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Sozialisierung in der DDR

Da die DDR von Anfang an ein industriell entwickeltes Land war, in dem über 40% der Arbeiter und Angestellten in der Industrie arbeiteten, waren als Folge der veränderten Eigentumsformen nicht nur neue Besitzverhältnisse, sondern auch eine neue Sozialstruktur entstanden.[1] Die Zahl der Beschäftigten wuchs: Während es 1949 7 Millionen Berufstätige gab, waren es 1955 8,2 Millionen. Auch die soziale Schichtung veränderte sich. 1950 gab es 4 Millionen Arbeiter, 1,7 Millionen Angestellte, 1,1 Millionen Selbständige und 1 Million mithelfender Familienangehörige (darunter 1,4 Millionen Landwirte und Angehörige). 1955 wiesen die Statistiken 6,5 Millionen Arbeiter und Angestellte aus, d.h. 78% aller Berufstätigen, 1 Million Einzelbauern (12%), 300.000 private Handwerker, 150.000 private Einzelhändler, 190.000 LPG-Bauern und 35.000 Freiberufliche. Die Selbständigen insgesamt waren auf 900.000, die mithelfenden Familienangehörigen auf 650.000 zurückgegangen.

Von der auf Kosten der Selbständigen steigenden Zahl der Arbeiter und Angestellten, der Unselbständigen, waren im Jahr 68% beim Staat beschäftigt. Die in Industriegesellschaften generell zu beobachtende Entwicklung, nämlich die Verringerung der Zahl der Selbständigen und das Anwachsen der Zahl der Lohnabhängigen, brachte in der veränderten Gesellschaft der DDR eine direkte Abhängigkeit der Mehrheit der Beschäftigten vom Arbeitgeber Staat mit sich. Die neue soziale Schichtung war mit der sowjetischen Gesellschaftsstruktur noch nicht identisch, näherte sich ihr aber allmählich an.

Die Förderung der Jugend betrachteten Staat und Partei als ein wesentliches Ziel: Durch die Gewinnung und Integration der jungen Menschen sollte die dringend notwendige Stabilität von Gesellschaft und Staat erreicht werden. Bereits im Mai 1950 hatte die DDR das Volljährigkeitsalter auf 18 Jahre herabgesetzt. In den folgenden Jahren zogen Jugendliche in Partei, Staat und Wirtschaft ein, die DDR wollte sich als Staat der Jugend und damit der Zukunft präsentieren.

Die unterschiedlichen Strukturen in Ost- und Westdeutschland förderten das Auseinanderleben der beiden deutschen Staaten. So rückten auch Gesetzgebung und Rechtssprechung immer weiter auseinander. Bis 1955 blieben zwar in der DDR wie in der Bundesrepublik noch die alten familienrechtlichen Gesetze des BGB in Kraft; alle der Gleichberechtigung der Frau widersprechenden Gesetze und Bestimmungen waren allerdings bereits durch die Verfassung aufgehoben worden. Nach dem Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Leistung“ wurde im September 1950 mit dem Gesetz zum Schutze von Mutter und Kind und über die Rechte der Frau ein weiterer Schritt zur Emanzipation der Frau getan. 1954 unterbreitete das Justizministerium der Öffentlichkeit den Entwurf eines neuen Familiengesetzbuches, das allerdings damals noch nicht verabschiedet wurde.

Das Recht insgesamt war bereits in dieser Phase eindeutig der Politik untergeordnet, ein Instrument zur Sicherung und zum Ausbau des Einflusses der SED. Die Bekämpfung aller vermeintlichen Abweichler durch SSD und Gerichte zeigte, dass ein keinen Bereich der Gesellschaft gab, in denen nicht die stalinistischen Methoden der Sowjetunion kopiert wurden.

Die offizielle SED-Darstellung dieser Entwicklung einer neuen Gesellschaft erklärt die Veränderungen als Weg zum Sozialismus, in dem die Klassengegensätze allmählich verschwinden und die Klasse der Arbeiter, die Klasse der Genossenschaftsbauern sowie die Schicht der Intelligenz ohne antagonistische Widersprüche zusammenlebten. Tatsächlich bildete sich jedoch in der Phase von 1949-1955 in der DDR die gleiche Oberschicht heraus, die auch in der Sowjetunion Machtpositionen besetzte und materiell privilegiert war. Die hauptamtlichen Mitarbeiter von Partei, Staat und Wirtschaft besaßen die Schlüsselpositionen und erhielten soziale Privilegien.[2]

Die politisch entscheidende Rolle spielte der Parteiapparat, die hauptamtlichen Parteifunktionäre. Fast 2000 zentrale Funktionäre und eine entsprechend hohe Anzahl von Bezirks-, Kreis- und Ortssekretären, von Redakteuren, Propagandisten und Instrukteuren gehörten zu dieser politisch bedeutsamen Gruppe. 1955 zählte die offizielle Statistik 110.000 Angestellte und 30.000 Arbeiter bei politischen, sozialen und wirtschaftlichen Organisationen. Nach anderen Angaben waren 43.000 Angestellte bei gesellschaftlichen Organisationen beschäftigt. Mit dieser Zahl dürften im Wesentlichen die Parteiangestellten gemeint sein, zu denen außerdem noch die hauptamtlichen Mitarbeiter der Massenorganisationen gerechnet werden musste.

Im Staatsapparat zählten die politischen Funktionäre zur privilegierten Gruppe, ebenso die verantwortlichen Funktionäre des Bildungswesens und der Massenkommunikationsmittel. Materielle Privilegien erlangte vor allem die neue Wirtschaftsführung, die die Staatswirtschaft, d.h. die über 5000 Industriebetriebe, die volkseigenen Güter, LPG’s usw. anleitete. Schließlich gehörten Offizierskorps, SSD und Justiz zur bevorzugten Gruppe, die vermutlich eine halbe Million Menschen umfasste und sich von der Masse der Bevölkerung abhob.

