e-Portfolio von Michael Lausberg
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Lokale Beispiele für Antiziganismus

Nur unterbrochen durch die Amtszeit des Christdemokraten Adolf Sauerland stellte die Sozialdemokratie in den letzten 50 Jahren in Duisburg immer den Oberbürgermeister und holte im Bundesdurchschnitt überproportionale Ergebnisse bei jedweden Wahlen. Aktueller Oberbürgermeister ist Sören Link, der mit einer „Haushaltsmehrheit“ bestehend aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke regiert.[1] Bei der Kommunalwahl 2009 erreichte die SPD 35,0%, die CDU 33,6%, Bündnis 90/Die Grünen 8,4%, Die Linke 7,6% und die FDP 4,4%.

Der Niedergang der Montanindustrie und der damit verbundene Strukturwandel sind heute noch zu spüren. Hohe Arbeitslosigkeit und sinkende Steuereinnahmen bei gleichzeitig steigenden Ausgaben für soziale Zwecke traf Duisburg als seinerzeit monostrukturell geprägte Region stark.[2] Dies lässt sich auch an der Einwohner_innenentwicklung festmachen. Hatte die Stadt noch 1975 knapp 592.000 Einwohner_innen, waren es Ende 2012 nur noch ca. 486.000.[3] Dies bedeutet, dass Duisburg in den letzten 30 Jahren mehr als 17 Prozent ihrer Bewohner_innen verloren hat. Viele Wohnungen stehen leer, so dass die Mietpreise in einigen Stadtteilen sehr günstig sind.

Die Stadt Duisburg ist seit Jahrzehnten verschuldet, nur wenige ertragsstarke Großunternehmen mit hohem Gewerbesteuerpotential haben sich dort niedergelassen. Der Niedergang der Montanindustrie wurde teilweise vom tertiären Sektor aufgefangen. Im Umfeld der Universität Duisburg-Essen haben sich Unternehmen aus der Informations-, Kommunikations- und Mikrotechnologie sowie Umwelt und Energie angesiedelt. Gleichzeitig bleibt die Logistik ein wichtiges ökonomisches Standbein der Stadt am Schnittpunkt von Ruhrgebiet und Rheinschiene.

Der Anteil der Menschen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit liegt ca. 15%. Von der Möglichkeit der Einbürgerung haben in den letzten Jahrzehnten etwa 45.000 Menschen mit Migrationshintergrund Gebrauch gemacht. Insgesamt besitzen somit 32,7% der Duisburger Bevölkerung einen Migrationshintergrund.[4] Duisburg besitzt eine große Vielfalt der Kulturen der hier lebenden Menschen aus 140 Nationen. Die Bundesregierung verlieh 2009 der Stadt die Auszeichnung „Ort der Vielfalt“.[5]

Die Entwicklung der Stadt Duisburg wurde immer schon durch Migration geprägt. Die eingewanderten Gruppen reichen von den „Ruhrpolen“ über die „Vertriebenen“ nach dem 2. Weltkrieg, die Arbeitsmigrant_innen ab den 1950er Jahren vor allem aus der Türkei bis hin zu Asylsuchenden, Spätaussiedler_innen und Kontingentflüchtlingen kurz vor der Jahrtausendwende. Es existierte auch bis in die 1970er Jahre eine starke Binnenwanderung aus den umgebenden rheinisch-westfälischen Regionen. Ende 1970 wurde der „Arbeitskreis für ausländische Einwohner der Stadt Duisburg“ gegründet, in dem neben Vertreter_innen der Wohlfahrtsverbände, des Rates der Stadt und der Verwaltung auch Mitglieder_innen verschiedenster öffentlicher Einrichtungen teilnahmen, um Migrant_innen am kommunalpolitischen Willensbildungsprozess zu beteiligen.

Seit der EU-Erweiterung 2007 ist Duisburg so wie auch Dortmund, Berlin, Mannheim und weitere deutsche Städte mit erhöhter Migration aus Bulgarien und Rumänien konfrontiert. Die Zuwander_innen wurden und werden im Diskurs der Mehrheitsgesellschaft homogenisierend meist als (Sinti und) Roma oder in diskriminierender Weise als „Zigeuner“ identifiziert, was in Wirklichkeit nur in manchen Fällen zutrifft.

Große Teile der Mehrheitsbevölkerung Duisburgs scheinen aus der jüngeren nationalsozialistischen Vergangenheit wenig gelernt zu haben. Noch vor 80 Jahren sollte nach Vorbild der nationalsozialistischen „Rassenlehre“ Duisburg „zigeunerfrei“ werden.[6] Menschen, die als „Zigeuner“, „Zigeunermischlinge“ und „nach Zigeunerart Umherziehende“ stigmatisiert wurden, schaffte die Duisburger Kriminalpolizei als nationalsozialistischer Verfolgungs- und Repressionsapparat aus ihrem Zuständigkeitsbereich fort. Die meisten Sinti und Roma kamen in ein Konzentrationslager, wurden ins „Generalgouvernement“ deportiert und kamen ins „Zigeunerlager“ des KZ Auschwitz, wo die meisten von ihnen starben.[7] Die Stigmatisierung der Sinti und Roma als „Kriminelle“ und „Asoziale“ innerhalb der Duisburger Bevölkerung spielte der Kriminalpolizei in die Karten, das Organ konnte sich auf eine breite Zustimmung in der Mehrheitsbevölkerung verlassen. Auch Zwangssterilisationen sollten durchgeführt werden, um eine weitere „Rassenmischung“ zu verhindern. Von Lüpke-Schwarz bilanzierte: „Die beobachtete Skala kriminalpolitischer Instrumentarien zur Entfernung unerwünschter Zigeuner zeugt zugleich von Pragmatismus und Menschenverachtung: Die eingesetzten Mittel reichten vom freiwilligen Fortzug der Betroffenen über die Deportation und Einweisung in ein KZ bis zum Tode; die Duisburger Beamten präferierten jedoch die letzte Option als die einzig endgültige.“[8]

Die Zuwander_innen kamen mit der Absicht, für sich und ihre Kinder bessere Lebensbedingungen und Zukunftschancen zu erreichen und um dem Rassismus in ihren Herkunftsländern zu entgehen. Ende 2013 lebten 9.045 Rumän_innen und Bulgar_innen offiziell, wohl mindestens 10.000 Zuwanderer_innen insgesamt in Duisburg.[9] Lokale Presseorgane wie die Neue Ruhr Zeitung (NRZ) beteiligten sich an der Ausgrenzung der Einwanderer_innen und dienen als Motoren und Multiplikatoren eines konstruierten Bedrohungsszenarios. Die NRZ sah eine „Belastung durch Zuzug von Sinti und Roma“ für die Stadt Duisburg. Die Migrant_innen stellten angeblich „Duisburg vor soziale Probleme“.[10] Hier wird eine perfide Täter-Opfer-Umkehr betrieben. Es wird suggeriert, dass angeblich Migrant_innen eine Stadt von ca. 500.000 Einwohner_innen, von denen viele selbst eine Migrationsgeschichte besitzen, bedrohen. Migrant_innen werden zu Täter_innen gemacht, obwohl sie –sozial marginalisiert- von extremer Armut betroffen sind. Die Sichtweise, dass sie Probleme haben und nicht machen, wird fast gar nicht thematisiert.

Für die Zuwander_innen herrschte bis 2014 ein faktisches Arbeitsverbot: Im Gegensatz zu den Rechten anderer EU-Bürger_innen war ihre Freizügigkeit Menschen einschränkt: Sie durften sich hier aufhalten, aber bis Anfang 2014 oder solange sie hier noch keine drei Jahre verbracht haben, keine reguläre Arbeitsstelle annehmen.[11] Sie hatten nur die Möglichkeit, ein selbständiges Gewerbe anzumelden. Da sie auch keinen Anspruch auf soziale Leistungen mit Ausnahme des Kindergeldes oder eventuell des Wohngeldes hatten, mussten sie in prekärer Armut leben. Sie wurden damit praktisch zu illegalen Lebensunterhaltssicherungen gedrängt.

In Hochfeld existiert ein so genannter „Arbeiterstrich“, wo Zuwander_innen ihre Arbeitskraft zu Dumpinglöhnen verkaufen müssen. Vielfach wird berichtet, dass die Arbeitgeber_innen ihnen den Lohn schuldig bleiben. Im Duisburger Rotlichtmilieu arbeiten viele Zuwander_innen als Prostituierte. Ihre soziale Notlage wurde vielfach missbraucht, indem mit den hiesigen rechtlichen und sprachlichen Gegebenheiten vertraute Personen gegen ein hohes Entgelt die Vorbereitung der Kindergeldanträge sowie die Vorbereitung des Gewerbezulassungsverfahrens vornahmen.[12] Die meisten der Zuwander_innen verfügen über keine Krankenversicherung. Ihre prekäre Lage wird durch der Ausbeutung durch Vermieter_innen verstärkt, so dass viele von ihnen gezwungenermaßen in Häusern und Wohnungen, die nicht mehr als vermietbar gelten, leben.[13] Einen Vertrag, in dem die Höhe der Miete festgeschrieben ist, gibt es zumeist nicht; gezahlt wird in bar, ohne Quittung.[14]

Unter den in Duisburg aus Rumänien oder Bulgarien eingewanderten Roma gibt es keine kulturelle Homogenität. Als Muttersprache sprechen sie verschiedene Romanes-Dialekte, Türkisch, Rumänisch oder Bulgarisch und gehören verschiedenen christlichen Kirchen oder dem Islam an.

Das Leben vieler Zuwander_innen ist von Frustration und Hilflosigkeit geprägt. Veronika Borgovan vom Verein ZukunftsOrientierte Förderung (ZOF) bilanziert: „Ich bekomme sehr, sehr viel Frust mit, denn die Leute fühlen sich ja total frustriert, dadurch, dass sie nicht selber in der Lage sind, alle Probleme, die sie haben, zu lösen. Die verstehen ja einfach nicht, was man denen sagt, sie bekommen irgendwelche Termine bei Behörden, beim Arbeitsamt, bei der Polizei oder sonst wo, gehen dahin und verstehen überhaupt kein einziges Wort.“[15]

Die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nach Duisburg entwickelte sich zu einem ständigen Thema in der lokalen Medienlandschaft. In der Berichterstattung taucht immer wieder der Begriff „Roma-Problem“[16] auf, womit ein Zusammenhang zwischen „Roma“ und „Problemen“ suggeriert wird. Der Wohnkomplex „In den Peschen“ in Bergheim, wo viele Zuwander_innen leben, wird auch despektierlich als „Roma-Haus“[17] oder „Problemhaus“[18] bezeichnet. Es wird fast durchgehend über die Zuwander_innen aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft gesprochen; sie selbst und ihre Sicht der Dinge bleiben sehr oft außen vor.

Eine Untersuchung der Berichterstattung des Medienportals „der Westen.de“ über die Zuwanderung aus Südosteuropa von Ende April 2008 bis Dezember 2012, die von der Migrationssoziologin Alexandra Graevskaia durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass „der überwiegende Teil der Berichterstattung die Zuwanderer als eine ethnisch homogene Gruppe von kriminellen Armutsflüchtlingen darstellt wird, deren Bräuche und Verhaltensweisen von denen der Mehrheitsgesellschaft abweichen. Positive und differenzierende Diskursfragmente kommen zwar vor, aber nicht in der Qualität und Quantität wie negative Zuschreibungen. Somit wird Antiziganismus in der Medienberichterstattung – zum großen Teil ohne direkte Absicht, sondern durch feste Verankerung antiziganistischer Ressentiments in der Gesellschaft – reproduziert.“[19]

Die Themenfelder „Müll“ und „Dreck“ sind zentrale Bestandteile der Berichterstattung. Unsauberkeit und mangelnde Hygiene werden den Zuwander_innen pauschal zugeschrieben als wäre es eine anthropologisch-kulturelle Eigenart des Verhaltens.

Vor allem wird ihnen die Verrichtung ihrer Notdurft außerhalb ihrer Wohnungen vorgehalten. Dass dieses Verhalten wegen fehlender Sanitäranlagen eine logische Folge ist, bleibt meistens unerwähnt. So werden die Zuwander_innen dafür verantwortlich gemacht, was eigentlich die Aufgabe der Vermieter_innen ist. Diese Ethnisierung des Sozialen schreibt den Zuwander_innen angeblich unveränderliche deviante Merkmale zugeschrieben, die nicht mit einer wie auch immer gearteten autochthonen Kultur vereinbar sind.

Die Untersuchung der Bild-Zeitung (Schwerpunkt Ruhrgebiet) im Hinblick auf das Thema Einwanderung aus Südosteuropa vom 5.12.2012 bis zum 5.6.2013 ergab folgenden Befund: Insgesamt gesehen ist die Berichterstattung über Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien, die sich fast nur auf Roma konzentriert, fast durchgängig negativ. Die Einwanderung wird durchgängig als „Problem“ wahrgenommen, die Städte im Ruhrgebiet und die Anwohner_innen vor allem des „Roma-Hauses“ in Bergheim als Opfer oder „Betroffene“ gesehen.[20] Die Sichtweise, dass sie Probleme haben und nicht machen, wird nicht thematisiert. Die Tatsache, dass Roma besonders in Ungarn, Rumänien und Bulgarien aus rassistischen Gründen diskriminiert, verfolgt oder gar umgebracht werden, findet fast keine Erwähnung.

Das antiziganistische Ressentiment der mangelnde Hygiene, Asozialität und Primitivität wird immer wieder transportiert. Bild berichtete über „verdreckte Ekelhäuser“, wo „Rumänen und Bulgaren“ illegal „gehaust haben“.[21] Es gab ein Foto eines Balkons des „Roma-Hauses“ in Bergheim, auf dem sich Wäsche, ein Fahrrad, Radkappen usw. befinden. Dies soll wohl als Synonym für Unsauberkeit gelten.[22]

Die Medienberichterstattung über die Zuwander_innen war oft bestimmt von Kriminalität. So kann bei den Leser_innen der Eindruck entstehen, Kriminalität sei ein Wesensmerkmal der Sinti und Roma. Häufig wurde auch, ohne dass es für den Sinnzusammenhang des Textes von Relevanz wäre, die Ethnie des/der Beschuldigten genannt.

Ein weit verbreiteter Vorwurf war der der Bildung „organisierte(r) Diebesbanden“; darunter die „Hintermänner-Theorie“, nach der „Kinderbanden“ systematisch zum Stehlen gezwungen werden. In den Kölner Medien Anfang der 1990er Jahre wurde das Motiv der „Klau-Kids“ eingeführt, die in der Kölner Innenstadt angeblich nach professioneller Methode Diebstähle begangen hätten. Dieses Bild erfuhr 2013 eine Renaissance, als das rumänische „Klau-Kid“ Elizabeta, das 200 Straftaten[23] begangen haben soll und noch nicht strafmündig war, einer breiten Öffentlichkeit durch die Springer-Medien und regionale Organe bekannt wurde.[24] Die Rheinische Post schrieb den Zuwander_innen kollektiv die Eigenschaft der Kriminalität zu, ohne das Individuum zu betrachten: „Allzu häufig müssten die Beamten hinnehmen, dass die Kinder der Einwanderer systematisch zu Dieben ausgebildet werden. Der Freifahrtschein als ‚Klau-Kind‘ unter 14 Jahren werde demnach von den Eltern konsequent ausgenutzt.“[25] Der Westen berichtete in derselben Weise: „Klau-Kids: Hinter Diebstählen an Geldautomaten vermutet die Polizei Banden. Sie schicken strafunmündige Kinder und Jugendliche, die Kunden am Schalter ablenken, überrumpeln, attackieren.“[26] Die Polizei Duisburg sprach von „gewerbsmäßigem Ladendiebstahl durch Kinder“, die mit „am Körper getragene Diebstahleinrichtungen (‚Klauschürzen‘)“ ausgestattet wären.[27] In diesem Zusammenhang betonte der Duisburger Jugenddezernent Thomas Krützberg die angebliche Andersartigkeit der Zuwander_innen, die zu besonderen explizit nicht genannten Maßnahmen führen müssten: „Aber wir müssen uns darüber klar sein, dass wir mit diesen Menschen anders umgehen müssen als mit anderen."[28]

Der Vorwurf des Kindesraubes oder des Kinderhandels tauchte schon im 17. Jahrhundert in verschiedenen Literaturgattungen auf und ist immer noch hochaktuell. Im Herbst 2013 schaffte es ein Fall von vermeintlichem Kinderraub durch Roma auf die Titelseiten europäischer und auch regionaler Medien, der die tief sitzenden Ressentiments gegenüber Roma bei Sicherheitsbehörden und Medien widerspiegelte. Bei einer Hausdurchsuchung in einer griechischen Roma-Siedlung vermutete die Polizei die Entführung eines 5jährigen Mädchens, weil sie im Gegensatz zu dem dunklen Teint der Eltern hellblondes Haar hatte. Erst ein DNA-Test belegte die Richtigkeit der elterlichen Angaben. Die lokalen Medien berichteten auch ausführlich darüber und stellten Roma als „Täter“ dar.

Ein geringer Teil der Zuwander_innen verübte meist kleinere strafbare Delikte, was bis Ende 2013 auch mit deren prekären sozio-ökonomischen und rechtlichen Lage zu erklären ist.[29] Sie durften sich zwar als EU-Bürger_innen in Duisburg aufhalten, aber bis Anfang 2014 oder solange sie hier noch keine drei Jahre verbracht haben, keine reguläre Arbeitsstelle annehmen. Auf staatliche Hilfen, mit Ausnahme des Kindergeldes, welches allerdings an eine gültige Schulbescheinigung gebunden war, und ggf. des Wohngeldes, hatten sie ebenso keinen Anspruch. Da aber logischerweise die materielle Existenzgrundlage gewährleistet sein muss, wurden die Zuwander_innen in illegale Tätigkeiten wie Scheinselbstständigkeit und andere Formen der Kleinkriminalität gedrängt.

Immer wieder wurden die Zuwander_innen als „Problemgruppe“ charakterisiert und ihnen pauschal Kriminalität vorgeworfen. So forderte zum Beispiel der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, 300 neue Beamt_innen für Duisburg mit folgender Begründung: „Duisburg hat eine besondere Situation. Duisburg hat sowohl mit Rockergruppen und gewaltbereiten Fußball-Hooligans als auch mit einer starken Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien zu tun.“[30] Dabei ist nicht statistisch belegt, dass die Zuwander_innen in Duisburg und Umgebung mehr oder weniger Straftaten verüben als Deutsche, Grönländer_innen oder andere Gruppen.

Die Zuwanderung in Stadtteile wie Bergheim oder Hochfeld wurde lange unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten diskutiert. Die zuständigen Ordnungsämter wurden personell durch umgeschulte Langzeitarbeitslose verstärkt, die Präsenz der Polizei wurde erhöht.

Die starke räumliche Konzentration vor allem in den Stadtteilen Hochfeld und Rheinhausen-Bergheim stellt einen der sichtbarsten Aspekte der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien dar. Dort kam es zu rassistischen und wohlstandchauvinistischen Anfeindungen gegen die Neuzuwander_innen.

Im bürgerlichen Stadtteil Duisburg-Bergheim wohnen südosteuropäische Zuwander_innen, darunter auch Roma, in dem Hochhaus „In den Peschen“, was in der Presse in abwertender Weise „Problemhaus“ oder „Roma-Haus“ genannt wird. Dieses Haus wurde durch intensive Medienberichterstattung zum bundesweiten Symbol für die „Armutsmigration“ aus Südosteuropa. Rassistische AnwohnerInnen in Bergheim hetzen seit geraumer Zeit gegen die Migrant_innen und versuchen dies als legitimen Protest gegen die „Zustände“ im bürgerlich geprägten Stadtteil darzustellen. Ihre Strategie besteht darin, in der Öffentlichkeit als Vertreter_innen der politischen „Mitte“ wahrgenommen zu werden und sich von jeglicher rassistischen Gesinnung offiziell zu distanzieren. 300 Anwohner_innen im Stadtteil unterschrieben eine Petition zur „Umsiedlung“ der Zuwander_innen. Diese „Umsiedlung“ sollte erfolgen, „da unsere Wohn- und Umfeldqualität, welche in Jahrzehnten gewachsen ist, durch diese Zuwanderer zerstört wird und wir das als Bürger nicht hinnehmen werden“.[31] In einem essenzialisierendem Sinne wurde argumentiert, dass die Migrant_innen aufgrund ihrer Mentalität und Lebensart nicht integrierbar seien. Damit wurden alle Zuwander_innen ohne Ansehen des Individuums homogenisiert und ihnen unveränderliche deviante Merkmale zugeschrieben, die nicht mit einer wie auch immer gearteten bürgerlichen „deutschen Kultur“ vereinbar wäre und eine Separierung von der Mehrheitsbevölkerung notwendig machen würde. Bei einem „politischen Abendgebet“, das der ortsansässige Pfarrer Heiner Augustin organisiert und mit dem Thema Zuwanderung verknüpft hatte, bemerkte ein Anwohner: „Das sind keine Menschen, das sind Untermenschen“[32]. Einige Anwohner_innen verteilten vor dem Duisburger Rathaus rassistische Flugblätter mit der Überschrift „Raus mit den Zigeunern!“.[33]

Ein Anwohner wusste zu berichten, dass die „Zigeuner“ in Bergheim „einfach alles klauen“ und „deutsche Kinder“ entführen.[34] Einer der Wortführer des antiziganistischen „Protestes“ im Viertel, Hans-Wilhelm Halle, bemerkte: „Ich fühle mich wie ein Fremder im eigenen Land.“[35] In Bergheim gab es Beschwerden von Anwohner_innen über vermehrtes Müllaufkommen, Ruhestörungen oder ein angebliches Sicherheitsproblem. Dass viele Probleme aus der Überbelegung der Wohnungen resultierten, wurde ignoriert. Ein konstruktiver Austausch über die Probleme der Zuwander_innen fand nicht statt, als einzige „Lösung“ wurde immer wieder die „Umsiedlung“ der Migrant_innen favorisiert. Symptomatisch für die fehlende Diskussionsbereitschaft ist folgende Aussage eines Anwohners: „Wir wollen die da weghaben, alles andere interessiert uns nicht mehr“.[36] In nationalsozialistischer Diktion forderte ein Anwohner die physische Liquidation der Zuwander_innen: „Ich habe da eine Idee, wo die unterkommen können, in Auschwitz oder Buchenwald sind noch hübsche Baracken frei. Adolf hat meiner Meinung nach noch nicht genug von denen umgebracht.“[37] Im Falle des Auszugs der Zuwander_innen habe die Nachbarschaft beschlossen, ein Straßenfest zu veranstalten.

Unternehmer_innen aus Duisburg-Rheinhausen forderten beim Einzelhandelsverband Plakate in rumänischer und bulgarischer Sprache an, auf denen verboten wurde, Geschäfte mit mehreren Personen gleichzeitig zu betreten. Dies hatte das Ziel, angeblichen Taschen- und Trickdiebstahl vorzubeugen.[38]

„Abbrennen soll mann die bude“, „Eine Bombe auf das haus und dann is endlich ruhe da“, „Niederbrennen das Dreckspack“, „Wir müssen die Ratten loswerden“, „Alles schreit abbrennen aber warum macht es denn keiner?“: Diese menschenverachtenden und rassistischen Mordaufrufe von Nutzer_innen der Facebook-„Diskussionsgruppe“ „In den Peschen 3-5“ um den 10.8.2013, die wahrscheinlich sogar unter ihrem wirklichen Namen die Kommentare schrieben, waren ein weiterer Höhepunkt in der Hetze gegen Zuwander_innen aus Südosteuropa. Die „Diskussionsgruppe“ „In den Peschen 3-5“ auf Facebook wurde im Februar 2013 eingerichtet.[39] Das „Diskussionsforum“ sollte nach der Definition des Administrators eine Plattform für Menschen bieten, die den Bewohner_innen des Wohnblocks „In den Peschen“ kritisch gegenüberstehen.[40] Schon im April 2013 wurden Roma in Facebookgruppen als „Menschenmüll“ bezeichnet.

Als Reaktion auf die Mordaufrufe nahm der Staatsschutz die Ermittlungen auf und es wurden brandsichere Türen in den Kellern installiert.[41] Von offizieller Seite der Stadt Duisburg wurde die Situation verharmlost. Duisburgs Polizeisprecher Ramon van der Maat sprach zwar von einer „zunehmenden Feindseligkeit im Viertel“.[42] Er wollte jedoch „die Eskalation im Internet nicht so hoch bewerten“ und sah keine „unmittelbare Gefahr für das Leben der etwa 1400 Rumänen und Bulgaren in dem Hochhaus.“ Reinhold Spaniel, Leiter des Sozialdezernats der Stadt Duisburg, erklärte, das „Internet ist nicht die reale Welt.“[43]

Die Realität sah anders aus. Militante Neonazis konnten sich bei der rassistischen Hetze als Vollstrecker eines „Volkswillens“ fühlen. Am 13.8.2013 schmierten Unbekannte Schriftzüge mit rassistischen Parolen rund um den Wohnblock „In den Peschen“ an die Wände.[44] In den Nächten auf Freitag (16.8) und Samstag (17.8) tauchten heimische und auswärtige Neonazis in größeren Gruppen vor dem Hochhaus „In den Peschen“ auf und bedrohten Bewohner_innen mit Knüppeln und Messer. Die Polizei fühlte sich nicht zuständig und schickte nur zwei- bis dreimal pro Tag Streifenwagen vorbei; deshalb übernahmen Anwohner_innen, Mitglieder von Kirchengemeinden und antirassistische Gruppen in Eigeninitiative durch Nachtwachen den Schutz der dort lebenden Menschen. Die Initiator_innen hofften wegen des andauernden Gefahrenpotentials auf eine ständige Präsenz der Polizei. Ein Beifahrer eines PKW’s, der am Abend des 19.8 vor dem Hochhaus den Hitlergruß zeigte und rassistische Parolen rief, wurde verhaftet.[45] Nach der Hetze im Internet und den Provokationen vor Ort herrschte bei vielen Bewohner_innen Angst und Schrecken. Die Männer vieler Familien hatten sich daraufhin zusammen getan, um auf mögliche Angriffe vorbereitet zu sein.[46]

Im März 2013 gab es schon einmal einen Kellerbrand im Hochhaus „In den Peschen“, bei dem es sich laut offiziellen Stellen nicht um Brandstiftung handelte. Da aber auch auswärtige Personen durch Außenfenster in den Keller gelangen konnten, lässt sich jedoch ein Brandanschlag nicht völlig ausschließen.

Bei einer Demonstration von Bergheimer Anwohner_innen gegen die „Zustände“ in ihrem Stadtteil am 5. Oktober 2013 waren die Redebeiträge voll von rassistischer Hetze, Gegendemonstrant_innen wurden gewaltsam entfernt und stadtbekannte Neonazis nicht von der Teilnahme ausgeschlossen. Einige der Teilnehmer_innen der bürgerlichen Versammlung solidarisierten sich später mit den Parolen von Pro NRW, die am selben Tag auch eine Kundgebung in Bergheim abhalten durfte.

Die rassistischen Anwohner_innen erfuhren Unterstützung von der im Viertel verankerten Splitterpartei „Bürgerliche Liberale“, die diesen auf ihrer Webseite ihrer Zeitung eine Plattform bot. Die Zuwander_innen wurden dabei pauschal als primitiv dargestellt. Auf der Webseite waren Fotos von Müll mit der Bildunterschrift „Müllentsorgung auf bulgarisch“ zu sehen. Zivilgesellschaftliche Initiativen reagierten auf die öffentlichen rassistischen Äußerungen von Anwohner_innen des Wohnkomplexes „In den Peschen“ mit im Stadtteil verteilten Flugblättern.

