e-Portfolio von Michael Lausberg
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Die Kolonialgeschichte Malis und Zentralafrikas

Mali ist das größte Land Westafrikas mit etwa 90 Prozent Menschen muslimischen Glaubens. Die Mehrheit der Muslime in Mali sind Sunniten. Der Rest sind Anhänger der christlichen Religion, traditionelle indigene Religionen oder Atheisten. Die meisten Muslime erkennen die Demokratie als gültige Staatsform an, die sie als kompatibel mit dem Islam auslegen.

Im 9. Jahrhundert brachten muslimische Berber und Tuareg-Händler den Glauben des Islam südwärts in Westafrika, wo er auch im heutigen Mali Fuß fassen konnte. Dort gründeten sich Sufi-Bruderschaften (Tarika), die politischen und gesellschaftlichen Einfluss besaßen. Städte wie Timboktu, Gao und Kano wurde internationalen Zentren des islamischen Lernens.

Die Tuareg sind ein zu den Berbern zählende Gemeinschaft, deren Siedlungsgebiet sich über die Wüste Sahara und den Sahel erstreckt.[1] Von den Tuareg werden neben ihrer eigenen Sprache mehrere Verkehrssprachen gesprochen, von Songhai über Arabisch und Hassania bis Französisch Sie lebten jahrhundertelang nomadisch im Gebiet der heutigen Staaten Mali, Algerien, Niger, Libyen und Burkina Faso und zählen heute etwa eineinhalb bis zwei, nach Eigenangaben bis drei Millionen Menschen. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts sind viele inzwischen sesshaft geworden. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Aufständen der Tuareg, die sich behindert fühlen, ihre hirtennomadische Lebensweise fortzuführen.

Die bis heute weit verbreitete arabische Volksetymologie Tawariq bedeutet „von Gott Verstoßene“ und dient dazu, eine arabische Überlegenheit über die Tuareg auszudrücken.[2] Grund dafür sind die liberalen religiösen Auffassungen der Tuareg, die von Vertretern einer strengen muslimischen Doktrin als verwerflich angesehen wird. Der Name Tuareg hat sich seit der Kolonialzeit im deutschen, frankophonen und angloamerikanischen Sprachraum eingebürgert. Die Tuareg selbst bezeichnen sich nicht mit diesem Namen. Die emische Bezeichnung der Tuareg lautet Imushagh in Mali.[3]

Im 11. Jahrhundert wurden sie von arabischen Beduinen vom Stamm der Banu Hilal aus dem Fessan vertrieben und sahen sich abgedrängt in die Gebiete der zentralen Sahara, insbesondere das Tassili n'Ajjer, Aïr und Ahaggar, wo sie seit dieser Zeit leben.[4] Insoweit konnten sie sich einer Arabisierung ihrer Kultur (Schrift, Sprache, Handwerkskultur, matrilineare Sozialstrukturen) entziehen. Gleichwohl übernahmen sie den Islam. Nach dem Untergang des Songhaireichs im Zuge des marokkanischen Eroberungskrieges im 16. Jahrhundert drangen die Tuareg zunehmend auch in die Sahelzone ein und errangen in der Folgezeit unter anderem die Kontrolle über Timbuktu und das Sultanat Aïr mit Sitz in Agadez.

Die Tuareg mussten immer wieder um das Recht kämpfen, als freies Volk anerkannt zu werden und nach ihrer Tradition leben zu dürfen.[5] Im 19. Jahrhundert leisteten sie der vordringenden Kolonialmacht Frankreich in der Saharazone von Westafrika lange Zeit heftigen Widerstand. Erst 1917 wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Mit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft in Westafrika 1960 wurde das Siedlungsgebiet der Tuareg zwischen den nunmehr unabhängigen Staaten Mali, Niger und Algerien aufgeteilt, wobei kleinere Gruppen der Tuareg zudem in Libyen und Burkina Faso leben.[6]

1990 bis 1995 revoltierten die Tuareg in Mali und Niger aufgrund der Unterdrückung und Ausgrenzung durch die jeweiligen Regierungen. Ein Führer des Tuareg-Aufstandes war Mano Dayak. Mitte der 1990er Jahre wurden die Aufstände nach der Unterzeichnung von Friedensverträgen beendet. 2007 beschuldigte die neu gegründete Tuareg-Rebellengruppe Bewegung der Nigrer für Gerechtigkeit die Regierung, den Friedensvertrag nicht einzuhalten.[7] Außerdem fordern sie einen Anteil des Gewinns aus dem Uranabbau nordwestlich von Agadez für die Tuareg.[8]

Die Geschichte des Islam bei den Tuareg begann bereits zu Lebzeiten des Propheten und Religionsstifters Mohammed im 7.Jahrhundert. Truppen arabischer Kamelreiter drangen von der Mittelmeerküste ins Landesinnere vor, um den Islam in Afrika zu verbreiten. Soweit erforderlich, wurde Waffengewalt eingesetzt. Sie stießen über den libyschen Fessan und die zentralsaharischen Bergländer vor, bis sie zur nigrischen Ténéré-Wüste gelangten, nördlich des Tschadsees. Die Ausbreitung des Islam war maßgeblich von Interesse für das Gelehrtenwissen der arabischen Händler. Damit war er für die Handelsinteressen bestimmt.[9]

Insbesondere im 11. Jahrhundert sah sich die ansässige Bevölkerung einer nachhaltigen Offensive islamisch-kultureller Überlagerung ausgesetzt.[10] Ganze Stammesgruppen mit ihren Familien und Herden wanderten in die Hoheitsgebiete der Berber ein. Viele Bewohner wichen den militarisierten Eindringlingen aus und verzogen sich in die schwach besiedelten Gebiete der Sahara.Wo sich der Islam in der Region etablierte, erzeugte die Bevölkerung großes Sendungsbewusstsein. Dieses Phänomen konnte insbesondere in der westlichen Sahara beobachtet werden wie das Almoravidenreich in der Zeit von 1046 bis 1147. Im 11.Jahrhundert hatte der Islam die gesamte Westsahara durchdrungen und die berberischen Stämme unter seinen Einfluss gebracht. Als Folge des Eindringens wanderten die einheimischen Bevölkerungsgruppen nach Süden ab und lösten weitere Wanderungsbewegungen aus, die bis heute nicht zum Stillstand gekommen sind.[11]

Bei den berberischen Vorfahren der heutigen Tuareg vollzog sich der Prozess der Islamisierung und Arabisierung deutlich verhaltener. Die Kontakte zu den arabisierten Nomaden waren trotz der abgeschiedenen und dünn besiedelten Regionen Fessans und der Berge recht eng. Sie waren offen für die arabischen Kultureinflüsse, was ganz besonders für die Religion gilt.[12] Sie ließen jedoch eher gewähren, als dass sie aktiv wurden. Gleichwohl schlichen sich tradierte Kulte zunehmend aus und verloren sich bei diesem Adaptionsprozess, der noch heute nicht abgeschlossen ist. Der Forschungsreisende und Ethnograph, Henri Lhote, der ein Standardwerk über die Tuareg geschrieben hatte, schrieb in einem Kapitel über die Kel Ahaggar Algeriens und die religiösen Verhältnisse bei den Sahara-Bewohnern:[13]

„Auch wenn sie sich wie alle Neubekehrten darum bemühen, alte Glaubensbräuche zu verbergen, ist es doch richtig, daß solche hier und da zu erkennen sind“

Möglicherweise vermochte der almovaridische Agag Alemin, der ein berühmter Korangelehrter war und eine schulmeisternde Gruppe um sich gebildet hatte, der Tuaregschicht der „Inselemen“ (Korangelehrten) eine gewisse Orientierung zu geben.[14] Das Vordringen der europäischen Mächte beschleunigte die Islamisierung des saharisch-sahelischen Raumes. Insbesondere die islamischen Führer boten der bevorstehenden Kolonialverwaltung die Stirn. Sie organisierten Widerstände, die ab 1916 in der Ausrufung des Heiligen Krieges gipfelten und den Kaosenaufstand im Osten sowie den Firhun (Aufstand im Westen) nach sich zogen. Die daran beteiligten Tuaregführer genießen bis heute legendären Ruhm. Aufgrund fehlender Geschlossenheit der Tuaregstämme gingen die Kämpfe letztlich verloren.[15]

Zwar gilt der Koran den Tuareg als „Heiliges Buch“; dennoch ist nicht zu verkennen, dass mangels arabischer Sprachkenntnisse der Zugang zum Buch schwer fiel und auch heute noch schwerfällt.[16] Koranschulen waren und sind Knaben vorbehalten. Deren Besuch ist unregelmäßig, da viele Tuareg noch nomadische Lebensweisen pflegen. Jahrhunderte alte Moscheen existieren in Gao, Agadez und Timbuktu, vereinzelt im südlichen Ahaggar und im Aïr, sie werden aber bei weitem nicht so benutzt wie in anderen muslimischen Lebensräumen.

Zumeist wird vom Besuch einer Moschee abgesehen. Stattdessen wird eine Bodenfläche gereinigt, die mit einem Kreis loser Steine eingefriedet wird. Dieser Ort gilt sodann der religiösen Handlung.[17] Das Gebet wird unter diesen kargen Umständen in Richtung Mekka verrichtet. Pilgerfahrten nach Mekka wiederum werden zumeist abgelehnt, da sie als reines Renommee verstanden werden.

Der Ramadan wird großzügig ausgelegt, oft unter Hinweis darauf, das Volk habe außerhalb des Fastenmonats bereits zu oft Hunger zu leiden oder aber dass Tuareg als „Reisende“ (Nomaden) derartiger Pflichten überhaupt ledig seien. Insgesamt attestieren Wissenschaftler den Tuareg ein oberflächliches Verhältnis zur Religion des Islam.[18]

Die Tuareg-Gemeinschaft ist bis heute stark hierarchisch strukturiert. Man unterscheidet eine Nomenklatur, die von den „Adeligen“ über die „Korangelehrten“, „Vasallen“ und die „Sklaven“ bis hin zu den „Schmieden“ reicht. Die „Ineslemen“ sind die religiöse Klasse der Korangelehrten, die sich durch erbrechtliche oder durch taugliche Studienabschlüsse in diese Position bringen konnten. Ihr Stellenwert ist vergleichbar mit dem der Adeligen („Noblen“). Sie beschäftigen sich mit der Exegese des Koran und anderer religiöser Schriften. Praktische Relevanz offenbart sich in der Festlegung des Termins für den Aufbruch der Kamelkarawanen, bei Hochzeiten oder Beerdigungen.[19] Ihren Unterhalt (traditionell Speisen, heute Geld oder Geldwertes wie Ziegen) verdienen sich die Ineslemen aus dieser Tätigkeit. Weiterhin legen sie ihre Erfahrungen in Zetteln als Niederschriften fest und beschäftigen sich mit magischen Formeln; diese wurden oft in Kleidungsstücke eingenäht oder in Metallbehältern aufbewahrt, die als Halsamulett getragen wurden. Die Niederschriften befassen sich überdies mit Anleitungen zu Heilzwecken; die Tinte der Niederschriften wird mit Wasser aufgeweicht und als Trunk dem Heilsbedürftigen gereicht, der die Texte so gewissermaßen verinnerlichDen Prozeduren gemeinsam ist, dass sie hoher Geheimhaltung unterliegen. Mittels Amulett-Briefchen werden auch wertvolle Tiere (insbesondere Kamele) geschützt. Es gilt den Teufel und dessen negative Kraft (iblis) zu bannen.[20]

Die im Islam verbreiteten Feste werden von den Tuareg kaum oder mit deutlichen Abweichungen gefeiert. Der Fastenmonat (Ramadan) wird nicht stringent eingehalten.[21] Kaum Bedeutung haben Ereignisse wie die Lailat al-Qadr (Nacht der Bestimmung), das Fest des Fastenbrechens („ʿĪdu l-Fitr“), das Opferfest, die Himmelfahrt Mohammeds, die Nacht der Vergebung („Lailatu l-Barā'a“), oder das „Jalsa Salana“ (Fest der spirituellen Erbauung).

Ein Fest, das in der weltweiten islamischen Bevölkerung regelmäßig nicht gefeiert wird, hat bei den Tuareg jedoch eine große Bedeutung, der Feiertag Mawlid an-Nabi zu Ehren des Geburtstages Mohammeds.[22] Bestenfalls finden Zusammenkünfte statt, um Geschichten und Legenden aus dem Leben des Propheten zu erzählen oder zu hören. Dabei stehen die Moscheen erleuchtet.Den Tuareg gilt es als Fest schlechthin. Zu Mitternacht strömen Menschenmengen aus allen Himmelsrichtungen zu besonderen für das Fest vorgesehenen und vorbereiteten Kultplätzen. Jeder hat die beste Kleidung seines Repertoires am Leib. Es wird gesungen und in der Morgendämmerung werden Kamelritte demonstriert.[23]

Ein wichtiges Fest ist das der männlichen Beschneidung. Die frisch beschnittenen Männer, etwa im Alter von 18 Jahren erhalten Gesichtsschleier, sodass der Weg in die männliche Geschlechterrolle und die kulturellen Werte der Bescheidenheit eröffnet sind. Viele Rituale integrieren islamische und vorislamische Elemente in ihre Symbolik. Dabei handelt es sich um Verweise auf die matrilineare Linie der Ahnfrauen, vorislamische Geister, die Erde, Fruchtbarkeit und Menstruation.

Die Weltsicht der Tuareg erlaubt, dass die Seele (Iman) persönlicher als Geister ist.[24] Die Seelen Verstorbener sind frei. Tote Seelen können Nachrichten bringen; im Gegenzug werden Gegenleistungen erbracht, wie Hochzeitsabsprachen. Die Zukunft könne gelegentlich vorhergesagt werden, wenn auf den Gräbern der Ahnen geschlafen wird. Vorstellungen über das Jenseits (Paradies) entsprechen denen des offiziellen Islam.[25]

Besonders geprägt von überlieferten kulturellen Werten aus der vorislamischen Zeit ist die Stellung der Frau in der Tuareg-Gesellschaft. Die soziale Bedeutung der Frau weicht von den üblichen islamischen Traditionen deutlich ab. Frauen genießen enorme Verhaltensfreiheiten im Umgang mit Männern und engen die Dominanz des männlichen Geschlechts ein.[26] Die Frau ist gleichberechtigt und hat keine Rechenschaft darüber abzulegen, wohin sie geht und was sie tut, solange sie die Fürsorge für die Familie nicht vernachlässigt. Matrilokalität und deren Vorschriften lassen es zu, sich von einem ungeliebten Ehemann scheiden zu lassen. Auch können den Mann benachteiligende Eigentumsrechte treffen.[27]

Allein das Erbrecht wird korangerechter ausgelegt; so erbt der Sohn grundsätzlich das Doppelte der Tochter. Aber auch diese Regelungen werden umgangen, indem zu Lebzeiten verschenkt wird. Verschiedene Güter sind gar nicht übertragbar und können nur genutzt werden („ach iddaren“), was den Verbleib in der Familie der Frau bedeutet, soweit auch hier matrilokale Vorschriften Anwendung finden. Dabei handelte es sich zumeist um Nutztiere und deren Milch. Der Entzug aus dem Güterkreislauf und dem Verbleib in der mütterlichen Erblinie, werden diese Tiere auch zum Gegenstand.

Einer der bedeutendsten Könige in Mali war Mansa Musa (1312-1337), der den Einfluss Malis auf den großen Niger-Stadtstaaten Timbuktu, Gao und Djenn erweitert. Mansa Musa war ein frommer Muslim und baute prächtige Moscheen in ganz Mali. Seine mit Gold beladene Pilgerfahrt nach Mekka machte ihn zu einer historischen Figur auch in der europäischen Geschichtsschreibung. Unter Mansa Musa wurde Timbuktu einer der wichtigsten kulturellen Zentren nicht nur Afrikas, sondern der ganzen Welt. Die große Moschee von Djenné mit ihren Lehmziegeln gilt als ein Höhepunkt der sudanesisch-sahelischen Architektur in Mali. Die erste Moschee auf dem Gelände wurde im 13.Jahrhundert erbaut; die aktuelle Struktur stammt aus dem 1907.

Die Moschee ist der Mittelpunkt der Stadt Djenné im Binnendelta des Niger. Sie zählt zu den berühmtesten Bauwerken Afrikas und wurde von der UNESCO im Jahr 1988 gemeinsam mit der Altstadt Djennés und einigen umliegenden Ausgrabungsstätten zum Weltkulturerbe erklärt.

Der Bau der ersten Moschee von Djenné lässt sich auf die Zeit zwischen 1180 und 1330 eingrenzen. Der Imam der Moschee Es-Sa'di schrieb 1620, dass im Jahr 1180 der Sultan Koi Kunboro öffentlich zum Islam übertrat. Anschließend stellte er seinen Palast den Gläubigen zur Verfügung und ließ ihn zur ersten Großen Moschee von Djenné umbauen. Seine beiden Nachfolger waren für den Bau der Türme und der Mauer veranwortlich, so dass heute als Gründungsdatum das Jahr 1240 genannt wird.

Amadu Hammadi Bubu, der Gründer des Massina-Reichs, ließ das Bauwerk 1834 zerstören und anschließend verfallen. Der Verfall wurde durch die Lehmbauweise, welche einer ständigen Überprüfung und Pflege bedarf, beschleunigt. Der Eroberer betrachtete die Moschee als zu üppig und luxuriös. Der einzige Teil, der vom ursprünglichen Gebäude übrig blieb, ist die Umfassung mit den Gräbern der lokalen Führer. Die zweite Moschee wurde bis 1896 auf Basis der alten Pläne wieder errichtet, wurde jedoch in einem bescheideneren Stil gebaut. Sie wurde für die heutige Moschee jedoch wieder abgerissen, die sich in Größe und Aussehen an der ersten orientiert. Zu diesem Zeitpunkt war Djenné Teil von Französisch-Westafrika, und die Franzosen leiteten die Errichtung der Moschee und der nahe gelegenen Madrasa in die Wege und unterstützten das Vorhaben politisch und finanziell. Der Bau der derzeitigen Großen Moschee begann 1906 und war wahrscheinlich 1907 oder 1909 abgeschlossen.

Viele Moscheen in Mali erhielten mittlerweile eine elektrische Verkabelung und sanitäre Einrichtungen. In einigen Fällen wurden dazu die Oberflächen der Moscheen verkachelt. Dabei wurden das historische Erscheinungsbild und die strukturelle Integrität der Gebäude zerstört. Die Moschee von Djenné wurde zwar mit einem Lautsprecher-System ausgestattet, die Bürger von Djenné widersetzten sich jedoch erfolgreich der äußeren Modernisierung des Gebäudes.

Die Gebetswand (qibla) der Großen Moschee ist ostwärts gegen Mekka ausgerichtet. Vor ihr liegt der Marktplatz der Stadt. Die Quibla wird durch drei große Minarette und achtzehn kleine Kuppeln überragt. In jedem Minarett führt eine spiralförmige Treppe zum Dach, auf dem eine konisch geformte Spitze sitzt.

Ein Dach bedeckt das eigentliche Moscheegebäude, die andere Hälfte der Anlage dient als offene Gebetshalle. Neunzig Holzsäulen in der inneren Gebetshalle stützen das Dach der Moschee. Die zweite, offene Gebetshalle liegt im Hof hinter dem überdachten Moscheeteil. Sie ist im Norden, Süden, Westen von Wänden umgeben, den östlichen Teil schließt der überdachte Moscheeteil ab. In den Wänden sind Arkaden eingelassen, die den inneren Hof umziehen. Mehr als 2000 Menschen haben darin Platz.

Die Moschee von Djenné war im Mittelalter eines der wichtigsten islamischen Zentren. Tausende von Studenten kamen, um hier den Koran zu studieren. Auch wenn es zahlreiche Moscheen gibt, die älter sind als die heutige Moschee von Djenné, ist diese Moschee doch eines der wichtigsten Symbole sowohl der Stadt Djenné als auch des Staates Mali.

In vielen Teilen des Landes wird der Islam nicht so streng ausgelegt und ist lokalen Gegebenheiten angepasst. Frauen werden im wirtschaftlichen und politischen Leben eingebunden und müssen in der Regel keine Schleier tragen. Der Islam in Mali hat mystische Elemente, Verehrung der Vorfahren und der traditionellen animistischen Überzeugungen absorbiert. Viele Aspekte der traditionellen Gesellschaft in Mali fördern Normen mit Demokratieerziehung, einschließlich Toleranz, Vertrauen, Pluralismus, die Gewaltenteilung und die Rechenschaftspflicht der Regierung gegenüber ihren Wählern.

Beziehungen zwischen der muslimischen Mehrheit und die Christen und andere religiösen Minderheiten--einschließlich Praktiker der traditionellen indigenen Religionen- sind in der Regel als tolerant zu bezeichnen. Anhänger verschiedener Glaubensrichtungen findet man innerhalb der Familie. Viele Anhänger einer Religion nehmen an religiöse Zeremonien anderer Religionen, besonders Hochzeiten, taufen und Beerdigungen teil.

Ausländischen islamischen Prediger herrschen im Norden, während die Dama, eine regionale islamische Gruppe, Moscheen in Kidal, Mopti und Bamako unterhält. Die Dawa hat Anhänger unter den Bellah, die einst die Sklaven der Tuareg-Adligen waren, und auch unter den arbeitslosen Jugendlichen gewonnen. Die Dawa hat einen starken Einfluss in Kidal, während die wahhabitischen Bewegung in Timbuktu gewachsen ist.

Im August 2003 gab es ein Konflikt in dem Dorf Yerere bei dem traditionelle wahhabitischen Sunniten angegriffen wurden. Dies ist jedoch eher die Ausnahme, die meisten religiösen Gruppen sind nicht an einem Alleinvertretungsanspruch ihrer jeweiligen Religion interessiert.

Ausländische christliche Missionsgruppen mit Sitz in Europa sind in der in der Entwicklungsarbeit beschäftigt, in erster Linie mit der Bereitstellung medizinischer Versorgung und Bildung. Diese Hilfstätigkeiten werden mit dem Werben um den Übertritt zur christlichen Religion verbunden. Ausländische Missionare können im Land ohne Einmischung der Regierung ihrem Ziel nachgehen; Muslime und Nichtmuslime können frei missionieren.

Die bewaffneten Auseinandersetzungen im Norden des Landes führten dazu, dass die Sicherheitskräfte gravierende Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtliche Hinrichtungen, Geiselnahme und Folter verübten. Bewaffnete Gruppen im Norden Malis waren für Übergriffe wie z.B. sexuelle Gewalt, vorsätzliche und willkürliche Tötungen und Körperstrafen verantwortlich. Beide Seiten schrecken nicht davor zurück, Kindersoldaten. für ihre Zwecke zu rekrutieren.

Die Verfassung sieht für die Religionsfreiheit vor, und die Regierung respektiert im Allgemeinen dieses Recht in der Praxis. Es gibt keine Staatsreligion; die Verfassung definiert das Land als einen säkularer Staat, bekämpft aber religiöse Praktiken, die eine Bedrohung für die soziale Stabilität und Frieden sein könnten.

Familienrecht, Gesetze in Bezug auf Scheidung, Ehe und Vererbung basieren auf einer Mischung aus lokaler Tradition und islamischen Recht und Praxis.

Während der Präsidentschaftswahlen im April und Mai 2002 stattfand, betonte die Regierung und die politischen Parteien die Säkularität des Staates. Als wenige Tage vor den Wahlen ein radikaler islamischer Führer die Muslime aufforderte, für ehemalige Premierminister Modibo Ke ta zu stimmen, kritisierte der Hohe Rat des Islam, die ranghöchste islamische Einrichtung des Landes, die Anweisung und warb für eine freie Entscheidungsfindung.

Im Januar 2002 wurde der Hohe Rat des Islams geschaffen, um religiöse Angelegenheiten für die gesamte muslimische Gemeinschaft zu koordinieren und die Qualität der Predigten in Moscheen zu standardisieren. Alle muslimischen Gruppen erkennen seine Autorität an.

Die afrikanisch geführte internationale Unterstützungsmission in Mali (AFISMA) war eine Militärmission unter Führung der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS zur Unterstützung der Regierung des ihres Mitgliedes Mali gegen islamistische Rebellen im Rahmen des seit 2012 herrschenden Konfliktes im Norden des Landes.

Die Mission wurde durch die am 20. Dezember 2012 verabschiedete Resolution 2085 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen legitimiert, welche einen Einsatz einer afrikanisch geführten internationalen Unterstützungsmission in Mali für einen Zeitraum von einem Jahr vorhersah. Die Resolution ermächtigte die Mission der Westafrikanischen Staatengemeinschaft, „alle notwendigen Mittel“ zu ergreifen, um der Regierung Malis bei der Rückeroberung des Nordens aus den Händen „terroristischer, extremistischer und bewaffneter Gruppen“ zu helfen. Die AFISMA wurde am 01. Juli 2013 durch die United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA) abgelöst.

Der Vorstoß der islamistischen Rebellen und die anschließenden französische Intervention 2012 hatten Konsequenzen. Anfang Januar 2013 kündigte der Präsident der ECOWAS, Alassane Ouattara, am 11. Januar 2013 an, gemäß der UN-Resolution 2085 innerhalb kürzester Zeit die geplante Entsendung der 3300 Soldaten umfassenden Eingreiftruppe einzuleiten. An diesem Einsatz beteiligten sich Soldaten aus Senegal, Nigeria, Niger, Burkina Faso, Ghana, Elfenbeinküste, Guinea, Togo und Benin.

Zunächst gab es Probleme bei der Finanzierung des Militäreinsatzes. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft schätzte die Kosten der Unterstützungsmission auf 375 Millionen, fast doppelt so teuer wie erwartet. Die Europäische Union sagte 50 Millionen Euro als finanzielle Unterstützung zu.

Am 28. Februar 2013 entschied sich der Deutsche Bundestag auf Bitten Frankreichs dafür, seinem Partnerland die Bereitstellung von Lufttransportkapazitäten sowie Luftbetankung für die französischen Streitkräfte bereitzustellen und ihn in seinem Kampf gegen die Rebellen logistisch zu unterstützen. Dazu wurde ein Kontingent mit einem Airbus A-310 MRTT und drei C-160 Transall sowie dem notwendigen Unterstützungs- und Bodenpersonal bereitgestellt.

Die Opération Serval war eine Intervention der französischen Streitkräfte in Mali auf Anfrage der dortigen Regierung. Die Vereinten Nationen billigten dieses Vorgehen mit der Resolution 2085 des UN-Sicherheitsrates vom 20. Dezember 2012. Das offizielle Ziel der Operation war es, die malische Armee beim Aufhalten, Zurückdrängen und Ausschalten militanter Islamisten aus dem Azawad, welche einen Vorstoß in das Zentrum des Landes begonnen hatten, zu unterstützen. Außerdem sollte durch die Operation die Sicherheit von ca. 6.000 französischen Zivilisten, die sich im Land aufhielten, gewährleistet werden. Von der unsicheren Lage in Mali waren zudem die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs betroffen, da Mali und das Nachbarland Niger über wichtige Bodenschätze verfügen, die von französischen Firmen seit längerer Zeit ausgebeutet werden.

Nachdem es im Januar 2012 infolge des Bürgerkrieges in Libyen zu verstärkten Waffenlieferungen nach Mali gekommen war, begannen Stammesangehörige der Tuareg von der Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA) eine Rebellion gegen die malische Regierung. Im April 2012 beendete die Offensive gegen die Regierung und erklärte die Unabhängigkeit von Azawad. Im Juni 2012 jedoch geriet die MNLA in Konflikt mit den islamistischen Gruppierungen Ansar Dine und Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO), nachdem die Islamisten mit der zwangsweisen Einführung der Scharia in Azawad begonnen hatten. Bis zum 17. Juli 2012 hatten MUJAO und Ansar Dine die MNLA gewaltsam aus allen bedeutenden Städten verdrängt. Am 1. September 2012 wurde Douentza, eine Stadt in der Region Mopti unter der Kontrolle der Ganda-Iso-Miliz, von der MUJAO eingenommen. Am 28. November 2012 vertrieb die Ansar Dine die MNLA aus Léré, einer Kleinstadt im Kreis Niafunké in der Region Timbuktu.

Diese Entwicklungen führten dazu, dass sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in seiner Sitzung am 20. Dezember 2012 der Situation in Mali. beschäftigte, was letztendlich zur Resolution 2085 führte, die eine afrikanisch geführte internationale Unterstützungsmission in Mali legitimierte.

Die Situation der malischen Armee nach mehreren Monaten militärischer Auseinandersetzungen mit den Rebellen verschlechterte sich immer weiter. Den Rebellen gelang es Ende Januar, die Kleinstadt Konna einzunehmen. Sie bewegten sich anschließend in Richtung der strategisch wichtigen Großstadt Mopti, die den Zugang zur Hauptstadt Bamako ermöglicht. Daraufhin richtete der Präsident der malischen Übergangsregierung, Dioncounda Traoré, ein offizielles Gesuch um militärische Unterstützung zur Verhinderung der jihadistischen Offensive an Frankreich. Als Folge der französischen Kolonialpolitik in Westafrika, die bis in die 1960er Jahre andauerte, war Mali, nicht zuletzt durch die gemeinsame Sprache, stark von der ehemaligen Kolonialmacht und den ebenfalls französischsprachigen Nachbarländern geprägt und auch jetzt noch durch die Rekolonialisierungspolitik Frankreich wirtschaftlich abhängig.

Der französische Staatspräsident François Hollande gab seine Zustimmung, so dass die französische Armee in Mali seit dem Nachmittag des 11. Januar 2013 interveniert. Es war der erste Auslandseinsatz französischer Truppen seit der Amtseinführung Hollandes im Mai 2012. Ziel sei es, die Regierungstruppen von Mali im Kampf gegen „terroristische Elemente“ zu unterstützen. Am 15. Januar erklärte Hollande auf einer Pressekonferenz in Dubai, dass die französischen Truppen Mali erst verlassen und die Operation beenden würden, wenn Mali sicher sei sowie eine legitime Ordnung und einen Wahlprozess habe. Außerdem dürften die Terroristen die territoriale Integrität von Mali nicht mehr gefährden.

Hollande nannte drei Hauptziele der Operation:* Stopp des terroristischen Angriffs,

Mali galt in der Weltöffentlichkeit jahrelang als Vorzeigedemokratie auf dem afrikanischen Kontinent. Seit dem Putsch im März 2012, wo Militärs den damaligen Präsident Amadou Toumani Touré stürzten, wurden demokratische Regeln außer Kraft gesetzt und das Land in einen Bürgerkrieg gestürzt. Die Militärs rechtfertigten ihren Putsch damit, dass Touré dem Aufstand der Tuareg im Norden des Landes machtlos zugeschaut habe. Anfang April 2012 erklärten die Tuareg nach einer Reihe militärischer Erfolge ihr erobertes Gebiet für unabhängig. Die Tuareg gingen auf Verhandlungslösungen seitens der Regierung Malis nicht ein. Ihre vorübergehend starke Rolle haben die Tuareg inzwischen eingebüßt, längst haben im Norden Malis islamistische Rebellen das Sagen. Zuletzt boten sich die Tuareg nun sogar als Verbündete Frankreichs im Kampf gegen die Islamisten an.

Frankreichs Eingreifen in den Konflikt als ehemalige Kolonialmacht in Mali hat eine lange Vorgeschichte. Seit Monaten schon drängt die französische Regierung auf dem internationalen Parkett erfolglos auf eine multinationale Intervention in Mali, doch bisher konnte die Regierung von François Hollande dieses Ziel nicht erreichen - von rhetorischer Unterstützung durch EU und USA abgesehen. Als ehemalige Kolonialmacht fürchtet Paris nicht nur eine Gefahr für die rund 7.000 in Mali lebenden Franzosen. Auch in Frankreich selber lebt eine große malische Gemeinde. Wenn nun der Norden Malis komplett an die Islamisten fallen würde und sich das Gebiet zu einem neuen Trainingslager von al-Qaida entwickelte, müsste Frankreich auch im eigenen Land Anschläge und neue Terrorzellen fürchten. Die Regierung in Paris hat zuletzt die Sicherheitsvorkehrungen im eigenen Land erhöht. Angesichts der terroristischen Bedrohung müssten laut Hollande alle „notwendigen Vorkehrungen“ getroffen werden. Entsprechend wurden Schutz und Überwachung von Regierungsgebäuden verstärkt, auch der öffentliche Nahverkehr wurde stärker überwacht.

