Premier Schimon Peres zu (ergebnislosen) Gesprächen in Marokko empfing. Bei einem Besuch des syrischen Präsidenten Assad in Tripolis verurteilte Gaddafi am 24. August 1986 das marokkanisch-israelische Treffen als Verstoß gegen den Föderationsvertrag. Daraufhin kündigte Hassan am 28. August 1986 per Telegramm die Föderation.

Mit dem Sturz Numairis hatte sich seit April 1985 zunächst die Chance auf eine Verbesserung bzw. Wiederherstellung der Beziehungen zum Sudan ergeben. Am 11. Juni 1985 schlug Gaddafi vor, die Arabische Liga in eine Arabische Union mit gemeinsamen legislativen, exekutiven und judikativen Organen umzuwandeln. Vorbild waren die Europäischen Gemeinschaften (aus denen später die Europäische Union wurde) bzw. das Europäische Parlament, die Europäische Kommission usw.

Der Vorschlag wurde noch am gleichen Tag dem Föderationspartner Marokko sowie Sudan, am 12. Juni Syrien und am 13. Juni Jordanien unterbreitet. Am 23. Juni 1985 erklärte Gaddafi, der libysche Vorschlag sei bereits bei Syrien, Saudi-Arabien und der Jemenitischen Arabischen Republik (Nordjemen) auf Zustimmung gestoßen. Am 6. Juli 1985 stimmte auch der Föderationspartner Marokko zu. Daraufhin schuf Libyen eine „arabische Staatsbürgerschaft“ für alle in Libyen lebenden Staatsangehörigen arabischer Bruderländer, wies aber ab dem 5. August 1985 jene nichtlibyschen Araber aus, die diese Staatsbürgerschaft nicht annehmen wollten (offiziell, um weiteren Devisenabfluss zu verhindern). Bis zum 13. Oktober 1985 waren von den Ausweisungen 100.000 Bürger arabischer Staaten, vor allem Tunesiens (30.000) und Ägyptens, aber auch des verbündeten Syriens, betroffen.[21 ] Ausgenommen von den Ausweisungen waren nur Gastarbeiter aus Marokko und Sudan.

Nach der Aufkündigung der Föderation mit Marokko warb Gaddafi bei einem Besuch in Khartum erneut für seinen Arabischen Unionsplan und schlug dem sudanesischen Premierminister Sadiq al-Mahdi am 9. September 1986 zudem eine bilaterale Union vor. Al-Mahdi wies jedoch darauf hin, dass nach der langen Zeit der Diktatur zuerst die innere Einheit des Sudans durch eine Friedenslösung für den Südsudan und die Demokratisierung des gesamten Landes erreicht werden müsse

Da die Franzosen aber auf keinen Fall einen langwierigen Krieg wünschten, einigten sie sich schließlich mit Gaddafi auf einen gegenseitigen Truppenabzug. Die Franzosen verließen daraufhin die Region, und die Libyer bauten Wadi Doum im Aouzou-Streifen zu einer gewaltigen Militärbasis aus. Die Zeit drängte, denn die FANT wurde immer stärker. Frankreich lieferte Milan-Panzerabwehrraketen, die USA Boden-Luft-Raketen und schnelle Geländewagen, wodurch die FANT enorm an Mobilität gewann.

Außerdem liefen nun auch im Norden immer mehr GUNT-Kämpfer zur FANT über, da der Kampf gegen Libyen zunehmend als nationale Angelegenheit betrachtet wurde. Im Februar 1986 fühlte sich Gaddafi stark genug und startete eine Großoffensive mit über 10.000 Mann – GUNT, Libyer und Legionäre -, hunderten von Panzern und zahlreichen Flugzeugen. Nach ersten Rückschlägen schickte er nur weitere Truppen und noch mehr Material. Doch die Lage hatte sich grundlegend geändert. Mit Hilfe der schnellen Geländewagen kehrte die FANT zur Taktik des ihr vertrauten Wüstenkrieges zurück. Die schwerfälligen Panzerkolonnen der Libyer wurden überraschend an den Flanken angegriffen, einzelne Einheiten isoliert und aufgerieben.

In N'Djamena haben am 15. Juni 2015 wahrscheinlich islamistische Attentäter Einrichtungen der Polizei angegriffen, dabei gab es mehr als 20 Tote und Verletzte. In der Hauptstadt des Tschads soll das Hauptquartier der Boko-Haram-Eingreiftruppe errichtet werden.

Zur Verhinderung von Anschlägen islamischer Terroristen wurden im Juni 2015 Schleier und Turbane, die das Gesicht einer Person bis auf die Augen verbergen, ab sofort verboten. Diese Maßnahme im Kampf gegen den Terror besaß Pioniercharakter und wurde in dem mehrheitlich islamischen Land in breiten Bevölkerungsschichten nicht akzeptiert.

Die tschadsche Regierung unter Premierminister Kalzeube Pahimi Deubet verkündete diese Maßnahme am Vorabend des Ramadan, der einmonatigen muslimischen Fastenzeit. Die Burka, bei der selbst die Augen hinter einem Netz verborgen bleiben, aber auch der Nikab, ein von Frauen bevorzugter Gesichtsschleier, der nur die Augenpartie offen lässt, galten als „verbotene Tarnkleider“. In den nächsten Tagen und Wochen kontrollierte die Polizei landesweit Kleiderauslagen von Märkten und Geschäften und ließ beanstandete Waren beschlagnahmen und verbrennen.

Das Verbot erfolgte nach einem Doppelanschlag von Selbstmordattentätern in der Hauptstadt. Bei dem Angriff auf das Polizeikommissariat und die danebenliegende Polizeischule waren 33 Menschen getötet und hunderte verletzt worden.

Der Tschad hatte seit Dezember 2014 eine regional führende Rolle bei der Bekämpfung der islamischen Terrororganisation Boko Haram übernommen, obwohl das Land gemessen an Wirtschaftskraft und militärischer Ausrüstung viel schlechter dasteht als das Nachbarland Nigeria, wo sich das Hauptrückzugsgebiet von Boko Haram befindet. Der Einsatz der beweglichen und im Wüstenkampf gestählten tschadischen Armee stärkte indirekt auch die Moral und die Erfolgsaussichten der nigerianischen Truppen. Seit dem Eingreifen des Tschads wendete sich das Kriegsgeschehen immer mehr gegen Boko Haram.

Für den Anschlag in N’Djamena hatte zwar niemand offiziell die Verantwortung übernommen, aber für Experten und Behörden stehen fest, dass dahinter Angehörige der Boko-Haram-Miliz stehen. Boko Haram hatte den Tschad und andere Staaten, die Nigeria im Kampf gegen den islamistischen Terror unterstützten, mehrmals Rache geschworen.

Im Tschad kam es bisher nur zu Angriffen auf Dörfer am Tschadsee durch Kämpfer von Boko Haram. Nachdem sich zuvor getroffene Sicherheitsvorkehrungen als ungenügend erwiesen haben, um Terrorangriffe in der Hauptstadt zu verhindern, erweiterte die Regierung des Tschads nun die militärischen Massnahmen.

Der Tschad ist der erste mehrheitlich muslimische Staat in Afrika, der ein Verschleierungsverbot verhängte. Bei den eskalierenden Bombenanschlägen in Nigeria seit mehr als einem Jahr setzte Boko Haram vermehrt Selbstmordattentäterinnen ein, die die tödlichen Sprengkörper unter ihrer islamischen Tracht verbargen und so unerkannt am Bewachungspersonal Märkten oder Moschee-Vorplätzen vorbeikamen. Im Tschad sind zwar Verschleierungen seltener im Stadt- und Strassenbild anzutreffen als in den Städten im Norden Nigerias, trotzdem sorgte diese Vorkehrung besonders bei muslimischen Geistlichen und in der Bevölkerung für Unmut, obwohl die wenigsten mit den radikalen islamischen Ansichten oder mit den Morden Boko Harams sympathisieren.

Truppen des afrikanischen Landes Tschad sind bei ihrem Einsatz gegen Boko Haram erstmals auf nigerianischen Boden vorgedrungen. Nach Armeeangaben starben bei Gefechten 200 Kämpfer der Terrorgruppe. Im Kampf gegen Boko Haram war die tschadische Armee am Dienstag erstmals von Kamerun aus auf das Gebiet Nigerias vorgedrungen. Nach tagelangen Luftangriffen auf mutmaßliche Stellungen der Rebellen in Gamboru überquerten etwa 2000 tschadische Soldaten den Grenzfluss. Zudem wurden auch an der Grenze zwischen dem Niger und Nigeria tschadische Truppen zusammengezogen.

Wie der tschadische Generalstab mitteilte, starben bei den Kämpfen in der nigerianischen Grenzstadt Gamboru zudem neun tschadische Soldaten.

Die Islamisten starteten unterdessen eine Gegenoffensive in Kamerun. Die Zahl der toten Boko-Haram-Kämpfer könne noch steigen, weil Gamboru noch durchkämmt werde, hieß es seitens des tschadischen Generalstabs. Nach Angaben aus kamerunischen Sicherheitskreisen flohen Kämpfer der Islamisten angesichts der Gefechte über die Grenze nach Kamerun. Dort wurden sie am Mittwoch in der Stadt Fotokol von der kamerunischen Armee und tschadischen Soldaten heftig bekämpft.

Einwohner berichteten, Boko-Haram-Kämpfer hätten Zivilisten die Kehle durchgeschnitten und die Hauptmoschee der kamerunischen Grenzstadt in Brand. Die dort lebenden Kanuri stellen den bei weitem größten Teil der Mitglieder von Boko Haram. Kanuri ist ein Volk in der zentralen Sudanzone und am Tschadsee. Sie sehen sich als das Staatsvolk des alten Reiches Bornu. Die Kanuri sind seit dem 11. Jahrhundert Muslime und haben ca. 5 Millionen Angehörige. Die bei Boko Haram gelebte extreme Version des Islams ist schon seit Jahrhunderten Teil ihrer Kultur.

Angesichts der Kämpfe in Kamerun kehrten tschadische Soldaten am Mittwoch von Nigeria aus wieder zurück in das Nachbarland, um dort in der Grenzstadt Fotokol die kamerunischen Truppen zu unterstützen. Wie in der nigerianischen Grenzstadt Gamboru durchsuchten die Soldaten aus dem Tschad auch die kamerunische Grenzstadt Fotokol nach dort verschanzten Boko-Haram-Kämpfern.

Die beiden Grenzstädte sind durch eine 500 Meter lange Brücke voneinander getrennt. Von einigen nigerianischen Grenzdörfern bei Gamboru aus ist der Übergang nach Fotokol einfach. Für die nigerianische Armee, der es bisher nicht gelang, Boko Haram Herr zu werden, bedeutet die Präsenz tschadischer Soldaten in Nigeria nach eigenen Angaben keine Verletzung der "territorialen Integrität" des Landes.

Auch an der Grenze zwischen Niger und Nigeria bezogen tschadische Truppen Stellung. Ein Kontingent von etwa 400 Armeefahrzeugen und Panzern sei zwischen den ostnigrischen Ortschaften Mamori und Bosso stationiert, berichtete der nigrische Radiosender Anfani. Nur der Fluss Komadougou Yobé trennt die beiden Orte von Nigeria.

Die Region im Nordosten Nigerias ist eine der Hochburgen von Boko Haram. Nicht ausgeschlossen wurde ein Angriff tschadischer Tuppen auf den von Boko Haram kontrollierten nigerianischen Ort Malam Fatori auf der anderen Seite des Flusses.

Der aktuelle Kommandeur der radikal-islamistischen algerischen Terrororganisation "Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf" (GSPC), Abu Musab Abdul Wadoud, verkündete die aktuelle Namensumwandlung der GSPC in „al-Qaida Organisation für den islamischen Maghreb". Unterfüttert war die Erklärung mit Hinweisen auf eine Absprache der GSPC mit al-Qaida Chef Osama bin Laden und seinem Stellvertreter Ayman al-Zawahiri.

Israelische Anti-Terror-Spezialisten sehen in der neuen Namensgebung nicht nur einen semantischen Kurswechsel der GSPC hin zur al-Qaida Strategie und Ideologie, sondern befürchten die Umkehrung der Maghreb Region in eine weitere Front des Dschihad ähnlich der Situation auf dem Balkan. Denn der Maghreb umfasst ein riesiges geopolitisches Gebiet, das sich auf Nordwest Afrika, Algerien, Libyen, Mauretanien, Marokko, Tunesien und die westliche Sahara erstreckt.

Die Namensänderung zeigt die Intention der neu ausgerichteten GSPC. Nicht nur die säkulare algerische Regierung soll bekämpft und gestürzt werden. Entsprechend der Gesamtstrategie der globalen Dschihad-Agenda zielen die Kader der maghrebinischen al Qaida auch auf den Sturz anderer moderater arabischer Regierung in dieser Region.

Hervorgegangen ist die GSPC aus einer Abspaltung von einer anderen Terrorgruppe im Spektrum des in den 90er Jahren in Algerien tobenden Bürgerkriegs, der GIA (Bewaffnete Islamische Armee). 1998 gründete ein ehemaliger regionaler Anführer der GIA, Hassan Hattab, die GSPC. Im Gegensatz zur einstigen "Urzelle" des Terrors in Algerien, der "Islamischen Heilsfront" (FIS), lehnen GIA und vor allem GSPC eine Aussöhnung mit der algerischen Regierung ab.

Ihre Kampfkraft erhielten GIA und GSPC vor allem durch zahlreiche Veteranen des Afghanistankrieges gegen die ehemalige Sowjetunion in den Jahren 1979 – 89. Fast 4000 Algerier kämpften damals gegen die Rote Armee der UdSSR. Gestählt mit Kampferfahrung und militärischem Wissen kehrten sie in den 90er Jahren in ihr Heimatland zurück und befeuerten die brutale Auseinandersetzung der Islamisten mit der algerischen Regierung in einem Bürgerkrieg, dem über 100 000 Menschen zum Opfer. Die Geschichte der GSPC bis heute ist außerdem geprägt durch zahlreiche interne Machtkämpfe und ideologische Richtungskämpfe.

Der relativ moderate Kurs Hassan Hattabs, dem Versagen an der militärischen Front bei der Auseinandersetzung mit der algerischen Zentralregierung vorgeworfen wurde, führte im Herbst 2003 zu dessen Ablösung von der Spitze der GSPC. Neuer Führer der Islamisten wurde Nabil Sahraoui, besser bekannt in den Rängen der Kämpfer unter seinem "Kriegsnamen" Abu Ibrahim Mustafa. Er kam ursprünglich von der GIA und wechselte die Front zur GSPC. Abu Ibrahim Mustafa fuhr einen radikaleren Kurs als sein Vorgänger Hattab. Er dehnte das Operationsgebiet der Organisation über die Landesgrenzen Algeriens hinaus aus, etablierte Trainingscamps in Libyen und Tschad und stellte deren Finanzierung sicher. Bei Zusammenstößen mit dem algerischen Militärs erlitten seine Kader jedoch schwere Verluste. Kulminationspunkt dieser Entwicklung war der eigene Tod. Im Juni 2004 kam Abu Ibrahim Mustafa bei Gefechten mit der Armee in einem Stützpunkt der GSPC in den Bergen ums Leben.

Bereits zu Lebzeiten hatte Mustafa versucht, engere Kontakte zur al-Qaida zu knüpfen. So verbreitete er eine Erklärung, die viele als Eid auf Osama bin Laden auffassten, aber aus dieser Initiative entwickelten sich keine aktuellen Kontakte.

Nachfolger Abu Ibrahim Mustafas wurde Abu Musab Abdul Wadoud, mit Klarnamen Abdelmalek Droukdal. Sein Credo besteht in einer harten militärischen Linie und dem klaren Ziel, die GSPC unter das "Logo" al-Qaida zu etablieren, was durch die jüngste Entwicklung gelungen zu sein scheint. Unmittelbar nach seiner Kommandoübernahme in der GSPC knüpfte er erste Kontakte mit dem damaligen Topterroristen im Irak, Abu Musab al-Sarkawi.

Die Union mit al-Sarkawi sollte langfristig zu al-Qaida führen. Denn bereits der spätere Stellvertreter bin Ladens im Irak plante den Aufbau einer al-Qaida im Land des arabischen Maghreb mit der GSPC als Kernorganisation. Sichtbarer wurde die angestrebte Vereinigung mit der al-Qaida unter dem gegenwärtigen GSPC-Führer durch die Übernahme von Propaganda-Techniken der al-Qaida-Organisation. Die algerischen Islamisten begannen damit, ihre Aktionen zu filmen und stellten die Operation anschließend ins Internet. Die filmischen Angriffssequenzen wurden unterlegt mit Äußerungen von al-Qaida-Kommandeuren und Eindrücken aus Trainingslagern der GSPC.

Im Erkennungszeichen der GSPC findet sich im aufgeschlagenen Koran der Satz „Nur Gott steht das Urteil zu“. Dies ist eine aus der Frühzeit des Islam bekannte Losung. Über dem Koran wölbt sich im Logo ein in dschihadistischen Kreisen sehr bekannter Koranvers „und kämpft gegen sie, bis niemand (mehr) versucht, (Gläubige zum Abfall vom Islam) zu verführen, und bis nur noch Gott verehrt wird!"

Der Tschad beheimatet eine Bevölkerung mit unterschiedlichen Konfessionen. Vertreten in der 11,75 Mio. starken Bevölkerung sind Moslems, Röm.-Katholiken, Protestanten, Animisten, andere bisweilen unbekannte Religionen und Atheisten. Die Koexistenz der drei frommen Religionen Christentum, Islam und klassischen afrikanischen Religionen – insbesondere Formen des Animismus, sind bezeichnend für den Tschad. Die im Tschad maßgeblichen religiösen Richtungen suggerieren keinen Konservatismus und lang hergebrachte Entscheidungsstrukturen wie in anderen Ländern mit streng ausgelegten religiösen Inhalten. Der Islam, welcher durch einen strengen Glau­benssatz und Befolgung im Tschad gekennzeichnet ist, findet dennoch zahlreiche und neuartige Auslegungsformen. Das Christentum erreichte Tschad durch die französische Kolonialherrschaft, wobei die zahlreichen traditionellen afrikanischen (Natur)-Religionen regionsspezifisch und traditionsbehaftet für die alten Kulturen im Tschad bleiben. Alle Religionen im Tschad bestimmen das soziale und wirtschaftliche Leben des Landes. Beide monotheistischen Religionen – Christentum und Islam, weisen synkretistische Elemente auf. Mitunter werden auch auch Traditionen aus dem Christentum mit dem Islam vermischt, so werden in einigen Dörfern Afrikas Rosenkränze für das Gebet verwendet, gleichzeitig wird die Gebetsrichtung nach Mekka orientiert.

Zu den bekanntesten Religionsformen des Synkretismus gehören die oben genannten Mischungen mit dem Christentum oder dem Islam, aber auch Mischungen von traditionellen, afrikanischen Religionen. Hier gibt es zahlreiche Formen, am bekanntesten sind jedoch Nkabah und Mami Wata. Diese Religionsformen werden besonders häufig im westlichen Afrika zelebriert, gehören aber häufig auch zu den Ritualen von diversen Stämmen Afrikas.

Die Konzentration der Moslems ist im Nord- und Osttschad besonders stark, wobei Christen und Animisten hauptsächlich im Südtschad sowie Guéra vorzufinden sind. Tendenziell koexistieren alle Religionen im Tschad friedlich. Die traditionelle afrikanische Religion im Tschad, der Animismus, erklärt die Welt als ein Produkt eines komplexen Systems von Verhältnissen zwischen Menschen, Leben(den), Tot(en), Tieren, sowie natürlichen und supranaturalen Phänomenen, welche als zentrale Aussage die Beseelung aller Dinge in sich tragen.

Das delikate Gleichgewicht aller Dinge wird häufig hierarchisch bestellt. Die Einhaltung des Gleichgewichts ist ausschlaggebend und sichert Erfolg, sowie das menschliche Überleben. Durch unsoziale Taten oder Unglücksignale kann das Gleichgewicht gekippt werden, wobei es durch rituelle Taten wie Gebete, Opfer, Trankopfer, Kommunionen, Tänze und symbolische Kämpfe wieder herzustellen ist. Dieser traditionelle Glaube beeinflusst die Menschen, ihre Seelen, Familien, Gemeinschaften sowie auch den Agrarsektor und die Ernten, welche in relativer Selbständigkeit auf das Leben des Menschen einwirken und deren Verhalten der Mensch durch rituelle Kontaktaufnahme beeinflussen können.

Auch die Tubu kennen einen allerdings islamisierten Ahnenkult, dazu präislamische Agrarriten, magische Praktiken, Geomantie und Ordal sowie Reste eines Sonnenkultes. Der Mensch hat nach ihrem Glauben zwei Seelen. Die Totenseele streicht um die Gräber, an denen deshalb geopfert wird. Die Traumseele hingegen schweift in den Träumen umher; Böse Blicke können sie einfangen. Insgesamt haben sich bei den Tubu besonders viel vorislamische Bräuche erhalten, und im Tibesti finden sich zahlreiche Steinkreise, die auf vorislamische Kultstätten zurückgehen, an denen bis heute Opfer dargebracht werden. Der Geisterglaube ist ebenfalls verbreitet.

Es herrscht allgemein die Vorstellung von Ahnen- und Totengeistern, die unter Umständen göttliche Qualitäten erlangen können. Die Ahnen, die oft als Mitglieder der Familie betrachtet werden, haben ihren Platz unter den wichtigsten kosmischen Mächten, und vor allem in den westafrikanischen Religionen bestimmen sie weitgehend deren Charakter, wirken schützend und helfend in das Alltagsleben hinein, wie die Wächterfiguren in zahlreichen afrikanischen Kulturen auch figürlich demonstrieren Nicht jeder Tote erreicht allerdings den Status eines Ahnen. Ahnen verhalten sich ähnlich wie Schutzgeister. Mit Hilfe von als Medium befähigten Menschen, Träumen oder Visionen können die Ahnen ihre Wünsche kundtun, die dann möglichst erfüllt werden müssen. Es gibt allerdings keineswegs überall eine Ahnenanbetung im engeren Sinne eines Ahnenkultes.