Die Bewohner_innen des Hochhauses „In den Peschen“ leiden unter der rassistischen Stigmatisierung weiter Teile der Dominanzgesellschaft. Annegret Keller-Steegmann vom gemeinnützigen Kooperationsprojekt Bahtalo bemerkt: „Die Mieter_innen selber wollen schon lange nicht mehr in dem Haus wohnen. Es ist ein unerträgliches Leben in dieser Enge und mit diesen Zuständen. Aber es ist sehr schwer für sie mit dieser Adresse eine neue Wohnung, geschweige denn einen Job zu finden, weil die Menschen in der Presse und in der Stadtöffentlichkeit extrem stigmatisiert wurden.“[47].

Die Konzentration der Migration in Hochfeld liegt an dem Zugang zu bezahlbaren Wohnraum und zu bereits bestehenden Netzwerken. Große Gruppen aus denselben Dorfgemeinschaften oder Stadtteilen leben auch dort in engem Verbund. Aus der ostbulgarischen Stadt Schumen soll ein Teil der Zuwander_innen stammen.[48]

Der Stadtteil Hochfeld war und ist vom Strukturwandel besonders betroffen; 20.000 Arbeitsplätze wurden in den letzten 40 Jahren abgebaut. Aufgrund des preiswerten Wohnraums zogen in den letzten Jahren mehr Migrant_innen dorthin, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ca. 36% beträgt. Das Bildungsniveau ist im Vergleich zu anderen Stadtteilen Duisburgs wesentlich geringer. Die Arbeitslosigkeit ist überdurchschnittlich hoch und demnach auch die Zahl der Haushalte, die auf soziale Hilfsangebote angewiesen sind.[49]

In Hochfeld gab es öffentlich geäußerten Protest von Immobilieneigentümer_innen aus der deutschen Bevölkerungsmehrheit (Verein Zukunftsstadtteil e.V.), die sich durch eine „Stadtteilaufwertung“ finanzielle Vorteile erhofften. Durch die „Armutseinwanderung“ aus Bulgarien und Rumänien sahen sie ihre Interessen bedroht und schrieben im Sommer 2011 einen offenen „Protestbrief“ an den damaligen Duisburger Bildungs- und Familiendezernenten. Darin sprachen sie sich „gegen den Zuzug von Bulgaren“ aus, den sie im weiteren Verlauf als „Ströme problembeladener und bildungsferner Wanderungsbewegungen“ bezeichneten. Der Vereinsvorsitzende Michael Willhardt bemerkte, aufgrund der Zuwanderung sei „Hochfeld nicht zu retten“. Hier gab es eine Reaktion im Form eines offenen Briefes von zivilgesellschaftlichen Akteur_innen an den Hochfelder Vereinsvorsitzenden von Zukunftsstadtteil e.V..[50]

Im Eingangsbereich zweier bekannter Supermarktketten in Hochfeld wurden „Zigeunerbesen“ aufgestellt, um so Roma in deren konstruierter Logik vor der Betretung des Ladens abzuschrecken.[51] Dieses „Wissen“ stammt aus dem mittelalterlichen Hexen- und Teufelsglauben, wonach Hexen vom Teufel die Fähigkeit hätten, auf Besen durch die Lüfte zu reiten, um sich dann auf dem Blocksberg mit dem Teufel zu paaren. In der jüngsten Vergangenheit stellten im Emsland Kaufleute Besen vor die Tür, um zu zeigen, dass Sinti und Roma hier nicht erwünscht sind. Dieser „Brauch“ verbreitete sich über die gesamte norddeutsche Tiefebene bis nach Mecklenburg-Vorpommern und scheint wohl jetzt auch im Westen angekommen zu sein.

Politiker_innen vor allem aus den Reihen der beiden großen „Volksparteien“ beteiligten sich an der Stigmatisierung der Einwander_innen und waren und sind somit für die antiziganistische Stimmung in der Öffentlichkeit mitverantwortlich.

Vor einem Millionenpublikum beim Sender Stern TV warf Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) den Zuwander_innen Primitivität, Sozialmissbrauch und die Bildung von organisierten Diebesbanden vor. Link erklärte: „Duisburg ist massiv betroffen! (…) Müllberge größer als ich. (…) Nicht alle sind gekommen, um hier legal zu arbeiten. (…) Da werden Kinder missbraucht, klauen zu gehen.“[52]

Reinhold Spaniel (SPD), Leiter des Sozialdezernats der Stadt Duisburg, verteidigte die „Proteste“ der Anwohner_innen gegen die Zuwanderung und sprach ihnen jegliche rassistische Motivation ab: „Die Bürger haben viel erduldet – und reagieren trotzdem besonnen. Da gibt es kein rechtsextremes Gedankengut.“[53] Gleichzeitig schob er den Zuwander_innen die Schuld zu: „Das Sozialverhalten vieler (Zuwanderer, M.L.) ist eine Zumutung. Das fängt beim Lärm an –auf der Straße wird bis um drei Uhr morgens Party gemacht. Die Gärten der Anwohner werden zugemüllt, die Straße wird als Toilette benutzt. Da ist es doch völlig legitim, dass sich die Bürger beschweren!“[54] Er sprach ihnen pauschal eine „Mietfähigkeit“ ab und leistete damit einem kulturellen Rassismus und einer Ethnisierung des Sozialen Vorschub: „(…)Voraussetzung ist aber, dass sie mietfähig sind. (…) Die sind oft Analphabeten, die verstehen unsere ganzen Vorschriften nicht und müssen lernen, dass man den Müll nicht aus dem Fenster wirft.“[55]

In einem Interview mit „Der Welt“ bekräftigte er seine Ansichten über die Zuwander_innen. Spaniel machte eine kulturelle Andersartigkeit der Zuwander_innen im Vergleich zur autochthonen Bevölkerung aus und wirft ihnen indirekt Primitivität vor: „Da prallen soziokulturelle Welten aufeinander. Die eine Welt versteht die andere nicht. Was es so schwierig macht, sind die Verhaltensweisen, die man nach mitteleuropäischem Standard nicht tolerieren kann. Es gibt durchaus eine Reihe von Familien, die integrationswillig und mietfähig sind. (…) Mir schwebt außerdem vor, dass wir von beiden Ländern Integrationshelfer bekommen. Das sind Personen, die den Leuten ganz simple Dinge des Lebens erklären, zum Beispiel dass eine Mülltüte in eine Mülltonne gehört. Dass man zum Amt geht und dies und jenes beantragen muss. Dass man seine Notdurft nicht draußen, sondern in der Toilette im Haus verrichtet. Wir müssen zunächst mit den einfachsten Dingen des Lebens anfangen.“[56]

Er plädierte im Gegensatz zur Strategie der städtischen Verantwortlichen für eine Politik der Abschreckung mit dem Hinweis auf die „Einwanderung in die Sozialsysteme“: „Ich habe die Befürchtung, wenn am 1. Januar 2014 die Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt vollständig in Kraft tritt, dass noch mehr kommen. Dann wird sich die finanzielle Krise der Stadt noch weiter verschärfen. Wenn man die Motive für Armutswanderung versteht, dann kann es nach der Logik der Motive nur bedeuten: Wenn es mehr Sozialleistungen gibt, dann werden auch mehr nachrücken.“[57]

Die CDU versuchte sich als „Anwalt“ der Anwohner_innen zu inszenieren und das „Problem“ der Zuwanderung auf die politische Agenda zu bringen.[58] Die lokale CDU-Landtagsabgeordnete Petra Vogt erkundigte sich im Herbst 2012 in einer parlamentarischen Anfrage, ob die Landesregierung rund um das Haus „illegale Zustände“ dulde.

Der damalige Bundesinnenminister Friedrich (CSU) hatte bei einem Treffen der EU-Innenminister Anfang Juni 2013 einen „härteren Kurs gegen betrügerische Armutseinwanderer“ angekündigt: „Wer Sozialleistungen missbraucht, soll ausgewiesen werden.“ Zudem wollte er Ausgewiesenen, obwohl sie EU-Bürger_innen sind, „eine Einreisesperre für eine bestimmte Zeit auferlegen, damit sie am nächsten Tag nicht wiederkommen können.“ Der Duisburger CDU-Ratsfraktionschef Rainer Enzweiler sah in den Forderungen Friedrichs einen guten Ansatzpunkt: „Endlich bewegt sich etwas. Der Bundesinnenminister tut gut daran, jetzt zügig entgegenzusteuern und die genannten Maßnahmen wie Ausweisung und Einreisesperre durchzusetzen. Nur so kann verhindert werden, dass die Ausgewiesenen am nächsten Tag direkt wiederkommen. Hoffentlich wird nun schnell gehandelt und nicht nur geredet. Denn die Menschen in den betroffenen Stadtvierteln wollen und brauchen Antworten der Politik auf ihre drängenden Fragen, wie die teilweise unhaltbaren Zustände vor Ort beseitigt werden. Wir brauchen Sanktionsinstrumente, die auch greifen. Wir dürfen auf keinen Fall den Eindruck entstehen lassen, es gebe in Deutschland oder in der EU in einigen Bereichen rechtsfreie Räume, in denen offensichtlichem Sozialbetrug tatenlos zugesehen wird.“[59]

Laut einer Statistik der Stadt Duisburg haben Zuwander_innen aus Bulgarien und Rumänien bis Ende 2012 so gut wie keine Anträge auf Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes gestellt (Kindergeld, Wohngeld usw.), was die These der „Einwanderung in die Sozialsysteme“ widerlegt.[60]

In Duisburg erregte ein Fall von institutionellem Rassismus die Gemüter. Viele Zuwander_innen hatten Post vom Bürger- und Ordnungsamt der Stadt Duisburg erhalten.[61] Darin wurden sie aufgefordert, nachzuweisen, dass sie die Voraussetzungen erfüllen, sich weiter in Deutschland aufhalten zu dürfen. Falls sie nicht innerhalb eines Monats die nötigen Unterlagen von Finanzamt, Steueramt, Krankenkasse und Mietvertrag einreichen, könnten sie in Abschiebehaft genommen und dann ausgewiesen werden. Viele Zuwander_innen lebten deshalb in Angst oder sind bereits ausgereist. Ingrid Jost aus der Bezirksvertretung Mitte spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von „illegalen Abschiebungen“ und vom „politische Willen“ der Stadt „die Kommunen leer zu fegen.“[62]

Die extreme Rechte nahm die rassistische Stimmung in der „Mitte“ der Gesellschaft dankend auf und brauchte sie nur noch zuzuspitzen.

Die NPD Duisburg bezog sich zur Verbreitung ihrer Hetze auf die zum Teil offen antiziganistische Berichterstattung der hegemonialen Presse, wo der Wohnblock „In den Peschen“ zum bundesweiten Symbol für die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien geworden ist. Unter dem Titel „Zigeunerflut stoppen, Asylmissbrauch bekämpfen“ stellte sie die Anwohner_innen als Opfer der „wahren Flut fremdländischer Personen“ dar, die deren angebliche „tägliche Demütigungen und Schikanen“ über sich ergehen lassen müssten. Die NPD Duisburg unterstellte den Bewohner_innen pauschal organisierte Kriminalität: „Die Hochhäuser in Rheinhausen fungieren offenbar als Kommandozentrale, aus der die Asylanten (sic) bundesweit agieren.“[63]

Das Hochhaus „In den Peschen“ wurde Ende 2012 mit einem Hakenkreuz und NPD-Aufklebern beschmiert. Die NPD verteilte in der Folgezeit mehrmals Flugblätter und Aufkleber in Bergheim und hielt dort am 18. Mai 2013 eine Kundgebung ab. Pro NRW veranstaltete am 12. März 2013 im Stadtteil eine Demonstration und hetzte auf ihrer Internetseite gegen „Zigeuner“.

Anders als in Dortmund gibt es in Duisburg keinen Kreisverband der Partei „Die Rechte“. Außerhalb der Parteienlandschaft existiert der neonazistische Sturm 18 e.V. Ortsgruppe Duisburg[64], der aber zum großen Teil politisch inaktiv ist und nicht durch antiziganistische Aktionen auffiel. Anders ist es beim 2011 gegründeten neonazistischen „Nationalen Widerstand Duisburg“ (NWDU), der in regelmäßigen Rubriken gegen die Zuwander_innen hetzte. Dabei wurden regelmäßig Opfer zu Täter_innen gemacht: „Polizeieinsätze am von Zigeunern bewohnten Problemhaus, sowie kriminelle Handlungen durch Zigeuner, die etwa alten Frauen beim Bankautomaten auflauern oder Kindern ihr Fahrrad stehlen, reißen nicht ab. Da diesen Zuständen weder durch Stadt noch Polizei Einhalt geboten wird, sind die zwingenden Konsequenzen Bürger, die ihren Zorn über besagte Zustände Luft machen. Um eine feindschaftliche Stimmung gegen die in Duisburg herrschenden Zustände zu entwickeln, bedarf es keiner demagogischen Maßnahmen seitens politischer Gruppen. Die angeheizte Stimmung ist Resultat verachtenswerter und untragbarer Zustände. Eine Abneigung gegen diese ist verständlich und natürlich. (…) Kriminellen und Fremden, die weder in unserer Stadt, noch in irgendeiner anderen Ecke Deutschlands etwas zu suchen haben.“[65]

Strukturelle und personelle Überschneidungen des NWDU gibt es zu rechten Hooligans des lokalen Fußballvereins MSV Duisburg. Jeweils ein Mitglied der Ultragruppierungen „Borrachos“ und „Division“ war im NWDU und im „Nationalen Widerstand Dortmund“ (NWDO), der 2012 vom nordrhein-westfälischen Innenminister Jäger verboten wurde, aktiv.[66] Mehrfach fielen Angehörige der „Division“ vor, bei und nach Fußballspielen durch rassistische, antiziganistische, antisemitische und homophobe Parolen auf.[67] Antirassistische Ultras des MSV Duisburg wurden in mehreren Fällen von Mitgliedern der „Division“ angegriffen und verletzt. Personelle und ideologische Berührungspunkte zur NPD gibt es ebenfalls. Die „Division“ nahm an verschiedenen Fußballturnieren teil, die von Neonazis zur Vernetzung genutzt werden. Eines dieser Turniere war der „SV Astika Cup“[68] in der Nähe von Karlsruhe, wo auch Parteimitglieder der NPD mitwirkten.[69]

Am 29.8.2013 kam es zu einer Kundgebung von Pro Deutschland in der Nähe des Hauses „In den Peschen“, der sich ca. 900 Antifaschist_innen entgegenstellten. Bei einer Veranstaltung der Gegendemonstrant_innen durfte ein in der Vergangenheit wegen antiziganistischer Äußerungen aufgefallener Anwohner sprechen. In seinem Redebeitrag unterschied der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link zwischen „guten“ integrations- und arbeitswilligen und „schlechten“ angeblich kriminellen und auf Sozialmissbrauch spekulierenden Zuwander_innen.

Die NPD versuchte die antiziganistische Stimmung für ihre eigenen Zwecke im Hinblick auf die Bundestagswahl im September 2013 auszuschlachten. Plakate mit der Aufschrift „Lieber Geld für Oma statt für Sinti und Roma“ waren in einigen Städten des Ruhrgebietes zu sehen. Diese Hetzkampagne fand offensichtlich Resonanz, die NPD holte 4,2% der Erst- und 2,8% der Zweitstimmen im gesamten Duisburger Stadtgebiet.

Am 9. Oktober 2013 wurde ein zum großen Teil von Roma bewohntes Haus in Duisburg-Hochheide in Brand gesetzt, wobei 17 Personen verletzt wurden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um einen antiziganistisch motivierten Anschlag handelt.

Am „braunen“ 1.Mai 2014 marschierten die NPD und Pro NRW im Vorfeld der Europa- und Kommunalwahlen in zwei räumlich und zeitlich getrennten Kundgebungen durch Duisburg.

Wie viele militante Übergriffe gegen Migrant_innen stattgefunden haben, ist kaum zu beurteilen. Durch eine Anfrage an den Landtag kam heraus, dass Anfang September 2012 sechs rumänische Staatsbürger_innen in Marxloh von einer Gruppe mit Schlagringen und Schlagstöcken bewaffneter Vermummter angegriffen wurden. Dabei versammelte sich eine große Menschenmenge am Tatort, aus der keine Hilfe für die Angegriffenen kam, dafür aber vereinzelt Applaus.

Die ersten nach der EU-Osterweiterung 2007 nach Duisburg kommenden Zuwander_innen aus Bulgarien und Rumänien waren zunächst nicht willkommen. Ähnlich wie in Dortmund setzte die Stadt auf eine Politik der Vertreibung.[70] Im Jahre 2008 ließen sich mehrere Monate lang etwa 100-200 Personen, die in der Presse als Sinti und Roma aus Bulgarien und Rumänien kategorisiert wurden, im Stadtteil Bruckhausen nieder. Von dort wurden sie durch permanente Kontrollen von Polizei und Ordnungsamt vertrieben. Es sollte ein Zeichen auch für andere potentielle Zuwander_innen gesetzt werden, dass ihre Ankunft in Duisburg nicht erwünscht ist. Trotzdem kamen immer mehr rumänische und bulgarische Migrant_innen nach Duisburg. Im Jahre 2011 änderte die Stadt Duisburg offiziell ihren Umgang mit der Zuwanderung. Einer pragmatischere Sichtweise folgend sollte nun eine Integration der Zuwander_innen angestrebt werden. Dies wurde damit begründet, dass die Verdrängungspolitik die sich stellenden Probleme nur verlagert, aber nicht löst. Um die Situation der Zuwander_innen zu verbessern und eine solidarische Integration zu ermöglichen, erstellte die Stadt Duisburg zusammen mit zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen und Expert_innen ein Handlungskonzept. Das Handlungskonzept beinhaltete die Unterpunkte „Bildung und Jugend“, „Wohnen, Arbeit und Gesundheit“ sowie „Recht und Ordnung“.

Im Bildungsbereich konnten Maßnahmen des Handlungskonzeptes erfolgreich umgesetzt werden.[71] An Grundschulen wurden insgesamt 11 Vorbereitungsklassen geschaffen. Extra eingerichtete Sprachfördergruppen an 11 Grundschulen und einer Realschule sollten die sprachliche Integration erleichtern. Bis Ende 2012 wurden insgesamt ca. 1.200 rumänische und bulgarische Kinder beschult. Aufgrund mangelnder Kapazitäten gab es jedoch eine Warteliste von mehr als 100 Kindern. Ab Januar 2013 wurden zwei Honorarkräfte mit rumänischer und bulgarischer Sprachkompetenz eingestellt, um Kinder und deren Familien bei nötigen Behördengängen zur Einschulung begleiten und unterstützen.[72] In der Stadtbibliothek wurde eine interkulturelle Kinderbibliothek u.a. mit bulgarischen Medien eingerichtet mit speziellen Führungen für Schulkinder aus Südosteuropa.

Darüber hinaus wurde Projekte zur „Sicherung des sozialen Friedens“ angestoßen.[73] In Bergheim sollten eine zweistündige Präsenz von Mitarbeiter_innen des Ordnungsamtes und die tägliche Müllbeseitigung durch die kommunalen Wirtschaftsbetriebe zu einer „Beruhigung der Situation“ beitragen.

Den kommunalen Handlungsmöglichkeiten sind jedoch Grenzen gesetzt; aufgrund von Geldmangel konnte das Konzept nicht vollständig umgesetzt werden: „Schon die Erfüllung von Pflichtaufgaben stellen die Stadt vor kaum zu bewältigende Kosten. Darüber hinaus ist zur Vermeidung hoher Folgekosten und zum Abbau sozialer Spannungen zudem die Erfüllung freiwilliger Aufgaben dringend notwendig.“[74] Es wird immer die Notwendigkeit finanzieller Hilfe von Land, Bund und EU betont. Zur Erlangung von EU-Fördermitteln wurde die Projektgruppe „Finanz- und Fördermittelakquise“ im Sommer 2012 einberufen.[75]

In Duisburg wurde ein „Kommunales Integrationszentrum“ eingerichtet, dem bei „der Koordinierung von Lösungen zur Roma-Zuwanderung“ eine Schlüsselrolle zufallen soll. Für das neue Integrationszentrum wurden zum 1. August 2013 das städtische Referat für Integration und die „Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien“ (RAA) zusammengelegt.

Der Verwaltungsvorstand der Stadt Duisburg übertrug dem Referat für Integration die Koordinations- und Steuerungsaufgaben zur Umsetzung des Handlungskonzeptes.[76] Im Mittelpunkt stand erstens die Organisation und Verbesserung des Dialogs zwischen den Zuwander_innen und der autochthonen Bevölkerung der Stadtteile. Zweitens ging es um die Aufklärungs- und Informationsarbeit in der deutschen Öffentlichkeit zu Herkunft und Situation der Zuwanderung insbesondere in den Stadtteilen. An der Umsetzung des Handlungskonzepts beteiligen sich verschiedene Vereine und Organisationen wie der Verein ZukunftsOrientierte Förderung e.V. (ZOF), die Internationale Initiative Hochfeld, die Arbeiterwohlfahrt und weitere Organisationen.[77] Die meisten Organisationen oder Vereine, wenn sie nicht dort schon aktiv sind, haben Zweigstellen in Hochfeld und Bergheim eingerichtet.

Es wurden in verschiedenen Stadtteilen Arbeitskreise gegründet, an denen die verschiedenen Stadtteilakteure beteiligt waren, um ein friedliches Zusammenleben zu gewährleisten. Der Runde Tisch „Offenes Rheinhausen“ bestand aus Anwohner_innen, Politiker_innen, Ordnungsbehörden, verschiedene Ämter, Religionsgemeinschaften und weiteren Akteur_innen. Der Runde Tisch wurde als Reaktion auf rassistische Äußerungen von Anwohner_innen bei einem politischen Abendgebet, das vom dortigen Pfarrer Augustin organisiert wurde, gegründet. Im Auftrag des Jugendamtes ist ZOF mit Beratungsangeboten im Wohnkomplex „In den Peschen“ vertreten. So konnte ein erster Kontakt mit den Bewohner_innen des Hauses und den Akteur_innen des Forums „Offenes Rheinhausen“ hergestellt werden. Der Runde Tisch Marxloh hat einen ähnlichen Ansatz und ist im Austausch mit der dort ansässigen Entwicklungsgesellschaft Duisburg (EGDU). In Hochfeld bildete sich der Arbeitskreis Neu-EU-Bürger_innen, in dem wichtige Stadtteilakteure aus Verwaltung und zivilgesellschaftliche Akteur_innen im kontinuierlichen Austausch zur Verbesserung der Situation zusammenarbeiten. Dieser Arbeitskreis überreichte im Juli 2012 eine Bedarfsanalyse für Hochfeld an das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales.

Das Jugendamt hat ZOF damit beauftragt, mit rumänisch- und bulgarischsprachigen Sozialarbeiter_innen primäre Zugänge zu den Menschen vor Ort herzustellen mit dem Ziel, vertrauensbildende Maßnahmen aufzubauen und mögliche Hilfsangebote auszuloten. Die Abteilung für Arbeit und Soziales bei der bulgarischen Botschaft und ZOF organisierten einen Beratungstag in Fragen zur Beschäftigung und Sozialversicherung für bulgarische Staatsangehörige.[78]

Die Integrationsagentur der Internationalen Initiative Hochfeld e.V. gab mit Unterstützung der Evangelischen Kirche im Rheinland die Broschüre „Willkommen in Duisburg“ heraus.[79] Die Broschüre richtet sich an in Duisburg lebende Bürger aus Bulgarien und Rumänien und soll als erste Orientierungshilfe dienen. Dort gibt es Informationen und Kontaktadressen zu Themen wie „Ausländerrechtliche Fragen“, „Wohnen“, „Gesundheit“, „Schule&Kindergarten“, „Arbeit&Beruf“ sowie „Sprache“. Die Broschüre erschien in verschiedener Auflagestärke in bulgarischer, deutscher und rumänischer Sprache.

Ein wichtiges Problem der Migrant_innen ist oft der fehlende Krankenversicherungsschutz: Aus diesem Grunde hat das Gesundheitsamt Sprechstunden für nicht versicherte Kinder eingerichtet, bietet Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen sowie medizinische Basisversorgung an und informierte über die Angebote auf Deutsch, Türkisch, Bulgarisch und Rumänisch.[80]

Aufgrund der prekären sozialen und wirtschaftlichen Lage vieler Migrant_innen besteht die Gefahr, obdachlos zu werden. Zielgruppe für Obdachloseneinrichtungen wurden daher auch vermehrt wohnungslose Zuwanderer_innen.[81]

Um Kosten für Sozialleistungen zu minimieren, sollten Migrant_innen durch Fortbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen auf den Arbeitsmarktantritt vorbereitet werden.[82] Die Volkshochschule Duisburg wurde beauftragt, die Kurse Deutsch für Alltag und Berufsvorbereitung durchzuführen. Es sollten drei Vollzeitgruppen mit je 15 Jugendlichen eingerichtet werden; die Kurse sollten ca. 9-12 Monate dauern.

Die RAA Duisburg engagierte sich in der interkulturellen Beratung in der Elternarbeit. Rumänisch-, türkisch- und bulgarischsprachige Berater_innen unterstützten den Kontakt zwischen Schule/Kita und Elternhaus.

Im Komma-Theater trat beim Konzert „Turlitawa“ eine generationenübergreifende Gruppe von Menschen verschiedenster Herkunft auf. Viele Kinder von rumänischen und bulgarischen Einwander_innen, die im Hochhaus „In den Peschen“ wohnen und dort ihren eigenen Hauschor haben, nahmen auch an der Aufführung teil.[83]

Im Gegensatz zu diesen seriösen Bemühungen um eine solidarische und gleichberechtigte Integration gibt es auch äußerst fragwürdige Vereine wie die „Stimme der Migranten“ unter ihrer Vorsitzenden Vasilka Bettzieche, die sich selbst als Romni bezeichnet. Dieser Verein will schon mit seinem Namen suggerieren, dass er sich als Vertreter der Belange der Zuwander_innen versteht. Dabei ist weder Bettzieche noch ihr Verein in irgendeiner Weise dazu legitimiert, als Sprecher der Zuwander_inneninteressen zu fungieren. Im Gegenteil geht es ihr wohl nur darum, öffentliche Gelder abzugreifen und sich auf Kosten der Migrant_innen zu bereichern. Laut offizieller Selbstdarstellung hat sich der Verein „Stimme der Migranten“ zum Ziel gesetzt, „Kindergeld und Elterngeldtourismus“ zu verhindern und eine „Integration“ durch eine „Zivilisierung“ der zugewanderten Menschen zu erreichen.[84] Bettzieche bemerkte in diesem Zusammenhang: „Bevor wir hier über Integration sprechen, steht in einigen Bereichen zunächst die Zivilisierung an.“[85] Damit bestätigt und transportiert Bettzieche das alte antiziganistische Ressentiment der Primitivität und einen in der Mehrheitsbevölkerung vorhandenen kulturellen Rassismus.

Bettzieche behauptet allen Ernstes, dass es der Mentalität und Denkweise der Roma widerspricht, logisch und rational zu denken: „Dazu habe ich die Menschen studiert, (…) und psychologische Bücher gelesen. Auch die Hirnforschung habe ich zu Rate gezogen. (…) Die Form des menschlichen Gehirns (…) lässt sich in zwei Hälften teilen: Die linke Hälfte ist für das logische Denken verantwortlich, die rechte für den emotionalen und kreativen Anteil. Aus meiner Beobachtung kann ich sagen, dass die Roma sich zu 90% der rechten Hälfte bedienen.“[86] Um „die Benutzung der linken Hälfte zu fördern“, bedürfe es zunächst einer Schulbildung. Sie selbst sieht sich als „Integrationshelfer“, um „anderen Roma den Weg zur Zivilisation zu zeigen“.