Daneben verfolgt die französische Regierung aber auch wirtschaftliche Interessen. Das militärische Engagement Frankreichs diene auch der Sicherung seiner eigenen Energieversorgung mit preiswertem Uran aus Malis Nachbarland Niger. So liegen rund um Nordmali viele der von Frankreich ausgebeuteten Uranminen, die das Land dringend für seine Atomkraftwerke braucht. Der staatliche französische Atomkonzern Areva fördert Uran in Malis Nachbarland Niger, das inzwischen der größte Uranproduzent des Kontinents ist. Auch in Mali selbst wurde Uran gefunden. Die atomare Unabhängigkeit ist in Frankreich mehr oder minder eine Frage der Staatsräson und ganz oben auf der Agenda jeder Regierung. Entsprechend kam in den vergangenen Tagen bei Kritikern der französischen Intervention schnell der Verdacht auf, es gehe Paris nicht allein um die Bekämpfung von Terroristen. Viele internationale Rohstoffunternehmen suchen, aber auch einige malische, den Boden Malis systematisch nach Rohstoffen ab. Das italienische Ölunternehmen Eni beispielsweise hält Rechte im Norden des Landes, auch der internationale Rohstoffkonzern Glencore ist in Mali präsent. Genauso eifern die großen internationalen Schürfkonzerne Randgold Resources oder Anglo American suchen den Boden Malis nach Goldvorräten ab.

Die Rebellen haben in den vergangenen Monaten einen regelrechten Siegeszug hingelegt, sie nutzten das Machtvakuum in dem westafrikanischen Staat geschickt aus. Zunächst zettelten Tuareg-Milizen gemeinsam mit einigen islamistischen Gruppen eine Revolution an. Dabei halfen ihnen Waffen aus den Depots des gestürzten libyschen Despoten Muammar al-Gaddafi, die schwache malische Armee war binnen weniger Tage aus den drei nordmalischen Zentren Timbuktu, Gao und Kidal vertrieben.

Die Allianz zwischen den Tuareg und den Islamisten der Gruppe Ansar al-Din ("Verteidiger des Glaubens") sowie der eng mit dem Terrornetz al-Qaida verbundenen Gruppe Mujao ("Bewegung für Einheit und den Dschihad in Westafrika") hielt nicht lange. Durch ihre Kampferfahrungen übernahmen die Islamisten kurz nach der Revolution in Nordmali das Kommando, verjagten ihre einstigen Tuareg-Verbündeten aus den Städten und etablierten einen fundamentalistischen Gottesstaat nach dem Vorbild der afghanischen Taliban. Statt Richter fällen nun Geistliche vor Standgerichten Todesurteile gegen vermeintliche Gotteslästerer, amputieren Dieben die Hände und verfolgen Frauen, die sich gegen Zwangsheiraten wehren wollen.

Die Islamisten sind mit modernen Boden-Luft-Raketen oder Sturmgewehren ausgerüstet. Nachrichtendienste gaben die Zahl der Kämpfer der Islamisten zuletzt meist mit etwa 2.000 an, allerdings zieht der neugegründete Gottesstaat seit Monaten Dschihad-Rekruten aus aller Welt an. Nach der Intervention der Franzosen dürften noch mehr Dschihad-Anhänger in die Krisenzone reisen. Zu militärischen Großoperationen scheinen die islamistischenKämpfer zwar wohl nicht in der Lage, doch gegen die mit ihren Pick-ups sehr mobile Kleinarmee ist ein Krieg mehr als schwierig.

Mali gilt trotz der vorhandenen Bodenschätze als eines der ärmsten Länder der Erde, ein Großteil der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. So soll es in dem Land neben Uran unter anderem auch Erdöl, Erdgas, Gold, Diamanten und Kupfer geben. Internationale Unternehmen sind schon seit längerem in Mali aktiv, um die begehrten Rohstoffe zu finden und wie üblich für ihre eigenen wirtschaftlichen Zwecke auszubeuten.

Das malische Militär ist in einem desolaten Zustand. Seit Jahren schon wurden die Ausbildung und die Ausrüstung der Streitkräfte völlig vernachlässigt. Zwar betätigen sich die hohen Generäle kräftig am Machtpoker in der Hauptstadt Bamako, die Soldaten jedoch desertierten in den vergangenen Jahren massiv, auch wegen einer geringen Bezahlung von umgerechnet fünf Dollar pro Monat für die unteren Dienstränge.

Militärisch besitzt die Armee fast gar keine Schlagkraft und verfügt laut dem amtierenden Verteidigungsminister nur über 200 geländefähige Fahrzeuge, einige altersschwache Panzer aus DDR-Beständen und kaum schwere Waffen. Die Luftwaffe ist völlig auseinandergefallen, von vier noch vorhandenen Hubschraubern sind nur zwei einsatzfähig, Lufttransportfähigkeiten sind gar nicht vorhanden.

Am Beispiel Mali zeigt sich auch, dass die Militärhilfe aus dem Ausland inklusive der Ausbildung von Offizieren in den USA oder Europa wenig gebracht hat. Ziel solcher Missionen war es, besonders aufstrebende Offiziere an demokratische Werte heranzuführen. Im Fall von Mali jedoch war es vor allem der in den USA ausgebildete Hauptmann Sanogo, der im März 2012 ein politisches Vakuum für einen Militärputsch ausnutzte und sich selbst kurzzeitig als Präsident krönte.

Für ihre Intervention in Mali erhielt die französische Regierung inzwischen logistische Unterstützung von mehreren Ländern, unter anderem von Großbritannien und den USA. Das französische Verteidigungsministerium plant mehreren Berichten zufolge die Entsendung von bis zu 2500 Soldaten. Zudem verlegte Frankreich zuletzt rund 30 Panzer aus der Elfenbeinküste nach Mali.

Am 16.5.2015 kam es zur Unterzeichnung eines Friedensabkommens in Mali. Dies wurde von Außenminister Frank-Walter Steinmeier als wichtigen Schritt zur Lösung der Spannungen im Norden des westafrikanischen Landes gewürdigt. Am Rande seines Besuchs in Jordanien forderte der SPD-Politiker am Samstag zugleich die Gruppierungen, die am Freitag nicht an der Zeremonie in Malis Hauptstadt Bamako teilgenommen hatten, nachdrücklich dazu auf, den Vertrag zu respektieren und schnell zu unterzeichnen. Dies sei eine entscheidende Etappe und die Frucht langer Verhandlungen, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ließ erklären, der Text sei nicht perfekt, stelle jedoch eine ausgezeichnete Basis für die Fortsetzungen des inner-malischen Friedensprozesses dar.

Das Friedens- und Versöhnungsabkommen in Mali kam nach langwierigen Verhandlungen unter der Vermittlung Algeriens, der Vereinten Nationen und der Europäischen Union zustande. Nach einem Putsch im März 2012 hatten Tuareg-Rebellen und islamistische Gruppen in weiten Teilen Nordmalis die Herrschaft übernommen. Durch ein Eingreifen Frankreichs im Januar 2013 wurde die Region wieder weitgehend befreit. Später übergaben die Franzosen die Verantwortung an den UN-Blauhelmeinsatz Minusma. Die Bundeswehr beteiligt sich im Rahmen einer EU-Mission an der Ausbildung malischer Soldaten im Süden des Landes. Zuletzt waren dort gut 160 deutsche Soldaten im Einsatz.

Das Abkommen sieht als Ziel vor, dem Norden Malis mehr Autonomie geben. Die Rebellen verpflichten sich im Gegenzug, die Souveränität der Regierung von Präsident Ibrahim Boubakar Keita anzuerkennen. Jedoch nahm eine der wichtigsten Rebellenorganisationen nicht an der Zeremonie teil. Beobachter sehen dadurch den ganzen Plan infrage gestellt. Am Donnerstag hatte die wichtige Separatistengruppe „Koordination der Bewegungen des Azawad“ (CMA) aber zumindest ihre vorläufige Zustimmung zu dem Abkommen gegeben. Ein Vertreter paraphierte das Dokument in Algier.

Ansar Dine („Unterstützer des Glaubens“) wird von Iyad Ag Ghaly angeführt. Ag Ghaly ist eine der prominentesten Figuren der 2. Tuareg-Rebellion in den 1990er Jahren. 1990 befahl er als Chef der damaligen Volksbewegung von Azawad (MPA) den Angriff auf eine Militärgarnison im östlichen Ménaka. Dies gilt bis heute als Beginn der Rebellion für ein eigenständiges Gebiet im Norden Malis.

Ansar Dine will die Scharia im gesamten Staat Mali einführen. Die einseitige Unabhängigkeitserklärung der MNLA lehnt Ansar Dine ab. Ansar Dine kämpft im Gegensatz zur MNLA nicht für einen religiös neutralen Nationalstaat, sondern für einen islamistischen Staat in der Region Azawad. Ag Ghaly wird angelastet, Verbindungen zur Al-Qaida im Maghreb sowie zu einer islamistischen Splittergruppe, die von seinem Cousin Hamada Ag Hama angeführt wird, zu unterhalten. Im Mai 2012 hatten sich die MNLA und Ansar Dine dazu verständigt, ihre Truppen zu vereinen und einen islamischen Staat in den von ihnen kontrollierten nördlichen Territorien zu errichten. Wenige Tage später wurde die Übereinkunft allerdings für nichtig erklärt. Die Allianz zerbrach jedoch endgültig am 8.Juni an der Weigerung der säkularen MNLA, die Scharia anzuerkennen, und es kam zu ersten Gefechten zwischen beiden Gruppen. Am 28.Juni 2012 brachte Ansar Dine nach Kidal auch Gao und Timbuktu vollends unter ihre Kontrolle, vertrieb die MNLA aus den Städten und setzte dort die Scharia durch.

Die islamistische Rebellengruppe Ansar Dine kontrollierte 2012 alle wichtigen Städte im Norden, z.B. Timbuktu. Ansar Dine ordnete an, Frauen müssen sich verschleiern, Diebe müssen damit rechnen, dass ihnen ohne einen rechtsstaatlichen Urteilsspruch die rechte Hand abgehackt wird. Zudem übte Ansar Dine Druck auf Hotels aus, die Alkohol ausschenkten. Radiostationen dürften keine internationale Musik mehr spielen.

Im Mai und Juni 2012 zerstörten Mitglieder von Ansar Dine das zum UNESCO-Welterbe gehörende Mausoleum Sidi Mahmud Ben Amar in Timbuktu und drohten Anschläge auf weitere Mausoleen an. Ende Juni 2012 wurde Timbuktu aufgrund des bewaffneten Konflikts in Mali auf die Rote Liste des bedrohten Weltkulturerbes gesetzt. Kurz danach wurde die Zerstörung der durch die UNESCO denkmalgeschützten Grabstätten von Sidi Mahmud, Sidi Moctar und Alpha Moyaunter unter Verhöhnung der UNESCO fortgesetzt.

Die „Organisation al-Qaida des Islamischen Maghreb“ gilt als die bestorganisierte bewaffnete Gruppe und wurde von den USA als eine der gefährlichsten Terrorgruppierungen der Welt eingestuft. Nach Schätzungen des algerischen Innenministeriums 2005 hat die Organisation zwischen 300 und 400 Mitglieder. Der Rückgang der aktiven Kämpfer ist vor allem auf Tötungen und Verhaftungen durch die algerischen Behörden zurückzuführen. An der Spitze der Gruppe steht Abdelmalek Droukdel genannt Abdelwadoud.

Die Gruppe verübte am 11. April 2007 ein Selbstmordattentat auf den Amtssitz des algerischen Ministerpräsidenten und ein Polizeikommissariat im Osten Algiers. Dabei starben 33 Personen und 222 wurden verletzt. Acht Monate später wurden zwei Sprengstoffanschläge auf das Gebäude der UNHCR sowie in der Nähe des Obersten Gerichtshofs in Algier verübt. Dabei kamen nach offiziellen Angaben mindestens 26 Menschen, darunter mehrere Mitarbeiter der Vereinten Nationen, ums Leben.

Am 22. Februar 2008 wurde im Süden Tunesiens ein österreichisches Touristenpaar von der Gruppe entführt, die für die Freilassung auch politische Forderungen stellte. Die beiden Geiseln wurden am 31. Oktober 2008 im Norden Malis nach monatelangen Verhandlungen freigelassen. Am 22. Januar 2009 verschleppte die al-Qaida im islamischen Maghreb im Grenzgebiet zwischen Mali und Niger eine Deutsche, einen Briten und ein Schweizer Ehepaar. Zwei der Geiseln, die Deutsche und eine Schweizerin, kamen am 22. April 2009 wieder frei. Der Brite wurde am 31. Mai 2009 von den Terroristen getötet. Der andere Schweizer wurde am 12. Juli 2009 von der Gruppe wieder freigelassen.

Im März 2011 warnte der tschadische Präsident Idriss Déby davor, dass der Bürgerkrieg in Libyen die AQMI stärken würde, da diese Kriegswaffen aus den Rebellengebieten erhalten würde. Auch der algerische Geheimdienst berichtete wenige Wochen später, dass es zu Lieferungen von panzerbrechenden Granaten und Luftabwehrraketen aus geplünderten libyschen Armeedepots gekommen sei.

Seit März 2012 gehörte die AQMI gemeinsam mit Ansar Dine und der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) zu den drei bewaffneten islamistischen Gruppen, die den Norden Malis unter ihre Kontrolle brachten und die MNLA vertrieben. Nach verschiedenen Informationen standen neben Ansar Dine auch Mitglieder der AQMI hinter den Zerstörungen an Mausoleen in der Stadt Timbuktu im Jahr 2012.

Die Islamisten lehnen den Sufismus - eine besondere Strömung des Islam - vehement ab. Insbesondere die Verehrung von Heiligen ist fundamantal gegen ihre religiösen Vorstellungen gerichtet.

Das rund tausend Kilometer nördlich von Malis Hauptstadt Bamako gelegene Timbuktu am Rande der Sahara zählt seit 1988 zum Weltkulturerbe. Die zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert von Tuareg-Stämmen gegründete Stadt war ein geistiges Zentrum des Islam und beherbergt tausende historische Manuskripte. Neben drei großen Moscheen gehören 16 Friedhöfe und Mausoleen zum Weltkulturerbe.

Die Regierung in Frankreich hat die willkürliche Zerstörung muslimischer Mausoleen in Timbuktu verurteilt. In einer Mitteilung des Außenministeriums hieß es: „Die systematische Zerstörung dieser Orte der Andacht und des Gebets, die seit Jahrhunderten zur Seele dieser prestigeträchtigen Stadt gehören, ist eine unerträgliche Handlung“. In der Mitteilung wurde „eine Ende dieser Gewaltakte und dieser Intoleranz“ gefordert.

Bei Gefechten in der Bergregion Adrar des Ifoghas am 22. Februar 2013 starb einer der führenden Köpfe der AQIM Abdelhamid Abou Zeid im malischen Kidal

Dreh-und Angelpunkt der islamistischen Expansion in Mali ist Al-Qaida im Islamischen Maghreb (AQIM), die nordafrikanische Filiale von Al-Qaida. Sie ist die schlagkräftigste der drei in Mali operierenden Jihad-Gruppen.

AQIM ging im Januar 2007 aus der algerischen Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf (Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat, GSPC) hervor; die Umbenennung machte den Anschluss an Al-Qaida offiziell und signalisierte zudem eine Internationalisierung. Gemäß ihren Verlautbarungen ist es AQIMs Ziel, ein „islamisches Emirat“ im Maghreb zu errichten und alle „islamfeindlichen Regierungen“ sowie westliche Einflüsse zu beseitigen.

Die Mitglieder von AQIM sind zum großen Teil Jihad-Veteranen, die bereits seit 2003 in der Sahara operieren. Der hohe Verfolgungsdruck der algerischen Sicherheitsbehörden hatte ihre zuvor auf Algerien konzentrierten Aktivitäten stark eingeschränkt. In der Folge waren die Kämpfer nach Süden ausgewichen und hatten im Norden Malis einen sicheren Hafen für ihre Aktivitäten geschaffen. Hier haben sie seither ein Netzwerk lokaler Allianzen aufbauen können. AQIM und ihr Vorläufer GSPC sind die Keimzelle des Jihadismus in Nordafrika.

AQIM finanziert sich über Drogen- und Waffenschmuggel sowie durch Lösegelder für entführte Ausländer. Ihr Anführer ist der Algerier Abdulmalik Droukdal. AQIM ist stark von Algeriern dominiert, hat aber Mitglieder aus allen Staaten der Sahara und der Sahelzone. Die Gruppierung soll Anfang 2012 in Mali über mehrere hundert Kämpfer in vier Brigaden verfügt haben: Tariq bin Ziad (Abd al-Hamid Abu Zeid), Al-Furqan (Yahya Abu al-Hamam), Al-Ansar (Abd-al-Karim al-Targui) und Al-Mulathamin (Mokhtar Belmokhtar).

Belmokhtar gründete im Oktober 2012 eine eigene Gruppierung namens Al-Muwaqi’un bil-Dima („Die mit Blut Unterzeichnen“). Die Kämpfer seines Bataillons nahm er mit. Auslöser für diesen Schritt waren interne Streitigkeiten mit anderen AQIM-Kommandeuren. Diese Gruppe war für den Angriff auf die Gasanlage im algerischen In Amenas im Januar 2013 verantwortlich.

AQIM kooperiert sowohl mit Ansar al-Din als auch mit MUJAO. Die Gruppen verfolgen gemeinsame Ziele und führen zusammen Operationen durch. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer nationalen, tribalen und ethnischen Zusammensetzung sowie in ihrer Ideologie. Dennoch sind die Grenzen zwischen den Gruppen fließend.

Nach der Vertreibung aus Mali hat AQIM im Süden Libyens, im Grenzgebiet zu Algerien und Niger, den dringend benötigten Ruheraum gefunden, um sich von dem Debakel zu erholen und die eigene Strategie erneut der aktuellen Situation entsprechend anzupassen.

Die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) ist eine militante islamistische Gruppierung in Westafrika. Die Bewegung ist 2011 aus der „Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ (AQMI) hervorgegangen. Ihr Ziel ist es, den Dschihad auf ganz Westafrika auszudehnen, also auch in Regionen, die sich nicht im Fokus der AQMI befinden.Bekannt wurde die Gruppierung am 12. Dezember 2011, als sie ein Video über drei entführte Entwicklungshelfer veröffentlichte, unter ihnen zwei Frauen, die im westlichen Algerien festgehalten wurden.

Im Jahr 2012 gehörte MUJAO zusammen mit AQMI und Ansar Dine zu den drei islamistischen Gruppierungen, die den Norden Malis unter ihre Kontrolle brachten. Dabei wurde die Tuareg-Rebellenarmee „Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad“ (MNLA) weitestgehend verdrängt. Im Juni 2012 war MUJAO zusammen mit Ansar Dine an den Kämpfen um die Stadt Gao beteiligt, bei denen mindestens 35 Menschen starben. Im Juli 2012 übernahmen Kämpfer der MUJAO auch die nördlich gelegene Stadt Ansogo und verjagten die MNLA-Aufständischen.

Im August 2012 wurde in den Regionen Gao, Timbuktu und Kidal die Ausstrahlung jeglicher westlicher Musik verboten. Nachdem die MNLA im Oktober 2012 zeitweise die Kontrolle über die Stadt Ménaka im gleichnamigen Kreis zurückgewonnen hatte, wurde sie im November 2012 bei der Rückeroberung durch MUJAO wieder vertrieben.

Am 24. Mai 2013 verübte MUJAO einen Anschlag auf eine Uran-Anlage des französischen Konzerns Areva in Arlit. Bei dem Überfall wurden mindestens 49 Menschen verletzt.[ Kurze Zeit später nahmen auch MUJAO Mitglieder Geiseln in einem Militärcamp in Agadez, welches einen Tag später blutig von der französischen Armee beendet wurde.

90% der Bevölkerung Malis bekennen sich zum sunnitischen Islam malikitischer Rechtsschule. Diese in Westafrika verbreitete, und auf der Gleichheit aller Muslime beharrende Richtung des Islams gelangte spätestens im 11. Jahrhundert zu starkem Einfluss in Mali. Träger dieser Variante der Islamisierung waren berberische Händler, die als Caridschiten mit der Sudan-Zone Handel trieben. Für lange Zeit blieb der Islam auf die Elite der städtischen Zentren beschränkt. Herrscherfamilien, Händler und Weise waren zum Islam konvertiert, während die Mehrheit der Bevölkerung traditionellen religiösen Gemeinschaften angehörte.

Trotzdem blühte in einigen Städten Malis im 13. Jahrhundert die islamische Gelehrsamkeit. Erst während der Kolonialperiode kam es wieder zur Bildung islamischer Staaten in Westafrika: durch Usman dan Fodio, den Gründer des Kalifats von Sokoto oder Seku Amadu Bari, der das Massina-Reich unter religiösem Vorzeichen ausbaute. Der Islam hat im Verlauf der Zeit zahlreiche Elemente der traditionellen Religionen aufgenommen. Einflussreiche religiöse Gelehrte beziehen ihr Ansehen aus ihrer Kenntnis der arabischen Schrift, vor allem des Korans, neben dem einige Gruppen keinerlei andere Schriften akzeptieren. Außerdem gründet es sich auf besonderer göttlicher Segnung, dem Wissen um mächtige Suren aus dem Koran und auf andere esoterische Fähigkeiten. Auch der Glaube an Geister und ihre Beschwörung ist in der Bevölkerung Malis tief verankert. Seit den 1930er Jahren wurde begonnen, diese Haltung durch Geistliche, die in Saudi-Arabien oder Ägypten ausgebildet worden waren, zu diskreditieren. Die Sufi-Tradition der Qudiriya aus dem 11. Jahrhundert und der Tidschaniya aus dem 18. Jahrhundert, wie auch der geistige Austausch mit anderen Völkern Westafrikas haben den malischen Islam stark geprägt.

In den 1940er und 1950er Jahren verbreitete sich in den Kreisen malischer Studenten und Händler, die direkte oder indirekte Kontakte mit dem Vorderen Orient hatten, das Wahhabitentum Während des Regimes von Moussa Traoré (1968–1991) erlebte das Land eine Islamisierung. Traoré betonte seit den 1980er Jahren die muslimische Identität Malis und verankerte dies auch in den Gesetzen des Landes.

Vor der Islamisierung herrschten die unter dem Begriff Animismus vereinten religiösen Traditionen vor. In ihrer ursprünglichen Form sind sie in abgelegenen Regionen des südwestlichen Teils des Landes erhalten geblieben. Sie dienen vor allem der Aufrechterhaltung der ländlichen Subsidenz-Gesellschaft. Diese Traditionen umfassen Ahnenkult, Glaube an Geister und Magie sowie die Praxis von Opfergaben und die Mitgliedschaft in Geheimgesellschaften. Jeder Angehörige eines geheimen Bundes durchläuft verschiedene Phasen, wobei am Beginn jeder dieser Phasen eine Initiation stattfindet. Auch der jeweils nächsten Phase geht ein Aufnahmeritual voran. Die religiösen Traditionen sind bei jeder der zahlreichen Ethnien des Landes anders.

Christen machen nach unterschiedlichen Angaben 1–5 % der Bevölkerung aus. Die meisten von ihnen bekennen sich zur katholischen Kirche und gehören den Gemeinschaften der Dogon und Bobo an. Der malische Staat respektiert die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit. Der Erzbischof Lug Sangareé galt bis zu seinem Tod als einflussreiche und von Muslimen respektierte Persönlichkeit. Die malische Gesellschaft war bis zum Ausbruch der Rebellion von Respekt gegenüber Andersgläubigen geprägt, religiöse Verfolgung hat jedoch in der jüngsten Vergangenheit stark zugenommen.

Nach der Unabhängigkeit machte die Regierung von Modibo Keita die Ausbildung von Fachpersonal für die Entwicklung des jungen Staates zu einer Priorität. Am Ende der 1960er Jahre besuchten immerhin ein Drittel der Jungen und ein Fünftel der Mädchen die Schule. Die Diktatur ab 1968 brachte Rückschritte im Bildungssystem: Budgets wurden gekürzt, die Anzahl der Lehrer sank, die Lehrergewerkschaft war Repressalien ausgesetzt. Am Ende der 1980er Jahre konnte nur eines von fünf Kindern die Schule besuchen. In den 1990er Jahren wurde Bildung wieder Priorität. In Zusammenarbeit mit der Weltbank wurde das Programm PRODEC aufgelegt, vor allem um die Qualität der Grundschulausbildung zu verbessern und allen Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen. Das Bildungsbudget wurde aufgestockt und erreichte im Jahr 2004 einen Anteil von 30,06 % an den gesamten Staatsausgaben. Fast drei Viertel aller Kinder hatten dadurch Zugang zu Bildung.

Trotz der Fortschritte der letzten 15 Jahre sieht sich das malische Bildungssystem zahlreichen Problemen gegenüber. Finanznot bedingt schlechte Räumlichkeiten, den Mangel an Unterrichtsmaterial und an Lehrern: im Jahr 2006 musste im Schnitt ein Lehrer 66 Schüler betreuen. Politische Krisen im In- und Ausland verursachen Flüchtlingsströme, die die lokalen Schulen überlasten. Der Anteil der Schüler, die die Schule vor dem Abschluss abbrechen, ist sehr hoch, und der Zugang vom Bildungssystem ist aus kulturellen und finanziellen Gründen ungleich verteilt: Mädchen haben eine viel niedrigere Chance auf Bildung als Jungen, die Landbevölkerung deutlich geringere Möglichkeiten als die Stadtbevölkerung.

Außerhalb des formellen Bildungssystems arbeiten Koranschulen, wo die Kinder ausschließlich in arabischer Sprache und Koranversen unterwiesen werden, und wo sie sich ihren Lebensunterhalt selbst durch Betteln erwerben müssen. In Médersas werden die Kinder in religiösen Fächern, aber auch in Französisch, Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet.

Mali gehört zu jenen Staaten, wo die Beschneidung junger Mädchen am weitesten verbreitet ist. Im Jahr 2006 gaben 85 % der Frauen an, beschnitten zu sein. Ebenso viele Frauen gaben an, ihre Töchter beschneiden lassen zu wollen. Die Praxis ist unabhängig von Einkommen, Ausbildungsniveau oder Religion: Zwei Drittel der Frauen christlicher Religion sind beschnitten. Frauen der Tuareg oder Songhai sind zu weniger als einem Drittel beschnitten, während der Anteil beschnittener Frauen bei den Bambara oder Malinké bei 98 % liegt. Da der Eingriff vor dem 5. Lebensjahr und meist nicht von medizinischem Fachpersonal, sondern von einer traditionellen Beschneiderin durchgeführt wird, sind Komplikationen häufig. Trotzdem ist die Beschneidung so fest in der Tradition der Völker Malis verwurzelt, dass sämtliche Initiativen zur Abschaffung der Beschneidung nur zu einem geringen Rückgang dieser Praxis geführt haben.

Mali galt bis zum Militärputsch im März 2012 als politisch stabil. Zwei Jahrzehnte lang war das Land aufgrund regelmäßiger Wahlen als gelungenes Beispiel einer Demokratisierung. Gleichzeitig blieb es eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Der Putsch von 2012 hat seine Krisenanfälligkeit und seine institutionellen Schwächen offenbart. Inadäquate Institutionen, mangelnde Aufsicht und Durchsetzung von Rechten, vor allem aber grassierende Korruption in Regierung, Wirtschaft und bei den Sicherheitskräften, ebenso wie im Bildungs- und im Gesundheitssektor. Hinzu kam die Veruntreuung von Geldern aus der Entwicklungshilfe. Der Vertrauensschwund in die Demokrate zeigte sich in Wahlbeteiligungen von unter 40, meist um die 20 %. Leistungen des öffentlichen Dienstes und der Vorsorge werden vorwiegend gegen „Geschenke“ erbracht, Ämterkauf ist verbreitet, dazu kommt das Abzweigen von Geldern aus staatlichen Einnahmen, Nepotismus und Favoritismus, Missbrauch von Ausschreibungen und Vorkaufsrechten sowie Bestechung.

Der Putsch in Mali 2012 wurde von Soldaten der malischen Streitkräfte unter Führung von Hauptmann Amadou Sanogo durchgeführt. Der Putsch begann am 21. März 2012 mit einer Meuterei unzufriedener Soldaten, die Präsident Amadou Toumani Touré Unfähigkeit bei der Bekämpfung des Aufstandes der Tuareg im Norden des Landes vorwarfen. Am nächsten Tag umstellten die Soldaten den Präsidentenpalast. Präsident Touré floh daraufhin mit loyalen Soldaten an einen unbekannten Ort. Jedoch konnten die Putschisten zehn Regierungsmitglieder verhaften, darunter Außenminister Soumeylou Boubèye Maiga. Die neuen Machthaber verhängten eine Ausgangssperre von 18 Uhr bis 6 Uhr für die Bevölkerung, setzten die Verfassung außer Kraft und schlossen alle Grenzübergänge sowie den Flughafen Bamako. Die für April 2012 geplante Präsidentenwahl wurde ausgesetzt. Die Putschisten gründeten das CNRDR („Nationalkomitee für die Wiederherstellung der Demokratie und des Staates“),.

International löste der Putsch scharfe Kritik aus. Der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle forderte den Verzicht auf weitere Gewalt und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. Auch der französische Außenminister Alain Juppé verurteilte den Putsch und forderte Respekt vor Demokratie und Verfassung. Er mahnte die Wiederherstellung der Ordnung und die Durchführung der kommenden Wahlen an. Der UN-Weltsicherheitsrat forderte die Soldaten auf, wieder in die Kasernen zurückzukehren. Die Sicherheit von Präsident Touré müsse garantiert werden. Mehrere europäische Länder haben für Mali eine Reisewarnung ausgesprochen, darunter auch Deutschland und Österreich.

Am 29. März 2012 stellten die Länder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) den Putschisten ein Ultimatum von drei Tagen, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen und die alte Regierung wieder einzusetzen. Andernfalls würden die Grenzen zu Mali geschlossen, der Handel eingestellt und die Konten Malis bei der Westafrikanischen Zentralbank gesperrt. Zuvor hatte eine Delegation versucht, Kontakt mit den Putschisten aufzunehmen, wurde aber beim Anflug auf den Flughafen Bamako aufgehalten. Am 3. April suspendierte die ECOWAS schließlich die Mitgliedschaft Malis.

Als Reaktion auf den internationalen Druck erklärte Putschistenführer Amadou Sanogo am 1. April die Verfassung für wiederhergestellt und stellte demokratische Wahlen in Aussicht. Für die Vorbereitung der Wahlen solle eine Nationalversammlung einberufen werden. Ein Zeitplan wurde jedoch nicht bekanntgegeben. In den Tagen zuvor waren mit Kidal, Gao und Timbuktu alle größeren Städte im Norden Malis von der Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad erobert worden, so dass der nördliche Landesteil vollständig von den Aufständischen kontrolliert wurde. Am 6. April stimmte Sanogo schließlich einem Rahmenabkommen mit der ECOWAS zur Machtübergabe an eine zivile Regierung zu. Der malische Parlamentspräsident Dioncounda Traoré soll eine Übergangspräsidentschaft übernehmen und innerhalb von 40 Tagen Neuwahlen organisieren, die ECOWAS beendet im Gegenzug ihre Sanktionen. Um diesen Schritt zu ermöglichen, gab am 8. April auch der vormalige Präsident Touré offiziell seinen Rücktritt bekannt.