Auch die Vorstellung der Besessenheit durch Geister, insbesondere bei Medien, existiert bei den Tubu. Trance bzw. Ekstase und Seancen, meist durch Tänze etc., nie durch Drogen, sind dabei üblich. Die Besessenheit kann positiv sein und durch Medizinmänner genutzt werden oder negativ als Folge einer Übernahme durch eine feindliche Geistmacht, die dann vertrieben werden muss. Dabei sind die Übergänge zu den Besessenheitskulten, bei denen der Schamane, Magier bzw. Medizinmann oder auch Patient die Geistmacht nicht freiwillig zu sich bittet, sie in sich einlässt, sondern von ihr oft gegen seinen Willen „überfallen“ wird, nicht immer klar zu ziehen, da individuelle Intentionen und psychische Bereitschaften des derart Besessenen meist unklar bleiben. Eliade allerdings rechnet diese Art von Ekstase nicht zu den wesentlichen Kennzeichen des Schamanismus.

Die wichtigsten Geistmächte stehen gewöhnlich in Verbindung mit Dingen oder Wesen, mit denen die Menschen täglich umgehen oder die sie aus der Vergangenheit kennen. Verschiedene Arten von Geistern sind unterschiedlichen Ebenen zugeordnet: Luft, Erde, Flüsse, Wälder, Berge, Donner, Erdbeben, Epidemien usw. Oft sind die Geister Personifizierungen dieser natürlichen Gegebenheiten. Viele Geister sind in die Familiengeschichte eingebunden.

Die Sahara-Berber haben, obwohl durchweg islamisch, zahlreiche vorislamische Bräuche wie etwa Saat- und Erntebräuche, wenn die Berberstämme im Atlas-Gebirge etwa im Frühjahr in feierlichen Umzügen unter Tanzen und Musik und mit Gebeten über die Felder ziehen und so der Erdmutter huldigen. Die Erde gilt ihnen als göttliche Braut und der Regen als Gemahl, der ständig in sie eindringt. Weitere Fruchtbarkeitsriten sind üblich, und die göttliche Urkraft ist entsprechend weiblich. Gelegentlich finden sich orgiastische Kopulationszeremonien. Beschwörungstänze finden in der Nähe von Quellen, Feigenbäumen und Korkeichen statt, die als Sitz von Erddämonen gelten. Selbst vor dem islamischen Aschura-Fest bringen die Bauern noch Opfer, entzünden auf den Bergen Feuer und tanzen um die Flammen, ein uralter mediterraner Ritus

Selbst die vorislamische Rolle der Frauen als Priesterinnen einer erdhaften Muttergöttin hat sich noch in Resten erhalten, und manche Frauen gelten bis heute als Zauberinnen, ja abseits großer Siedlungen finden sich gar noch weibliche Heilige (Taguramt). Der Islam ist hier teilweise nur ein Firnis, unter dem sich altes Brauchtum erhalten hat, und die Natur bleibt von mächtigen Dämonen und Geistern bevölkert, die zu beschwichtigen sind. Alte Opferplätze werden noch frequentiert. Die Rolle der alten Zauberpriester haben nun die Aguram übernommen, die mitunter als Heilige gelten, und sie sind als Mittler zwischen diesseitiger und jenseitiger Welt unentbehrlich, denn sie praktizieren die alte vorislamische Magie unter islamischer Tünche. Als Schlangenbeschwörer praktizieren sie hier und da noch die Ekstase.

Es herrscht allgemein die Vorstellung von Ahnen- und Totengeistern, die unter Umständen göttliche Qualitäten erlangen können. Die Ahnen, die oft als Mitglieder der Familie betrachtet werden, haben ihren Platz unter den wichtigsten kosmischen Mächten, und bestimmen sie weitgehend deren Charakter, wirken schützend und helfend in das Alltagsleben hinein, wie die Wächterfiguren in zahlreichen afrikanischen Kulturen auch figürlich demonstrieren. Nicht jeder Tote erreicht allerdings den Status eines Ahnen. Ahnen verhalten sich ähnlich wie Schutzgeister. Mit Hilfe von als Medium befähigten Menschen, Träumen oder Visionen können die Ahnen ihre Wünsche kundtun, die dann möglichst erfüllt werden müssen.

Der Islam eroberte Tschad im späten 7. Jahrhundert n.Chr.; moslemische Eroberer erreichten Nordafrika südwärts, als sie in die Wüste zogen. Die An­kunft und die Verbreitung des Islams begann bereits zuvor; vom Osten her im vierzehnten Jahrhundert war der Glaube bereits weitverbreitet und bekannt.

Das Christentum verbreitete sich im zwanzigsten Jahrhundert durch die Kolonialisierung; die französischen Offiziere zeigten sich gegensätzlich zu anderen afrikanischen Ländern konträr zur christlichen Missionierung der tschadischen Bevölkerung, welche in den ersten zwei Dekaden der Kolonia­lisierung befolgt wurden. Eine Änderung in dem Trend nahm zum Ende des ersten Weltkriegs ihren Lauf, die Regierung erlaubte christliche Missionierung, förderte diese aber nicht. Ab dem Zweiten Weltkrieg beinhalteten die christlichen Lehren im Land zusätzlich Ideologien und Politiken der westlichen Welt, die vermehrt verbreitet wurden. Spezifischer verbreiteten die römisch-katholischen Missionen die französische Sprache. Trotz dieser Bemühungen verbreitete sich der Islam stärker als das Christentum; die Regierung in den achtziger Jahren bestand überwiegend aus Christen, welche die Macht von den Franzosen übernahmen. Auch das tschadische Christentum beinhaltet, ebenso wie der tschadische Islam, vor-christliche und regionsbezogene, traditionelle Aspekte.

Protestanten siedelten sich im Südtschad in den zwanziger Jahren an. Anfänglich amerikanische Bap­tisten, später auch Missionare anderer Nationa­litäten, wobei viele der amerikanischen Missionen Ab­zweigungen des Missionarsnetzes waren, welche südlich aus der Ubangi-Chari Kolonie (jetzt Republik Zentralafrika) von französischem äquatorialem Afrika kamen.

Der Tschad, künstlich durch koloniale Grenzziehung 1900 geschaffen, war bis 1960 Teil des französischen Machtgebietes. Er umfasst 1 284 000 km2 mit 11,2 Mio. Einwohnern Der Tschad ist gebrandmarkt durch drei Dekaden von Bürgerkriegen sowie Übergriffen seitens Libyens, mit schwerwiegenden, ein­hergehenden soziopolitischen Unruhen, welche 1990 dem Anschein nach besänftigt werden konnten Starke Entwicklungsdefizite, und ethnoregionale Gewalt zwischen dem vorwiegend islamischen Norden und dem christlich-animistischen Süden zeichneten die Konflikte aus. Die Volkszählung aus dem Jahre 1993 ergab, dass 53,1% der Bevölkerung Moslems waren, 20,1% Römisch-katholisch, 14,2% Protestanten, 7,3% Animisten, andere 0,5%, unbekannt 1,7% und Atheisten 3,1%.

Die tschadischen Moslems sind mehrheitlich sunnitisch mit malikitischer Ausrichtung. Im Osten und Norden des Tschads haben mystische Bruderschaften lange Zeit eine große Rolle gespielt, allen voran die bis heute bedeutsame Tijaniyah-Bruderschaft; ihre Lehren beinhalten eine Mischform von lokalen afrikanischen Religionen. Die Mehrheit der Muslime gehören zu der Sufi-Bruderschaft Tijaniyah, die der in den 1780er Jahren von Ahmad at-Tidschānī gegründet wurde und heute vor allem in Westafrika und Nordostafrika verbreitet ist, aber auch Anhänger im Nahen Osten und in Indonesien hat.

Sein Lehrer Muhammad ibn Hamwi at-Tidschānī unterrichtete ihn gemäß der malikitischen Rechtsschule. Tidschani erhielt seine Legitimation nicht wie üblich durch Einweisung in die Prophetenabstammung (Silsila), sondern behauptete, es sei direkt eine Vision vom Propheten zu ihm gekommen, die seine frühere Initiation in den Chalwati-Orden ungültig mache.

In seinen letzten Lebensjahren verbot er seinen Anhängern, andere Sufiorden oder die Grabstätten anderer Heiliger (Walis) zu besuchen, da die Tidschaniyya die letztgültigen Aussagen treffe.

Nach Ahmad at-Tidschānīs Tod wurde der Orden von seinem Sohn ʿAlī at-Tamāsīnī geleitet, der in dem ostalgerischen Ort Tamāsīn residierte. In ʿAin Mādī, dem südalgerischen Heimatort von Ahmad at-Tidschānī, fasste der Orden schon vor 1820 Fuß, geriet aber hier mit den Angehörigen des Tidschāna-Stammes, den sogenannten Tadschādschina, in Konflikt. Die Auseinandersetzung zwischen Tidschānīya Emir ʿAbd al-Qādir, der den Ort 1838 belagerte, und den Tadschādschina dauerte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und führte zur schrittweisen Vertreibung der Tadschādschina aus dem Ort.

Nach dem Tod von ʿAlī at-Tamāsīnī im Jahre 1844 ging die Führung des Ordens auf Muhammad as-Saghīr über, der seinen Sitz bereits in ʿAin Mādī genommen hatte. Er versuchte, nach dem Zusammenbruch der Osmanischen Herrschaft im Land einen eigenen Tidschāni-Staat in Südalgerien zu gründen. Unter Ahmad at-Tidschānī II, dem Enkel des Ordensgründers, der zwischen 1865 und 1897 in ʿAin Mādī residierte und freundliche Beziehungen zur französischen Kolonialmacht unterhielt, erlebte der Ort große wirtschaftliche Prosperität und entwickelte sich zu einem wichtigen spirituellen Zentrum des Ordens. Daneben blieb Tamāsīn ein zweites Zentrum des Ordens in Algerien, das mit ʿAin Mādī rivalisierte.

Zur Verbreitung der Tidschānīya in Tunesien hat vor allem der Gelehrte Ibrāhīm ar-Riyāhī (1766/67–1849/50) beigetragen. Er war schon 1797 bei einem Besuch von Ahmad at-Tidschānīs Anhänger Harāzim Barāda in Tunis in den Orden eingeführt worden. In den Jahren 1803 bis 1804 reiste er anlässlich einer Hungersnot in Tunesien nach Marokko, um den marokkanischen Sultan Mulai Sulaiman um Lebensmittelhilfe zu bitten. Bei dieser Gelegenheit traf er selbst in Fès mit Ahmad at-Tidschānī zusammen. Nach seiner Rückkehr gründete ar-Riyāhī in Tunis die erste Tidschānīya-Zāwiya. Gleichzeitig spielte er eine wichtige Rolle im öffentlichen Leben von Tunis: 1828/29 wurde er zum Obermufti ernannt, 1839/40 zum Rektor der Madrasa der Ez-Zitouna-Moschee.

Von Marokko dehnte sich der Tidschānīya-Orden um 1800 in der westlichen Sahara nach Süden aus. Muhammad al-Hāfiz ibn al-Muchtār (1759–1830) führte den Orden in Mauretanien ein. Sein favorisierter Schüler Maulūd Fāl verbreitete ihn in der Senegambia.

Zum einflussreichsten Vertreter der Tidschānīya in Westafrika wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Tukulor-Gelehrte al-Hāddsch ʿUmar ibn Saʿīd Tall (1796–1864). Er war ein indirekter Schüler von Maulūd Fāl in Senegal und gelangte während eines Aufenthalts in Mekka zu hohem Ansehen. Während seiner etappenweisen Rückkehr von Mekka hielt er sich acht Jahre in Sokoto auf.

Nach seiner Rückkehr nach Westafrika organisierte Umar ibn Saʿid Tall von 1851 bis zu seinem Tod einen Dschihad gegen die seiner Meinung nach falsch religiös orientierten Muslims im Gebiet zwischen den heutigen Staaten Mali, Senegal und Guinea und gegen die französischen Kolonialtruppen. 1855 eroberten seine Streitkräfte das Bambara-Reich von Segu, zogen weiter nach Osten und besiegten 1862 das vom gegnerischen Qadiriya-Orden geprägte Fulbe-Reich von Masina. Nach anfänglichem Erfolg und hohen Verlusten auf beiden Seiten wurde Umar bei einer Revolte 1864 umgebracht. Die Unfähigkeit, in den eroberten Gebieten eine funktionierende Ordnung herzustellen und die auch nach seinem Tod fortgeführten kriegerischen Auseinandersetzungen sanken das Ansehens des Ordens.

ʿUmar wurde von den Anhängern des Ordens als führender Intellektueller anerkannt, sein Hauptwerk Kitāb ar-Rimāh ist ebenso verbreitet wie das Jawāhiral al-maʿānī des Gründers at-Tidschani. Seine Ablehnung der anderen Sufi-Orden führte immer wieder zu religiös motivierten Konflikten.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts arbeiteten die Tidschanis in Algerien und Tunesien eng mit der französischen Kolonialverwaltung zusammen, im Unterschied zu vielen anderen aufständischen Sufiorden. Unter Ahmad at-Tidschānī II, der 1897 starb, wurde der Orden in Algerien immer mehr zu einem Instrument der französischen Kolonialpolitik. Nach dessen Tod kam es über dem Streit, wo er beerdigt werden sollte, zu einer Spaltung der beiden algerischen Tidschānī-Zāwiyas, die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts andauerte.

Auch in Marokko kooperierten die meisten Tidschānī-Führer mit den Franzosen und setzten sich dadurch der Feindschaft der anderen Bruderschaften aus.

Ähnliche Entwicklungen zeichneten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Westafrika ab, wo einer der wichtigsten Tidschani-Sufis Abdoulaye Niass war. Er stammte aus der Region um Jolof, ging 1890 auf Wallfahrt nach Mekka und wechselte wahrscheinlich 1901 nach Gambia, um möglichen Konflikten mit den französischen Kolonialherren auszuweichen. Nach einer weiteren Wallfahrt im Jahre 1910 erreichte er eine Einigung mit den Franzosen. Sie teilten ihm, seiner Familie und seinen Anhängern einen Platz in Kaolack zu, dem wichtigsten Zentrum der Saloum-Region zu. Dort errichtete Abdoulaye Niass die zāwiya von Lewna Niasseen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Bruderschaften werden in der Tidschaniyya asketische Lebensformen abgelehnt, Ziel ist die Erarbeitung von Wohlstand. In allen wichtigen religiösen Schriften der Tidschaniyya wird der „Dienst“ (ḫidma) erwähnt, der den ideellen Rahmen für das Leben in der Bruderschaft bildet.

Tendenziell zunehmende Einflüsse des Islams durch die Unterstützung Saudi-Arabiens, Sudans und Libyens prägen den vorwiegend christlichen Süden des Landes, zum Beispiel Arabisch als neue Verkehrssprache an Bedeutung gewinnt. Auch Privatspenden zum Ausbau moslemischer Einrichtungen wurden entgegengenommen, insbesondere aus den Arabischen Emiraten, aus dem saudi-Arabischen, jemenitischen und kuwaitischen Raum.

Im Jahr 1969 trat der Tschad der Organization of the Islamic Conference (OIC) bei, und weist somit die tendenzielle Stärke des Islams im Land auf. Radikale, fundamentalistische Bewegungen im Tschad werden einer Gruppe von etwa 5-10% der muslimischen Bevölkerung zugerechnet, darunter auch dem Wahabismus und Salafismus. Islamische Schüler und Gelehrte müssen zwecks religiöser Fortbildungen ins Ausland gehen, um eine islamische Bildung zu erhalten, da es im Tschad keine entsprechenden weiterführenden Einrichtungen gibt. Populäre Lernstätten für tschadische Moslems sind Kairo, Khartum und Al Azhar.

Im Tschad gibt es der Oberste Rat für Islamische Angelegenheiten (HCIA), der eine unabhängige Nichtregierungsorganisation darstellt, zu deren Aufgaben die Beaufsichtigung der religiösen Aktivitäten aller Muslime im Tschad zählt.Ihr Präsident ist Scheich Hussein Hasan Abakar, ein Mitglied der Tidschani-Sufiordens. Diese Aufsicht umfasst die arabische Sprache und koranische Unterweisung, die Koordination der Haddsch-Aktivitäten, die Repräsentation des Tschads auf internationalen religiösen Veranstaltungen und die Überwachung der Moschee-Predigten sowie die Missionierung durch muslimische Gruppen.

Zur größten christlichen Gemeinschaft zählt die katholische Kirche mit acht Diözesen (u.a. eine apostolische Erzdiözese, die Erzdiözese von N’Djamena, Diözese von Doba, Diözese Goré, Diözese Lai, Diözese Moundou, Diözese Pala, Diözese Sarh), sie erreichen die schätzungsweise 900.000 römisch-Katholiken im Tschad.

Die Eglise Evangélique du Tchad (EET) ist die größte protestantische Kirche im Tschad, danach folgen die Eglise Fraternelle Luthérienne du Tchad (EFLT), die Assemblées Chrétiennes au Tchad (ACT), die Eglise Baptiste du Tchad und die Eglise Adventiste du Tchad, welche alle tendenziell im Süden des Landes lokalisiert sind.

Die Sozialarbeit der tschadischen röm.-kath. Kirche ist seit den siebziger Jahren stark ausgebildet, und hat das Land mitgestaltet, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Ausbildung und Ent­wicklung. Nonnen waren ausgebildete medizinische Fachkräfte, die ihr Wissen weitergaben und in Krankenhäusern und Kliniken arbeiteten. Der Ausbau von Schulen und der Erwachsenenbildung sowie die Hilfe im Agrarsektor durch die Kirchenschaft hat seit den fünfziger Jahren Christen und Nicht-Christen unterstützt.

Die Lehren des Korans bilden die Grundlage des Islams im Tschad, wobei regionale Aspekte und Traditionen die Lehren des Islams mitgestaltet haben. Die Befolgung der fünf Pfeiler des Glaubens werden im Tschad abweichend ausgelegt; die Pilgerreise wird nicht so stark befolgt wie in anderen moslemi­schen Nachbarländern, das wöchentliche Gemeinschaftsgebet muss nicht in einer Moschee durchgeführt werden, und auch andere Rituale bezüglich des Ramadan sind bisweilen bekannt.

Am 29. Juni 2008 kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Unterstützern des militanten Religionsführers Sheikh Ahmet Ismaeil Bichara in Kuono, bei denen 72 Menschen getötet worden sind. Der fundamentalistische Religionsführer wurde verhaftet, nachdem er verkündet hatte, den Jihad vom Tschad bis nach Dänemark durchzuführen.

Durch den Beitritt Tschads zur Organization Islamic Conference (OIC) wurden den tschadischen Moslems gesonderte Rechte zugesprochen. Die OIC ist eine zwischenstaatliche internationale Organisation von derzeit 56 Staaten, in denen der Islam Staatsreligion, Religion der Bevölkerungsmehrheit oder Religion einer großen Minderheit ist. Die Organisation nimmt für sich in Anspruch, die islamische Welt zu repräsentieren.

Im Februar 1972 wurden die Hauptanliegen der Organisation verabschiedet. Die OIC-Charta nennt als wichtigste Ziele die Förderung der islamischen Solidarität und der politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und wissenschaftlichen Kooperation unter den Mitgliedstaaten, außerdem die Förderung der Anstrengungen der Muslime für ihre Würde, Unabhängigkeit und nationalen Rechte. Weiter will die Organisation die Bemühungen zur Sicherung der heiligen islamischen Stätten koordinieren; außerdem soll sie den Palästinensern helfen, ihre Rechte zu erlangen und die Besetzung ihrer Gebiete zu beenden. Als allgemeinere Ziele werden genannt, dass die OIC auf die Ausrottung jeder Form von ethnischer Diskriminierung und Kolonialismus hinarbeiten und die Kooperation und das Verständnis zwischen den Mitgliedstaaten und anderen Staaten fördern soll.

Generell wird in dieser Verfassung für alle religionsausübenden Menschen des Tschads das Recht auf religiöse Freiheit garantiert, wobei einige religiöse Praktiken verboten wurden. Verboten wurden u.a. die folgenden islamischen Abzwei­gungen: Al-Mountada Al-Islami, die World Association for Muslim Youth, Al Faid al-Djaria (oder: Al Faydal Djaria), die Mecca Al-Moukarrama Charitable Foundation, und die Al-Haramain Charitable Foundation, aufgrund der Verherrlichung von Gewalt in ihren religiösen Auslegungen, und dem Aufruf zu menschenrechtsverletzenden Taten.

Der Tschadsee liegt am Südrand der Sahara im Tschadbecken und ist aufgeteilt unter den Staaten Tschad, Kamerun, Nigeria und Niger. Zwei Dreiländerecke befinden sich im See: Kamerun-Tschad-Nigeria im südöstlichen Teil und Niger-Tschad-Nigeria im nordwestlichen Teil. Beide werden nicht mehr von der Wasserfläche des Sees bedeckt, die verbleibende Wasserfläche verteilt sich auf den Tschad und Kamerun.

In den Blickpunkt der Öffentlichkeit geriet der See in den letzten Jahrzehnten durch ein dramatisches Absinken des Wasserspiegels, wie die nebenstehenden Satellitenaufnahmen zeigen. Der Tschadsee hat seit jeher veränderliche Uferlinien und Wasservolumen. Schon um 1450 trocknete zum Beispiel das südliche Seebecken des Sees aus, was auf einer Verlagerung seines Hauptzuflusses beruhte und zu einer Flutkatastrophe in den darauf folgenden Jahren führte. In der Kolonialzeit der Region berichteten Kolonialbeamte, dass sie es von Jahr zu Jahr mit veränderlichen Uferlinien des Sees zu tun haben. In einem Jahr konnten sie Gebiete des Seegrundes trockenen Fußes überqueren, im darauf folgenden Jahr mussten sie für die selbige Strecke ein Boot benutzen. Das derzeitige Seevolumen wird im Allgemeinen mit 73 km³ angegeben.