Bettzieche stellt die angeblich üppigen Sozialleistungen in der BRD als Grund für die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien, die „Schäden in ganz Europa anrichten“ würden, dar: „Deutschland ist ein attraktives Land durch die Zahlungen und die einfache Art, wie man das Geld erhält. Das ist der Grund für die Zuwanderung.“[87]

Dem neonazistischen Freien Netz Süd, das gegen „die Überfremdungswelle aus Osteuropa“ und den „ziganischen Sozialtourismus“ wettert, dient Bettziche als Stichwortgeberin und „Kronzeugin“ für die ihre menschenverachtende Propaganda. Dort ist zu lesen: „Vasilka Bettziche, selbst Zigeunerin und Vorsitzende des Vereins ‚Stimme der Migranten‘ gibt ganz offenherzig in Hinblick auf ihre Volksgruppe zu: ‚Zuerst müssen diese Menschen zivilisiert werden.‘ Hätte das ein Nicht-Zigeuner gesagt, wäre wohl wieder mal die Rassismuskeule geschwungen worden.“[88]

Insgesamt gesehen lässt sich feststellen, dass die schon veranschlagten Maßnahmen nicht ausreichen, da nicht alle Neubürger_innen erreicht werden können. Die Verbesserung des Hilfsangebotes für die Zuwander_innen ist daher zwingend erforderlich.

Im Kommunal- und Europawahlkampf 2014 in Duisburg war die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien ein beherrschendes Thema. Die mit antiziganistischen Parolen angetretene extreme Rechte konnte ihren Stimmenanteil erheblich steigern.

Bernd Lucke, Bundesvorsitzender der „Alternative für Deutschland“ (AfD), startete in Duisburg mit seiner „Tour de Ruhr“ in die heiße Phase der Europa- und Kommunalwahlkampfes 2014. Unter dem Motto „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt“ sprach er sich gegen „Armutszuwanderung“ aus und agitierte mit nationalistischen Phrasen gegen Europa. Lucke sprach sich dagegen aus, „dass für viele tausend Euro Impfungen für zugewanderte Prostituierte bezahlt wurden. Das Geld hätte man besser anders ausgeben können.“[89] In ihrem Programm hetzte die AfD gegen „Armutsmigration“ in Duisburg: „Gute und bereits qualifizierte Arbeitskräfte suchen ihr berufliches und wirtschaftliches Glück außerhalb unserer Stadt. Dieser Trend hält unvermindert an und bisher wird versucht, durch Zuwanderung aus bildungsfernen Kreisen aus dem Ausland den Bevölkerungsschwund zu kompensieren. Dieser Versuch ist auf Dauer zum Scheitern verurteilt. Deutschland, wie auch Duisburg, braucht Zuwanderung. Dies sind Tatsachen. Tatsache ist aber auch, dass wir ausschließlich qualifizierte Zuwanderer brauchen.“[90]

Pro NRW polemisierte ebenfalls gegen die „Armutszuwanderung“ nach Duisburg: „PRO NRW ist eine Stimme für die Interessen der einheimischen Bevölkerung. Armutszuwanderung und finanzieller Ruin, sind die politische Bankrotterklärung verbrauchter Akteure, die abgewählt gehören! Duisburg darf kein zweites Berlin-Kreuzberg werden. Deshalb wählt Duisburg PRO NRW![91]

Im Kommunalwahlkampf ist die Duisburger CDU scharf in die Kritik geraten, weil sie ein antiziganistisches Wahlplakat zum Stimmenfang benutzte. Als Foto wurde eine veraltete Aufnahme des Hochhauses "In den Peschen" hinter Müllbergen verwendet. Auf dem Wahlplakat ist die Schlagzeile „Missstände beseitigen“ zu lesen.[92]

Die „Initiative Mitgliederprinzip“ innerhalb der Duisburger CDU wandte sich in einer Petition wegen des Plakates gegen die eigene Parteiführung. Sie sah darin eine menschenverachtende Agitation gegen Minderheiten: „Mitten im Europawahlkampf tritt die CDU Duisburg eine der Grundfreiheiten eines jeden Europäers innerhalb der EU mit den Füßen: (…) Fassungslos können wir nicht verstehen, wie die Parteiführung der CDU Duisburg dieses Recht für jeden innerhalb der EU als völlig selbstverständlich erachtet, außer für Rumänen und Bulgaren. (…) Wir erwarten vom Kreisvorstand der CDU Duisburg ein klares Bekenntnis zu den Grundwerten der CDU Deutschland! Wir fordern den Kreisvorstand der CDU Duisburg auf, die menschenverachtende Plakatwerbung, die eine Hetze auf Minderheiten darstellt, die sich dieser wehrlos gegenübergestellt sieht, aus dem Verkehr zu ziehen. (…) Das Plakat ‚Missstände beenden‘ und die im Nachhinein im Zusammenhang mit diesem Plakat getätigten Aussagen der CDU-Führung in Duisburg entsprechen nicht den Grundwerten unserer eigenen Partei. (…) Wir möchten insbesondere die Zuwanderer in Duisburg und die Ehrenamtlichen, die schon vor Monaten geholfen haben, die Missstände in den Peschen tatsächlich längst zu beseitigen, für dieses populistische Plakat um Entschuldigung bitten.“[93]

Deniz Aksen, Vorsitzender von ZOF, sagte: „Wir haben Menschen in Wohnung und Arbeit vermittelt. Traurig, dass die CDU alte Bilder benutzt.”

Birgit Beisheim, Sprecherin der Duisburger Grünen, erklärte: „Mit diesem Plakat werden unsere Stadt und alle Menschen, die sich um Integration bemühen, verunglimpft und als untätig dargestellt. Wir fordern die CDU auf, dieses Plakat unverzüglich zu entfernen."[94]

Die SPD sprach von „Wahlkampf auf Kosten der Zuwanderer“. Manfred Krossa, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Rheinhausener Bezirksvertretung, erklärte: „Eine christliche Partei sollte sich schämen, mit rassistischem Gedankengut zu werben. Die SPD findet es besonders traurig, dass die vielen ehrenamtlichen Helfer und die Menschen, die Patenschaften für dort lebende Familien übernommen haben, so vor den Kopf gestoßen werden. Wir fordern das sofortige Einstampfen dieser entwürdigenden Plakate.“[95] Für den Oberbürgermeister Sören Link stellte das Plakat ein „Eigentor” dar: „Diese Art von Populismus bringt die Stadt Duisburg nicht weiter.“ Reinhold Spaniel, Leiter des Sozialdezernats der Stadt Duisburg, warnte die CDU, beim Wahlkampfthema Zuwanderung „nicht mit dem Feuer zu spielen“.[96]

Auch die Linke Duisburg kritisierte das Plakat: „Wer sich antiromaistischerVorurteile bedient, macht Rassismus hoffähig.“[97]

Der Vorsitzende der CDU-Duisburg, Thomas Mahlberg, bezeichnete die erhobene Kritik, die CDU würde mit dem Motiv „Missstände beenden“ auf ein nicht mehr aktuelles und gelöstes Problem hinweisen, als schlicht falsch. Mahlberg führte aus: „Richtig ist, dass die Bürgerinnen und Bürger in den von massenhafter Zuwanderung betroffenen Stadtteilen weiterhin leiden. Das auf dem Plakat gezeigte Haus ‚In den Peschen‘ ist letztlich nur ein trauriges Symbol für die weiterhin vorhandenen Missstände. Mit dem Plakat machen wir nun erneut auf die massiven Probleme aufmerksam. Die Missstände zu benennen, ist nicht unmoralisch und integrationsfeindlich, sondern wahrhaftig. Wer vor der Wahrheit die Augen verschließt und weltfremd argumentiert, leistet der Integration einen Bärendienst. Die große Resonanz auf unser Plakat zeigt uns sehr eindringlich, dass das Thema den Menschen auf der Seele brennt. Es wäre nicht nur fahrlässig, sondern gefährlich, würden die demokratischen Parteien dieses Thema den rechten Menschenfischern überlassen.[98]

Volker Mosblech, stellvertretender Vorsitzender der CDU Duisburg, verteidigte die Plakate: „Als Volkspartei dürfen wir wohl noch auf Missstände hinweisen, ohne direkt in die rechte Ecke gedrängt zu werden. Es geht uns um Sicherheit und Sauberkeit.”[99] In der Tatsache, dass das Foto schon sehr alt ist und es „In den Peschen“ seit vielen Monaten nicht mehr so aussieht, sieht er kein Problem. Man müsse die „Vorlaufzeit bedenken, die so ein Wahlkampf hat“. Die Plakate seien schon vor Monaten eingeplant gewesen: „Da kann man gar kein ganz aktuelles Foto haben.“[100]

Bei der Kommunalwahl vom 25.5.2014 erzielte die SPD 40,99%, die CDU 24,78%, Die Grünen 7,37%, die Linke 6,58 %, die FDP 2,44%, die AfD 3,54%, PRO NRW 4,24% und die NPD 1,73%.[101] Insgesamt bekamen damit extrem rechte Parteien mehr als 6% der Stimmen in Duisburg. Rechnet man noch die rechtskonservative AfD, in der es auch einen extrem rechten Flügel gibt, dazu, hätte jede(r) zehnte Wähler(in) für rechte Parteien gestimmt. Pro NRW holte vier Ratssitze und ist in alle Duisburger Bezirksvertretungen gewählt worden. Alexander Häusler, Experte für die extreme Rechte, äußerte sich folgendermaßen zu diesem Rechtsruck: „Die extreme Rechte in Duisburg hat sich die Problematik rund um die Einwanderung von Rumänen und Bulgaren zunutze gemacht. Die etablierten Parteien haben den Bürgern anscheinend keine glaubhafte Lösung präsentiert: Diese Lücke hat vor allem Pro NRW besetzt."[102]

Vor allem in den traditionellen CDU-Hochburgen hat die AfD überdurchschnittliche Werte erzielt.[103] Nach dem Wahldebakel, das der Union mit knapp 25 Prozent das schlechteste Wahlergebnis nach dem 2.Weltkrieg bescherte, sah ihr Fraktionschef Rainer Enzweiler „keine Wahlkampffehler“, räumt allerdings ein, „dass wir an die Rechten verloren haben“.[104] Dass die Wähler_innen beim Streitthema Zuwanderung lieber für das rechte „Original“ gestimmt haben, wurde gar nicht erst thematisiert.

Die extrem rechten Parteien Pro NRW und NPD holten in einigen Rheinhausener Stimmbezirken überproportional viele Stimmen. So wählten in dem Bezirk „In den Peschen“ von 270 Wähler_innen 26 Pro NRW (9,7 Prozent) und zehn NPD (3,73 Prozent), hier kam die SPD auf 90 Stimmen (33,58 Prozent) und die CDU auf 43 (16,04 Prozent). Zweistellige Prozentzahlen holte Pro NRW in einigen Stimmbezirken in Rheinhausen-Mitte und Hochemmerich-Nord. Im Stimmbezirk, der die Straßen rund um die Häuser „In den Peschen“ umfasste, kam Pro NRW bei den Bezirksvertretungswahlen mit 26 Stimmen auf 9,7 % und die NPD mit 10 Stimmen auf 3,7 %.[105]

Angesichts des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels sowie der seit Jahren stark sinkenden Einwohner_innenzahlen liegt es im Interesse der Stadt, Migrant_innen anzulocken und ihnen Startchancen für ein erfolgreiches Leben in Duisburg zu eröffnen. Die Einwanderung muss als Chance für die Entwicklung der Stadt gesehen werden und nicht als Bedrohung. Rund ein Drittel der Einwohner_innen Duisburg haben eine Zuwanderungsgeschichte, Integration ist seit Jahrhunderten Normalität. Für eine Verbesserung der Integration sind sowohl Einrichtungen von sprachlich kompetenter Alltags-, Sozial- und Rechtsberatung für die Zuwander_innen als auch Aufklärungs- und Informationsarbeit in der autochthonen Öffentlichkeit zu Herkunft und Situation der Zuwanderung insbesondere in den Stadtteilen maßgebend. Ein koordiniertes Zusammenwirken von Bund, Ländern, europäischer Ebene und anderen relevanten Akteuren ist ebenfalls erforderlich.

Die Bereitstellung einer finanziellen Soforthilfe des Landes NRW im Jahre 2013 in Höhe von 7,5 Millionen Euro, wovon ein Großteil an die Städte Duisburg und Dortmund ging, ist ein Anfang.[106] Allerdings müsste allen Verantwortlichen klar sein, dass dies bei weitem nicht ausreicht, um eine solidarische und gleichberechtigte Integration der Einwander_innen zu gewährleisten.

Hegemoniale Medienvertreter_innen und gesellschaftliche Repräsentant_innen vor allem aus den „Volksparteien“ tragen die Verantwortung für eine rassistisch gefärbte Stimmungslage gegen Migrant_innen aus Rumänien und Bulgarien, die an jahrhundertealte antiziganistische Stereotype anknüpft. Die Situation erinnert fatal an die Stimmungsmache gegen „Asylbetrüger“ und andere Einwander_innen in den frühen 1990er Jahren, die letztlich eine ideologische Basis für die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen und zahllose Morde an „Ausländer_innen“ bildete. Dass die Einwanderung eine Reaktion auf die von der damaligen Bundesregierung und der EU rechtlich ermöglichten und gewollten Freizügigkeit darstellt und als europäisches Grundrecht gilt, wird schlichtweg ignoriert.

Der Deutsche Städtetag entwarf ein Bedrohungsszenario und äußerte sich besorgt, dass „die soziale Balance und der soziale Frieden in den Städten in höchstem Maße gefährdet sind.“[107]

Schon im Jahre 2013 hatte der damalige Innenminister Friedrich (CSU) bei einem Treffen der EU-Innenminister_innen einen härteren Kurs gegen „betrügerische Armutseinwanderer“ angekündigt: „Wer Sozialleistungen missbraucht, soll ausgewiesen werden.“ Zudem wolle er Ausgewiesenen, obwohl sie EU-Bürger_innen sind, „eine Einreisesperre für eine bestimmte Zeit auferlegen, damit sie am nächsten Tag nicht wiederkommen können.“[108] Diese Forderungen Friedrichs können nur als populistische Stimmungsmache verstanden werden. Ihm als damaligen Innenminister dürfte bekannt gewesen sein, dass Wiedereinreisesperren nach dem EU-Recht wegen des vorrangigen Werts der Freizügigkeit nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen möglich sind, nämlich nur bei akuten Gefahren für die öffentliche Ordnung. Die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten, um Sozialmissbrauch oder nicht gerechtfertigten Ansprüchen auf Aufenthalt in der BRD zu begegnen, gibt es bereits und könnten – ob nun angebracht oder nicht – ausgeschöpft werden.[109]

Es geben mehrere Indizien, die dafür sprechen, dass die Thesen Friedrichs schon damals nicht der Realität entsprachen. Im März 2013 teilte die Europäische Kommission mit, dass es ihrer Meinung nach keine „Armutsmigration“ nach Deutschland gebe. Der EU-Sozialkommissar Laszlo Andor erklärte, dass es sich vielmehr „um ein Wahrnehmungsproblem in manchen Mitgliedstaaten, das keine Grundlage in der Wirklichkeit hat“, handele.[110] Das Bundesinnenministerium konnte nach einer parlamentarischen Anfrage Friedrichs Thesen nicht belegen. In einem amtlichen Schreiben hieß es: „Die Bundesregierung teilt die (…) Auffassung, dass es sich bei der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien nicht in erster Linie um sogenannte ‚Armutsmigration‘ handelt.“[111] Außerdem zeigte sich, dass Bulgar_innen und Rumän_innen arbeitsmarktpolitisch in der BRD gut integriert waren. So waren rund 110.000 Rumän_innen und Bulgar_innen 2012 sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt, was 29,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum waren.

Friedrichs Forderung fand immer mehr Anhänger_innen jenseits der Parteigrenzen. Die Sozialdezernentin der Stadt Dortmund, Birgit Zoerner (SPD), plädierte dafür, die Freizügigkeitsrichtlinie einzuschränken. Die geltende europaweite Freizügigkeit führe „in Zusammenhang mit der Armutswanderung zu ungeordneten Verhältnissen in den Kommunen. Die Menschen ziehen meist in die Quartiere, die ohnehin schon seit langem große soziale Herausforderungen bewältigen müssen.“ Der Duisburger CDU-Ratsfraktionschef Rainer Enzweiler sah in den Forderungen seines Parteifreundes Friedrich einen guten Ansatzpunkt, um den „Problemen“ jetzt „wirkungsvoller“ zu begegnen: „Endlich bewegt sich etwas. Der Bundesinnenminister tut gut daran, jetzt zügig entgegenzusteuern und die genannten Maßnahmen wie Ausweisung und Einreisesperre durchzusetzen. Nur so kann verhindert werden, dass die Ausgewiesenen am nächsten Tag direkt wiederkommen. Hoffentlich wird nun schnell gehandelt und nicht nur geredet. Denn die Menschen in den betroffenen Stadtvierteln wollen und brauchen Antworten der Politik auf ihre drängenden Fragen, wie die teilweise unhaltbaren Zustände vor Ort beseitigt werden. Wir brauchen Sanktionsinstrumente, die auch greifen. Wir dürfen auf keinen Fall den Eindruck entstehen lassen, es gebe in Deutschland oder in der EU in einigen Bereichen rechtsfreie Räume, in denen offensichtlichem Sozialbetrug tatenlos zugesehen wird.“[112] CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach forderte die EU auf, die Frage zu klären, „ob es auf Dauer dabei bleiben soll, dass unter Berufung auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit“, auch der freie Zugang „in die sozialen Sicherungssysteme anderer Staaten ermöglicht werden soll“.[113]

CDU-Fraktionschef Karl Josef Laumann wollte „ausgewiesenen Sozialbetrügern die Wiedereinreise verbieten“ und polemisierte: „Freizügigkeit für EU-Bürger heißt nicht, die Freiheit zu haben, nur wegen höherer Sozialleistungen nach Deutschland zu kommen.“[114] Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte, es gehe nicht darum, die EU-Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit zu beschneiden, sondern „Sozialmissbrauch zu stoppen“.[115] Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer sagte „Eine Zuwanderung von Fachkräften ist uns herzlich willkommen. Aber wir müssen darauf achten, dass es nicht zu verstärkter Zuwanderung von Ausländern kommt, die ausschließlich unsere Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen.“[116] Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) forderte ein Wiedereinreiseverbot für Straftäter_innen.[117]

Der CDU-Politiker Elmar Brok, Chef des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, forderte gar Fingerabdrücke für „Sozialbetrüger aus Osteuropa“: „Zuwanderer, die nur wegen Hartz IV, Kindergeld und Krankenversicherung nach Deutschland kommen, müssen schnell zurück in ihre Heimatländer geschickt werden. Um Mehrfacheinreisen zu verhindern, sollte man darüber nachdenken, Fingerabdrücke zu nehmen. Wir können die sozialen Probleme in Bulgarien und Rumänien nicht mit Hartz IV in Deutschland lösen.[118]

Zum Streit zwischen Bundesregierung und EU-Kommission um Hartz IV für Zuwanderer_innen aus Südosteuropa bemerkte der Fraktionschef der CDU, Volker Kauder: „Die Haltung der EU-Kommission ist völlig unakzeptabel. Würde sich ihre Ansicht durchsetzen, würde es vermutlich einen erheblichen Zustrom von Menschen geben, die allein wegen der Hartz-IV-Zahlungen nach Deutschland kommen würden.“[119]

Konservative Leitmedien entwarfen ein Schreckensszenario von einer „Masseneinwanderung“[120] ab 2014, wenn Arbeitnehmer_innen aus Bulgarien und Rumänien überall in der EU und somit auch in der BRD leben und arbeiten dürfen, das mit antiziganistischen Motiven angereichert wurde. Die „Rheinische Post“ schrieb: „Ab 1. Januar werden nach Expertenmeinung bis zu 15.000 Rumänen und Bulgaren in Duisburg leben. Obwohl sie dann hier berufstätig sein könnten, sind ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt eher schlecht. (…) Duisburg erwartet Flüchtlingswelle.“[121] In der „Welt“ hieß es: „Dass Zigeuner (sic) aus Südosteuropa ihre Geburtsländer immer weniger als Heimat begreifen, sondern als Wartesaal für eine Reise von der Peripherie in die Zentren der Europäischen Union, war seit 2010 nicht mehr zu übersehen.“[122] Unter dem Titel „Armutseinwanderung-Gefahr für den sozialen Frieden“ bemerkte die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Die sozialen und kulturellen Konflikte, das Wohlstandsgefälle zwischen den Lebensverhältnissen in Osteuropa und einer deutschen Großstadt sind nun schon seit Jahren in nur wenige Quadratkilometer großen Stadtteilen Dortmunds, Offenbachs oder Mannheims zu besichtigen. Es beginnt beim fehlenden Impfschutz, dem vermehrten Auftreten von multiresistenten Tuberkulose-Infektionen und endet bei einem deutlichen Anstieg von Sozialausgaben und den Aufwendungen für die Krankenversorgung.“[123]

Dabei war schon zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass die BRD kein bevorzugtes Ziel für Migrant_innen aus Bulgarien und Rumänien darstellte.[124] Nach Spanien und Italien wanderten mehr als eine Million aus; dies war dreimal so viel wie nach Deutschland (ca. 324.000), dem Land mit der größten Bevölkerung in Europa. Bei einem Blick auf die Statistik kann von einer „unkontrollierten Masseneinwanderung“ keine Rede sein. Wenn die Auswanderung und die Einwanderung von Menschen aus anderen EU-Staaten gegeneinander verrechnet werden, wanderten im Saldo insgesamt 286.000 Menschen im Jahre 2012 in die BRD ein. Aus Rumänien kamen 44.000 und aus Bulgarien 24.000 Menschen.[125] Dass nicht nur Angehörige der Roma-Minderheit sondern auch weiße Rumän_innen und Bulgar_innen einwanderten, dürfte bei einer seriösen Recherche deutlich werden. Das Angstszenario, dass Deutschland von „Einwanderungswellen“ überrannt werden wird, erinnert stark an die „Das Boot ist voll“-Metaphorik des Spiegels Anfang der 1990er Jahre, was synonym für die migrationsfeindliche Stimmung in der hegemonialen bürgerlichen Presse stand.

In der Bild-Zeitung wurde über das angebliche Sozialschmarotzertum der Migrant_innen und die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ spekuliert. In einem Artikel stellt Bild selbst die Frage: Bekommen Roma Hartz IV? Die Frage wird verneint und auf die bald greifende Freizügigkeitsregelung ab dem 1.1.2014 verwiesen.[126] In einem anderen Artikel hieß es: „Politiker befürchten: Zehntausende kommen und kosten Millionen.“ Oder „Die Befürchtung: Zehntausende kommen nur wegen den Sozialleistungen.[127]

Martin Korol, damals noch Bürgerschaftsabgeordneter der Bremer SPD, hetzte in rassistischer Weise gegen Roma: „Sie kommen aus einer archaischen Welt. Väter haben keine Hemmungen, ihre Kinder zum Anschaffen oder Stehlen statt zur Schule zu schicken. Sie schlagen ihren Frauen die Zähne aus, gönnen sich selbst nur Stahlzähne. Viele jungen Roma Männer schmelzen sich mit Klebstoffdünsten das Gehirn weg.“[128] Der Berliner SPD- Politiker Heinz Buschkowsky sah die Einwander_innen gar als primitive „Müllmenschen“: „Wer auf Müllhalden aufwächst, und das tun viele dort tatsächlich, hat zur Mülltrennung vielleicht nicht so ein inniges Verhältnis.“[129] Der Bremer Sozialdemokrat Peter Nowack stellte im Oktober 2010 fest: „Die Methode Zuckerbrot und Peitsche klappt nicht mehr. Sagt ihnen, das Zuckerbrot ist alle. Ich habe die Nase voll davon, dass sich einige Großfamilien, meist Roma, alles vom Staat bezahlen lassen, aber die Straße als rechtfreien Raum betrachten. Auch sie müssen Disziplin üben, Regeln und Gesetze einhalten. Wer es nicht tut, darf auch nicht länger verhätschelt werden.“[130]

Auf sozialen Netzwerken wurde von Unbekannten in Baden-Württemberg eine antiziganistische Stimmungsmache betrieben. Es wurde vor „bulgarischen und rumänischen Kinderdieben“ gewarnt, die „mit Organhändlern in Verbindung stehen“.[131] Auf Facebook hieß es: „Diese Leute nehmen sogar Kinder aus Kinderwagen heraus.“[132] Über WhatsApp wurde verbreitet: „Haltet euch von weißen Transportern fern.“[133] Aufgrund dieser Gerüchte schickten Eltern in Mannheim, Sinsheim und Neckarbischofsheim ihre Kinder aus Angst nicht in den Kindergarten. Schließlich wies die Mannheimer Polizei diese Gerüchte als „Märchen“ zurück. Hier wurde an das alte antiziganistische Ressentiment, dass „Zigeuner“ Kinder entführen, angeknüpft und der Diskurs um eine angebliche „Organmafia“ erweitert.

In seinem Buch „Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Lands aufs Spiel setzen.“[134] breitet das SPD-Mitglied Thilo Sarrazin verschiedene Argumentationsmuster und Konstruktionen aus, die die Grundlage für seine Hetze gegen Einwander_innen aus Bulgarien und Rumänien bilden.

Sarrazin geht es in seinem Buch unter anderem um „Gefährdungen und Fäulnisprozesse im Inneren der Gesellschaft“[135] und deren Überwindung. In den Bereichen der Migrations- und Integrationspolitik wird undifferenziert gegen Einwanderer_innen gehetzt, was die sachliche Diskussion und den sozialen Frieden in der BRD beeinträchtigt. Sarrazin huldigt anthropologisch einem radikalen Utilitarismus, die Sortierung von Menschen in „nützlich“ und „unnütz“ für die bundesrepublikanische Gesellschaft ist ein Fingerzeig für sein zweckrationales menschenverachtendes Weltbild.