Unterdessen hatten die Tuareg-Rebellen am 6. April einseitig die Eigenständigkeit des Azawad erklärt. Eine Anerkennung durch andere Staaten fand bisher jedoch nicht statt, die afrikanischen und arabischen Nachbarstaaten kündigten an, Azawad auch zukünftig nicht als unabhängig anzuerkennen.

Am 17. April teilte das staatliche Fernsehen mit, Cheick Modibo Diarra werde die Übergangsregierung als Ministerpräsident leiten. Diarra war bis Ende 2011 bei Microsoft als Vorsitzender für den Geschäftsbereich Afrika tätig. Er hatte vor, bei der ursprünglich für den 29. April 2012 geplanten Präsidentschaftswahl zu kandidieren. Am 25. April stellte Diarra sein 24-köpfiges Übergangskabinett vor. Drei Mitglieder gehören dem Militär an. Sie bekleiden Ämter in den Bereichen Verteidigung, Inneres und Zivilschutz.

Anfang Mai flammten die Kämpfe wieder auf, als Soldaten der Putschisten den ehemaligen Stabschef des gestürzten Präsidenten und Verantwortlichen für die Präsidentengarde, Abidine Guindo, festnehmen wollten. So kamen am 1. Mai bei Feuergefechten zwischen Soldaten der Putschisten und Mitgliedern der Präsidentengarde vor allem am Sitz des staatlichen Radio- und Fernsehsenders ORTM mehrere Menschen ums Leben. Das Gebäude war beim Beginn des Staatsstreiches von den Putschisten besetzt worden. Am Abend besetzten Mitglieder der Präsidentengarde die Straße zwischen Bamako und dem Militärstützpunkt in Kati, wo sich das Hauptquartier der Putschisten befindet.

Am 21. Mai drangen Anhänger der Putschisten in den Präsidentenpalast ein und schlugen Übergangspräsident Dioncounda Traoré zusammen. Der 70-Jährige erlitt Verletzungen am Kopf, an der Brust und am Rücken und verlor zeitweise das Bewusstsein.

Die Putschisten stellten die internationalen Absprachen wieder in Frage. In der Nacht zum 23. Mai bestimmten sie ihren Anführer Amadou Haya Sanogo zum neuen Übergangspräsidenten. Dioncounda Traoré flog zur medizinischen Behandlung nach Frankreich. Nach einer Festnahme durch Militärs am 10. Dezember 2012 erklärte Modibo Diarra am Morgen des 11. Dezember in einer Erklärung im staatlichen Fernsehen seinen Rücktritt und den Rücktritt seines gesamten Kabinetts.

Die instabile Lage in Mali wirkt sich auf die Nachbarländer aus: Die Rückwanderung von Migranten, die in Mali beschäftigt waren, drückt auf die Arbeitsmärkte der Nachbarstaaten. In den betroffenen Staaten wurden die Ausgaben für Sicherheit und Rüstung erhöht.

Die Verfassung wurde 1992 durch eine Volksabstimmung angenommen. Das republikanische Regierungssystem ist an dasjenige Frankreichs angelehnt und besitzt eine starke Stellung des Präsidenden. Es sieht eine Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Judikative vor.

Die exekutive Macht liegt in den Händen des Staatspräsidenten, der alle fünf Jahre durch direkte Wahl in zwei Wahlgängen bestimmt wird. Er ist Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die Amtsdauer ist auf zwei Legislaturperioden beschränkt.

Der Präsident ernennt einen Premierminister, der die Minister vorschlägt. Der Präsident ist Vorsitzender des Ministerrates. Der Ministerrat setzt die Regierungspolitik um und legt der Nationalversammlung Gesetzesvorschläge zur Abstimmung vor. Im Einkammersystem wird die Legislative durch die Nationalversammlung repräsentiert. Die 147 Mitglieder der Nationalversammlung werden alle fünf Jahre vom Volk gewählt. Der Präsident besitzt die Vollmacht, das Parlament aufzulösen.

Die Verfassung sieht in der Theorie eine unabhängige Judikative vor. In der Praxis hat die Regierung erheblichen Einfluss auf das Justizsystem, weil sie Richter ernennen und beaufsichtigen darf. Die höchsten Instanzen sind das Verfassungsgericht und der oberste Gerichtshof.

Konflikte zwischen der sesshaften Bevölkerung und den Nomaden der Sahara, die vor allem aus Tuareg und arabischen Stämmen bestehen, reichen weit in die Geschichte Westafrikas zurück. Die hellhäutigen Nomaden fielen regelmäßig in die Dörfer der dunkelhäutigen sesshaften Bauern ein, um Nahrungsmittel, Vieh und Sklaven zu erbeuten. Die französischen Kolonialherren brachten die Nomaden nicht unter ihre Kontrolle. Die Abschaffung der Sklaverei im Jahre 1904 betraf die Tuareg nicht.

Als sich die Unabhängigkeit Französisch-Westafrikas anbahnte, gehörten die Tuareg zu den Gegnern der Loslösung von Frankreich. Aus ihrem Blickwinkel war die französische Herrschaft gegenüber der Herrschaft dunkelhäutiger Afrikaner – ihrer früheren Sklaven – das kleinere Übel. Die Politik der ersten Regierung Malis versuchte, die Tuareg sesshaft zu machen, zu Landwirtschaft zu bewegen und sie zu einem Teil des Nationalstaates zu machen. Diese Versuche schlugen fehl. Nachdem der erste Tuareg-Aufstand von 1957 sich noch gegen die französische Kolonialregierung gerichtet hatte, kam es 1962 zu einem Aufstand, der Zölle auf Viehexporte und damit die Bedrohung der Lebensgrundlage der Nomaden zur Ursache hatte. Dieser Aufstand wurde von der malischen Armee mit großer Brutalität gegen Zivilisten bekämpft. Er wurde beendet, als Algerien zu erkennen gab, keine Aufständischen auf seinem Territorium dulden zu wollen. In den 1970er und 1980er Jahren wurde die Wirtschaft der Nomaden durch anhaltende Trockenheit schwer geschädigt, sie verloren bis zu 80 % ihrer Tiere. Viele Tuareg mussten ihr nomadisches Dasein aufgeben und zogen in die Städte, wo sie als Händler tätig waren, oder verdingten sich bei ausländischen Armeen als Söldner. Die Regierung von Diktator Traoré ignorierte indes die Not und die vielen Toten in den Lagern der Nomaden.

Vor diesem Hintergrund kam es 1990 zum neuerlichen Aufstand der Tuareg. Das malische Militär war zu schwach, diesen Aufstand zu beenden, was nicht zuletzt zum Sturz des Diktators Moussa Traoré führte. Die neue Regierung verhandelte unter algerischer Vermittlung den Nationalen Pakt, der 1992 unterzeichnet, jedoch von beiden Seiten nicht umgesetzt wurde. Die Gewalt und die Flüchtlingsströme endeten nicht. Die Erkenntnis, dass der Konflikt nicht militärisch zu lösen war, gab Anschub für ein ziviles Programm zur Beilegung des Konflikts. 1995 flaute die Gewalt ab. Flüchtlinge kehrten in ihre Heimat zurück, die Kämpfer wurden in das zivile Leben eingebunden. Am 27. März 1996 wurde unter Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste in Timbuktu symbolmäßig die Flamme des Friedens entzündet und 3.000 Waffen verbrannt.

Ein erneuter Aufstand der Tuareg 2006 wurde wiederum von der Regierung niedergeschlagen. Die Regierung nutzte mit Erfolg die Uneinigkeit der Nomaden, um im Jahr 2009 die Tuareg mit Hilfe von arabischen Milizen zu besiegen.

Der Krieg der Jahre 2012 und 2013 begann als vierte Tuareg-Rebellion. Sie wurde von der 2011 gegründeten MNLA, einem Sammelbecken von mehreren Tuareg-Gruppen, angeführt. Aus Libyen zurückgekehrte Tuareg, die neben militärischer Ausbildung schwere Waffen mitbrachten, förderten diese Rebellion. Die ersten Kämpfe brachen am 17. Januar 2012 östlich von Gao aus und erreichten mit der brutalen Ermordung von 80 Soldaten der malischen Armee bei Aguelhok einen vorläufigen tragischen Höhepunkt. Innerhalb kurzer Zeit brach in Nordmali die politische und militärische Staatsmacht zusammen, da im Rahmen der Friedensbemühungen viele einflussreiche Posten an Tuareg vergeben worden waren. Diese liefen zur MNLA über und nahmen die von den USA an die malische Armee gelieferte Ausrüstung mit.

Bereits zu Beginn der MNLA-Rebellion waren Mitglieder der islamistischen Organisationen MUJAO, al-Qaida im Maghreb und Ansar Dine unter den Kämpfern. Im Juni begannen die Islamisten, die MNLA zu bekämpfen und die Scharia in dem von ihnen gehaltenen Gebiet einzuführen. Die Ausdehnung des eroberten Territoriums über den Norden hinaus und die Drohung, Mali zu erobern, führte zur Intervention des Westens in Form der Opération Serval. Trotz des Sieges über die Islamisten sind die Ursachen des Konflikts nach wie vor latent. Schlechte Regierungsführung, Schmuggel, Korruption und die tiefe Kluft zwischen den hellhäutigen Nomaden und den dunkelhäutigen Bewohnern des Südens werden für die nächsten Jahrzehnte Mali, seine Nachbarstaaten und die internationale Gemeinschaft vor große Herausforderungen stellen.

Die weit verbreitete Korruption hat maßgeblich zum Kollaps der staatlichen Ordnung Malis im Jahr 2012 beigetragen. Zahlreiche Quellen geben übereinstimmend an, dass die Korruption bereits in den Jahren der Militärdiktatur ein Problem war jedoch während der Demokratie schlimmer geworden ist. Ihre Bekämpfung wird zu den wichtigen innenpolitischen Themen der kommenden Jahre gehören.

Das Geschäft der Lösegelderpressung wird vor allem von AQIM und seinen Splitterorganisationen betrieben. Zwischen 2003 und 2014 wurden mehrfach westliche Ausländer in Mali oder den Grenzregionen der Anrainerstaaten entführt, die Lösegeldzahlungen für die betreffenden Bürger spülten je nach Quelle zwischen 40 und 70 Millionen US-Dollar in die Kassen der Terroristen. Politiker der Sahel-Staaten, die sich als Vermittler zwischen Entführern und ausländischen Regierungen anbieten, bekommen in der Regel einen Anteil des Lösegeldes.

Während des Krieges in Nordmali wurden von Seiten der Rebellen, Islamisten, diverser Milizen und der staatlichen Sicherheitskräfte grobe Verletzungen der Menschenrechte begangen; auch seit Vertreibung der Rebellen aus den Städten Nordmalis werden Menschenrechte immer wieder verletzt. Den Rebellen und Islamisten wird konkret vorgeworfen, Gefangene hingerichtet zu haben, sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verüben und in den beherrschten Gebieten Körperstrafen wie Auspeitschungen, Steinigungen oder das Abhacken von Gliedmaßen zu vollziehen. Nach wie vor werden Ausländer zum Zweck der Lösegelderpressung entführt und zuweilen ermordet. Die Rebellen wie auch der Regierung nahestehende Milizen werden beschuldigt, Kindersoldaten rekrutiert und eingesetzt zu haben.

Der Armee und anderen staatlichen Sicherheitsorganen wird vorgeworfen, im Zuge der Kampfhandlungen Flüchtlingslager und Zivilisten beschossen, willkürlich Menschen verhaftet und misshandelt zu haben, denen Verbindungen zu den Rebellen nachgesagt wurden. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Militärputsch von 2012 kam es zu willkürlichen Verhaftungen und auch zu Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren.

Nach seiner Unabhängigkeit schloss sich Mali zunächst dem sozialistischen Lager an, fand sich mit dieser Politik jedoch zunehmend isoliert und orientierte sich somit mehr und mehr am westlichen Lager. Speziell seit seiner Demokratisierung im Jahr 2002 pflegte das Land gute Beziehungen zu den westeuropäischen Staaten und den USA, nicht zuletzt gehörte es in dieser Zeit zu den größten Empfängern von Hilfsleistungen in Afrika. Zur gleichen Zeit gehörte das Land zu den geachtetsten Staaten in Westafrika und vermittelte in den Bürgerkriege von Liberia, Sierra Leone oder der Elfembeinküste. Spannungen zwischen mit seinen Nachbarn traten vor allem dann auf, wenn deren innere Konflikte auf Mali überzugreifen drohten. Nur wenige Franzosen leben in Mali, der Großteil von ihnen ist wiederum malischer Herkunft und hat nicht den wirtschaftlichen Einfluss wie die französischen Staatsbürger in der Elfenbeinküste oder in Gabun.

In den frühen 1990er Jahren, am Ende der Militärdiktatur, hatte Mali eine der stärksten Armeen Westafrikas. Doch die beiden demokratisch legitimierten Präsidenten gaben der wirtschaftlichen Entwicklung den Vorrang und verzichteten auf den Ankauf moderner Rüstungsgüter. Dadurch veraltete das vorhandene Material. Vor dem Putsch von 2012 betrug das jährliche Budget für Verteidigung die vergleichsweise geringe Summe von umgerechnet 174 Millionen US-Dollar. Gleichzeitig breiteten sich Korruption und Misswirtschaft auch im Militär aus: Favoritismus und Postenkauf führten zu einer hohen Anzahl von Offizieren, deren hohe Gehälter große Teile des Budgets für Landesverteidigung verschlangen. Die Ausrüstung wurde nicht unterhalten, Gelder für den Neukauf und für Soldzahlungan wurden teils veruntreut.

Die Unterstützung, die die malische Armee im Rahmen der Pan-Sahel-Initiative und danach der Trans-Saharan Counterterrorism Initiative erhielt, blieb weitgehend wirkungslos. Diese beiden Programme wurden von den USA aufgelegt, um die Sicherheitslage in der Sahara zu verbessern und um zu vermeiden, dass ein Rückzugsgebiet für Terroristen und Kriminelle entsteht. Das Geld und die Informationen wurden von den Empfängerstaaten, nicht nur von Mali, zur Bekämpfung von innenpolitischen Gegnern benutzt. Viele der von den USA teuer ausgebildeten Offiziere liefen in den ersten Tagen der Kämpfe zu den Aufständischen über.

Um die Armee wieder aufzubauen, wurde die African-led-International Support Mission to Mali in die 11.200 Mann starke Friedensmission United Nations Multidimensional Integrates Stabilisazion Mission in Mali überführt, deren Aufgabe es ist, die aus der Hand der Islamisten befreiten Gebiete zu befrieden. Eine andere soldatische Einheit soll derweil die terroristischen Gruppen bekämpfen. Die Ausbildungsmission der Europäischen Union bildet parallel dazu 3000 malische Soldaten aus.

12/13Jh. Zwei Jahrhunderte später erreichte das Mali-Reich der Malinke die Hegemonie über die Region, sein Zentrum lag am Oberlauf des Niger. Das Mali-Reich wurde seines sagenhaft reichen Herrschers Mansa Musa berühmt. Seinem Niedergang im 15. Jahrhundert folgt das Songhaireich mit Zentrum in Gao, das Städten wie Djenné und Timbuktu zur Blüte verhalf, unter anderem mit universitätsähnlichen Bildungseinrichtungen. Das Songhai-Reich wurde zunächst durch eine marokkanische Invasion am Ende des 16. Jahrhunderts mit der Eroberung von Timbuktu und Gao geschwächt und es entstanden zahlreiche kleine Staaten. Ab dem 17. Jahrhundert bauten die Bambara Herrschaftszentren entlang des Niger um Ségou auf. Ende des 18. Jahrhunderts übernahmen Herrscher des Volkes der Tukulor die Macht im nahezu gesamten heutigen Staatsgebiet Malis.

In den 1880er Jahren begann die französische Kolonialarmee, beginnend vom Westen das heutige Mali unter ihre Kontrolle zu bringen. Vor dem Hintergrund der britischen Konkurrenz um Westafrika versuchten sie, mit militärischen und diplomatischen Mitteln ihren Einfluss auf die gesamte Sahelzone auszudehnen. Sie trafen dabei auf Kollaborateure wie auch auf militärisch organisierte Rivalen, vor allem in Ségou und in der Person von Samory Touré, der selbst ein Reich aufbauen wollte. Bis 1899 eroberte Frankreich das gesamte heutige Mali, wenngleich es die Nomaden in der Sahara nie unter Kontrolle bringen konnte. Im Jahre 1893 wurde Louis Albert Grodet erster Gouverneur der Kolonie Franzöisch-Sudan. Bamako wurde Hauptstadt der Kolonie. Die Region blieb für die Franzosen aber von untergeordneter Bedeutung, es lieferte vor allem Soldaten, die in den beiden Weltkriegen auf französischer Seite kämpften.

Bereits seit den 1930er Jahren gab es Intellektuelle, die für die Unabhängigkeit der Kolonie eintraten. Es entstanden die Parteien PSP und US-RDA, wobei letztere stärker antikolonialistisch auftrat. Nachdem 1956 allen Bürgern der Kolonien das Wahlrecht zugestanden wurde und nachdem die franzöische Verfassung von 1958 den Kolonien volle innere Autonomie erlaubte, vereinigten sich die Kolonien Senegal und Französisch-Sudan am 4. April 1956 und erklärten sich als Mali- Förderation am 20. Juni 1960 unabhängig. Aufgrund von Differenzen zwischen den führenden Politikern der beiden Landesteile Modibo Keita und Léopold Sédar Senghor zerbrach die Föderation bereits am 20. August desselben Jahres. Am 22. September 1960 erklärte die frühere Kolonie Französisch-Sudan formell ihre Selbständigkeit unter dem Namen Republik Mali.

Nach der Unabhängigkeit wurde Mali ein Einparteienstaat unter Präsident Keita, dessen Macht sich auf die US-RDA stützte. Er vertrat eine sozialistisch orientierte Politik, die auf Zentralisierung und Mobilisierung der Massen durch die Parteistrukturen abzielte. Ohne mit Frankreich zu brechen wurde eine engere Zusammenarbeit mit den Ostblockstaaten gesucht. Das Regime Keïtas wurde aufgrund schlechter wirtschaftlicher Lage und wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung immer repressiver. Am 19. November 1968 kam es zum Putsch einer Gruppe junger Militärs um Moussa Traoré an die Macht. Zu ihrer Machtbasis wurde die Einheitspartei UDPM. Sie setzte die sozialistische Politik Keïta im Großen und Ganzen fort, begann jedoch ab der Mitte der 1970er Jahre verstärkt, den Anschluss an die westlichen Industriestaaten zu suchen. In die Ära Traorés fielen die Unruhen von 1980 und zu allem Überfluss verstrickte sich der ohnehin schon schwache malische Staat zweimal in bewaffnete Grenzkonflikte mit dem Nachbarstaat Burkina Faso.

Touré wurde wiederum durch einen Staatsstreich am 26. März 1991 gestürzt. Im Jahr 1992 fanden die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes statt, die der Geschichtsprofessor Alpha Oumar Konaré gewann. Nach zwei Amtsperioden folgte Konaré der Putschist von 1991, Amadou Touré im Amt nach. In dieser Phase wurden mit ausländischer Unterstützung bedeutende Reformen in Verwaltung und Justiz durchgeführt. Wenngleich Mali in der Folge als gelungenes Beispiel für die Demokratisierung in Afrika gelobt wurde, blieb die Staatsverwaltung ineffizient, korrupt und die Armut hoch. Beide Präsidenten versäumten es zudem, eine Lösung für die unzufriedenen Tuareg zu finden.

Zwischen Januar und Juli 2012 flüchteten über 250.000 Malier infolge der politischen Instabilität, der unsicheren Lage und des mangelhaften Zugangs zu Nahrungsmitteln und Wasser in die Nachbarländer Burkina Faso, Mauretanien und Niger. Außerdem gab es im selben Zeitraum rund 105.000 Binnenflüchtlinge im Norden und rund 69.000 Binnenflüchtlinge im Süden Malis.

Die mehrmals verschobene Präsidentschaftswahl in Mali 2013 gewann der frühere Premierminister Ibrahim Boubacar Keita er gilt als Kandidat der Oligarchie, die schon vor dem Putsch die Macht innehatte. Trotz zahlreicher Drohungen von Dschihadisten und Tuareg-Rebellen verlief die Präsidentenwahl friedlich. Für die Sicherheit der Wähler sorgten Tausende französische und afrikanische Soldaten. Die Wahlbeteiligung war mit 51,5 Prozent deutlich größer als bei der Präsidentenwahl von 2007, als nur 36 Prozent von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten. Laut offiziellem Endergebnis erhielt Keita 39,2 Prozent der Stimmen. Mit 19,4 Prozent der Stimmen vereinigte der ehemalige Finanzminister Soumaila Cissé auf sich und erreichte damit den zweiten Platz.Der Kandidat der größten malischen Partei Adema, Dramane Dembélé, landete mit knapp 9,6 Prozent auf Platz drei. Weil der 68-jährige Keita allerdings die absolute Mehrheit verfehlte, musste er am 11. August bei einer Stichwahl gegen den 63 Jahre alten Cissé antreten. Dembelé und der Viertplatzierte Modibo Sidibé, die zusammen auf 14,5 Prozent der Stimmen kamen, unterstützten Cissé im Vorfeld dieser Stichwahl. Alle drei gehören der Front für Demokratie und Republik (FDR) an, die nach dem Militärputsch im März 2012 gegründet worden war. Dort besiegt er seinen Kontrahenten Cissé erneut und wurde malischer Präsident. Diese Abstimmung gilt als wichtiger Schritt zur Stabilisierung des westafrikanischen Staates.

Gleichzeitig bleibt die Lage speziell im Norden instabil, es kommt immer wieder zu Anschlägen von islamistischer Seite, während die Minderheiten der Mauren und Tuareg Vergeltung von Seiten der schwarzafrikanischen Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt sind.

Die Islamisierung, obwohl sie schon aufgrund der enormen Ausdehnung nie homogen und häufig von inneren Streitigkeiten zerrissen war, ist jedoch vor allem in Nordafrika der Primärfaktor gewesen, denn sie erfasste nach und nach auch die südlicheren Bereiche. Gleichzeitig nahm der Karawanenhandel und allgemein der Transsaharahandel, der dank der Einführung des Kamels in der zweiten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrtausends nun viel effektiver und vor allem weiträumiger durchgeführt werden konnte, einen großen Aufschwung und führte nach und nach auch im bisher durch die Sahara wirkungsvoll abgeriegelten Süden zur kulturellen Assimilation. Karawanenstraßen und Handelsstützpunkte wurden nun auch machtpolitisch zu wichtigen Faktoren. Bindeglieder des sich nun immer stärker auch nach Süden ausdehnenden islamischen Bereichs waren Religion und die arabische Sprache (in der der Koran bis heute nur gültig ist) sowie die dazugehörige Schrift. Die moderne Ausbreitung des Arabischen in Afrika ist Folge dieser Entwicklung.

Die unglaubliche Schnelligkeit der arabisch-islamischen Expansion wirft bis heute Fragen auf, denn Ägypten wurde in nur 3 Jahren erobert, und bis 642 Syrien, der Iran, fast das gesamte das byzantinische und sassanidische Reich. Bereits 656 standen die islamischen Truppen im Westen in der Cyrenaica, im Norden im Kaukasus, im Osten am Oxus und Hindukusch. Die Wissenschaft hat darauf aktuell mehrere Antworten parat.* Die Schwäche der Gegner Byzanz und Persien (Reich des Sassaniden), die Folge eines jahrzehntelangen Revanchekampfes war, der beide Reiche auch innenpolitisch destabilisiert hatte. Dieser lange in der Geschichtsforschung als entscheidend angesehene Faktor war offenbar aber nicht ausschlaggebend.

Im Einzelnen stellen sich die Abläufe der islamischen Expansion in Nordafrika wie folgt dar: Nach 632, dem Tod Mohammeds, geriet Nordafrika sehr schnell unter islamischen Einfluss. Bereits 640 besiegten die Muslime unter der Führung von Amr ibn al-As in der entscheidenden Schlacht von Heliopolis eine byzantinische Armee. Die Schia mit der Entstehung der Glaubensrichtung der Schiiten 660 nach der Ermordung des 4. Kalifen ʿAlī ibn Abī Tālib 660 hatte zunächst keine Auswirkungen auf Nordafrika. 670 begannen die muslimischen Armeen der Umayyaden mit der Eroberung des heutigen Tunesien, damals neben Ägypten der ökonomisch und kulturell bedeutendste Teil Nordafrikas. Hier wurde die Stadt Kairouan gegründet, die erste arabische Stadt dort. Von Kairouan aus nahm die weitere Eroberung des von den Arabern Ifrīqiya genannt Nordafrika (genauer: Tunesien, Ost-Algerien und Tripolitanien) ihren Ausgang.

Während indes in Ägypten die christlichen Gemeinschaften vor allem der Kopten unter der muslimischen Herrschaft überlebten, verschwanden jene im westlichen Nordafrika, die immerhin Persönlichkeiten von kirchen- und philosophiegeschichtlich großer Tragweite wie Augustinus hervorgebracht hatten, relativ rasch. Der Grund ist wohl darin zu suchen, dass die vorwiegend berberische Bevölkerung sich nicht weiterhin einer fremden Oberhoheit unterwerfen wollte. Als Muslime galten sie als gleichberechtigt mit den Eroberern, als Christen waren sie hingegen zwar wie auch die Juden als Religion des Buches respektiert, jedoch mit minderen Rechten und waren häufig mit einer Kopfsteuer belegt. Vereinzelte christliche Gemeinden hielten sich in abgelegenen Oasen jedoch bis in das 18. Jahrhundert. Das Judentum war sogar bis weit ins 20. Jahrhundert verbreitet und verschwand erst nach der Entstehung des Staates Israel 1948 nach und nach, meist durch politisch-ökonomischen Druck.

756 zerbrach das arabisch-muslimische Großreich in einen östlichen und einen westlichen Teil. 761–800 fiel das westliche Nordafrika (Maghreb) (zu arab. Maghreb = Westen, nämlich von Arabien aus gesehen) vom Kalifat ab und zerbrach in einzelne Reiche, die die Keimzellen für die modernen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien bildeten. In Algerien bildete sich unter den Rustamiden eine Theokratie. Marokko kam unter die Herrschaft der Idrisiden, die aber schon bald ausstarben, was das Land zum Zankapfel zwischen dem Emirat von Córdoba und den übrigen nordafrikanischen Staaten werden ließ. Die Aghlabiden, die in Tunesien herrschten, expandierten ab 827 nach Sizilien, das sie in langwierigen Kriegen von den Byzantinern eroberten. Damit kontrollierten sie eine strategisch wichtige Position zwischen dem westlichen und östlichen Mittelmeer. 1250 gelangten die Mamelucken in Ägypten an die Macht und unterwarfen 10 Jahre später die gesamte Levante.

Nach wechselnden Dynastien wie etwa den maurisch-berberischen, extrem orthodox-fundamentalistischen Almoraviden etablierten sich nach dem Sturz des ebenfalls religiös rigiden, aber mahdistisch ausgerichteten Almohadenreiches 1269 stabilere Herrschaftsstrukturen im Maghreb. Ab diesem Zeitpunkt regierten die Hafsiden in Tunesien, die Abdalwadiden in Algerien und die Mariniden in Marokko. Algerien blieb eher bäuerlich-agrarisch strukturiert, Marokko eher abgeschlossen und unzugänglich. Im 14. Jahrhundert begannen die Hafsiden mit der staatlich organisierten Piraterie. 1270 richtete sich der 7. Kreuzzug, beeinflusst von Karl von Anjou unter Ludwig d. Heiligen gegen Tunis, das belagert wurde. 1415 eroberten die Portugiesen Ceuta und griffen bei ihrer Eroberung Tangers 1471 in innermuslimische Zwistigkeiten ein.

Obwohl sich in Nordafrika sehr bald massive machtpolitische, dazu immer wieder auch innerreligiöse Zersplitterungen und Kontroversen zeigten, blieb die Basis doch stets die der muslimisch-arabischen Kultur und Sprache, die sich bis heute relativ einheitlich darstellt und damals der christlichen weit überlegen war. Die in der nebenstehenden Tabelle aufgelisteten Dynastien regierten oft neben- und durcheinander, mitunter nur lokal; zeitlich Lücken erklären sich durch jeweilige Fremdherrschaften anderer muslimischer Dynastien. Sie wurden dann nach Ende des Mittelalters (ca. 1450 nach moderner Konvention) weitgehend vom Osmanischen Reich (1516–1918) absorbiert, dessen Restmasse dann nach dem Ersten Weltkrieg zur modernen Türkei sowie einigen europäisch dominierten nahöstlichen und arabischen Königreichen wurde.

Seit den Umayyaden regierten verschiedene Dynastien auch im alsbald von Bagdad unabhängigen Spanien mit den Zentren in Andalusien (Córdoba, Granada, Sevilla, Toledo) das erst ein Emirat war, später ein unabhängiges Kalifat (Umayyaden, Almoraviden, Almohaden, Nasriden).

Die hauptsächlichen Karawanenrouten im Mittelalter und die daran beteiligten Reiche, vor allem für den Sklavenhandel. Man erkennt, dass es außerhalb Ägyptens nur 3–6 (je nachdem, ob man die nördlichen Abzweigungen mitzählt oder nicht) nord-südliche und eine ost-westliche gab. Die Nord-Süd-Routen orientieren sich außerdem an geologischen und geographischen Gegebenheiten, also am Vorhandensein von Wasserstellen und meiden die völlig trockenen Ebenen und Hochländer.

Gegen Ende des ersten christlichen Jahrtausends entstanden auch im Süden Nordafrikans im Übergang zur Subsahara politische Gebilde, die man durchaus, wenn auch mit erheblichen Einschränkungen, als Reiche bezeichnen kann und die fast durchweg ihren Ursprung darin haben, dass transsaharische Karawanenrouten hier endeten, sich kreuzten oder die Gebiete passierten und vor oder nach der Wüstenpassage auf die Dienste von großen Karawansereien angewiesen waren. (Dass die von Ägypten aus entlang des Niles weiter südlich entstandenen Reiche Kusch, Meroe und Aksum wesentlich früher entstanden, ist kein Zufall, denn hier gab es mit dem Nil und der Küste des Roten Meeres natürliche Verbindungswege, die Kontakte und damit einen kulturellen Austausch ermöglichten.) Diese Reiche sind allerdings mitunter nur noch bedingt zu Nordafrika zu rechnen, zumal sie im Westen teilweise im Niger-Benue-Becken oder am Senegal lagen oder dort hinein reichten, im Osten im Bereich des Tschad-Sees, also im Grunde dort entstanden, wo heute in etwa der Sahel verläuft und in die Savannen des subsaharischen Afrika übergeht. Für die Macht- und Raumstruktur dieser Reiche gilt als Grundlage die Priorität des Besitzes von Menschen vor dem Besitz von Land. Ihre Geschichte reicht zudem weit über das Mittelalter hinaus teilweise bis ins 19. Jahrhundert. Sie sind überdies alle früher oder später islamisiert worden.

Im Folgenden sind nur die hinsichtlich Größe, Bedeutung und Dauer wichtigsten Reiche angeführt. Kleinere „Reiche“ wie Sosso (von den Almoraviden aus Ghana vertriebene Ethnien), Tekruri (am Senegal), Mossi (Oberlauf des Volta) oder Bambara (am Niger), die relativ oft lokal entstanden, als Satelliten der großen Reiche existierten, sich an deren Untergang gelegentlich gütlich taten oder irgendwann selbst untergingen sind hier nicht berücksichtigt, zumal sie selten archäologisch verwertbare Spuren hinterlassen haben, mitunter wie die Wolof auch keine historisch halbwegs fassbaren Reiche ausgebildet haben und nur als Ethnien zu interpretieren sind. Auch liegen sie zumindest teilweise oder wie das Königreich Benin oder das Verbreitungsgebiet der rätselhaften Nok-Kultur sogar ganz südlich der Sahel-Zone und sind damit auch im weitesten Sinne nicht mehr Teil Nordafrikas. Auch der Nachfolgestaat von Meroe, einer von dreien, das kuschitisch-christliche Reich von Dongola, das nach 800jährigem Bestehen 1317 von den Muslimen zerstört wurde, ist hier nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie die im Darfur zwischen dem 900 und 1200 dort lokalisierten christlichen Reiche aus denen nach der Islamisierung verschiedene kleinere Sultanate hervorgingen.

