e-Portfolio von Michael Lausberg
Besucherzäler

Marie N’Diaye: Die Chefin. Roman einer Köchin

Suhrkamp Verlag, Berlin 2017, ISBN 9783518427675, 333 Seiten, 22,00 EUR

Marie N’Diaye, einer der besten zeitgenössischen Schriftstellerinnen Frankreichs mit senegalesischen Wurzeln, schaffte ihren internationalen Durchbruch mit dem Roma Trois femmes puissantes (Drei starke Frauen) über persönlichkeitsstarke Grenzgängerinnen, für den Sie den 2009 den Prix Concourt als erste dunkelhäutige Frau erhielt. Ein Jahr später bekamm die den Internationalen Literaturpreis- Haus der Kulturen der Welt zusammen mit Claudia Kalscheuer, die Übersetzerin ihres Werkes ins Deutsche.

In ihrem neuen Roman geht es um eine begnadete Köchin, die sich aus bescheidenenen Verhältnissen hochgearbeitet hat und ein Restaurant in Bordeaux „La Bonne Heure“ aufmacht, das sogar mit einem Stern ausgezeichnet wird. Im gesamten Roman wird der Name der Frau nicht genannt. Der Erzähler des Romans, langjähriger Mitarbeiter der Chefin und ihr in unerfüllter heimlicher Liebe verbunden, schildert die Biographie der fantastischen Köchin und auch aus seiner Sicht fantastischen Frau. Er berichtet von ihrem Leben, ihrem Charakter, ihrer Ausbildung, der Kunst der Kochkomposition, dem privaten wie öffentlichen Umgang, manche Fragen des Lesers sollen jedoch gewollt unbeantwortet bleiben. Ihre ganze Liebe gilt jedenfalls der Kochkunst, daneben gibt es nichts anderes. Kurz nach dem Tod der Verehrten macht er sich daran, eben ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, die nun der Leser teilen darf.

Dabei erfährt man im Laufe des Romans auch mehr über den Ich-Erzähler und Liebhaber. In die leidenschaftliche Zuneigung mischt sich auch Bewunderung für ihr Talent. Dies kommt vor allem zum Ausdruck, als der Ich-Erzähler die zubereiteten Speisen im ihrem Restaurant aufgezählt werden: Flusskrebspastete, Lammhirnkrapfen mit Sardellensoße, Kalbsklößchen, im Ofen gebackener Thunfisch oder Rinderbraten mit Lavendelhonig. Bei der Begegnung mit dieser so begnadeten Frau, die er tagtäglich um sich hat und auch doch nicht, muss er dieser Situation etwas Positives abgewinnen: er schildert deshalb ausführlich die (angeblichen) Vorzüge unerfüllter Liebe. Er hebt hervor, dass er viel Zeit mit seiner Chefin allein, und zwar beim Ausprobieren neuer Gerichte verbringt. Zu keinem anderen Menschen hat seine Chefin eine solche Nähe. Keiner kennt sie auch so gut wie er.

Eine hintergründige Botschaft hat der Ich-Erzähler auch noch für die Leser: Er suggeriert, dass die schöpferische Kraft eines Menschen, egal auf welchem künstlerischem Gebiet im Kern unerklärbar bleibt.

Diese biographische Entdeckungsreise, die von einem leidenschaftlichen Liebhaber erzählt wird, ist abwechslungsreich und trotz des Sujets der unerfüllten Liebe sogar manchmal komisch. NDiaye beschreibt wieder mal eine starke Frau, die es beruflich zu einer Spitzenköchin bringt, und ein aus ihrer Sicht erfülltes Leben führt. Der Leser merkt aber schnell, dass doch etwas fehlt, nämlich die Wahrnehmung der restlichen Welt neben ihrer Arbeit. Die Einengung des Lebens in einen einzigen Bereich (Arbeit) versagt der Hauptprotagonistin andere Freuden wie Liebe, Familie, Hobby und menschliche Beziehungen.

 

Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek:

ISBN: 9783518427675 .