Der Tschadsee ist einer der weltweit größten endorhëischen Frischwasserkörper, der durch seine Randlage zur Wüste Erg Kanem ein einzigartiges und weltweit bedeutendes Ökosystem entstehen lässt. Er wird durch seine historisch belegbaren unterschiedlichen Wasserstände der letzten eintausend Jahre als der große, normale und kleine Tschadsee bezeichnet. Vom großen Tschadsee spricht man, wenn die freie Wasseroberfläche über 24.000 km² bedeckt (Pegel über 284,2 Meter über dem Meeresspiegel). Der normale Tschadsee bedeckt eine Fläche von 18.000 bis 22.000 km² (Pegel 279 bis 282 Meter über dem Meeresspiegel). Vom kleinen Tschadsee spricht man, wenn die freie Wasserfläche zwischen 2.000 und 14.000 km² liegt (Pegel dann unter 278,5 Meter über dem Meeresspiegel). Unter der Marke von 2.000 km² weist der dann verbleibende Tschadsee die Charakteristiken eines sehr großen Feuchtgebietes auf.

Das Seebecken des normalen Tschadsees untergliedert sich in ein nördliches und ein südliches Becken, die durch die Altdünenzone der Great Barrier bzw. Grande Barriêre getrennt sind, somit können hydrochemische Austauschvorgänge nur bei Wasserständen über 280 Meter stattfinden. Der vierte geographische Sektor des normalen Tschadsees wird als Archipelago bezeichnet, er liegt im Nordosten der östlichen Ausbuchtung des Sees. Das nördliche Seebecken weist eine Tiefe von sieben Metern auf, das südliche eine Tiefe von drei bis vier Metern. Im östlichen Teil des südlichen Seebeckens schließt sich das Tal des Wadis Bahr el-Ghazal an, dieser bildet einen Überlaufkanal des Sees aus, hin zur tiefsten Senke im Tschadbecken, der Bodélé-Depression. Dieser wird ab einem Pegel von 13 Metern über Seegrund geflutet, dies geschah zuletzt in den Jahren 1962 und 1964, als das Wasser 50 km weit in den Bahr el Ghazal vordrang.

Die seit den 1970er Jahren zu beobachtende Regression des Sees gipfelte Ende der 1990er Jahre. Die nicht mehr ständig von der offenen Wasserfläche des Sees bedeckten Gebiete bilden heutzutage ein großes Feuchtgebiet aus, das vom WWF als die Tschadsee-Überflutungssavanne bezeichnet wird. Dieses Gebiet steht seit 2008 als die Lake Chad Wetlands unter dem Schutz der Ramsar-Konvention, deren größte Ausdehnung in Nigeria liegen und dort als Lake Chad Game Reserve bezeichnet werden. Es ist das erste geschützte grenzüberschreitende Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung auf dem afrikanischen Kontinent.

Die Geschichte des Tschadsees ist eng an die klimatischen Verhältnisse der Region gekoppelt, spiegelt aber auch die Klimageschichte der gesamten Erde wider. So konnten eine Ausdehnung des Sees auf fast 2 Mio. km² vor ca. 50.000 Jahren festgestellt werden. Er dehnte sich vom Tibesti und Ennedi-Gebirge bis zur Zentralafrikanischen Schwelle aus. Der See trocknete im Zeitalter des Ogolien bzw. Kanemien bis vor ungefähr 22.000 Jahren komplett aus, das bis vor etwa 12.000 Jahren andauern sollte. Danach brach die humide Phase des ersten Nigéro-Tschadien an, in der der See eine Tiefe von 15 Metern erreichte, bevor er vor 11.000 Jahren wieder abtrocknete. Im Nigéro-Tschadien II, vor 9000 Jahren, konnte sich der See regenerieren und erreichte eine Wassertiefe von 38 Metern, bevor er sich auf eine der heutigen Ausdehnung vergleichbare Größe reduzierte. Die bislang größte Ausdehnung während des Zeitalter der Nigéro-Tschadien erreichte der See unter Einbeziehung der deutlich tiefer gelegenen Bodélé-Depression als Mega-Tschad zwischen 6000 und 4000 Jahren vor heute. Er erreichte eine mittlere Wassertiefe von etwa 65 Metern und eine Ausdehnung von etwa 360.000 km². Der Abfluss aus dem Mega-Tschad erfolgte bei etwa 325 Meter Meereshöhe südwestlich der am Logone gelegenen Stadt Bongor. Über den Mayo Kébbi ergoss sich seinerzeit das überschüssige Seewasser in den Benue und den Niger und hatte so eine Verbindung zum Atlantik. Das isolierte Vorkommen Afrikanischer Manatis in den Zuläufen des Tschadsees belegt diese Verbindung.

Nach dieser maximalen Ausdehnung reduzierte sich seine Wasseroberfläche auf 60.000 km² vor 2000 Jahren und 36.000 km² vor 1000 Jahren. Die geringste bislang belegbare Größe erreichte der Tschadsee im Jahr 1908, als er bis auf ein paar Feuchtgebiete im nördlichen und südlichen Bassin abtrocknete. Danach regenerierte er sich auf eine Größe von 22.900 bis 25.000 km² im Jahr 1963. Anfang der 1970er Jahre begann eine Reihe von Trockenperioden, in denen der See immer weiter schrumpfte, bis auf maximal 4000 km² im Jahr 2001. Im Jahr 2008 hatte er eine minimale Ausdehnung von 30 mal 40 km an der Mündung des Schari, was einer offenen Wasserfläche von 2500 km² entsprach.

Das Wassereinzugsgebiet des Tschadsees hat eine Größe von etwa 967.000 km² und wird von der Tschadseebecken-Kommission als konventionelles Bassin bezeichnet. Rund 90 Prozent seines Wassers erhält der See aus den Zuflüssen des Schari (frz. Chari) und des bei N’Djamena in den Schari mündenden Logone. Weniger als zehn Prozent des Zulaufs stammen aus nigerianischen Flüssen und den lokalen Niederschlägen. In erster Linie handelt es sich dabei um den Komadugu Yobe und den El Beid. Von geringerer Bedeutung sind der Ngadda und Yedseram, jedoch erreichen die meisten nigerianischen Flüsse, außer dem El Beid, seit den großen Trockenperioden der 1960er bis 1980er Jahre nicht mehr die offenen Wasserflächen des kleinen Tschadsees. Alle diese Flüsse führen ganzjährig Wasser, unterliegen jedoch jahreszeitlichen Pegelschwankungen. Die regionalen Niederschläge fallen in den Monaten Juni bis September. Sie werden gesteuert von der Intensität des westafrikanischen Monsunsystems. Es fallen lediglich zwischen 250 und 450 mm Niederschlag pro Jahr in der Region des Tschadsees. Der See wird im Allgemeinen als ein typischer Vertreter der Frischwasserseen des Sahel beschrieben, diese zeichnen sich durch ihre sehr geringe Salinität aus.

Somit ist der Wasserhaushalt des Tschadsees ganz wesentlich von den Niederschlägen im gemeinsamen, rund 800 km weit entfernten Einzugsgebiet von Schari und Logone abhängig. Im Rhythmus der Regenzeiten schwankt der Wasserspiegel des Sees und überschwemmt kilometerweise flaches Land oder zieht sich entsprechend zurück. Bei der geringen Tiefe (in großen Bereichen des Sees beträgt sie weniger als einen Meter, an den tiefsten Stellen kaum mehr als fünf) und der hohen Verdunstungsrate (allgemein geht man jährlich von 2.300 mm aus) verlagern sich seine Ufer ständig. Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen kam es auch verstärkt zu Wassernutzung und -entnahme aus dem See und seinen Zuflüssen (Trinkwasser, Landwirtschaft). Als sich im Laufe der 1960er Jahre die vom Schari beförderten Wassermengen um mehr als 50 Prozent verringerten, reduzierte sich seine Oberfläche drastisch. Die Regression nahm durch die Dürren der 1970er Jahre sogar dramatische Ausmaße an. Das nördliche Seebecken trocknete komplett aus; im Süden verblieb eine geringe Wasserfläche. Nigeria verlor seinen Anteil an der offenen Wasserfläche vollständig. Neue Ansiedlungen auf trockengefallenem Seegrund entstanden in allen oben genannten Staaten, da die freiwerdenden Flächen sehr fruchtbar sind und sich somit gut für die Landwirtschaft nutzen lassen. In einigen Fällen mussten sie zum Teil wieder aufgegeben werden, nachdem sich durch Zunahme der Niederschläge die Uferlinien der Flachwasserbereiche gegenläufig verlagerten. Ob diese seit 1998 zu beobachtende Transgression künftig anhalten wird, ist ungewiss. Es gibt Überlegungen, Wasser aus dem in den Kongo mündenden Ubangi über einen Kanal dem Chari und somit dem Tschadsee zuzuführen. Diese Pläne werden von Umweltschutzorganisationen kritisch gesehen (Verdrängung einheimischer Tier- und Pflanzenarten).

Bei durchschnittlichen Niederschlägen um mehrere Dezimeter schwankend, liegt der Seespiegel gegenwärtig etwa bei 240 m ü. NN und bedeckt rund 23.000 km². Eine mit dem Kaspischen Meer vergleichbare Ausdehnung – etwa im Ausmaß von 300.000 km² – besaß der See um 4000 v. Chr. Der Wasserspiegel lag damals etwa 50 m höher. Für dieses alte Seebecken wurde von Geowissenschaftlern der Begriff Mega-Tschad eingeführt.

In den Blickpunkt der Öffentlichkeit geriet der See in den letzten Jahrzehnten durch ein dramatisches Absinken des Wasserspiegels, wie die nebenstehenden Satellitenaufnahmen zeigen. Der Tschadsee hat seit jeher veränderliche Uferlinien und Wasservolumen. Schon um 1450 trocknete zum Beispiel das südliche Seebecken des Sees aus, was auf einer Verlagerung seines Hauptzuflusses beruhte und zu einer Flutkatastrophe in den darauf folgenden Jahren führte. In der Kolonialzeit der Region berichteten Kolonialbeamte, dass sie es von Jahr zu Jahr mit veränderlichen Uferlinien des Sees zu tun haben. In einem Jahr konnten sie Gebiete des Seegrundes trockenen Fußes überqueren, im darauf folgenden Jahr mussten sie für die selbige Strecke ein Boot benutzen. Das derzeitige Seevolumen wird im Allgemeinen mit 73 km³ angegeben.

Der Tschadsee ist einer der weltweit größten endorhëischen Frischwasserkörper, der durch seine Randlage zur Wüste Erg Kanem ein einzigartiges und weltweit bedeutendes Ökosystem entstehen lässt. Er wird durch seine historisch belegbaren unterschiedlichen Wasserstände der letzten eintausend Jahre als der große, normale und kleine Tschadsee bezeichnet. Vom großen Tschadsee spricht man, wenn die freie Wasseroberfläche über 24.000 km² bedeckt (Pegel über 284,2 Meter über dem Meeresspiegel). Der normale Tschadsee bedeckt eine Fläche von 18.000 bis 22.000 km² (Pegel 279 bis 282 Meter über dem Meeresspiegel). Vom kleinen Tschadsee spricht man, wenn die freie Wasserfläche zwischen 2.000 und 14.000 km² liegt (Pegel dann unter 278,5 Meter über dem Meeresspiegel). Unter der Marke von 2.000 km² weist der dann verbleibende Tschadsee die Charakteristiken eines sehr großen Feuchtgebietes auf.

Das Seebecken des normalen Tschadsees untergliedert sich in ein nördliches und ein südliches Becken, die durch die Altdünenzone der Great Barrier bzw. Grande Barriêre getrennt sind, somit können hydrochemische Austauschvorgänge nur bei Wasserständen über 280 Meter stattfinden. Der vierte geographische Sektor des normalen Tschadsees wird als Archipelago bezeichnet, er liegt im Nordosten der östlichen Ausbuchtung des Sees. Das nördliche Seebecken weist eine Tiefe von sieben Metern auf, das südliche eine Tiefe von drei bis vier Metern. Im östlichen Teil des südlichen Seebeckens schließt sich das Tal des Wadis Bahr el-Ghazal an, dieser bildet einen Überlaufkanal des Sees aus, hin zur tiefsten Senke im Tschadbecken, der Bodélé-Depression. Dieser wird ab einem Pegel von 13 Metern über Seegrund geflutet, dies geschah zuletzt in den Jahren 1962 und 1964, als das Wasser 50 km weit in den Bahr el Ghazal vordrang.

Die seit den 1970er Jahren zu beobachtende Regression des Sees gipfelte Ende der 1990er Jahre. Die nicht mehr ständig von der offenen Wasserfläche des Sees bedeckten Gebiete bilden heutzutage ein großes Feuchtgebiet aus, das vom WWF als die Tschadsee-Überflutungssavanne bezeichnet wird. Dieses Gebiet steht seit 2008 als die Lake Chad Wetlands unter dem Schutz der Ramsar-Konvention, deren größte Ausdehnung in Nigeria liegen und dort als Lake Chad Game Reserve bezeichnet werden. Es ist das erste geschützte grenzüberschreitende Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung auf dem afrikanischen Kontinent.

Die Geschichte des Tschadsees ist eng an die klimatischen Verhältnisse der Region gekoppelt, spiegelt aber auch die Klimageschichte der gesamten Erde wider. So konnten eine Ausdehnung des Sees auf fast 2 Mio. km² vor ca. 50.000 Jahren festgestellt werden. Er dehnte sich vom Tibesti und Ennedi-Gebirge bis zur Zentralafrikanischen Schwelle aus. Der See trocknete im Zeitalter des Ogolien bzw. Kanemien bis vor ungefähr 22.000 Jahren komplett aus, das bis vor etwa 12.000 Jahren andauern sollte. Danach brach die humide Phase des ersten Nigéro-Tschadien an, in der der See eine Tiefe von 15 Metern erreichte, bevor er vor 11.000 Jahren wieder abtrocknete. Im Nigéro-Tschadien II, vor 9000 Jahren, konnte sich der See regenerieren und erreichte eine Wassertiefe von 38 Metern, bevor er sich auf eine der heutigen Ausdehnung vergleichbare Größe reduzierte. Die bislang größte Ausdehnung während des Zeitalter der Nigéro-Tschadien erreichte der See unter Einbeziehung der deutlich tiefer gelegenen Bodélé-Depression als Mega-Tschad zwischen 6000 und 4000 Jahren vor heute. Er erreichte eine mittlere Wassertiefe von etwa 65 Metern und eine Ausdehnung von etwa 360.000 km². Der Abfluss aus dem Mega-Tschad erfolgte bei etwa 325 Meter Meereshöhe südwestlich der am Logone gelegenen Stadt Bongor. Über den Mayo Kébbi ergoss sich seinerzeit das überschüssige Seewasser in den Benue und den Niger und hatte so eine Verbindung zum Atlantik. Das isolierte Vorkommen Afrikanischer Manatis in den Zuläufen des Tschadsees belegt diese Verbindung.

Nach dieser maximalen Ausdehnung reduzierte sich seine Wasseroberfläche auf 60.000 km² vor 2000 Jahren und 36.000 km² vor 1000 Jahren. Die geringste bislang belegbare Größe erreichte der Tschadsee im Jahr 1908, als er bis auf ein paar Feuchtgebiete im nördlichen und südlichen Bassin abtrocknete. Danach regenerierte er sich auf eine Größe von 22.900 bis 25.000 km² im Jahr 1963. Anfang der 1970er Jahre begann eine Reihe von Trockenperioden, in denen der See immer weiter schrumpfte, bis auf maximal 4000 km² im Jahr 2001. Im Jahr 2008 hatte er eine minimale Ausdehnung von 30 mal 40 km an der Mündung des Schari, was einer offenen Wasserfläche von 2500 km² entsprach.

Das Wassereinzugsgebiet des Tschadsees hat eine Größe von etwa 967.000 km² und wird von der Tschadseebecken-Kommission als konventionelles Bassin bezeichnet. Rund 90 Prozent seines Wassers erhält der See aus den Zuflüssen des Schari (frz. Chari) und des bei N’Djamena in den Schari mündenden Logone. Weniger als zehn Prozent des Zulaufs stammen aus nigerianischen Flüssen und den lokalen Niederschlägen. In erster Linie handelt es sich dabei um den Komadugu Yobe und den El Beid. Von geringerer Bedeutung sind der Ngadda und Yedseram, jedoch erreichen die meisten nigerianischen Flüsse, außer dem El Beid, seit den großen Trockenperioden der 1960er bis 1980er Jahre nicht mehr die offenen Wasserflächen des kleinen Tschadsees. Alle diese Flüsse führen ganzjährig Wasser, unterliegen jedoch jahreszeitlichen Pegelschwankungen. Die regionalen Niederschläge fallen in den Monaten Juni bis September. Sie werden gesteuert von der Intensität des westafrikanischen Monsunsystems. Es fallen lediglich zwischen 250 und 450 mm Niederschlag pro Jahr in der Region des Tschadsees. Der See wird im Allgemeinen als ein typischer Vertreter der Frischwasserseen des Sahel beschrieben, diese zeichnen sich durch ihre sehr geringe Salinität aus.

Somit ist der Wasserhaushalt des Tschadsees ganz wesentlich von den Niederschlägen im gemeinsamen, rund 800 km weit entfernten Einzugsgebiet von Schari und Logone abhängig. Im Rhythmus der Regenzeiten schwankt der Wasserspiegel des Sees und überschwemmt kilometerweise flaches Land oder zieht sich entsprechend zurück. Bei der geringen Tiefe (in großen Bereichen des Sees beträgt sie weniger als einen Meter, an den tiefsten Stellen kaum mehr als fünf) und der hohen Verdunstungsrate (allgemein geht man jährlich von 2.300 mm aus) verlagern sich seine Ufer ständig. Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen kam es auch verstärkt zu Wassernutzung und -entnahme aus dem See und seinen Zuflüssen (Trinkwasser, Landwirtschaft). Als sich im Laufe der 1960er Jahre die vom Schari beförderten Wassermengen um mehr als 50 Prozent verringerten, reduzierte sich seine Oberfläche drastisch. Die Regression nahm durch die Dürren der 1970er Jahre sogar dramatische Ausmaße an. Das nördliche Seebecken trocknete komplett aus; im Süden verblieb eine geringe Wasserfläche. Nigeria verlor seinen Anteil an der offenen Wasserfläche vollständig. Neue Ansiedlungen auf trockengefallenem Seegrund entstanden in allen oben genannten Staaten, da die freiwerdenden Flächen sehr fruchtbar sind und sich somit gut für die Landwirtschaft nutzen lassen. In einigen Fällen mussten sie zum Teil wieder aufgegeben werden, nachdem sich durch Zunahme der Niederschläge die Uferlinien der Flachwasserbereiche gegenläufig verlagerten. Ob diese seit 1998 zu beobachtende Transgression künftig anhalten wird, ist ungewiss. Es gibt Überlegungen, Wasser aus dem in den Kongo mündenden Ubangi über einen Kanal dem Chari und somit dem Tschadsee zuzuführen. Diese Pläne werden von Umweltschutzorganisationen kritisch gesehen (Verdrängung einheimischer Tier- und Pflanzenarten).

Bei durchschnittlichen Niederschlägen um mehrere Dezimeter schwankend, liegt der Seespiegel gegenwärtig etwa bei 240 m ü. NN und bedeckt rund 23.000 km². Eine mit dem Kaspischen Meer vergleichbare Ausdehnung – etwa im Ausmaß von 300.000 km² – besaß der See um 4000 v. Chr. Der Wasserspiegel lag damals etwa 50 m höher. Für dieses alte Seebecken wurde von Geowissenschaftlern der Begriff Mega-Tschad eingeführt.

Um die Ökologie des derzeitigen Tschadsees zu verstehen, ist es angebracht, den See mit seinen sehr stark veränderlichen Küstenlinien zu betrachten. Sein Wasserspiegel schwankt dabei nicht nur jahreszeitlich, sondern auch zwischen den Jahren. Der Zeitraum des Niedrigwassers liegt in den Monaten Mai/Juni. Mit dem Eintreffen der sommerlichen Monsunniederschläge beginnt der See sich auszudehnen. Die Flutsaison in seinen Zuflüssen erreichen den See im Oktober/November, so dass der See im Dezember/Januar seine Wasserhöchstmarke erreicht, um anschließend wieder zu schrumpfen. Der See überflutet jährlich eine mehrere tausend Quadratkilometer große Fläche. 1998 betrug die minimale Größe des Sees etwa 1750 km², seine maximale Ausdehnung jedoch etwa 6000 km². 2001 schwankte die Wasseroberfläche zwischen 4000 km² und 19.000 km². Die Wasserbedeckung im nördlichen Bassin hängt hauptsächlich vom Zufluss des Komadugu Yobe und Ngadda ab; dieser hat ein ungefähres Volumen von 0,5 bis 0,8 km³ pro Jahr. In wasserreichen Jahren kann die Wasserbedeckung bis zu 6000 km² betragen, in wasserarmen Jahren liegt es jedoch trocken. In dieser hydro- und ökologischen Betrachtungsweise ist der Begriff See beim Tschadsee zum Teil auch irreführend. Angebrachter ist es, den Tschadsee als ein Feuchtgebiet zu betrachten, da einerseits die Wassertiefe der freien Wasseroberfläche im Durchschnitt nur ein bis drei Meter beträgt. Andererseits sind große Teile des normalen Tschadsees mit Inseln und Riedgrasinseln bedeckt.