Die meisten dieser privilegierten Funktionäre waren früher Arbeiter oder Angestellte gewesen (z.B. rekrutierten sich schon 40% aller Werksdirektoren und Betriebsleiter aus der Arbeiterschaft), doch wichtiger als die Qualifikation war für die Besetzung der Funktionen meist die Treue zur Parteiführung; dabei schuf der Gegensatz zwischen Sachverstand und politischer Ideologie neue Probleme.

Die sozioökonomische Struktur der DDR war bis 1955 ebenso wie das politische System in vielen Bereichen an das sowjetische Vorbild angepasst.

Die SED übernahm nach 1949 auch die Leitungsmethoden von Gesellschaft und Wirtschaft von der Sowjetunion.[3] Neben dem Prinzip des Staatseigentums brachte die zentrale Planung Partei und Staat weitere Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten. Der erste Fünfjahresplan 1951-1955 hatte in erster Linie das Ziel, in der DDR eine eigene Schwerindustrie zu entwickeln. Die Industrieproduktion sollte auf 190% des Standes von 1950 ausgedehnt und der Lebensstandard der Bevölkerung der Vorkriegszeit übertroffen werden. Gleichzeitig wurde die Wirtschaft der DDR zunehmend in die Ökonomie der osteuropäischen kommunistischen Staaten einbezogen. Im September 1950 beschloss der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), die DDR aufzunehmen.

Die Abschlüsse von Handelsverträgen sowie wissenschaftlich-technischen Abkommen (so im September 1951 mit der Sowjetunion) vertieften die wirtschaftlichen Beziehungen der DDR an die übrigen kommunistisch regierten Länder. Ihr Außenhandel mit diesen Staaten erhöhte sich von 1950-1955 auf fast das Dreifache, während sich der innerdeutsche Handel in dieser Zeit lediglich verdoppelte. 1954 entfielen drei Viertel des Außenhandels der DDR auf die osteuropäischen Staaten.

Die DDR-Wirtschaft kopierte weitgehend sowjetische Methoden. Im Juni stellte das ZK der SED die Losung „Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen“ in den Mittelpunkt der Agitation und erklärte, es komme darauf an, den volkseigenen Sektor in Industrie, Landwirtschaft, Verkehr, Handel und Finanzen entscheidend weiterzuentwickeln und die Prinzipien der sowjetischen Wirtschaftsführung und ihre Methoden gründlich zu studieren und aus ihnen Schlussfolgerungen für die Führung der volkseigenen Wirtschaft in der DDR zu ziehen[4]. Das Stadium und die Anwendung der von Stalin entwickelten Formen der wirtschaftlichen Planung sowie besonders der bolschewistischen Methoden der Anleitung der Wirtschaftsorgane durch die Partei sollten dabei vordringlich sein.

Da die Strukturen der Wirtschaft nach dem sowjetischen Vorbild entwickelt worden waren, mussten auch bei den Leitungsmethoden sowjetische Erfahrungen übernommen werden. Für die Gesamtwirtschaft der DDR brachte dies Erfolge, aber auch Schwierigkeiten, da die Arbeiter den neueren Methoden vielfach skeptisch gegenüberstanden, auch wenn im November 1952 erstmals der „Tag des sowjetischen Neuerers“ gefeiert wurde.

Wichtigstes Ziel der DDR-Wirtschaftspolitik war die Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Auch das im April eingeführte „Gesetz der Arbeit“ sah neben der Verbesserung der Lage der Arbeiter und der Garantie des „Rechtes auf Arbeit“ vor allem eine Steigerung der Arbeitsproduktivität vor. Die 2. Parteikonferenz der SED 1952 rückte die Förderung der Schwerindustrie noch mehr in den Mittelpunkt, als Folge dieser Politik kam es zu weiteren Engpässen in der Versorgung der Bevölkerung. Immerhin war es in der DDR unter größten Mühen und Entbehrungen 1952/53 gelungen, das zerrüttete Wirtschaftssystem wieder aufzubauen. Die Rohstahlerzeugung, die 1946 auf 150.000 Tonnen abgesunken war, steig bis 1953 auf 2,1 Millionen Tonnen; das Doppelte der Erzeugung von 1936. Ähnlich erstaunliche Leistungen erzielten die Energiewirtschaft und die chemische Industrie.

Demgegenüber blieb die Entwicklung der Konsumgüterindustrie zurück und trotz vieler Versprechungen der SED-Führung war der Lebensstandard weiterhin relativ gering und hing hinter der Entwicklung in der Bundesrepublik zurück. Noch immer mussten Fett, Fleisch und Zucker rationiert werden, sehr viele Güter waren Mangelware und die Qualität ließ oft zu wünschen übrig. Außerdem waren die hohen Preise in den HO-Läden für viele Arbeiter unerschwinglich. Die Bruttostundenlöhne betrugen 1951 für Maurer 1,60 Mark, für Schlosser 1,78 Mark, die Mehrheit der Arbeiter verdiente unter 312 Mark brutto im Monat, bis 1955 stieg der Durchschnittsverdienst von Arbeitern und Angestellten auf 354 Mark.

Nach dem 17. Juni 1953 versuchte die SED mit dem „Neuen Kurs“ eine rasche Verbesserung der Lebenslage zu erreichen; die Produktion der Schwerindustrie wurde 1953 zugunsten der Erzeugung von Konsumgütern und Nahrungsmitteln gedrosselt.[5] Im Oktober 1953 senkte die Regierung die Preise in den HO-Geschäften. Diese Verbesserung wurde mit der Beendigung des „Neuen Kurses“ und der erneuten Bevorzugung der Schwerindustrie 1955 wieder in Frage gestellt.

