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Ian Kershaw: Höllensturz

Europa 1914 bis 1949

aus dem Englischen von Klaus Binder, Bernd Leineweber und Britta Schröder, DVA, 3. Auflage, München 2016, ISBN: 9783421047229

Kershaw gilt in Fachkreisen als bedeutender Experte auf dem Gebiet der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Einem breiteren Publikum wurde er mit seiner zweiteiligen Hitler-Biografie bekannt, die 1998 und 2000 erschien. In ihr versucht Kershaw, Hitlers Aufstieg und Herrschaftssystem vor allem mit Blick auf die gesellschaftlichen Kräfte zu erklären. Sie gilt mittlerweile als ein Standardwerk. Auch andere Werke über den Nationalsozialismus machten Kershaw zu einem weltweit angesehenen Fachmann. Nun Kershaw jetzt den ersten Teil einer Geschichte Europas im 20. Jahrhundert vor. "Höllensturz" heißt es in der deutschen Übersetzung.

Ian Kershaw erzählt in dem Werk die Geschichte dieses Kontinents vom Vorabend des Ersten Weltkriegs bis in die Zeit des beginnenden Kalten Kriegs Ende der vierziger Jahre, nachdem die europäische Zivilisation an den Rand der Selbstzerstörung gelangt war. Er schildert die großen Entwicklungslinien in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, die einen Eindruck geben vom Leben im Europa der ersten Jahrhunderthälfte.

Kershaw gibt eine Übersicht über die Entwicklungen und Prozesse in allen Ecken Europas, mit zwei Kriegen und einer kurzen Friedensepoche dazwischen Er zeigt die Möglichkeit auf, in Frieden miteinander zu leben, und die nationalistisch und chauvinistisch verwurzelte Feindschaft, die in grausamen Kriegen mit Millionen von Opfern mündet. Dabei geht er besonders auf die Entwicklung des Nationalsozialismus ein und stellt sich die Frage, wie der Aufstieg Hitlers und seiner faschistischen Helfer hätte verhindert werden können. Ein zweiter Band, der sich mit dem zweiten Teil des 19. Jahrhunderts beschäftigt, ist geplant.

Das Buch hat allerdings einen entscheidenden Schwachpunkt: Europäische Geschichte ist kein isoliertes Phänomen, sondern nur im Kontext der weltweiten Geschichte und Politik zu begreifen. Der Ansatz Kershaws mutet seltsam an, da sich im Kontext zweier Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Historie nicht auf Europa beschränken kann. Kershaw jetzt Eurozentrismus vorzuwerfen wäre übertrieben, aber der Ansatz der weltgeschichtlichen Entwicklung ist im Zeitalter der Globalisierung schon zu erwarten.

Kershaws Werk ist eher als Postulat für die im Augenblick bröckelnde Einigkeit der EU zu verstehen. Nationalismus, Rassismus und Machtansprüche haben schon sehr häufig innerhalb Europas zu Feindseligkeiten und Krieg geführt, dies gilt es präventiv zu bekämpfen. Dieses Buch führt die Folgen drastisch vor Augen und ist einen Art Mahnmal düsterer Zeiten.

Kershaws Werk ist gewohnt sehr gut wissenschaftlich aufbereitet und geschrieben, der Ansatz jedoch fragwürdig. Es gab schon bessere Bücher von ihm.

 

Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek:

ISBN: 9783421047229 .