Dieser Archipelago genannter Bereich macht etwa 62 % der Gesamtfläche des normalen Tschadsees aus, die der freien Wasseroberfläche beträgt nur 38 %. Aus diesem Grund wird vom WWF der Tschadsee als Ökoregion der Lake Chad Flooded Savanna (dt: Tschadsee-Feuchtgebiete) bezeichnet. Die Ausdehnung dieser Ökoregion beträgt etwa 19.000 km² und schließt die geographisch separierten Hadejia-Nguru-Feuchtgebiete mit ein. Eine weitere Besonderheit des Sees ist die recht lange vier- bis fünfmonatige Flutsaison in seinen Zuflüssen. Diese lange Flutsaison resultiert aus der vier- bis sechsmonatigen Monsunsaison im Quellgebiet und den ausgedehnten Feuchtgebieten des Schari/Logone/El Beid-Flusssystems. Diese Feuchtgebiete in der Massenya-Ebene, Ebene des Bahr Aouk/Salamat, Logoneebene/Toupouri-Senke und des Grand Yaeres haben zusammen eine Ausdehnung von etwa 80.000 bis 90.000 km². Sie nehmen einen Großteil des Monsunniederschlags am Oberlauf der Flüsse auf, geben sie jedoch nur langsam ab. Die Ökologie der Feuchtgebiete trägt zu dem Algenreichtum des Tschadsees bei. Durch das Überfluten und Abtrocknen der Ebenen entstehen ideale Bedingungen für das Wachstum von Algen, Zoo- und Phytoplankton, von den zusammen über 1000 Arten im See nachgewiesen wurden und die Nahrungsgrundlage für die vielfältige Fischfauna bilden.

Die Angaben über die Fischfauna sind im höchsten Maße different, die Tschadseebecken-Kommission gibt 176 im See lebende Fischarten an. Die Fischbestände in Tschadsee gelten jedoch als überfischt, dabei hängen die jährlichen Fangmengen vom Wasserstand und Ausdehnung des Sees ab. In dem Zeitraum von 1972 bis 1977 wurden jährliche Fangmengen von über 180.000 Tonnen angegeben. Diese sanken infolge der Trockenperioden und dem sinkenden Pegel des Sees auf etwa 56.000 Tonnen Ende der 1980er Jahre und stiegen in den beiden folgenden Dekaden bis auf etwa 120.000 Tonnen/Jahr an. Mit dem Fischfang werden jährlich etwa 23 Mio. US-Dollar erwirtschaftet und Fänge aus dem See werden auch auf den Märkten von Lagos und Abuja angeboten. Mit dem Ausbau der Landwirtschaft in der Region wird jedoch eine zunehmende alkalische Gewässerchemie und eine Eutrophierung beobachtet, was zu Algenblüten und zu Sauerstoffmangel im Seewasser führt, die die diverse Seefauna bedroht.

Von der Avifauna sind etwa 372 Vogelarten nachgewiesen worden. Die Region des Tschadsees wurde von BirdLife International als Important Bird Area (IBA) ausgewiesen. Die Feuchtgebiete des Sees haben eine besondere Bedeutung für die Zugvögel aus der nördlichen Hemisphäre, die die Feuchtgebiete als Rast- und Überwinterungsquartier nutzen. So kommen in den Feuchtgebieten saisonal unter anderen der Kampfläufer (Philomachus pugnax), die Witwenpfeifgans (Dendrocygna viduata), die Knäkente (Anas querquedula) und die Spießente (Anas acuta) vor. Residente Vogelarten sind zum Beispiel die Prinia fluviatilis), Arabertrappe (Ardeotis arabs), Graukopfmöwe (Chroicocephalus cirrocephalus, Syn. Larus cirrocephalus) und Höckerglanzgans (Sarkidiornis melanotos). Statistische Erhebungen, die auf Zählungen aus dem Jahr 1984 beruhen, ergaben, dass 61.900 Entenvögel (Anatidae) die Ökoregion des Tschadsees regelmäßig besuchen.

Im See und seinen Feuchtgebieten kommen unter anderem das Nilkrokodil (Crocodylus niloticus), Flusspferde (Hippopotamus amphibius) und Fleckenhalsotter vor Ein domestiziertes und speziell auf die Lebensbedingungen in den Feuchtgebieten des Tschadsees angepasstes Rindvieh ist das Kuri-Rind, dessen Taxonomie in der Vergangenheit Rätsel aufgab. Neueren genetischen Untersuchungen zufolge entstammt es aus Züchtungen des ostafrikanischen Watussirindes und belegt damit die weitreichende Migrationsgeschichte bzw. die Handelskontakte der Tschadseevölker.

Die Flora in der Vegetationszone des südlichen Seebeckens wird bestimmt durch große Flächen, die mit dem echten Papyrus (Cyperus papyrus), der Phragmites mauritianus, Vossia cuspidata und anderen Sumpfpflanzen bedeckt sind. Auf den offenen Wasserflächen schwimmt der Wassersalat (Pistia stratiotes) und bedeckt ein großes Gebiet des Sees. Im Bereich des nördlichen Seebeckens dominieren das Schilfrohr (Phragmites australis) und der Typha australis die Vegetation. Die Pflanzen wie der Papyrus haben auch eine bedeutende wirtschaftliche Bedeutung. Dieser wird von den Buduma (Yedina) zum Bau ihrer Schilfboote verwendet. Thor Heyerdahl nutzte das Wissen dreier Buduma-Schilfbootbauer zum Bau der Ra I, die im Jahr 1969 5.000 km über den Atlantischen Ozean segeln sollte.

Saisonal entsteht in der südlichen Uferregion des Sees die Yaérés-Vegetation. Diese wird dominiert durch die Gräser Echinochloa pyramidalis, Vetiveria nigritana, Oryza longistaminata und Hyparrhenia rufa. Die Yaéré-Vegetation stirbt in der Trockensaison ab. Die feuchteren Zonen des Yaérés werden als die Karal- oder Firki-Ebenen bezeichnet. Die Baumbestände in diesen Ebenen werden größtenteils durch die Seyal-Akazie (Acacia seyal) (Acacia nilotica) gebildet. Der Pflanzenbewuchs in dieser Savanne besteht aus bis zu 2 bis 3 Meter hohen Kräutern und Gräsern.

In der Nähe seines Ufers fanden Archäologen die ältesten Keramikfunde Westafrikas und bei Konduka in Nordost-Nigeria einen Einbaum, dessen Alter auf achttausend Jahre datiert wird. Die damals den See umgebende Landschaft mit einem feuchteren und kühleren Klima als heute, eine von zahlreichen Zuflüssen durchzogene Savanne, bot den dort lebenden Menschen reichlich Nahrungsressourcen und wurde früh besiedelt. Mehrere langandauernde Regressionsphasen und schwächere Transgressionen sind an einstigen Strandwällen ablesbar, die nach geomorphologischen Untersuchungen und nach Auswertung von Satellitenfotos kartiert wurden. Jenseits des weiten Strandwallsystems, des Bama und Ngelewa Beach Ridges, entstanden weitläufige Lagunenlandschaften mit lehmhaltigen dunklen Vertisolen. Ab 1800 v. Chr. drangen zunehmend Menschen in die einstigen Lagunengebiete vor, wo Ansiedlungen auf den überschwemmungsfreien sandigen Inseln in der Lehmebene begründet wurden.

Auf der lokalen Ebene der südwestlich des Sees gelegenen Gebiet der Firki-Ebenen markiert die Gajiganna-Kultur den Beginn der holozänen Besiedlung nach den früh- und mittelholozänen Hochwasserständen des Tschadsees. Der bekannteste Ausgrabungsort dieser frühen Kultur Westafrikas ist Zilum, dieser wies bereits in der Spätphase der Gajiganna-Kultur protourbane Züge auf, wie Wassergräben und Wallanlagen. Andere Ausgrabungsorte dieser Kultur sind Kursakata, Mege und Ngala. Die archäologischen Zeugnisse der Gajiganna-Kultur sind zumeist einfache Tonfiguren von Menschen und Tieren sowie Tongefäße mit einfachen Verzierungen wie Abdrücken von Mattengeflechten. Nach dem vierten Jahrhundert vor Christus sind keine Zeugnisse dieser Kultur mehr bekannt. Mit dieser Kultur konnte der Übergang von einer Gesellschaft von Jägern und Sammlern zu Nahrungsproduzenten in den Savannen West-/Zentralafrikas dokumentiert werden.

Die Besiedlung der Tschadseeregion setzte sich fort, vor ungefähr 2000 Jahren tauchten die ersten archäologischen Zeugnisse von Menschen, die Eisenobjekte produzierten und gebrauchten, südlich des Tschadsees auf. Die Eisenzeit bricht ab dieser Zeit in dieser Region des Tschadsees an. Ein bekannter Ausgrabungsort dieses Zeitabschnitts ist Mdaga. In diesem Zeitraum wird auch der Beginn des Transsaharahandels vermutet, in der die Region des Tschadsees eine wichtige Endstation auf der Route zwischen Tripolis, dem Fessan und dem Kaouar-Tal gespielt haben soll. Hinweise zu einem solchen Handel finden sich bei Herodot und Claudius Ptolemäus, letzterer berichtet über ein Land Agisymba im 2. Jahrhundert, wobei bis heute umstritten ist, wo sich dieses Land eigentlich befand. Die nächste archäologisch belegbare Kultur in der Region des Tschadsees findet sich ab dem sechsten nachchristlichen Jahrhundert mit dem Erscheinen der Sao-Kultur. Belegbar ist die Sao-Kultur bis in das 17. Jahrhundert. Typisch für diese Kultur ist die Produktion von großen Urnen und kleinen Terrakottafiguren.

Laut der allgemein akzeptierten Geschichtsforschung wanderten im 7. Jahrhundert nomadisierende Zaghawa in die heutige Region Kanem, nordöstlich des Tschadsee gelegen, ein. Sie gelten als die Begründer des Reiches von Kanem, dessen mythischer Gründervater Sef (arabisch: Saif) war, jedoch liegen die genauen Umstände der Reichsgründung weitestgehend im Dunkeln. Laut der Immigrationstheorie des Bayreuther Dierk Lange sollen Flüchtlinge des im 6. Jahrhundert vor Christus untergegangenen Assyrischen Weltreiches die Region des Tschadsees um 600 v. Chr. erreicht haben und maßgeblichen Einfluss auf die Kulturen der Region genommen haben. Laut dieser Theorie sollen die Assyrer die eigentlichen Gründerväter des Reiches gewesen sein, jedoch gilt diese Theorie als hochspekulativ, da bislang keine archäologischen und kulturhistorische Nachweise erbracht wurden. Nachweisen lässt sich die frühe Islamisierung der Region um den See im 10./11. Jahrhundert, durch die Machtübernahme der Sayfawa -Dynastie im Reich Kanem.

Erste schriftliche Berichte über die Region des Tschadsees finden sich bei al-Yaqubi in seinem Ende des 9. Jahrhunderts erschienenen Kitaab al-Buldaan (Geographie der Welt oder Buch der Länder), in dem er von dem Lande Kanim berichtet, jedoch ohne Erwähnung des Tschadsees. Über den Tschadsee finden sich erst im 11. Jahrhundert Informationen bei Abū ʿUbaid al-Bakrī. Deshalb kann man erst seit dieser Zeit geographisch eindeutig zwischen Kanem, östlich, und Bornu, westlich des Tschadsees, unterscheiden. Er berichtet außerdem von großen Moscheen, sowie Oasen und gibt über einzelne Volksgruppen Auskunft. Er nimmt jedoch an, dass der Niger und der Tschadsee Teil des Nil-Flusssystems sind. Er berichtet vom Kuuri-See, der Teil des Wasserlaufs des Nils von Ghana bis Ägypten ist. Er berichtet weiterhin, die Kanimis navigierten über den See und die südlichen Seeanwohner, die Sao, würden Menschenfleisch nicht verschmähen, während die Bewohner von Kanimis gute Muslime seien. Andere arabische Quellen sind von Al-Dimashqi (1256–1327) aus Damaskus und Abu`l-Fida (1273 bis 1331), ebenfalls aus Damaskus, bekannt.

Die erste europäische Erwähnung des Tschadsees finden sich bei Leo Africanus, der die Region im Jahre 1513 bereiste und von einem Lande Shary und dem See von Gaoga in seinem Werk Descrittione dell’Africa berichtet. Weitere Quellen finden sich im Enzyklopädie L’Universale Fabrica, niedergeschrieben von Giovanni Lorenzo Anania, dieser beschreibt den Rio Negro, den Niger, und den Lago di Sauo, den Tschadsee. Dieses Werk erschien zwischen 1571 und 1592 in mehreren Bänden und diente bis ins 19. Jahrhundert zahlreichen Kartographen als Quellliteratur für die Beschreibung der Region.

Da das subsaharische Afrika bis ins 19. Jahrhundert eine Art Terra incognita für den europäischen Kulturraum darstellte, sind dies die einzigen Quellen über die Region des Tschadsees vom Mittelalter bis in die Zeit der Renaissance. Die ersten neuzeitlichen Berichte stammen von dem Deutschen Friedrich Konrad Hornemann, der die Region im Jahre 1800 in britischem Auftrag bereiste; weitere Berichte stammen von Denham und Clapperton aus dem Jahre 1822. Die wohl bekanntesten Reiseberichte, in denen der Tschadsee erwähnt wurde, stammen von Heinrich Barth, Adolf Overweg und Gustav Nachtigal.

Gesprochen werden im Tschad über 120 Sprachen und Dialekte. Die wichtigsten Sprachen sind die beiden Amtssprachen Arabisch (Tschadisch-Arabisch und Sudanarabisch), das von mindestens 26 % der Gesamtbevölkerung als Mutter oder Zweitsprache gesprochen wird, und Französisch, das nur von einer gebildeten Minderheit gesprochen wird

Über 53,1 % der Gesamtbevölkerung sind Muslime, hauptsächlich die der sunnitischen Richtung malekitischer Schule. Nur noch 7,3 % der Bevölkerung hängen traditionellen afrikanischen Naturreligionen und weitere 34,3 % dem Christentum an, davon 20,1 % Katholiken und 14,2 % Protestanten. Die Muslime leben meist im Norden und im Zentrum des Landes, die Christen und Animisten leben hauptsächlich im Süden des Tschad.

In N'Djamena gibt es eine 1971 gegründete Universität, die Universität N’Djamena. Traditionell haben christliche Schulen vor allem im Süden eine wichtige Funktion. Das staatliche Schulwesen leidet heute noch unter den Auswirkungen der jahrzehntelangen Kriegswirren. Zunehmend sind in letzter Zeit islamische Koranschulen und Madrasas, die mit ausländischer Hilfe vor allem aus Nahost im Tschad errichtet werden: Madrasa ist seit dem 10. Jahrhundert die Bezeichnung für eine Schule, in der islamische Wissenschaften unterrichtet werden. Zu den Kerndisziplinen der Madrasa gehören Fiqh und Usūl al-fiqh sowie Hadith-Wissenschaft, arabische Sprachlehre und Koranwissenschaften, in einzelnen Madrasas werden auch andere Wissenschaften wie Logik und Mathematik unterrichtet.

Die Madrasa wird üblicherweise durch eine fromme Stiftung finanziert. Dem Stifter steht es dabei zu, das Lehrprogramm sowie die Anzahl der Studenten, Lehrer und anderen Bediensteten festzulegen. Die Größe derartiger Madrasas variiert erheblich: Während einige nur aus einem einzigen Unterrichtsraum bestehen, umfassen andere einen ganzen Komplex von Gebäuden mit speziellen Räumlichkeiten für die Lehre, die Bibliothek, die Unterbringung von Schülern und Lehrer sowie für den Gottesdienst.

In den Ländern des Maghreb wie auch im Tschad ist die Madrasa eine der drei Ausbildungsstufen der traditionellen islamischen Bildung, die zusammenfassend als Mahadra bezeichnet werden. Hierzu gehört die einführende Koranschule, die als Maktab oder Kuttāb bezeichnet wird. Sie beschränkt sich zunächst ausschließlich auf das Auswendiglernen (ḥifẓ) des Korantextes und die Schreibung desselben. Zur Mahadra gehören ferner die vertiefende Ausbildung an der Madrasa (auch Mahadra im engeren Sinn) und die religiöse Spezialisierung, die in der Zāwiya erfolgt.

Die allgemeine Schulpflicht besteht nur noch formal, vor allem auf dem Land wird sie kaum eingehalten. Dementsprechend sind fast 50 Prozent der Einwohner des Tschads Analphabeten.

Später entstanden größere islamische Reiche am Tschadsee, im Süden zudem der Staat Baguirmi, die Logone-Stadtstaaten und das Sultanat Wadai. Besonders trat das Reich Kanem-Bornu hervor, das fast das gesamte Gebiet des heutigen Tschad umfasste und eine Konföderation der beiden Staaten Kanem und Bornu darstellte, die auch in das Gebiet der heutigen Staaten Nigeria und Niger hineinreichten.

Vor allem Frankreich begann mit der Penetration der einzelnen Königreiche und Sultanate. Man versuchte zunächst durch Protektoratsverträge mit den jeweiligen Monarchen eine lose französische Oberherrschaft über diese Staaten zu erreichen. Spätestens ab dem Ende des 19.Jahrhunderts jedoch begann man mit der gewaltsamen militärischen Besatzung und schließlich mit der Kolonialisierung des Wadai.

1900 errichtete Frankreich nach dem Sieg über den afro-arabischen Usurpator Rabih ibn Fadlallah in der Schlacht bei Kusseri das Militärterritorium der Länder und Protektorate des Tschad. 1908 ging dieses im Verwaltungsgebiet Französisch-Äquatorialafrika mit der Kolonie Tschad auf. 1911 wurde die Kolonie durch das deutsch-französische Marokko-Kongo-Abkommen (4. November 1911) um das Zwischenstromgebiet zwischen Schari und Ba-Ili mit dem Posten Bongor erweitert. Zwischen den Weltkriegen erhielt die Kolonie Tschad dann ihre heutigen Grenzen.

Die Kolonialisierung des Wadai war ein französischer Kolonialfeldzug, mit dem die Franzosen 1909–1912 die Unterwerfung der Stämme im heutigen östlichen Tschad erreichten und das Reich von Wadai zerstörten. Der Feldzug war Teil des sogenannten Wettlaufs um Afrika, bei dem zwischen 1880 und dem Ersten Weltkrieg die europäischen Mächte Frankreich, das deutsche Kaiserreich, Großbritannien und Italien miteinander darin wetteiferten, ihre überlegene Militärmacht zur Eroberung der letzten noch nicht kolonialisierten Gebiete Afrikas zu nutzen.

Die geographische Region des Wadai grenzt an die sudanesische Region Darfur, die erst durch die britische Expedition 1916 unter direkte koloniale Herrschaft kam. Das Gebiet ist semiarid, das Gelände ist felsig und hügelig, wobei die Täler teilweise bewaldet sind. In Dar Tar erreichen die Höhen 1200 m.

Die Bevölkerung des Wadai, bestehend aus verschiedenen Stämmen, die damals noch Sklavenhandel betrieben, war in drei Klassen geteilt: die Oberklasse (hourin), die Bauernklasse (mesakin) und die Sklaven (abyd). An der Spitze stand der Sultan (kolak) mit einem persönlichen Gefolge von 1400 Personen. Er regierte das seit mehr als 400 Jahren bestehende Reich von Wadai mit Hilfe von Häuptlingen (agad) und Dorfvorstehern (mandjak).

Aufgrund der stabilen politischen Zustände in Wadai und der damit einhergehenden Sicherheit lag hier die profitabelste Transsahararoute vom Mittelmeer nach Schwarzafrika. Von Abéché führten zwei Routen durch Dar Fur eine nördliche Handelsroute durch Dar Tama, die südliche Pilgerroute durch das Land der Masalit. Nach Norden ging der Handelsweg zu den Kufra-Oasen.

Der deutsche Hauptmann und Fremdenlegionär Fliegenschuh kommandierte den Sub-Distrikt Fitri. Er erhielt im April 1909 Nachricht, dass der Sultan von Wadai Mohammed Salih Dud Murra den Ort Birket Fatima anzugreifen plane. Die gesamte zur Verfügung stehende Truppe von 180 senegalesischen Truppen mit 2 Geschützen und 300 Hilfstruppen wurde in Marsch gesetzt und drängte die Angreifer auf Abéché zurück. Die zwischenzeitlich auf etwa 3000 Schützen angewachsenen Wadaiis wurden im Wadi Shauk geschlagen. Dabei starben etwa 360 Wadai, etwa ebenso viele wurden verwundet. Fliegenschuh wurde verwundet und bis zu seiner Genesung Ende des Jahres von Leutnant Bourreau vertreten.

Die Franzosen marschierten nun direkt auf die Stadt. Der Sultan kapitulierte nach kurzer Beschießung und floh am 2. Juni. Die siegreichen Franzosen, die einen ihnen genehmen Regenten „Sultan“ Acyl etablierten, hinterließen in der Stadt eine Garnison von 330 Senegalesen. Weiters waren sie der Ansicht, dass ihnen nun die Oberhoheit über die gesamte Region zugefallen wäre und erließen die Anordnung, sämtliche Gewehre abzuliefern. Bis Oktober war die Kontrolle auf die drei Bezirke (dars) Dar Tama, Dar Sila und Dar Gimr ausgeweitet. Dar Masalit blieb noch unabhängig. Zum 1. November erfolgte die Ernennung des Oberstleutnant Moll zum Militärgouverneur des Tschad.

Die französischen Kräfte reichten für die Verteidigung einer 900 km langen Grenze nicht aus, da in deren Nähe verschiedene kriegerische Stämme lebten. Als erstes fiel gegen Jahresende der Sultan von Dar Masalit Taj al-Din in die Gegend um Abéché ein. Fliegenschuh verfolgte ihn ab 31. Dezember mit einer Kompanie Senegalesen (3 Offiziere, 109 Mann). Am 4. Januar 1910 gerieten sie im Wadi Kajja, nahe dem heutigen al-Dschunaina im Sudan, in einen Hinterhalt und wurden vernichtet; auch: „Schlacht von Kirnding“. Den Männern des Sultans fielen 180 Gewehre und 20.000 Schuss in die Hände.

Es dauerte fünf Wochen, bis unter dem Kommando des Majors Julien französische Verstärkungen im unruhigen Abéché eintrafen. Zwischenzeitlich plünderten die Masalit den Bezirk Dar Tama. Etwa 1.500 Fur unter Adam Rijal, einem General Ali Dinars, waren um Gueréda aktiv. Der gestürzte Dud Murra hielt sich im Norden des Wadai zum Angriff auf Abéché bereit.