Um die industrielle Produktion zu steigern, förderte die Regierung den „sozialistischen Wettbewerb“, durch den vor allem die Selbstkosten gesenkt und die Qualität der Produkte verbessert werden sollte. Ende 1954 änderte die SED wieder einmal die Methoden der Leitung und Planung, durch neue Experimente sollte die Produktion vorangebracht werden. Mit Gesetzen über neue Regelungen der Gewinnverteilung versuchte die Regierung die „materielle Interessiertheit“ der Arbeitnehmer zu steigern, dazu dienten vereinfachte Planungsmethoden als Unterstützung.

Im Jahre 1955 endete der erste Fünfjahresplan, er konnte mit 105 Prozent erfüllt werden. Damit hatte sich die Industrieproduktion gegenüber 1950 fast verdoppelt, die Arbeitsproduktivität war um 55 Prozent gestiegen. Die Wirtschaft der DDR hatte nunmehr eine schwerindustrielle Grundlage, die unter schwierigen Umständen mit erheblichen Kosten geschaffen worden war. Das Eisenhüttenkombinat Ost, die Großkokerei Lauchhammer und zahlreiche Betriebe und Kraftwerke waren neu errichtet, andere wie die Stahl- und Walzwerke Brandenburg, Hennigsdorf und Riesa stark erweitert worden.

Im Fünfjahresplan hatte die DDR 32 Milliarden Mark in ihre Wirtschaft investiert. Die ursprünglichen Planziele waren dennoch nicht völlig erreicht worden, so gab es in der Schwerindustrie erhebliche Lücken, und Disproportionen der Volkswirtschaft bestanden weiter. Vor allem war der Lebensstandard nicht so gestiegen, wie die Regierung versprochen und die Menschen erhofft hatten. Die Schwächen der Wirtschaft, die trotz hoher Anstrengungen offenkundig waren, vergrößerten die Instabilität der SED-Regierung.[6]

Das entscheidende Vorgehen bei der Errichtung eines volksdemokratischen Systems in der SBZ war die Umgestaltung der SED zur „Partei neuen Typus“, d.h. zu einer leninistischen Kaderpartei, die sich politisch-ideologisch dem Führungsanspruch der KPdSU unterwarf.[7]

Am 29.06.1948 versicherte Grotewohl in einer Rede vor dem SED-Parteivorstand, die SED werde sich in den nächsten Jahren „eindeutig und ohne jeden Rückhalt nach dem Osten zu orientieren“ haben. Der Weg der Volksdemokratien Osteuropas sei die einzige Entwicklungsmöglichkeit in der sowjetischen Zone.

Die SED mit nahezu 2 Millionen Mitgliedern müsse von einer Massenpartei zu einer Kaderpartei umgeschmiedet werden. Der Parteivorstand verpflichtete am folgenden Tag alle Mitglieder zur ideologischen Schulung. Offenkundig bereiteten der Parteiführung auch nationalkommunistische Strömungen Sorge, denn am 3. Juli machte die SED sich in einem Beschluss „Zur Jugoslawienfrage“ alle Argumente zu eigen, deren sich Stalin und das Kominform beim offenen Bruch mit den jugoslawischen Kommunisten unter Tito bedient hatten. Wenige Wochen später wandte Ulbricht sich scharf gegen „antisowjetische Propaganda“ in Belegschaftsversammlungen großer Betriebe und bei Zusammenkünften von SED-Mitgliedern.

Der Parteivorstand gab Ende Juli Anweisungen für eine umfangreiche Parteisäuberung, die vor allem die ehemaligen Sozialdemokraten bedrohte. Parteikontrollkommissionen überprüften auf allen Ebenen der Parteiorganisation Mitglieder und Funktionäre.

Im September rückte die SED auch offiziell von der These ab, ein „besonderer deutscher Weg zum Sozialismus“ sei möglich und wünschenswert. Anton Ackermann selbst, der diese Konzeption im Frühjahr 1946 mit der Billigung der kommunistischen Parteiführung entwickelt hatte, übte Selbstkritik und versprach, diese „ernste theoretische Entgleisung“ zu liquidieren und „bis auf den letzten Rest auszumerzen“. Die KPdSU sei in jeder Hinsicht das Vorbild der marxistisch-leninistischen Arbeiterparteien.

Die im Januar 1949 tagende 1. Parteikonferenz der SED, ein außerordentlicher Parteitag, vollendete die Struktur der „Partei neuen Typus“. Aus dem zahlenmäßig starken Parteivorstand ging ein kleineres Spitzengremium hervor, das Politbüro. Der Beitritt zur SED wurde erschwert: Bewerber mussten zunächst eine Zeit als Kandidat durchlaufen. Die paritätische Besetzung der Führungsgremien wurde auch offiziell beseitigt. Ehemalige Sozialdemokraten, die ihrer politischen Überzeugung treu bleiben wollten, schieden aus. Die SED beschränkte den politischen Spielraum der anderen Parteien auf ein geringes Maß.[8]

Der bedeutsamste Vorgang bei der Gleichschaltung der Parteien und Verbände war die Umgestaltung des FDGB. Er spielte in der politischen Strategie der SED schon deshalb eine Rolle, weil die Partei im Juni 1948 einen Zweijahresplan zur wirtschaftlichen Entwicklung der Zone 1949/50 der DWK zugeleitet hatte: dieser Plan sollte den Anschluss an den Fünfjahresplan-Rhythmus der Sowjetunion herstellen. Er ging davon aus, dass die Produktion gegenüber 1947 um 35% zu steigern sei. Angesichts des geringen Investitionsaufwandes setzte dies eine vermehrte menschliche Arbeitsleistung voraus und in der Tat verlangte der Zweijahresplan ein Wachstum der Arbeitsproduktivität um 30%.