Er geht davon aus, dass sich in den letzten Jahrzehnten eine Tendenz entwickelt hat, alles auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zu schieben und so den Einzelnen moralisch von der Verantwortung für sich und sein Leben zu entlasten.[136] Mit Pauschalisierungen hetzt er gegen eine nicht näher definierte „Unterschicht“, die in einer „Wohlfahrtsdiktatur“[137] auf die Befriedigung kurzfristiger Bedürfnisse wie „Alkohol, Zigaretten, Medienkonsum und Fastfood“ konzentriert sei.[138] Die angeblich üppigen Sozialleistungen wären dafür verantwortlich, dass „Leistungsferne und mangelhaften Willen zur Selbsthilfe teilweise belohnt und damit zur Verfestigung einer transferabhängigen Unterschicht beiträgt.“[139] Sarrazin spricht abwertend von einer „Armut im Geiste“ vieler Vertreter_innen dieser „Unterschicht“. Dies sei eine „Kombination aus Bildungsferne, Sozialisationsdefiziten sowie Mangel an Gestaltungsehrgeiz und Lebensenergie.“[140] Seine „Änderungsvorschläge“ laufen auf eine heftige Kürzung der staatlichen Leistungen hinaus, „um mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme zu schaffen.“ Weiterhin soll eine Art Arbeitspflicht eingeführt werden: „Erwerbsfähige Menschen unter der gesetzlichen Altersgrenze erhalten Leistungen der Grundsicherung nur noch gegen eine verpflichtende Gegenleistung.“[141]

Mit rassistischen Stereotypen heizt Sarrazin die Debatte um die Migrationspolitik weiter an: „Die deutsche Einwanderungspolitik der letzten Jahrzehnte hat nicht die Leistungsträger fremder Völker angelockt, sondern vornehmlich Landbewohner aus eher archaischen Gesellschaften, die in ihren Heimatländern am unteren Ende der Rangskala wie auch der Bildungsskala angesiedelt sind.“[142] Angeblich homogene Zuwanderungsgruppen werden ohne jeden Hinweis auf eine verwertbare Quelle mit dem Stigma des Sündenbocks belegt: „Belastbare empirisch-statistische Analysen, ob die Gastarbeiter und deren Familien überhaupt einen Beitrag zum Wohlstand erbracht haben oder erbringen werden, gibt es nicht. (…) Für Türken und Marokkaner wird man sie sicher verneinen können.“[143] Sarrazin plädiert dafür, die weitere Zuwanderung nach Deutschland mit Ausnahme „hoch qualifizierter Experten“ generell zu beenden. Vor allem muslimische Migrant_innen werden undifferenziert als Sündenböcke für eine seiner Ansicht nach verfehlte Migrationspolitik ausgemacht.[144]

Gleichzeitig entwirft Sarrazin das Angstszenario eines angeblichen „Aussterbens der Deutschen“: „Bleibt die Geburtenrate der Migranten dagegen dauerhaft höher als die der autochthonen Bevölkerung, so werden Staat und Gesellschaft im Laufe weniger Generationen von den Migranten übernommen.“[145] Er schürt bewusst das Phänomen der „Überfremdung“: „Für mich ist es wichtig, dass Europa seine kulturelle Identität als europäisches Abendland und Deutschland seine als Land mit deutscher Sprache wahrt. (…) Ich möchte, dass auch meine Urenkel in 100 Jahren noch in Deutschland leben können, wenn sie dies wollen. Ich möchte nicht, dass das Land meiner Enkel und Urenkel zu großen Teilen muslimisch ist, dass dort über weite Strecken türkisch und arabisch gesprochen wird, die Frauen ein Kopftuch tragen und der Tagesrhythmus vom Ruf der Muezzine bestimmt wird. Wenn ich das erleben will, kann ich eine Urlaubsreise ins Morgenland buchen. (…) Ich möchte nicht, dass wir zu Fremden im eigenen Land werden.“[146]

Anfang des Jahres 2014 warnte Sarrazin in einem Gastbeitrag für das konservative Magazin „Focus“ vor einer „steigenden Armutseinwanderung“ in die BRD.[147] Die Überschrift „Hartz IV für die Welt?“ orientiert sich an der rassistische Parole „Deutschland ist nicht das Sozialamt der Welt“, die Anfang der 1990er Jahre in Deutschland Hochkonjunktur hatte. Das „Argument“ der „Einwanderung in die Sozialsysteme“ auf dem Rücken deutscher Beitragszahler_innen zieht sich durch seine Beweisführung. Sarrazin prognostizierte, dass innerhalb eines Jahres „unter den Zuwanderern auf jeden qualifizierten Ingenieur aus Spanien wohl 100 Armutseinwanderer aus Rumänien und Bulgarien kommen“. Daher sei „Freizügigkeit für EU-Bürger und Anspruch auf Sozialleistungen im frei gewählten Aufenthaltsland“ nicht miteinander vereinbar. Diese „Armutseinwanderer“ kämen auch nicht alleine, sondern würden ihre „ganze Großfamilie“ mitbringen. Dabei schürt er auch Ängste vor einer massenhaften Einwanderung von den „circa acht Millionen Roma auf dem Balkan“: „Wenn gar nichts mehr geht, wird ihnen der deutsche Sozialstaat helfen. Sie müssen es nur irgendwie über die deutsche Grenze schaffen, und ihnen ist (zur Not ganz ohne Arbeit) ein Lebensstandard sicher, der in ihren Heimatländern traumhaft wäre.“[148]

Die „Armutseinwanderung“ gehe zu Lasten „deutscher Steuerzahler“ und träfe auch die „wachsende Zahl deutscher Rentner“, die „dafür kürzertreten“ müssten. Hier wird der Versuch gestartet, Deutsche und Migrant_innen aus Rumänien und Bulgarien gegeneinander auszuspielen; die eine Seite (Migrant_innen) werde angeblich bevorzugt behandelt, was der anderen Seite (Deutsche) schade. Es kommen laut Sarrazin die Falschen: „Die Hoffnung auf deutsche Sozialleistungen lockt nicht jene positive Auslese (sic) jener qualifizierten und leistungsstarken Einwanderer an, die das alternde und geburtenarme Deutschland braucht, sondern das Gegenteil davon“[149]

Der „herrschende Denkstil“ sei geprägt von einer „von der Wirklichkeit abgewandte(n) Weltsicht“, die die „Folgen des eigenen Handelns nicht überschaut“ und „unbeirrt in die falsche Richtung“ gehe. In dieser so konstruierten Situation sucht Sarrazin nach einem/einer Retter(in) und stellt die suggestive Frage: „Wer aber rettet Deutschland - zunächst vor Illusionen und Selbstbetrug und später vor deren Folgen?“[150] Als „Gegensteuerung“ plädierte Sarrazin für eine „Reform der Hartz-IV-Gesetze für Ausländer“. Diese sollten in den ersten zehn Jahren ihres Aufenthalts in Deutschland lediglich die Mindestsicherung erhalten, die ihnen in ihren Heimatländern zusteht. Die weitere Abschottung der BRD steht ebenfalls auf der Agenda; die BRD benötige ein „wirksames Grenzregime, das illegale Zuwanderung verhindert.“

Hans Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung und einer der bundesrepublikanischen Nestoren einer marktradikalen Gesellschaftspolitik, betreibt weit entfernt von einer zumindest humanistischen Ideologiebasis betreibt er eine Menschensortierung in „nützliche Fachkräfte“ und „unnützen Sozialfällen“. Innerhalb seiner kapitalistischen Logik wendet er sich gegen einen angeblichen „Immigrationssturm, der an die Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung erinnert“, der zu einer „Erosion unseres Sozialstaates“ führen werde.[151] Führte schon die Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit im Jahre 2011 „nach Öffnung der Tore (…) der aufgestaute Migrationsdruck“ dazu, dass „die Menschen in Scharen“ kommen und „dem Kapital folgen“, sollten auch nach dem Ende der Freizügigkeitsbeschränkungen für Migrant_innen aus Rumänien und Bulgarien „dringend benötigte Arbeitskräfte“, die „gut ausgebildet und integrationswillig“ sind, für eine Wachstumssteigerung der deutschen Volkswirtschaft sorgen. Davon scharf abzugrenzen sei die „Migration in den Sozialstaat“, die sowohl den „Steuerzahlern“ und den „anderen Empfängern von Sozialleistungen“ schade. Nicht nur nach Berlin-Neukölln würden „mittlerweile ganze rumänische Dörfer“ auswandern: „Viele Städte werden der ausufernden Sozialleistungen für die Immigranten nicht mehr Herr. Die Situation in einigen ohnehin stark belasteten Städten des Ruhrgebiets droht außer Kontrolle zu geraten.“[152]

Dieses Horrorszenario würde „unweigerlich zur Erosion des deutschen Sozialstaates führen, denn zum einen fehlt das Geld dafür, zum anderen werden die Länder versuchen, ihre Attraktivität für Armutswanderer zu verringern.“ Dieser „EU-Idee einer Inklusion der Bedürftigen nach den Regeln des Wohnsitzlandprinzips“ stellt er das „Heimatlandprinzip“ entgegen, das allein die „Fortexistenz des Sozialstaates alter Prägung“ sichern könnte. Dieses „Heimatlandprinzip“ soll folgendermaßen funktionieren: „Wer Sozialhilfe von einem EU-Land bezieht, kann sein Geld in jedem beliebigen EU-Land seiner Wahl ausgeben, und sei es auf Mallorca oder den Kanaren. Er hat aber nicht das Recht, die Hilfe von seinem Gastland zu verlangen, sondern muss sich an sein Heimatland wenden, das ja dem Sozialstaatsgebot der EU verpflichtet ist. Nur bei der reglementierten Zuwanderung aus Drittstaaten gelten andere Regeln.“[153]

Sinn konstruiert in seiner Argumentationskette einen Zusammenhang zwischen Einwanderung und einer angeblichen Sozialstaatskrise. Dass er als ordoliberaler Vordenker in der Rolle des Retters der Sozialstaatlichkeit fehl am Platze ist, steht außer Zweifel. Die in seinen Augen unkontrollierte Einwanderung von „Armutsmigranten“ schade dem „Standort Deutschland“ und wird zu einer nationalen Belastung und Gefahr heraufgeschworen. Diese Unterscheidung in „unnütze“ und „nützliche“ Menschen ist eine Steilvorlage für die extreme Rechte, die in der Regel Migrant_innen als Sündenböcke für gesellschaftliche Problemlagen missbrauchen.

Der Schriftsteller Rolf Bauerdick, der im Jahre 2012 den Preis des Europäischen Buches der Association Esprit d’Europe erhielt, bestätigte in seinem Buch „Zigeuner. Begegnungen mit einem ungeliebten Volk“[154] jahrhundertealte Vorurteile über Sinti und Roma innerhalb der deutschen Mehrheitsbevölkerung und dient gleichzeitig als Stichwortgeber für die extreme Rechte.

Die Benutzung des Begriffs „Zigeuner“ im Titel stellt schon „eine Provokation“[155] dar. Für Bauerdick ist der Terminus „Zigeuner“ ein „ehrenwerter Begriff“[156], der von ihm bekannten Roma selbst verwendet wird. Bauerdick schließt somit aus einigen Beispielen daraus, dass Roma insgesamt selbst „Zigeuner“ genannt werden wollen. Dass eine kleine Minderheit dies als Selbstbezeichnung wählt, ist unumstritten. Von der überwiegenden Mehrheit wird der Terminus jedoch als diskriminierendes Konstrukt der Dominanzgesellschaft zurückgewiesen. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, die Rom und Cinti Union aus Hamburg, die Roma-Union aus Frankfurt am Main, der Rom e.V. aus Köln und der Verband Amaro Drom aus Berlin lehnen die Fremdbezeichnung „Zigeuner“ als rassistisch ab und verweisen auf die Geschichte des Begriffs vor allem im Nationalsozialismus.

Der Hinweis auf seine jahrzehntelangen Begegnungen mit Roma verfolgt die Absicht, ihn als zuverlässigen Insider erscheinen zu lassen, um seine Glaubwürdigkeit zu stärken. Dabei ist sein Blickwinkel, wie er sich seiner zu untersuchenden Zielgruppe (Roma) annähert, höchst fragwürdig und unseriös. Bauerdick schafft es nicht, sich von den Normalitätsvorstellungen seiner eigenen westlichen Kultur zu distanzieren und Roma aus deren eigenen kulturellen und sozialen Kontext zu begreifen. Zuschreibungen, die das Eigene zum Maßstab zur Auseinandersetzung mit dem Anderen machen, durchdringen das gesamte Buch. Was Bauerdick als Realität bezeichnet, ist eine symbolische Ordnung, die von einem westlichen kulturellen Horizont geprägt ist.

Für Bauerdick sind die Bezeichnungen Sinti und Roma unter Rückgriff auf den „Roma-Experter Remmel“ lediglich „Kunstbegriffe der Political Correctness, welche die Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma durchgesetzt hat.“[157] Nicht näher genannte „Meinungsbildner in den Medien haben die Ächtung des Begriffs ,Zigeuner‘ durch den Zentralrat weitgehend zu ihrer eigenen Sache gemacht“ und „die Sichtweise der Funktionäre zur Norm erhoben“.[158] Er beschimpft die Mitglieder_innen des Zentralrats als „Kongreß-Roma“, die „die Diskriminierung ihres Volkes und das Elend in jenen Siedlungen beklagen, die sie selbst nur dann betreten, wenn sie von Reportern und Kameras begleitet werden.“[159] Dieser „selbstgerechte(n) Empörungsclique“ unterstellt Bauerdick sogar ernsthaft Rassismus: „Der subtile Rassismus der Sinti-und Roma-Freunde besteht darin, dass sie der Gesellschaft alles, den Zigeunern indes nichts abverlangen. So verhält man sich gewöhnlich gegenüber Menschen, denen man nichts zutraut.“[160]

Bauerdick versucht die These zu entkräften. dass die Mehrheitsgesellschaft immer nur die Täter_innen stelle und die Minderheit immer nur die Opfer sei. Aus einer essenzialistischen Sicht kritisiert er die angeblich fehlende Eigenverantwortung zur Verbesserung ihrer Situation und ruft damit ein seit Jahrhunderten in Deutschland bekanntes Ressentiment über „Zigeuner“ ab. Bauerdick schreibt: Nach ungezählten Begegnungen in über zwanzig Jahren erinnere ich kaum einen Rom, der für die Wurzel seiner Misere ein Stück Verantwortung bei sich selber gesucht, geschweige denn gefunden hatte.“[161] Er spricht von „selbstverlorenen Menschen“, die nicht fähig dazu seien, „den verhängnisvollen Teufelskreis aus Entwurzelung, Verwahrlosung und Abhängigkeit aus eigener Willenskraft zu unterbrechen.“[162] In ihrem „selbstmitleidigem Erstarren“[163] und ihrem „lethargischen Fatalismus“[164] sähen sie sich in der „Rolle des ewigen Opfers.“[165] Bauerdick bestätigt auch weitere antiziganistische Stereotype wie Primitivität, Faulheit und Kriminalität.

Er setzt sich auch mit der Zuwanderung aus Südosteuropa, darunter auch Roma, vor allem in deutsche Metropolen in einem kurzem Abschnitt auseinander. Dabei stellt er die Zuwanderung in einer Semantik der Gefahren dar, die mit einer angeblichen Belastung und Überforderung der betreffenden Städte einhergehen würden. Er wirft den Zuwander_innen vor, den deutschen Sozialstaat auszunutzen: „Die Anmeldung eines Gewerbes bei den Ordnungsämtern dient dazu, die Aufenthaltsbeschränkungen zu umgehen und für die Familien das Anrecht auf Zahlung von Kindergeld zu erwirken.“[166] In Dortmund „überschwemmten hunderte bulgarische Prostituierte den Straßenstrich“[167], wobei „nicht nur (…) Prostituierte, zu einer Belastung des sozialen Klimas (wurden), auch die Männer, die auf den Plätzen und Bürgersteigen rund um den Nordplatz den öffentlichen Raum in Beschlag nahmen.“[168] Durch die Zuwanderung wäre die Nordstadt, wo proportional viele Migrant_innen leben, „an eine Grenze gestoßen“.[169]

Insgesamt gesehen ist das Buch von Bauerdick eine weitere Bestätigung und moralische Entlastung für weite Teile der Mehrheitsgesellschaft, die jahrhundertelang tradierte Stereotype über „Zigeuner“ verinnerlicht haben und nicht bereit sind, jedes Individuum fern von einem essenzialistischem Kontext zu beurteilen. Das Buch fand nicht nur meist in hegemonialen bürgerlichen Medien zustimmende Rezensionen, es wurde auch in extrem rechten Organen gefeiert. In der extrem rechten Zeitschrift „Sezession“, die dem Institut für Staatspolitik nahe steht, bezeichnete Ellen Kositza[170] Bauerdicks Werk als „das Sachbuch des Jahres“[171]. Bauerdick durchbräche das „Schweigegebot“, dass „eine seriöse Debatte über die haarsträubenden Zustände in und rund um Zigeunersiedlungen, die mehr und mehr Raum einnehmen und längst in Deutschland um sich greifen, aus dem öffentlichen Raum verbannt“ werde. Bauerdick rede „Tacheles“ und nehme „kein Blatt vor den Mund“. Dem „großen, herzlichen Zigeunerfreund“ Bauerdick gehe es nicht „ums Schüren einer Angst vor den Zigeunern, er betont seine Angst um die Zigeuner.“ Es

fehle der „Druck“ die „grassierende Apathie unter den Zigeunern“, die „sich am Riemen zu reißen“ hätten, zu beenden.

Nur vereinzelt wurde Kritik laut, was als Zeichen für eine ungenügende Sensibilität für antiziganistische Klischees zu werten ist. Herbert Heuß vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma warf Bauerdick einen „Amoklauf der politischen Unkorrektheit“ vor. Die Tatsache, dass „Bauerdick die Verbrechen Einzelner mit ihrer Ethnie in Verbindung bringt“, erinnere Heuß „an die Parolen rechtsradikaler Parteien“[172]

Andrè Lohse kritisiert Bauerdicks Buch dahingehend, dass Bauerdick seine „selektiven ‚Begegnungen‘ uminterpretiert“ und dabei die „altbewährten antiziganistisch-rassistischen Negativzuschreiben zu rehabilitieren versucht.“ Lohse bilanzierte: „Dem Buch scheint (…) die unterschwellige Strategie zugrunde zu liegen, mit persönlichen, selektiv geschilderten Erlebnissen gegen die kritische Wissenschaft zu Felde zu ziehen und fortwährend ethnische Zuschreibungen zu rehabilitieren, die zwar nicht als überwunden geglaubt werden können, die jedoch mittlerweile dank eines Antiziganismus-kritischen Diskurses ins Wanken geraten sind. (…) So wird die Berichterstattung des Autors zur perfiden Wissensproduktion, die pseudoanalytisch und etikettierend schließlich doch rassistischen Deutungsmustern den Vortritt vor der Kritik falscher gesellschaftlicher Zustände gewährt.“[173]

Dass die Hetze aus dem gesellschaftlichen Establishment auf fruchtbaren Boden innerhalb der bundesrepublikanischen Bevölkerung fiel, beweist eine Umfrage, die das Nachrichtenmagazin Focus im Herbst 2013 beim Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid in Auftrag gegeben hatte. TNS-Emnid befragte für Focus Ende Februar 2013 1004 Personen. In der Umfrage sprachen sich 27 Prozent dafür aus, dass alle EU-Bürger_innen nach Deutschland einwandern dürfen. 28 Prozent wollen die Einwanderung aus bestimmten EU-Staaten begrenzen. 41 Prozent plädierten dafür, für Zuwanderer aus allen EU-Staaten Beschränkungen einzuführen.[174]

Die CSU steigerte im Vorfeld der vollen EU-Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit ab dem 1.1.2014 für Menschen aus Bulgarien und Rumänien ihre Hetze gegen „die Armutseinwanderung“ aus diesen Ländern.

Die angebliche Befürchtung eines "fortgesetzten Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung" schrieb in kollektivierender Weise der Gesamtheit der Migrant_innen deviante Eigenschaften zu.[175] Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, forderte, dass der „Missbrauch von Sozialleistungen verhindert werden“ müsse. Er regte „Gesetzesänderungen auf nationaler Ebene“ an. So dürfe Kindergeld nicht an Kinder ausgezahlt werden, die im Gegensatz zu ihren Eltern nicht in Deutschland leben. Beim Bezug von Sozialhilfe müsse es eine Sperrfrist für die ersten drei Monate des Deutschland-Aufenthalts geben. „Sozialhilfebetrügern“ sollten nach dem Motto „Wer betrügt, der fliegt“ künftig an der „Wiedereinreise nach Deutschland gehindert werden“.[176] Die Aussagen der CSU-Vertreter_innen sind als geplante Provokationen zu verstehen, um im Hinblick auf die Kommunalwahlen am 16.3.2014 in Bayern und die Europawahlen am 25.5.2014 zum wiederholten Mal auf dem Rücken von Einwander_innen Stimmengewinne zu verbuchen. Die Sorge des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma in einem Brief an Bundespräsident Gauck,, dass die Diskussionen über Kriminalität und „Armutsflüchtlinge“ aggressiv geführt würden und damit drohten, zum Wahlkampfthema zu werden, wurde ignoriert.

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, der in den Koalitionsverhandlungen für die CDU die Unterarbeitsgruppe zur „Armutsmigration“ vertrat, unterstützte die Positionen der CSU in diesem Diskurs. Für Bosbach müsse geklärt werden, inwieweit „das Recht zur Arbeitnehmerfreizügigkeit auch das Recht zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen“ umfasse.[177] Dabei bediente er die Konstruktion von der angeblichen Einwanderung in die Sozialsysteme: „Betrug oder Missbrauch dürfen nicht geduldet werden. Der Begriff Arbeitnehmerfreizügigkeit darf nicht ausgeweitet werden zur freien Wahl des sozialen Sicherungssystems, in das man gerne einwandern möchte" Er verteidigte das kritisierte Motto der CSU „Wer betrügt, der fliegt“ mit dem Hinweis, dass die CSU „schon immer eine direkte Sprache gewählt“ hätte. Dieser Satz solle lediglich ausdrücken, „dass es keine Chance geben soll, unser Sozialrecht zu missbrauchen. Die Menschen erwarten von einer Regierung, dass sie nicht nur die Probleme benennt, sondern auch konkrete Lösungen bietet. " Dies würde „insbesondere die Länder überfordern, die wie Deutschland besonders hohe Sozialleistungen gewähren." Kanzlerin Angela Merkel betonte vor den Kommunal- und Europawahlen 2014 noch extra, die EU sei keine „Sozialunion“.[178]

In dieser Diskussion knüpften Vertreter der CDU/CSU an das Konstrukt der „Einwanderung in die Sozialsysteme“ an, das auf den damaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU, Friedrich Merz, zurückgeht. Als die damalige rot-grüne Bundesregierung im März 2002 im Bundestag das neue Zuwanderungsgesetz verabschiedete, warnte Merz vor einer „weiteren Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme“.[179]

Um die Jahreswende 2013/2014 startete die Bild-Zeitung eine Kampagne gegen die neue Freizügigkeit von Bulgar_innen und Rumän_innen ab dem 1.1.2014. In populistischer Form wurden die schon hier lebenden Menschen aus den beiden Ländern und potentiell neue Einwander_innen homogenisiert und ihnen kollektive deviante Eigenschaften zugeschrieben. Zuwanderung wurde in einer Semantik der Gefahren dargestellt. Kurz nach der Bildung der Großen Koalition verkündete die Bild-Zeitung in dreister Manier ihren Leser_innen und der breiten Öffentlichkeit, dass das Springer-Blatt ab sofort die „Ausserparlamentarische Opposition (APO)“ der deutschen Bevölkerung sei. Woher die Bild-Zeitung ihre Legitimation bezog, für die gesamte Bevölkerung der BRD zu sprechen, wurde nicht erwähnt. Die jetzige Opposition bestehend aus Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei wurde als „zu klein“ und „zu links“ diffamiert und ihre Handlungsfähigkeit in Zweifel gezogen. Da es an einer „bürgerliche Stimme“ im Parlament fehle, wollte die Bild-Zeitung nun diese angebliche „Lücke“ füllen.[180] Dort hieß es:“ Deshalb verspricht Bild. (…) Wir sind Eure Ausserparlamentarische Opposition (APO) (…) Wir schauen der Regierung jetzt ganz genau auf die Finger – und hauen notfalls kräftig drauf.“[181]

Kurze Zeit später kam es zur ersten „Einmischung“ der selbsternannten APO. Die volle EU-Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit ab dem 1.1.2014 für Menschen aus Bulgarien und Rumänien sei angeblich „DAS Thema für Millionen Bundesbürger“.[182] Die Einwanderung aus Bulgarien und Rumänien wurde in einer Semantik der Gefahren als „wachsende Zahl von Armutsflüchtlingen aus Osteuropa“ umgedeutet, was „Sorgen“ innerhalb der Bevölkerung auslösen würde.[183] Dieses Thema, was „ganz Deutschland bewegt“, würde „von SPD und Union seit Monaten totgeschwiegen.“[184] Da die „Bild-APO“ aber die „Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen“[185] würde, wolle sie das Thema nicht „den Rechtspopulisten“ überlassen: „Wir sind überzeugt: Wer sich der Debatte nicht stellt, treibt den Rechtspopulisten die Wähler zu.“[186]

Die „BILD-APO“ wollte von der Regierung wissen, was für Folgen die Zuwanderung für die BRD bedeute. Am 30. Dezember reichte BILD bei der zuständigen Arbeitsministerin Andrea Nahles öffentlichkeitswirksam eine „Große Anfrage“ mit 10 Fragen ein.[187] Darunter waren auch Fragen wie „Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um zu verhindern, dass es zu einer massen- und dauerhaften Armutszuwanderung in die deutschen Sozialsysteme kommt?“ oder „Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Anstieg der Sozialausgaben für Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien ab dem 1. Januar 2014?“, die suggerieren sollen, dass es bei der Migration um eine „Einwanderung in die Sozialsysteme“ handele. Dieses populistische Diskursmuster tauchte immer wieder in der Berichterstattung auf und sollte durch die ständige Wiederholung Teil der Realität der Leser_innen werden.

Zuwander_innen aus Rumänien und Bulgarien bedeuteten laut Bild eine „Gefahr“ für die „Ausbeutung des Sozialsystems“. Suggestive Fragen wie „Wie viel kosten uns die neuen Zuwanderer?“[188] oder „Kommt es zum massenhaften Zuzug in die deutschen Sozialsysteme?“[189] finden sich häufig. In einem Bild-Interview bekräftigte Hans Peter Wollseifer, Vorsitzender des Handwerksverbandes ZDH, deren Agitation. Wollseifer bemerkte: „Wir suchen arbeitswillige Facharbeiter – selbstverständlich auch aus Osteuropa. Wir stellen gerne Lehrlinge aus Rumänien und Bulgarien ein. Wir wollen aber keinen Sozialsystem-Tourismus. Missbrauch muss konsequent verfolgt werden.“ [190] Die Zeitung forderte „Wiedereinreiseverbote für Sozialbetrüger aus Rumänien und Bulgarien“ und warb für die rechtliche Möglichkeit „Armutszuwanderern aus Bulgarien und Rumänien das Kindergeld“ zu streichen.[191]

Außerdem schürte Bild die Angst „vor neuer Billiglohnkonkurrenz“ und „Schwarzarbeit“: „Die illegale Unterwanderung der Tariflöhne bleibt eine große Gefahr. Und Tagelöhner, die an unseren Straßen stehen, sich für Mini-Löhne anbieten, können nicht die Lösung sein.“[192] Um dies zu unterbinden, müssten die zuständigen Kontrollbehörden weiteres Personal einstellen, um mehr Betriebsüberprüfungen durchzuführen.