Man beachte, dass die im Folgenden verwendeten Begriffe (zentral- oder west-)„sudanesisch“ sich nicht auf den Staat Sudan beziehen, sondern als alte Bezeichnung auf die Sudanzone (arab. Bilad es-Sudan = Land der Schwarzen), einen etwa 900 km breiten und 5500 km langen west-östlich quer durch Afrika verlaufenden Landschaftsraum zwischen Wüste und Regenwald, der sich in etwa mit der Sahelzone deckt, aber auch noch die Baumsavannen südlich davon umfasst und sich durch die Staaten Senegal, Guinea, Mali, Burkina Faso, Nigeria, Niger, Tschad und Republik Sudan zieht, deren Name daraus abgeleitet wurde, da es sonst kein gemeinsames Kriterium für die dort lebenden unterschiedlichen Ethnien mit ihren vielen Sprachen (über 100, davon 20 mit über 100.000 Sprechern, und Religionen) gab. Die offenbar von arabischen Reisenden des Mittelalters kreierte Bezeichnung ist ein zusätzlicher Hinweis, dass man die Sudanzone schon früh als zum nordafrikanischen Bereich gehörig betrachtete, obwohl dort dunkelhäutige Menschen lebten. Ohne diesen geographischen Bezug wäre die Bezeichnung unsinnig, da das subsaharische Afrika damals fast komplett von diesem menschlichen Phänotypus bewohnt wurde (mögliche Ausnahmen: San, Äthiopier.

Kanem-Bornu war neben Mali und Songhai, die ganz ähnliche politische Verfassungen hatten, eines der ausgedehnten Reiche des Mittelalters der südlichen Randzone, dessen Vorläufer als Saokultur bekannt ist. Sein Einfluss reichte bis nach Tripolitanien und Ägypten, nach Kamerun und vom Niger bis zum Nil. Entstanden ist der Staat um den Tschad-See in der Mitte des 9. Jahrhunderts als Resultat des Karawanenhandels am Südende der „Straße der 40 Tage“ (Darb el Arbein). Regiert wurde er bis ins 19. Jahrhundert von der Sayf-Dynastie in einer Art dezentralisierten Feudalmonarchie mit einem fast gottähnlichen Sultan an der Spitze. Er umfasste zu unterschiedlichen Zeiten Bereiche auch im südlichen Tschad, nördlichen Kamerun, Nordost- und Süd-Nigeria sowie im südlichen Libyen.

Gegen Ende des 11. Jahrhunderts nahm König Umme den Islam an, und von da an war der Staat islamisch. Seine Hauptfunktion war es, die Handelskontakte zwischen Nordafrika, dem Niltal und der Subsahara zu ermöglichen. Im 14. Jahrhundert spaltete sich das Volk der Bulala für zwei Jahrhunderte ab und verlegte seine eigene Hauptstadt nach Bornu westlich des Tschad-Sees. Diese zweite Hauptstadt blieb auch nach der Wiedervereinigung Residenz, so dass die Herrscher abwechselnd in der einen und der andere regierten. Das Reich blieb bis in ins 19. Jahrhundert trotz der ständigen Angriffe der Berber, Tuareg und Tubu stabil und wirtschaftlich erfolgreich. Nach dem Aussterben der Herrscherdynastie zerfiel es jedoch, nicht zuletzt unter dem Druck der Haussa-Staaten und aufgrund der Unterbrechung des Sklavenhandels durch die europäischen Kolonialstaaten, unter denen es später aufgeteilt wurde.

Dabei handelt es sich um mehrere Stadtstaaten zwischen dem Niger und dem Tschad, die allerdings nie im Laufe ihrer Geschichte zu einer Einigung fanden. Diese Stadtstaaten hatten sich im 12. Jahrhundert um die Karawanenstraßen herum gegründet, die im Osten Tripolitanien und Ägypten mit dem Süden verbanden, im Westen den Niger über den Darfur mit dem oberen Niltal. Die Bezeichnung Hausa ist sprachlich, nicht ethnisch, und Hausa wird von mehreren Völkern gesprochen, so dass schon daher eine Einigung unwahrscheinlich war. Über die einzelnen Staaten, deren Ursprung teils legendär ist, weiß man wenig. Es gab insgesamt sieben dieser Hausa-Stadtstaaten: Daura, Kano, Biram, Katsena, Gobir, Rano und Zaria, dazu sieben Satelliten: Zamfara, Kebbi, Yuri, Gwari, Nuoe, Djukun/Kororofa, Yoruba. Ursprünglich von Zauberpriestern und Königinnen beherrscht nahmen sie im 14. Jahrhundert von Missionaren aus Mali den Islam an, den sie jedoch stark mit Elementen der traditionellen Religion vermengten, und einige gerieten vorübergehend unter die Herrschaft von Bornu und Songhai.

Die „Haupthandelsware“ waren unter anderem die von Arabern wegen ihrer Stärke und Intelligenz sehr begehrten Sklaven, die teils bis nach Konstantinopel verkauft wurden und dort oft hohe Positionen einnahmen. Die ständigen Bürgerkriege zwischen den einzelnen Hausastaaten hinderten diese daran, eine politisch beherrschende Rolle zu spielen, auch waren sie vorwiegend landwirtschaftlich orientiert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gerieten die Hausastaaten unter die Herrschaft der Fulani und wurden zu Emiraten, die wiederum zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen mit Bornu unter britische Herrschaft fielen, die sie ihrem Protektorat Nigeria zuschlugen.

Das Reich von Mali ist wohl das größte der Sahel-Reiche gewesen. Es erstreckte sich über das Gebiet der südlichen Mande-Völker, der Malinke, und bestand vom 13. bis ins 16. Jahrhundert. Seine Ursprünge scheinen im 11. Jahrhundert zu liegen, als sich der kleine lokale Fürst von Kangaba wegen einer Hungersnot um Hilfe an die Almoraviden wandte und sich aus Dank für die Hilfe zum Islam bekehrte. Aus diesen kleinen Anfängen entstand im Laufe des 13. Jahrhunderts ein gewaltiges Reich, das sich von der Sahara im Norden bis zum tropischen Urwald im Süden und vom Atlantik bis zum östlichen Nigerbogen erstreckte und das seine Bedeutung nicht zuletzt aus der Tatsache schöpfte, dass es den westlichen und östlichen Transsaharahandel mit den Wasserwegen des Niger verband, wobei der Handel mit Gold eine zentrale Rolle spielte.

Diese Bedeutung und der daraus resultierende Reichtum machte es allerdings auch anfällig für interne Machtwechsel und externe Eroberungsgelüste. 1325 unterwarf Mali sogar für kurze Zeit Songhai, besetzte Gao und Timbuktu. Ägyptische Gelehrte kamen nun bis nach Mali, politische Verbindungen gab es nach Marokko und Ägypten. Doch bereits ab 1360 begann mit einer Reihe schwacher Herrscher der Niedergang des Reiches. Von Norden her drangen Tuareg bis Timbuktu vor, im Süden Mossi. Die Völker von Takrur und Wolof rebellierten. Mali nahm schließlich mit den Portugiesen Kontakt auf, ohne dass dies den Niedergang verhindert hätte, denn gleichzeitig war ein anderes Reich aufgestiegen: Songhai. Ab 1550 ist Mali dann bedeutungslos.

Der Handelsstaat Songhai im Westen Afrikas lag am mittleren Niger, reichte möglicherweise aber bis zur Atlantikküste, im Osten bis nach Niger und Nigeria. Selbständig bestand es aber nur gut zweihundert Jahre. Sein Aufstieg fällt mit dem Niedergang des Imperiums von Mali zusammen. Auch seine Ursprünge liegen im Dunkel der Legenden. Berber oder Araber sollen an seinem Anfang gestanden haben, sein Aufstieg war zunächst langsam und unspektakulär. Gao wurde erst zu Beginn des 11. Jahrhunderts Hauptstadt und Sitz ihrer Dia genannten Könige. Zu dieser Zeit konvertierte der Dia Kossoi zum Islam. Gao wurde während der nächsten Jahre so reich, dass es die Könige von Mali von 1325 bis 1375 in ihr Reich integrierten. Es folgte ein unruhiges Jahrhundert. Ein Angriff auf Timbuktu, der zweitwichtigsten Stadt, die die Tuareg besetzt hielten, und die Unterwerfung der Fulani und Dogon beseitigte 1468 die unmittelbare Gefahr für das Reich, das nun zwar klein, aber wohlhabender Mittelpunkt des Goldhandels aus Ghana geworden war, und es zog nun auch viel arabische Gelehrte an, die sich in Timbuktu, Gao und Djenne niederließen.

Im Osten reichte Songhai jetzt bis ins Gebiet der Hausa-Staaten, im Norden bis tief in die Wüste, wo zeitweise sogar die Salzminen Südmarokkos kontrolliert wurden. Doch kam das Land zunächst wegen Thronfolgestreitigkeiten nicht zur Ruhe, stabilisierte sich danach jedoch und prosperierte am Saharahandel, dessen ungestörte Abwicklung es mit seinen Truppen sicherte. 1591 unterlag es aber schließlich marokkanischen Truppen, die von ihrem nach Gold verlangenden Sultan Mulai Achmed al Mansur ausgesandt worden waren und deren Feuerwaffen die Songhai nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatten, so dass das einstige Reich nun im Sultanat von Marokko aufging.

Afrikanische Geographen beschrieben Ghana, den ersten schwarzafrikanischen Staat, der genauer bekannt ist, bereits im 9. Jahrhundert. Er lag im Norden der zwei auseinanderlaufenden Bögen des Senegal und des Niger. Auch Ghana war ein Handelsstaat mit den aus den südlicheren Regenwaldgebieten und Savannen bezogenen Hauptexportprodukten Gold, Kupfer, Elfenbein und Sklaven, die quer durch die Wüsten nach Norden gehandelt wurden. Außerdem war es ein Zentrum des Salzhandels; die Salzbergwerke von Taudeni etwa wurden von Sklaven ausgebeutet. Man nutzte vor allem Pferde für die Sklavenjagd. Der Staat war allerdings nicht straff geführt und war auch nicht dauerhaft genug, so dass der Begriff Reich hier nicht eigentlich passt.

Die Bewohner der Küste des heutigen Ghana hatten bereits sehr früh und intensiv Kontakt mit europäischen Händlern und Soldaten. Die Portugiesen waren die ersten Europäer, die 1471 die so genannte Goldküste erreichten. Bereits 1482 erhielten sie die Erlaubnis einheimischer Herrscher, einen befestigten Stützpunkt, das Fort São Jorge da Mina im heutigen Elmina zu errichten. Den Portugiesen folgten bald andere Europäer: Schweden, Dänen, Niederländer, Briten, Brandenburger und Franzosen trieben Handel mit den Bewohnern der Küste, errichteten Festungen und bekriegten sich häufig untereinander. An keinem Küstenabschnitt Afrikas findet sich eine derartige Dichte europäischer Forts wie an der Küste Ghanas. Oftmals wurden diese Festungen europäischer Mächte in Sichtweite voneinander errichtet. Die Festungen waren in erster Linie Handelsstützpunkte und nicht Ausgangspunkte kolonialer Eroberungen. Üblicherweise waren sie auch nicht Eigentum europäischer Mächte, sondern über einen Pachtvertrag von afrikanischen Mächten erworbene Plätze.

Die Europäer interessierten sich für Gold und Gewürze des Landes, ab dem 17. Jahrhundert zunehmend für Sklaven, die im atlantischen Dreieckshandel nach Amerika verkauft wurden. Die Afrikaner erhielten im Austausch Gewehre, Munition und Stoffe. Die europäischen Seefahrer und Händler waren auf die Kooperation der Einheimischen angewiesen, und der Handel zwischen Europäern und Afrikanern lief auf einer gleichberechtigten Basis ab. Auch die Sklaven wurden von Afrikanern (häufig von mächtigen afrikanischen Kaufleuten oder „Handelsprinzen“ wie etwa dem so genannten Jan Conny) an die Europäer verkauft und waren nicht das Ergebnis europäischer Überfälle auf die Küste. Diese frühe Phase des Kontaktes mit den Europäern muss deutlich von der späteren kolonialen Unterwerfung unterschieden werden. Als Ergebnis dieser Kontakte finden sich übrigens heute an der Küste Ghanas viele hellhäutige Menschen und englische, holländische, portugiesische, dänische oder französische Nachnamen wie da Costa, Hayford, Lemaire, Vroom oder Simpson sind keine Seltenheit.

Um 1800 hatten sich die Briten und die Niederländer gegen die übrige europäische Konkurrenz durchgesetzt, das Kräfteverhältnis zwischen Afrikanern und Europäern und damit der Charakter des europäisch-afrikanischen Austausches begann sich zu wandeln.

1695 waren die zersplitterten Aschanti-Fürstentümer unter dem ersten Asantehene Osei Tutu erstmals vereinigt. 1699 begann der Aufstieg des Reiches zur regionalen Großmacht, als es den Aschanti gelang, sich in einem zweijährigen Krieg von der Tributpflicht für das Reich der Denkyra zu befreien und verschiedene bisher unter der Herrschaft der Denkyra stehende Gebiete zu erobern. Als wichtigste Kriegsbeute gelangte dabei der Pachtvertrag für die Forts von Elmina in die Hände der Aschanti, die damit die Möglichkeit des direkten Handels mit Europäern, nämlich mit den Niederländern, hatten. 1744 eroberten die Aschanti das mächtige Königreich der Dagomba in Nordghana und dehnten ihre Macht über nahezu das gesamte Staatsgebiet des heutigen Ghana mit Ausnahme eines schmalen Küstenstreifens aus. Grundlage der Macht der Aschanti-Föderation waren sicherlich der Goldreichtum des Aschantilandes und ihre hervorragende militärische Organisation, die durch von den Europäern erworbene Schusswaffen verstärkt wurde. Hinzu kam aber auch die innere Stärke des Reiches, deren Basis eine Staatsideologie war, die unter Osei Tutu und dem Priester Okomfo Anokie bereits Ende des 17. Jahrhunderts geschaffen wurde: Der Glaube an die Macht des so genannten Goldenen Stuhls, der den Geist aller Aschanti verkörperte.

In verschiedenen Schritten hatte das Reich zudem eine geradezu modern anmutende innere Organisation erhalten, mit einer Art Berufsbeamtentum und einer Verwaltung, die sich unter anderem auf schriftkundige Muslime aus dem Norden stützte. 1814-16 besiegte der Asantehene Osei Bonsu im Aschanti-Akim-Akwapim-Krieg die vereinigten Akim und Akwapim, und die Briten mussten die Oberhoheit Aschanti über die gesamte Südküste des heutigen Ghanas außerhalb des direkten Gebietes ihrer Forts anerkennen. Ein Versuch des britischen Gouverneurs McCarthy, die Macht der Aschanti zu brechen, endete 1824 in einer verheerenden Niederlage. Sein Heer wurde vernichtend geschlagen, und er beging Selbstmord, um den Aschanti nicht in die Hände zu fallen. Das Aschantireich war auf dem Höhepunkt seiner Macht. Es umfasste ein Gebiet, das über das heutige Staatsgebiet von Ghana hinausging, und verschiedene Vasallenstaaten mussten den Aschanti jährlich eine bestimmte Anzahl Sklaven als Tribut liefern.

Der Rest des 19. Jahrhunderts ist von verschiedenen Kriegen und Feldzügen zwischen Aschanti und Briten geprägt, in denen die Aschanti die Briten mehrfach vernichtend schlugen. 1874 wendete sich das Blatt, britische Truppen unter Sir Garnet Wolseley eroberten Kumasi, die Hauptstadt der Aschanti, plünderten die Stadt und steckten sie in Brand. Im Vertrag von Fomena mussten die Aschanti auf alle ihre Rechte an der Küste verzichteten; der Sklavenhandel, ehemals die Haupteinnahmequelle der Aschanti, wurde für illegal erklärt.

Damit war der Weg frei für eine Festigung der britischen Macht an der Goldküste.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren nur noch drei europäische Mächte mit befestigten Handelsposten an der Goldküste vertreten: Briten, Niederländer und Dänen. Diese europäischen Forts wurden jeweils von privaten, staatlich privilegierten Handelsgesellschaften verwaltet. 1821, nach mehrmaligem vergeblichem Drängen von Kaufleuten und Siedlern, übernahm das Kolonialamt („Colonial Office“) in London die Kontrolle über die britischen Festungen, überließ aber ab 1828 einem Rat der britischen Kaufleuten vor Ort die Verwaltung der Forts und seiner Bewohner. Präsident dieses Rates war ab 1829 George Maclean, der bis zu seinem Tod 1847 dafür sorgte, dass die britische Einflusssphäre an der Goldküste weit über die Forts hinaus einen rund 40 Kilometer breiten Küstenstreifen umfasste. In diesem Gebiet galt weitgehend britisches Recht, und die Briten traten als Schlichter bei Streitigkeiten zwischen einheimischen Herrschern auf. Die zunehmende Konkurrenz mit dem aufstrebenden Aschantireich und die Bündnisverpflichtungen den mit den Briten verbündeten Fanti gegenüber führten in den folgenden Jahrzehnten zu einer verstärkten militärischen Präsenz der Briten. 1842 übernahm England die direkte Kontrolle über dieses Gebiet und setzte einen Gouverneur mit Sitz in Cape Coast Castle ein.

1844 schloss dieser mit den Fanti den so genannten Bund von 1844, in dem die Fanti weitgehend die faktische Geltung britischen Rechts in ihrem Gebiet anerkannten. 1850 kauften die Briten den Dänen ihre noch verbliebenen Forts an der Goldküste ab und führten kurz darauf eine Kopfsteuer in ihrem Machtbereich ein. 1868 einigten sich Briten und Niederländer auf einen Austausch verschiedener Forts zwecks Verwaltungsvereinfachung. Die Niederländer hatten jedoch aufgrund einheimischen Widerstands erhebliche Probleme, die Gewalt in ihren neu erworbenen Besitzungen zu übernehmen (siehe zum Beispiel Dixcove). 1872 gaben die Niederländer auf und verkauften ihre letzten Festungen an der Goldküste an die Briten, die damit keine europäische Konkurrenz an dieser Küste mehr hatten. Etwa gleichzeitig versuchten die traditionellen Oberhäupter und die „(westlich) gebildete Elite“ der Fanti im Kernland der britischen Einflusszone einen eigenständigen Staat nach europäischem Vorbild zu errichten. Diese so genannte Fantiföderation bestand von 1868 bis 1873, scheiterte jedoch an inneren Streitigkeiten und dem Boykott durch die Briten.

1874 kam es zu einem erneuten Krieg mit den Aschanti. Auslöser waren die Pachtzahlungen, die die Aschanti für die nun britischen Forts von Elmina von den Briten forderten. Die Briten schlugen die Aschanti, zwangen sie, im erwähnten Vertrag von Fomena ihre Hoheit über nahezu ganz Südghana anzuerkennen, und hatten damit die letzte Macht in der Region besiegt, die ihnen noch Widerstand geleistet hatte.

1874 wurde Südghana zur Kronkolonie Goldküste erklärt. 1896 schließlich zwangen die Briten den Aschanti militärisch die Anerkennung ihrer Herrschaft über das Aschantiland als „Protektorat“ auf und verschleppten den regierenden Asantehene auf die Seychellen. Unter Führung der Königinmutter von Edweso, eines Aschanti-Teilstaates, unternahmen die Aschanti 1900 einen letzten militärisch geführten Aufstand, den die Briten nur mit Mühe und unter Einsatz von Truppen aus Übersee unter Kontrolle brachten. Im selben Jahr übernahmen die Briten (nachdem im Samoa-Vertrag die Grenzkonflikte mit dem benachbarten Deutsch-Togo geklärt waren) die Kontrolle über Nordghana.

Als Ergebnis des Ersten Weltkrieges wurde die den Briten 1919 als Völkerbund-Mandatsgebiet überlassene westliche Hälfte des ehemaligen Deutsch-Togo als Britisch-Togoland ebenfalls Teil der Britischen Goldküste.

Innerhalb der Goldküste wurde zudem unterschieden zwischen der Kronkolonie, dem Protektorat Aschantiland und den Nördlichen Territorien. Die Form der kolonialen Machtausübung innerhalb dieser drei Gebiete war sehr unterschiedlich. In der „Kronkolonie“ war den Einheimischen in Maßen eine politische Betätigung im modernen Wortsinn möglich: Politische Vereinigungen konnten sich ohne Genehmigung durch die Briten bilden und es gab weitgehende Pressefreiheit. Englisches Recht war gültig, und Rechtsanwälte waren in der Lage, Auswüchse der Kolonialherrschaft zu bekämpfen. Hier gab es zudem aufgrund des längeren britischen Einflusses eine große Anzahl westlich gebildeter Afrikaner, die mit der Kolonialverwaltung kooperierten und diese auch in Ansätzen kontrollierten. Im „Protektorat“ dagegen bemühten sich die Briten bis in die 1920er Jahre hinein um die Zerstörung des Aschanti-Imperialismus und seiner verbliebenen Traditionen. Rechtsanwälten war die Ausübung ihres Berufes verboten; politische Vereinigungen mussten sich als kulturelle oder soziale Vereinigungen tarnen. Die „Northern Territories“ wiederum waren in die späteren politischen Reformversuche innerhalb der Goldküste gar nicht eingebunden. Sie hatten beispielsweise keine Stimme im gesetzgebenden Rat der so genannten Burnsverfassung, über die in den 1940er Jahren eine rudimentäre Form der Vertretung Einheimischer in der Regierung der Kolonie erreicht werden sollte. Gouverneur Gordon Guggisberg versuchte im Aschantigebiet und in den Nördlichen Territorien in den 1920er Jahren, seine Vorstellungen von Indirect rule (Indirekter Herrschaft) durchzusetzen.

Dennoch verstärkten sich seit dem Zweiten Weltkrieg Bestrebungen zur langfristigen Unabhängigkeit der Goldküste. 65.000 Ghanaer hatten auf britischer Seite im Zweiten Weltkrieg im Namen von „Freiheit und Demokratie“ gekämpft und forderten das nun auch für ihre Heimat. Viele Posten waren für Weiße reserviert und gebildeten Ghanaern versperrt. 1946 trat eine neue Verfassung, für die Goldküste in Kraft, die erstmals in einer britischen Kolonie in Afrika eine einheimische Majorität in einem gesetzgebenden Rat festlegte. Allerdings wurden die Vertreter in diesem Rat überwiegend von den traditionellen Häuptlingen bestimmt, und die nördlichen Territorien blieben ohne Vertretung. Einen Wendepunkt in der allgemeinen Stimmung stellten schließlich die so genannten Accra-Unruhen von 1948 dar. Eine friedliche Demonstration ehemaliger Verwaltungsangestellter endete mit dem Tod mehrerer Demonstranten durch Polizeikugeln. Dies führte zu Ausschreitungen in Accra und verschiedenen anderen Städten. Insgesamt starben bei den Protesten 29 Menschen. Forderungen nach baldiger Unabhängigkeit des Landes waren so populär wie nie zuvor.

Im Gefolge dieser Unruhen wurde der spätere erste Präsident Ghanas, Kwame Nkrumah, landesweit bekannt. Seine 1947 gegründete damalige Partei, die United Gold Coast Convention (UGCC), vervielfachte ihre Mitgliederzahl. Ein Gremium, dem überwiegend traditionelle Chiefs und die Anführer der UGCC angehörten, sollte nun eine neue Verfassung ausarbeiten, um den Unwillen der Bevölkerung aufzufangen. Nkrumah gehörte diesem Gremium trotz seiner großen Popularität nicht an. 1949 gründete er seine eigene Partei, die Convention People’s Party mit dem Hauptprogrammpunkt „self-government now!“. Die Kolonialverwaltung ging mit Repressalien gegen Anhänger der neuen Partei vor. 1950 rief der Gewerkschaftsverband Trades Union Congress of Ghana, damals ein integraler Bestandteil der CPP, den Generalstreik aus. Die Kolonialregierung erklärte den Ausnahmezustand, ließ Nkrumah verhaften und zu drei Jahren Gefängnis verurteilen. 1951 fanden die ersten Wahlen nach den Regeln der unmittelbar zuvor in Kraft gesetzten Verfassung statt. Nkrumahs CPP errang überall dort, wo direkt gewählt werden durfte, einen überwältigenden Wahlsieg, und Nkrumah erhielt selbst ein Mandat. Gouverneur Charles Arden-Clarke akzeptierte den so eindeutig ausgesprochenen Volkswillen, befahl, Nkrumah aus dem Gefängnis zu entlassen, und bot ihm das Amt eines „Führers der Regierungsgeschäfte“ an.

1951 bis 1956 (zwei Wahlperioden) hatte die Goldküste nun eine Regierung der CPP unter Führung Nkrumahs bei noch bestehender britischer Herrschaft. Begünstigt von gefüllten Kassen aufgrund der enorm gestiegenen Kakaopreise auf dem Weltmarkt, aber auch einer konsequenten Infrastrukturpolitik, erlebte Ghana in dieser Phase nie gekannten Fortschritte: Eine asphaltierte Straße zwischen Accra und Sekondi-Takoradi und andere wichtige Strecken innerhalb des Landes wurden gebaut und Eisenbahnstrecken begonnen. Der Ausbau des Tiefseehafens von Takoradi ging zügig voran, ein neuer Tiefseehafenbau bei Tema wurde begonnen. Durch Maßnahmen gegen eine grassierende Kakaokrankheit und ein neues Aufkaufsystem zu Festpreisen erlebte der Kakaoanbau einen enormen Aufschwung. Große Fortschritte waren zu verzeichnen in der Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur. Die Reservierung von Jobs für Europäer wurde aufgehoben, und die Zahl der „gehobenen Posten“, die Afrikaner innehatten, stieg von 171 im Jahr 1949 auf 3000 im Jahr 1957. 1954 trat eine neue Verfassung in Kraft, mit einer Volksvertretung, deren Mitglieder durchweg direkt gewählt wurden. Nkrumah erhielt den Titel eines Premierministers. Begleitet wurden diese eindeutigen Fortschritte allerdings von zunehmender Korruption und ersten diktatorischen Tendenzen im Verhalten Kwame Nkrumahs, der etliche seiner bis dahin wichtigsten Weggefährten aus der CPP ausschließen ließ.

Im Aschantigebiet formierte sich aus Kreisen ehemaliger CPP-Anhänger eine neue regionale Partei, das National Liberation Movement (NLM). Es kam zu Gewalttätigkeiten zwischen Anhängern beider Parteien. Der britische Staatssekretär für die Kolonien verlangte daher Neuwahlen vor der Entlassung des Landes in die Unabhängigkeit. Wider Erwarten gewann Nkrumahs CPP bei diesen Wahlen 1956 die Mehrheit in allen Landesteilen – bis auf das Aschantigebiet, wo seine Partei jedoch immerhin ein Drittel der Stimmen erhielt. Im selben Jahr entschied sich die Bevölkerung Britisch-Togolands in einem Referendum für die Zugehörigkeit zu einem neu zu bildenden Staat Ghana. Am 6. März 1957 endete die Kolonialgeschichte der Goldküste mit der Unabhängigkeit Ghanas.

Als Ghana am 6. März 1957 als erste ehemalige Kolonie Schwarzafrikas seine Unabhängigkeit erklärte, brachte es dafür bessere Voraussetzungen mit als die meisten anderen, später entstehenden Staaten des Kontinents. Hier gab es eine vergleichsweise breite, westlich gebildete Schicht, ergiebige Goldbergwerke im Aschantiland, einen devisenträchtigen, exportorientierten Zweig der Landwirtschaft und beträchtliche Devisenreserven aus den vorangegangenen Jahren des Kakaobooms.

Allerdings war die Struktur der ghanaischen Wirtschaft noch kolonial geprägt; fremdes Kapital beherrschte den Bergbau, das Bankwesen und den Handel. Bis 1960 betrieb der erklärte Sozialist Kwame Nkrumah dennoch eine liberale Wirtschaftspolitik, gewährte ausländischen Investoren Steuernachlässe und ermöglichte ihnen Gewinntransfers, um zusätzliches Kapital für seine ehrgeizige Industrialisierungspolitik anzuziehen. Im Zentrum der Industrialisierungspläne stand das Volta River Project, also der Bau des Akosombo-Staudammes, der Ghanas zukünftige Industrie mit Strom versorgen und das Land zum Stromexporteur machen sollte. Dieses Projekt war nur mit US-amerikanischem Kapital und Krediten zu verwirklichen. Dazu war eine westlich orientierte Wirtschaftspolitik notwendig. Der Aufbau des Landes ging insbesondere im Bereich der Bildung voran, Schulen wurden gebaut und zwei Universitäten gegründet.

Innenpolitisch wandte sich Nkrumah mit zunehmend diktatorischen Mitteln gegen den Regionalismus der Aschanti und den Ewe-Nationalismus in der Volta Region, die nicht nur den Zusammenhalt des Staates, sondern auch seine persönliche Macht bedrohten. Ein 1957 erlassenes Gesetz gegen Tribalismus („Stammestum“) ermöglichte es ihm, nach Gutdünken Regionalpolitiker abzusetzen. Als sich daraufhin verschiedene regionale Oppositionsparteien zur United Party vereinten, erließ er ein Gesetz, nach dem Personen, die die Sicherheit des Staates bedrohten, ohne Prozess festgenommen werden konnten. Der Gewerkschaftsdachverband Trade Union Congress und der Rat der Farmer Ghanas (United Ghana Farmers Council) verloren ihre Eigenständigkeit und wurden der Nkrumah-Partei CPP angegliedert.

Auf internationaler Ebene versuchte Nkrumah sein Konzept des Panafrikanismus voranzubringen. Er war überzeugt, dass die Unabhängigkeit Ghanas bedeutungslos ist, solange sie nicht mit der totalen Befreiung des afrikanischen Kontinents verbunden ist. Nur ein vereinigtes Afrika würde dem Schicksal entgehen, zum Spielball fremder Kräfte zu werden. Ende der fünfziger Jahre führte er verschiedene internationale Kongresse in Accra durch, die tatsächlich große Bedeutung für die Befreiungsbewegungen des afrikanischen Kontinents und den Prozess seiner Entkolonialisierung hatten. Nkrumah und mit ihm Ghana befanden sich 1960 auf einem Höhepunkt internationaler Anerkennung.

Juli 1960 wurde Ghana zur Republik erklärt und Kwame Nkrumah Präsident (statt Premierminister) mit nahezu diktatorischen Vollmachten. Verhaftungen ohne Gerichtsurteile auf der Grundlage des erwähnten Gesetzes zur Staatssicherheit nahmen erheblich zu. Die ehemaligen Pfadfinder Ghanas wurden zur „Nkrumah-Jugend“ und zur Speerspitze eines Spitzelsystems umfunktioniert. Mehrere erfolglose Attentate wurden auf Nkrumah verübt.