Ende November tagten Funktionäre des FDGB in Bitterfeld und verlangten eine Abkehr von den „überholten gewerkschaftlichen Traditionen in der Lohn- und Tarifpolitik.“ Der Leistungslohn sei überall anzuwenden. Die Gewerkschaften hätten nicht mehr länger die Aufgabe, „Arbeiter gegenüber den Unternehmern zu vertreten, sondern vielmehr in Zukunft ihre Aufmerksamkeit der Arbeitsdisziplin und der Steigerung der Arbeitsproduktivität zuzuwenden.“ Die aus freien und geheimen Wahlen hervorgegangenen Betriebsräte wurden aufgelöst und durch Betriebsgewerkschaftsleitungen als unterste Organe des FDGB ersetzt.

Im Oktober 1948 beendete der Deutsche Volksrat seine Beratungen über den Verfassungsentwurf der Deutschen Demokratischen Republik. Der Entwurf beschrieb zwar die Grund- und Bürgerrechte, andererseits fanden sich in ihm sehr zweifelhafte Bestimmungen wie der Begriff „Boykotthetze“ als Mittel der Bekämpfung politischer Opposition und der Verzicht auf eine Verfassungsgerichtsbarkeit, die selbst Parlamentsmehrheiten zur Respektierung der Grundrechte anhalten könnte. Die Verfassung sah eine 400köpfige Volkskammer und eine Länderkammer vor, daneben die Möglichkeit des Volksentscheides. Volkskammer und Länderkammer sollten gemeinsam den Präsidenten wählen. Die Verfassung schrieb vor, dass der Ministerpräsident von den stärksten Fraktionen zu ernennen sei und dass jede Fraktion mit mehr als 40 Abgeordneten an der Regierungsbildung zu beteiligen sei, sofern sie nicht ausdrücklich Opposition bleiben wollte.

Im Frühjahr 1949 hielt die SED eine neue Wahl in der Sowjetzone für zweckmäßig. Sie ließ indessen nicht mehr wie im Herbst 1946 mehrere Parteien nebeneinander bestehen, sondern schuf eine Einheitsliste, die der Wähler bei der Wahl zum Dritten Deutschen Volkskongress nur noch annehmen oder ablehnen konnte. Die Sitze bei dieser Wahl waren nach folgendem Schlüssel willkürlich verteilt worden: SED 25%, CDU und LDPD je 15%, NDPD und DBD je 7,5%. Ein Zehntel der Sitze entfiel auf den FDGB, 5% auf FDJ und den Kulturbund, je 3,7% auf den Demokratischen Frauenbund und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und je 1,3% auf die VdgB und die Genossenschaften.

Noch während der Stimmenauszählung erkannte die SED, dass ein zustimmendes Votum zum Dritten Deutschen Volkskongress ausgeblieben war. Daraufhin ließen die Länderinnenminister die Stimmauszählung nach neuen Gesichtspunkten wiederholen. In Brandenburg erhielten die Wahlvorstände folgendes Fernschreiben:[9] „Der Landesvolksausschuß hat nach Mitteilung von Herrn Minister Bechler einstimmig beschlossen, daß nur die Stimmzettel als Nein gezählt werden, bei denen das Kreuz im Kreis ‚Nein’ gekennzeichnet wurde. Alle anderen Stimmzettel sind gültig. Unbeschriebene Stimmzettel gelten als Ja-Stimmen. Alle Bürgermeister haben sofort die ungültigen Stimmzettel und Stimmzettel mit ‚Nein’ vom Sonntag in dieser Richtung zu überprüfen. Die Bürgermeister tragen für die Durchführung dieser Maßnahme die volle Verantwortung.“

Ähnliche Maßnahmen erfolgten in den anderen Ländern. Das Endergebnis konnte daher erst 20 Stunden nach Schließung der Wahllokale bekannt gegeben werden. Bei einer Wahlbeteiligung von 95,2% bezifferte die SED den Anteil der Ja-Stimmen auf 61,1%, in Ostberlin sogar nur 51,6%). Die 38,9% der Abstimmenden, die trotz Wahlmanipulationen als Nein- oder ungültige Stimmen gewertet werden mussten, hatten keine Repräsentanten im Dritten Deutschen Volkskongress, der am 29-30. Mai in Ostberlin zusammentrat. Die 1400 aus der SBZ stammenden Mitglieder bestätigten die Verfassung der DDR, wählten einen 400-köpfigen 2. Deutschen Volksrat und forderten eine „Nationale Front für Einheit und gerechten Frieden“. An die Außenministerkonferenz richteten sie einen Appell im Namen des deutschen Volkes.