Bild inszenierte ein Bedrohungsszenario einer „Masseneinwanderung“, ohne die Auswanderung zu berücksichtigen. In einem Artikel unter der Überschrift „Bis zu 180.000 Billigarbeiter werden pro Jahr erwartet“ hieß es: „Ab dem 1. Januar könnte der Zuwanderungsstrom noch mal rapide anschwellen. (…) Experten rechnen damit, dass bis zu 180.000 rumänische und bulgarische Arbeitskräfte im Jahr künftig auf den deutschen Arbeitsmarkt strömen, hiesige Arbeitnehmer verdrängen, Löhne drücken, Sozialhilfe und Kindergeld kassieren. Die CSU verlangt Abwehrmaßnahmen gegen Sozialbetrüger aus Südosteuropa. (…) Vor allem Sinti und Roma fliehen aus ihrer Heimat, suchen bei uns Jobs und Wohlstand. Und passen sich nur schwer deutscher Lebensart an.“[193]

Im Rahmen der Kolumnenreihe „Die außerparlamentarische Opposition“ im „Handelsblatt“ erhielt der Vorsitzende der AfD, Bernd Lucke, die Plattform, seine wohlstandschauvinistischen und hetzerischen Thesen in der Diskussion über die EU-Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit einem breiteren Publikum zu präsentieren. Die volle Freizügigkeit für Menschen aus Bulgarien und Rumänien weckten laut Lucke „Ängste vor einer Armutsmigration, angelockt von unseren um das Fünffache höheren Sozialleistungen.“[194] Anstatt die Armut selbst als Problem zu thematisieren, werden „Armutsmigranten“ aus diesen beiden Ländern zu einer Gefahr für die bundesrepublikanische Gesellschaft heraufbeschworen: „Das Problem sind diejenigen Zuwanderer, oft Roma und Sinti, die schon in Rumänien und Bulgarien am Rande der Gesellschaft lebten. Die schon dort unterqualifiziert und kaum integriert waren. Die Gelegenheitsarbeiten als einen Normalzustand empfinden. Die bittere Armut gewohnt sind, und Mittel und Wege suchen, um sich die soziale Unterstützung in Deutschland dauerhaft zu sichern. (…) Und wenn die Rumänen und Bulgaren nun dennoch kommen? Wenn sie kommen, mit acht Kindern, obwohl es kein Kindergeld gibt, und unter den Brücken schlafen, weil es kein Wohngeld gibt? Und der kümmerliche Lohn kaum fürs Essen reicht? Dann müssen wir das anwenden, was die Gesetze schon für nicht erwerbstätige EU-Ausländer bestimmen: Wer seine Existenz bei uns nicht sichern kann, verliert sein Aufenthaltsrecht und muss in seine Heimat zurückkehren.“[195] Das Bild der armen auf kärgliche Sozialleistungen spekulierenden Migrant_innen wurde noch um das Konstrukt der Kriminalität ergänzt. Lucke bemerkte: „Viele Sorgen, Ängste und Ressentiments ranken sich um Kriminalität durch Armutsmigranten. Auch dies wird regierungsseitig gerne relativiert und bagatellisiert. Doch jeder weiß, dass Armut auch Kriminalität bringt. Unsere Gesetze erlauben Abschiebung nur bei schwerer Kriminalität. Das ist falsche Rücksichtnahme. Auch Kleinkriminelle haben bei uns nichts zu suchen. Wer zu uns kommt, muss redlich sein.“[196] Die AfD sieht auch andere uniformiert dargestellte Einwander_innengruppen als Bedrohung für die BRD an. Sie transportiert in ihrer Zuwanderungspolitik einen kaum verhüllten antimuslimischen Rassismus und postuliert eine kulturalistische Differenz zwischen islamischen Einwander_innen und der autochthonen Bevölkerung: „Die falsche Annahme, Zuwanderer aus islamischen Ländern würden ihre Gewohnheiten und Kulturen, ihre Familienclans und Moscheen nicht in das Aufnahmeland mitbringen, hat bis heute große Verunsicherungen in der Gesellschaft und eklatanten Schaden angerichtet, ja einen stillen Bürgerkrieg verursacht. Bei der Auswahl von Zuwanderern muss folglich differenziert vorgegangen werden und neben den fachlichen Qualifikationen auch darauf geachtet werden, welche Einwanderergruppen in den Wertekanon des Aufnahmelandes passen. An den Opferzahlen der durch Migranten verübten Verbrechen an der einheimischen Bevölkerung ist ebenso zu messen, welche rechtlichen Maßnahmen die Integrationspolitik flankieren müssen, wie an der durch Studien belegte Tatsache, dass jeder vierte junge Muslim Integration ablehnt und aktuell 46% der Migranten auf eine muslimische Bevölkerungsmehrheit hoffen.“[197]

Die FDP sah im Zuge des Vorstoßes der CSU nach ihrem Scheitern bei der Bundestagswahl die Chance, verlorene Wähler_innen vor allem an die AfD zurückzugewinnen. Unter der Bezugnahme auf alte nationalliberale Traditionen forderte der neue Vorsitzende der FDP, Christian Lindner, die „Rückführung nicht integrierbarer Zuwanderer“ und eine Unterbindung der „Zuwanderung in die Sozialsysteme“. Dabei machte er die radikalutilitaristische Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Zuwander_innen: „Der Mehrheit der ehrlichen und fleißigen Zuwanderer hilft es nicht, Probleme mit einer Minderheit zu verschweigen.“[198]

Die besonders von Vertreter_innen der CSU und der Springer-Presse angeheizte Diskussion um „Armutsmigration“ und die damit verbundene „Einwanderung in die Sozialsysteme“ zeigte Wirkung.[199] Das Thema Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien belegte im ZDF Politbarometer Anfang 2013 bei der Frage nach dem wichtigsten Problem in Deutschland den ersten Platz. Im Vergleich zum Dezember 2013 (10%) erhöhte sich die Zustimmung um 12% auf insgesamt 22%. Die Konstruktion der „Einwanderung in die Sozialsysteme“ fiel bei 62% der Befragten auf fruchtbaren Boden. 32% der Befragten gingen davon aus, dass dies nur in wenigen Fällen zuträfe, während 6% keine Angaben machten. Mehr als die Hälfte der Befragten (56%) stimmte der Behauptung zu, dass die BRD generell aufgrund des demographischen Faktors und des Fachkräftemangels Einwanderung benötige, während sich 38% gegen eine Zuwanderung wandte. Speziell bei der Einwanderung aus Bulgarien und Rumänien gingen 51% der Befragten eher von Nachteilen für die Aufnahmegesellschaft aus. 10% der Befragten sahen Vorteile durch die Einwanderung und 35% schätzten, dass sich Vor- und Nachteile ausgleichen würden.

Der Vorsitzende des Zentralrats der deutschen Sinti und Roma, Romani Rose, bezeichnete die Zuwanderungsdebatte als „unerträgliche“ und „beschämende“ Diskussion: „Das ist Populismus. Dass man einerseits Ängste bei der Bevölkerung weckt, und dass man sich dann andererseits als jemanden aufspielt, der dieses Problem in den Griff bekommt. Wie wir wissen, nützt so etwas im Endeffekt den rechtsextremen Parteien, die dann mit Parolen kommen wie ‚Die Rente für die Oma und nicht für Sinti und Roma‘. Wir werden bei der Europawahl sehen, wer die Nutznießer dieser Debatte sind.“[200]

Das Fachmagazin „Migazin“ stellte zu Recht fest: Außer Frage dürfte jedenfalls stehen, dass die CSU mit ihrer Politik gegen Bulgaren und Rumänen der vielfach geforderten Willkommenskultur großen Schaden zugefügt hat, ebenso dem Bemühen Deutschlands, Fachkräfte aus dem Ausland anzuziehen. Dabei waren Ausgrenzung, Benachteiligung oder gar Gewalt gegen Ausländer auch schon vor dem CSU-Slogan ein großes Problem, dass nach dem CSU-Slogan sicher nicht kleiner geworden ist.“[201]

Der Vorsitzender der Linkspartei, Bernd Riexinger, ging noch einen Schritt weiter: „Wenn eine Regierungspartei gegen Ausländer hetzt, darf man sich nicht wundern, wenn braune Gewaltbanden Taten folgen lassen.“[202]

 

Antiziganistische Einstellungen finden sich auch in weiten Teilen der jeweiligen Dominanzgesellschaft in ganz Europa. Bei einer Befragung eines repräsentativen Querschnitts der Bürger in allen 27 Staaten der Europäischen Union im Frühjahr 2008 durch die EU zum Thema Diskriminierung wurde die Frage gestellt, wie wohl auf einer Skala von 1 bis 10 sich die Befragten fühlten, wenn sie daran dächten, bestimmte Nachbarn zu haben. Mit weitem Abstand am unwohlsten fühlten sich nach eigenen Angaben die Europäer bei dem Gedanken, sie hätten Sinti und Roma als Nachbarn (Durchschnittswert: 6,0).[203]

Es blieb nicht immer bei der alltäglichen stillen Diskriminierung oder institutionellem Rassismus. Mord- oder Gewalttaten gegen Roma in Europa sind keine Seltenheit, Anknüpfungspunkte an faschistische Ideologien finden sich vor allem in Osteuropa. Im Februar 2009 wurde ein Haus in der Roma-Siedlung des ungarischen Dorfes Tatarzentgyörgy mit Brandsätzen attackiert. Als die dort wohnende Familie Csorba aus dem brennenden Haus fliehen wollte, schossen die Täter mit Schrotflinten auf sie. Der Familienvater und sein Sohn starben, während die Mutter und zwei weitere Kinder verletzt wurden. Die Polizei versuchte zunächst, die Morde zu vertuschen: Der Brand sei durch einen defekten Heizstrahler ausgelöst worden und die Opfer von Dachbalken erschlagen worden. Erst nach Interventionen von verschiedenen Seiten kam die schreckliche Wahrheit ans Licht. Bei den daraufhin eingesetzten Ermittlungen konnten mehrere ungarische Neonazis als Täter ermittelt werden.[204] Im April 2009 warfen Neonazis im tschechischen Ort Vitkov gezielt Molotowcocktails auf ein Haus in der dortigen Roma-Siedlung. Nur durch ein Wunder konnte sich die dort lebende Familie noch aus den Flammen retten. Die zweijährige Tochter erlitt dabei schwerste Verbrennungen.[205]

Ein 16-Jähriger Rom ist im Frühjahr 2014 im Pariser Vorort Pierrefitte-sur-Seine offenbar Opfer eines Lynchmobs geworden.[206] Der jugendliche Rom ist in einem sozialen Brennpunktviertel im Norden von Paris bewusstlos in einem Einkaufswagen gefunden worden. Er wurde zuvor von einem Dutzend Menschen verschleppt und ist in einem Keller brutal misshandelt worden. Die Gruppe habe ihn für einen Einbruch in eine Wohnung verantwortlich gemacht. Der jugendliche Rom liegt seitdem im Koma.

Im Zuge der EU-Osterweiterung 2007 kamen Menschen aus Rumänien und Bulgarien nach Westeuropa und auch in die BRD. In kollektivierender Weise wurden die Zuwander_innen oft als „Roma“ oder „Zigeuner“ charakterisiert und ihnen von verschiedener Seite innerhalb der Dominanzgesellschaft seit Jahrhunderten bestehende deviante Stereotype zugesprochen. Somit wurden und werden sie oft Opfer gesellschaftlicher Ausgrenzung. Die EU-Osterweiterung wird in der Öffentlichkeit fast ausschließlich als „Armutsmigration“ aus Rumänien und Bulgarien diskutiert und die Zuwanderung in einer Semantik der Gefahren dargestellt. Die mit der EU-Osterweiterung verbundenen Vorteile für die BRD wie eine Steigerung des Exportes in mittel- und osteuropäische Länder werden nur am Rande erwähnt.

Die Migrant_innen waren und sind vielfältigen Problemen ausgesetzt: Innerhalb einer Übergangszeit bis längstens 31.12.2013 durften bulgarische und rumänische Staatsangehörige nur mit einer ausdrücklichen Genehmigung der Bundesagentur für Arbeit beschäftigt werden. Diese konnte als Arbeitsberechtigungs-EU mit uneingeschränktem Zugang zum Arbeitsmarkt oder als Arbeitserlaubnis-EU mit beschränktem Zugang zum Arbeitsmarkt erteilt werden, was jedoch nur in Ausnahmefällen geschah. Diese Einschränkung der Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit bis zum 31.12.2013 wurde von der EU-Kommission damit begründet, dass Länder mit dringlichen Problemen auf ihren Arbeitsmärkten diese für eine begrenzte Zeit mit dem Beitritt neuer Mitgliedsstaaten einschränken könnten.

Seit dem 1. Januar 2014 haben rumänische und bulgarische Staatsangehörige dieselben Rechte wie alle anderen EU-Bürger_innen: Sie haben das Recht auf einen uneingeschränkten EU-Arbeitsmarktzugang, dürfen in der gesamten EU arbeiten und sich für drei Monate grundsätzlich ohne Erlaubnis in jedem Mitgliedsland aufhalten.[207] Ein Anspruch auf längeren Aufenthalt haben beispielsweise Arbeitnehmer_innen, Selbstständige, Familienangehörige, Studierende und unter bestimmten Umständen auch Arbeitssuchende. Ein Daueraufenthaltsrecht wird erst nach fünf Jahren erwirkt. Das Recht auf Freizügigkeit ist ein zentraler Bestandteil der Grundrechtscharta der EU: „Ein Gemeinschaftsangehöriger, der sich als Arbeitnehmer oder Selbständiger (…) in einen anderen Mitgliedstaat begibt, (…) ist berechtigt zu sagen ‚Civis europeus sum‘, und sich auf diesen Status zu berufen, um sich jeder Verletzung seiner Grundrechte zu widersetzen.“[208] Der Verlust dieses Rechts und eine damit verbundene Ausweisung aus einem Land sind nur in Ausnahmefällen wie der Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit möglich. Abschiebungen von Zuwander_innen vor allem aus Rumänien wie in Frankreich unter dem damaligen Ministerpräsidenten Sarkozy sind nach geltendem EU-Recht nicht zulässig und haben nur populistischen Charakter, da eine sofortige Wiedereinreise wieder möglich ist.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Staaten in Osteuropa verschärfte sich die Situation der dort lebenden Roma dramatisch. Die Installierung des kapitalistischen Systems war für große Teile von ihnen mit Arbeitslosigkeit, Armut und Hoffnungslosigkeit verbunden. Neben den sozialen Problemen waren sie von verstärktem Rassismus in der jeweiligen Dominanzgesellschaft konfrontiert. Aus diesen Gründen flüchteten Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre Roma nach Westeuropa und auch in die BRD.[209]

Seit der so genannten „Wiedervereinigung“ versuchte das größer gewordene Deutschland, die durch die NS-Verbrechen begründete offizielle vor allem außenpolitische Zurückhaltung zu Gunsten eines neuen Nationalismus und damit verbundenen Großmachtsanspruches aufzugeben. Diese politische Haltung prägte maßgeblich die Debatte um die Asylanträge stellenden Flüchtlinge. Vor allem Sinti und Roma wurden von politischen Repräsentant_innen und in den Medien häufig als „Wirtschaftsflüchtlinge“ dargestellt, denen kein Recht auf Asyl zustehe, da sie nur vorgeben würden, politisch verfolgt zu sein. Ihre Integration in die Gesellschaft wurde aufgrund von alten antiziganistischen Stereotypen als unmöglich angesehen und ihnen pauschal eine grundsätzliche Inkompatibilität zur Dominanzgesellschaft unterstellt.

In Rostock-Lichtenhagen kam dann zur „deutschen Kristallnacht 1992“[210], von der auch Roma betroffen waren. Täglich neu erscheinende Asylbewerber_innen konnten aus Personalnot nicht registriert werden und warteten vor dem Gebäude tagelang darauf, bis zur Aufnahmeprozedur vorzudringen. Sie mussten monatelang vor der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber_innen (ZAST) leben, ohne hinreichenden Zugang zu sanitären Anlagen und Nahrungsmitteln zu besitzen. Die Behörden ignorierten die zahlreichen Beschwerden der Anwohner_innen und Bewohner_innen über die hygienischen Zustände und die menschenunwürdigen Bedingungen im Wohnhaus.[211] Die Anwohner_innen besaßen „besonders hohe Aggressionen“ gegen Roma, weil „für die sei der Abfalleimer das Fenster“.[212] Eckhardt Rehberg, damaliger CDU-Fraktionschef im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, unterstellten den Roma pauschal „kriminelle Energie“[213]

Vom 22.-26.8.1992 kam es dann zu einem tagelangen Pogrom von Neonazis gegen die dort lebenden Migrant_innen. Jugendliche extreme Rechte schleuderten unter dem Beifall der meist erwachsenen Zuschauer_innen. Benzinbomben in mehrere Häuser und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. In der Nacht zum 24.August warfen unter „Ausländer raus“-Rufen der umstehenden Schaulustigen Neonazis Molotowcocktails unter Rufen wie „Wir kriegen euch alle, jetzt werdet ihr geröstet“ in das Gebäude der ZAST. Wie durch ein Wunder gab es keine Toten.[214] Die Roma wurden nach den rassistischen Ausschreitungen in alten NVA-Kasernen im Stadtteil Hinrichshagen umquartiert.

Bürger_innen des brandenburgischen Dorfes Dolgenbrodt wehrten sich gegen die Aufnahme von Roma-Flüchtlingen.[215] Auf einer Versammlung drohten teilnehmende Bürger_innen der Landesregierung mit dem Satz „Muss es erst zu einem zweiten Rostock kommen?“ Kurz bevor die Roma in das vorgesehene Wohnheim einziehen sollten, wurde das Haus in Brand gesteckt. Nach Ermittlungen der Polizei stellte sich heraus, dass Bürger_innen des Ortes 2.000 DM gesammelt hatten, um einen Neonazi aus dem Nachbarort für die Brandstiftung zu bezahlen.

Ein Jahr später forderte die antiziganistische Stimmungsmache die ersten Toten. Bei einem Brandanschlag am 28.9.1994 in Herford kamen zwei Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien ums Leben. Im hessischen Limeshain verübten unbekannte Täter_innen einen Brandanschlag auf ein Wohnhaus. Das Gebäude wurde völlig zerstört, verletzt wurde niemand. Auf die Hauswände wurden die Begriffe „Zigeuner“ und „Auslender“ gesprüht. Im August 2000 beschimpften im sächsischen Döbeln drei Neonazis eine Gruppe Sinti als „Zigeuner“ und drohten ihnen mit Waffen. Die herbeigerufene Polizei konnte zwei Täter festnehmen.[216] 2004 bekam eine Roma-Familie in Pforzheim eine Morddrohung von Neonazis. Im Fasching 2005 trug ein Wagen in der Nähe von Ravensbrück die Aufschrift „Zick-Zack-Zigeunerpack“, was eine Anzeige wegen Volksverhetzung nach sich zog. Im bayerischen Uffing nahm 2009 an einem Faschingsumzug ein Wagen mit der Aufschrift „In Uffing sind die Hühnerställe voll, das finden wir Zigeuner toll“ teil.[217]

Angehörige einer Familie im sächsischen Klingenhain wurden über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder als „Zigeuner“ beschimpft und angegriffen. Am 26.12.2009 wurde ihr Wohnhaus zum Ziel eines Brandanschlags. Nur der Tatsache, dass niemand im Haus war, ist es zu verdanken, dass es keine Toten gab.[218] Im März 2010 entführten zwei Personen aus Nordfranken in mindestens drei Fällen Roma-Prostituierte aus dem tschechischen Grenzort As. Die Opfer wurden über Stunden schwer misshandelt und mit nationalsozialistischen Symbolen gedemütigt. Bei der Polizei gaben die beiden als Motiv Hass auf Roma an.[219] Am 11.7.2012 wurden parkende Autos und Wohnwagen von Sinti auf einem Parkplatz in der Nähe von Detmold mit Soft-Air-Waffen beschossen. Kurz vor der Tat wurden sie von Jugendlichen beschimpft.[220]

Gedenksteine oder Mahnmale, die an die Deportation und Ermordung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus erinnern sollen, wurden und werden regelmäßig geschändet. Eine 2009 von der Geschichtswerkstatt Merseburg aufgestellte Stele wurde bis zum Januar 2012 sieben Mal entweiht.[221]

Der Gebrauch des Terminus Antiziganismus hat sich in den letzten Jahrzehnten sowohl in der Wissenschaft als auch in der praktischen Politik ausgebreitet. Dabei gibt es ein breites Spektrum von Befürworter_innen und Menschen, die diesen Begriff aus den verschiedensten Gründen vehement ablehnen.

Markus End definiert Antiziganismus folgendermaßen: „Antiziganismus bezeichnet ein historisch gewachsenes und sich selbst stabilisierendes soziales Phänomen, das eine homogenisierende und essenzialisierende Wahrnehmung und Darstellung bestimmter sozialer Gruppen und Individuen unter dem Stigma ‚Zigeuner‘ oder anderer verwandter Bezeichnungen, eine damit verbundene Zuschreibung spezifischer devianter Eigenschaften an die so Stigmatisierten sowie vor diesem Hintergrund entstehende diskriminierende soziale Strukturen und gewaltförmige Praxen umfasst.“[222] Darunter fallen Formen gesellschaftlicher und staatlicher Ausgrenzung bis hin zu Vertreibung, Pogromen, Internierung, Zwangssterilisierung und staatlich organisiertem Völkermord (Porajmos). Antiziganismus wird dabei verstanden als eine Vorurteilsstruktur, die im kulturellen Gedächtnis der Dominanzgesellschaften fest verankert ist und somit immer wieder tradierte Ressentiments in aktualisierter Form reproduziert.[223] Der Begriff weist eine eigene Sinnstruktur auf, die flexibel mit verschiedenen jahrhundertealten „Zigeuner“-Bildern gefüllt werden kann.[224]

Der Begriff des Antiziganismus bezieht sich auf den von der Minderheit abgelehnten Terminus „Zigeuner“, der mit Diskriminierung und Verfolgung verknüpft ist. Dabei wird „Zigeuner“ durch die Verwendung des Begriffes Antiziganismus weiter verwendet, was dazu führen könnte, dass der Terminus „Zigeuner“ neue Legitimität gewinnen könnte. Severin mahnt richtigerweise an, dass bei Angehörigen der diskriminierten Minderheit das Wort „Antiziganismus“ selbst zu Verletzungen führen und als Abwertung verstanden werden könne.[225] Dennoch ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass der Begriff Antiziganismus explizit die Fremdbezeichnung übernimmt, um damit bewusst den Fokus auf die Projektionen der Mehrheitsgesellschaft zu legen, und keine neuartige Diskriminierung vornehmen möchte.

Herbert Heuß, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, kritisierte, dass der „Ziganismus“ durch den Antiziganismus erst mitgeschaffen würde: „Auch die Frage nach dem Gegenstück des Antiziganismus bleibt, wie beim Antisemitismus ohne Antwort. So wenig es einen Semitismus gibt, so wenig gibt es einen Ziganismus – es sei denn, die Sinti/Roma in Deutschland stellen ihre eigene Identität als Volksgruppe, nationale Minderheit, europäische Minderheit oder wie auch immer bestimmt, jenem Antiziganismus gegenüber.“[226] Der These von Heuß, dass Antiziganismus die Existenz eines „Ziganismus“, der nicht existiert, indirekt impliziert, hält End entgegen, dass der Terminus Antiziganismus „nicht als Gegensatz zu ‚Ziganismus‘ zu verstehen, sondern als ein ‚-Ismus‘, eine systematisierte und entsubjektivierte Form der Einstellung ‚antizigan‘.“[227] Antiziganismus lässt sich auch auf die Angehörigen eines umfangreichen Spektrums sozial marginalisierter Gruppen anwenden, weil ihre sozioökonomische Situation in der Vergangenheit als „Nomaden“ und heute vor allem als randständige Bewohner_innen von Siedlungen am Rande der Gesellschaft der der imaginierten „Zigeuner“ ähnelt (Jenische, irische Pavee, niederländische woonwagenbewoners). Die mit diesem Begriff einhergehenden Ressentiments, die im kulturellen Gedächtnis der Mehrheitsgesellschaften vorhanden sind, werden auch auf sie angewandt.

Es wurde immer wieder nach Alternativbegriffen zum Terminus Antiziganismus gesucht. Wippermann plädierte für das Wort: „anti-Romaismus“.[228] Dieser Vorschlag überzeugt jedoch nicht, da er die Konstruktion als ein soziales Phänomen der Mehrheitsgesellschaft außer Acht lässt. End bemerkte: „All diese Begrifflichkeiten beinhalten die gleiche Problemstellung. Zum einen verstehen sich nicht alle von dem Phänomen betroffenen Menschen als Roma und zum Anderen legen sie (…) den Schluss nahe, dass der Rassismus sich aus den Eigenschaften von und den Erfahrungen mit realen Menschen speisten. Der Fokus auf den projektiven Charakter ginge verloren.“[229] Anna Lucia Jocham lehnt ebenfalls Wippermanns Anregung ab und plädiert stattdessen für die Verwendung des Begriffs Antiziganismus, „weil er (…) eng mit dem konstruierten ‚Zigeunerbild‘ verknüpft ist, und nicht auf den wirklichen Lebensweisen der einzelnen Sinti und Roma basiert.“[230]

Definitionsversuche von Engbring-Romang[231], Winckel[232], Wippermann[233], und Jocham[234], die Antiziganismus explizit als Feindschaft gegenüber „Sinti und Roma“ oder „Rassismus gegen Sinti und Roma“ darstellen, greifen zu kurz. End kritisierte zu Recht das Fehlen der Aspektes, „Zigeuner“ als soziales Konstrukt der Dominanzgesellschaft hervorzuheben: „Die Differenz zwischen dem Vorurteilsbild und den davon Betroffenen ist gerade ein Aspekt, der ein Vorurteil erst zu einem solchen macht. (…) Deshalb sollte in Definitionen von Antiziganismus betont werden, dass es sich um eine Vorurteilsstruktur handelt, die sich gegen vermeintliche ‚Zigeuner‘ richtet. Die Definitionsmacht darüber, wer unter diese Kategorie fällt, hatte schon immer die stigmatisierende Mehrheitsgesellschaft inne. (…) Weil eben auch Menschen, die sich selbst im weitesten Sinne nicht als Roma bezeichnen oder identifizieren, als ‚Zigeuner‘ verfolgt wurden und werden.“[235]

Der Begriff Antiziganismus wurde in Analogie zu dem bekannten Terminus Antisemitismus gebildet. Diese Prägung der Terminologie löste in der wissenschaftlichen Forschung schwerwiegende Bedenken aus. Michael Zimmermann kritisiert „die vielfach vorgenommene Parallelisierung von Antiziganismus als Allgemeinbegriff und christlichem Antijudaismus beziehungsweise modernem Antisemitismus als Differenzbegriffen; schließlich das problematische Bestreben, vermittels des Terminus Antiziganismus die nationalsozialistische Juden- und Zigeunerverfolgung oder, noch weitergehend, die europäische Juden- und Zigeunerpolitik seit der Frühen Neuzeit in Genese und Wirkung gleichzusetzen. (…) Durchaus nicht alle, aber doch die Mehrheit jener, die den Terminus ‚Antiziganismus‘ einsetzen, zielen damit auf eine Gleichsetzung oder Gleich-Gewichtung der Juden- und Zigeunerpolitik seit der Frühen Neuzeit und vor allem zwischen 1933 und 1945. Beides lässt sich in dieser allgemeinen Form nicht halten.“[236] Ihm geht es vielmehr mit Recht darum, eine Bestandsaufnahme der Unterschiede und Gemeinsamkeiten beim Vergleich der „Juden- und Zigeunerpolitik“ in der NS-Zeit vorzunehmen.

In der BRD bezeichnen sich die wenigsten als Antiziganist_innen, international gibt es einige Beispiele wie der rumänischsprachige Blog http://antziganism.blogspot.de.

Der bürgerliche Nationalismus war und ist für die Erhaltung und Stabilisierung des Antiziganismus ein entscheidender Faktor: „Bürgerlichkeit und nationale Identität gehen ein Bündnis ein, gegenüber dem alle, die aufgrund ihrer Lebensweise oder ihrer territorialen Uneindeutigkeit nicht dazu in Übereinstimmung zu bringen sind, als Fremde adressiert werden. (…) Denn in der Praxis neuer Vertreibungen, Ausbürgerungen und Verweigerung staatlicher Zugehörigkeit wird die Kategorie des Nationalen wiederum zur entscheidenden Größe, was die Lebensbedingungen der Roma in Europa betrifft.“[237]

Antiziganistische Diskriminierungen durch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft oder Bedrohungen und Angriffe von Neonazis gehören für Sinti und Roma zum traurigen Alltag. Aus einer Umfrage des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma aus dem Jahre 2006 geht hervor, dass 34 der 309 teilnehmenden Personen von „Bedrohungen und Beleidigungen durch Mitbürger und Nachbarn“ berichteten. 26 Personen sprachen von „Angriffe(n) durch Neonazis“.[238] 70% der Befragten gaben an, bei der Arbeit, in Gaststätten oder an anderen Orten schon häufiger diskriminiert worden zu sein. Fast 46% der teilnehmenden Personen bejahten die Frage, ob bei Behörden und der Polizei ihre Zugehörigkeit zur Minderheit erfasst wurde.[239]

Der alltägliche unhinterfragte Antiziganismus findet sich auch bei gesellschaftlichen Repräsentant_innen der BRD und Mitarbeiter_innen bei Behörden besonders bei der Polizei oder Ordnungsamt. Außerhalb des institutionellen oder staatlichen Rassismus haben Sinti und Roma generell schlechtere Chancen bei der Vergabe von Wohnungen oder auf dem Arbeitsmarkt sowie im Bildungssektor. Die Praxis der Abschiebung in Sonderschulen nach der Grundschule ist nicht nur in Osteuropa üblich, sondern auch in der BRD. Diese tagtäglichen Diskriminierungserfahrungen führen dazu, dass viele Sinti und Roma sich in der Öffentlichkeit nicht zu ihrer Minderheitenzugehörigkeit bekennen wollen und sich stattdessen lieber als Deutsche, Türk_innen, Serb_innen usw. bezeichnen, um persönliche Nachteile zu vermeiden oder zu minimieren.

