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Mark Jones: Am Anfang war Gewalt

Die deutsche Revolution 1918/1919 und der Beginn der Weimarer Republik

Propyläen Verlag, Berlin 2017, ISBN: 978-3-549-07487-9

Der britische Historiker Mark Jones, dessen Forschungsschwerpunkt der Zusammenhang von Gewalt und politischer Kultur in Deutschland im 20. Jahrhundert ist, schildert die deutsche Revolution 1918/1919 und Gründungsphase der Weimarer Republik unter dem Gesichtspunkt der Gewalt. Die deutsche Revolution 1918/1919 ist untrennbar mit dem ungenügenden Ende für das Deutsche Reich im 1. Weltkrieg verbunden. Ende September 1918 gaben die deutschen Militärs den Krieg verloren. Die schlimmen Folgen des 1. Weltkrieges entluden sich in vielen Staaten Europas in revolutionären Erschütterungen. Auch im Deutschen Reich verstärkten Hunger und Entbehrung zusammen mit der Enttäuschung über die militärische Niederlage demokratische und sozialistische Bestrebungen. Der monarchische Obrigkeitsstaat zerfiel ohne große Gegenwehr Anfang November 1918. Der Thronverzicht von Kaiser Wilhelm II. und die Ausrufung der Republik am 9. November entsprachen den politischen Wünschen vieler Deutscher. Trotz aller Bemühungen um Eindämmung revolutionärer Bestrebungen nahm die nahezu friedliche Revolution eine blutige Wendung, als die radikale Linke eine sozialistische Rätedemokratie errichten wollte. Anhänger einer parlamentarischen Demokratie entschieden den Machtkampf bis Frühjahr 1919 aber für sich.

Jones will zeigen, dass die „Auswüchse mörderischer Gewalt, die die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert prägten, ihren Anfang nicht 1933, 1939 oder 1941 nahmen. Vielmehr schlug ihre Geburtsstunde schon in der Gründungsphase der Weimarer Republik; hier schwenkte Deutschland auf den Kurs ein, der später in die Horror-Exzesse des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkrieg mündete, ohne dass damit behauptet werden soll, diese seien eine zwangsläufige Folge jener frühen Entwicklung gewesen.“ (S. 10)

In der deutschen Revolution 1918/1919 kam es laut Jones zu Formen von Gewalt in einer Größenordnung, die es bis dahin auf dem Boden des Deutschen Reiches nicht gab. Staatliche Gewalt unter sozialdemokratischer Herrschaft verschob „die Paradigmen deutscher Kultur und hinterließ ein bitteres Vermächtnis. Dieses Vermächtnis machte den späteren Zusammenbruch der Weimarer Republik sicher nicht unausweichlich, untergrub aber doch ihre Legitimität, lieferte ihren Gegnern, nicht zuletzt Hitler, einige ihrer wichtigsten ideologischen Argumente, (…)“ (S. 13) Laut Jones war in dieser geschichtlichen Situation „Gewalt Politik, und Politik war Gewalt; jeder Versuch, die beiden zu trennen, und als geschichtliche Kapitel für sich darzustellen, hieße den Grundcharakter der Epoche zu verkennen.“ (S. 13f)

Jones These, dass Gewalt Politik und Politik Gewalt war, ist eine irreführende Reduktion von komplexen historischen Vorgängen, wo ideologische, soziale, gesellschaftliche, emotionale und nicht zuletzt auch transnationale Forschungsansätze zu berücksichtigen sind. Die eigentliche Frage, muss sein, wer übte aus welchem Grund Gewalt aus. Gewalt ohne mentalitätsgeschichtliche oder ideologische Vorzeichen gibt es nicht. Gewalt soll meistens einen Zweck erfüllen, und diese Zwecke herauszuarbeiten, ist Aufgabe der Wissenschaft. Von daher bringt Jones‘ Ansatz keine neuen erhellenden Erkenntnisse der Anfänge der Anfänge der Weimarer Republik, nur eine Vertiefung und Schilderung von Gewalttaten, die ohnehin in der historischen und politischen Zunft bekannt sein dürften. Gewaltforschung kann nur ein Randphänomen in der historischen Forschung sein, viel wichtiger sind die Ansätze der Oral History, der Sozialgeschichte sowie mentalitätsgeschichtliche Deutungsschemata der jeweiligen Epoche. Wer sich näher über die Anfänge der Weimarer Republik mit Hilfe dieses Zugangs informieren möchte, sollte dies tun; grundsätzliche neue Erkenntnisse bietet dieses Buch aber nicht.

 

Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek:

ISBN: 978-3-549-07487-9 .