Die sowjetische Besatzungszone umfasste ein Gebiet von rund 108.000 qkm und hatte 1946 18,3 Millionen Einwohner. Die sowjetischen Kommandanturen in den Städten, Orten und Kreisen, die in den ersten Wochen nach der Besetzung die Macht selbst ausübten, versuchten zunächst eine notdürftige Ordnung aufzurichten Bereits im Juni/Juli 1945 ernannten die Kommandanten deutsche Verwaltungen in den Gemeinden und Kreisen, die sich an den traditionellen Aufgaben dieser Organe orientierten und sich um die Lebensmittelversorgung und die Wohnungsverteilung kümmerten. Im Juli 1945 setzte die SMAD für die Länder Sachsen, Mecklenburg und Thüringen Landesverwaltungen ein, für die Provinzen (die 1947 ebenfalls in Ländern umgewandelt wurden) Brandenburg und Sachsen-Anhalt Provinzialverwaltungen.[10] Ab Oktober 1945 konnten die Landes- und Provinzialverwaltungen Gesetze erlassen- allerdings nur in Übereinstimmung mit der SMAD. Bereits am 27. Juli 1945 errichtete die SMAD aber auch 11 Zentralverwaltungen (u. a. Verkehrswesen, Handel und Versorgung, Volksbildung, Justiz), die als Hilfsorgane der SMAD arbeiteten und eine Keimzelle für eine deutsche Zentralregierung sein sollten. In den Landesverwaltungen wurden alle Parteien berücksichtigt (in der Landesverwaltung Sachsen waren Anfang 1946 440 Mitglieder der KPD, 512 der SPD, 90 der LDP, 87 der CDU und 901 Parteilose beschäftigt) aber vor allem in den Schlüsselpositionen und Zentralverwaltungen war die KPD überrepräsentiert. Der Neuaufbau der Verwaltung war gekennzeichnet durch eine weitgehende personelle Neubesetzung.[11] Wie jede Maßnahme in den ersten Jahren nach der NS- Diktatur wurde sie mit der Beseitigung der Überreste des Hitler-Regimes begründet. Tatsächlich erreichte die SMAD durch rigorose Ausschaltung der Nationalsozialisten (bis 1948 etwa 520.000 Personen) aus dem öffentlich- politischen und beruflichen Leben eine weitgehende Entnazifizierung. Gleichzeitig benutzte die SMAD jedoch den radikalen Bruch mit dem faschistischen Deutschland, um alle entscheidenden Funktionen mit Kommunisten

besetzen. So erhielten die deutschen Kommunisten alle Machtpositionen, die allmählich von der Besatzungsmacht in deutsche Hände übergingen, und sie konnten nicht nur die Verwaltung, sondern vor allem Polizei und Justiz befehligen. Die SMAD baute bereits 1945 eine deutsche Polizei auf, die zunächst für Verkehrsregelung und Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung zuständig war. Doch bereits früh wurde auch eine politische Abteilung K 4 geschaffen, und bewährte Kommunisten übernahmen die Kommandohöhen. Die Volkspolizei unterstand zunächst den Innenministern der Länder. Mit der Bildung einer deutschen Zentralverwaltung des Innern begann 1948 jedoch der Aufbau einer zentralen Polizei, die von der SED beherrscht wurde.

Auch in der Justiz bestimmte in der ersten Phase allein die Besatzungsmacht. Auf Anweisung der SMAD wurde eine Justizreform durchgeführt, die von Anfang an unter kommunistischem Vorzeichen stand.[12] Nach Gesetz Nr. 4 des Kontrollrates sollten alle ehemaligen „aktiven“ Mitglieder der NSDAP aus dem Justizdienst entfernt werden. In der Sowjetzone legte die SMAD das Gesetz so aus, dass alle NSDAP- Mitglieder (also auch die passiven) entlassen wurden, d. h. etwa 85 Prozent aller Richter. Die KPD bzw. SED ersetzte sie durch rasch ausgebildete „Volksrichter“ und schuf sich so im Laufe der Zeit einen linientreuen Justizapparat. Bei den Landtagswahlen von 1946 konnte die SED, wie oben erwähnt, nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erringen. Bei den Gemeindewahlen im September 1946 hatte die SMAD (durch Verweigerung der Registrierung von LDPD- und CDU- Ortsgruppen, ungleiche Papierzuteilung usw..) der SED günstige Ausgangspositionen verschafft, die dadurch in vielen kleinen Gemeinden siegte. In Großstädten (Leipzig, Dresden, Zwickau usw.) blieb die SED dennoch in der Minderheit. Bei den Landtagswahlen im Oktober 1946 erreichte die Partei in den Landtagen von Sachsen, Thüringen und Mecklenburg gemeinsam mit der SED- beherrschten „Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe“(VdgB) die Mehrheit der Sitze, nicht aber in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. CDU und LDPD mussten nach den Wahlen an der politischen Leitung beteiligt werden, von den Mitgliedern der Landesregierungen gehörten 21 der SED, 9 der LDPD, 8 der CDU und einer der VdgB an. Doch die SED behielt die wichtigsten Positionen, sie stellte in vier von fünf Ländern die Ministerpräsidenten ( diese kamen alle aus der SPD ), vor allem aber fünf Innenminister (alles frühere Kommunisten), alle Kultusminister und vier von fünf Wirtschaftsministern. In den Regierungsprogrammen standen die Sicherung der Ernährung und der Aufbau der Wirtschaft im Vordergrund, aber auch die Fortführung der antifaschistisch demokratischen Umwälzung. Die Verfassungen und Verordnungen der Länder bestätigten das parlamentarisch- demokratische Prinzip und die sozialen Veränderungen. Die Landtage beschlossen 1947 Gesetze zur teilweisen Sozialisierung (in Thüringen gegen die Stimmen von LDPD und CDU). Der Widerstand zahlreicher Politiker der CDU und LDPD gegen die Auslegung des Begriffs „ antifaschistisch-demokratisch“ im Staat veranlasste die SMAD zu Eingriffen in die Personalstruktur dieser Parteien, missliebige und oppositionelle Politiker wurden 1947 und 1948 ausgewechselt, so dass die Stellung der SED unantastbar wurde. Die Veränderung des Parteiensystems durch die SED, die Umwandlung zur „Partei neuen Typus“ und der Umbau des Staatswesens noch vor der Gründung der DDR schufen (unter der Herrschaft der sowjetischen Besatzungsmacht) ein neues politisches System. [13]

Während sich in der Bundesrepublik das politische Leben seit Inkrafttreten des Grundgesetzes vielseitig und in neuen Formen weiterentwickelte, nahmen Vereinheitlichung und Gleichschaltung von Parteien und Verwaltung, von Wirtschaft und Gesellschaft in der DDR ihren Fortgang.[14] Die Auseinanderentwicklungen beider Teile Deutschlands verstärkte eine Kluft, die trotz aller Bemühungen auf vielen Ebenen immer weniger überwindbar erschien.