Ende März ersuchte Hauptmann Chauvelot Julien um Genehmigung, mit seinen 120 Senegalesen und einigen Hilfstruppen ein befestigtes Lager der Fur bei Gueréda anzugreifen. Im halbstündigen Nahkampf verbrauchten die Franzosen 11.000 Schuss und hatten 12 Verwundete. Die Fur flohen und hinterließen 200 Gefallene.

Nach Verstärkungen betrug die französische Truppenstärke im gesamten Zentralafrika Mitte 1910 4200 Infanteristen, eingeteilt in zwölf Einheimische-Kompanien, von denen je vier zu Verteidigung von Ubangi-Schari, Tschad und Wadai bestimmt waren.

Ende Oktober rückte Moll zu einer Strafexpedition gegen die Masalit aus. Die Truppen waren in zwei Kolonnen geteilt, die erste hatte 300 Mann und 2 Geschütze, die zweite 130 Mann. Erstere sollte auf das Hauptdorf der Masalit Darjil marschieren, die zweite Dud Murra aufspüren.

Die erste Kolonne erreichte nach 4½-tägigem Marsch Daroti nahe ihrem Ziel. Sie formierten sich hinter einer mangelhaft schützenden Palisade (zeriba). Etwa 5000 Masalit begannen am 9. November gegen 9 Uhr anzugreifen. Moll (* 1871) ließ das Geschützfeuer erst aus 200 m Entfernung eröffnen, Gewehrfeuer begann erst, als die massierten Angreifer auf 100 m herangekommen waren. Dies war zu spät, um den Angriff zu bremsen, auch weil panische Transportkamele innerhalb der Palisade herumliefen. Die meisten Offiziere und Unteroffiziere wurden von den anstürmenden Massen niedergemacht, die Geschütze fielen aus, die Schlacht schien nach wenigen Minuten des Nahkampfs verloren. Hauptmann Chauvelot kehrte just zu Beginn des Angriffs von einer Patrouille zurück und versammelte hinter einer Kuppe noch einige Versprengte, insgesamt etwa 100 Schützen. Die Gruppe fiel den Masalit, die bereits zu Plündern begonnen hatten, in den Rücken, besetzte die Kanonen wieder und schlug die Angreifer in die Flucht. Von den Masalit blieben 600 Gefallene zurück, darunter Taj al-Din und 40 seiner Familienmitglieder. Dud Murra entkam mit einer Gesichtswunde. Von den Europäern waren noch fünf kampffähig, acht Offiziere waren gefallen, fünf verwundet. Von den Einheimischen 310 Mann waren 28 tot, 69 verwundet und 14 vermisst. Die Munition war fast aufgebraucht, praktisch alle Transporttiere gestohlen oder getötet, Kontakt mit der zweiten Kolonne bestand nicht mehr, es musste jederzeit mit einer neuen Attacke der Masalit gerechnet werden. Erst am 16. sah man sich in der Lage, den Rückzug anzutreten.

Der Kommandant der zweiten Kolonne, Hauptmann Arnaud, erhielt von versprengten Hilfstruppen Wort von der Niederlage und setzte sich nach Bir Tawil (etwa 50 km nördlich von Daroti) in Marsch, wo er glaubte, dass die erste Truppe vernichtet worden sei. Am 17. trafen die Kolonnen dann zusammen und erreichten am 20. November 1910 sicheres Gebiet.

Nach einer kurzen Phase der Konsolidierung besiegten die Franzosen Anfang 1911 den Sultan von Dar Kuti. Dann wandten sie sich den Fur zu, die zwischenzeitlich in der ungeschützten Region Dar Tama plündernd auf Sklavenjagd gingen. Einer Einheit, wiederum kommandiert von Chauvelot, gelang es am 11. April, die Fur aus ihrer Basis bei Kapka und dem französischen Hoheitsbereich hinauszujagen.

In der nördlichen Region Ennendi schlug im Mai eine mit Kamelen berittene Truppe (méharistes) von 120 Mann und 200 Hilfstruppen kommandiert durch Major Hillaire, die Khoan unter Sidi Saleh. Nachdem vorher noch eine Bande Tuareg unter Kassoan geschlagen wurde, kam es am 20. Mai bei Kafra zu einer weiteren Schlacht, welche die Überlebenden Khoan zwang, nach Dar Fur zu fliehen.

Hauptmann Chauvelot stieß am 29. Juni während eines Erkundungsritts auf die Streitmacht Dud Murras, die etwa 2000 Mann, darunter aber keine Masalit, umfasste. Dessen erneuter Aufstand wurde von den Franzosen als die Kodoi Rebellion bezeichnet. Ihr Ursprung lag in Dar Tama, wo man sich gegen die Steuererhebung durch die neuen Herren wehrte. Der Rebellentrupp wurde schnell zersprengt, Dud Murra konnte in das Gebiet der Masalit entkommen. Er bot bald an aufzugeben, wenn ihm im Gegenzug ein kleiner unabhängiger Herrschaftsbereich im Grenzgebiet zugestanden würde. Am 14. Oktober ergab er sich im Wadai dann einer französischen Abordnung und ritt würdevoll auf dem Schimmel des gefallenen Moll am 27. in Abéché ein. Er wurde daraufhin in Fort Lamy mehr oder weniger unter Hausarrest gestellt, erhielt jedoch eine Pension von £ 40 monatlich. Damit endete in Französisch-Äquatorialafrika der Widerstand gegen die Kolonialherren.

Der Nachfolger Taj al-Din's als Sultan der Masalit wurde 1910 Bahr al-Din Abu Bakr Ismail, der unter französischer Oberhoheit bis 1951 amtierte. Nach der Eroberung und durch die 1911 beginnende italienische Besetzung von Tripolitanien und der Cyrenaica wurde der Transport von Sklaven durch Karawanen nach Banghazi unterbunden. Die lokalen Herrscher wurden dadurch ihrer wichtigsten Einkommensquelle beraubt, aus der sie ihre privaten Armeen finanziert hatten. Die französische Marionette Acyl wurde 1912 abgesetzt, als man an seiner Loyalität Zweifel hegte, und der Wadai unter direkte französische Verwaltung gestellt.

Die den Franzosen als Mannschaften dienenden senegalesischen Tirailleurs trugen einen dunkelblauen Waffenrock, roten Fez mit hellblauer Quaste, knickerbockerähnliche Hosen und Sandalen. Im Kampfeinsatz wurde die blaue Uniform durch eine weiße ersetzt. Bewaffnet waren sie mit dem zuverlässigen M.93 Lebel-Gewehr (Modell 1886), das in modifizierter Form bis in die 1960er Jahre hergestellt wurde, womit im Kampf etwa neun gezielte Schuss pro Minute möglich waren. Maschinengewehre kamen in diesen Feldzügen nicht zum Einsatz. Zur Ausrüstung gehörte auch eine Machete (panga). Offiziere trugen die übliche Tropenuniform.

Die Masalit waren regional als kriegerisch bekannt. Üblicherweise trugen sie weiße Roben. Höhergestellte hatten einen weißen Turban und Schärpen. Sie verwendeten Wurfmesser (60–90 cm) und -äxte, sofern sie noch nicht über Feuerwaffen, meist Remington-Repetiergewehre verfügten. Traditionell formierten sie sich in Einheiten, die eine ausgefächerte, etwa 100 Mann starke berittene Vorhut hatten, gefolgt von der Hauptkolonne Infanteristen. Kavallerie bildete die Nachhut.

1934 wurde die Grenzziehung im Norden zur Kolonie Italienisch-Libyen von Italien nicht ratifiziert. Dies ist die Grundlage des späteren Konflikts um den Aouzou-Streifen.

Nach dem 2. Weltkrieg entwickelten sich lokale Parteien im Tschad. Den Anfang machte die konservative Demokratische Union des Tschad (UDT), die kommerzielle französische Interessen und einen Block traditioneller einheimischer Führer, überwiegend Muslims und Waddai-Oberschicht, repräsentierte. Mit der Tschadische Fortschrittspartei (PPT) entstand kurz darauf eine radikalere Gruppe, geführt vom späteren Präsidenten François Tombalbaye. Diese Partei gewann die ersten Wahlen vor der Unabhängigkeit. Der Gegensatz von UDT und PPT war nicht nur ein ideologischer, sondern hierin spiegelten sich auch die regionalen religiösen Gegensätze innerhalb des Landes. Die PPT repräsentierte den christlichen und animistischen Süden, die UDT den islamischen Norden.

1958 erhielt der Tschad seine erste Verfassung. Die Territoriale Versammlung billigte den autonomen Status des Landes als Mitglied der Communauté Française. Am 11. August 1960 erhielt das Land seine Unabhängigkeit. François Tombalbaye aus dem Süden wurde erster Präsident.

Seit 1962 war der Tschad ein Einparteienstaat mit der Parti Progressiste Tchadien (PPT) als Einheitspartei.1966 wurde die muslimische FROLINAT – Front national de libération du Tchad („Nationale Befreiungsfront des Tschad”) gegen die christlich-sudistische Dominanz gegründet und es begann ein Bürgerkrieg. 1969 intervenierte Frankreich auf Seiten Tombalbayes. Libyen, Algerien und Sudan dagegen unterstützten die FROLINAT. 1973 besetzte Libyen den Aouzou-Streifen.

1975 stürzte General Félix Malloum Tombalbaye und wurde Präsident, Premierminister wurde Hissène Habré. 1976 kam es zum Bruch zwischen Muammar al-Gaddafi und Habré. Goukouni Weddeye kämpfte mit Gaddafi gegen die Zentralregierung.

1979 kam es zum Seitenwechsel Habrés zu Weddeye. N’Djamena wurde erobert und das Gouvernement d’Union Nationale de Transition (GUNT) unter Weddeye kam an die Regierung. 1980 kam es wiederum zum Bruch zwischen Habré und Weddeye („Zweite Schlacht um N’Djamena“). Daraufhin griff Libyen auf Bitten Weddeyes ein, Weddeye und Gaddafi kündigten 1981 die Vereinigung des Tschads mit Libyen an. Gaddafi zog seine Truppen auf französischen Druck hin allerdings wieder zurück. Habré konnte daraufhin mit ägyptischer, sudanesischer und US-amerikanischer Hilfe Weddeye verdrängen.

1982 wurde N’Djamena durch Habré erobert, es begann die sogenannte Zweite Republik (1982 bis 1990), während derer es zu schwersten Menschenrechtsverletzungen kam. 1983 wurde der Tschad de facto am 16. Breitengrad zweigeteilt. Libysches Militär war im Norden präsent, insbesondere im Aouzou-Streifen. 1986 bis 1987 gingen die tschadischen Regierungstruppen in die Offensive. Es begann die französische Militäroperation Épervier. Die libyschen Truppen wurden, bis auf den Aouzou-Streifen, aus allen Stützpunkten verdrängt. 1989 wurde der Vertrag von Algier über die friedliche Regelung des Aouzou-Grenzkonflikts unterzeichnet.

1990 begann eine Verhandlung über den Aouzou-Konflikt vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Habré wurde durch die bewaffnete Opposition des Mouvement Patriotique du Salut von Idriss Déby gestürzt und in die Flucht getrieben. Déby begann seine Karriere als Kommandeur im ersten Bürgerkrieg seines Heimatlandes. Als Sicherheitsberater Habré erwarb er sich einen umstrittenen Ruf bei der brutalen Zerschlagung von Rebellenverbänden. Als er bei Habré selbst in Ungnade fiel, floh er in den Sudan und baute dort seine eigene Armee auf. Am 2. Dezember 1990 marschierten seine Truppen ungehindert in N’Djamena ein. Nach dreimonatiger Übergangsregierung stimmte man am 28. Februar 1991 einer Verfassung für den Tschad mit einem Mehrparteiensystem und Déby als Präsidenten zu.

1993 verabschiedete die Nationalkonferenz im Tschad eine Übergangsverfassung, ein Übergangsparlament und eine vorläufige Regierung. 1994 wurde der Aouzou-Streifen durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag wieder dem Tschad zugesprochen.

Im Dezember 1994/Januar 1995 fand eine Wählerregistrierung statt, deren Durchführung und Ergebnisse beanstandet und vom Obersten Gerichtshof annulliert werden. Der bestehende Wahlkalender wurde wieder obsolet, die Transitionsphase um ein weiteres Jahr bis zum 8. April 1996 verlängert. 1996 kam es zudem zu einem Verfassungsreferendum, woraufhin die neue Verfassung in Kraft trat.

Am 3. Juli 1996 fanden Stichwahlen zwischen Déby und Wadel Abdelkader Kamougué statt. Die Feststellung des offiziellen Endergebnisses durch die Cour d’Appel am 14. Juli 1996 bescheinigte Déby 69 % und Kamougué 31 % der Stimmen.

Ende 1998 begannen bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Rebellen um Youssouf Togoïmi, der in mehreren Regierungen von Idriss Déby Innen-, Justiz- und Verteidigungsminister war. Am 12. Oktober 1998 gründete Rebellengruppe MDJT und nahm den Kampf gegen die Regierung auf. Togoïmi starb unter ungeklärten Umständen in Libyen 24. September 2002 nach der Montage eine Mine im nördlichen Tschad. Ob die Regierung Déby in seinen Tod involviert oder ob es ein Unglücksfall war, lässt sich nicht sicher beurteilen. Präsident Déby wurde im Mai 2001 wiedergewählt. Im Dezember 2001 schlossen die Regierung und die Rebellen im Tibesti ein Friedensabkommen.

Seit 2003 fliehen zehntausende sudanesische Flüchtlinge vor dem Konflikt in Darfur in den Tschad. Der Konflikt in Darfur ist eine seit 2003 andauernde bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Volksgruppen in Darfur und der sudanesischen Regierung in Khartum. Dabei fordern aus schwarzafrikanischen Stämmen hervorgegangene Rebellenbewegungen mehr Mitbestimmung im Staat und eine wirtschaftliche Entwicklung ihrer Region. Die Regierung geht militärisch gegen die Rebellen vor und unterstützt in diesem Kampf lokale Milizen, die aus arabischen Reiter-Nomaden bestehen und unter der Bezeichnung Dschandschawid bekannt geworden sind. Etwa 200.000 Menschen sind bis 2007 durch den Konflikt umgekommen.

Dieser Konflikt greift zusehends auf den Nachbarstaat Tschad über, die Dschandschawid-Reitermilizen aus Darfur sind mittlerweile auch in den tschadischen Grenzgebieten aktiv. Am 23.Dezember 2005 stellte der Tschad aufgrund des Darfur-Konfliktes offiziell einen „Zustand der Feindseligkeit“ mit dem Sudan fest. Dem war ein Angriff tschadischer Rebellen auf die Grenzstadt Adré mit mehr als 100 Toten vorausgegangen. Der Tschad wirft dem Sudan vor, die Rebellen zu unterstützen, legt jedoch Wert darauf, keine Kriegserklärung abgegeben zu haben. Die Streitigkeiten zwischen dem Sudan und dem Tschad belasten seit langem die Stabilität der gesamten Region.

Mitte 2005 kam es im Tschad zum Bürgerkrieg. An diesem Konflikt nehmen neben dem Regierungsheer des Tschads verschiedene Rebellenbewegungen Teil, darunter die Vereinigten Kräfte für den Wandel (FUC) und die Sammlung für Demokratie und Freiheiten (RDL), die im Laufe der Zeit ihren Namen änderten, Bündnissen bildeten und Spaltungen erfuhren.Zum Konflikt gehört auch die Beteiligung der Dschandschawid, aber vor allem die Aufständischen aus Darfur, der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit. Der Sudan wird daher verdächtigt, die Aufständischen im Tschad zu unterstützen, während die Regierung des Tschads die Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit unterstützt.

Libyen und Diplomaten aus anderen Ländern haben versucht, in dem Konflikt zu vermitteln.Frankreich beteiligt sich in geringem Ausmaß daran auf der Seite der Regierung Déby. Die Hauptstadt N’Djamena wurde von der Vorhut der Rebellen der Front für den Wandel (FUC) erreicht. Dieser erste Angriff wurde jedoch von den regulären Truppen mit Artillerie- und Panzerunterstützung abgewehrt. Innerhalb weniger Tage waren Hunderte Tote zu beklagen. Am 14. April 2006 brach der Tschad seine diplomatischen Beziehungen zum Sudan ab. Zwei Tage später zog sich das Land aus den in Darfur unter der Leitung der Afrikanischen Union geführten Gesprächen zurück. Gleichzeitig erklärte der Tschad, dass es mit der Versorgung der mittlerweile rund 200.000 Flüchtlinge aus Darfur überfordert sei.

Im November 2006 wurde für weite Teile des Tschads der Ausnahmezustand ausgerufen. Zwar wurde kurz darauf ein Friedensvertrag mit der FUC erzielt, doch andere Rebellengruppen gewannen zunehmend die Kontrolle über den Osten des Landes. Unter Vermittlung Libyens wurde am 26. Oktober 2007 ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Präsident Déby und vier Rebellengruppen unterzeichnet. Zum Schutz der Zivilbevölkerung und insbesondere der Flüchtlinge aus der Darfurregion wurde die Aufstellung einer Mission der Vereinten Nationen (MINURCAT) beschlossen, deren Aufgaben zunächst durch militärische Einheiten der Europäischen Union wahrgenommen werden sollten.

Nur wenige Wochen nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands brachen erneut Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den Rebellen in den östlichen Provinzen aus. Ende November 2007 erklärte die Rebellenorganisation UFDD den Kriegszustand gegen französische und sonstige ausländische Einheiten. Die UFDD wurde im Oktober 2006 unter Führung von Mahamat Nouri gegründet und ist die größte Rebellengruppe im Tschad.

Angesichts des permanenten Kriegszustandes billigte die EU Ende Januar 2008 den Einsatz einer multinationalen Militäreinheit, der EUFOR Tchad/RCA, im Tschad. Die Führung dieser Militäreinheit übernahm Frankreich, das mehr als die Hälfte aller Soldaten stellte; Österreich hatte ein Kontingent von 160 Soldaten zugesagt.

Kurz vor dem geplanten Beginn der EU-Mission, deren Umsetzung daraufhin erst einmal ausgesetzt wurde, starteten Rebellen eine neue Offensive, bei der sie in die Hauptstadt N'Djamena eindrangen. Die Kampfhandlungen führten dazu, dass tausende Menschen in das Nachbarland Kamerun flüchteten. Gleichzeitig begann die Evakuierung ausländischer Bürger; die Vereinigten Staaten haben ihre Botschaft in N'Djamena geräumt. Nach einer Erklärung des UN-Sicherheitsrates erwog Frankreich 2008 ein Eingreifen zugunsten der Regierung. Die Rebellen zogen sich daraufhin aus der Hauptstadt vorläufig weitgehend wieder zurück.

Am 15. März 2009 endete die Überbrückungsmission der EUFOR Tchad/RCA und die Verantwortung wurde MINURCAT übergeben. MINURCAT zielt auf eine multidimensionale Präsenz ab, durch die unter anderem durch eine Verbesserung der Sicherheitslage vor Ort eine freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen, Maßnahmen der humanitären Hilfe und günstige Bedingungen für einen Wiederaufbau und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ermöglicht werden sollen.

Im Sicherheitssektor wird die Polizei des Tschad unterstützt und eine Verbindungsorganisation zu den Sicherheitskräften (einschließlich Armee, Gendarmerie, Polizei, nomadische Nationalgarde, Rechtsprechung und Strafvollzug im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik) aufgebaut. Das Mandat sieht explizit die Bekämpfung der Kriminalität vor.

Durch eine enge Zusammenarbeit mit der sudanesischen Regierung, der Afrikanischen Union, der Mission der Afrikanischen Union in Sudan (AMIS) und der Nachfolgemission, der Mission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union in Darfur (UNAMID), dem United Nations Peacebuilding Support Office in the Central African Republic (BONUCA), der Multinational Force of the Economic Community of Central African States in the Central African Republic (MICOPAX) und der Gemeinschaft der Sahel-Saharanischen Staaten (CEN-SAD) sollen Informationen ausgetauscht werden, die rechtzeitig Gefahren für die humanitären Aktivitäten in der Region aufzeigen.

Die Mission setzt sich aus 3.473 Soldaten, 24 Militärbeobachter, 189 Polizisten, 419 internationales ziviles Personal, 597 Ortskräfte und 158 Freiwillige der Vereinten Nationen zusammen. MINURCAT wird geführt durch den Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen Victor Da Silva Angelo aus Portugal. Vertreten wird er durch die Jordanierin Rima Salah.

Die politische Situation hat sich bisher nicht vollständig entspannt. Zuletzt wurde im Mai 2013 ein Putschversuch vereitelt, der wahrscheinlich von Teilen des tschadischen Militärs ausging.

2013 beteiligten sich Truppen des Tschads an der Opération Serval. Die Opération Serval war eine Operation der französischen Streitkräfte in Mali auf Anfrage der dortigen Regierung und unter Billigung des UN-Sicherheitsrates vom 20. Dezember 2012. Das offizielle Ziel der Operation war es, die malische Armee beim Aufhalten, Zurückdrängen und Ausschalten militanter Islamisten aus dem Azawad, welche einen Vorstoß in das Zentrum von Mali begonnen hatten, zu unterstützen.

Im Süden des Tschad, insbesondere im Grenzbereich zur Zentralafrikanischen Republik und zum Sudan hielten sich seit Ausbruch der Krise in der Zentralafrikanischen Republik Ende 2013 rund 150.000 Flüchtlinge und Rückkehrer auf. Die Grenze zwischen Tschad und der Zentralafrikanischen Republik wurde am 13. Mai 2014 für den normalen Grenzverkehr zur Gänze geschlossen. Tschadische Truppen sichern zwar das Grenzgebiet, die hohe Zahl von Flüchtlingen verbunden mit einer ohnehin angespannten Versorgungslage führte zu Spannungen unter Flüchtlingen und/oder mit der angestammten Bevölkerung.

Der Tschad wurde am 11. August 1960 als unabhängige Republik aus französischer Kolonialherrschaft entlassen. Seitdem handelt das Land zum größten Teil selbstständig, ist aber zum Teil bei innenpolitischen Unruhen oder Hungersnöten auf Hilfe von außen angewiesen.