Wirtschaftlich vollzog das Land nun eine Wende zu einer sozialistischen Orientierung. Verschiedene Bergbaugesellschaften wurden verstaatlicht, ausländische Firmen staatlicher Kontrolle unterworfen. Tatsächlich hatte die liberale Wirtschaftspolitik der 1950er Jahre nicht die erhofften Erfolge erzielt, Gewinne der europäischen Firmen waren aus dem Land heraus geflossen, statt in Ghana investiert zu werden. Gleichzeitig fielen die Kakaopreise auf ein Viertel des Wertes Mitte der 1950er Jahre. Die neuen, staatlich kontrollierten Unternehmen erwiesen sich jedoch zumeist ebenfalls als wenig effektiv, litten unter Kapitalmangel und verführten zu Korruption. Es kam zu erheblichen Versorgungsmängeln im Land. Steuererhöhungen, eine Zwangssparverordnung und die Gängelung durch die korrupte Staatspartei brachten auch die Gewerkschaft gegen Nkrumah auf und führten zu einem Streik der Eisenbahn- und Hafenarbeiter in Takoradi und Kumasi. Die offenkundige Bevorteilung bei der Ausrüstung von Nkrumahs Präsidentengarde, die eine Art Privatarmee bildete, vor der ghanaischen Armee löste auch hier Unzufriedenheit aus. 1965 schließlich starb der angesehene Politiker und Gründer von Nkrumahs alter Partei, Dr. J.B. Danquah in Polizeihaft. Nkrumahs Popularität befand sich auf einem Tiefpunkt. Während eines Besuches Nkrumahs im nordvietnamesischen Hanoi verübten am 24. Februar 1966 einige Polizei- und Armeeoffiziere einen blutigen Putsch und übernahmen die Macht.

Das Gremium der neuen Militärherrscher nannte sich selbst National Liberation Council (Nationaler Befreiungsrat) und trat unter der Führung des Generalleutnants Joseph Arthur Ankrah mit dem Versprechen an, bis zum 1. Oktober 1969 die Macht wieder an eine zivile Regierung abzugeben. Das Regime verzichtete auf Racheakte gegenüber den Mitgliedern der CPP, entließ die politischen Gefangenen der Nkrumah-Ära und stellte die Pressefreiheit wieder her. Untersuchungen der Korruption unter Nkrumah verliefen allerdings zumeist im Sande oder endeten mit der Ausstellung eines „Persilscheins“.

Das Regime hatte einen enormen Schuldenberg geerbt und bemühte sich nun, diesen mit einer strikten Sparpolitik zu reduzieren. Prestigeprojekte wie die Accra-Tema-Autobahn wurden gestoppt, die Zahl der Botschaften im Ausland nahezu halbiert. Zwar wurde auch die Zahl der Ministerien deutlich reduziert, jedoch nicht die Zahl der Spitzenfunktionäre insgesamt. Da diesen gleichzeitig Kontrolleure aus Militär und Polizei zur Seite gestellt wurden, erhöhte sich die Zahl der Stellen im höheren Dienst erheblich. Der Nationale Befreiungsrat vollzog wirtschaftlich und außenpolitisch eine Kehrtwende nach Westen, und der Internationale Währungsfonds erhielt weit reichenden Einfluss auf die nationale Wirtschaftspolitik. Der ghanaische Markt wurde zugunsten großer ausländischer Firmen geöffnet, Privatisierungen von Staatsbetrieben wurden vorgenommen, die im landwirtschaftlichen Bereich vor allem mittleren und großen Betrieben zugutekamen. Gleichzeitig förderten Gesetze eine „Ghanaisierung“ von Klein- und Mittelbetrieben. Obwohl gewisse Steuern auf Grundnahrungsmittel gesenkt wurden, war die Wirtschaftspolitik in weiten Teilen unpopulär. Die Arbeitslosigkeit stieg durch die Entlassungen im öffentlichen Sektor und in den privatisierten Betrieben, Lohnerhöhungen wurden auf fünf Prozent begrenzt und der Cedi abgewertet, was Importgüter erheblich verteuerte. Es kam zu Streiks in den Goldminen und bei den Eisenbahn- und Hafenarbeitern. 1967 versuchten einige junge Offiziere zu putschen. Der Putschversuch endete mit zwei Todesurteilen.

1969 wurde Generalleutnant Ankrah abgesetzt, da auch er unter Korruptionsverdacht geriet (ausländische Firmen hatten ihm die Gründung einer eigenen politischen Partei finanziert), sein Nachfolger als Staatschef wurde Brigadier Akwasi Afrifa. Afrifa hob unmittelbar nach seiner Amtseinsetzung das Verbot parteipolitischer Betätigung auf und setzte einen Termin für freie Wahlen im August 1969 fest, aus denen eine zivile Regierung unter der Führung Dr. Kofi Abrefa Busias hervorging.

Von 20 Parteien, die eine Kandidatur für die Wahlen angemeldet hatten, wurden fünf Parteien zugelassen. Eindeutiger Wahlsieger mit 105 von 140 Sitzen im Parlament wurde die Progress Party unter Führung von Dr. Kofi Busia, des ehemaligen Führers der Opposition gegen Nkrumah. Auf den zweiten Platz kam die National Alliance of Liberals (NAL) mit 29 Sitzen. Während hinter der Progress Party die konservativen Eliten des Landes standen, war der Führer der NAL ein ehemaliger Minister Nkrumahs, und seine Partei wurde mit der Ära Nkrumah verbunden.

Wirtschaftlich setzte Busia den nationalistischen und wirtschaftsliberalen Kurs des Militärregimes fort. Gewisse ökonomische Bereiche wurden für Ghanaer reserviert, gleichzeitig Importbeschränkungen gelockert. Die Regierung konzentrierte sich durchaus erfolgreich auf die Förderung der ländlichen Gebiete (Elektrifizierungsprojekte und Straßenbau), was in erster Linie aber den größeren Farmern zugutekam. Gleichzeitig nahm sie eine deutliche Verschlechterung der Lebensbedingungen breiter Schichten in den Städten in Kauf. Sinkende Einnahmen aus dem Kakaoexport und steigender Schuldendienst führten zu rigiden Sparmaßnahmen. Ein offiziell gegen ausländische Geschäftemacher gerichtetes Ausländergesetz führte zur Vertreibung einer Million afrikanischer Arbeiter und Kleinhändler unter teilweise unmenschlichen Bedingungen. 600.000 der Betroffenen stammten aus Nigeria – das daraufhin zehn Jahre später Ähnliches mit ghanaischen Gastarbeitern im eigenen Land unternahm. Innenpolitisch war auch Busias Regierung nicht frei von undemokratischer Einflussnahme auf Presse und Justiz. Der nationale Dachverband TUC wurde wegen Gewalttätigkeiten bei Streiks verboten, eine neue Gewerkschaft nicht zugelassen. Ethnische Spannungen und Regionalismus nahmen unter der zivilen Regierung zu und die Korruption wurde erneut zu einem großen Problem.

Im Rahmen der Sparmaßnahmen wurde auch das Budget der Armee drastisch gekürzt, was dort erhebliche Unzufriedenheit auslöste. Die sozialen Folgen einer 42-prozentigen Abwertung des Cedi 1971 gaben schließlich den Ausschlag für einen Militärputsch Anfang 1972, durch den die zweite Republik ihr Ende fand.

Das Führungsgremium der Putschisten nannte sich National Redemption Council, also etwa „Nationaler Erlösungsrat“, ihr Anführer war Colonel Ignatius Kutu Acheampong. In den ersten drei Jahren des Regimes führte es einige populäre Maßnahmen durch: die Abwertung des Cedi wurde teilweise zurückgenommen, ebenso die Kürzung der Einkommen von Staatsangestellten. Vor allem aber verweigerte das Regime die Rückzahlung der enormen Schuldenlast des Landes an internationale Gläubiger. Begünstigt durch hohe Gold- und Kakaopreise und erfolgreiche Kampagnen wie Feed yourself („Ernähre dich selbst“) und Feed your industry („Versorge deine Industrie“) kam es zu einer wirtschaftlichen Erholung. Politisch wurde Nkrumah rehabilitiert, und nach seinem Tod 1972 in Bukarest erhielt er ein Staatsbegräbnis in Ghana.

Mitte der 1970er Jahre wendete sich das Blatt. Während die Kakaopreise fielen, stieg der Ölpreis. Hinzu kamen mehrere Jahre, in denen die Landwirtschaft unter ungünstigen Wetterverhältnissen litt. Ghana brauchte frische Kredite und musste seine Politik der Schuldzahlungsverweigerung aufgeben. Das Regime begann, Banknoten in großen Mengen zu drucken; die Inflation erreichte Spitzenwerte bis 200 Prozent. Maßnahmen zur Preisregulierung bewirkten nur, dass viele Güter des täglichen Lebens und Ersatzteile aller Art knapp wurden und aus dem offiziellen Wirtschaftskreislauf verschwanden. Günstlinge des Regimes erhielten Importlizenzen – aufgrund der Differenz zwischen offiziellem und Schwarzmarktkurs des Cedi gewissermaßen eine Lizenz zum Gelddrucken: Billig (zum offiziellen Cedikurs) eingekaufte Waren wurden zu Schwarzmarktpreisen verkauft. Die Korruption erreichte nie gekannte Ausmaße. In Ghana ist diese Phase als Zeit des Kalabule bekannt, als Zeit des Schwarzmarktes und der Korruption. In einigen Gebieten des Landes erreichte die Unterversorgung das Ausmaß einer Hungersnot. Acheampong maßte sich diktatorische Gewalt an, ernannte sich selbst zum General und inhaftierte eine große Zahl seiner Gegner. Mehrere Putschversuche scheiterten. Inmitten des allgemeinen Niederganges versuchte er, seine politische Idee einer Unionsregierung per Referendum durchzusetzen. Diese Idee bestand in einer „gemeinsamen“ Regierung von Militär, Polizei und Zivilisten, die im Kern das Militärregime verewigt hätte. 1978 kam es aufgrund des großen Drucks aus der Bevölkerung zu einem Palastputsch jüngerer Offiziere, die den bisherigen Stellvertreter Acheampongs, Fred Akuffo, an seiner Stelle als Oberhaupt des Militärrates einsetzten.

Das Parteienverbot wurde aufgehoben, eine neue Verfassung beschlossen und allmählich Militärs in der Regierung durch Zivilisten ersetzt. Im Juni 1979 sollten Wahlen abgehalten werden.

Unmittelbar vor den Wahlen, am 4. Juni 1979, putschten sich junge Offiziere unter Führung des Fliegerleutnants Jerry Rawlings an die Macht. Sie verkündigten die Absicht, Ghanas politische wie wirtschaftliche Elite von korrupten Mitgliedern zu „reinigen“, um so der neuen Zivilregierung eine bessere Ausgangslage zu verschaffen. Acheampong, Akuffo, Afrifa und andere führende Köpfe des alten Regimes wurden öffentlich hingerichtet. Zur allgemeinen Überraschung wurden nicht nur die Wahlen im Juli 1979 planmäßig durchgeführt, sondern das Militär kehrte auch im September desselben Jahres wieder in die Kasernen zurück und übergab die Macht an den neu gewählten Präsidenten.

Dieser Präsident war Hilla Limann von der People’s National Party, die 62 Prozent der Stimmen erhalten hatte und sich in der Tradition von Nkrumahs alter Partei sah. Da sich die neue Regierung durch die außerordentliche Popularität des Ex-Putschisten Jerry Rawlings bedroht sah, schickte er ihn in Pension. Rawlings engagierte sich nun zunehmend als Politiker und Interviewpartner ausländischer Zeitungen. Obwohl Limann selbst frei von Korruptionsverdacht war, gelang es ihm nicht, wirksame Maßnahmen gegen Korruption und Schattenwirtschaft durchzusetzen. Auch seine Wirtschaftspolitik zeigte keine positiven Effekte, die Lage blieb katastrophal. Nach knapp zwei Jahren Zivilregierung übernahm 1981 Jerry Rawlings erneut die Macht.

Rawlings erließ ein Parteienverbot, hob die Verfassung auf und stellte sich an die Spitze eines „Provisorischen Nationalen Verteidigungsrates“. In seinen ersten Regierungsjahren setzte er bei seinem Kampf gegen Korruption und Schmuggel auf die Mobilisierung breiter Schichten des Volkes und schien eine eindeutig sozialistisch ausgerichtete Politik zu verfolgen. Basiskomitees und Volksgerichte wurden eingerichtet. Politiker und Unternehmer, die durch Korruption reich geworden waren, ließ er anklagen und enteignen. „Volksläden“ sollten die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Anfangs war ihm damit der Beifall der Massen sicher. Der wirtschaftliche Erfolg stellte sich jedoch nicht ein, und gegen Auswüchse des von ihm selbst geschaffenen Systems griff er auch zu wenig populären Disziplinierungsmaßnahmen. Mehrere erfolglose Anschläge wurden auf ihn verübt. Der mit Burkina Fasos Militärmachthaber Thomas Sankara 1985 vereinbarte Zusammenschluss Burkinas Fasos mit Ghana scheiterte jedoch 1987 an der Ermordung Sankaras.

Ab 1983 vollzog Rawlings angesichts einer katastrophalen Wirtschaftslage, die durch eine Dürreperiode und die Vertreibung hunderttausender ghanaischer Gastarbeiter aus Nigeria verschärft wurde, eine drastische Kehrtwendung. Sätze wie „Revolutionäre Aktivitäten sind kein Ersatz für produktive Arbeit“ zeigten die neue Linie. Wie andere vor ihm sah er keine Alternative zur Zusammenarbeit mit der Weltbank und dem IWF und deren Konzept der Strukturanpassungsmaßnahmen. Unter dem Namen Economic Recovery Programm (Ökonomisches Erholungsprogramm) erfolgten Preiserhöhungen, Lohnstopp, die Abwertung des Cedi, Schließung oder Privatisierung unproduktiver Staatsbetriebe und eine strikte Sparpolitik. Diese Maßnahmen brachten erhebliche Härten für die Bevölkerung mit sich, die Rawlings nur kraft seiner diktatorischen Gewalt durchsetzen konnte. Die Kinderarbeit nahm zu, der Schulbesuch ab. Widerstand gegen seine Politik ließ er nicht zu, Oppositionelle wurden eingeschüchtert. Erstaunlicherweise war seine Popularität dennoch deutlich größer als die des „Provisorischen Nationalen Verteidigungsrates“.

Anfang der 1990er Jahre zeigten sich die Erfolge dieser Maßnahmen. Die Inflation war deutlich zurückgegangen, und zumindest die Lage der ländlichen Bevölkerung hatte sich gebessert. Um den zunehmenden Druck zur Demokratisierung aufzufangen, ließ er 1992 Präsidentenwahlen abhalten, die er mit deutlichem Vorsprung vor seinen Hauptkonkurrenten Albert Adu Boahen und Hilla Limann gewann. Zuvor wurde ein Mehrparteiensystem geschaffen. Unabhängige Beobachter beschrieben diese Wahlen als relativ fair, aber natürlich hatte er den gesamten Regierungsapparat zu seiner Unterstützung bereit.

Da die wichtigsten Oppositionsparteien die anschließenden Parlamentswahlen boykottierten, blieb Ghana trotz Wahlen praktisch ein Ein-Parteien-Staat. Wichtigste demokratische Errungenschaft dieser Phase war eine relativ große Pressefreiheit. Die wirtschaftliche Erholung setzte sich fort, allerdings ohne dass es zu einer entscheidenden Verbesserung der Lebensbedingungen breiter Schichten kam. Bei den Wahlen 1996 traten sechs Parteien an. Rawlings National Democratic Party siegte mit 57 Prozent der Stimmen deutlich vor seinem Herausforderer (und späteren Präsidenten) John Agyekum Kufuor.

Rawlings selbst brachte anschließend die Diskussion um seine Nachfolge in Gang und kündigte an, dass er gemäß der Verfassung nicht noch einmal zur Wahl antreten werde. In seiner letzten Amtsperiode geriet Ghana wieder in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die terms of Trade, die Bedingungen des Austauschs mit dem Rest der Welt, hatten sich deutlich verschlechtert: Die Rohstoffpreise, sowohl für Gold als auch für Kakao, waren drastisch gesunken, der Ölpreis deutlich gestiegen. Der Cedi stürzte ins Bodenlose. Gleichzeitig berichtete die freie Presse des Landes immer häufiger über Korruption und Misswirtschaft.

Der Kandidat der Rawlingspartei NDC für die Wahlen Ende 2000, dessen Vizepräsident John Atta Mills, verlor die Wahlen. Damit endete nach 20 Jahren die Ära von Jerry Rawlings, den die einen als wohlwollenden (und erfolgreichen) Diktator, andere als Tyrannen ansahen.

Sieger der Wahlen 2000 war die New Patriotic Party von John Kufuor, die mit 100 von 200 Sitzen eine relative Mehrheit erhielt. Am 7. Januar 2001 legte John Kufuor seinen Amtseid als Präsident von Ghana ab. Im Jahr darauf ließ er eine so genannte Nationale Versöhnungskommission einrichten, die Menschenrechtsverletzungen durch die verschiedenen widerrechtlichen Regime seit der Unabhängigkeit des Landes untersuchen sollte. Ein erst 2004 bekannt gegebenes Ergebnis dieser Untersuchungen ist unter anderem die Forderung, rund 3.000 Opfer der Repression unter Rawlings zu entschädigen. Gleichzeitig setzte aber in den letzten Jahren in Teilen der Bevölkerung eher eine Verklärung der Rawlings-Zeit ein, vergleichbar der Nkrumah-Renaissance der 1970er Jahre. Auch bei den folgenden Wahlen am 7. Dezember 2004 setzte sich John Kufuor gegen John Atta-Mills durch und wurde im ersten Durchgang mit 52,45 Prozent für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. In den vergangenen Jahren hat Ghana tausende von Flüchtlingen aus dem vom Bürgerkrieg erschütterten Nachbarland Elfenbeinküste aufgenommen.

Im Jahr 2008 fanden erneut freie demokratische Wahlen statt. Aus Verfassungsgründen konnte sich Präsident Kufuor nicht mehr zur Wahl stellen. Den ersten Wahlgang am 7. Dezember hatte Nana Addo Dankwa Akufo-Addo gewonnen, aber die absolute Mehrheit verfehlt. In der folgenden Stichwahl setzte sich NDC-Politiker Atta-Mills mit 50,23 Prozent der Stimmen durch, während Akufo-Addo nur auf 49,77 Prozent kam, so die Wahlkommission Anfang Januar 2009.

Von arabischen Autoren gibt es recht genaue Schilderungen der Handelsstädte wie Tegdaoust oder der mutmaßlichen Hauptstadt Kumbi Saleh im südlichen Mauretanien. Die Herrscher (Tunka) selbst waren weniger Könige als vielmehr kommerzielle Mittelsmänner, die durch die Kontrolle der Märkte reich wurden, nicht indem sie selbst handelten – das war Sache der Wüstennomaden – oder produzierten. Ghana erlangte sehr bald den Ruf eines schwarzen Eldorados. Seine Herrscher, die wie die Kaufleute damals häufig nach dem Kontakt mit dem Islam konvertiert waren, umgaben sich mit Luxusgütern und waren darin durchaus mit europäischen Herrschern jener Epoche vergleichbar. Im 9. bis 11. Jahrhundert erreichte Ghana seine größte Ausdehnung und den Gipfel von Reichtum und Macht, die auch durch ein großes stehendes Heer gesichert wurde, das für die Überwachung der Karawanenstraßen unerlässlich war. Im Norden allerdings hatte es dieselben Probleme wie die anderen Reiche später, denn Auseinandersetzungen mit den Nomadenvölkern, vor allem der Berber, die um die profitable Kontrolle der Karawanenstraßen geführt wurden, gab es ständig.

Im 11. Jahrhundert kam es zu Unruhen, die mit der Islamisierung durch die fanatischen Almoraviden in Verbindung stehen, die mit ihren Heiligen Kriegen bis weit in den Süden vordrangen und nach und nach das letzte Gebiet der ethnischen Religionen, das Ghana noch war, zu islamisieren trachteten. Die dadurch verursachte Verunsicherung der Karawanenwege samt den Flüchtlingsströmen, die durch eine weitere Austrocknung des Sahel zwischen 900 und 1000 zusätzlich ausgelöst worden waren, brachten Ghana bald in große Schwierigkeiten und reduzierten es schließlich bis zur Bedeutungslosigkeit, zumal die Karawanen sich nun ihre Wege nach Gao, Timbuktu und Dschenne suchten. Schließlich wurde Ghana nach 1235 vom Reich Mali aufgesogen.

Die Neuzeit als historische Epoche sieht in Nordafrika sowohl inhaltlich wie strukturell ganz anders aus als die vergleichbare europäische Geschichtsepoche. Während deren Beginn dort durch Renaissance, Entdeckung Amerikas, Buchdruck, Reformation und die sie begleitenden philosophischen Strömungen wie den Humanismus gekennzeichnet ist und ihre entscheidenden Impulse aus ihnen erfährt, später mit Empirismus, Rationalismus und dem Zeitalter der Aufklärung sowie der Französischen, Industriellen und Russischen Revolution wichtige Zäsuren und Impulse aufweist, die auch den modernen Naturwissenschaften den entscheidenden Schub gaben, findet sich in Nordafrika, aber auch den übrigen Teilen der islamischen Welt nichts dergleichen. Auffallend sind hier hingegen folgende Merkmale:

Das Osmanische Reich war das bedeutendste und langlebigste aller drei in den islamischen Zentralländern entstandenen Imperien des 16. und 17. Jahrhunderts (die anderen beiden sind die Moguln in Indien und die Safawiden im Iran gewesen). Auf dem Höhepunkt ihrer Macht beherrschten die Osmanen (nach ihrem Gründer Uthman, daher im englischen Sprachraum Ottoman Empire), ein ursprünglich unbedeutendes Turkvolk aus dem Kreise der sog. Rum-Seldschuken (Rum zu Rom), das in Anatolien einen kleineren Staat gegründet hatte, ein Gebiet, das ähnlich groß war wie das des Byzantinischen Reiches während seiner größten Ausdehnung und das den Balkan, Kleinasien, Griechenland und weite Teile Nordafrikas umfasste. Tatsächlich sahen sich die osmanischen Sultane auch als Nachfolger der byzantinischen Kaiser, so wie diese sich als Nachfolger Roms gesehen hatten, obwohl sie nur über den östlichen Teil des einstigen Römischen Reiches herrschten, dessen westlicher Teil längst gegen Ende des fünften Jahrhunderts in den Germanenstürmen untergegangen war, so dass Rom mit seinen Einwohnern nur noch dem Papst als jetzt bedeutungslose Residenz von der Größe einer Mittel-, ja schließlich Kleinstadt diente, während die politische Macht längst in Ravenna saß. Die Ausstrahlung dieses Großreiches war gewaltig, seine Expansionsgelüste und seinen Herrschaftsdrang waren es nicht minder, und zweimal haben die Osmanen sogar Wien bedroht. Ihr Zentrum in Konstantinopel war die Hohe Pforte, ihr bedeutendster und mächtigster Herrscher hieß nicht umsonst Suleiman der Prächtige (er gab etwa der Altstadt von Jerusalem weitgehend ihre heutige Gestalt).Die Macht der Osmanen ruhte auf zwei Pfeilern:

Nach der ersten Eroberung des mameluckischen Ägypten durch das Osmanische Reich 1517 geriet denn alsbald auch Nordafrika unter osmanischen Einfluss. In den Provinzen Tripolitanien, Tunis und Algerien wurden türkische Paschas eingesetzt. Marokko hingegen kam nie unter türkisch-osmanische Oberhoheit, sondern begann eine expansive Politik Richtung Süden, in den Raum des Nigergebietes. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurde die Oberhoheit der osmanischen Sultane über den Maghreb allerdings immer mehr nominell, nicht überraschend, denn seit Jahrhunderten hatten die Sultane ihre Autorität an der sog. Barbareskenküste an die Gouverneure Tripolitaniens, Tunesiens und Algeriens delegiert, wobei diese Paschas, Beys und Deys zudem nur wenig mehr als einen schmalen Küstenstreifen kontrollierten. In der Provinz Tripolitanien etablierte sich Anfang des 18. Jahrhunderts die ursprünglich griechische Familie der Qaramanli, die dort mehr oder weniger souverän die Staatsgewalt ausübte. Auch die Husainiden, die ab 1705 in Tunesien herrschten, waren ursprünglich griechischer Herkunft. In Algerien wurde der letzte osmanische Statthalter durch das „Piratenparlament“ abgesetzt und eine Wahlmonarchie etabliert, die 1711 offiziell aus dem Osmanischen Reich ausschied. Durch die verstärkte Flottenpräsenz europäischer Mächte waren die nordafrikanischen Staaten, die von den Europäern „Barbareskenstaaten“ genannt wurden, gezwungen die Piraterie nach und nach aufzugeben. Marokko suchte im Laufe des 18. Jahrhunderts Kontakt mit dem französischen Hof. Man erhoffte sich durch europäische Experten eine Modernisierung von Staat und Armee. 1774 ließ Marokko alle christlichen Sklaven frei. Ob Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ und Lessings „Nathan der Weise“, die beide kurz danach entstanden und hochherzige muslimische Herrscher im Zentrum des Geschehens zeigen, davon beeinflusst wurden, ist eine offene Frage.

In der frühen Neuzeit kam der Großteil Nordafrikas mit Ausnahme von Marokko und dem Innern der Sahara unter die lockere Kontrolle des Osmanischen Reichs. Allerdings zeigten auch die europäischen Mächte schon relativ früh Interesse an Afrika und unterhielten an den Küsten Handelsstützpunkte.

Als das Osmanische Reich allerdings immer schwächer wurde, die modernen europäischen Staaten hingegen vor dem Hintergrund der Industrialisierung (Industrielle Revolution) immer stärker, wurden seine afrikanischen Herrschaftsbereiche nach und nach im 19. und 20. Jahrhundert von Frankreich, Belgien, Großbritannien, Spanien, Portugal, Deutschland und Italien okkupiert. Nur sehr wenige Gebiete wie Äthiopien, Liberia und Nyassaland waren davon nicht betroffen. Teile Äthiopiens und Somalias kamen allerdings dann kurzzeitig im 20. Jahrhundert während der faschistischen Epoche von Mussolinis Italien, der so das alte römische Reich wiederherstellen wollte, unter italienische Herrschaft.

Die Hauptmotive der Kolonialisierung waren zunächst aber vor allem wirtschaftlicher Natur, die Herrschaft über die Rohstoffquellen (Gold, Gewürze, Exotika) und Handelswege vor allem, die Erschließung neuere Absatzmärkte, dazu zunächst vor dem Hintergrund eines christlich rassistischen Menschenbildes auch Sklaven, insbesondere für die Versorgung der amerikanischen Südstaaten mit Arbeitskräften. Direkt europäisch beherrscht wurden in Afrika bis 1880 aber nur relativ wenige Gebiete. Dann dauerte es allerdings nur noch drei Jahrzehnte, bis Afrika komplett erobert und aufgeteilt war, und 1913 waren von den insgesamt 40 politischen Regionen dort 36 unter europäischer Herrschaft. Dabei zogen die Kolonialmächte eine regelrechte Blutspur über Nordafrika, hier vor allem Frankreich. Hauptmotiv für die geradezu explosionsartige Ausbreitung des Kolonialismus war nicht zuletzt die steigende, immer nationalistischer gefärbte Konkurrenz der europäischen Länder, die immer wieder auch in Afrika zu direkten Konfrontationen Anlass gab und letztlich auch mit zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte. Der damalige Reichskanzler Bismarck stand dem Erwerb von Kolonien daher skeptisch gegenüber, da er im Zusammenhang mit Kolonialerwerb nur geringe wirtschaftliche Vorteile, jedoch erhebliche politische Störungen erwartete.

Der Beginn der direkten europäischen Festsetzung in Nordafrika lässt sich auf das Jahr 1830 festlegen. Die sogenannte „Bacri-Busnach-Affaire“, in deren Verlauf der französische Geschäftsträger beim Dey von Algier angeblich geschlagen worden war, lieferte Karl X. den Vorwand, Algier zu besetzen. Ob der Grund vor allem darin lag, bessere Handelsbedingungen für Frankreich zu erreichen und inwieweit er dadurch – ein probates Mittel in der Politik überhaupt – von innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken wollte, ist strittig. Dieser Schritt war in Frankreich allerdings lange Zeit sehr unpopulär. Die Franzosen blieben zunächst auch nur auf die Küstenplätze beschränkt. Im Landesinneren Algeriens erklärte sich Abd el-Kader als Emir für unabhängig. Erst 1840 ging König Louis Philippe daran, das Land vollständig zu erobern. Die Kolonisierung Algeriens durch französische Siedler war ebenfalls keineswegs von Anfang an geplant, und die ersten „colons“ bis 1871 kamen größtenteils als Verbannte der jeweiligen französischen Regimes.

Nach 1871 siedelten jedoch viele Franzosen aus dem ans Deutsche Reich 1871 zwangsweise abgetretene Elsass nach Algerien über. Eine weitere Einwanderungswelle nach Algerien und generell in den Maghreb fand in den 1880er Jahren statt, als eine Reblausinvasion große Teile der französischen, aber auch der italienischen und spanischen Weinproduktion ruinierte. Napoléon III. schwebte eine französisch-algerische Personalunion vor. Diese Vision wurde allerdings nicht in die Tat umgesetzt, stattdessen wurde 1848 Algerien mit seinen Departements Algier, Constantine und Oran zum Teil des französischen Mutterlandes erklärt.

In den 1860er Jahren bekamen alle Bewohner Algeriens die französische Staatsbürgerschaft, und die auf Stammeseinheiten und Clans beruhenden Sozialstrukturen der Stämme wurden abgeschafft. Die Muslime sollten von nun an unter dem modernen europäischen Recht des Code civil leben und ihren jahrhundertealten Traditionen abschwören. Diese Maßnahme war mit einer breiten Enteignungswelle verbunden. Prompt brach 1871 in Algerien ein landesweiter Aufstand aus, der von der französischen Fremdenlegion niedergeschlagen wurde. Überdies wurde, wie später in allen übrigen französischen Kolonien, 1881 noch der diskriminierende Code de l’indigénat eingeführt, der die einheimische Bevölkerung unter eine „besondere Gerichtsbarkeit“ stellte, so dass sie in einem permanenten Ausnahmezustand lebte. Der Code war bis 1946 gültig, wurde aber für die Algerier erst 1962 mit dem Ende des Algerienkrieges außer Kraft gesetzt. Der Aufstand von 1871 war die letzte größere Erhebung der algerischen Bevölkerung bis 1954. Viele entwurzelte Algerier verließen danach die ländlichen Gebiete, wo die fruchtbarsten Böden jetzt den französischen Großgrundbesitzern gehörten und wanderten in die Städte ab, wo sie sich als Tagelöhner und Hafenarbeiter durchschlugen und mit der Zeit ein Proletariat bildeten.

Ägypten und Tunesien kamen im Laufe der 1880er Jahre unter europäische Kontrolle. Ägypten, das seit Anfang des 19. Jahrhunderts unter Muhammad Ali und seinen Nachfolger faktisch unabhängig vom Osmanischen Reich regiert wurde, kam seit dem Bau des Suezkanals mehr und mehr in finanzpolitische Zwangslagen und wurde durch innere Unruhen erschüttert. Als Reaktion auf Unruhen der Urabi-Bewegung besetzte Großbritannien um „Sicherheit und Ordnung“ wieder herzustellen 1882 Ägypten.Tunesien wurde, nachdem am Berliner Kongress 1878 die Einflusssphären der Mächte in Südosteuropa und im Mittelmeerbecken abgesteckt wurden, 1881 zum französischen Protektorat.

Im frühen 19. Jahrhundert begannen die Khediven, die osmanischen Vizekönige von Ägypten, den Sudan zu erobern. 1820 wurde die heutige Hauptstadt Khartum von ihnen als Militärlager gegründet. 1821 wurde das Sultanat von Sannar von türkisch-ägyptischen Truppen erobert. Nach den Konvulsionen des Mahdi-Aufstandes 1898/99 mit der endgültigen Niederschlagung der Mahdisten durch Horatio Herbert Kitchener sowie nach Auseinandersetzungen mit Frankreich (Faschoda-Krise, Omdurman) kam der Sudan dann endgültig unter britische Herrschaft und wurde mit Ägypten zu einem anglo-ägyptischen Kondominium zusammengelegt.