Am 07.10.1949, als die Verfassung der DDR in Kraft trat, wurde in Ostberlin die „Nationale Front“ gegründet. Diese als „breiteste Massenorganisation“ gedachte Organisation umfasste nicht nur Mitglieder der bestehenden Parteien und Verbände, sondern darüber hinaus viele Parteilose. Ihre Aufgabe wurde die Aktivierung breiter Kreise für die politischen Ziele der SED durch Aufklärung und Agitation. Als oberstes Organ wählten die Landesausschüsse der Nationalen Front am 03.02.1950 den Deutschen Nationalrat. Von nun an wurden für die Wahlen in der DDR nur noch Einheitslisten von Kandidaten der Nationalen Front aufgestellt.

Die nach der Verfassung vorgeschriebene Wahl zur Volkskammer sowie die im Herbst 1949 fällig gewesenen Landtags-, Kreis- und Gemeindewahlen fanden nach einjährigem Aufschub schließlich am 15.10.1950 statt. Nach dem amtlichen Wahlergebnis sollen 98,44% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben haben, davon wiederum 99,7% für die Einheitsliste. Eine geheime Stimmabgabe war in vielen Fällen nicht möglich. Der Bundestag, die Bundesregierung und die drei westlichen Hochkommissare hatten schon vorher erklärt, dass die Wahlen nicht den freien Willen der Bevölkerung zum Ausdruck bringen könnten, da bei einer Einheitsliste keine echte Willensbildung möglich sei. Die Westberliner Parteien hatten die Ostberliner Bevölkerung aufgefordert, durch Einsendung des Lebensmittelkartenstammabschnitts an den Magistrat ein Votum gegen die kommunistische Herrschaft und für freie und geheime Wahlen abzugeben. Fast die Hälfte der stimmberechtigten Bevölkerung soll dieser Aufforderung Folge geleistet haben.

Der Ausbau der DDR zu einer Volksdemokratie nach dem Vorbild anderer sozialistischer Staaten trat 1952 durch eine Reihe einschneidender Maßnahmen in ein neues Stadium ein. Sie zielten auf eine schärfere Abgrenzung der DDR von Westdeutschland, auf eine Zentralisierung der Verwaltung im Innern und auf eine Eingliederung in das politische Gefüge der Ostmächte.

Am 26.05.1952 erließ die Regierung eine Verordnung über Sperrmaßnahmen an der Zonengrenze:[15] „Die entlang der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und Westdeutschland festgelegte Sperrzone umfasst einen 10 m breiten Kontrollstreifen unmittelbar an der Demarkationslinie, anschließend einen etwa 500m breiten Schutzstreifen unmittelbar an der Demarkationslinie und dann eine etwa 5 km breite Sperrzone. (…) Das Überschreiten des 10 m Kontrollstreifens ist für alle Personen verboten. (…) Bei Nichtbefolgung der Anordnungen der Grenzstreifen wird von der Waffe Gebrauch gemacht. (…) Einwohner der Deutschen Demokratischen Republik müssen einen Passierschein für die Einreise in die 5 km Sperrzone beantragen. (…) Innerhalb des 500 m Schutzstreifens ist der Aufenthalt auf Straßen und Feldern, der Verkehr aller Art von Transportmitteln und die Ausführung von Arbeiten aller Art außerhalb der Wohnungen nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gestattet.“

Aufgrund dieser Verordnung wurde der 10 m Streifen entlang der Zonengrenze vielerorts eingeebnet und umgepflügt.

Auf einer Parteikonferenz der SED am 12.07.1952 wurde beschlossen, zum „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“ überzugehen, durch eine Verwaltungsreform den Staatsaufbau zu zentralisieren, die Justiz durch Ausarbeitung neuer Gesetzbücher umzugestalten, nationale Streitkräfte aufzustellen und die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) zu fördern. In dem Beschluss hieß es:[16] „Die Schaffung der Aktionseinheit der kommunistischen, sozialdemokratischen, christlichen und parteilosen Arbeiter, das Bündnis der Arbeiterklasse mit den werktätigen Bauern und der Zusammenschluß aller deutschen Parteien in der Friedensbewegung und in der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands ist die vordringlichste Aufgabe. Der große Befreiungskampf des patriotischen Deutschen gegen die fremden imperialistischen Eindringlinge und Ausbeuter erfordert zugleich den entschiedenen Kampf gegen die rechten sozialdemokratischen Führer und Gewerkschaftsführer, die den Feinden der deutschen Nation Hilfsdienste leiten. (…) Das Hauptinstrument bei der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus ist die Staatsmacht.“

Dem Parteibeschluss entsprechend wurden am 23.07.1952 durch Gesetz die bestehenden fünf Länder der DDR, Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, aufgelöst und stattdessen 14 Verwaltungsbezirke eingerichtet:[17] „Die örtlichen Organe der Staatsgewalt müssen (…) so reorganisiert werden, daß der Staatsapparat die Möglichkeit erhält, den Willen der Werktätigen, der in den Gesetzen der Deutschen Demokratischen Republik zum Ausdruck gebracht ist, unverbrüchlich zu erfüllen.“

Es existierte gegenüber Westdeutschland ein eklatanter Unterschied in den bereichen Produktivität und Lebenshaltung. Das amerikanische Angebot zur Wirtschaftshilfe war 1947 von der SMAD und von der SED und LDPD abgelehnt worden. Die Vorsitzenden der Ost-CDU, Jakob Kaiser und Ernst Lemmer, hatten sich für die Beteiligung der SBZ ausgesprochen. Daraufhin wurden sie als „Agenten der amerikanischen Reaktion“ bezeichnet worden, und die sowjetische Militärverwaltung hatte die Verbindung zu ihnen abgebrochen. Beide setzten ihre politische Tätigkeit im Westen fort.