Trotz offizieller Distanzierung findet weiterhin eine polizeiliche Erfassung von Sinti und Roma in Deutschland statt. Laut Auskunft des Zentralrats handelt es sich dabei um „mobile ethnische Minderheit (MEM)“.[240] Das Prinzip des racial profiling bei Polizei und Ordnungsamt ist nach wie vor virulent. Sinti und Roma werden regelmäßig in den Innenstädten oder an anderen Orten mit viel Menschenandrang kontrolliert.

Ein Beispiel für institutionellen Rassismus stellte das Urteil des Amtsgerichtes Bochum aus dem Jahre 1995 dar. Darin entschied das Gericht, dass Vermieter_innen vorgeschlage Nachmieter_innen ablehnen können, wenn es sich dabei um „Zigeuner“ handele.[241] Begründet wurde dieses Skandalon damit, dass „diese Bevölkerungsgruppe traditionsgemäß überwiegend nicht sesshaft“ sei. Laut dem Richter würde sich ein(e) Mieter(in), die als Nachmieter_innen Sinti und Roma vorschlägt, nicht geeignet für eine weitere Nachmieter_innensuche sein. Auf einer Tagung in Köln 2012 wurden erste Ergebnisse einer laufenden Studie des kommunalen behördlichen Umgangs gegenüber Migrant_innen aus Bulgarien und Rumänien, die sich selbst der Minderheit der Roma zurechnen, vorgestellt.[242] Dabei kam heraus, dass Antiziganismus unter Mitarbeiter_innen von Polizei und Ordnungsämtern weit verbreitet ist und der institutionelle Rassismus insgesamt ein großes Problem darstelle.

Aus einer Studie zur aktuellen Bildungssituation deutscher Sinti und Roma, wo Daniel Strauss die Ergebnisse von 261 Interviews zusammenfasste, geht hervor, dass es eine weit verbreitete, über Generation fest verankerte Diskriminierung bei gleichzeitig fehlender Förderung gibt. Dabei besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Ausgrenzungserfahrungen und abgebrochenen Bildungswegen. Etwas weniger als ein Drittel der Befragten nannte diskriminierende oder demotivierende Erlebnisse durch Lehrer_innen oder Mitschüler_innen als früh für eine abgebrochene Schulausbildung.[243]

Laut dem Antiziganismusforscher Markus End können einige Handlungsweisen staatlicher Stellen „als diskriminierend oder zumindest als diskriminierungsfördernd“ bezeichnet werden.[244] Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung der Innenminister_innen von Bund und Ländern zur Rückkehrhilfe für Asylbewerber_innen aus Serbien und Mazedonien vom September 2010. Seit der Einführung der Visumsfreiheit für Serbien und Mazedonien Ende 2009 stieg die Zahl der Asylanträge von Menschen aus diesen beiden Ländern, darunter auch Roma, spürbar an. Als Reaktion darauf strich die Bundesregierung die Rückkehrhilfen, da „nicht auszuschließen war, dass die Beihilfe der eigentliche Grund für die Einreise war.“ Roma wurden dadurch wieder als „Wirtschaftsflüchtlinge“ und „Sozialschmarotzer“ in der Öffentlichkeit bloßgestellt. Die BRD drohte Serbien und Mazedonien mit dem Entzug der Visumsfreiheit, wenn die beiden Länder nicht dafür sorgten, dass die Zahl der Asylanträge abnehme. Dies führte dazu, dass serbische und mazedonische Grenzbeamt_innen mithilfe des Prinzips des ethnic profiling an den Außengrenzen Kontrollen vornahmen und als „Roma“ identifizierten Personen die Ausreise verweigern konnten.

Antiziganistische Stereotype in den Medien sind noch immer allgegenwärtig. Dabei ist es anzunehmen, dass dies ohne Bewusstsein für den rassistischen Gehalt der Darstellung geschieht. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisiert, dass bei Berichten über Straftaten oder Gewaltdelikte oft auf die Zugehörigkeit zur Minderheit hingewiesen wird, obwohl es keinen Zusammenhang zwischen der Straftat und der Herkunft der Täter_innen gibt.[245]

Im Jahre 1995 unterzeichnete die Bundesregierung in Straßburg die Rahmenkonventionen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, was zwei Jahre später vom Bundestag ratifiziert wurde. Damit wurden Sinti und Roma als nationale Minderheiten anerkannt und ihnen zumindest offiziell Schutz vor Diskriminierung und die Förderung im Bereich der Bildung, der Kultur und den Medien zugesichert. Im selben Jahr wurde das Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma in Heidelberg mit der weltweit ersten Dauerausstellung zur Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma im NS-Staat eröffnet. Um für Sinti und Roma die Möglichkeit zu schaffen, sich gegen Rassismus gerichtlich zu wehren, wurde die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) eingerichtet.

Im Jahre 2004 wurde das European Roma and Travellers Forum (ERTF) gegründet. Am 15.12.2007 kam es zu einem Partnerschaftsabkommen zwischen dem Europarat und dem ERTF, wo das ERTF als Vertretung der europäischen Roma im Namen des Europarates und seiner Mitgliedsstaaten anerkannt wurde und in Zukunft unterstützt werden sollte.[246]

Bei der letzten Überprüfung der Einhaltung der Rahmenkonventionen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, die von der BRD unterschrieben wurden, im Jahre 2010 kritisierte die ausführende Behörde des Europarates, dass es zahlreiche Unzulänglichkeiten - neben einigen positiven Entwicklungen - bei der Umsetzung gebe. Dabei wurden folgende Punkte genannt:[247]* eine schlechte öffentliche Unterstützung für die Selbstorganisationen

Im Jahr 1992 beschloss die damalige Bundesregierung nach jahrelangem Druck verschiedener Selbstorganisationen, ein „Denkmal für die Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes an den Sinti und Roma“ zu errichten.[248]

Um den Text einer zunächst geplanten Widmung des Denkmals gab es zwischen den beiden von der Bundesregierung in die Vorbereitungen einbezogenen Opferverbänden Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und Sinti Allianz Deutschland sowie der Bundesregierung jahrelange einen unwürdigen Streit.[249] Die Bundesregierung hatte die stigmatisierende Bezeichnung der Mehrheitsgesellschaft „Zigeuner“ für den Denkmaltext vorgesehen, was der Zentralrat als unwürdig und unzumutbar ablehnte. Hier zeigte sich mindestens eine fehlende Sensibilisierung, die neues Vertrauen in die Lernfähigkeit des deutschen Staates zerstörte. Widerstand gegen den Bau des Denkmals gab es aus den Reihen der Berliner CDU. Der damalige Bürgermeister Eberhard Diepgen meinte, in der Stadt gebe es „keinen Platz für ein weiteres Mahnmal.“[250] Der damalige CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky erklärte, „wir müssen noch erhobenen Hauptes durch die Stadt gehen können.“[251] Die durch die Meinungsverschiedenheiten verzögerten Bauarbeiten zum Denkmal begannen dann symbolisch am 19. Dezember 2008, dem offiziellen Gedenktag des Bundesrates für die Opfer des Völkermordes an den Sinti und Roma.

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas wurde am 24. Oktober 2012 im Beisein der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Bundespräsidenten Joachim Gauck eingeweiht.[252] Es befindet sich in Berlin-Mitte etwas südlich des Reichstages. Der israelische Künstler Dani Karavan schuf ein kreisrundes Wasserbecken mit zwölf Metern Durchmesser mit schwarzem Grund. In die Beckenmitte platzierte der Künstler eine dreieckige steinerne Stele, die von oben gesehen an den Winkel auf der Kleidung der KZ-Häftlinge erinnert. Auf der Stele liegt eine frische Blume. Immer wenn sie verwelkt ist, versinkt der Stein in einen Raum unter dem Becken, wo eine neue Blume auf den Stein gelegt wird, um danach wieder hochzufahren und aus dem Wasserbecken emporzusteigen.

Radikalisierung durch die extreme Rechte

Die extreme Rechte brauchte nur noch die oben beschriebenen Steilvorlagen aus den etablierten Parteien aufzunehmen und zuzuspitzen. Folgen europaweiter Migrationsprozesse und die Festigung multikultureller Gegebenheiten werden in einer Semantik der Bedrohung dargestellt. Die extreme Rechte nutzte zur Erhöhung der Aufmerksamkeit ähnliche Dramatisierungs- und Skandalisierungsstrategien, um die Bekämpfung von Migration und auch interkultureller Gesellschaft in der BRD als zwingend darzustellen. Dabei standen besonders zwei Argumentationsstränge im Vordergrund: die „Ausländerkriminalität“ und die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ bzw. „Deutschland als Sozialamt der Welt“. Die Themen werden dabei abhängig von den einzelnen Gruppierungen oder Organisationen in einen antiegalitären und völkisch-nationalistischen Deutungsrahmen überführt, wo eine unüberwindbare Bipolarität zwischen „Ausländern“ und Deutschen suggeriert wird. Ohne eindeutig darauf hinzuweisen, wird Migration als Bedrohung einer homogenen deutschen „Volksgemeinschaft“ verstanden.[253] Dass die extreme Rechte in ihrer Ablehnung von Zuwanderung an die im hegemonialen Diskurs vertretenen diskriminierenden Positionen anknüpfte, ist eine Konstante in den letzten Jahrzehnten.[254] Zerrbilder und Argumentationsmuster des völkischen Nationalismus im Zusammenhang mit Migration und Inklusion erzeugen dabei rassistische Stereotype, die die Grundlage für Gewalttaten und Morde militanter Neonazis bilden.

Die NPD erkannte schnell die Zeichen der Zeit und machte die öffentliche Diskussion über die Zuwanderung von Menschen aus Bulgarien und Rumänien auch im Hinblick auf die Europawahlen und die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zu einem Kernthema. In der Argumentation der NPD tauchen drei Motive immer wieder auf: Erstens die „Masseneinwanderer in den Sozialstaat“, zweitens „Lohndumping“ zu Lasten der deutschen Arbeitnehmer_innen und drittens die „Überfremdung“ Deutschlands. Die Partei hetzte gegen die „Welle von Sozialtouristen und Wohlstandsschnorrern“ und den damit einhergehenden „mißbräuchlichen Zugriff auf die Sozialsysteme zulasten der deutschen Steuerzahler und einheimischen Hilfsbedürftigen“.[255] In der Deutschen Stimme (DS), dem Leitorgan der NPD, hieß es: „(…) einerseits droht der Sozialstaat unter der Überbeanspruchung durch Einwanderer zu kollabieren, andererseits wird das durch Masseneinwanderung vergrößerte Arbeitskräftereservoir das Lohnniveau gedrückt, was sich wiederum in steigendem Bedarf an Lohnaufstockung und Sozialleistungen negativ auf das Sozialsystem auswirkt.“[256] Auf die in der DS selbst gestellten Frage „Die Flut kommt-wer hält sie auf?“ wird geantwortet, die NPD sei „die einzige authentische Anti-Überfremdungspartei“, die sich diesen „Zukunftsfragen“ stelle, die „für das Überleben des deutschen Volkes von herausragender Bedeutung sind.“[257]

Ronny Zasowk, Mitglied des Parteivorstandes der NPD, erklärte: „Durch die nun einsetzende EU-Freizügigkeit für Rumänien und Bulgarien und den sich systematisch ausweitenden Asylmißbrauch ist künftig mit Steigerungen um bis zu 500.000 Ausländern pro Jahr zu rechnen. (…) Daher sagt die NPD klar und deutliche: das Boot ist voll. Wir wollen keine weitere Einwanderung! Masseneinwanderung bringt Ausländerkriminalität, Asylmißbrauch, den Kollaps des deutschen Sozialsystems und Islamisierung mit sich.“[258]

Die „drohende Roma-Schwemme der inländerfeindlichen Armutszuwandung“ stelle. einen exemplarischen Fall der „Sozialstaats-Ausplünderung durch Ausländer“ dar.[259]

Die neonazistische Partei warnte vor dem „Kollaps des deutschen Sozialsystems“ verursacht durch Einwanderung: „Von den Medien soll uns Bürgern suggeriert werden, daß die Stichwörter ‚Armutszuwanderung‘ und ‚Sozialtourismus‘ Mythen von Überfremdungsgegnern seien. Doch muß man angesichts öffentlich zugänglicher Zahlen zur Kenntnis nehmen, daß diese Stichwörter längst die Realität beschreiben. Vor allem Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien landen zunehmend im deutschen Sozialsystem. Die NPD lehnt die zunehmende Einwanderung in den Sozialstaat ab. Das Problem, vor dem mittlerweile nahezu alle west-, mittel- und nordeuropäischen Staaten stehen, muß schnellstmöglich angegangen werden, wenn man massive Erhöhungen der Sozialbeiträge verhindern will. Kommen weitere Dauerarbeitslose aus aller Welt, droht ohne spürbare Erhöhungen von Steuern

sowie von Beiträgen zur Sozialversicherung der Kollaps des deutschen Sozialsystems.“[260]

Da „unser Land nicht das Sozialamt Europas ist“, plädierte die NPD für eine Verlängerung der Freizügigkeit für Bulgar_innen und Rumän_innen sowie Zugangsbeschränkungen für den deutschen Arbeitsmarkt[261]. Dass diese Forderungen in der Realität gar nicht umgesetzt werden können, ohne internationale Konflikte zu riskieren, ist für die Partei dabei nur von untergeordneter Bedeutung. Um bei den Wahlen in den nächsten Monaten eine realistische Chance zu haben, wird wie immer ein Feindbild benötigt. Die NPD „findet es außerordentlich erfreulich, daß die CSU zu Beginn des Superwahljahres 2014 mit dem Kampf gegen ,Armutsmigration‘ ein NPD-Kernthema salonfähig macht, bei dem die Wähler der NPD ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Problemlösungskompetenz zusprechen. Die NPD sieht dank der CSU-Initiative in der Tat massiven Rückenwind für ihren Europawahlkampf sowie die Landtagswahlkämpfe in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.“

Der Renegat Jürgen Elsässer fabulierte über eine „wilde Einwanderungsflut“, die die „deutschen Städte“ bedrohen würde. Dabei betonte er die angebliche Primitivität der Einwander_innen: „Ganze Roma-Dörfer kommen mit Sack und Pack und lassen sich in Elendsquartieren im Ruhrpott, in Mannheim und in anderen Städten nieder. (…) Wenn Massen von Leuten aus kaum zivilisierten Gegenden zu uns kommen – egal aus dem muslimischen Anatolien oder aus dem christlichen Transsilvanien oder dem hintersten Afrika (…)“.[262] Für die Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit ab 2014 konstruierte er die „zerstörerische Armutsimmigration in unsere Sozialsysteme“ und fügte an: „Und ab 1.Januar 2014 wird alles nochmal schlimmer: Dann fallen die letzten Barrieren für Rumänen und Bulgaren und sie erhalten nicht nur Niederlassungsfreiheit, kostenlose Schul- und Medizinversorgung in Deutschland – sondern auch den vollen Zugang zu unseren Sozialsystemen.“[263]

Auf dem neonazistischen Internetportal Altermedia wird in kaum verhüllter Weise gegen das „wachsende Zigeunerproblem“ gehetzt.[264] Angelockt vom deutschen Sozialsystem wird das Bedrohungsszenario einer „Masseneinwanderung“ konstruiert: „Der Zuwanderungsdruck aus Bulgarien und Rumänien wächst. Allein in Bulgarien wohnen 800.000 Roma, die auf eine bessere Zukunft hoffen. Viele wählen den einfachen Weg und machen sich Richtung Deutschland auf den Weg. Längst hat es sich herumgesprochen, dass dort die Sozialtöpfe für Zuwanderer immer noch prall gefüllt sind.“[265]

In den Kommentaren wird für die Wiederholung des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen 1992 geworben: „1992 in Rostock-Lichtenhagen hat man ja gesehen, wie überaus friedvoll, harmonisch und bereichernd ein enges Zusammenleben mit Zigeunern sein kann.“[266] Außerdem wird die Liquidierung von Politiker_innen befürwortet, die für die Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien positionieren: „Massive Drittwelt Einwanderung muss als Hochverrat an der deutschen Rasse gesehen werden und auch entsprechend geahndet werden – Es gibt genug Laternen und Bäume für die politischen Eliten, die dieses produziert haben.“[267]

Die rechte Zeitung Junge Freiheit (JF) aus Berlin, die wöchentlich erscheint, hat sich zu einem Vorzeigeprojekt der Neuen Rechten entwickelt.[268] Laut ihrem Herausgeber Dieter Stein fehle in der Bundesrepublik eine rechte parlamentarisch orientierte Alternative, die die Leerstelle im deutschen Parteiensystem rechts von der CDU/CSU besetze. Die Aufgabe der JF liege darin, an der Bildung einer solchen Alternative mit publizistischen Mitteln mitzuwirken.[269] Die JF bezieht sich nachdrücklich auf antidemokratische Ideologen der Konservativen Revolution[270] wie den Staatsrechtler Carl Schmitt[271]. Die Zeitung kennzeichnet ein völkischer Nationalismus, der eine wie auch immer ausgerichtete „nationale Identität“ glorifiziert.[272] Weitere Merkmale sind Elitedenken, Kritik am Parlamentarismus, Hetze gegen Migranten und ein ausgeprägter Etatismus. Im Jahre 2000 wurden im Umfeld der JF das Institut für Staatspolitik (IfS) und der Verlag Edition Antaios gegründet. Das IfS ist ein politischer Elitezirkel in der Tradition des jungkonservativen Politischen Kollegs, das in den Sparten Wissenschaft, Fortbildung und Nachwuchsförderung ideologischer Vorreiter sein soll. Einer der Vordenker der JF, Karlheinz Weißmann, bemerkte zu den Zielen des IfS: „Uns geht es um geistigen Einfluss, nicht die intellektuelle Lufthoheit über Stammtische, sondern über Hörsäle und Seminarräume interessiert uns, es geht um Einfluß auf die Köpfe, und wenn die Köpfe auf den Schultern von Macht- und Mandatsträgern sitzen, um so besser.“[273] Die Edition Antaios ist für die Publikation der „Arbeitsergebnisse“ des IfS verantwortlich und soll gleichzeitig auch ein Ansprechpartner für rechte Publizisten vor allem im geisteswissenschaftlichen Bereich darstellen.

Die JF vertritt einen ausgeprägten antimuslimischen Rassismus. Nach der Freund-Feind-Schema von Carl Schmitt wird suggeriert, die christlichen europäischen Gesellschaften müssten sich gegen einen immer als fundamentalistisch und monolithisch verstandenen Islam wehren. Dies dient dazu, religiöse Konkurrenzangst zu nationalisieren bzw. zu ethnisieren.[274] Ständig wird versucht, die Unvereinbarkeit des Islams mit den Prinzipien des Grundgesetzes zu belegen. Der Islam wird als existenzbedrohend für die deutsche Gesellschaft und seine „nationale Identität“ dargestellt. Der totalitäre Islam in seinem Streben nach Weltherrschaft stelle eine Bedrohung für das freie christlich-abendländische Deutschland und Europa dar.

Das Thema Migration verknüpft sie mit dem Demographie-, dem Kriminalitäts- und dem Sozialstaatsdiskurs. Die JF stellt die Zuwander_innen aus Rumänien und Bulgarien homogenisierend als „Zigeuner“ dar, die als „Sozialschmarotzer“ den deutschen Sozialstaat belasten würden. In wohlstandchauvinistischer Manier wird die Zuwanderung in einer Semantik der Gefahren gesehen. Die „Armutseinwanderung“ der „Zigeuner vom Volk der Roma“ wäre eine „tickende Zeitbombe“, die nur aufgrund der Sozialleistungen in die Bundesrepublik kämen, was „Wohlstandseinbußen auch für die eigenen Bürger“ bedeuten würden.[275] Die JF will eine „Debatte um die Grenzen der Solidargemeinschaft“ anstoßen und die „Realität ungesteuerter Masseneinwanderung in die Sozialsysteme“ verhindern. Die JF macht die „kommunalen Funktionäre“ für die „Wanderungswellen“ verantwortlich: „Sie scheinen als gottgegebenes Schicksal hinzunehmen, daß sich Hunderttausende ohne jede Rechtfertigung aus abgelegenen Winkeln Europas aufmachen, um ihnen auf der Tasche zu liegen.“ Die volle Freizügigkeit für Arbeitnehmer_innen aus Rumänien und Bulgarien ab Beginn des Jahres 2014 wird als Bedrohungsszenario dargestellt, da „man vom kommenden Jahr an mit Pro-forma-Arbeitsverhältnissen für die dreimonatige Mindestdauer erst recht den Schlüssel zur Sozial-Bonanza finden“ würde. Rassistische und wohlstandschauvinistische Äußerungen von Anwohner_innen werden relativiert: „Und schon steht der autochthone Nachbar, der unter der ungefragt aufgezwungenen Konfrontation mit Chaos, Vermüllung, Kriminalität und anderen Kehrseiten eines wieder mal einfach so zugelassenen Kulturimports leidet und sich womöglich sogar beschwert, in der Schmuddelecke und verstummt lieber.“

In der seit 2009 erscheinenden rechten Monatszeitschrift „ZUERST! – Deutsches Nachrichtenmagazin“ gehört die Ablehnung von Zuwanderung und einer multikulturellen Gesellschaft zu den wichtigsten politischen Themen. Unter Bezugnahme auf die populistischen Parolen der CSU und der FDP radikalisiert „Zuerst“ das Bedrohungsszenario noch und malt das Zerrbild einer „Masseneinwanderung“ von „Armutsflüchtlingen“ aus Rumänien und Bulgarien, bei denen „es sich zum allergrößten Teil um Angehörige der Roma- und Sinti-Minderheit handelt, also: Zigeuner“ handele: „Experten erwarten bis zu 180.000 Menschen aus dem europäischen Südosten, die entweder auf gepackten Koffern sitzen oder sich schon auf den Weg nach Deutschland gemacht haben, wo üppiges Kindergeld, Gratis-Wohnungen und ein wahres Füllhorn an weiteren Vergünstigungen aus dem Sozialhaushalt winken. In den nächsten Jahren (…) könnten sogar 2,34 Millionen Neu-Bundesbürger aus Rumänien und Bulgarien unser Land ‚bereichern‘.“[276] Zur Beseitigung dieser „klammheimliche(n) Völkerwanderung“ wären keine Lösungen aus der etablierten Politik zu erwarten, lediglich die extreme Rechte würde sich dieses „Problems“ annehmen.

Für die Pro-Bewegung gehört im Gegensatz zu anderen extrem rechten Parteien oder Organisationen antiziganistische Stimmungsmache und Hetze schon seit Jahrzehnten zum festen Bestandteil ihres politischen Programms. Dort wird ein rassistischer Dualismus zwischen „Einheimischen“ und Migrant_innen vertreten und eine angebliche Bevorzugung von Migrant_innen gegenüber der „inländischen Bevölkerung“ konstruiert. Für Pro Köln war jahrelang das Thema der „Klau-Kids“ von großer Bedeutung. Der von lokalen Medien hochgespielte angeblich strategisch organisierte Diebstahl von Kindern aus Roma-Familien unter 14 Jahren in Köln und Umgebung wurde von Pro Köln benutzt, um das Motiv der „kriminellen Sinti und Roma“ im Kommunalwahlkampf als Stimmenfang zu nutzen.[277] Die in einem Flüchtlingswohnheim in Köln-Poll untergebrachten Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien wurden als „Scheinasylanten“ und „Wirtschaftsflüchtlinge“ beschimpft. Auf einer Demonstration gegen die Roma-Flüchtlinge, an der auch Vertreter_innen von Pro Köln teilnahmen, wurden Gegendemonstrat_innen mit Sprüchen wie „Nehmt euch doch die Zigeuner mit nach Hause!!“ oder „Unterm Adolf wärt ihr vergast worden!“ konfrontiert.[278] Pro Köln stellte im Mai 2004 einen Antrag im Rat der Stadt Köln gegen die Errichtung eines Roma-Zentrums am Venloer Wall. Im Jahre 2006 hetzte Pro Köln gegen Roma-Familien, die in einem Asylbewerber_innenheim in Merkenich unter menschenunwürdigen Bedingungen lebten. In Bezug auf (Sinti-) und Roma spricht die Pro-Bewegung häufiger von einer „mobilen ethnischen Minderheit“, was aus der Polizeisprache entnommen wurde. Dort schimmert das alte Klischee der Nichtsesshaftigkeit durch, was allerdings längst widerlegt ist, da die meisten Sinti und Roma einen festen Wohnsitz in der BRD haben.[279]

Pro NRW sprach sich schon im Jahre 2008 gegen die Aufhebung der Zuzugsbeschränkungen für Arbeitnehmer_innen aus den osteuropäischen EU-Ländern aus, da deutsche Arbeitnehmer_innen aus diesem Grunde Wohlstandeinbußen und Einkommensverlust hinnehmen müssten: „Die soziale Lage in unserem Land verschärft sich zusehends und entwickelt sich immer mehr in Richtung so genannter ‚amerikanischer Verhältnisse‘. Der Druck auf die Löhne wird sich noch einmal ganz dramatisch verschärfen, wenn die volle Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus den osteuropäischen Beitrittsstaaten gilt.“[280]

Die Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien ist für Pro NRW in den letzten Jahren zu einem Kernthema geworden. Die Einwander_innen werden pauschal als „Roma“ oder auch als „Zigeuner“ dargestellt, obwohl die nicht zutrifft. Wie viele Einwander_innen wirklich zur Minderheit der Roma gehören, lässt sich nur schwer feststellen; Prognosen oder Zahlen in diesem Zusammenhang zu nennen, ist daher höchst unseriös.

In Kampagnen von Pro NRW wie etwa „Nein zum Asylmissbrauch“ wird asylsuchenden Roma aus Südosteuropa die „Einwanderung in das Sozialsystem“ und „Scheinasylantentum“ vorgeworfen. Die antiziganistisch aufgeladene Hetze gegen Asylsuchende aus Südosteuropa ist direkt mit der „Armutseinwanderung, hauptsächlich von Zigeunern“[281] verknüpft. Es wird ein Gegensatz zwischen der „Wir-Gruppe“ der anständigen gesetzestreuen Deutschen und den Roma, denen alle möglichen devianten Eigenschaften vorgeworfen werden, aufgebaut. Die „nordrhein-westfälische Grundgesetzpartei“[282] Pro NRW macht Roma für sozioökonomische Konfliktlagen vor allem in den beiden Ruhrgebietsstädten Duisburg und Dortmund verantwortlich und ruft dabei über Jahrhunderte in der Dominanzgesellschaft verbreitete Stereotype ab.