Nach der Verfassung vom 14.April 1996 ist der Tschad eine präsidiale Republik mit Mehrparteiensystem. Die Legislative liegt beim Zweikammerparlament, das aus Nationalversammlung und Senat besteht. Die Nationalversammlung hat 125 für einen Zeitraum von vier Jahren gewählte Abgeordnete, die Mitglieder des Senats sind für sechs Jahre zu wählen, der Senat ist allerdings bisher noch nicht etabliert. Zu den wichtigsten Parteien gehört die Patriotische Wohlfahrtsbewegung (MPS), die Union für Erneuerung und Demokratie (URD) sowie die Nationale Union für Demokratie und Erneuerung (UNDR).

Die Exekutive wird vom Ministerrat unter der Leitung des vom Präsidenten ernannten Ministerpräsidenten ausgeübt. Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Armee ist der nach französischem Vorbild mit weitreichenden exekutiven Vollmachten ausgestattete Präsident, der auf fünf Jahre direkt gewählt wird. 2005 veranlasste Präsident Idriss Déby eine Verfassungsänderung, um dem Präsidenten anstelle der bisher möglichen zwei Amtszeiten eine dritte zu ermöglichen. Dies stieß bei der Opposition auf Kritik, die in diesem Vorstoß Débys eigensüchtige Motive sah.

Der Tschad gilt als ein instabiler Staat. Staatliche Einrichtungen wie Verwaltung, Bildungs- und Gesundheitswesen sind kaum entwickelt. Vor zusätzliche und für das Land nicht ohne internationale Hilfe zu bewältigende Probleme stellen den Tschad die seit 2003 aus der Region Darfur des östlichen Nachbarlandes Sudan kommenden Flüchtlinge.

Korruption ist im Tschad verbreitet. Nach dem Korruptionsindex 2010 der Organisation Transparency International (TI) liegt der Tschad auf dem 171. Platz von 178 erfassten Staaten. Allerdings dominiert auch der Nord-Süd-Gegensatz die Innenpolitik: Der Norden des Landes, der von islamisch-arabisch-berberischen Ethnien bewohnt wird, fühlte sich benachteiligt gegenüber dem schwarzafrikanisch-christlich-animistischen Süden, der seit der Kolonialzeit eine Vormachtstellung besaß.

Laut Amnesty International war auch in der Zeit, wo obwohl eine UN-Friedensmission stationiert war, die Lage im Osten des Tschads von Menschenrechtsverstößen und Instabilität gekennzeichnet. Zivilpersonen und Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen wurden verschleppt und ermordet. Frauen und Mädchen waren Vergewaltigungen und anderen Formen von Gewalt ausgesetzt. Die Behörden ergriffen keine geeigneten Maßnahmen, um die Zivilbevölkerung gegen Angriffe krimineller Banden und bewaffneter Gruppen zu schützen. Vermeintliche politische Gegner wurden widerrechtlich festgenommen, willkürlich in Haft gehalten und gefoltert oder in anderer Weise misshandelt. Menschenrechtsverteidiger und Journalisten waren weiterhin Einschüchterungen und Schikanen ausgesetzt. Tausende Menschen wurden obdachlos, da ihre Häuser abgerissen wurden.

Kinder wurden im Tschad weiterhin als Soldaten eingesetzt. UNICEF geht davon aus, dass 53 % aller 5–14-jährigen Kinder des Landes Arbeit verrichten müssen. Der Tschad ist auch ein Ausgangsland des Kinderhandels in die Zentralafrikanische Republik, nach Nigeria, Kamerun und Saudi-Arabien. Auch kam es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen und Diskriminierungen gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität.

Das Land ist Mitglied der Vereinten Nationen (UN), der Afrikanischen Union (AU) und der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC). Die Regierungen des Tschads haben traditionell gute Beziehungen zur früheren Kolonialmacht Frankreich, das oft der jeweiligen Regierung bei bürgerkriegsähnlichen Situationen militärischen Beistand leistet.

Die Beziehungen zu den Nachbarstaaten sind oft belastet, da es mit Libyen einen jahrzehntelangen Konflikt um den Aouzou-Streifen im Norden gab. Zum Sudan sind die Beziehungen seit dem offenen Ausbruch des Darfur-Konflikts belastet. Als im Tschad Bürgerkrieg herrschte, hat das benachbarte Kamerun zahlreiche Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen.

Des Weiteren unterhält der Tschad diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zu den USA. Am 10. Oktober 2003 begann die Förderung von Erdöl unter der Führung von ExxonMobil und mit Unterstützung der Weltbank im Doba-Becken im Süden des Tschads. Über eine 1050 Kilometer lange Pipeline wird dieses an die Atlantikküste Kameruns befördert und dort verschifft. Dies wird vereinzelt als geopolitisch bedeutender Schachzug der USA gesehen und aus menschenrechtlicher und ökologischer Sicht kritisiert. Ebenfalls hat auch die Volksrepublik China aufgrund des Interesses an Erdöl die Beziehungen zum Tschad weiter aufgebaut. Die Beziehungen mit China entwickeln sich seit 2006 dynamisch. Seit 2006 beliefert China den Tschad unter anderem mit Waffen.

Neben der Erschließung neuer Erdölfelder betreiben chinesische Staatsfirmen eine Pipeline und eine Raffinerie im Norden von N'Djamena. China betreibt außerdem ein neues Kraftwerk zur Versorgung der Hauptstadt mit Elektrizität und eine Zementfabrik im Süden des Landes. Anfang 2011 unterschrieben chinesische Investoren einen Vertrag zum Bau einer Eisenbahn, die einmal das ostafrikanische Eisenbahnnetz im Sudan mit dem westafrikanischen in Kamerun verbinden soll.

Der Tschad besitzt vor allem im Tibestigebirge im Norden nicht erschlossene Uran-, Gold-, Zinn-, Wolfram-, und Bauxitvorkommen. Nordöstlich des Tschadsees wird Natron und an mehreren Stellen der Sahara Steinsalz gewonnen, das vor allem für die Märkte im Süden des Landes bestimmt ist. In Mayo Kebbi wird seit 1992 Gold gewonnen. Erdölfelder befinden sich im Dobabecken (Südwesten), in der Nähe von Sarh, Bongor und am Tschadsee. 110 Milliarden Euro an Erdölreserven soll der Tschad nach einer Schätzung besitzen. Diese noch unerschlossenen Reichtümer sind der wesentliche Grund für innenpolitische Auseinandersetzungen und das Bemühen von Großmächten wie Frankreich um eine Stabilität in der Region. Es ist zu befürchten, dass auch in Zukunft Kriege stattfinden werden um die Frage zu klären, wer oder welche Organisation bzw. welches Land von dem Abbau der Bodenschätze finanziell am meisten profitieren wird.

Wenn man über den Tschad spricht, kann der Krieg um Darfur nicht verschwiegen werden.

Der Krieg in Darfur ist eine seit 2003 andauernde bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Volksgruppen in Darfur und der sudanesischen Regierung in Khartum. Dabei fordern aus schwarzafrikanischen Stämmen hervorgegangene Rebellenbewegungen mehr Mitbestimmung im Staat und eine Entwicklung ihrer Region. Die Regierung geht militärisch gegen die Rebellen vor und unterstützt in diesem Kampf lokale Milizen, die aus arabischen Reiter-Nomaden bestehen und unter der Bezeichnung Dschandschawid (arabisch: dschinn: „Geist, Dämon“; dschawad „Pferd“) bekannt geworden sind.

Etwa 200.000 Menschen sind bis 2007 durch den Konflikt umgekommen, eine UN-Schätzung geht für Anfang 2008 von 300.000 Toten aus. 2,5 Millionen wurden innerhalb der Region vertrieben. Sie werden als IDP („Internally displaced persons“) bezeichnet. Insbesondere die Dschandschawid begehen schwere Menschenrechtsverletzungen, dazu gehören die Zerstörung von Dörfern, Massaker an der Zivilbevölkerung und Vergewaltigungen.

Der Konflikt hat sich auch auf grenznahe Gebiete Tschads ausgeweitet, einige Tausend Darfuris sind in die Zentralafrikanische Republik geflohen. Seit 1. Januar 2008 soll die Friedensmission UNAMID als weltgrößte Friedenstruppe in Darfur stationiert werden. Im Oktober 2009 befanden sich von den für die Mission einzusetzenden 26.000 Polizisten und Soldaten 19.000 Einsatzkräfte vor Ort. Blockierende Maßnahmen der sudanesischen Regierung, bürokratische Hürden sowie Probleme bei der Zusammenarbeit der Truppenteile erschweren die Mission bislang erheblich.

Die Region Darfur wird von verschiedenen Völkern bewohnt, die man nach ihrer Herkunft in drei Gruppen einteilen kann: schwarzafrikanische Volksgruppen wie die namensgebenden Fur, die knapp ein Drittel der Bevölkerung Darfurs ausmachen und um den zentralen Jebel Marra siedeln, Masalit im Westen und Zaghawa im Norden des Gebietes, und arabische Stämme, die seit dem 13. Jahrhundert in den heutigen Sudan vordrangen und, so sie Rindernomaden geworden sind, unter der Bezeichnung Baggara zusammengefasst werden. Dazwischen finden sich in allen Teilen Darfurs kleine Volksgruppen wie die Berti, die aus dem Sahel eingewandert sind, durch Kulturübernahme in den letzten Jahrhunderten arabisiert wurden und bei nomadischer Lebensweise auch den Baggara zugerechnet werden können. Es gibt über 30 größere und kleinere Ethnien (arabisch qabail), die in ihrer Mehrheit als Schwarzafrikaner zur nilosaharanischen Sprachfamilie gehören. Die Begriffe „schwarzafrikanisch“ und „arabisch“ sind folglich weniger als ethnische Unterscheidung denn als sozial konstruierte Identitäten zu verstehen, außerdem beschränkt sich die ethnische Bezeichnung „Araber“ auf eine gemeinsame Herkunftssaga und weitere kulturelle Eigenheiten. Kamelnomaden und Rinderhirten neigen unabhängig ihrer Herkunft dazu, sich als Araber zu identifizieren. Nach der Lebensweise lassen sich Baggara – Rindernomaden, Aballa – Kamelnomaden, Zurga – Bauern und die Stadtbewohner unterscheiden.

Alle Volksgruppen sind sunnitische Muslime, mit einer großen Zahl Anhänger der Tijaniyya-Bruderschaft. Von 1650 bis zur britischen Annexion 1917 war Dar Fur (arabisch: „Haus der Fur“) ein unabhängiges Sultanat. Bis Ende des 18. Jahrhunderts war das Herrscherreich ideologisch beschränkt auf die Ethnie der Fur, danach wurde eine volksübergreifende staatliche Verwaltung aufgebaut. Wie aus einem Dekret des letzten Sultans Ali Dinar (regierte 1898–1916) an seine Häuptlinge hervorgeht, wurden Fragen von Land- und Wasserrechten zentral und vorausschauend geregelt. Fur und Masalit lebten bis zu dieser Zeit in hierarchisch strukturierten Staatswesen, deren bürokratischer Apparat erst während der Mahdi-Herrschaft zusammengebrochen ist, die nomadischen Araber dagegen in lockeren Stammesverbänden. Bis zur Unabhängigkeit des Sudan 1956 und ebenso danach wurden kaum Anstrengungen unternommen, die Region wirtschaftlich zu entwickeln. Während der britischen Kolonialzeit stammten die einzigen Einkünfte der Region von ausgewanderten Darfuris, die in den Baumwollplantagen der Gezira-Ebene Arbeit fanden.

Ein Grund für frühere Konflikte war die geografische Lage Darfurs als ein Zentrum für den Sklavenhandel, über das die Sklavenhändler der Fur mit arabischen Händlern zusammen und in Konkurrenz zueinander in der Region Bahr al-Ghazal Sklaven aus schwarzafrikanischen Kleinreichen wie dem Dar Fertit bezogen. Dabei kam es gelegentlich zu Auseinandersetzungen zwischen Fur und Baggara, insbesondere mit den mächtigen Rizeigat im Südosten Darfurs. Weiterhin bestehende alte Konfliktgründe sind Streitigkeiten zwischen Ackerbauern und nomadischen Viehzüchtern um Wasser und Weideland, wobei es umgekehrt zu der gängigen Einteilung auch Ackerbauern, die der arabischen Bevölkerung zugerechnet werden, und schwarzafrikanische Nomaden gibt. Streitereien wurden bis dahin mit Speeren ausgetragen und durch Vermittlung der Ältesten beigelegt. Die Auseinandersetzungen verschärften sich durch die Verknappung der Ressourcen durch zwei große Dürreperioden Anfang der 1970er und Mitte der 1980er Jahre. Hinzu kam eine Bevölkerungszunahme von 1,3 Millionen Menschen 1973 auf 3,5 Millionen bis 1983. Die für frühere Zeiten vielleicht sinnvolle Beschreibung der Konflikte entlang ethnischer Trennlinien hat noch eine gewisse Berechtigung und liefert einen groben Rahmen, ist aber für das Verständnis von teilweise bis auf die Clan-Ebene segmentierten Gesellschaften nicht ausreichend. Konflikte sind historische Prozesse, ihre Ursachen können sich ändern. Die in westlichen Medien vermittelte Reduzierung des Konflikts als Krieg zwischen regierungstreuen Arabern und aufständischen Schwarzafrikanern ist zu kurz gegriffen.

Dass die Auseinandersetzungen zwischen den arabischen und schwarzafrikanischen Völkern, die üblicherweise in dem genannten ethnischen Rahmen erklärt werden, nicht Vergangenheit sind, zeigt exemplarisch das Massaker von El Diein einer Handelsstadt an der Bahnlinie zwischen Babanusa und Nyala, im März 1987. In dieser Region im Süden Darfurs lebten zuvor die dominierenden arabischen Viehzüchter der Rizeigat mit Fur, Dinka, Zaghawa und anderen in einem labilen Gleichgewicht zusammen. Nach Beginn des Bürgerkriegs im Südsudan 1983 flohen immer mehr Dinka, Bauern und Hirten, aus dem Süden nach El Diein. Im Mai 1986 waren bereits rund 17.000 Dinka in der Stadt. Es kam zu Streitereien an den Wasserstellen. Am 27. März 1987 griff die Bevölkerung der Stadt die Neuankömmlinge an. Zivilisten gingen mit Stöcken und Speeren gegen andere Zivilisten los. Nach den ersten Todesopfern auf Seiten der Dinka ließ sich ein Teil von der Polizei überreden, mit der Eisenbahn anderntags nach Nyala in Sicherheit gebracht zu werden. Zur Abfahrt des Zuges kam es nicht. In sieben Waggons wurden einige hundert eingepferchte Dinka durch einen Mob mit brennenden Grasbüscheln in den Waggons im Rauch erstickt oder auf der Flucht erschlagen, andere Dinka, die in den Polizeihof geflohen waren, erlitten dort dasselbe Schicksal. Amnesty International bestätigte später 426 getötete Dinka. Ähnliche Massaker gab es in den Jahren 1987 bis 1989 auch in anderen Städten.[

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat 2007 die Auswirkungen des Klimawandels als eine Ursache der Krise in Darfur bezeichnet. Er ist nicht wegen des Hinweises auf möglicherweise ökologische Ursachen des Konflikts kritisiert worden, sondern weil mit einer solchen Aussage die Lokalbevölkerung ihrer Verantwortung für die eigene Umwelt enthoben wird, aber vor allem, weil die politische Dimension außer Acht gelassen wird. Die andere Sicht, die auch westliche Regierungen teilen, stellt die politische Unterdrückung, wirtschaftliche Vernachlässigung und Militarisierung der Region durch die sudanesische Regierung in den Vordergrund. Der politisch argumentierende Eric Reeves hält die Aussage Ban Ki-moons für eine Fehleinschätzung, die zu einer zu zögerlichen Verhandlungsbeteiligung des UN-Sicherheitsrates geführt habe.

Der Krieg in Darfur ist eine seit 2003 andauernde bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Volksgruppen in Darfur und der sudanesischen Regierung in Khartum. Dabei fordern aus schwarzafrikanischen Stämmen hervorgegangene Rebellenbewegungen mehr Mitbestimmung im Staat und eine Entwicklung ihrer Region. Die Regierung geht militärisch gegen die Rebellen vor und unterstützt in diesem Kampf lokale Milizen, die aus arabischen Reiter-Nomaden bestehen und unter der Bezeichnung Dschandschawid (arabisch: dschinn: „Geist, Dämon“; dschawad „Pferd“) bekannt geworden sind.

Etwa 200.000 Menschen sind bis 2007 durch den Konflikt umgekommen, eine UN-Schätzung geht für Anfang 2008 von 300.000 Toten aus. 2,5 Millionen wurden innerhalb der Region vertrieben. Sie werden als IDP („Internally displaced persons“) bezeichnet. Insbesondere die Dschandschawid begehen schwere Menschenrechtsverletzungen, dazu gehören die Zerstörung von Dörfern, Massaker an der Zivilbevölkerung und Vergewaltigungen.

Der Konflikt hat sich auch auf grenznahe Gebiete Tschads ausgeweitet, einige Tausend Darfuris sind in die Zentralafrikanische Republik geflohen. Seit 1. Januar 2008 soll die Friedensmission UNAMID als weltgrößte Friedenstruppe in Darfur stationiert werden. Im Oktober 2009 befanden sich von den für die Mission einzusetzenden 26.000 Polizisten und Soldaten 19.000 Einsatzkräfte vor Ort. Blockierende Maßnahmen der sudanesischen Regierung, bürokratische Hürden sowie Probleme bei der Zusammenarbeit der Truppenteile erschweren die Mission bislang erheblich.

Die Region Darfur wird von verschiedenen Völkern bewohnt, die man nach ihrer Herkunft in drei Gruppen einteilen kann: schwarzafrikanische Volksgruppen wie die namensgebenden Fur, die knapp ein Drittel der Bevölkerung Darfurs ausmachen und um den zentralen Jebel Marra siedeln, Masalit im Westen und Zaghawa im Norden des Gebietes, und arabische Stämme, die seit dem 13. Jahrhundert in den heutigen Sudan vordrangen und, so sie Rindernomaden geworden sind, unter der Bezeichnung Baggara zusammengefasst werden. Dazwischen finden sich in allen Teilen Darfurs kleine Volksgruppen wie die Berti, die aus dem Sahel eingewandert sind, durch Kulturübernahme in den letzten Jahrhunderten arabisiert wurden und bei nomadischer Lebensweise auch den Baggara zugerechnet werden können. Es gibt über 30 größere und kleinere Ethnien (arabisch qabail), die in ihrer Mehrheit als Schwarzafrikaner zur nilosaharanischen Sprachfamilie gehören. Die Begriffe „schwarzafrikanisch“ und „arabisch“ sind folglich weniger als ethnische Unterscheidung denn als sozial konstruierte Identitäten zu verstehen, außerdem beschränkt sich die ethnische Bezeichnung „Araber“ auf eine gemeinsame Herkunftssaga und weitere kulturelle Eigenheiten. Kamelnomaden und Rinderhirten neigen unabhängig ihrer Herkunft dazu, sich als Araber zu identifizieren. Nach der Lebensweise lassen sich Baggara – Rindernomaden, Aballa – Kamelnomaden, Zurga – Bauern und die Stadtbewohner unterscheiden.

Alle Volksgruppen sind sunnitische Muslime, mit einer großen Zahl Anhänger der Tijaniyya-Bruderschaft. Von 1650 bis zur britischen Annexion 1917 war Dar Fur (arabisch: „Haus der Fur“) ein unabhängiges Sultanat. Bis Ende des 18. Jahrhunderts war das Herrscherreich ideologisch beschränkt auf die Ethnie der Fur, danach wurde eine volksübergreifende staatliche Verwaltung aufgebaut. Wie aus einem Dekret des letzten Sultans Ali Dinar (regierte 1898–1916) an seine Häuptlinge hervorgeht, wurden Fragen von Land- und Wasserrechten zentral und vorausschauend geregelt. Fur und Masalit lebten bis zu dieser Zeit in hierarchisch strukturierten Staatswesen, deren bürokratischer Apparat erst während der Mahdi-Herrschaft zusammengebrochen ist, die nomadischen Araber dagegen in lockeren Stammesverbänden. Bis zur Unabhängigkeit des Sudan 1956 und ebenso danach wurden kaum Anstrengungen unternommen, die Region wirtschaftlich zu entwickeln. Während der britischen Kolonialzeit stammten die einzigen Einkünfte der Region von ausgewanderten Darfuris, die in den Baumwollplantagen der Gezira-Ebene Arbeit fanden.

Ein Grund für frühere Konflikte war die geografische Lage Darfurs als ein Zentrum für den Sklavenhandel, über das die Sklavenhändler der Fur mit arabischen Händlern zusammen und in Konkurrenz zueinander in der Region Bahr al-Ghazal Sklaven aus schwarzafrikanischen Kleinreichen wie dem Dar Fertit bezogen. Dabei kam es gelegentlich zu Auseinandersetzungen zwischen Fur und Baggara, insbesondere mit den mächtigen Rizeigat im Südosten Darfurs. Weiterhin bestehende alte Konfliktgründe sind Streitigkeiten zwischen Ackerbauern und nomadischen Viehzüchtern um Wasser und Weideland, wobei es umgekehrt zu der gängigen Einteilung auch Ackerbauern, die der arabischen Bevölkerung zugerechnet werden, und schwarzafrikanische Nomaden gibt. Streitereien wurden bis dahin mit Speeren ausgetragen und durch Vermittlung der Ältesten beigelegt. Die Auseinandersetzungen verschärften sich durch die Verknappung der Ressourcen durch zwei große Dürreperioden Anfang der 1970er und Mitte der 1980er Jahre. Hinzu kam eine Bevölkerungszunahme von 1,3 Millionen Menschen 1973 auf 3,5 Millionen bis 1983. Die für frühere Zeiten vielleicht sinnvolle Beschreibung der Konflikte entlang ethnischer Trennlinien hat noch eine gewisse Berechtigung und liefert einen groben Rahmen, ist aber für das Verständnis von teilweise bis auf die Clan-Ebene segmentierten Gesellschaften nicht ausreichend. Konflikte sind historische Prozesse, ihre Ursachen können sich ändern. Die in westlichen Medien vermittelte Reduzierung des Konflikts als Krieg zwischen regierungstreuen Arabern und aufständischen Schwarzafrikanern ist zu kurz gegriffen.