Die wirtschaftliche Unzufriedenheit vieler Menschen in der DDR dokumentierte sich in den hohen Flüchtlingszahlen: ab September 1949 beantragten 129.245 Menschen aus Ostberlin und der DDR das Notaufnahmeverfahren in Westberlin und in der Bundesrepublik. Im Jahre 1950 wurden 197.788 Anträge gezählt, ein Jahr später sank die Zahl auf 165.648. 1952 verließen 182.393 Menschen die DDR.

Die große Zahl der Flüchtlingszahlen war nicht nur ein Symptom für die Stimmung der Bevölkerung, sondern zugleich auch ein steigender Verlust an Produktivkraft, der sich auf den wirtschaftlichen Aufbau negativ auswirkte.

Das Wirtschaftssystem in der SBZ hatte schon in den ersten Jahren der Besatzung die Form einer zentral gelenkten Planwirtschaft bzw. einer unmittelbaren Staatswirtschaft erhalten. Beim weiteren Ausbau dieses Systems wurde das Schwergewicht auf die Grundstoff- und Schwerindustrie, nicht auf die Konsumgüterindustrie gelegt. Dafür waren zunächst die sowjetischen Reparationsforderungen ausschlaggebend, später die Absicht, die Staatsmacht der DDR zu festigen und das industrielle Gesamtpotential der kommunistischen Länder zu vergrößern. Bis 1951 waren 77% der gesamten industriellen Produktion in Volkseigentum übergeführt. Die Landwirtschaft war dagegen noch fast völlig in Privatbesitz, wobei auch hier eine Ablieferungspflicht nach festgesetzten Normen bestand. Abgesehen von den Waren, die die Läden der staatlichen Handelsorganisation (HO) zu überhöhten Preisen anboten, blieben Lebensmittel und Verbrauchsgüter noch auf Jahre hinaus rationiert. Die Versorgung der Bevölkerung wies immer wieder erhebliche Mängel auf.

Die Entwicklung der gesamten Wirtschaft in der DDR wurde nach sowjetischem Vorbild durch Jahrespläne geregelt, die die staatliche Plankommission nach den Weisungen der SED ausarbeitete. Das Entwicklungstempo und das Verhältnis der Produktion einzelner Industriezweige zueinander wurden hier festgelegt. Der Volkswirtschaftsplan für das Jahr 1950, der von der Provisorischen Volkskammer am 09.02.1950 genehmigt wurde, sah eine Steigerung um 21% der Industrieproduktion vor, wobei dies Ziel durch „Entwicklung der Aktivistenbewegung, Aufstellung technisch begründeter Arbeitsnormen, Einführung des Leistungslohns und die Einschränkung unproduktiver Arbeit“ erreicht werden sollte.[18] Für die Jahre 1951-1955 gab es erstmalig einen Fünfjahresplan. Er forderte eine Steigerung der Industrieproduktion von 23 Milliarden auf 43,8 Milliarden DM, eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Erträge um 25% und eine Hebung des Volkseinkommens um 60%. Als Auftakt für dieses Programm fand im Januar 1951 die Grundsteinlegung für das Eisenhüttenkombinat Ost in Fürstenberg an der Oder statt, wo russisches Erz mit schlesischer Kohle verarbeitet werden sollte. Der erste Fünfjahresplan konnte nicht durchgehend erfüllt werden, vor allem blieb die Erzeugung von elektrischer Energie, Braunkohle, Eisnerz, Roheisen, Rohstahl und Kupfererz hinter den Zielen zurück.

Für den Güteraustausch zwischen Westdeutschland und der DDR trat am 20.09. 1951 ein Interzonenhandelsabkommen in Kraft, das einen Warenverkehr auf Verrechnungsbasis vorsah.[19] Bedingung dafür war der freie Verkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin. Behinderungen auf den Zufahrtswegen führten jedoch noch im selben Jahr zu einer zeitweiligen Unterbrechung des Interzonenhandels.

Für die Landwirtschaft wurde das Jahr 1952 ein entscheidender Wendepunkt. Die bis dahin noch selbstständig produzierenden Bauern wurden mehr und mehr zur Zusammenarbeit in Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) angehalten, wofür staatlich gebilligte Musterstatuten maßgebend waren.

Als Vergünstigung erhielten die Mitglieder der LPG’s Steuermäßigungen, bevorzugte Belieferung mit Düngemittel, Geräten, Zuchtvieh und Futtermitteln. Die Maschinenausleihstationen wurden verpflichtet, LPG’s vorrangig und zu niedrigsten Preisen zu versorgen. Bis Ende 1953 gab es 6691 solcher Produktionsgenossenschaften, wodurch sich die Nutzfläche, die weiter von selbständigen Bauern bewirtschaftet wurde, auf 75% verringerte.