Marokko geriet im Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr unter den Druck Frankreichs, Großbritanniens und Spaniens. Unterstützung der algerischen Aufständischen gegen die Franzosen und ein Krieg mit Spanien 1860 hatten das Land an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht. Schließlich war das Land gezwungen, seine Zolleinnahmen zu verpfänden. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Marokko zum Objekt der Zwistigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich, was die Dauer seiner bisherigen Unabhängigkeit jedoch nur um wenige Jahre verlängerte. 1905 besuchte Kaiser Wilhelm II. Tanger, um den deutschen Anspruch zu bekräftigen, auch in Nordafrika mitzureden. Deutschland konnte den französischen Machtzuwachs in Marokko aber nur für ein paar Jahre aufschieben. 1911 besetzte Frankreich trotz deutscher Drohgebärden Fès und erklärte 1912 Marokko zum Protektorat, wobei Spanien der Rif zugesprochen wurde.

Tripolitanien, das spätere Libyen (die Bezeichnung Libyen für das gesamte heutige Staatsgebiet stammt erst von den Italienern), geriet wie alle anderen Staaten Nordafrikas wegen der staatlich sanktionierten Piraterie in Konflikt mit europäischen Staaten und den USA. 1830 verbot Tripolitanien schließlich die Piraterie, was zu einem Krieg innerhalb der herrschenden Familie der Qaramanli führte, in den das Osmanische Reich eingriff. Die Provinz, die einzige, die je zum Osmanischen Reich zurückkehrte, konnte allerdings erst 1858 „pazifiziert“ werden. Im Landesinneren entwickelte sich die Senussi-Bruderschaft, die sich gegen die europäische Einflussnahme wehrte. 1911–1912 besetzte Italien das Land und traf nur auf geringen osmanischen, dafür aber in den folgenden Jahren auf um so heftigeren einheimischen Widerstand.

1900 errichtete Frankreich nach schweren militärischen Auseinandersetzungen mit lokalen Kräften das Militärterritorium der Länder und Protektorate des Tschad. 1908 ging dieses im Verwaltungsgebiet Französisch-Äquatorialafrika mit der Kolonie Tschad auf. 1911 wurde die Kolonie durch das deutsch-französische Marokko-Kongo-Abkommen rechtlich und politisch mit Hilfe von Gebietsabtretungen (Neukamerun) gegen Deutschland abgesichert. Zwischen den Weltkriegen erhielt die Kolonie Tschad dann ihre heutigen Grenzen.

Nachdem im Küstengebiet des späteren Gabun seit dem 15. Jahrhundert die Portugiesen dominierten, errichtete Louis Eduard Bouet-Willaumez dort 1839 die ersten französischen Stützpunkte. 1875 wurde Gabun französische Kolonie. Die Expansion in das Binnenland setzte erst in den 1880er Jahren ein. Sie ist insbesondere mit dem Namen des Grafen de Brazza verbunden, der ab 1880 den Mittelkongo (Moyen-Congo) zur französischen Interessen- und Einflusssphäre erklärte. Der Versuch, in Äquatorialafrika ein französisches Kolonialreich vom Atlantik bis zum Indischen Ozean zu errichten, scheiterte aber 1898, als die Franzosen in Faschoda am Nil auf die Briten trafen.

Die faktische Okkupation des Ubangi-Schari-Territoriums setzte 1889 mit der Errichtung des ersten französischen Stützpunkts in Bangui ein. Von hier aus wurde das Gebiet bis 1894 weitgehend unter französische Kontrolle gebracht. Der Widerstand der indigenen Gesellschaften dauerte bis an den Vorabend des Ersten Weltkrieges an.

Mit der Schlacht bei Kousseri (22. April 1900), in der drei vereinigte französische Militärexpeditionen unter dem Kommando von A.-F. Lamy über die Truppen des afro-arabischen Usurpators Rabih b. Fadlallah siegten, wurde die französische Machtstellung am Tschadsee zementiert. Am 5. September 1900 erfolgte die Einrichtung des Militärterritoriums Tschad (Chad) als weitere Verwaltungseinheit. Sitz der Verwaltung wurde das Kousseri gegenüber am Logone gegründete Fort Lamy (benannt nach dem in der Schlacht gefallenen Truppenführer). In den folgenden Jahren unterwarfen die Franzosen ihrer Herrschaft auch die zentralsudanesischen Länder Kanem (1901–1905), Wadai (1903–1911), Borku und Tibesti und (1911–1918) im Norden der Kolonie.

Die Hauptmotive der Kolonialisierung waren zunächst aber vor allem wirtschaftlicher Natur, die Herrschaft über die Rohstoffquellen (Gold, Gewürze, Exotika) und Handelswege vor allem, die Erschließung neuere Absatzmärkte, dazu zunächst vor dem Hintergrund eines christlich rassistischen Menschenbildes auch Sklaven, insbesondere für die Versorgung der amerikanischen Südstaaten mit Arbeitskräften. Direkt europäisch beherrscht wurden in Afrika bis 1880 aber nur relativ wenige Gebiete. Dann dauerte es allerdings nur noch drei Jahrzehnte, bis Afrika komplett erobert und aufgeteilt war, und 1913 waren von den insgesamt 40 politischen Regionen dort 36 unter europäischer Herrschaft. Dabei zogen die Kolonialmächte eine regelrechte Blutspur über Nordafrika, hier vor allem Frankreich. Hauptmotiv für die geradezu explosionsartige Ausbreitung des Kolonialismus war nicht zuletzt die steigende, immer nationalistischer gefärbte Konkurrenz der europäischen Länder, die immer wieder auch in Afrika zu direkten Konfrontationen Anlass gab und letztlich auch mit zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte. Der damalige Reichskanzler Bismarck stand dem Erwerb von Kolonien daher skeptisch gegenüber, da er im Zusammenhang mit Kolonialerwerb nur geringe wirtschaftliche Vorteile, jedoch erhebliche politische Störungen erwartete.

Der Beginn der direkten europäischen Festsetzung in Nordafrika lässt sich auf das Jahr 1830 festlegen. Die sogenannte „Bacri-Busnach-Affaire“, in deren Verlauf der französische Geschäftsträger beim Dey von Algier angeblich geschlagen worden war, lieferte Karl X. den Vorwand, Algier zu besetzen. Ob der Grund vor allem darin lag, bessere Handelsbedingungen für Frankreich zu erreichen und inwieweit er dadurch – ein probates Mittel in der Politik überhaupt – von innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken wollte, ist strittig. Dieser Schritt war in Frankreich allerdings lange Zeit sehr unpopulär. Die Franzosen blieben zunächst auch nur auf die Küstenplätze beschränkt. Im Landesinneren Algeriens erklärte sich Abd el-Kader als Emir für unabhängig. Erst 1840 ging König Louis Philippe daran, das Land vollständig zu erobern. Die Kolonisierung Algeriens durch französische Siedler war ebenfalls keineswegs von Anfang an geplant, und die ersten „colons“ bis 1871 kamen größtenteils als Verbannte der jeweiligen französischen Regimes.

Nach 1871 siedelten jedoch viele Franzosen aus dem ans Deutsche Reich 1871 zwangsweise abgetretene Elsass nach Algerien über. Eine weitere Einwanderungswelle nach Algerien und generell in den Maghreb fand in den 1880er Jahren statt, als eine Reblausinvasion große Teile der französischen, aber auch der italienischen und spanischen Weinproduktion ruinierte. Napoléon III. schwebte eine französisch-algerische Personalunion vor. Diese Vision wurde allerdings nicht in die Tat umgesetzt, stattdessen wurde 1848 Algerien mit seinen Departements Algier, Constantine und Oran zum Teil des französischen Mutterlandes erklärt.

In den 1860er Jahren bekamen alle Bewohner Algeriens die französische Staatsbürgerschaft, und die auf Stammeseinheiten und Clans beruhenden Sozialstrukturen der Stämme wurden abgeschafft. Die Muslime sollten von nun an unter dem modernen europäischen Recht des Code civil leben und ihren jahrhundertealten Traditionen abschwören. Diese Maßnahme war mit einer breiten Enteignungswelle verbunden. Prompt brach 1871 in Algerien ein landesweiter Aufstand aus, der von der französischen Fremdenlegion niedergeschlagen wurde. Überdies wurde, wie später in allen übrigen französischen Kolonien, 1881 noch der diskriminierende Code de l’indigénat eingeführt, der die einheimische Bevölkerung unter eine „besondere Gerichtsbarkeit“ stellte, so dass sie in einem permanenten Ausnahmezustand lebte. Der Code war bis 1946 gültig, wurde aber für die Algerier erst 1962 mit dem Ende des Algerienkrieges außer Kraft gesetzt. Der Aufstand von 1871 war die letzte größere Erhebung der algerischen Bevölkerung bis 1954. Viele entwurzelte Algerier verließen danach die ländlichen Gebiete, wo die fruchtbarsten Böden jetzt den französischen Großgrundbesitzern gehörten und wanderten in die Städte ab, wo sie sich als Tagelöhner und Hafenarbeiter durchschlugen und mit der Zeit ein Proletariat bildeten.

Ägypten und Tunesien kamen im Laufe der 1880er Jahre unter europäische Kontrolle. Ägypten, das seit Anfang des 19. Jahrhunderts unter Muhammad Ali und seinen Nachfolger faktisch unabhängig vom Osmanischen Reich regiert wurde, kam seit dem Bau des Suezkanals mehr und mehr in finanzpolitische Zwangslagen und wurde durch innere Unruhen erschüttert. Als Reaktion auf Unruhen der Urabi-Bewegung besetzte Großbritannien um „Sicherheit und Ordnung“ wieder herzustellen 1882 Ägypten.Tunesien wurde, nachdem am Berliner Kongress 1878 die Einflusssphären der Mächte in Südosteuropa und im Mittelmeerbecken abgesteckt wurden, 1881 zum französischen Protektorat.

Im frühen 19. Jahrhundert begannen die Khediven, die osmanischen Vizekönige von Ägypten, den Sudan zu erobern. 1820 wurde die heutige Hauptstadt Khartum von ihnen als Militärlager gegründet. 1821 wurde das Sultanat von Sannar von türkisch-ägyptischen Truppen erobert. Nach den Konvulsionen des Mahdi-Aufstandes 1898/99 mit der endgültigen Niederschlagung der Mahdisten durch Horatio Herbert Kitchener sowie nach Auseinandersetzungen mit Frankreich (Faschoda-Krise, Omdurman) kam der Sudan dann endgültig unter britische Herrschaft und wurde mit Ägypten zu einem anglo-ägyptischen Kondominium zusammengelegt.

Marokko geriet im Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr unter den Druck Frankreichs, Großbritanniens und Spaniens. Unterstützung der algerischen Aufständischen gegen die Franzosen und ein Krieg mit Spanien 1860 hatten das Land an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht. Schließlich war das Land gezwungen, seine Zolleinnahmen zu verpfänden. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Marokko zum Objekt der Zwistigkeiten zwischen Deutschland und Frankreich, was die Dauer seiner bisherigen Unabhängigkeit jedoch nur um wenige Jahre verlängerte. 1905 besuchte Kaiser Wilhelm II. Tanger, um den deutschen Anspruch zu bekräftigen, auch in Nordafrika mitzureden. Deutschland konnte den französischen Machtzuwachs in Marokko aber nur für ein paar Jahre aufschieben. 1911 besetzte Frankreich trotz deutscher Drohgebärden Fès und erklärte 1912 Marokko zum Protektorat, wobei Spanien der Rif zugesprochen wurde.

Tripolitanien, das spätere Libyen (die Bezeichnung Libyen für das gesamte heutige Staatsgebiet stammt erst von den Italienern), geriet wie alle anderen Staaten Nordafrikas wegen der staatlich sanktionierten Piraterie in Konflikt mit europäischen Staaten und den USA. 1830 verbot Tripolitanien schließlich die Piraterie, was zu einem Krieg innerhalb der herrschenden Familie der Qaramanli führte, in den das Osmanische Reich eingriff. Die Provinz, die einzige, die je zum Osmanischen Reich zurückkehrte, konnte allerdings erst 1858 „pazifiziert“ werden. Im Landesinneren entwickelte sich die Senussi-Bruderschaft, die sich gegen die europäische Einflussnahme wehrte. 1911–1912 besetzte Italien das Land und traf nur auf geringen osmanischen, dafür aber in den folgenden Jahren auf um so heftigeren einheimischen Widerstand.

1900 errichtete Frankreich nach schweren militärischen Auseinandersetzungen mit lokalen Kräften das Militärterritorium der Länder und Protektorate des Tschad. 1908 ging dieses im Verwaltungsgebiet Französisch-Äquatorialafrika mit der Kolonie Tschad auf. 1911 wurde die Kolonie durch das deutsch-französische Marokko-Kongo-Abkommen rechtlich und politisch mit Hilfe von Gebietsabtretungen (Neukamerun) gegen Deutschland abgesichert. Zwischen den Weltkriegen erhielt die Kolonie Tschad dann ihre heutigen Grenzen.

Nachdem im Küstengebiet des späteren Gabun seit dem 15. Jahrhundert die Portugiesen dominierten, errichtete Louis Eduard Bouet-Willaumez dort 1839 die ersten französischen Stützpunkte. 1875 wurde Gabun französische Kolonie. Die Expansion in das Binnenland setzte erst in den 1880er Jahren ein. Sie ist insbesondere mit dem Namen des Grafen de Brazza verbunden, der ab 1880 den Mittelkongo (Moyen-Congo) zur französischen Interessen- und Einflusssphäre erklärte. Der Versuch, in Äquatorialafrika ein französisches Kolonialreich vom Atlantik bis zum Indischen Ozean zu errichten, scheiterte aber 1898, als die Franzosen in Faschoda am Nil auf die Briten trafen.

Die faktische Okkupation des Ubangi-Schari-Territoriums setzte 1889 mit der Errichtung des ersten französischen Stützpunkts in Bangui ein. Von hier aus wurde das Gebiet bis 1894 weitgehend unter französische Kontrolle gebracht. Der Widerstand der indigenen Gesellschaften dauerte bis an den Vorabend des Ersten Weltkrieges an.

Mit der Schlacht bei Kousseri (22. April 1900), in der drei vereinigte französische Militärexpeditionen unter dem Kommando von A.-F. Lamy über die Truppen des afro-arabischen Usurpators Rabih b. Fadlallah siegten, wurde die französische Machtstellung am Tschadsee zementiert. Am 5. September 1900 erfolgte die Einrichtung des Militärterritoriums Tschad (Chad) als weitere Verwaltungseinheit. Sitz der Verwaltung wurde das Kousseri gegenüber am Logone gegründete Fort Lamy (benannt nach dem in der Schlacht gefallenen Truppenführer). In den folgenden Jahren unterwarfen die Franzosen ihrer Herrschaft auch die zentralsudanesischen Länder Kanem (1901–1905), Wadai (1903–1911), Borku und Tibesti und (1911–1918) im Norden der Kolonie.

1906 wurden zunächst Ubangi-Schari und das Tschad-Territorium zur Kolonie Ubangi-Schari-Tschad vereinigt. 1910 wurden dieses Gebilde mit den bis dahin selbständigen Kolonien Gabun und Mittelkongo zur Föderation Französisch-Äquatorialafrika zusammengeführt und Brazzaville zur Hauptstadt bestimmt. Teile wurden mit dem Vertrag vom 4. November 1911 an die deutsche Kolonie Kamerun abgetreten. Frankreich erhielt stattdessen die Nordost-Ecke Kameruns). Nachdem Deutschland den 1. Weltkrieg verloren hatte, forderte es Neukamerun von Deutschland und erhielt es im Friedensvertrag von Versailles 1919.

Der Weg in die Unabhängigkeit dauerte lange. 1946 erhielten die Afrikaner ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht, Französisch-Äquatorialafrika wurde eine autonome Föderation innerhalb der französischen Union. Am 30. November 1958 wurde Französisch-Äquatorialafrika aufgelöst und aus den bisherigen Gliedstaaten vier Republiken innerhalb der französischen Gemeinschaft gebildet. 1960 wurden die vier Länder Kongo-Brazzaville, Gabun, Zentralafrikanische Republik und Tschad unabhängig.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bildeten sich in allen Landesteilen Parteien und Unabhängigkeitsbewegungen, die schon vor der formellen Entlassung in die Unabhängigkeit um die Macht kämpften.

In Gabun wurde 1946 die Partei (BDG) gegründet, 1948 die Union Démocratique et Sociale Gabonaise (UDSG). Der BDG fand seine Anhänger vor allem in den Städten, während die ethnisch von Fang dominierte UDSG ihre Hochburgen eher in den ländlichen Regionen hatte. Bis 1957 war die UDSG die stärkere Gruppierung. Sie wurde dann vom BDG mit Hilfe der europäischen Bevölkerungsschichten in der Regierung abgelöst. Vorsitzender des BDG war L. M’Ba, der das Land 1960 auch in die Unabhängigkeit führte.

In Moyen-Congo, wo es bereits in den 1920er und 30er Jahren massive antikoloniale Widerstandsäußerungen gab, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch Jean-Felix Tchicaya die Parti Progressiste Congolais (PPC) gegründet, die von der Kolonialadministration massiv bekämpft wurde. Die Franzosen setzten stattdessen auf die europäerfreundliche Politik der Union Démocratique de Défense des Intérêts Africains (UDDIA) des Abbé Fulbert Youlou, der mit massiver französischer Hilfe 1958 Regierungschef der autonomen Republik Kongo innerhalb der Communauté française wurde. Im Februar 1959 gelang es Youlou bei ethnischen Konflikten in der Hauptstadt Brazzaville, wichtige Rivalen aus dem eigenen Lager auszuschalten. Zugleich wurde die sozialistische Opposition unterdrückt, so dass die UDDIA aus dem Parlamentswahlen am 14. Juni 1959 mit 51 Sitzen als stärkste Kraft hervorging. Youlou wurde auch nach der Unabhängigkeit am 15. August 1960 erster Staats- und Ministerpräsident.

In Zentralafrika entstand im September 1947 die von Antoine Darlan geführte Union Ubangienne als erste Befreiungsbewegung. Ihr folgte 1952 der Mouvement pour l’Évolution Sociale de l’Afrique Noire (MESAN) von Boganda, der zum wichtigsten Führer der Unabhängigkeitsbewegung avancierte

1883 drangen französische Kolonialtruppen auf das Gebiet des heutigen Mali bis tief ins Landesinnere vor und unterwarfen 1894 Timbuktu. 1904 gliederte Frankreich es der Kolonie Französisch-Sudan an und unterwarf es strikt den eigenen, auf landwirtschaftliche Produktion ausgerichteten Interessen. Bereits 1893 setzte Frankreich einen zivilen Gouverneur ein. Der Widerstand gegen die Besetzung endete aber erst etwa 1898. Mali war danach bis zur Unabhängigkeit Teil von Französisch-Westafrika.

Das wegen seiner zentralen Wüstenlage ökonomisch nicht allzu interessante Gebiet des Niger stand verschiedentlich unter dem Einfluss benachbarter schwarzafrikanischer Staaten wie dem Mali- und Songhaireich, Kanem-Bornu und von Hausastaaten. Zuletzt hatte dort ein Fulani-Scheich 1804 den Heiligen Krieg gegen die Hausa erklärt und das Reich Sokoto errichtet. Ab 1904 war die Nigerkolonie Bestandteil Französisch-Westafrikas.

In Zeiten, in denen die heutige Sahara feuchter war, war das Gebiet des heutigen Niger dicht besiedelt. Die Gräber von Gobero stammen aus zwei Epochen, von 7700–6200 v. Chr. und aus der so genannten Rinderzeit, die hier abweichend von anderen Regionen um 5200 v. Chr. begann und bis 2500 v. Chr. dauerte. Sie sind die ältesten bekannten Gräber des heutigen Sahara-Gebietes. Mit der Austrocknung und Verwüstung der Landschaft zogen die Menschen weiter nach Süden, sodass der Norden Nigers heute nur dünn von Tuareg -Nomaden besiedelt ist. Das Gebiet des Niger stand verschiedentlich unter dem Einfluss benachbarter Staatswesen wie dem Malireich und Songhaureich, Gao, Kenem-Bornu und diverser Hausastaaten.

Ab 1895 war die Nigerkolonie Bestandteil Französisch-Westafrikas. Die erste Regierung Nigers stellte 1957 Djibo Bakary von der Partei Sawaba zusammen. Bakary trat 1958 zurück, als seine Partei ein Referendum über die vollständige Unabhängigkeit verlor.

1958 wurde Niger zu einer autonomen Republik der französischen Gemeinschaft und erlangte am 3. August 1960 die Unabhängigkeit. Erster Präsident wurde Hamani Diori. 1974 wurde er in einem Militärputsch gestürzt, da ihm Korruption vorgeworfen wurde und zudem eine Dürre und Hungersnot für Unzufriedenheit sorgte. Es wurde der Oberste Militärrat gebildet, der das Land regierte.

Nach dem Tod Kountchés im November 1987 wurde General Ali Saibou sein Nachfolger. Erst 1990 führte eine Welle von Streiks und Demonstrationen zur Zulassung von Oppositionsparteien. Bei einer im Juli 1991 einberufenen Verfassungskonferenz wurden die Machtbefugnisse des Präsidenten für nichtig erklärt und eine Übergangsregierung unter Andre Salifou einberufen.

Schließlich wurde 1992 eine neue Verfassung per Volksentscheid angenommen. 1993 fanden Parlamentswahlen statt, aus der die Allianz der Kräfte des Wandels (AFC), eine Koalition von acht Parteien, als haushoher Sieger hervorging. Einen Monat später wurde Mahamane Ousmane, der Führer der AFC, zum Präsidenten gewählt. Der erste AFC-Premierminister trat im September 1994 zurück, nachdem seine Partei die Allianz verlassen hatte.

Es gelang seinem Nachfolger nicht, eine Parlamentsmehrheit zu führen, so dass für Januar 1995 Neuwahlen angesetzt wurden. Daraus ging der Mouvement National de la Société de Développement (MNSD, die ehemalige Einheitspartei) mit 29 Sitzen als stärkste einzelne Partei hervor. Es wurde eine Mehrparteienkoalition gebildet.

Am 24. April 1995 wurde das Abkommen zwischen der Regierung Nigers und den Tuareg-Rebellen unterzeichnet, das einen dreijährigen Bürgerkrieg vorerst beendet. Das Friedensabkommen wurde unter Vermittlung Frankreichs, Burkina Fasos und Algeriens ausgehandelt. Da die Regierung Nigers das Abkommen nie richtig umsetzte, bemühten sich die Tuareg-Rebellen um weitere Gespräche. Am 15. Dezember 1995 kam Mano Davak, der Anführer der Koordination des bewaffneten Widerstandes, ums Leben, als sein Flugzeug auf dem Weg zu Verhandlungen mit dem nigrischen Premierminister explodierte.

Im Januar 1996 kam es zu einem weiteren Militärputsch und die bestehende Verfassung wurde außer Kraft gesetzt. Der von den Putschisten ernannte Regierungschef Boukary Adji bildete ein Übergangskabinett, dem nur Zivilisten angehörten.

1996 wurde durch ein Referendum eine neue Verfassung angenommen. Im November 1997 erklärte Präsident Maïnassara die seit Ende Dezember 1996 amtierende Regierungsmannschaft für inkompetent. Maïnassara löste die Regierung von Boubacar Cisse auf und ernannte zwei Tage später Ibrahim Mayaki zum neuen Ministerpräsidenten.

Am 9. April 1999 starb Maïnassara bei einem Militärputsch. Wenige Tage danach wurde als Regierungsgremium ein aus Militärs bestehender Nationaler Versöhnungsrat mit General Malam Wanke als Vorsitzendem eingesetzt. Da Wanké möglichst rasch die Regierungsverantwortung an eine Zivilregierung übertragen wollte, fanden am 26. November Präsidentschaftswahlen statt. Dabei wurde der ehemalige Oberst Tandja Mamadou, der Kandidat des Mouvement National pour la Société de Développement (MNSD), zum neuen Staatsoberhaupt gewählt. Neuer Regierungschef wurde Hama Amadou vom MNSD. 2005/2006 kam es zu einer Hungerkrise im Niger.

Da die Regierung des Niger das Friedensabkommen von Ouagadougou nie ganz umgesetzt hatte, brach Anfang 2007 erneut ein Aufstand der Tuareg-Rebellen (MNJ) aus. Der MNJ fordert von der Regierung in Niamey vor allem, ihre traditionellen Weidegebiete nutzen zu können. Die Regierung Nigers erlaubt Firmen aus Frankreich, USA, China und Kanada, in den Weidegebieten der Tuareg Uran abzubauen. Im August 2007 griff der Konflikt auf das benachbarte Mali über. Bei einem Putsch am 18. Februar 2010 wurde Tandja Mamadou von einer Militärjunta unter Führung des Geschwaderkommandeurs Salou Djibo abgesetzt und die Verfassung außer Kraft gesetzt.

Wegen seiner geographischen Situation als fast reines Wüstenland ohne gute Häfen zeigte bis Ende des 19. Jahrhunderts kaum ein europäisches Land Interesse an Mauretanien. An der Wende zum 20. Jahrhundert begannen die Franzosen von Süden her mit seiner Unterwerfung, da es vor allem strategische Bedeutung als Bindeglied zwischen west- und nordafrikanischen Besitzungen hatte. 1904 wurde das Gebiet französisches Territorium im Rahmen Französisch-Westafrikas (AOF), 1920 französische Kolonie.

1884 errichteten die Spanier auf der Halbinsel des Rio de Oro einen Stützpunkt. Auf der Kongokonferenz 1884–1885 in Berlin erhielt Spanien die Westsahara. Der Widerstand gegen die französischen und spanischen Kolonialarmeen in Nordwestafrika flammte aber auch hier ständig auf. Nach jahrzehntelangem Widerstand der Sahrauis wurde das Gebiet der Westsahara schließlich durch spanische Truppen okkupiert. Seither tobten dort Aufstände, erst gegen die Spanier, dann gegen Marokko, das ebenfalls versucht, das Gebiet zu besetzen. Dieser Konflikt dauert bis heute an. Die Befreiungsfront Frente Polisario ist dabei der Hauptakteur.

Nach dem bis heute rätselhaften Eintritt des ohnehin moribunden, von inneren Konflikten und äußeren Bedrohungen geschwächten Osmanischen Reiches – man nannte das osmanische Sultanat den „kranken Mann Europas“ – auf Seiten der Mittelmächte in den Ersten Weltkrieg im Herbst 1914 annektierte Großbritannien sowohl Zypern als auch Ägypten. Damit waren sämtliche theoretischen Souveränitätsansprüche Konstantinopels auf diese Territorien schon rein machtpolitisch endgültig bedeutungslos geworden, und die gesamte nordafrikanische Mittelmeerküste vom Suezkanal bis zur Straße von Gibraltar stand nun unter europäischer, vor allem britischer und französischer Herrschaft.

Die vom Krieg nicht direkt betroffenen Staaten der Südzone Sudan, Tschad, Mali, Niger und Mauretanien blieben unterdessen während der beiden Kriege in ihrem kolonialen Status und waren lediglich als Lieferanten von Rohstoffen und Agrarprodukten nützlich (z. B. Baumwolle aus dem Sudan), soweit es die unsicheren Seewege erlaubten. Hie und da entwickelten sich Widerstandsbewegungen, und es gab wie in Mauretanien und der Westsahara lokale Aufstände, doch waren diese Länder aufgrund der Willkürlichkeit ihrer kolonialen Grenzziehungen und multisprachlichen wie multiethnischen, ja sogar multireligiösen Zusammensetzung praktisch nie nationale Einheiten mit einem Nationalbewusstsein und wurden so nach ihrer Selbständigkeit sowohl Opfer von Bürgerkriegen wie im Sudan und/oder leichte Beute von autoritären Regimes mit meist militärischem Hintergrund. 1921 kam es mit der Ausrufung der Rifrepublik im Norden Marokkos unter Abd el-Krim zu einer ersten bewaffneten Unabhängigkeitsbewegung. Dieser Staat bestand über fünf Jahre, bevor er 1926 von französischen und spanischen Truppen besiegt wurde. 1922 wurde Ägypten von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen.

In der Zwischenkriegszeit entstanden in allen Ländern Nordafrikas, vor allem in Tunesien und Algerien, nationalistische Gruppierungen, deren Wirkung jedoch durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zunächst stark gebremst wurde. Zwischen 1940 und 1943 wurden Tunesien und die damalige italienische Kolonie Libyen im Afrikafeldzug zu einer Nebenfront des Zweiten Weltkrieges. Der französische Teil Nordafrikas gehörte zum von den Nazis geduldeten und kontrollierten Vichy-Regime, das bis 1944 den nicht-besetzten Teil Frankreichs regierte und von Marschall Pétain geführt wurde.

Der westliche Teil Nordafrikas wiederum wurde zu einem Aufmarschgebiet der Alliierten, die im November 1942 an der marokkanischen und algerischen Küste landeten (Operation Torch). 1922 wurde Ägypten unter Fuad I. ein schon weitgehend selbständiges Königreich und erhielt nach dessen Tod 1936 die Souveränität. Ägypten, Tunesien und Libyen waren im Zweiten Weltkrieg Hauptkampfgebiete der deutschen und italienischen Armeen unter Erwin Rommel und den Briten unter Bernard Montgomery (El Alamein, Tobruk, Benghasi, Tunis, Biserta). Die Deutschen kapitulierten im Mai 1943 in Tunis. Britische Truppen blieben allerdings bis 1946 im Land.

Die meisten nördlichen wie südlichen Staaten Nordafrikas wurden in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg „in die Unabhängigkeit entlassen“: 1951 Libyen, 1956 Sudan, Marokko, Tunesien, 1960 (sog. „Afrikanisches Jahr“) Mauretanien, Mali, Niger, Tschad, 1962 Algerien.

Die ersten beiden Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg standen in Nordafrika im Zeichen der Befreiungsfronten, der Entkolonialisierung und Zurückdrängung des europäischen Einflusses sowie der Suche nach nationalen Identitäten, was in den klassischen Staaten des Maghreb und in Ägypten mit ihren relativ einheitlichen Traditionen wesentlich einfacher gewesen ist als in den ethnisch heterogenen und als rein kolonialen Macht- und Einflussregionen entstandenen Staaten südlich davon. Dennoch oder auch deshalb verlief diese Entwicklung hier zum Teil gewalttätig.

Bereits 1945 kam es zu einer Aufstandsbewegung in Algerien, die vom französischen Militär mit aller Härte niedergeschlagen wurde. Italien verzichtete 1947 auf seine Besitzungen in Libyen, das zu einem unabhängigen Königreich unter Idris I., dem religiösen Oberhaupt des Senussi-Ordens, wurde.

In Ägypten putschten General Ali Muhammad Nagib und Oberst Gamal Abdel Nasser 1951 gegen den ägyptischen König Faruq. Zwei Jahre später wurde die Republik Ägypten ausgerufen. Nasser, zunächst Innenminister, bald darauf nach der Entmachtung Nagibs selbst Staatspräsident, vertrat nun vehement den Panarabismus und versuchte die Armut in seinem Land zu bekämpfen. Sein Bestreben, den Suezkanal zu verstaatlichen, führte 1956 zur Suezkrise. in deren Verlauf Ägypten von Großbritannien, Frankreich und Israel angegriffen wurde und erst der Druck des amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower zur Einstellung der Kampfhandlungen und zum Rückzug führte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich in Französisch-Westafrika die Kolonialherrschaft wieder gefestigt. Im arabisch geprägten Nordafrika kam es zu Beginn der 1950er Jahre zum offenen Kampf von nationalen Bewegungen gegen die koloniale Herrschaft. Frankreich musste 1956 seine Protektorate Französisch-Marokko und Tunesien aufgeben, führte aber mit einem Großteil seiner Streitkräfte noch Krieg gegen die algerische Befreiungsfront FLN. Das infolge des Zweiten Weltkriegs geschwächte Großbritannien zog sich schrittweise und weitgehend friedlich aus dem Nahen Osten zurück. Ägypten verblieb zunächst im britischen Machtbereich. Großbritannien entschloss sich, die nationale Unabhängigkeit Ägyptens zu unterstützen, sofern es sich prowestlich verstand. König Faruqs Politik zielte auf Kooperation mit den westlichen Mächten. 1953 waren am Sueskanal etwa 80.000 britische Soldaten stationiert. Großbritannien zog – wie 1954 im Suez-Abkommen vereinbart – im Juni 1956 seine Truppen aus Ägypten zurück. In Ägypten hatten inzwischen Offiziere der ägyptischen Armee Faruq gestürzt. Dadurch kam eine neue Generation nationalistischer und panarabischer Politiker an die Macht, geführt von Präsident Gamal Abdel Nasser, der auch international an Bedeutung gewann.