Dass die Auseinandersetzungen zwischen den arabischen und schwarzafrikanischen Völkern, die üblicherweise in dem genannten ethnischen Rahmen erklärt werden, nicht Vergangenheit sind, zeigt exemplarisch das Massaker von El Diein einer Handelsstadt an der Bahnlinie zwischen Babanusa und Nyala, im März 1987. In dieser Region im Süden Darfurs lebten zuvor die dominierenden arabischen Viehzüchter der Rizeigat mit Fur, Dinka, Zaghawa und anderen in einem labilen Gleichgewicht zusammen. Nach Beginn des Bürgerkriegs im Südsudan 1983 flohen immer mehr Dinka, Bauern und Hirten, aus dem Süden nach El Diein. Im Mai 1986 waren bereits rund 17.000 Dinka in der Stadt. Es kam zu Streitereien an den Wasserstellen. Am 27. März 1987 griff die Bevölkerung der Stadt die Neuankömmlinge an. Zivilisten gingen mit Stöcken und Speeren gegen andere Zivilisten los. Nach den ersten Todesopfern auf Seiten der Dinka ließ sich ein Teil von der Polizei überreden, mit der Eisenbahn anderntags nach Nyala in Sicherheit gebracht zu werden. Zur Abfahrt des Zuges kam es nicht. In sieben Waggons wurden einige hundert eingepferchte Dinka durch einen Mob mit brennenden Grasbüscheln in den Waggons im Rauch erstickt oder auf der Flucht erschlagen, andere Dinka, die in den Polizeihof geflohen waren, erlitten dort dasselbe Schicksal. Amnesty International bestätigte später 426 getötete Dinka. Ähnliche Massaker gab es in den Jahren 1987 bis 1989 auch in anderen Städten.[

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat 2007 die Auswirkungen des Klimawandels als eine Ursache der Krise in Darfur bezeichnet. Er ist nicht wegen des Hinweises auf möglicherweise ökologische Ursachen des Konflikts kritisiert worden, sondern weil mit einer solchen Aussage die Lokalbevölkerung ihrer Verantwortung für die eigene Umwelt enthoben wird, aber vor allem, weil die politische Dimension außer Acht gelassen wird. Die andere Sicht, die auch westliche Regierungen teilen, stellt die politische Unterdrückung, wirtschaftliche Vernachlässigung und Militarisierung der Region durch die sudanesische Regierung in den Vordergrund. Der politisch argumentierende Eric Reeves hält die Aussage Ban Ki-moons für eine Fehleinschätzung, die zu einer zu zögerlichen Verhandlungsbeteiligung des UN-Sicherheitsrates geführt habe.

Als mittelfristige Vorgeschichte wird die Entwicklung in den letzten 30 Jahren verstanden. In diesen Zeitraum fällt ein Rückgang von Anbauflächen und Weideland durch eine zunehmende Wüstenbildung und Bodenerosion, welche die betroffenen Volksgruppen in unterschiedlichem Maß zu Wanderungsbewegungen aus den trockenen Savannengebieten im Norden in den niederschlagsreicheren Süden von Darfur zwang. Da das Land überall bereits besiedelt war, kam es zu Konflikten. Die Zaghawa waren bei gewaltsamen Landnahmen in den 1980er Jahren zumeist erfolgreicher als die etwas später nach Süden gezogenen Meidob oder Berti. Insbesondere infolge der Dürrejahre 1983/84 geriet durch die Südwanderungen die geografische Gliederung nach Wirtschaftsformen durcheinander. Kamelnomaden in Nord-Darfur, Ackerbauern in der zentralen Region um den Jebel Marra und Rinderzüchter im Süden beanspruchten in der Trockenzeit nun jeweils fremdes Land. Daten zeigen eine Korrelation zwischen der Zunahme von lokalen Konflikten und abnehmenden Jahresniederschlägen. Mohamed Suliman sieht mit dieser Aussage hinter dem Konflikt, der als gewaltsame ethnische Auseinandersetzung 1953 begann, heute eine wirtschaftlich-ökologische Hauptursache. Eine an der Santa Clara University in Kalifornien aus den Niederschlagsdaten angefertigte Untersuchung kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass die schwankenden und keinem klaren Trend folgenden Niederschlagsmengen nur lose mit der Intensität der gewaltsamen Auseinandersetzungen seit 2003 korrelieren.

In der Dürreperiode 1972–1974 waren Konflikte noch selten, lokal begrenzt und überschaubar; anders ab Mitte der 1980er Jahre, als allmählich kleinere Scharmützel sich ausweiteten und bürgerkriegsartige Verwüstungen hinterließen, wobei ganze Dörfer niedergebrannt und geplündert wurden Im Zentrum der meisten, mit Maschinengewehren ausgetragenen Konflikte Ende der 1980er Jahre standen die Zaghawa, die auch in den verschiedenen gegenwärtigen Rebellengruppen überproportional vertreten sind.

Als zweite Phase oder als Militarisierung des Konflikts gelten die Jahre 1987 bis 1993, in denen sich 27 arabische Stämme zu einer Allianz verbündeten, deren Kampftruppe Dschandschawid die Eroberung der Fur, genauer, des Fur-Landes am Jebel Marra zum Ziel hatte. Bis zur Friedenskonferenz 1989 sollen über 5000 Fur und 400 Araber getötet worden sein. Aus der ökologischen Ursache mit wirtschaftlichen Auswirkungen war ein Kampf um regionale Vormacht geworden. Weder die Todesopfer noch die mehreren 10.000 Vertriebenen wurden international wahrgenommen. Das Verfügungsrecht über Weideland ist in Darfur einer der wichtigsten Macht- und Wirtschaftsfaktoren. Von Anfang bis Mitte der 1980er Jahre erhöhte sich der Anteil des Viehexports aus der Region Darfur von einem Viertel auf die Hälfte des gesamten Exporterlöses.

In die Regierungszeit von Sadiq al-Mahdi (1986–1989) fiel der Entschluss, die arabischen Nomaden (Baggara) mit Waffen zu versorgen, angeblich um sich gegen Angriffe der südsudanesischen SPLA verteidigen zu können. Es war wenig überraschend, dass die arabischen Milizen die Waffen gegen die schwarzafrikanische Bevölkerung von Darfur einsetzten. Der Konflikt erhielt eine offen rassistische Dimension.

Aus machtpolitischen Erwägungen erfolgte 1994 die Aufteilung von Darfur in die drei Provinzen Nord- Süd- und West-Darfur. Die Mehrheit der Provinzgouverneure stammt seither aus den Reihen der Regierung. Alle Regierungschefs in Khartum stammen seit der Unabhängigkeit aus der Nordregion des Sudan, obwohl diese nur einen geringen Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmacht. Der Aufstand richtet sich somit gegen die Marginalisierung und gegen das wirtschaftliche Monopol der zentralistisch regierenden Staatsführung. Hauptstreitpunkt in wirtschaftlicher Hinsicht sind die seit 1999 wachsenden Einnahmen aus der Erdölförderung. Durch den Beginn der Friedensgespräche zur Beilegung des Bürgerkriegs im Südsudan fühlten sich die nichtarabischen Darfuris vollends an die Wand gedrängt und die bereits 2001 gegründete Rebellenorganisation JEM verübte im Februar 2003 den ersten Anschlag.

Der Präsident des Tschad Idriss Déby kam 1990 mit sudanesischer Unterstützung gewaltsam an die Macht. Seinen Putsch hatte er militärisch von Darfur aus vorbereitet. Bei den ersten Anschlägen der Darfur-Aufständischen 2003, die von Zaghawa, seiner eigenen Volksgruppe, verübt wurden, stellte er sich zunächst als Verbündeter hinter die sudanesische Regierung. Déby sandte im März 2003 Truppen, um die JEM und SLA, die Tschad als Rückzugsgebiet nutzten, innerhalb Darfurs zu bekämpfen. (Zu den Rebellengruppen siehe nächster Abschnitt.) Die Zaghawa-Truppen weigerten sich, gegen ihre eigene Volksgruppe zu kämpfen und warnten die Aufständischen vor ihrer Ankunft. Es kam zu einer Rebellion der Zaghawa innerhalb der Armee und zu einem Wechsel der Generäle. Anschließend unterstützte Déby von der JEM abgefallene und gegen die JEM agierende Splittergruppen. Ab 2004 versuchte der Sudan, Regierungsgegner in Tschad zu vereinen. 2005 begann Déby im Gegenzug, sudanesische Rebellen wie die JEM und die SLA/M zu unterstützen, der Sudan wiederum rüstet seither die Rebellen der FUC (Front uni pour le changement, „Vereinigte Front für den Wechsel“) in Tschad. Der Stellvertreterkrieg zwischen beiden Ländern eskalierte Ende Januar 2008 zu einer direkten Konfrontation, als tschadische Rebellen und sudanesische Einheiten bis zum Regierungssitz in N’Djamena vordrangen. Débys Truppen konnten die Angreifer mit Unterstützung der sudanesischen JEM zurückschlagen.

Muammar al-Gaddafi beteiligte sich in den 1970er Jahren am tschadischen Bürgerkrieg als Gegner des Rebellenführers Hissène Habré, der von Frankreich und den Vereinigten Staaten unterstützt wurde. Habrés Operationsbasis im Kampf gegen die Regierung von Präsident François Tombalbaye war – mit Duldung des damaligen sudanesischen Präsidenten Numairi – Darfur. Dorthin erhielt Habré Waffenlieferungen, mit deren Hilfe die libyschen Einheiten geschlagen und 1981 aus dem Land vertrieben werden konnten. Habré wurde Präsident des Tschad und amtierte 1982 bis 1990. Der Sudan und Libyen waren seit der Machtübernahme Numairis zu Gegnern geworden. Nach Numairis Absetzung 1985 verbesserten sich die Beziehungen der beiden Länder. In Tschad bekämpfte Libyen weiterhin die Habré-Regierung. 1987–1988 kam es zum Krieg um einen Grenzstreifen, bei dem libysche Truppen den Westen des Sudan zum Einmarsch in den Tschad nutzen konnten. Es war die Gegenleistung für die libysche Unterstützung im Krieg gegen den Südsudan. In dieser Zeit wurde Darfur mit libyschen Waffen zu Niedrigstpreisen überschwemmt. Tschadische Milizen wurden von Libyen ausgerüstet, damit sie die Dschandschawid in Darfur unterstützten.

Mit der libyschen Präsenz in Darfur verfolgte Gaddafi nach seinem Rückzug aus dem Tschad noch ein anderes Ziel. Seit seinem Machtantritt verfocht er eine von seinem Land ausgehende panarabische Idee, die er nun in Darfur zu verbreiten suchte. Eine rund 2000 Mann starke, militant-arabische Organisation namens Al tajammu al-arabi („Arabische Versammlung“) wurde 1987 nach Darfur geschickt, wo sie die Ideologie einer arabischen Vorherrschaft unter den Reitermilizen verbreiten sollte. Die ideologische Aufrüstung der Dschandschawid für den späteren Kampf stammt aus dieser Zeit.

Eine bis in die 1970er Jahre zurückreichende Erklärung für den Dominanzanspruch der Reitermilizen konzentriert sich auf den 1982 verstorbenen Ahmat Acyl Aghbash, den Kommandanten einer libyschen „Islamischen Legion“, die im Tschad operierte und einer tschadischen Miliz namens „Vulkanbrigade“. Das von Gaddafi für den gewaltsamen und religiösen Kampf auserwählte Missionsziel war ein Clan der Rizeigat-Kamelnomaden unter dem alten Führer Sheikh Hilal. Ahmat Acyl überzeugte die Rizeigat mit der Idee einer direkten Abstammung von den Koreischiten, dem Stamm des Propheten. Hilals Sohn und Nachfolger Moussa Hilal übernahm Ende der 1980er Jahre den Kampf gegen die Fur und organisierte Waffenlieferungen von Libyen.

Der Putsch von Idriss Déby wurde auch von Libyen kräftig unterstützt. Durch Gaddafis erklärtem Wandel vom arabischen Nationalisten zum Friedensstifter vermittelt Libyen seit 2004 im Darfur-Konflikt. Weithin sichtbares Symbol für die guten wirtschaftlichen Beziehungen ist der von Libyen finanzierte Bau eines eiförmigen Hotels in Khartum. Kriminelle Banden bewegen sich zwischen Darfur, Tschad und Libyen, von wo die Rebellen beider Länder weiterhin ihre Waffen beziehen.

Die Lage ist unübersichtlich. Seit 2007 beobachten Hilfsorganisationen ein Zunehmen gewöhnlicher Kriminalität.

Auf Regierungsseite kämpfen Armeeeinheiten und verschiedene Milizen, die verallgemeinernd als Dschandschawid bezeichnet werden. Dazu gehören Kamelnomaden (Abbala) und wegen der Dürre in den 1980er Jahren aus Tschad eingewanderte Rizeigat-Abbala, Beni Halba und Misirya. Als Nördliche Rizeigat werden einzelne Clans wie die Shattiya, Mahamid, Eregat, Huttiya, Etetat und Jalul zusammengefasst. Zayadia heißt die größte Gruppe der Kamelnomaden im Norden. Die Mehrheit der arabischen Stämme in Darfur ist Mitte des 18. Jahrhunderts aus dem Westen eingewandert. Aus den sich süd- und ostwärts ausbreitenden Kamelnomaden wurden allmählich die Rinder züchtenden Baggara. Paramilitärische Truppen auf Regierungsseite sind die Uniform tragenden Popular Defence Forces und die Border Intelligence Guards. Offizielle Streitkräfte sind die Sudan People’s Armed Forces.

Die sudanesische Regierung nahm auch bestehende Rivalitäten zum Anlass, um nichtarabische Stämme aufzurüsten und bei den Milizen einzubinden. Ein Beispiel ist die als schwarzafrikanisch klassifizierte Volksgruppe der Birgit (Birgid), die überwiegend in der Provinz Süd-Darfur siedelt und in der Stadt Shearia (Sheiria) die Mehrheit der Einwohner bildet. Als Reaktion auf das Eindringen von Zaghawa in den 1980er Jahren auf ihr Gebiet wird der Kampf von Birgit unter ihrem Führer Omda Tierab gegen die von Zaghawa dominierte SLA/M und die JEM gewertet. Birgit-Milizen, die mit Pferden und Kamelen unterwegs sind, stellen den Großteil der SLA-FW und stehen in Verbindung mit der sudanesischen Regierung und mit arabischen Misseria-Milizen. Bei einem von der Armee unterstützten Überfall von Birgit in Shearia im Januar 2006 wurden etwa 5000 Zaghawa vertrieben. Zaghawa übten anderntags Rache. Bei Kämpfen zwischen der SLA/M und der SLA-FW in Nord- und Süd-Darfur Anfang 2008 gab es 90.000 Vertriebene.

Von den zu Beginn des gewaltsamen Konflikts bestehenden Rebellenorganisationen gab es mehrfach Abspaltungen, die sich anschließend teilweise gegenseitig bekämpften. Die Mitglieder dieser Rebellentrupps lassen sich nur ungenau bestimmten Volksgruppen zuordnen, selbst in gegnerischen Verbänden können Kämpfer aus derselben Untergruppe einer Ethnie engagiert sein. Die kleinste Rebelleneinheit besteht aus einem Anführer mit Getreuen und einigen Pickups. Der Übergang zu kriminellen Banden ist fließend.

Kleinere und 2009 nicht mehr existierende Rebellengruppen, sowie Koalitionen zwischen den Gruppen wurden nicht aufgeführt.

Als Anfang des Bürgerkrieges gilt der Angriff der SLA auf Gulu in der Marra-Region westlich von El Fasher, der am 25. Februar begann und mit der Besetzung des Ortes endete. In den folgenden Tagen wurde Tiné, ein Zentrum der Zaghawa an der Tschadgrenze eingenommen. Angriffe auf Armeeposten und Polizeistationen hatte es bereits ein Jahr zuvor gegeben. Es folgten weitere Anschläge von SLA und JEM in der Region, besonders auf El Fasher und Mellit (nördlich, in Berti-Gebiet), die mit Kalaschnikows und Panzerfäusten durchgeführt und über Satellitentelefone koordiniert wurden.

Der erste große Sieg war die mit Hunderten Rebellen und Dutzenden Fahrzeugen durchgeführte Einnahme der Garnisonsstadt El-Fasher im Juni, bei der nach Angaben der sudanesischen Regierung 75 Soldaten getötet, Waffen gestohlen und vier Militär-Hubschrauber sowie zwei Antonov-Flugzeuge zerstört wurden. Die Rebellen waren teilweise besser bewaffnet als die sudanesische Armee. Die Dschandschawid-Reitermilizen wurden daher mit Waffen ausgerüstet und sollten in einem Stellvertreterkrieg die im Südsudan gebundenen Streitkräfte entlasten. Die Zivilbevölkerung geriet immer stärker zwischen die Fronten, vor allem die Reitermilizen wurden ab dieser Zeit für Angriffe auf Dörfer, Plünderungen und den organisierten Einsatz sexueller Gewalt verantwortlich gemacht.

Am 8. April 2004 unterzeichneten die Rebellen und die sudanesische Regierung ein Waffenstillstandsabkommen in N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad, unter Vermittlung des tschadischen Präsidenten und der Afrikanischen Union.

Von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International und der Gesellschaft für bedrohte Völker wurden der sudanesischen Regierung systematische Massaker gegen die Zivilbevölkerung vorgeworfen, vor allem wegen der Unterstützung der Dschandschawid. Es wurden Vergleiche mit dem Völkermord in Ruanda 1994 gezogen, Human Rights Watch hielt den Tatbestand der systematischen Vernichtung für erwiesen. Tausende Sudanesen waren bereits bei „ethnischen Säuberungsaktionen“ gestorben, Hunderttausende wurden zur Flucht gezwungen. Dem Land drohte eine Hungerkatastrophe.

Am 30. Juli 2004 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1556, die den Einsatz militärischer Beobachter der Afrikanischen Union im Rahmen der African Union Mission in Sudan (AMIS) autorisierte. Die deutsche Bundesregierung unterstützte die AMIS mit dem ersten Einsatz von Lufttransportkräften der Luftwaffe zur Verschiebung von 196 gambischen Soldaten und etwa zwölf Tonnen Fracht. Die deutsche Beteiligung begann am 16. Dezember 2004 und endete plangemäß am 23. Dezember 2004.

Die internationale Hilfe war bis zum Jahr 2005 unzureichend, die internationale Gemeinschaft gespalten. Während etliche Staaten, darunter Großbritannien, die USA und Deutschland, die Regierung in Khartum teils scharf kritisierten, verhinderten Länder wie Russland und die VR China ein entschiedeneres Vorgehen. Bei beiden spielen wirtschaftliche Interessen, insbesondere Öl-Konzessionen, eine Rolle. Die Truppen der AMIS konnten wenig gegen die Menschenrechtsverletzungen in Darfur ausrichten. Ihr Mandat war beschränkt auf den Schutz von Beobachtern. Sie waren bei der Versorgung abhängig vom guten Willen der sudanesischen Regierung und in ihrer Mobilität durch unzureichende Ausrüstung eingeschränkt. So verfügte die AMIS 2005 nur über acht zivile Hubschrauber ohne Nachtsichteinrichtungen.

Aufgrund der anhaltenden dramatischen Lage im Sudan stimmte am 22. April 2005 der Deutsche Bundestag einem Einsatz von Militärbeobachtern im Süden und Osten des Landes im Rahmen der UN-Mission UNMIS zu. Das Kontingent besteht aus 75 unbewaffneten Militärbeobachtern und Stabspersonal. Die Einsatzkosten für die auf zunächst sechs Monate geplante Mission belaufen sich auf 1,3 Millionen Euro. Ziel war es, die Umsetzung des Friedensabkommens zu überwachen.

Erstmals in der Geschichte Afrikas griff ab Ende Mai 2005 die NATO ein, nachdem die Afrikanische Union um logistische Unterstützung der Friedenstruppe in der sudanesischen Krisenregion Darfur gebeten hatte. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer stellte aber klar, dass die Allianz keine Truppen in das Gebiet schicken werden. Vielmehr gehe es vorläufig um Planungskapazitäten und Logistik.

Am 13. Dezember 2005 forderte UN-Generalsekretär Kofi Annan, nachdem er einen Bericht zur Lage von Luis Moreno-Ocampo, dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, erhalten hatte, die Anklage der Verantwortlichen. Bereits im April hatte Moreno-Ocampo Kofi Annan eine Liste mit den Namen von 51 Verdächtigen übergeben.

Vom 17. bis 18. Dezember nahmen Rebellen die Grenzstadt Adré im Osten Tschads ein. Nach Angaben des Außenministers von Tschad führten am 18. Dezember tschadische Soldaten einen Gegenangriff aus, bei dem die Angreifer zurückgeschlagen und bis in den Sudan verfolgt wurden. Auf dem Gebiet des Sudan wurden dabei auch Stützpunkte der Angreifer zerstört. 300 Menschen sollen auf Seiten der Rebellen getötet worden sein. Bei den Rebellen handelt es sich um im September 2005 desertierte tschadische Soldaten, die laut tschadischen Angaben von der Regierung in Khartum unterstützt werden, um gegen die SLA vorzugehen. Dies wurde vom Sudan dementiert. Die Rebellen sprachen dagegen von nur 9 Toten auf ihrer Seite.