Der stellvertretende Pro-NRW-Vorsitzende Jörg Uckermann brachte die Roma mit Kriminalität in Verbindung: „Es sind keine Bagatellen, die unseren sozialen Frieden stören. Wenn beispielsweise ein Asylpfarrer in Baden-Württemberg öffentlich erklärt, er halte die Kriminalität bei den Roma und Sinti, um im Jargon der Etablierten zu bleiben, für ein Kulturphänomen, dann muß man dem entgegen halten, daß wir eine solche Form der Kulturbereicherung nicht wollen. Und da kann ich wohl für die breite Mehrheit der Deutschen sprechen. Es kann nicht sein, daß Kriminelle sich der Reise- und Arbeitnehmerfreizügigkeit bedienen, um auf deutschem Boden Raubzüge und sonstige Straftaten zu begehen. Wir von PRO NRW fordern ein hartes Vorgehen gegen solche Kriminelle. Die Sicherheit geht vor, in jedem Falle! Man muß im Bedarfsfall auch bereit sein, diese Personenkreise umgehend auszuweisen!“[283]

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma erstattete Strafanzeige und -antrag gegen Verantwortliche von Pro NRW wegen ihres Wahlwerbespots zur Europawahl erstattet. In einem Werbespot sei nach Ansicht des Zentralrats pauschal rassistische Hetze gegen Sinti und Roma betrieben worden sei.[284]

Der hauptsächlich antimuslimischen Rassismus transportierende Blog Politically Incorrect (PI) hat auch das neue Feindbild „Zigeuner“ für sich entdeckt. Der Journalist Stefan Niggemeier urteilte zu Recht über PI: „Es ist ein unverhohlen rassistischer Mob, der sich im Kommentarbereich von Politically Incorrect täglich versammelt.“[285] Ende 2011 wurde geschätzt, dass bis zu 60.000 User_innen pro Tag den Blog anklicken.[286] Damit gehört PI zu den wichtigsten Transportmitteln rechter Ideologie im deutschsprachigen Raum.[287] In der Tat findet sich auf dem Blog offener Antiziganismus, wo Roma als „Problem“ wahrgenommen und jahrhundertealte Ressentiments innerhalb der Mehrheitsgesellschaft zum Vorschein kommen. Es würde nur eine „unbequeme Wahrheit“ wie die „Gewohnheit des Klauens“ und das Sozialschmarotzertum ausgesprochen, was sich zu einer zunehmenden „Belastung“ für die Dominanzgesellschaft entwickeln würde. Dort ist zu lesen: „Das Problem sind nicht nur Müllberge, Exkremente in Treppenhäusern, mit Kot um sich schmeißende Bewohner, es ist nicht nur die hohe Zahl von Roma-Migranten, die sich hier ansiedeln, um ihr mittlerweile verbrieftes Anrecht auf deutsche Sozialleistungen wahrzunehmen. Allein das würde bereits ausreichen, um unsere Städte in den Ruin zu treiben. Zusätzliche Belastungen sind die Kosten, die direkt und indirekt durch eine um sich greifende Kriminalität entstehen, von den menschlichen Tragödien ganz zu schweigen, die sich hinter jedem Einbruch, Diebstahl oder Überfall verbergen.“[288]

Die „Republikaner“ setzen vor allem die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ und „Lohndumping“ zum Vorteil der „Wirtschaftslobby“ mit der Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien gleich. Die Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit böte „Folgekosten“ für den deutschen Sozialstaat, die noch nicht absehbar seien. Der Bundesvorsitzende der „Republikaner“, Rolf Schlierer, konstatierte: „Während die Wirtschaftslobby sich über das vergrößerte Arbeitskräfteangebot und entsprechend niedrigere Löhne und bessere Profite freut, zeichnet sich eine Entwicklung ab, die unsere sozialen Sicherungssysteme auf Dauer überlasten wird. Die Unternehmen müssten deshalb über eine Einwanderungsabgabe an den sozialen Folgelasten der von ihnen gewünschten Arbeitsmigration beteiligt werden.“[289]

In Duisburg, wo sich viele der Zuwander_innen niedergelassen haben und ein neues Leben aufbauen wollen, heizte der neonazistische „Nationale Widerstand Duisburg“ die Stimmung gegen die von ihm als „Zigeuner“ konnotierten Menschen weiter an: „Polizeieinsätze am von Zigeunern bewohnten Problemhaus, sowie kriminelle Handlungen durch Zigeuner, die etwa alten Frauen beim Bankautomaten auflauern oder Kindern ihr Fahrrad stehlen, reißen nicht ab. Da diesen Zuständen weder durch Stadt noch Polizei Einhalt geboten wird, sind die zwingenden Konsequenzen Bürger, die ihren Zorn über besagte Zustände Luft machen. Um eine feindschaftliche Stimmung gegen die in Duisburg herrschenden Zustände zu entwickeln, bedarf es keiner demagogischen Maßnahmen seitens politischer Gruppen. Die angeheizte Stimmung ist Resultat verachtenswerter und untragbarer Zustände. Eine Abneigung gegen diese ist verständlich und natürlich. (…) Kriminellen und Fremden, die weder in unserer Stadt, noch in irgendeiner anderen Ecke Deutschlands etwas zu suchen haben.“[290]

Vertreter_innen der beiden „Volksparteien“ sprachen sich vehement gegen die Pläne der EU-Kommission, Neuzuwander_innen aus Rumänien und Bulgarien die gesetzliche Grundsicherung zuzubilligen, aus. Die Konstruktion von der „Einwanderung in die Sozialsysteme“ wurde immer wieder benutzt und damit wieder einmal die Einwanderung in einer Semantik der Gefahren dargestellt. Duisburg SPD-Oberbürgermeister Sören Link sagte in diesem Zusammenhang: „Es würde auch die Integrationsfähigkeit der Stadt auf eine harte Probe stellen, wenn Armutszuwanderer allein wegen Zugang zu Sozialleistungen kämen.“[291]

Dagegen forderte ein breiter gesellschaftlicher Zusammenschluss einen offenen Zugang zur Grundsicherung für Zuwanderer_innen aus Rumänien und Bulgarien. So bemerkte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: „Die Verweigerung von Hartz-IV-Leistungen führt häufig zu einer Spirale der Verelendung und zieht für die Betroffenen Probleme bei Krankenversicherungsschutz, Bildung oder auch der Wohnungssuche nach sich. Statt junge Familien in Notunterkünfte und Armut zu drängen, sind Politik und Gesellschaft gefordert, sie bestmöglich bei der Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Wer hier ist und in Not, hat Anspruch auf Hilfe. Statt Panikmache und Pauschalverdächtigungen brauchen wir pragmatische Hilfen für diejenigen Kommunen, die durch die Zuwanderung vor besondere Integrationsherausforderungen gestellt werden.“[292]

Der Antiziganismusforscher Markus End kritisierte zu Recht, dass alte antiziganistische Motive und Stereotypen die Debatte um die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien maßgeblich mitprägen: „Mir stößt übel auf, dass diese Debatte antiziganistisch geführt wird. Seit Mitte 2012 wurde der Begriff ,Armutszuwanderer‘ in der Öffentlichkeit gleichgesetzt mit dem Begriff ,Roma‘. Dadurch wurden Roma die Eigenschaften zugeschrieben, die man den sogenannten Armutszuwanderern zuschrieb: Sie wurden pauschal als faul und als Sozialschmarotzer bezeichnet. Es hieß, sie würden Müll und Lärm produzieren oder zur Kriminalität neigen. Auch wenn das Wort ,Zigeuner‘ selbst öffentlich kaum noch verwendet wird, die antiziganistischen Bilder haben die Debatte um die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien sehr stark geprägt. Hochqualifizierte Roma, die es selbstverständlich auch gibt, kennt die Debatte nicht, weil sie nicht ins Bild passen.“[293] Er beklagt weiterhin einen weit verbreiteten Antiziganismus in den Medien, wo aufgrund geringer Sensibilität etablierte Bilder und Ressentiments eine immer weiter fortschreitende Reproduktion erfahren.[294]

In der Debatte wird oft verschwiegen, dass es im Zuge der Arbeitnehmer_innenfreizügigkeit für Menschen aus Polen, Tschechien, der Slowakei und anderen osteuropäischen Ländern im Jahre 2011 auch von Vertreter_innen der bürgerlichen Mitte „Warnungen“ vor einem „Zusammenbruch des deutschen Sozialsystems“ und „Lohndumping“ gab, die in keinem Verhältnis zur Wirklichkeit standen. Der Journalist und Buchautor Norbert Mappes-Niediek kritisierte zu Recht: „Wer die Grenzen schließt, verursacht eine Schlepperindustrie, und wer den Zuwanderern das Freizügigkeitsrecht entzieht, bekommt die gleiche Zahl an Illegalen. (…) Dass dann ‚alle kommen‘ ist bloß Propaganda – ebenso wie die Rede von den ‚ganzen Landstrichen‘, die schon ‚entvölkert‘ seien, weil alle jetzt im Ruhrgebiet leben würden. Die Ärmsten der Armen, die in Rumänien überwiegend auf dem Lande leben, migrieren so gut wie überhaupt nicht.“[295]

Ein kritischer Impuls war die Ernennung des Begriffs „Sozialtourismus“ zum Unwort des Jahres 2013, die mit der Aufforderung zu mehr Sachlichkeit und Differenzierung innerhalb der Debatte verbunden war. Der Mainzer Soziologe Stefan Hradil bezeichnete das Wort „Sozialtourismus“ als populistischen Begriff, der eine vermeintliche Gefahr heraufbeschwören soll: „Je mehr rechtsradikale Parteien in Schwierigkeiten kommen und Leute eine andere Parteiorientierung suchen, desto hilfreicher werden solche populistischen Redensarten.“[296]

Das Märchen von der „Armutsmigration“

Der Begriff der „Armutsmigration“ kennzeichnet in weiten Teilen die Debatte um die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wurde explizit festgehalten, dass die Bundesregierung dem illegalen Zugang zur Sozialhilfe von „Armutszuwanderung“ entschieden entgegenwirken wird. Dagegen wandte sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in einer Pressemitteilung und hob hervor, dass demokratische Parteien mit solchen Kampagnen „rechtsextremistische Positionen salonfähig machen und Fremdenfeindlichkeit bestärken.“[297] Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sprach von „(…) Problemen (…), vor denen einige Großstädte durch Armutszuwanderung stehen.“[298]

In einer offiziellen Pressemitteilung des Deutschen Städtetages Anfang 2013 wurden Bund, Länder und die EU dazu aufgerufen, den Kommunen stärker bei der Bewältigung der Probleme zu unterstützen, die durch die „Armutszuwanderung“[299] aus Bulgarien und Rumänien entstünden. Zahlreiche Fakten beweisen aber, dass die These von der „Armutszuwanderung“ nicht haltbar ist.

Insgesamt gesehen profitiert die BRD von der Einwanderung aus Bulgarien und Rumänien.[300] Im Vergleich mit anderen Zuwander_innengruppen sind Menschen aus Bulgarien und Rumänien ökonomisch weitgehend gut integriert. Die Arbeitslosigkeit lag Ende des Jahres 2012 bei 9,6%, etwas über dem gesamtdeutschen Schnitt von 7,4%. So haben 9,3 Prozent der Bulgaren und Rumänen ganz oder teilweise Hartz IV oder andere Sozialleistungen erhalten, was die „Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme“ ad absurdum führt.[301] Es gibt aber sehr starke regionale Differenzen: Die Arbeitslosenquoten der Bulgar_innen und Rumän_innen reichen von 5,6 Prozent in Stuttgart und 6,7 Prozent in München bis zu knapp 27 Prozent in Duisburg und knapp 25 Prozent in Berlin. Der Anteil der Hartz-Empfänger_innen unter den Bulgar_innen und Rumän_innen beläuft sich in Stuttgart und München auf 5,2 und 5,6 Prozent, in Berlin auf knapp 20 Prozent und in Köln auf 15 Prozent.[302] Vor allem die deutsche Rentenversicherung profitiert von der Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien, was an der Altersstruktur der Zuwander_innen zwischen 25 und 45 Jahren liegt. Die Zahl der Rentenbezieher_innen ist sehr gering, so dass die Zuwander_innen insgesamt mehr einzahlen als sie später an Rentenansprüchen herausbekommen. Allein ihr Beitrag zur Rentenversicherung übersteigt die vor allem durch die Kommunen geleisteten Ausgaben für soziale Hilfen. Herbert Brückner, Leiter des Forschungsbereiches „Internationale Vergleiche und Europäische Integration“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, konstatiert: „Die Erträge und Lasten sind vielmehr ungleich verteilt. Die Kommunen gehören eher zu den Verlierern, da sie für die Grundsicherung aufkommen. Die Rentenversicherung gehört demgegenüber zu den Gewinnern. Insgesamt gilt jedoch: Wir müssen das herrschende Bild, bei der Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien handele es sich überwiegend um eine Armutszuwanderung, korrigieren. Eine solche Korrektur ist auch deshalb notwendig, um die Bevölkerung aus diesen Ländern nicht ungerechtfertigt zu stigmatisieren. Damit werden die Integrationsprobleme nicht kleiner, sondern größer.“[303]

Eine Expertise des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln beweist, dass die Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien von ökonomischem und sozialem Nutzen ist.[304] Die Zuwanderung treibt die für ein Industrieland äußerst niedrige Quote von 19% der Bevölkerung mit Hoch- oder Fachhochschulabschluss in die Höhe. 25% der erwachsenen Einwander_innen besitzen einen akademischen Abschluss. Darunter besitzen ca. 8% der erwachsenen Zuwander_innen einen Abschluss in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und können damit den in diesen Brachen herrschenden Fachkräftemangel etwas abmildern. Prof. Michael Hüther, Direktor der IW, bilanzierte: „Durch die neu hinzugekommenen Arbeitskräfte steigt die Wirtschaftskraft Deutschlands, was sich wiederum positiv auf die öffentlichen Haushalte und die Kommunen auswirkt. Insofern habe Einwanderung nicht nur positive Auswirkungen auf die Sozialversicherungen, sondern verbessere auch die Lage der öffentlichen Haushalte insgesamt.“[305]

Weitere Vorteile der Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien für die BRD liegen auf der Hand: Der weitgehende Verzicht von Bildungsleistungen, die meist in den Herkunftsländern erbracht werden, wird in der Diskussion meist ignoriert. Die Auswanderung nach Deutschland schwächt dagegen hauptsächlich die Herkunftsländer, wenn dringend benötigte Fachkräfte auswandern. So schätzen rumänische Gewerkschaften, dass seit 1989 etwa 20.000 Krankenschwestern und 30.000 Ärzte in die BRD ausgewandert sind.

80% der zwischen 2007 und 2011 zugewanderten Bulgar_innen und Rumän_innen sind sozialversicherungspflichtig auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt.[306] Im Jahre 2012 bezogen 38.000 Personen aus Bulgarien und Rumänien soziale Hilfen. Der Anteil von rumänischen und bulgarischen Einwander_innen bezogen auf alle Hartz-IV-Empfänger_innen betrug nur 0,6 Prozent. EU-Justizkommissarin Viviane Reding erklärte zur angeblichen Ausnutzung des deutschen Sozialsystems durch Rumän_innen und Bulgar_innen: „Wir sehen, dass wir sehr niedrige Zahlen von EU-Bürgern haben, die nach Deutschland kommen und im sozialen Bereich etwas empfangen. Die meisten zahlen ein und bekommen nichts heraus.“[307] Auch die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström bezeichnete die Klagen über Sozialmissbrauch als „hoch übertrieben“.[308]

Im Jahresgutachten 2012 des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration wird deutlich gemacht, dass 72% der Zuwander_innen aus diesen beiden Ländern zwischen 25 und 44 Jahren, die nach 2007 in die BRD kamen, einer Erwerbstätigkeit nachgehen.[309] Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) betonte, dass sich unter den Zuwander_innen ein hoher Anteil an Student_innen und qualifizierten Fachkräften befindet. Der Städtetagspräsident Ulrich Maly (SPD) wandte sich gegen den pauschalen Vorwurf der „Armutsmigration“ und erklärte: Wir haben unterdurchschnittlich viele Bulgaren, Rumänen, und die meisten von denen sind entweder Studierende oder arbeiten sozialversicherungspflichtig, wie die meisten anderen EU-Europäer auch, die zu uns kommen.“[310]

Die vom Duisburger Sozialdezernenten Reinhold Spaniel vorgelegten Zahlen zu Neuzuwander_innen aus Bulgarien und Rumänien im März 2014 zeigen, dass das Ressentiment von der „Einwanderung in die Sozialsysteme“ nicht haltbar ist. Lediglich 668 Bulgar_innen und 170 Rumän_innen hatten in Duisburg im Dezember 2013 Anrecht auf Grundsicherungsleistungen.[311]

Der Migrationsforscher Klaus J. Bade übte scharfe Kritik an dem Begriff der angeblichen „Armutsmigration“ Allein den Terminus »Armutsmigration« bezeichnete er als „semantisches Schandmal“ und „die damit verbundene gruppenfeindliche Agitation gegen Bulgaren und Rumänen und insbesondere die Roma unter ihnen (…) eines der beschämendsten Kapitel in der Geschichte der deutschen und europäischen Ausländerdiskussionen“.[312]

Es gibt auch eine direkte Anwerbung von qualifiziertem Personal in Rumänien durch die deutsche Wirtschaft. Seit geraumer Zeit versuchen deutsche Unternehmen den Fachkräftemangel dadurch aufzufangen, dass sie gezielt IT-Ingenieur_innen, Ärzt_innen, Pflegekräfte, Schweißer_innen und Dreher_innen direkt in Rumänien anwerben.

Die in diesem Zusammenhang herrschende utilitaristische Logik gibt auch Anlass zur Kritik. Die teleologischen Prinzipien der Unterscheidung zwischen „nützlichen Fachkräften“ und „unnützen Armutsmigrant_innen“ haben leider nicht nur in der Bundesrepublik eine lange Tradition. Das reine Nützlichkeitsdenken ist Teil einer kapitalistischen Logik, wo nur Leistung zählt und die Würde des Menschen nur eine bescheidene Nebenrolle spielt.