Ägypten unter Nasser unterstützte den Kampf der algerischen Befreiungsfront (FLN) gegen die französische Kolonialmacht mit Waffenlieferungen. Nasser plante zur Beseitigung des Massenelends den Bau des Assuan-Staudamms. Weil die westlichen Länder, vor allem die USA, dem neuen Regime Entwicklungshilfe verweigerten, wandte sich Nasser erfolgreich an die Sowjetunion. 1955 schien es, Ägypten würde sich dem Sowjetblock anschließen, als es Waffenlieferungsabkommen mit der Tschechoslowakei abschloss und eine sowjetische Finanzierung des Staudamms wahrscheinlich wurde. Daraufhin zogen die USA nach und offerierten ihrerseits eine Finanzierung des Staudamms, die Präsident Eisenhower (Amtszeit 1953–1961) am 19. Juli 1956 durch Außenminister Dulles aber wieder zurückzog. Grund für den Rückzug des Angebots war, dass Nasser versuchte den Westen gegen den Osten auszuspielen. Das Resultat war, dass sich der wütende Nasser nun scharf gegen den Westen wandte und schließlich am 26. Juli die Sueskanal-Gesellschaft verstaatlichte, ohne sein Kabinett bei dieser Entscheidung mit einzubeziehen. Mit den Gebühren für die Benutzung des Sueskanals sollten die Kosten für den Bau des Staudamms aufgebracht werden. Die Aktienbesitzer der Sues-Gesellschaft wurden finanziell entschädigt. Die Sowjetunion und Indien billigten auf drei ergebnislosen internationalen Konferenzen letztlich die Verstaatlichung, aber Großbritannien war sowohl ökonomisch als auch machtstrategisch beunruhigt.

Im Laufe des Jahres 1956 verschärfte sich der Konflikt zwischen Ägypten und Israel, das sich zunehmend Angriffen durch Fedajin von ägyptischem Territorium und vom ägyptisch besetzten Gazastreifen aus erwehren musste. Ägypten blockierte die Straße von Tiran, schnitt damit Israel vom Seehandel durch das Rote Meer ab und sperrte den Sueskanal für israelische Schiffe. Zugleich bildete Ägypten gemeinsam mit Jordanien und Syrien ein „Vereinigtes Arabisches Oberkommando“, das aber faktisch nur wenig Befugnisse hatte.

Israel hoffte, sowohl die Ägypter militärisch zu schwächen als auch den Gazastreifen und Scharm El-Scheich zu erobern. Ein Fallschirmjägerüberfall auf das westliche Ende des Mitla-Passes sollte mit einer Vergeltung palästinensischer Angriffe begründet werden.

Die Ursachen der Krise liegen in der Struktur der Nutzung des Sueskanals begründet. Die Erteilung einer Konzession zum Bau an eine ausländische Gesellschaft schloss die wirtschaftliche Nutzung des Kanals bis 1968 durch dieselbe Gesellschaft mit ein. Zudem stieg mit zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung des Erdöls die Abhängigkeit der europäischen Mächte von der Nutzung des Kanals. Die freie Durchfahrt versuchte vor allem Großbritannien durch starke Einflussnahme auf die Innenpolitik Ägyptens und durch militärische Präsenz am Kanal zu erreichen.

Großbritannien und Frankreich riefen den UNO-Sicherheitsrat an, um Nasser per Resolution zur Rückgabe des Kanals zu veranlassen. Zuvor hatten von Washington initiierte Konferenzen stattgefunden, um eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden, die aber scheiterten. Washington schlug sich bewusst nicht auf die Seite der europäischen Mächte, um eine Auseinandersetzung mit der Sowjetunion zu vermeiden, die dann Ägypten unterstützt hätte. Die UN-Resolution wie sie Frankreich und Großbritannien anstrebten, war gar nicht auf Erfolg ausgelegt. Ein Veto der Sowjetunion wurde erwartet und war sogar erwünscht, da Großbritannien und Frankreich damit einen Vorwand hätten, Ägypten anzugreifen um den sozialistischen, nationalistischen (Panarabismus) Staatspräsident Nasser zu stürzen.

Allerdings ist ein Putschversuch von Seiten Großbritanniens und Frankreichs nicht belegbar, im Gegenteil. In seiner „Footnote to History“ belegt der damalige US-Botschafter in London eindeutig, dass eine Absetzung Nassers gänzlich anderer militärische Vorbereitungen bedurft hätte. Zudem erklärte der britische General Keithley, der für die Besetzung Ismailias zuständig war, eindeutig, sein Auftrag hätte allein in der Errichtung eines Waffenstillstandes bestanden.

Um die öffentliche Meinung auf die Notwendigkeit eines Krieges einzustimmen, forderte der britische Premierminister Anthony Eden, dass man der Bedrohung durch den „Mussolini vom Nil“ entschlossen entgegentreten müsse. Dies verfehlte seine Wirkung nicht, denn Eden galt als entschiedener Gegner der Appeasement-Politik gegenüber Hitler und Mussolini. Eden erhielt vom Air Marshal Denis Barnett die Versicherung, dass Luftangriffe bereits reichen würden, um einen Sturz der Regierung Nasser zu erreichen. Am 27. Juli 1956 wurde in den britischen Streitkräften ein Planungsstab gebildet, der den Angriff auf Ägypten unter der Bezeichnung „Operation Musketeer“ entwerfen sollte. Der Plan sah massive Luftangriffe auf die Flugplätze der ägyptischen Luftwaffe und danach auf Bodentruppen vor. Danach sollte die Luft- und Seelandung erfolgen. Hierzu sammelte sich eine große Armada vor Malta und Algier, noch während der De-Eskalationsbemühungen Washingtons. Allerdings gab es erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, wie weit eine Schwächung der Bodentruppen durch eine reine Luftvorbereitung überhaupt möglich sei und wo genau die anschließende Landung stattfinden sollte.

Zwischenzeitig fassten die Militärplaner Alexandria als Ort des Angriffs ins Auge. Damit wäre zwar keine unmittelbare Eroberung der Kanalzone möglich gewesen, aber Alexandria war für die britischen und französischen Streitkräfte leichter zu erreichen und eine größere politische Wirkung für einen Sturz Nassers war abzusehen. Im September lehnte der Ägypten-Ausschuss diesen Plan jedoch ab. Vermutlich erschien es der Politik zu schwierig, einen Angriff auf Alexandria mit der Eroberung der Kanalzone zu rechtfertigen. Zudem wollten einzelne Vertreter des französischen Militärs die Operation auf die Kanalzone begrenzen. Darauf wies der Ägypten-Ausschuss das Militär an, einen Angriff auf Port Said zu planen. Zugleich begannen die Franzosen mit der parallelen Planung eines Angriffs auf Port Said. Auch ein Angriff auf das südliche Kanalende war kurzzeitig im Gespräch, wurde aber wieder verworfen. Am 19. September wurde dem britischen Kabinett der überarbeitete Plan „Musketeer Revise“ vorgelegt. Er sah neben der weitgehenden Vernichtung der ägyptischen Kampfkraft durch Luftschläge auch eine umfassende psychologische Wirkung der Luftangriffe vor, die den Kampfeswillen von Militär, Bevölkerung und Politik brechen sollte.

Bei mehreren Treffen in Sèvres nahe Paris wurde die Zusammenarbeit zwischen dem französischen und dem israelischen Geheimdienst verstärkt. Am 29. September trafen sich Frankreichs Außenminister Christian Pineau und Verteidigungsminister Maurice Bourgès-Maunoury mit Israels Vertretern Golda Meïr, Schimon Peres und Mosche Dajan. Im Oktober folgten Zusicherungen Frankreichs und Großbritanniens über Waffenlieferungen. Frankreich sagte außerdem den Schutz des israelischen Luftraums und der Küste zu. Zudem wollte Frankreich mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat einer gegen Israel gerichteten Entscheidung entgegenwirken. Israel sollte eine Invasion starten, so dass Großbritannien und Frankreich als vermeintliche Friedensmächte intervenieren könnten. Die Europäer würden dann die israelischen und ägyptischen Armeen zum Rückzug auf die jeweilige Seite des Kanals bewegen und eine britisch-französische Interventionsstreitkraft am Kanal um Port Said stationieren. Am 24. Oktober unterzeichneten die drei Staaten ein Abkommen über ihr Vorgehen.

Am 29. Oktober 1956 begann Israel mit der Invasion des Gazastreifens und der Sinai-Halbinsel (Operation Kadesh) und stieß schnell in Richtung des Kanals vor. Am folgenden Nachmittag wurde der ägyptische Botschafter in London ins Foreign Office einbestellt und erhielt vom Vertreter des britischen Außenministers Selwyn Lloyd, Sir Ivone Kirkpatrick sowie vom französischen Außenminister Christian Pineau einen Forderungskatalog überreicht. In dem auf zwölf Stunden befristeten britisch-französischen Ultimatum wurde von den ägyptischen Truppen verlangt, zehn Meilen hinter den Sues-Kanal zurückzuweichen und damit die ganze Sinai-Halbinsel zu räumen. Den Israelis wurde ihrerseits aufgetragen, nicht näher als zehn Meilen an den Sues-Kanal heranzurücken. Soweit waren sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht vorgedrungen.

Zudem wurde von Ägypten das Einverständnis mit der vorübergehenden Besetzung von Sues, Ismailia und Port Said gefordert. Präsident Nasser wies die Forderung und das Ultimatum wie erwartet zurück. Durch seine Ablehnung lieferte er Großbritannien und Frankreich den erwünschten Vorwand, die Kontrolle über den Kanal militärisch zu gewinnen und das Regime Nassers zu stürzen.

Am 31. Oktober begannen Großbritannien und Frankreich mit der Bombardierung ägyptischer Flughäfen. Einen Tag zuvor waren die Ziele psychologischer Kriegsführung fallen gelassen worden. Die Luftwaffe sollte sich nun auf militärische Ziele konzentrieren. Anfang November kam es zu diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen Großbritannien und Frankreich, da die britische Regierung nur teilweise über die Unterstützung der französischen Luftwaffe für Israel informiert worden war. Die Briten wollten den Anschein aufrechterhalten, dass die Europäer neutral seien und keineswegs Israel unterstützten.

Das israelische Fallschirmjäger-Bataillon 890 hatte inzwischen nach einer Luftlandung den Ostausgang des strategisch wichtigen Mitla-Passes gesichert. Der Rest der Fallschirmjäger-Brigade 202 unter Ariel Scharon kämpfte sich in zwei Tagen auf dem Landweg die 200 km durch feindliches Gebiet zum Mitla-Pass vor. Ein israelischer Spähtrupp geriet im Pass unter schweres ägyptisches Feuer und wurde vom Rückweg abgeschnitten. Scharon ließ seine Männer den Pass einnehmen, um den Spähtrupp zu retten und gleichzeitig die einzig mögliche Stelle für einen größeren ägyptischen Gegenangriff im südlichen Sinai nachhaltig zu sichern.

Am 5. November landeten alliierte Fallschirmjäger am Flughafen Gamil, sicherten das Gelände und errichteten eine Basis zur Luftunterstützung. In den frühen Morgenstunden des 6. November landeten die Kommandos 40 und 42 der Royal Marines mit amphibischen Fahrzeugen und Feuerunterstützung von Schlachtschiffen an den Stränden Ägyptens. Port Said wurde durch verheerende Brände fast vollständig zerstört.

Beim weiteren Vorstoß trafen die Landekommandos auf harten Widerstand. Kommando 45 der Marines griff per Hubschrauber an (die erste Operation dieser Art in der Kriegsgeschichte) und begann mit dem Häuserkampf in einer Region, wo der Besitz von Schusswaffen für Männer nichts Ungewöhnliches ist. Ägyptische Scharfschützen und eigenes Feuer fügten den Marineinfanteristen zwar schmerzhafte Verluste zu, trotzdem konnten diese das Gefecht für sich entscheiden.

Das eilig verbreitete Gerücht, die sowjetische Armee käme Ägypten zur Hilfe, konnte Nassers demoralisierte Truppen nicht mehr stabilisieren: Die ägyptische Armee und ihre sieben gepanzerten Divisionen mussten wegen des schnellen Vorstoßes der Angreifer und deren Luftüberlegenheit zurückweichen.

Die Kommandos erreichten den Kanal und wandten sich nach Südwesten in Richtung Kairo. Jetzt, da der Kanal in den Händen der Kolonialmächte war, sicherten sie vor einem weiteren Vorstoß nach Süden und Westen ihre Positionen.

Wider Erwarten erhielten die europäischen Mächte keine Rückendeckung von Seiten der USA für ihr Vorgehen. Der britische Premier Eden rechnete damit, Dwight D. Eisenhower würde sich trotz Vorbehalten im Kriegsfall auf die Seite seiner zentralen europäischen Alliierten schlagen. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges verfolgte Washington jedoch eine Containment-Politik und hielt gute Beziehungen zu Staaten der Dritten Welt für wichtiger als britisch-französische Macht- und Wirtschaftsinteressen.

Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion brachten Resolutionsentwürfe im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein, um den Konflikt zu beenden. Frankreich und Großbritannien als Veto-Mächte im Sicherheitsrat verhinderten jeweils verabredungsgemäß die Verabschiedung dieser Resolutionen. Mit Beginn der Bodenoperationen wuchs der diplomatische Druck auf Großbritannien, Frankreich und Israel sprunghaft an. Am 31. Oktober stoppten die USA die Entwicklungshilfe für Israel. Großbritannien drohten sie auch mit der Veräußerung von Reserven an britischer Währung, was den Pfund-Kurs hätte einbrechen lassen können.

Um eine weitere Eskalation des Konfliktes zu vermeiden, sah sich Washington gezwungen, mit der Sowjetunion auf der Basis der Uniting for Peace Resolution eine Notfallsitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu beantragen, in der kein Mitgliedsstaat ein Vetorecht besitzt. Die Generalversammlung verabschiedete nach mehreren Sitzungstagen vier Resolutionen. Am 2. November 1956 erklärte die Generalversammlung die Aktionen für völkerrechtswidrig und forderte von Israel (und nur Israel) die Einstellung der Kampfhandlungen und den Rückzug hinter die Waffenstillstandslinie, am 4. November die Aufstellung einer UNO-Friedenstruppe.

Israel versuchte, den unvermeidbaren Rückzug seiner Truppen zu verzögern und vorher völkerrechtliche Garantien von der UNO zu erreichen: Gewährleistung sicherer Grenzen und freie Schifffahrt für Israel durch die Straße von Tiran in den Indischen Ozean. Die USA unterstützten diese Forderung.

Am 5. November drohte die Sowjetunion gegenüber Frankreich und Großbritannien, mit der Anwendung von Gewalt die Aggressoren zu vernichten und den Frieden im Nahen Osten wiederherzustellen. Parteichef Chruschtschow sprach sogar von der – militärisch nicht verwirklichbaren – Zerstörung der westlichen Hauptstädte mit Atomwaffen. An Israel richtete der sowjetische Ministerpräsident Bulganin die Warnung: Als Vollstrecker eines fremden Willens und im Auftrag anderer treibt die Regierung Israels ein verbrecherisches und unverantwortliches Spiel mit dem Schicksal der Welt, mit dem Schicksal ihres eigenen Volkes. Sie sät unter den Völkern des Ostens einen Hass, der sich auf die Zukunft Israels auswirken muss und seine staatliche Existenz in Frage stellt...Wir erwarten, dass die Regierung Israels sich eines Besseren besinnt, ehe es zu spät ist, und ihre militärischen Operationen gegen Ägypten einstellt. Gleichzeitig rief sie ihren Botschafter aus Tel Aviv ab. Am Tag darauf stellten Großbritannien, Frankreich und Israel die Kampfhandlungen ein. Großbritannien und Frankreich schlossen am 6. November 1956 einen Waffenstillstand mit Ägypten.

Der Kriegsschauplatz wurde am 22. Dezember 1956 wieder geräumt. Am 7. März 1957 verließen die letzten israelischen Soldaten ägyptisches Territorium. Die UNO-Vollversammlung hatte zuvor die Forderung nach Truppenrückzug am 24. November 1956, am 19. Januar 1957 und am 2. Februar 1957 wiederholt. Die Vereinten Nationen stellten die United Nations Emergency Force (UNEF I) auf und stationierten sie zur Sicherung der Grenze zwischen Israel und Ägypten und zur Garantie des Durchfahrtrechts israelischer Schiffe durch die Straße von Tiran im Gazastreifen und im Ostsinai. UNEF I war die erste friedenserhaltende (peacekeeping) militärische Streitkraft der Vereinten Nationen.

Somit war nur das Ziel der Kolonialmächte, die Kanalzone zu besetzen, vorübergehend erreicht worden. Der Sturz Nassers durch die Intervention misslang.

Die Aktionäre der Suezkanal-Gesellschaft wurden von Ägypten finanziell entschädigt. Ägypten öffnete den Sueskanal wieder für die internationale Schifffahrt und bekräftigte am 4. April 1957 in einer völkerrechtlich bindenden Erklärung die Konvention von 1888. Im Sechstagekrieg 1967 kam es zu erneuten Brüchen dieser Konvention und zur Schließung des Sueskanals bis zum 4. Juni 1975.

Nach dem anfänglichen militärischen Erfolg war die Sueskrise gerade für Großbritannien zu einer Demütigung ersten Ranges geworden. In der Folge musste Premierminister Anthony Eden zurücktreten, die britische Wirtschaft und Währung gerieten unter Druck. Zugleich verfestigte sich Großbritanniens Verlust seiner Weltmachtstellung – es war der letzte Versuch der alten Weltmacht, ohne Zusammenarbeit mit der neuen Weltmacht USA ihre Interessen durchzusetzen. Zudem wuchs der Widerstand der Staaten der Dritten Welt: Die Niederlage der Briten beschleunigte die Entwicklung, mit der in den nächsten Jahren auch die restlichen britischen und französischen Kolonien auf dem Weg über die Dekolonisation ihre Unabhängigkeit anstrebten.

Die NATO-Mitglieder Frankreich und Großbritannien hatten eine Invasion Ägyptens begonnen, ohne die anderen NATO-Staaten zu konsultieren oder zu unterrichten. Die USA, der dominierende NATO-Staat, lehnte dieses Vorgehen strikt ab. Bei den Regierenden Großbritanniens und Frankreich entstand der Eindruck eines Zusammengehens von USA und Sowjetunion in dieser Krise, gegen die Interessen europäischer NATO-Staaten. Frankreich versuchte in den folgenden Jahren, seinen Einfluss in der NATO zu erhöhen. Aus der Erfolglosigkeit seiner Bestrebungen zog es Schlussfolgerungen. Es richtete seine Verteidigungspolitik zunehmend national aus und arbeitete auch auf eine rein nationale nukleare Handlungsfähigkeit hin.

Israel setzte zwar noch auf Großbritannien und Frankreich als Unterstützer seiner Außenpolitik, in zunehmendem Maß aber auch auf die USA. Angesichts des politischen britisch-französischen Sues-Debakels betrachteten sich die USA nun als alleinige Verteidiger westlicher Interessen im Nahen Osten, wovon Israel in Form von Waffenlieferungen und amerikanischen Sicherheitsgarantien profitierte.

Die UdSSR schaltete sich in der Folge in den Nahostkonflikt ein und unterstützte Ägypten militärisch und wirtschaftlich. Zudem konnte sie den Ungarn-Aufstand ungehindert niederschlagen, da Washington für die „Uniting-for-peace“-Resolution auf die Unterstützung der UdSSR angewiesen war.

Auf ägyptischer Seite stärkte die Krise trotz militärischer Niederlage massiv die Position Nassers in der arabischen Welt und seinen Panarabismus. Nasser gelang es dabei, die militärische Niederlage vor der arabischen Öffentlichkeit in einen politischen Sieg zu verwandeln. In nicht-öffentlichen Gesprächen sagte er, dass er sich der unerwartet dürftigen Leistung des Militärs bewusst war.

In Scharm El-Scheich und auf der ägyptischen Seite im Gazastreifen wurden Friedenstruppen der UNEF I (United Nations Emergency Force) stationiert. Damit war die Bedrohung der israelischen Grenze durch ägyptische Fedajin gebannt. Israel konnte die wirtschaftlich wichtige Schifffahrtsroute von Eilat durch den Golf von Akaba nach Ostafrika und Asien wieder benutzen. Frankreich lieferte nach dem Krieg Flugzeuge sowie Bauteile für das israelische Kernwaffenprogramm. In der arabischen Welt dagegen hatte sich nach den Worten Nachum Goldmanns das Bild Israels als eines Bundesgenossen der „imperialistischen Mächte“ [...] endgültig fixiert und weitere Konfrontationen waren damit vorgezeichnet.

Versenkte Schiffe versperrten die Durchfahrt durch den Sueskanal noch einige Wochen. Am 10. April 1957 konnte er wieder passiert werden, erstes Schiff war die italienische Oceania.

Die Sueskrise führte im Irak zu einer weiteren innenpolitischen Schwächung der pro-britischen Monarchie. Diese unterdrückte mehrere anti-britische Demonstrationen und musste schließlich das Kriegsrecht ausrufen und mehrere Demonstrationen durch das Militär niederschlagen um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.

1956 erlangten Tunesien unter Führung von Habib Bourguiba und Marokko unter König Mohammed V. ihre staatliche Unabhängigkeit.

In Algerien verweigerte Frankreich unterdessen hartnäckig den Rückzug. Dass es deswegen zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen würde, war früh klar. Auf Seiten der Algerier wurde die französische Niederlage in Indochina im Frühjahr 1954 jedoch zum Schlüsselerlebnis, da sie zeigte, dass Frankreich von Aufständischen (den Việt Minh) durchaus besiegt werden konnte. Im Herbst des gleichen Jahres brach daher der Algerienkrieg aus, der auf beiden Seiten mit äußerster Härte geführt wurde. Die Front de Libération Nationale, die algerische Befreiungsbewegung, hatte 30.000 Kämpfer unter Waffen und versuchte die Kolonialmacht mit den Mitteln des Guerillakrieges auf im Land und Terroranschlägen in den Städten in die Knie zu zwingen.

Die Franzosen setzten hingegen in der Französischen Doktrin auf Mittel des Staatsterrorismus wie Folter und Verschwindenlassen von Menschen. Militärhistoriker sprechen daher von einem der ersten Fälle einer sogenannten „Asymmetrischen Kriegführung“. Zunehmende Spannungen innerhalb Frankreichs, massive Kritik an der Art der so gar nicht den französischen Idealen der Menschenrechte folgenden Kriegsführung und eine große Sympathiewelle in der ganzen Welt für die algerischen Kämpfer führten schließlich zu einer Wende. Viele Gefallene und der massive Wertverlust des Franc trugen ein Übriges dazu bei, dass sich die öffentliche Meinung in Frankreich änderte. Der aus dem Ruhestand zu Hilfe gerufene Charles de Gaulle beendete schließlich die Staatskrise, in welche Frankreich mittlerweile geraten war, indem er seinem Land 1958 eine neue Verfassung gab, die der V. Republik, und er leitete 1962 gegen den erbitterten Widerstand von Teilen des französischen Militärs, die sich in Algerien zu der terroristischen Geheimorganisation OAS zusammenschlossen, sowie der sog. Pied-noirs Friedensgespräche ein.

Algerien ist allerdings bis heute eine der größten Unruhezonen des Maghreb, wo nicht nur die Tuareg sich gegen ihre staatlich verordnete Sesshaftigkeit und nationale Einschränkung auf ein Staatsgebiet wehren, sondern auch die salafistische Spielart des fundamentalistischen Islam aktiv ist und immer wieder durch Entführungen auf sich aufmerksam macht.

Die vom Krieg nicht direkt betroffenen Staaten der Südzone Sudan, Tschad, Mali, Niger und Mauretanien waren unterdessen während der beiden Kriege in ihrem kolonialen Status geblieben. Hie und da entwickelten sich Widerstandsbewegungen, doch waren diese Länder aufgrund der Willkürlichkeit ihrer kolonialen Grenzziehungen und multisprachlichen wie multiethnischen, ja sogar multireligiösen (vor allem im Sudan und im Tschad) Zusammensetzung praktisch nie nationale Einheiten und wurden so nach ihrer Selbständigkeit sowohl Opfer von Bürgerkriegen wie im Sudan und/oder leichte Beute von autoritären Regimes mit meist militärischem Hintergrund. Auch die nomadisierende Lebensweise vieler dortiger Völker war im Verein mit ihrer oft kriegerischen Mentalität, etwa bei den Tuareg, ein massiver Hinderungsgrund bei der Gewinnung einer nationalen Identität. Hinzu sind in den letzten Jahrzehnten vor allem islamistische fundamentalistische Bewegungen gekommen, die den Islam zur Staatsreligion erklären und Koran und Scharia zum Grundgesetz.

Das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts und der Beginn des 21. lässt sich hinsichtlich der Geschichte Nordafrikas mit den Schlagworten Panarabismus, Nationalismus, Sozialismus, Nahostkonflikt, Islamismus und Terrorismus umschreiben, die nun gleichzeitig bzw. nacheinander die gesamte arabische und islamische Welt kennzeichnen und Historiker wie Samuel Phillips Huntington sogar dazu verführt haben, von einem Clash of Civilizations zu reden. Andere wiederum, die wie Fukuyama vom Ende der Geschichte fabulierten, sahen sich alsbald gezwungen, die islamischen Gesellschaften ausdrücklich von diesem Ende auszunehmen. Als neuere Entwicklung im nordafrikanischen Raum ist eine verstärkte Einflussnahme der Volksrepublik China zu beobachten, wie sie im Sudan schon länger besteht. Seit Januar 2011 kam es in verschiedenen nordafrikanischen Ländern zu Revolutionen, die in Ägypten und Tunesien zum Sturze der Regimes führten, in Libyen zu einem Bürgerkrieg gegen das Regime Gaddafis, der mit Hilfe eines von der Nato durchgesetzten Flugverbotes ebenfalls im Herbst stürzte und den Tod fand.

Historisch an erster Stelle steht hier der Panarabismus, der zusammen mit der arabischen Nationalbewegung, deren erste öffentliche Bekundung durch die Balfour-Deklaration bereits 1918 ausgelöst wurde, noch in der Kolonialzeit wurzelt. Begleitet wurden beide Bewegungen von meist wenig erfolgreichen Demokratisierungsbemühungen und Abgrenzungen gegenüber den alten Kolonialmächten, die man für moralisch, politisch und historisch delegitimiert ansah und deren politische Systeme daher wenig nachahmenswert schienen. Nach und nach zeichnete sich allerdings trotz zahlreicher organisatorischer Suprastrukturen wie der Liga arabischer Staaten mit den Arabischen Gipfelkonferenzen die relative Erfolglosigkeit besonders des Panarabismus ab, die nicht zuletzt auch in den gescheiterten Vereinigungsbemühungen verschiedener arabischer Länder ihren Ausdruck fand. Das Scheitern hatte verschiedene Ursachen. Vor allem jedoch sind historische Egoismen und für junge Nationen nach einer als heroisch empfundenen nationalen Befreiung keineswegs ungewöhnliche nationalistische Eifersüchteleien ursächlich gewesen, die den Islam als Kultur der nationalen Befreiung schließlich durch eine islamische Nationalpolitik ersetzten.

Einige Staaten begannen zudem, teilweise sogar parallel zu den panarabischen Bemühungen, mit sozialistishen Staatenbildungen. Unterdessen spaltete sich der arabische Nationalismus schon bald nach 1948 in eine panarabische, die Einheit der arabischen Welt betonende Grundrichtung und in eine mehr regionale, die einzelstaatliche Besonderheiten an die erste Stelle setzte. Das Ägypten Nassers (Nasserismus) und das Libyen Gaddafis sowie der Sudan Numeiris und das Algerien Ahmed Ben Bella und Houari Boumediennes sind hierfür in Nordafrika besonders markante Beispiele (im Nahen Osten war es die Gründung der Baath-Partei), wobei Gaddafi sogar versuchte, mit seiner Dritten Universaltheorie einen dritten Weg zwischen westlichem Kapitalismus und östlichem Sozialismus nicht nur theoretisch zu entwerfen, sondern auch praktisch zu realisieren, ein Weg, der seiner Meinung nach für die Bedürfnisse seiner islamisch-beduinischen Heimat besser geeignet schien. Solche Bestrebungen bedeuteten allerdings zunächst in den 1950ern noch keineswegs eine Moskau-Orientierung, wie im Westen damals vielfach unterstellt wurde.

Ein weiterer, von den arabisch-islamischen Staaten nicht nur Nordafrikas allerdings selten laut angesprochener Faktor solcher Diskrepanzen ist natürlich aber auch das teils extreme wirtschaftliche Ungleichgewicht dieser Länder untereinander. Dabei reicht die Spanne von einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 738 US-$ im Falle von Niger über 1126 für Mali und 5898 für Ägypten bis zu 14.533 bei Libyen und 39.850 für Kuweit. Dazu kommen dann noch die teils desaströsen Folgen der modernen westlichen Dumpingpolitik, welche die Landwirtschaften auch Nordafrikas massiv beeinträchtigen, ebenso wie „die gegenwärtige kannibalische Weltordnung des globalisierten Finanzkapitals“ Auch der islamische Sozialismus scheiterte denn auch an der praktischen Durchführung und den unterschiedlichen Rahmenbedingungen, und es kam ab 1979 zu einer Entideologisierung sowohl des Islam wie seiner sozialistischen Interpretation.Als offizielles Ende des mit sozialistischen Ideen angereicherten Panarabismus wird der Schwarze September von 1970 angesehen.

Seit 1989 besteht die Union des Arabischen Maghreb, ein Zusammenschluss der Maghreb-Staaten Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien sowie Mauretaniens, der schon seit 1964 geplant, aber wegen ständiger Konflikte zwischen diesen Staaten immer wieder aufgeschoben worden war.

Nun gab es aber im geostrategischen politischen Umfeld des Nahen Ostens bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine Situation, die all diese Bemühungen und Tendenzen von Anfang an massiv beeinflusst und regelrecht militarisiert und radikalisiert hat: die Existenz des Staates Israel in Palästina seit 1948. Diese geopolitische Situation im Nahen Osten war für sich genommen schon für die das jüdische Land rundum einschließende moslemische Welt ein kaum zu verwindender Affront, zumal dieses im Verhältnis zur arabischen Welt geradezu winzige Gebiet mit nur wenigen Millionen Einwohnern (heute 7,5 Mio., damals 1948 650.000) es vermocht hatte, nicht nur zu überleben, sondern die arabischen Armeen im Verlaufe des Nahostkonfliktes nach und nach in mittlerweile über einem halben Dutzend Kriegen auf teils demütigende Weise zu besiegen (der letzte in Gaza, die Operation Gegossenes Blei, liegt erst kurze Zeit zurück). Vor allem der Schock von 1967 wirkte lange nach.