Am 23. Dezember stellte der Tschad fest, dass das Land sich im Kriegszustand mit dem Sudan befinde. Zu dieser Einschätzung käme man aufgrund der wiederholten Überfälle auf das Grenzgebiet, die vom Sudan unterstützt würden. Diese Feststellung sei aber keine Kriegserklärung an den Sudan. Dazu sei der Botschafter des Sudan in das tschadische Außenministerium in N’Djamena bestellt worden, wo ihm eine Liste der „Aggressionen des Sudan gegen den Tschad“ übergeben wurde.

Anfang des Jahres weiteten sich die Übergriffe auf Dörfer schwarzafrikanischer Ethnien im Tschad aus. Die Lage für die Menschen in den Flüchtlingslagern entlang der Grenze hatte sich damit verschlechtert. Human Rights Watch wies darauf hin, dass durch weitere Flüchtlinge die Nahrungsmittelreserven im Grenzgebiet knapp würden.

Die sudanesische Regierung hat die Vorwürfe der Unterstützung der Milizen am 6. Februar 2006 zurückgewiesen. Der sudanesische Staatsminister für Außenpolitik, Samani al-Wasiyla verwies darauf, dass tschadische Rebellen entwaffnet würden, wenn diese angetroffen werden, und beschuldigte Human Rights Watch, sich nur auf Aussagen aus dritter und vierter Hand zu stützen.

Nach Angaben von Human Rights Watch begann der Sudan am 24. April 2006 mit einer neuen militärischen Offensive in Süd-Darfur. Nach nicht genannten Quellen in der sudanesischen Regierung habe der Sudan die AU-Friedenstruppen informiert, dass man die Straße von Nyala nach Buram säubern wolle.

Als Folge blieben die Vetomächte Russland und China einer Abstimmung im UN-Sicherheitsrat am 25. April 2006 fern, in der eine Resolution verabschiedet wurde, die Sanktionen gegen vier am Darfur-Konflikt beteiligte Personen verhängte. Dabei handelte es sich um zwei Rebellenführer, einen Anführer der Dschandschawid und einen ehemaligen Luftwaffen-Offizier. Die Sanktionen sehen außerdem ein Reiseverbot sowie das Einfrieren aller persönlichen Konten im Ausland vor.

Am 5. Mai 2006 unterzeichneten die sudanesische Regierung und die SLA/M von Minni Arcua Minnawi ein Friedensabkommen in Abuja. Alle anderen Rebellengruppen lehnten das Abkommen ab, da sie ihre Hauptforderung der sofortigen Schaffung einer Region Darfur anstelle der drei Bundesstaaten und die Einrichtung eines zweiten Vizepräsidenten für Darfur nicht erfüllt sahen.

Das Abkommen beinhaltet folgende Punkte:

Das Abkommen wurde nach zweijährigen Verhandlungen der Afrikanischen Union unter Chefunterhändler Salim Ahmed Salim und der Unterstützung seit dem 1. Mai durch den Vize-Außenminister der USA Robert Zoellick erzielt. Am 27. Juni 2006 gaben Mitglieder von Minnawis SLA/M bekannt, das Abkommen nicht befolgen zu wollen und distanzierten sich von ihrem Anführer. Am 30. Juni 2006 gründeten als Folge des Abuja-Abkommens verschiedene Rebellengruppen auf Initiative der JEM vorübergehend eine lose Allianz unter dem Namen National Redemption Front (NRF, „Nationale Erlösungsfront“). Es war ein weiterer Machtverlust für Minnawi. Die SLA-Fraktion um Abdelwahid al-Nur trat dieser Allianz nicht bei.[ Das Abkommen wurde nicht umgesetzt.

Nach der AU-Konferenz in Banjil Gambia hatte der Präsident des Sudan, Umar al-Baschir, am 3. Juli 2006 vorgeschlagen, die AMIS-Friedensmission der AU im Darfur für die folgenden sechs Monate zu finanzieren. Damit solle ein Einsatz von UN-Soldaten in Darfur verhindert werden, der vom Sudan abgelehnt wird. Baschir äußerte die Befürchtung, westliche Soldaten könnten terroristische Aktivitäten im Sudan provozieren.

Al-Baschir stammt von einer alten Familie im islamisch dominierten Norden ab. 1960 trat er in die Armee ein und absolvierte Militärakademien in Ägypten, Malaysia, Pakistan und 1988 auch in den USA. Der überzeugte arabische Nationalist machte in der Armee schnell Karriere bis zum Generalleutnant. Er verfügt zudem über militärische Erfahrungen als Fallschirmjäger im Jom-Kippur-Krieg 1973 gegen Israel auf ägyptischer Seite. Nach seiner Rückkehr aus Ägypten war er im Kampf der Regierungstruppen gegen die Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA) im Süden des Landes eingesetzt.

Im Sudan war er seit den 1980er Jahren Verfechter einer islamisch-fundamentalistischen Haltung und stärkte damit den Norden gegen die christlich-animistisch geprägten südlichen Landesteile. Al-Baschir förderte in seinem Herrschaftsbereich die Anwendung der Scharia tatkräftig. Wenn er den Eindruck hatte, dass einzelne Islamisten im eigenen Lager seine Macht gefährdeten, ging er auch gegen diese Glaubensfreunde vor.

Am 30. Juni 1989 übernahm al-Baschir mit einer Gruppe Offiziere die Macht im Sudan nach einem unblutigen Militärputsch, welcher vom Iran unterstützt wurde Er gründete den Revolutionären Kommandorat zur Errettung der Nation (RCC), ernannte sich zum Oberkommandierenden der Streitkräfte und zum Staatsoberhaupt. Mit seinem Revolutionären Kommandorat errichtete er ein eisernes islamisches Regime und führte gegen den Süden des Landes einen erbitterten Feldzug. Der christlich und ethnoreligiös geprägte Süden bestehend aus drei Südprovinzen fühlte sich bereits in der Kolonialzeit vernachlässigt und seit der Unabhängigkeit des Landes am 1. Januar 1956 vom Norden unterdrückt. Der Südsudan verlangte eine weitreichende Autonomie, die auch al-Baschir nicht zusicherte. Umar al-Baschir regierte das Land als Alleinherrscher mit seiner Nationalen Kongresspartei.

Nach der Wahl 1986 übernahm eine Koalitionsregierung unter Führung von Sadiq al-Mahdi die Macht. An dieser Koalition war die islamistische Partei Nationale Islamische Front (NIF) von Hasan at-Turabi mit 20 Prozent beteiligt. 1989 übernahm al-Baschir mit Unterstützung von Turabi in einem unblutigen Staatsstreich die Macht. Die neue Regierung wurden schnell von Ägypten und anderen benachbarten arabischen und afrikanischen Staaten anerkannt. Al-Baschir regierte anfangs mit einem Revolutionary Command Council (RCC). Diese Gruppe wurde 1993 aufgelöst und al-Baschir formell als Präsident ernannt. Bei den Wahlen im März 1996 wurde at-Turabi Sprecher der Nationalversammlung, seine Verbündeten erhielten die meisten Ministerien. Im Anschluss kam es zum Bruch zwischen den beiden Politikern. Die NIF spaltete sich in die National Congress Party (NCP) von al-Baschir und die Popular Congress Party (PCP) von at-Turabi. Dieser betrieb nun offensiv eine Politik gegen al-Baschir und wurde daraufhin nach Verhängung des Notstands 1999 aus der Regierung entlassen.

Die Nationale Kongresspartei war und ist an den regionalen Bürgerkriegen im Land beteiligt: dem Sezessionskrieg im Südsudan, dem Konflikt im Ostsudan und dem andauernden Darfur-Konflikt. Menschenrechtsverletzungen in den betroffenen Gebieten gingen oft von der NCP aus. Die 1983 mit den Septembergesetzen eingeführte islamische Gesetzgebung wurden 1991 von der NCP verschärft. Die Wahlen vom 13. und 22. Dezember 2000 gewann die NPC erneut und erhielt die absolute Mehrheit der Sitze.

Seit 2005 regiert die NCP das Land gemeinsam mit der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) aus dem Südsudan in der Regierung der Nationalen Einheit. Nach der Friedensregelung vom Jahr 2005 – dem Nord-Süd-Vertrag (Comprehensive Peace Agreement, CPA) – stellt der Nationale Volkskongress 52 Prozent der Sitze im nationalen Parlament. Im südsudanesischen Regionalparlament stehen der Partei etwa 15 Prozent

Ab 1993 wurde al-Baschir auch formell Staatspräsident und in dieser Funktion bei Wahlen 1996 und 2000 im Amt bestätigt. 1999 unterband al-Baschir eine von Hasan at-Turabi als Gesetz in die Nationalversammlung eingebrachte Verfassungsänderung, welche seine Macht beschnitten hätte, durch Auflösung des Parlaments. Die USA setzten den Sudan in den 1990er Jahren auf die Liste der Schurkenstaaten. Osama bin Laden konnte sich unter al-Baschir problemlos bis 1996 im Lande aufhalten. Nach den Attentaten am 7. August 1998 auf die US-Botschaften in Nairobi/Kenia und Daressalam/Tansania führten die Vereinigten Staaten Militäraktionen auch gegen Khartum durch, weil im Sudan Unterstützer der Terroristen vermutet wurden. Der Raketenangriff zerstörte die Asch-Schifa-Arzneimittelfabrik in al-Chartum Bahri. Dies führte zum Bruch al-Baschirs mit der westlichen Weltmacht. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 beteiligte sich al-Bashir jedoch an den von den USA initiierten Anti-Terror-Maßnahmen.

Seit 2003 geht al-Baschir gegen separatistische Bewegungen der sudanesischen Provinz Darfur vor, wo sich mehrere Rebellengruppen im Darfur-Konflikt gegen das autoritäre Regime in Khartum auflehnen.

2004 beendete al-Baschirs Regime den Krieg gegen die Südprovinzen des Landes. Mit dem im Januar 2005 geschlossenen Friedensvertrag wurde eine gemeinsame nordsudanesisch-südsudanesische Übergangsregierung gebildet. Über die Teilung der Einnahmen der Ölquellen wurde nicht endgültig entschieden.

Im Februar 2011 gab al-Baschir bekannt, bei der nächsten Präsidentschaftswahl nicht mehr zu kandidieren, nahm jedoch seine Aussage zurück und stellte sich im April 2015 den Präsidentschaftswahlen, die er am 27. April mit 94 Prozent der Stimmen gewann. Offiziell gingen 46,4 Prozent der Bürger zur Wahl, während Wahlbeobachter der Afrikanischen Union lediglich 30 bis 35 Prozent Wahlbeteiligung schätzten.

Anfang März 2011 kam es in der Region Abyei zu den ersten schweren Kämpfen zwischen Einheiten des Nordens und des Südens seit dem Unabhängigkeitsreferendum. Die Kämpfe forderten etwa 100 Todesopfer, 25.000 Menschen flüchteten. Auch die anvisierten Befragungen in den Regionen Blauer Nil und in den Nubabergen fanden nicht statt.

Im Februar 2011 schien der oben erwähnte Konflikt der aufständischen Truppen von Georg Athor Deng mit der SPLA bereits beigelegt und eine Reintegration der Rebellengruppe in die SPLA möglich, als es an mehreren Orten, die zur Entwaffnung und anschließenden Übernahme der Truppen Dengs in die SPLA vorgesehen waren, zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Deng und SPLA-Einheiten kam, die zusammen hunderte von Toten forderten. Die hohe Zahl von automatischen Waffen im Südsudan als Erbe des Bürgerkrieges führt auch nach dem Referendum immer wieder zu bewaffneten Konflikten.

Am 22. Mai 2011 nahmen die Truppen des Nordens die wichtigste Stadt der Region Abyei ein. Wenige Tage vorher war ein auch von UN-Soldaten begleiteter Konvoi nordsudanesischer Soldaten angegriffen worden, angeblich von südsudanesischen Einheiten. Vor der Besetzung Abyeis durch nordsudanesische Truppen hatten sich beide Seiten auf UN-Vermittlung hin noch geeinigt, die strittige Region zu räumen.

Die Unabhängigkeitserklärung des Südsudan erfolgte am 9. Juli 2011. Das Staatsgebiet des unabhängigen Südsudan ist aufgrund der oben beschriebenen Konflikte noch nicht eindeutig definiert.

Aus den im Norden des Landes weiterhin bestehenden Krisengebieten waren bis 2013 etwa 45 000 Menschen in Flüchtlingslager geflohen, wobei die humanitäre Hilfe durch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen und weitere Hilfsorganisationen, die Verbesserung der Sicherheit durch die United Nations Mission in the Republic of South Sudan (UNMISS) geleistet wird.

Seit Mitte Dezember 2013 findet im Südsudan ein bewaffneter Konflikt um die politische Führung des Landes statt, wobei Ausgangspunkt der Unruhen eine bevorstehende Entwaffnung von Angehörigen des Nuer-Clans in der Präsidentengarde um den ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar war, den Präsident Salva Kiir Mayardit im Juli entlassen hatte. Darüber hinausgehende ethnische Konflikte auch in der Zivilbevölkerung wurden befürchtet da die beiden Kontrahenten unterschiedlichen Volksgruppen angehören Am 19. Dezember 2013 wurde das Flüchtlingscamp in Akobo in der Provinz Jonglei von 2.000 Rebellen überrannt. Auch in der Provinzhauptstadt Bor kam es erneut zu Kämpfen. Die Vereinten Nationen beziffern die Zahl der Todesopfer insgesamt auf mehrere tausend innerhalb einer Woche.

Der UN-Sicherheitsrat beschloss, die Zahl der UNMISS-Blauhelme zu erhöhen. Bei weiteren Gefechten starben weitere tausende Menschen; mehr als eine halbe Million Zivilisten waren Mitte Januar 2014 auf der Flucht, nach UN-Angaben 716.000 Menschen innerhalb des Südsudans, 156.800 in Nachbarländer.

Am 23. Januar 2014 einigten sich beide Seiten auf einen vorläufigen Waffenstillstand und weitere Verhandlungen zu einem Friedensvertrag. Ein erster Verhandlungserfolg konnte erzielt werden. Dennoch wurde der Konflikt nach einer Waffenruhe fortgesetzt, Nuer-Rebellen besetzten die Ölstadt Malakal. Amnesty International berichtete im Mai 2014 von massiven Menschenrechtsverletzungen mit Gräueltaten während der Unruhen. Nach einer Vermittlungsmission durch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wurde am 5. Mai von Unterhändlern eine Waffenruhe vereinbart, die ab 7. Mai gelten sollte.

Am 9. Mai 2014 kam es daraufhin erneut zu Friedensverhandlungen, mit erstmaligen direkten Gesprächen zwischen Kiir und Machar seit Beginn des Bürgerkriegs. Es wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Fünf Millionen Menschen benötigen nach UN-Schätzungen im Mai 2014 inzwischen humanitäre Hilfe. Trotzdem wurde eine Hungersnot befürchtet. Die UN trafen Vorbereitungen für eine kurzfristige Soforthilfe.

Im März 2016 gab ein UN-Vertreter bekannt, dass bis zu dem Zeitpunkt mehr als 50.000 Menschen im Bürgerkrieg getötet und 2,2 Millionen vertrieben wurden.

Das Naivasha-Abkommen hatte an verschiedenen Stellen die Frage nach den Grenzen des zukünftigen Staatsgebietes des Südsudan offengelassen. Dies betraf vor allem die Regionen Abyei, die Nuba-Berge und Southern Blue Nile, die zu Transitional Area erklärt wurden, über deren Zugehörigkeit später entschieden werden sollte. Für die Region Abyei wurde ein Referendum geplant, in dem sich die Bevölkerung über die Zugehörigkeit zum Norden oder Süden äußern sollte. Für die Nubaberge und Teile des Bundesstaates An-Nil al-azraq (Blauer Nil), die geographisch eindeutig im Nordsudan liegen, kulturell aber dem Süden nahestehen und wo daher Teile der Bevölkerung auf Seiten des Südens im Bürgerkrieg gekämpft hatten, waren ebenfalls Volksbefragungen (Popular Consultations) vorgesehen.

2010 fanden zeitgleich mehrere Wahlgänge im Südsudan statt, die den zukünftigen Staat demokratisch legitimieren sollten

Zum militärischen Konflikt über Wahlergebnisse kam es nur in einem Fall. Bei den Gouverneurswahlen hatte sich der ehemalige SPLA-Kommandeur George Athor Deng im Bundesstaat Dschunqali (oder auch Jonglei geschrieben) als unabhängiger Kandidat zur Wahl gestellt und verloren. Deng unterstellte der SPLM Wahlbetrug und begann daraufhin einen Guerillakrieg gegen die Führung des autonomen Südsudan.

Entgegen verschiedenen pessimistischen Vorhersagen wurde das Unabhängigkeitsreferendum im Südsudan vom 9. bis zum 15. Januar 2011 planmäßig und weitgehend friedlich durchgeführt und auch vom sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir offiziell anerkannt. Das offizielle Ergebnis bestand in einem überwältigenden Ja zur Unabhängigkeit von über 99 % der abgegebenen Stimmen. Ein Ergebnis, das derart nahe an 100 % liegt, mag Zweifel an der Verlässlichkeit der Zahlen hervorrufen, aber eventuelle Manipulationen des Ergebnisses ändern nichts an der Tatsache, dass die Abspaltung in jedem Fall eine überwältigende Mehrheit gefunden hätte. Die Befragung der Bevölkerung der Region Abyei, darüber, ob sie zum Norden oder zum Südsudan gehören wolle, wurde allerdings nicht wie geplant zeitgleich mit dem Unabhängigkeitsreferendum durchgeführt, womit sich diese Frage zum größten Konfliktpotential zwischen Nord und Süd entwickelt hat.

Anfang März 2011 kam es in der Region Abyei zu den ersten schweren Kämpfen zwischen Einheiten des Nordens und des Südens seit dem Unabhängigkeitsreferendum. Die Kämpfe forderten etwa 100 Todesopfer, 25.000 Menschen flüchteten. Auch die anvisierten Befragungen in den Regionen Blauer Nil und in den Nubabergen fanden nicht statt.

Im Februar 2011 schien der oben erwähnte Konflikt der aufständischen Truppen von Georg Athor Deng mit der SPLA bereits beigelegt und eine Reintegration der Rebellengruppe in die SPLA möglich, als es an mehreren Orten, die zur Entwaffnung und anschließenden Übernahme der Truppen Dengs in die SPLA vorgesehen waren, zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Deng und SPLA-Einheiten kam, die zusammen hunderte von Toten forderten. Die hohe Zahl von automatischen Waffen im Südsudan als Erbe des Bürgerkrieges führt auch nach dem Referendum immer wieder zu bewaffneten Konflikten.

Am 22. Mai 2011 nahmen die Truppen des Nordens die wichtigste Stadt der Region Abyei ein. Wenige Tage vorher war ein auch von UN-Soldaten begleiteter Konvoi nordsudanesischer Soldaten angegriffen worden, angeblich von südsudanesischen Einheiten. Vor der Besetzung Abyeis durch nordsudanesische Truppen hatten sich beide Seiten auf UN-Vermittlung hin noch geeinigt, die strittige Region zu räumen.

Die Unabhängigkeitserklärung des Südsudan erfolgte am 9. Juli 2011. Das Staatsgebiet des unabhängigen Südsudan ist aufgrund der oben beschriebenen Konflikte noch nicht eindeutig definiert.

Aus den im Norden des Landes weiterhin bestehenden Krisengebieten waren bis 2013 etwa 45 000 Menschen in Flüchtlingslager geflohen, wobei die humanitäre Hilfe durch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen und weitere Hilfsorganisationen, die Verbesserung der Sicherheit durch die United Nations Mission in the Republic of South Sudan (UNMISS) geleistet wird.

Seit Mitte Dezember 2013 findet im Südsudan ein bewaffneter Konflikt um die politische Führung des Landes statt, wobei Ausgangspunkt der Unruhen eine bevorstehende Entwaffnung von Angehörigen des Nuer-Clans in der Präsidentengarde um den ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar war, den Präsident Salva Kiir Mayardit im Juli entlassen hatte. Darüber hinausgehende ethnische Konflikte auch in der Zivilbevölkerung wurden befürchtet da die beiden Kontrahenten unterschiedlichen Volksgruppen angehören Am 19. Dezember 2013 wurde das Flüchtlingscamp in Akobo in der Provinz Jonglei von 2.000 Rebellen überrannt. Auch in der Provinzhauptstadt Bor kam es erneut zu Kämpfen. Die Vereinten Nationen beziffern die Zahl der Todesopfer insgesamt auf mehrere tausend innerhalb einer Woche.

Der UN-Sicherheitsrat beschloss, die Zahl der UNMISS-Blauhelme zu erhöhen. Bei weiteren Gefechten starben weitere tausende Menschen; mehr als eine halbe Million Zivilisten waren Mitte Januar 2014 auf der Flucht, nach UN-Angaben 716.000 Menschen innerhalb des Südsudans, 156.800 in Nachbarländer.

Am 23. Januar 2014 einigten sich beide Seiten auf einen vorläufigen Waffenstillstand und weitere Verhandlungen zu einem Friedensvertrag. Ein erster Verhandlungserfolg konnte erzielt werden. Dennoch wurde der Konflikt nach einer Waffenruhe fortgesetzt, Nuer-Rebellen besetzten die Ölstadt Malakal. Amnesty International berichtete im Mai 2014 von massiven Menschenrechtsverletzungen mit Gräueltaten während der Unruhen. Nach einer Vermittlungsmission durch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wurde am 5. Mai von Unterhändlern eine Waffenruhe vereinbart, die ab 7. Mai gelten sollte.

Am 9. Mai 2014 kam es daraufhin erneut zu Friedensverhandlungen, mit erstmaligen direkten Gesprächen zwischen Kiir und Machar seit Beginn des Bürgerkriegs. Es wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Fünf Millionen Menschen benötigen nach UN-Schätzungen im Mai 2014 inzwischen humanitäre Hilfe. Trotzdem wurde eine Hungersnot befürchtet. Die UN trafen Vorbereitungen für eine kurzfristige Soforthilfe.

Im März 2016 gab ein UN-Vertreter bekannt, dass bis zu dem Zeitpunkt mehr als 50.000 Menschen im Bürgerkrieg getötet und 2,2 Millionen vertrieben wurden.