Fußnoten

  1.  ↑ Rheinische Post vom 1.7.2012
  2.  ↑ www.boeckler.de/pdf/Mitbestimmung_Strukturwandel.pdf S. 14
  3.  ↑ www.gfw-duisburg.de/standort-duisburg/daten/einwohner.php
  4.  ↑ Reicher, C./Kunzmann, K.R./Polivka, J. (Hrsg.): Schichten einer Region. Kartenstücke zur räumlichen Struktur des Ruhrgebietes, Berlin 2011, S. 37
  5.  ↑ www.rp-online/nrw/staedte/duisburg/hier-ist-duisburgs-vielfalt-zu-hause-aid-1.1036660
  6.  ↑ Von Lüpke-Schwarz, M.: „Zigeunerfrei!“ Die Duisburger Kriminalpolizei und die Verfolgung der Sinti und Roma 1939-1944, Saarbrücken 2008, S. 4
  7.  ↑ Ebd., S. 136ff
  8.  ↑ Ebd., S. 140
  9.  ↑ www.taz.de/!130213/
  10.  ↑ NRZ vom 12.9.2012, S. 1
  11.  ↑ www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/
  12.  ↑ Deutscher Städtetag (Hrsg.): Positionspapier des Deutschen Städtetages zu den Fragen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien vom 22.1.2013, Berlin 2013, S. 3
  13.  ↑ Stadt Duisburg (Hrsg.): Zuwanderung von Menschen aus Südosteuropa. Sachstandsbericht zur Umsetzung des Duisburger Handlungskonzeptes. Januar 2013, Duisburg 2013, S. 5
  14.  ↑ http://taz.de/Osteuropaeische-Roma-im-Ruhrgebiet/!105347/[[Image:|top]][[Image:|top]]
  15.  ↑ www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/2081309/
  16.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/stadt-duisburg-scheint-problem-in-hochfeld-nicht-in-den-griff-zu-bekommen-id6234603.html
  17.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/ordnungsamt-kontrollierte-zuwanderer-haeuser-aimp-id8783048.html
  18.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/keine-ersatzquartiere-fuer-romafamilien-aus-duisburger-problemhaeuser-aimp-id8787262.html
  19.  ↑ www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/
  20.  ↑ Bild vom 1.3.2013
  21.  ↑ Bild vom 22.1.2013
  22.  ↑ Bild vom 6.3.2013
  23.  ↑ www.derwesten.de/staedte/dortmund/klau-kid-elisabete-14-sitzt-nach-200-taten-in-u-haft-id8224472.html
  24.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/klau-banden-aus-duisburg-sind-auch-in-den-niederlanden-aktiv-id8123342.html
  25.  ↑ www.rp-online.de/niederrhein-nord/duisburg/nachrichten/stimmung-am-problemhaus-spitzt-sich-zu-1.3604678
  26.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/teenie-trickdiebin-angeblich-13-jahre-alt-wurde-2013-bereits-170-mal-erwischt-id8080315.html
  27.  ↑ www.presseportal.de/polizeipresse/pm/50510/2483822/pol-du-gewerbsmaessiger-ladendiebstahl-durch-kinder/rss
  28.  ↑ Ebd.
  29.  ↑ http://taz.de/Osteuropaeische-Roma-im-Ruhrgebiet/!105347/[[Image:|top]][[Image:|top]]
  30.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/polizeigewerkschaft-fordert-300-polizisten-mehr-fuer-duisburg-id8038148.html?ciuac=true
  31.  ↑ www.duisburgweb.de/2012/Bilder/Politik/2012.09/Protest_OB.pdf
  32.  ↑ http://taz.de/Osteuropaeische-Roma-im-Ruhrgebiet/!105347/
  33.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburger-fuehlen-sich-in-der-einwanderungsdebatte-von-der-politik-allein-gelassen-id7158128.html
  34.  ↑ http://taz.de/Osteuropaeische-Roma-im-Ruhrgebiet/!105347/[[Image:|top]][[Image:|top]]
  35.  ↑ www.welt.de/politik/deutschland/article113882481/Mit-Zuzug-der-Roma-prallen-Welten-aufeinander.html
  36.  ↑ www.rp-online.de/niederrhein-nord/duisburg/nachrichten/kein-zweites-lichtenhagen-1.3032768
  37.  ↑ Akduell. Studentische Zeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet, Nr. 53, 26.3.2014, S. 4-5. hier S. 5
  38.  ↑ www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-moers-kamp-lintfort-neukirchen-vluyn-rheurdt-und-issum/der-handel-wehrt-sich-gegen-organisierte-diebesbanden-id6940169.html
  39.  ↑ www.facebook.com/pages/In-Den-Peschen-3-5/368630926584732
  40.  ↑ www.xtranews.de/2013/08/15/duisburg-bergheim-rostock-lichtenhagen-jetzt-auf-facebook/
  41.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/west/staatsschutz-ermittelt-nach-gewalt-aufruf-gegen-roma-id8311398.html
  42.  ↑ www.rp-online.de/niederrhein-nord/duisburg/nachrichten/stimmung-am-problemhaus-spitzt-sich-zu-1.3604678
  43.  ↑ www.taz.de/!122711/
  44.  ↑ www.presseportal.de/polizeipresse/pm/50510/2535100/pol-du-rheinhausen-farbschmierereien-in-den-peschen
  45.  ↑ www.presseportal.de/polizeipresse/pm/50510/926/pol-du-rheinhausen-fremdenfeindliche-rufe-taeter-gefasst
  46.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburger-organisieren-nach-hetze-gegen-auslaender-nachtwache-id8338177.html
  47.  ↑ Akduell. Studentische Zeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet, Nr. 53, 26.3.2014, S. 4-5, hier S. 5
  48.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/erfahrungen-aus-bulgarien-im-gepaeck-aimp-id7771969.html
  49.  ↑ Bukow, Wissenschaftliche Begleitung für eine interkommunale Kooperation zur Entwicklung eines Handlungsrahmens ,Zuwanderung aus Südosteuropa,. Abschlussbericht. Vorläufige Endfassung, a.a.O., S. 31
  50.  ↑ www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/
  51.  ↑ www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/
  52.  ↑ www.bild.de/regional/ruhrgebiet/soeren-link/soeren-link-roma-29323500.bild.html
  53.  ↑ www.taz.de/!122711/
  54.  ↑ Ebd.
  55.  ↑ Ebd.
  56.  ↑ www.welt.de/regionales/duesseldorf/article119442422/Ich-habe-die-Befuerchtung-dass-noch-mehr-kommen.html
  57.  ↑ Ebd.
  58.  ↑ www.welt.de/regionales/duesseldorf/article114747378/Duisburgs-Wutbuerger-fordern-Umsiedlung-der-Roma.html
  59.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/streit-ueber-zuwanderung-was-minister-friedrich-auf-links-kritik-antwortet-id8051194.html?ciuac=true
  60.  ↑ Stadt Duisburg (Hrsg.): Zuwanderung von Menschen aus Südosteuropa. Sachstandsbericht zur Umsetzung des Duisburger Handlungskonzeptes. Januar 2013, Duisburg 2013, S. 4
  61.  ↑ Akduell. Studentische Zeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet, Nr. 53, 26.3.2014, S. 4-5, hier S. 4
  62.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/linke-attackiert-auslaenderbehoerde-id8082691.html
  63.  ↑ www.npd-duisburg.de
  64.  ↑ Die Zahl 18 steht für die ersten Buchstaben, in diesem Falle A und H, was als Chiffre für Adolf Hitler verwendet wird.
  65.  ↑ http://nw-duisburg.info/2013/08/14/problemhaus-stimmung-erhitzt-sich-weiter/
  66.  ↑ www.netz-gegen-nazis.de/beitrag/fussballtuniere-zur-vernetzung-der-nationalen-kraefte-8250
  67.  ↑ www.wdr.de/tv/westpol/sendungsbeitraege/2012/0930/fussball.jsp
  68.  ↑ Svastika bedeutet Hakenkreuz. Das Hakenkreuz wurde 1920 zum Parteizeichen der NSDAP und 1935 zum zentralen Bestandteil der Flagge des Deutschen Reiches erklärt.
  69.  ↑ www.netz-gegen-nazis.de/beitrag/fussballtuniere-zur-vernetzung-der-nationalen-kraefte-8250
  70.  ↑ www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/
  71.  ↑ Die Linke. Ratsfraktion Duisburg (Hrsg.): Neuzuwanderung. Integration und Gleichstellung statt Ausgrenzung und Rassismus, Duisburg 2013, S. 17
  72.  ↑ Stadt Duisburg, Zuwanderung von Menschen aus Südosteuropa. Sachstandsbericht zur Umsetzung des Duisburger Handlungskonzeptes. Januar 2013, a.a.O., S. 9
  73.  ↑ Ebd., S. 16
  74.  ↑ Ebd., S. 14
  75.  ↑ Ebd., S. 11
  76.  ↑ Ebd., S. 12
  77.  ↑ www.migazin.de/2013/07/23/antiziganistische-realitaeten-das-beispiel/
  78.  ↑ www.zof-online.de/projekte_04.php
  79.  ↑ www.kirche-duisburg.de/content/e338/e5/e13005/index_ger.html
  80.  ↑ Montag Stiftung Urbane Räume, Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Hintergrund, Herausforderungen und Handlungsansätze. Erfahrungen aus nordrhein-westfälischen Städten, a.a.O., S. 14
  81.  ↑ Ebd. S. 13
  82.  ↑ Ebd., S. 18f
  83.  ↑ www.rp-online.de/niederrhein-nord/duisburg/nachrichten/gemeinsame-musik-fuer-eine-bessere-integration-1.3415131
  84.  ↑ www.stimme-der-migranten.eu/ueber-uns.html
  85.  ↑ Ebd.
  86.  ↑ Ebd.
  87.  ↑ Ebd.
  88.  ↑ www.freies-netz-sued.net/2013/06/07/zigeunereinwanderung-treppenputz-schulung-aus-steuermitteln/
  89.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/nationalistische-toene-beim-afd-wahlkampf-in-duisburg-id9325781.html
  90.  ↑ http://afd-duisburg.info/docs/Mut_zu_Duisburg.pdf, S..8
  91.  ↑ http://duisburg.pro-nrw.net/wahlantritt-auf-allen-ebenen/
  92.  ↑ www.bild.de/regional/ruhrgebiet/kommunalwahlen-nordrhein-westfalen/plakat-zoff-im-kommunal-wahlkampf-in-duisburg-35670146.bild.html
  93.  ↑ www.xtranews.de/2014/05/07/duisburgs-cdu-dissidenten-kritisieren menschenverachtendes-wahlplakat-ihrer-partei/
  94.  ↑ www.rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/empoerung-ueber-cdu-wahlplakate-zeigen-problemhaus-aid-1.4192569
  95.  ↑ Ebd.
  96.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburger-cdu-sorgt-mit-wahlplakat-fuer-aerger-id9262328.html
  97.  ↑ Ebd.
  98.  ↑ www.cdu-duisburg.de/index.jsp?index=presse&mid=20&content=ja&id=227
  99.  ↑ www.rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/empoerung-ueber-cdu-wahlplakate-zeigen-problemhaus-aid-1.4192569
  100.  ↑ Ebd.
  101.  ↑ http://wahlergebnis.duisburg.de/EWKWINT/05112000/tabelle2631.htm
  102.  ↑ www.derwesten.de/thema/kommunalwahl/den-rechtsruck-gab-es-bei-der-kommunalwahl-nur-in-duisburg-id9393693.html
  103.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/die-jungen-waehler-in-duisburg-wenden-sich-von-der-cdu-ab-id9426482.html
  104.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburger-cdu-debakel-bleibt-ohne-folgen-id9396485.html
  105.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/west/pro-nrw-zieht-in-duisburger-bezirkvertretungen-ein-id9395733.html
  106.  ↑ www.welt.de/regionales/duesseldorf/article119442422/Ich-habe-die-Befuerchtung-dass-noch-mehr-kommen.html
  107.  ↑ Deutscher Städtetag (Hrsg.): Positionspapier des Deutschen Städtetages zu den Fragen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien vom 22.1.2013, Berlin 2013, S. 6
  108.  ↑ www.rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/duisburgs-ob-fordert-wiedereinreiseverbot-fuer-straftaeter-aid-1.3914313
  109.  ↑ www,migazin.de/2014/01/13-faktencheck-zahlen-daten-einwanderung-bulgaren-und-rumaenen/
  110.  ↑ www.migazin.de/2013/05/03/zuwanderung-bulgarien-rumaenien-armutsmigration/
  111.  ↑ Zitiert aus Ebd.
  112.  ↑ Ebd.
  113.  ↑ www.spiegel.de/politik/deutschland/friedrich-will-ausreisesperre-und-einreisestopp-fuer-armutsmigranten-a-904337.html
  114.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/der-streit-um-die-roma-zuwanderung-in-nrw-spitzt-sich-zu-id7766502.html
  115.  ↑ Bild vom 4.1.2014, S.2
  116.  ↑ Bild vom 16.1.2014, S. 2
  117.  ↑ www.rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/duisburgs-ob-fordert-wiedereinreiseverbot-fuer-straftaeter-aid-1.3914313
  118.  ↑ Bild vom 3.1.2014, S. 2
  119.  ↑ Bild vom 11.1.2014, S. 2
  120.  ↑ www.zeit.de/2013/12/Duisburg-Roma-Zuwanderung/komplettansicht
  121.  ↑ www.rp-online.de/niederrhein nachrichten/duisburg-erwartet-fluechtlingswelle-1.3283059-nord/duisburg/
  122.  ↑ www.welt.de/kultur/article114753394/Wer-ist-schuld-am-Elend-der-Zigeuner.html
  123.  ↑ www.faz.net/aktuell/politik/inland/armutseinwanderung-gefahr-fuer-den-sozialen-frieden-12085341-p2.html.
  124.  ↑ www.migazin.de/2013/05/03/zuwanderung-bulgarien-rumaenien-armutsmigration/
  125.  ↑ www.migazin.de/2014/01/13/faktencheck-zahlen-daten-einwanderung-bulgaren-rumaenen/
  126.  ↑ Bild vom 6.3.2013
  127.  ↑ Bild vom 4.3.2013
  128.  ↑ Zitiert aus Aachener Nachrichten vom 23.10.2013
  129.  ↑ Ebd.
  130.  ↑ Bild-Bremen vom 31.10.2012
  131.  ↑ www.badische-zeitung.de/suedwest-1/geruechte-um-organdiebe--84176826.html
  132.  ↑ Ebd.
  133.  ↑ Ebd.
  134.  ↑ Sarrazin, T.: Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen, München 2010
  135.  ↑ Ebd., S, 7
  136.  ↑ Ebd, S. 10
  137.  ↑ Ebd., S. 138
  138.  ↑ Ebd., S. 148
  139.  ↑ Ebd., S. 134
  140.  ↑ Ebd., S. 132
  141.  ↑ Ebd., S. 177
  142.  ↑ Ebd., S. 58
  143.  ↑ Ebd., S. 260
  144.  ↑ Ebd., S. 265
  145.  ↑ Ebd., S. 259
  146.  ↑ Ebd., S. 308f
  147.  ↑ http://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2013/sarrazin-geisselt-einwanderung-aus-rumaenien-und-bulgarien
  148.  ↑ = www.focus.de/magazin/archiv/ein-kommentar-von-thilo-sarrazin-hartz-iv-fuer-die-welt_id_3465297.html
  149.  ↑ Zitiert aus Ebd.
  150.  ↑ Zitiert aus Ebd.
  151.  ↑ www.wiwo.de/politik/europa/hans-werner-sinn-armutsmigration-fuehrt-zur-erosion-unseres-sozialstaates/7860296.html
  152.  ↑ Ebd.
  153.  ↑ Ebd.
  154.  ↑ Bauerdick, R.: Zigeuner. Begegnungen mit einem ungeliebten Volk, München 2013
  155.  ↑ www.spiegel.de/kultur/literatur/rolf-bauerdick-zigeuner-begegnungen-mit-einem-ungeliebten-volk
  156.  ↑ Bauerdick, Zigeuner. Begegnungen mit einem ungeliebten Volk, a.a.O., S. 166
  157.  ↑ Ebd., S. 167
  158.  ↑ Ebd., S. 175
  159.  ↑ Ebd., S. 205
  160.  ↑ Ebd., S. 206
  161.  ↑ Ebd.
  162.  ↑ Ebd., S. 57
  163.  ↑ Ebd., S. 307
  164.  ↑ Ebd., S. 293
  165.  ↑ Ebd., S. 307
  166.  ↑ Ebd., S. 209
  167.  ↑ Ebd., S. 178
  168.  ↑ Ebd., S. 210
  169.  ↑ Ebd., S. 219
  170.  ↑ Lausberg, M.: Biographische Angaben zu einigen extrem rechten Publizist_innen in: Kellershohn, H. (Hrsg.): Die „Deutsche Stimme“ der „Jungen Freiheit“. Lesarten des völkischen Nationalismus in zentralen Publikationen der extremen Rechten, Münster 2013, S. 312-327, hier S. 313f
  171.  ↑ www.sezession.de/39064/rolf-bauerdick-ist-ein-zigeunerfreund.html
  172.  ↑ www.spiegel.de/kultur/literatur/rolf-bauerdick
  173.  ↑ www.socialnet.de/rezensionen/15446.php
  174.  ↑ Focus 10/2013, S. 47f
  175.  ↑ Aachener Nachrichten vom 28.12.2013
  176.  ↑ Aachener Nachrichten vom 7.1.2014
  177.  ↑ www.finanznachrichten.de/nachrichten-2013-12/28999610-bosbach-verteidigt-csu-in-diskussion-um-armutsmigration-003.htm
  178.  ↑ Ebd.
  179.  ↑ www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,184960,00.html
  180.  ↑ Wörtlich heißt es im Bild-Kommentar: „Noch nie gab es einen Bundestag, in dem die Opposition ganz ohne bürgerliche Stimme auskommen musste. Dieses Parlament ist zu schwach. Seine Opposition zu klein. Und zu links. Das ist nicht gut für Deutschland.“ Siehe Bild vom 17.12.2013, S. 2
  181.  ↑ Ebd.
  182.  ↑ Bild vom 9.1.2014, S. 2
  183.  ↑ Bild vom 30.12.2013, S. 2
  184.  ↑ Ebd.
  185.  ↑ Bild vom 9.1.2014, S. 2
  186.  ↑ Bild vom 31.12.2013, S. 5
  187.  ↑ Bild vom 30.12.2013, S. 2
  188.  ↑ Bild vom 30.12.2013, S. 4
  189.  ↑ Bild vom 31.12.2013, S. 3
  190.  ↑ Bild vom 10.1.2014, S. 6
  191.  ↑ Bild vom 4.1.2014, S.2
  192.  ↑ Bild vom 10.1.2014, S. 6
  193.  ↑ Bild vom 30.12.2013, S. 2
  194.  ↑ www.handelsblatt.com/meinung/kolumnen/apo/ausserpolitische-opposition.jeder-weiss-dass-armut-kriminalitaet-bringt/9316266-2.html'' ''
  195.  ↑ Ebd.
  196.  ↑ Ebd.
  197.  ↑ Zitiert aus Reinfeldt, S.: „Wir für Euch“. Die Wirksamkeit des Rechtspopulismus in Zeiten der Krise, Münster 2013, S. 55
  198.  ↑ www.derwesten.de/politik/lindner-fordert-rueckfuehrung-nicht-integrierbarer-zuwanderer-id8843907.html
  199.  ↑ www.migazin.de/2014/01/20/bundesbuerger-halten-zuwanderung-fuer-groesstes-problem/
  200.  ↑ www.sueddeutsche.de/politik/romani-rose-ueber-die-zuwanderungsdebatte-unertraegliche-und-beschaemende-diskussion-1.1.865065-2
  201.  ↑ Zitiert aus Ebd.
  202.  ↑ Aachener Nachrichten vom 16.1.2014
  203.  ↑ Dalos, G.: Der Vorhang geht auf. Das Ende der Diktaturen in Osteuropa, München 2009, S. 32
  204.  ↑ Mayer, G./Odehnal, B.: Aufmarsch. Die rechte Gefahr aus Osteuropa, St. Pölten/Salzburg 2010, S. 11
  205.  ↑ Ebd.
  206.  ↑ www.spiegel.de/panorama/justiz/roma-teenager-bei-paris-nach-angriff-im-koma-offenbar-lynchangriff-a-975608.html
  207.  ↑ www.migazin.de/2014/01/13/faktencheck-zahlen-daten-einwanderung-bulgaren-rumaenen/
  208.  ↑ Zitiert nach Montag Stiftung Urbane Räume (Hrsg.): Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Hintergrund, Herausforderungen und Handlungsansätze. Erfahrungen aus nordrhein-westfälischen Städten, Köln 2012, S. 8
  209.  ↑ Vgl. dazu Barany, Z.: Roma in Osteuropa: Die Waisenkinder der Transformation, in: Ost-West GegenInformationen, Heft 3, S. 3-9
  210.  ↑ Dagbladet vom 26.8.1992
  211.  ↑ Lausberg, M.: Die extreme Rechte in Ostdeutschland 1990-1998, Marburg 2012, S. 61
  212.  ↑ Der Spiegel 36/1992, S. 28
  213.  ↑ Taz vom 29.8.1992
  214.  ↑ Lausberg, Die extreme Rechte in Ostdeutschland, a.a.O., S. 60
  215.  ↑ Winckel, Antiziganismus, a.a.O., S. 94
  216.  ↑ Ebd., S. 102
  217.  ↑ Heft der Flüchtlingsräte (Hrsg.): Antiziganismus, München 2010, S. 5
  218.  ↑ www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/meldungen/brandanschlag/sachsen/23.11.2012
  219.  ↑ Gutachten_Antiziganismusforschung_End_Romnokher.pdf, S. 16
  220.  ↑ Ebd., S. 17
  221.  ↑ Ebd.
  222.  ↑ End, M.: Antiziganismus. Zur Verteidigung eines wissenschaftlichen Begriffs in kritischer Absicht, in: Bartels, A./End, M./ von Borcke, T./Friedrich, A. (Hrsg.): Antiziganistische Zustände 2. Kritische Positionen gegen gewaltvolle Verhältnisse, Münster 2013, S. 39-72, hier S. 47
  223.  ↑ Ebd., S. 59
  224.  ↑ Ebd., S. 72
  225.  ↑ Severin, J.: Antiziganismus, in: Arndt, S./Ofuatey-Alazard, N. (Hrsg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht, Münster 2011, S. 66-74, hier S. 66ff
  226.  ↑ Heuß, H.: Die Migration von Roma aus Osteuropa im 19. und 20.Jahrhundert: Historische Anlässe und staatliche Reaktion – Überlegungen zum Funktionswandel des „Zigeuner-Ressentiments“, in: Giere, J.: Die gesellschaftliche Konstruktion des Zigeuners. Zur Genese eines Vorurteils, Frankfurt/New York 1996, S. 101-116, hier S. 110
  227.  ↑ End, Antiziganismus, in: Bartels/Ders./von Borcke/Friedrich, Antiziganistische Zustände 2, a.a.O., S. 51
  228.  ↑ Wippermann, W.: Was heißt Antiziganismus?, in: http://ezaf.org/down/IIIAZK19.pdf
  229.  ↑ End, Antiziganismus, in: Bartels, Ders., von Borcke/Friedrich, Antiziganistische Zustände 2, a.a.O., S. 71
  230.  ↑ Jocham, A. L.: Antiziganismus. Exklusionsrisiken von Sinti und Roma durch Stigmatisierung, Konstanz 2010, S. 54
  231.  ↑ www.sinti-roma-hessen.de/9.html
  232.  ↑ Winckel, Ä.: Antiziganismus. Rassismus gegen Sinti und Roma, Münster 2002, S. 10
  233.  ↑ Wippermann, W.: „Wie die Zigeuner“. Antisemitismus und Antiziganismus im Vergleich, Berlin 1997, S. 11
  234.  ↑ Jocham, Antiziganismus, a.a.O., S. 54
  235.  ↑ End, Antiziganismus, in: Bartels/Ders./von Borcke/Friedrich, Antiziganistische Zustände 2, a.a.O., S. 52f
  236.  ↑ Zimmermann, M.: Antiziganismus – ein Pendant zum Antisemitismus? Überlegungen zu einem bundesdeutschen Neologismus, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Jg. 55, H. 4. (2007), S. 304-314, hier S. 308-312
  237.  ↑ Messerschmidt, A.: Antiziganismuskritik – ein Kommentar, in: Quicker, E./Killguss, H.-P. (Hrsg.): Sinti und Roma zwischen Ausgrenzung und Selbstbehauptung. Stimmen und Hintergründe zur aktuellen Debatte, Köln 2014, S. 212-221, hier S. 218
  238.  ↑ Ebd., S. 16
  239.  ↑ Dagdelen, S.: Ein Konsens vom Biertisch bis ins Amt, in: Heft der Flüchtlingsräte (Hrsg.): Antiziganismus, München 2010, S. 24-26, hier S. 25
  240.  ↑ End, M./Herold, K./Robel, Y.: Antiziganistische Zustände – eine Einleitung. Virulenzen des Antiziganismus und Defizite in der Kritik, in: Dies. (Hrsg.): Antiziganistische Zustände. Zur Kritik eines allgegenwärtigen Ressentiments, Münster 2009, S. 9-22, hier S. 10
  241.  ↑ Dagdelen, Ein Konsens vom Biertisch bis ins Amt, in: Heft der Flüchtlingsräte, Antiziganismus, a.a.O., hier S. 24
  242.  ↑ Gutachten_Antiziganismusforschung_End_Romnokher.pdf, S. 49
  243.  ↑ Ebd., S. 9
  244.  ↑ Ebd., S. 24
  245.  ↑ Siehe dazu Zentralrat Deutscher Sinti und Roma (Hrsg.): Diskriminierende Berichte über Sinti und Roma seit der deutschen Einheit, Heidelberg 1993
  246.  ↑ End/Herold/Robel, Antiziganistische Zustände, a.a.O., S. 7
  247.  ↑ Gutachten_Antiziganismusforschung_End_Romnokher.pdf, S. 56
  248.  ↑ Aachener Nachrichten vom 25.10.2012
  249.  ↑ Robel, Y.: Konkurrenz und Uneinigkeit. Zur gedenkpolitischen Stereotypisierung der Roma, in: End/Herold, Dies.: Antiziganistische Zustände, a.a.O., S. 110-130, hier S. 112
  250.  ↑ Taz vom 28.8.1999
  251.  ↑ Taz vom 11.12.1999
  252.  ↑ FAZ vom 24.10.2012
  253.  ↑ Siehe dazu auch Lausberg, M.: Das Thema Migration in der Jungen Freiheit und der Deutschen Stimme, in: Kellershohn, H. (Hrsg.): Die „Deutsche Stimme“ der „Jungen Freiheit“. Lesarten des völkischen Nationalismus in zentralen Publikationen der extremen Rechten, Münster 2013, S. 164-194; Häusler, A.: Multikulturalismus als Bedrohung deutscher Identität. Migration und Integration in Medien der extremen Rechten, in: Butterwegge, C. u.a. (Hrsg.): Themen der Rechten-Themen der Mitte. Zuwanderung, demografischer Wandel und Nationalbewusstsein, Opladen 2002, S. 67-91 oder Kornexl, K.: Das Weltbild der intellektuellen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland. Dargestellt am Beispiel der Wochenzeitschrift Junge Freiheit, München 2008
  254.  ↑ Siehe dazu auch Yildiz, E.: Stigmatisierende Mediendiskurse in der kosmopolitanen Einwanderungsgesellschaft, in: Butterwegge, C./Hentges, G. (Hrsg.): Massenmedien, Migration und Integration, Wiesbaden 2006, S. 35-52 oder Kauffmann, H.: Zuwanderung im Schatten der Sicherheit. Flüchtlingsschutz zwischen Völkerrecht und Anti-Terror-Krieg, in: Ders./Kellershohn, H./Paul, J. (Hrsg.): Völkische Bande. Dekadenz und Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie, Münster 2005, S. 207-236
  255.  ↑ http://ds-aktuell.de/?p=3542
  256.  ↑ Deutsche Stimme 1/2014, S. 6''' '''
  257.  ↑ Deutsche Stimme 2/2014, S. 1
  258.  ↑ Ebd., S. 5
  259.  ↑ www.npd.de/html/1938/artikel/detail/3657/
  260.  ↑ www.npd-presse.de/2014/02/05/armutszuwanderung-ist-kein-mythos-sondern-laengst-realitaet
  261.  ↑ www.npd-presse.de/2013/12/18/eu-freizuegigkeit-fuer-rumaenien-und-bulgarien.stoppen/
  262.  ↑ http://juergenelsaesser.worldpress.com/2013/02/19/hilfe-die-roma-kommen/
  263.  ↑ Ebd.
  264.  ↑ http://altermedia-deutschland.info/content.php/3335-Deutsche-Staedte-leiden-an-wachsendem-Zigeunerproblem
  265.  ↑ http://altermedia-deutschland.info/content.php/3531-Deutschlands-Buerger-wollen-Schranken-gegen-Zigeuner
  266.  ↑ http://altermedia-deutschland.info/content.php/3335-Deutsche-Staedte-leiden-an-wachsendem-Zigeunerproblem
  267.  ↑ Ebd.
  268.  ↑ Kubon, S.: Die bundesdeutsche Zeitung „Junge Freiheit“ und das Erbe der „Konservativen Revolution“, Würzburg 2006, S. 15
  269.  ↑ Kellershohn, H.: Strategische Optionen des Jungkonservatismus, in: Wamper, R./Ders./Dietzsch, M. (Hrsg.): Rechte Diskurspiraterien. Strategien der Aneignung linker Codes, Symbole und Aktionsformen, Münster 2010, S. 13-30, hier S. 15f
  270.  ↑ Das Ziel der Konservativen Revolution war der Sturz der Weimarer Republik, um eine neue Ordnung zu schaffen, die dann erst konserviert werden sollte. Der Mensch sollte sich einer höheren Idee und einer neuen Politik für Volk und Nation unterwerfen; Führungseliten sollten an die Stelle von egalitaristischen Bestrebungen treten. Zu diesen „Konservativen Revolutionären“ gehörten Arthur Moeller von den Bruck, Carl Schmitt, Oswald Spengler, Ernst Jünger und Ernst Niekisch. Vgl. dazu Cremet, J./Krebs, F./Speit, A.: Jenseits des Nationalismus, Hamburg/Münster 1999, S. 22f
  271.  ↑ Carl Schmitt stellte fest:„Die spezifische politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung zwischen Freund und Feind.“ (Schmitt, C.: Der Begriff des Politischen, Berlin 1963, S.26) Schmitt beschreibt in existentialistischer Weise die Freund-Feind-Gruppierungen existentialistisch. Der politische Feind ist derjenige, der durch sein bloßes Dasein für jemanden zur Gefahr wird. „Der politische Feind (…) ist eben der andere, der Fremde, und es genügt zu seinem Wesen, daß er in einem besonders intensiven Sinne existentiell etwas anderes und Fremdes ist, so daß im extremen Fall Konflikte mit ihm möglich sind, die weder durch eine im voraus getroffene generelle Normierung, noch durch den Spruch eines „unbeteiligten“ und daher „unparteiischen“ Dritten entschieden werden können“ (Ebd., S. 27)
  272.  ↑ Innenministerium des Landes NRW (Hrsg.): Die Kultur als Machtfrage. Die Neue Rechte in Deutschland, Düsseldorf 2003, S. 90ff
  273.  ↑ Zitiert nach Brauner-Orthen, A.: Die Neue Rechte in Deutschland. Antidemokratische und rassistische Tendenzen, Opladen 2011, S. 17
  274.  ↑ Vgl dazu Kornexl, K.: Das Weltbild der intellektuellen Rechten in der Bundesrepublik Deutschland. Dargestellt am Beispiel der Wochenzeitschrift Junge Freiheit, München 2008, S. 533f
  275.  ↑ JF 9/2013: Paulwitz, M.: Alarm in den Städten, S. 1f
  276.  ↑ www.zuerst.de/2014/01/24-mehr-als-ein-wahlkampfthema-der-zigeuner-zuzug-aus-sudosteuropa
  277.  ↑ Lausberg, M.: Die Pro-Bewegung. Geschichte, Inhalte, Strategien der „Bürgerbewegung Pro Köln“ und der „Bürgerbewegung Pro NRW“, Münster 2010, S. 50
  278.  ↑ Ebd., S: 51
  279.  ↑ Killgus, H.-P.: Wen meint Pro NRW mit „mobiler ethnischer Minderheit“?, in: Clemens, D./Puls, H. (Hrsg.): 33 Fragen und Antworten zu Pro Köln/Pro NRW. Entwicklung, Ideologie und Strategien einer vermeintlichen Bürgerbewegung, Köln 2014, S. 66-69, hier S. 66
  280.  ↑ www.pro-nrw.org/content/view/108/47
  281.  ↑ http://duisburg.pro-nrw.net/politisch-inkorrekter-jahresrueckblick-2013-teil-2/
  282.  ↑ http://duisburg.pro-nrw.net/grundgesetzpartei-pro-nrw-setzt-versammlungsfreiheit-durch-und-protestiert-mit-den-duisburgern-gegen-asylmissbrauch/
  283.  ↑ http://wuppertal.pro-nrw.net/zigeunerkriminalitaet-klischee-oder-wahrheit-man-schaue-nach-duisburg-oder-wuppertal/
  284.  ↑ www.publikative.org/2014/05/27/zentralrat-der-sinti-und-roma-zeigt-pro-nrw-an
  285.  ↑ FAZ vom 25.10.2007
  286.  ↑ FR vom 14.11.2011
  287.  ↑ Vgl. dazu Shooman, Y.: Islamfeindschaft im World Wide Web, in: Benz, W. (Hrsg.): Islamfeindschaft und ihr Kontext. Dokumentation der Konferenz Feindbild Muslim - Feindbild Jude, Berlin 2009, S. 70–84; Edathy, S./Sommer, B.: Die zwei Gesichter des Rechtsextremismus in Deutschland – Themen, Machtpotentiale und Mobilisierungsressourcen der extremen Rechten. In: Braun, S./ Geisler, A./ Gerster, M. (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. Wiesbaden 2009, S. 45–57; Schiffer, S.: Grenzenloser Hass im Internet. Wie „islamkritische“ Aktivisten in Weblogs argumentieren. in: Schneiders, T. G. (Hrsg.): Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen. Wiesbaden 2009, S. 341–362 oder Müller, M.: Lunatic Fringe Goes Mainstream? Keine Gatekeeping-Macht für Niemand, dafür Hate Speech für Alle – zum Islamhasser-Blog Politically Incorrect. in: März, A. (Hrsg.): Internet: Öffentlichkeit(en) im Umbruch, Marburg 2008, S. 109–126
  288.  ↑ www.pi-news.net/2013/11/die-roma-die-politik-und-die-realitaet
  289.  ↑ www.rep.de/?ArticleId=43297457-4245-4f03=aa5-3fb9627983ad&ObjektId=b47cf53-efed-41f3-91c7-25064d53025
  290.  ↑ http://nw-duisburg.info/2013/08/14/problemhaus-stimmung-erhitzt-sich-weiter/
  291.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/kritik-an-eu-vorstoss-zu-hartz-iv-lockerung-fuer-auslaender-id8857996.html
  292.  ↑ www.der-paritaetische.de/pressebereich/artikel/news/armutszuwanderung-paritaetischer-fordert-oeffnung-von-hartz-iv-fuer-eu-zuwanderer/
  293.  ↑ www.dw.de/antiziganismus-pr%C3%A4gt-zuwanderungsdebatte/a-17354910
  294.  ↑ www.netz-gegen-nazis.de/artikel/antiziganismus-den-medien-%E2%80%9Edie-bilder-sind-etabliert%E2%80%9C-9270
  295.  ↑ Zitiert aus Aachener Nachrichten vom 12.2.2014
  296.  ↑ Aachener Nachrichten vom 16.1.2014
  297.  ↑ www.migazin.de/2014/05/05/plaedoyer-europaeische-binnenmigration-auch-fuer-roma/
  298.  ↑ Bild vom 4.1.2014, S.2
  299.  ↑ Deutscher Städtetag (Hrsg.): Positionspapier des Deutschen Städtetages zu den Fragen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien vom 22.1.2013, Berlin 2013, S. 3
  300.  ↑ www.sueddeutsche.de/kultur/sozialtourismus-ist-unwort-des-jahres-gezielte-stimmungsmache-gegen-unerwuenschte-zuwanderer-1.1862549-2
  301.  ↑ www.derwesten.de/politik/viele-rumaenen-wandern-ein-nur-wenige-landen-in-hartz-iv-id9273053.html
  302.  ↑ www.zeit.de/wirtschaft/2013-08/mythos-armutszuwanderung
  303.  ↑ Zitiert aus Ebd.
  304.  ↑ www.migazin.de/2014/01/21/iw-studie-einwanderung-bulgarien
  305.  ↑ Zitiert aus Ebd.
  306.  ↑ www.zeit.de/2013/12/Duisburg-Roma-Zuwanderung/komplettansicht
  307.  ↑ www.migazin.de/2014/01/13/faktencheck-zahlen-daten-einwanderung-bulgaren-rumaenen/
  308.  ↑ Ebd.
  309.  ↑ Aachener Nachrichten vom 13.4.2013
  310.  ↑ www.faz.net/aktuell/politik/inland/armutseinwanderung-staedtetagspraesident-es-gibt-keinen-sozialtourismus-1294204.html
  311.  ↑ www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburger-sozialausschuss-rechnet-mit-5000-weiteren-zuwandern-bis-zum-jahresende-id9143292.html
  312.  ↑ Zitiert aus www.jungewelt.de/2014/04-23/007.php