Da sich zudem die USA. als Schutzmacht Israels verstanden, das überdies schon in den 1960ern zur Atommacht wurde, war bereits in den 1950ern und 1960ern die generelle politische Tendenz der arabisch-islamischen Staaten in sozialistische, nationalistische und antisemitisch-islamische Richtung nicht nur in Palästina praktisch vorgegeben, mit dem Ostblock und hier vor allem der Sowjetunion als zunächst bevorzugten Partnern (und Waffenlieferanten, da der Westen keine Waffen lieferte). Die Bedeutung des sowjetischen Bündnispartners, die zunächst nach der Suezkrise von 1956 stark zugenommen und ab 1967 in Ägypten auch wirtschaftlich (Assuan-Staudamm) einen Höhepunkt erreichte, nahm allerdings relativ rasch ab angesichts der wirtschaftlichen Verlockungen, die der Westen zu bieten hatte, aber auch angesichts der Tatsache, dass die Sowjetunion seit 1967 keine diplomatischen Beziehungen zu Israel unterhielt, als Vermittler im Gegensatz zu den USA daher nicht in Frage kam, denn Nassers Nachfolger Anwar as-Sadat benötigte diesen Vermittler USA dringend, um durch einen auch territorialen Ausgleich mit Israel (Rückgabe des Sinai) seine Position, aber auch die wirtschaftliche Situation Ägyptens zu stabilisieren und scheute sich daher nicht einmal, 1972 alle 21.000 sowjetischen Experten des Landes zu verweisen. Auch haben später russische Kriege in islamischen Ländern Tschetschenien und Afghanistan eher ernüchternd gewirkt, und der Zusammenbruch der Sowjetunion und ihres ideologischen Modells desgleichen, zumal dieses in seiner atheistischen Struktur in krassem Gegensatz zum Islam stand. (Was andererseits den extrem orthodoxen Sudan heute nicht hindert, vor allem mit der Volksrepublik China enge Beziehungen zu unterhalten.)

Dass sich auf dieser instabilen Grundlage schließlich ein von westlichen Bündnispartnern nicht nur unabhängiger, sondern gegen sie als sog. Kreuzfahrernationen gerichteter terroristischer islamischer Fundamentalismus ausbreiten konnte, kann so gesehen nicht verwundern, zumal er auf einer breiten Massenbasis ruhte, denn den Ländern nicht nur Nordafrikas war es mit Ausnahme der Ölstaaten nicht gelungen, die soziale Situation ihrer sich zudem ständig massiv vermehrenden Bevölkerungen (Zunahme in Ägypten ca. 1 Mio pro Jahr) hinreichend zu verbessern. Und viele der heutigen Terrororganisationen wie die Hamas in Gaza, die Hisbolla im Libanon, die Islamische Heilsfront (FIS) und die Groupe Islamique Armé (GIA) in Algerien oder die Muslimbruderschaft in Ägypten haben denn auch als Sozialorganistionen und/oder politische Parteien begonnen und üben diese Funktion bis heute aus. Al-Qaida, ein Gewächs des extrem orthodoxen saudischen Wahabismus, nutzt diesen massenpsychologisch auf einem massiven Minderwertigkeitskomplex ruhenden Sachverhalt denn auch bis hin zu den fast ausschließlich von ihr eingesetzten Selbstmordattentätern.

Dabei lässt sich, was den arabisch-islamischen Antizionismus angeht, eine gewisse Abhängigkeit der Entfernung einzelner Staaten von Palästina von der Radikalität ihrer politischen Haltung beobachten. Tunesien, Algerien, Marokko, Mauretanien, Mali, Niger und trotz allen islamischen Extremismus auch der Sudan nehmen die Vorgänge eher aus der Distanz war und widmen sich relativ ungestört ihren muslimischen oder schlicht militärisch induzierten lokalen Machtinteressen, sind durchweg wie die übrigen Staaten Nordafrikas trotz aller demokratischen Einsprengsel autoritär geführt.

Es gibt zudem in Nordafrika wesentliche Faktoren, welche die religiöse Rezeption des Antizionismus entscheidend beeinflussen. Dabei wirkt sich zum Beispiel die Tatsache aus, dass durchaus nicht alle Staaten Nordafrikas arabisch sind, sondern vor allem im westlichen und südlichen Bereich berberisch und maurisch mit weiteren ethnischen Minderheiten dazu, so dass als einziges einigendes Band nur der Islam bleibt (wiederum mit der Ausnahme des Südsudan, dessen Bewohner mehrheitlich dem Christentum und ethnischen Religionen anhängen), der aber in den Ländern oft ganz unterschiedlich interpretiert und praktiziert wird von streng religiös bis liberal und mit teils höchst unterschiedlichen Traditionen. Vor allem in den Maghrebstaaten hat der nordafrikanische Islam eine eigene Entwicklung durchgemacht und hat Sonderformen und Rechtsschulen entwickelt, die von orthodoxen Muslimen der arabischen Welt teils als häretisch angesehen werden, etwa was die ausgeprägte Heiligenverehrung angeht oder Sekten wie die Ibaditen, auch gibt es massive soziologische Unterschiede etwa bei der Stellung der Frau (etwa bei den Tuareg). Zudem wirkt sich hier die Prägung vor allem der Eliten durch die Kultur der französischen Kolonialmacht bis heute aus. (In den Staaten des Kleinen Maghreb ist französisch bis heute zweite, inoffizielle, Landessprache.)

Auch wirkt die Erfahrung nach, die ein praktisch über tausendjähriger friedlicher Kontakt mit dem einheimischen Judentum mit sich brachte, das erst etwa ab den 1960ern nach und nach und gewöhnlich auf Druck von außen aus den jeweiligen Ländern vertrieben wurde, und in Ägypten ist auch das koptische Element noch stark vertreten (5–8 Millionen, zwischen 6 und 10 % der Gesamtbevölkerung). Andererseits hatte der gemeinsame Kampf gegen die Kolonialmächte es zumindest zeitweise vermocht, diese teils sehr erheblichen Unterschiede zu überbrücken und die Entwicklung des nordafrikanischen Islam in die allgemeine Entwicklung auch des politischen Islam und seiner Ziele einzubinden. An Stelle dieser Klammer ist allerdings längst die Feindschaft gegen Israel und damit häufig gegen den Westen insgesamt getreten, wie ihn der Fundamentalismus propagiert. Doch ist die Haltung der nordafrikanischen Staaten zum Nahostkonflikt uneinheitlich.

Selbst Libyen, das seine einstigen italienischen Kolonialherren nach dem Sturz des Königs Idris 1969 rüde des Landes verwies (und heute beste Beziehungen mit Italien pflegt), hat sich im Kampf gegen Israel materiell nicht sonderlich engagiert (und personell überhaupt nicht) und sich auf Veranlassung des allmächtigen Revolutionsführers Gaddafi vor allem dem internationalen Terrorismus sowie gelegentlich auch militärischen Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarn Tschad, Ägypten, Sudan, Tunesien, Algerien und Niger zugewandt. Die staatsterroristischen Aktivitäten, etwa der Anschlag in Berlin auf die Diskothek La Belle 1986 oder der Lockerbie-Anschlag 1988, hatten denn auch international ein massives politisches, technologisches und wirtschaftliches Embargo zur Folge.

Ägypten, das zudem über eine längere Tradition muslimischer Extremisten wie der Muslimbruderschaft, der al-Dschamaʿa al-islamiyya oder der inzwischen in Al-Qaida aufgegangenen Al-Dschihad (sie ermordeten Sadat) nebst einer ganzen Reihe kleinerer Gruppen verfügt, ist auch hier ein Sonderfall: Einerseits hat es mit Israel eine Grenze am Sinai und wurde von dem Land mehrmals militärisch gedemütigt (1956, 1967 und auch 1973, als General Ariel Scharon, den Suez-Kanal überquerte, die Stadt Suez und große Gebiete westlich davon besetzte und 100 km vor Kairo stand), andererseits ist es darauf angewiesen, sein massiven inneren, vor allem wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Probleme nicht durch militärische Abenteuer noch zu verschlimmern.

Das Beispiel Nassers, den nur sein Charisma vor dem Sturz bewahrte, als er seine Kriege gegen Israel schmählich verlor (und die Sinai-Halbinsel obendrein), wirkte hier eher abschreckend und hat seinen Nachfolger im Amt Sadat veranlasst, nach dem verlorenen Jom-Kippur-Krieg, den er wegen der israelischen Beinahe-Niederlage propagandistisch in einen politischen Erfolg umzuwerten verstand, mit Israel jenen oben geschilderten Ausgleich zu suchen, was dessen Nachfolger Hosni Mubarak bis heute praktiziert, trotz der Komplikationen im Gaza-Streifen, der ja von Ägypten bis 1967 verwaltet wurde und nun von der Hamas dominiert wird. Tatsächlich hat man es auch in Ägypten wie in den anderen nahöstlichen Staaten verstanden, das palästinensische Flüchtlingsproblem, das nach der Nakba genannten Niederlage der arabischen Staaten 1948 entstanden war, für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren, indem man die Flüchtlinge nicht aufnahm und so integrierte, sie vielmehr jahrzehntelang in ihren Lagern ließ, damit das Problem politisch am Köcheln hielt, ohne allerdings zu ahnen, welcher fundamentalistische Sprengstoff sich dadurch an diesen Orten anhäufen würde.[

Es ist somit kein Wunder, dass etwa die Maghreb-Staaten, die ohnehin mit unruhigen Berberstämmen zu kämpfen haben und wie Marokko ihr Hauptaugenmerk auf die Westsahara richten, oder die Staaten des Sahara-Südrandes es vermieden, abgesehen von rhetorischen Bemühungen und symbolischen Aktionen allzu sehr in diese nahöstliche Gemengelage involviert zu werden und viel lieber ihre eigenen Machtinteressen verfolgten und noch verfolgen. Das gilt aber nicht nur für den Maghreb, sondern zum Beispiel auch für den Sudan, wie man gegenwärtig im Darfur beobachten kann und bei den Problemen, die die Sezessionsbemühungen des erdölreichen Südsudan aufwerfen In Mali, wo zwar demokratische Zustände herrschen, die innere Situation aber wie im Tschad kaum unter Kontrolle ist, im Niger, das erst 2010 wieder einen Militärputsch erlebte, und in Mauretanien, wo dasselbe Ende 2008 geschah, ist die Situation überdies traditionell instabil. Aber auch in Antiterrormaßnahmen Algeriens und Marokkos und anderer, auch angesichts verschiedener Entführungen von Touristen um ihre Einnahmen aus dem Tourismus fürchtenden Staaten Nordafrikas einschließlich Ägyptens orientieren sich kaum an dem doch eher fernliegenden Schicksal der Palästinenser.

Einige Staaten begannen zudem, teilweise sogar parallel zu den panarabischen Bemühungen, mit sozialistishen Staatenbildungen. Unterdessen spaltete sich der arabische Nationalismus schon bald nach 1948 in eine panarabische, die Einheit der arabischen Welt betonende Grundrichtung und in eine mehr regionale, die einzelstaatliche Besonderheiten an die erste Stelle setzte. Das Ägypten Nassers (Nasserismus) und das Libyen Gaddafis sowie der Sudan Numeiris und das Algerien Ahmed Ben Bella und Houari Boumediennes sind hierfür in Nordafrika besonders markante Beispiele (im Nahen Osten war es die Gründung der Baath-Partei), wobei Gaddafi sogar versuchte, mit seiner Dritten Universaltheorie einen dritten Weg zwischen westlichem Kapitalismus und östlichem Sozialismus nicht nur theoretisch zu entwerfen, sondern auch praktisch zu realisieren, ein Weg, der seiner Meinung nach für die Bedürfnisse seiner islamisch-beduinischen Heimat besser geeignet schien. Solche Bestrebungen bedeuteten allerdings zunächst in den 1950ern noch keineswegs eine Moskau-Orientierung, wie im Westen damals vielfach unterstellt wurde.

Ein weiterer, von den arabisch-islamischen Staaten nicht nur Nordafrikas allerdings selten laut angesprochener Faktor solcher Diskrepanzen ist natürlich aber auch das teils extreme wirtschaftliche Ungleichgewicht dieser Länder untereinander. Dabei reicht die Spanne von einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 738 US-$ im Falle von Niger über 1126 für Mali und 5898 für Ägypten bis zu 14.533 bei Libyen und 39.850 für Kuweit. Dazu kommen dann noch die teils desaströsen Folgen der modernen westlichen Dumpingpolitik, welche die Landwirtschaften auch Nordafrikas massiv beeinträchtigen, ebenso wie „die gegenwärtige kannibalische Weltordnung des globalisierten Finanzkapitals“ Auch der islamische Sozialismus scheiterte denn auch an der praktischen Durchführung und den unterschiedlichen Rahmenbedingungen, und es kam ab 1979 zu einer Entideologisierung sowohl des Islam wie seiner sozialistischen Interpretation.Als offizielles Ende des mit sozialistischen Ideen angereicherten Panarabismus wird der Schwarze September von 1970 angesehen.

Seit 1989 besteht die Union des Arabischen Maghreb, ein Zusammenschluss der Maghreb-Staaten Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien sowie Mauretaniens, der schon seit 1964 geplant, aber wegen ständiger Konflikte zwischen diesen Staaten immer wieder aufgeschoben worden war.

Nun gab es aber im geostrategischen politischen Umfeld des Nahen Ostens bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine Situation, die all diese Bemühungen und Tendenzen von Anfang an massiv beeinflusst und regelrecht militarisiert und radikalisiert hat: die Existenz des Staates Israel in Palästina seit 1948. Diese geopolitische Situation im Nahen Osten war für sich genommen schon für die das jüdische Land rundum einschließende moslemische Welt ein kaum zu verwindender Affront, zumal dieses im Verhältnis zur arabischen Welt geradezu winzige Gebiet mit nur wenigen Millionen Einwohnern (heute 7,5 Mio., damals 1948 650.000) es vermocht hatte, nicht nur zu überleben, sondern die arabischen Armeen im Verlaufe des Nahostkonfliktes nach und nach in mittlerweile über einem halben Dutzend Kriegen auf teils demütigende Weise zu besiegen (der letzte in Gaza, die Operation Gegossenes Blei, liegt erst kurze Zeit zurück). Vor allem der Schock von 1967 wirkte lange nach.

Da sich zudem die USA. als Schutzmacht Israels verstanden, das überdies schon in den 1960ern zur Atommacht wurde, war bereits in den 1950ern und 1960ern die generelle politische Tendenz der arabisch-islamischen Staaten in sozialistische, nationalistische und antisemitisch-islamische Richtung nicht nur in Palästina praktisch vorgegeben, mit dem Ostblock und hier vor allem der Sowjetunion als zunächst bevorzugten Partnern (und Waffenlieferanten, da der Westen keine Waffen lieferte). Die Bedeutung des sowjetischen Bündnispartners, die zunächst nach der Suezkrise von 1956 stark zugenommen und ab 1967 in Ägypten auch wirtschaftlich (Assuan-Staudamm) einen Höhepunkt erreichte, nahm allerdings relativ rasch ab angesichts der wirtschaftlichen Verlockungen, die der Westen zu bieten hatte, aber auch angesichts der Tatsache, dass die Sowjetunion seit 1967 keine diplomatischen Beziehungen zu Israel unterhielt, als Vermittler im Gegensatz zu den USA daher nicht in Frage kam, denn Nassers Nachfolger Anwar as-Sadat benötigte diesen Vermittler USA dringend, um durch einen auch territorialen Ausgleich mit Israel (Rückgabe des Sinai) seine Position, aber auch die wirtschaftliche Situation Ägyptens zu stabilisieren und scheute sich daher nicht einmal, 1972 alle 21.000 sowjetischen Experten des Landes zu verweisen. Auch haben später russische Kriege in islamischen Ländern Tschetschenien und Afghanistan eher ernüchternd gewirkt, und der Zusammenbruch der Sowjetunion und ihres ideologischen Modells desgleichen, zumal dieses in seiner atheistischen Struktur in krassem Gegensatz zum Islam stand. (Was andererseits den extrem orthodoxen Sudan heute nicht hindert, vor allem mit der Volksrepublik China enge Beziehungen zu unterhalten.)

Dass sich auf dieser instabilen Grundlage schließlich ein von westlichen Bündnispartnern nicht nur unabhängiger, sondern gegen sie als sog. Kreuzfahrernationen gerichteter terroristischer islamischer Fundamentalismus ausbreiten konnte, kann so gesehen nicht verwundern, zumal er auf einer breiten Massenbasis ruhte, denn den Ländern nicht nur Nordafrikas war es mit Ausnahme der Ölstaaten nicht gelungen, die soziale Situation ihrer sich zudem ständig massiv vermehrenden Bevölkerungen (Zunahme in Ägypten ca. 1 Mio pro Jahr) hinreichend zu verbessern. Und viele der heutigen Terrororganisationen wie die Hamas in Gaza, die Hisbolla im Libanon, die Islamische Heilsfront (FIS) und die Groupe Islamique Armé (GIA) in Algerien oder die Muslimbruderschaft in Ägypten haben denn auch als Sozialorganistionen und/oder politische Parteien begonnen und üben diese Funktion bis heute aus. Al-Qaida, ein Gewächs des extrem orthodoxen saudischen Wahabismus, nutzt diesen massenpsychologisch auf einem massiven Minderwertigkeitskomplex ruhenden Sachverhalt denn auch bis hin zu den fast ausschließlich von ihr eingesetzten Selbstmordattentätern.

Dabei lässt sich, was den arabisch-islamischen Antizionismus angeht, eine gewisse Abhängigkeit der Entfernung einzelner Staaten von Palästina von der Radikalität ihrer politischen Haltung beobachten. Tunesien, Algerien, Marokko, Mauretanien, Mali, Niger und trotz allen islamischen Extremismus auch der Sudan nehmen die Vorgänge eher aus der Distanz war und widmen sich relativ ungestört ihren muslimischen oder schlicht militärisch induzierten lokalen Machtinteressen, sind durchweg wie die übrigen Staaten Nordafrikas trotz aller demokratischen Einsprengsel autoritär geführt.

Es gibt zudem in Nordafrika wesentliche Faktoren, welche die religiöse Rezeption des Antizionismus entscheidend beeinflussen. Dabei wirkt sich zum Beispiel die Tatsache aus, dass durchaus nicht alle Staaten Nordafrikas arabisch sind, sondern vor allem im westlichen und südlichen Bereich berberisch und maurisch mit weiteren ethnischen Minderheiten dazu, so dass als einziges einigendes Band nur der Islam bleibt (wiederum mit der Ausnahme des Südsudan, dessen Bewohner mehrheitlich dem Christentum und ethnischen Religionen anhängen), der aber in den Ländern oft ganz unterschiedlich interpretiert und praktiziert wird von streng religiös bis liberal und mit teils höchst unterschiedlichen Traditionen. Vor allem in den Maghrebstaaten hat der nordafrikanische Islam eine eigene Entwicklung durchgemacht und hat Sonderformen und Rechtsschulen entwickelt, die von orthodoxen Muslimen der arabischen Welt teils als häretisch angesehen werden, etwa was die ausgeprägte Heiligenverehrung angeht oder Sekten wie die Ibaditen, auch gibt es massive soziologische Unterschiede etwa bei der Stellung der Frau (etwa bei den Tuareg). Zudem wirkt sich hier die Prägung vor allem der Eliten durch die Kultur der französischen Kolonialmacht bis heute aus. (In den Staaten des Kleinen Maghreb ist französisch bis heute zweite, inoffizielle, Landessprache.)

Auch wirkt die Erfahrung nach, die ein praktisch über tausendjähriger friedlicher Kontakt mit dem einheimischen Judentum mit sich brachte, das erst etwa ab den 1960ern nach und nach und gewöhnlich auf Druck von außen aus den jeweiligen Ländern vertrieben wurde, und in Ägypten ist auch das koptische Element noch stark vertreten (5–8 Millionen, zwischen 6 und 10 % der Gesamtbevölkerung). Andererseits hatte der gemeinsame Kampf gegen die Kolonialmächte es zumindest zeitweise vermocht, diese teils sehr erheblichen Unterschiede zu überbrücken und die Entwicklung des nordafrikanischen Islam in die allgemeine Entwicklung auch des politischen Islam und seiner Ziele einzubinden. An Stelle dieser Klammer ist allerdings längst die Feindschaft gegen Israel und damit häufig gegen den Westen insgesamt getreten, wie ihn der Fundamentalismus propagiert. Doch ist die Haltung der nordafrikanischen Staaten zum Nahostkonflikt uneinheitlich.

Selbst Libyen, das seine einstigen italienischen Kolonialherren nach dem Sturz des Königs Idris 1969 rüde des Landes verwies (und heute beste Beziehungen mit Italien pflegt), hat sich im Kampf gegen Israel materiell nicht sonderlich engagiert (und personell überhaupt nicht) und sich auf Veranlassung des allmächtigen Revolutionsführers Gaddafi vor allem dem internationalen Terrorismus sowie gelegentlich auch militärischen Auseinandersetzungen mit seinen Nachbarn Tschad, Ägypten, Sudan, Tunesien, Algerien und Niger zugewandt. Die staatsterroristischen Aktivitäten, etwa der Anschlag in Berlin auf die Diskothek La Belle 1986 oder der Lockerbie-Anschlag 1988, hatten denn auch international ein massives politisches, technologisches und wirtschaftliches Embargo zur Folge. Dies führte allerdings nur dazu, dass es der Bevölkerung wirtschaftlich schlechter ging, die Regierung um Gaddafi und die politischen Klasse des Landes hatte darunter nicht zu leiden.

Ägypten, das zudem über eine längere Tradition muslimischer Extremisten wie der Muslimbruderschaft, der al-Dschamaʿa al-islamiyya oder der inzwischen in Al-Qaida aufgegangenen Al-Dschihad (sie ermordeten Sadat) nebst einer ganzen Reihe kleinerer Gruppen verfügt, ist auch hier ein Sonderfall: Einerseits hat es mit Israel eine Grenze am Sinai und wurde von dem Land mehrmals militärisch gedemütigt (1956, 1967 und auch 1973, als General Ariel Scharon, den Suez-Kanal überquerte, die Stadt Suez und große Gebiete westlich davon besetzte und 100 km vor Kairo stand), andererseits ist es darauf angewiesen, sein massiven inneren, vor allem wirtschaftlichen, sozialen und religiösen Probleme nicht durch militärische Abenteuer noch zu verschlimmern.

Das Beispiel Nassers, den nur sein Charisma vor dem Sturz bewahrte, als er seine Kriege gegen Israel schmählich verlor (und die Sinai-Halbinsel obendrein), wirkte hier eher abschreckend und hat seinen Nachfolger im Amt Sadat veranlasst, nach dem verlorenen Jom-Kippur-Krieg, den er wegen der israelischen Beinahe-Niederlage propagandistisch in einen politischen Erfolg umzuwerten verstand, mit Israel jenen oben geschilderten Ausgleich zu suchen, was dessen Nachfolger Hosni Mubarak bis heute praktiziert, trotz der Komplikationen im Gaza-Streifen, der ja von Ägypten bis 1967 verwaltet wurde und nun von der Hamas dominiert wird. Tatsächlich hat man es auch in Ägypten wie in den anderen nahöstlichen Staaten verstanden, das palästinensische Flüchtlingsproblem, das nach der Nakba genannten Niederlage der arabischen Staaten 1948 entstanden war, für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren, indem man die Flüchtlinge nicht aufnahm und so integrierte, sie vielmehr jahrzehntelang in ihren Lagern ließ, damit das Problem politisch am Köcheln hielt, ohne allerdings zu ahnen, welcher fundamentalistische Sprengstoff sich dadurch an diesen Orten anhäufen würde.[

Es ist somit kein Wunder, dass etwa die Maghreb-Staaten, die ohnehin mit unruhigen Berberstämmen zu kämpfen haben und wie Marokko ihr Hauptaugenmerk auf die Westsahara richten, oder die Staaten des Sahara-Südrandes es vermieden, abgesehen von rhetorischen Bemühungen und symbolischen Aktionen allzu sehr in diese nahöstliche Gemengelage involviert zu werden und viel lieber ihre eigenen Machtinteressen verfolgten und noch verfolgen.

Das gilt aber nicht nur für den Maghreb, sondern zum Beispiel auch für den Sudan, wie man gegenwärtig im Darfur beobachten kann und bei den Problemen, die die Sezessionsbemühungen des erdölreichen Südsudan aufwerfen In Mali, wo zwar demokratische Zustände herrschen, die innere Situation aber wie im Tschad kaum unter Kontrolle ist, im Niger, das erst 2010 wieder einen Militärputsch erlebte, und in Mauretanien, wo dasselbe Ende 2008 geschah, ist die Situation überdies traditionell instabil. Aber auch in Antiterrormaßnahmen Algeriens und Marokkos und anderer, auch angesichts verschiedener Entführungen von Touristen um ihre Einnahmen aus dem Tourismus fürchtenden Staaten Nordafrikas einschließlich Ägyptens orientieren sich kaum an dem doch eher fernliegenden Schicksal der Palästinenser.

Es ist somit insgesamt bis heute eine verstärkte Interessendivergenz der islamisch-arabischen Länder Nordafrikas zu beobachten, vor allem wenn bei ihnen die einigende Klammer des Kampfes gegen Israel fehlt und andere, fast stets innenpolitische Probleme wichtiger sind, auch wenn es Bemühungen gibt, diesen Stillstand zu überwinden. Das gilt vor allem, wenn die Furcht vieler islamischer Länder vor terroristischen Anschlägen in ihren Gebieten die Oberhand gewinnt, die nicht zuletzt von Al-Qaida initiiert werden und etwa im Irak die Form eines veritablen sunnitisch-schiitischen Religionskrieges angenommen haben, so dass sich hinsichtlich der Vision von einer womöglich gar panarabischen islamischen Souveränität und Solidarität, sei sie nun herbeigebombt oder nicht, eher Resignation breitmacht. Dasselbe gilt für die Hoffnung auf Demokratie und die Hoffnung auf Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in der Bevölkerung.

Seit 2010/2011 erschüttern nun relativ unerwartet und wie in Tunesien durch einen singulären tragischen Fall mit sozialem Hintergrund ausgelöst (eine Selbstverbrennung), vor allem sozial orientierte Revolutionen Nordafrika, die zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen geführt und Hosni Mubarak in Ägypten, wo sich der Aufstand am zentralen Tahrir-Platz in Kairo konzentrierte, und Ben Ali in Tunesien (sog. Jasmin-Revolution) bereits ihre Ämter gekostet haben. Oberst Gaddafi wiederum sah sich in Libyen ebenfalls einem Volksaufstand zunächst vor allem im Osten des Landes um Bengasi gegenüber, der durch das Eingreifen der Nato-Luftstreitkräfte aufgrund eines UN-Beschlusses zum Schutz der Zivilbevölkerung zusätzliche Brisanz erhielt und im Herbst zum Erfolg der Revolutionäre und zum Tod des Diktators führte.

Wie in allen anderen, von Volksaufständen erschütterten Staaten Nordafrikas war die innenpolitische Situation nach deren Erfolg instabil. Nicht zuletzt das Verhalten muslimischer Bewegungen sowie ethnische Egoismen von Stämmen (etwa in Libyen) und die Haltung des Militärs bzw. der alten Eliten sind dabei zusammen mit fehlenden demokratischen Strukturen und Erfahrungen die entscheidenden Unsicherheitsfaktoren.

Auslöser dieser Revolutionen waren allerdings nie primär islamistische Tendenzen, die hier überhaupt keine Rolle gespielt und den einschlägigen Organisationen wie der Muslimbrüderschaft in Ägypten oder al-Qaida, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle zugewiesen haben, sondern die Unzufriedenheit der Bevölkerung, vor allem auch der gebildeten bürgerlichen Jugend, über Arbeitslosigkeit, Chancenungleichheit (extrem hohe Arbeitslosigkeit) und soziale Verzerrungen sowie die ungeheure Raffgier der herrschenden Kreise, wobei demografisch erschwerend hinzu kommt, dass die Mehrzahl der jeweiligen Bevölkerung noch sehr jung, unter 30 ist. Gefördert wurden die Revolutionen, die inzwischen auch außerhalb Nordafrikas auf die Golfstaaten (Bahrein), den Yemen sowie auf Syrien übergegriffen haben, vor allem auch durch das Internet und die Vertrautheit der Jugend mit den Möglichkeiten dieser Technik, die eine schnelle Koordination der Aufständischen ermöglichen und eine Zensur der Vorgänge durch Regierungsstellen immer weniger zulassen.

Auch in den anderen Staaten des nordafrikanischen Maghreb, in Marokko und vor allem in Algerien, hat es 2011 Unruhen gegeben bei ganz ähnlicher soziopolitischer Tendenz. Diese zarten Demokratisierungsansätze verpufften aber im Laufe der Zeit und blieben in ihrer Entwicklung stehen. Dabei stützte vor allem die Jugend die Proteste in den unterschiedlichen Ländern.

Im Iran hatte es bereits 2009 nach den iranischen Präsidentschaftswahlen ähnliche Proteste gegeben, bei denen erstmals wirkungsvoll Internettechnologien zur Verbreitung und Dokumentation der Aufstände eingesetzt worden waren. Diese Aufstände flammten dann am 14. Februar 2011 erneut auf. Die Idee, das Internet auf diese Weise breitenwirksam zu nutzen, etwa mit Handys, scheint von dort vom arabisch-nordafrikanischen Raum (und später auch von China) übernommen worden zu sein.

Fußnoten

  1.  ↑ Forkl, H./Kalter, J./Leisten, T./Pavaloi, M. (Hrsg.): Die Gärten des Islam, London/Stuttgart 1993, S. 271
  2.  ↑ Ebd.
  3.  ↑ Ebd., S. 272
  4.  ↑ Ebd., S. 110
  5.  ↑ Kaufmann, H.: Wirtschafts- und Sozialstruktur der Iforas-Tuareg, Köln 1964, S. 16
  6.  ↑ Ebd., S. 19
  7.  ↑ Ebd., S. 36
  8.  ↑ Krings, T. Sahelländer, Darmstadt 2006, S. 56
  9.  ↑ Ebd., S. 32
  10.  ↑ Ebd., S. 34
  11.  ↑ Forkl/Kalter/ Leisten/Pavaloi, Die Gärten des Islam, a.a.O., S. 274
  12.  ↑ Nicolaisen, Economy and Culture of the Pastoral Tuareg, a.a.O., S. 89
  13.  ↑ Zitiert aus Lhote, H.: Les Touaregs du Hoggar, Paris 1955, S. 46
  14.  ↑ Forkl/Kalter/ Leisten/Pavaloi, Die Gärten des Islam, a.a.O., S. 274
  15.  ↑ Nicolaisen, Economy and Culture of the Pastoral Tuareg, a.a.O., S. 89
  16.  ↑ Hureiki, J.: Tuareg - Heilkunst und spirituelles Gleichgewicht, Schwülper 2004, S. 26
  17.  ↑ Freitag, A., Die Tuareg. Ein Wüstenvolk zwischen Gott und Geistern, S. 11
  18.  ↑ Forkl/Kalter/ Leisten/Pavaloi, Die Gärten des Islam, a.a.O., S. 274
  19.  ↑ Ebd., S. 272
  20.  ↑ Ebd., S. 274
  21.  ↑ Ebd., S. 276
  22.  ↑ Freitag, Die Tuareg. Ein Wüstenvolk zwischen Gott und Geistern, a.a.O., S. 12
  23.  ↑ Forkl/Kalter/ Leisten/Pavaloi, Die Gärten des Islam, a.a.O., S. 274
  24.  ↑ Nicolaisen, J.: Economy and Culture of the Pastoral Tuareg, Kopenhagen 1963, S. 124
  25.  ↑ Ebd., S. 125f
  26.  ↑ Köhler, A.: Verfassung, Soziale Gliederung, Recht und Wirtschaft der Tuareg, Berlin 1972, S. 26 ff.
  27.  ↑ Krings, Sahelländer, a.a.O., S. 265