Außenpolitisch versuchte die DDR seit ihrer Errichtung gute Beziehungen mit den Nachbarländern Polen und der Tschechoslowakei zu erreichen. Beide Staaten wünschten sich eine endgültige Anerkennung der Grenz- und Bevölkerungsverhältnisse, wie sie seit dem Ende des 2. Weltkrieges gestaltet worden waren. Eine feste Vereinbarung darüber sollte der Weg für die schnelle Eingliederung der DDR in den Block osteuropäischer kommunistischer Staaten ebnen. Am 06.06.1950 schlossen die DDR und Polen ein Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit ab und vereinbarten eine kulturelle Zusammenarbeit.

Ein Grenzabkommen vom 06.07.1950 besagte unter Bezugnahme auf das Potsdamer Abkommen, dass die Grenze entlang der Oder und Lausitzer Neiße die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Polen bilde. Am 23.06 wurde weiterhin in einem Abkommen zwischen der DDR und der Tschechoslowakei festgestellt:[20] „Unsere beiden Staaten haben keine Gebiets- oder Grenzansprüche, und ihre Regierungen betonen ausdrücklich, daß die durchgeführte Umsiedelung der Deutschen aus der Tschechoslowakischen Republik unabänderlich, gerecht und endgültig ist.“

Da die Festlegung einer deutsch-polnischen Grenze jedoch nicht den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens entsprach, wo eine solche Regelung bis zu einer Friedenskonferenz zurückgestellt worden war, und weil der DDR-Regierung nicht das Recht einer Vertretung der Bevölkerung in der SBZ, geschweige denn Deutschlands überhaupt zugestanden werden konnte, erklärte das Bundeskabinett der Bundesrepublik:[21] „Alle ihre Abreden und Vereinbarungen sind null und nichtig.“

Für die Verstärkung der Staatsmacht der DDR forderte die SED 1952 die Aufstellung nationaler Streitkräfte. Die Remilitarisierung in der DDR hatte jedoch schon eine längere Vorgeschichte. Bereits 1948 ordnete die Sowjetische Militärverwaltung die Schaffung kasernierter Volkspolizeiverbände an, die in den folgenden Jahren stark ausgebaut wurden. Bis 1951 wuchs ihre Stärke auf etwa 65.000 Personen. Seit Anfang 1952 wurden sechs motorisierte Divisionen zusammengestellt. Daneben existierten bereits Seestreitkräfte der KVP. Die Einrichtung von Luftstreitkräften ließ nicht lange auf sich warten. Die dann folgende offene Aufrüstung wurde als Maßnahme gegen den „aggressiven amerikanischen und den revanchelüsternden westdeutschen Imperialismus“ bezeichnet.

Die neuen Streitkräfte gingen aus der kasernierten Volkspolizei hervor. Bis Ende 1952 wurden bereits zwei Armeekorps aufgestellt. Die Gesamtstärke der neuen Streitkräfte betrug damals ca. 110.000 Personen.

Während in der DDR zunächst noch nicht die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde, leitete die Staatsführung die vor- und paramilitärische Ausbildung durch die Gründung der „Gesellschaft für Sport und Technik“ in die Wege. Eine diesbezügliche Regierungsverordnung vom 07.08.1952 führte aus:[22] „Von großer Bedeutung hierbei ist die Entwicklung des Segel- und Motorflugsportes, des Flugmodell- und Fallschirmsportes, des Motor- und Wasserfahrtsportes, des Schieß- und Geländesportes sowie des Amateurfunkens zum wahrhaften Massensport.“

Die Mitgliedschaft in der „Gesellschaft für Sport und Technik“ setzte sich von Anfang an aus Jugendlichen und Erwachsenen beiderlei Geschlechts zusammen und war formell freiwillig. Für den Beitritt warben jedoch die Freie Deutsche Jugend und andere kommunistische Massenorganisationen sowie die Staatsorgane mit Nachdruck.

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Fußnoten

  1.  ↑ Steiner, Von Plan zu Plan, a.a.O., S. 74
  2.  ↑ Ebd., S. 101
  3.  ↑ Ebd., S. 76
  4.  ↑ Ebd., S. 80
  5.  ↑ Ebd., S. 123
  6.  ↑ Ebd. S. 131
  7.  ↑ Mattedi, Gründung und Entwicklung der Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschland 1945-1949, a.a.O., S. 134
  8.  ↑ Pötzsch, Deutsche Geschichte von 1945 bis zur Gegenwart, a.a.O., S. 67
  9.  ↑ Mattedi, Gründung und Entwicklung der Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone 1945-1949, a.a.O., S. 140
  10.  ↑ Schöneburg, K.-H./Mand, R.: Vom Werden unseres Staates. Eine Chronik. Band 1: 1945-1949, Berlin (Ost) 1966, S. 326
  11.  ↑ Vollnhals, C. (Hrsg.): Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945-1949, München 1991, S. 62f
  12.  ↑ Mampel, S.: Die Entwicklung der Verfassungsordnung in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands 1945-1963, Tübingen 1998, S. 25
  13.  ↑ Ebd., S. 34
  14.  ↑ Hurwitz, H.: Die politische Kultur der Bevölkerung und der Neubeginn konservativer Politik. Band 1.: Demokratie und Antikommunismus nach 1945, Berlin 1993, S. 193f
  15.  ↑ von Siegler, Archiv der Gegenwart, 1950, a.a.O., S. 2504
  16.  ↑ Ebd., 1952, S. 3560
  17.  ↑ Ebd., S. 3571
  18.  ↑ Neues Deutschland vom 12.02.1950
  19.  ↑ Balfour, R.: German Unification, Princeton 1996, S. 45
  20.  ↑ Hohlfeld, Dokumente der deutschen Politik und Geschichte, a.a.O., S. 487ff
  21.  ↑ Ebd., S.494f
  22.  ↑ Ebd., S. 399f