e-Portfolio von Michael Lausberg
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Hugenotten in Franken

Vorgeschichte

Die Entwicklung unter Ludwig XIV. bis zum Revokationsedikt von Fontainebleau (1685)

Im Jahre 1661 lebten ungefähr eine Million Hugenotten in Frankreich, die in allen gesellschaftlichen Schichten zu finden waren. Nördlich der Loire existierte mit Ausnahme der Normandie lediglich eine geringe Anzahl an hugenottischen Gemeinden, die hauptsächlich in Städten wie Metz, Caen, Rouen oder Sedan konzentriert waren.[1] In Paris bildeten 10.000-12.000 Protestanten innerhalb der katholischen Bevölkerung eine Minderheit. Joutard geht in seiner Schätzung von mehr als 150.000 in Nordfrankreich lebenden Hugenotten aus.[2]

Dagegen bildeten die Hugenotten im Süden des Landes größere Gruppen mit meist ländlicher Basis. In manchen Gebieten stellten sie sogar die Mehrzahl der Bevölkerung wie in den Cervennen und in der Gegend von Nimes, wo sie ungefähr 80 % der Einwohner ausmachten, aber auch in einigen Landstrichen des Vivarais wie z.B. der Dauphine. Außerdem befand sich in Dieulefit, Bordeaux und im niederen Languedoc die katholische Bevölkerung in der Minderzahl. Weiter nach Westen hin verfügten die südfranzösischen Hugenotten weiterhin über andere Stützpunkte wie z.B. am Rande des Zentralmassivs um Millau, Castres, Mazamet sowie in Montauban, in den Pyrenäen und im Bearn. Ferner existierten entlang des Atlantiks mehrere hugenottische Bastionen, die wichtigsten waren La Rochelle, Poitou, Chatellerault und Niort. Laut Joutard lebten insgesamt mehr als 800.000 Hugenotten im Süden Frankreichs.[3] Vor allem die hugenottischen Hochburgen im Süden des Königreiches unterhielten seit dem 16. Jahrhundert ständige Verbindungen miteinander.

Ludwig XIV. zweifelte am Loyalismus der Hugenotten zum französischen Staat und vertrat gegenüber dem Protestantismus eine ablehnende Haltung:[4] „Ich habe stets die reformierte Lehre für ein Übel gehalten und betrachte sie heute noch mit Schmerz.“

Im Umgang mit den Hugenotten plädierte Ludwig XIV. für eine restriktive Auslegung des Ediktes von Nantes:[5] „(…) das beste Mittel, um die Zahl der Hugenotten in meinem Königreiche allmählich zu verringern, bestehe darin, keine neuen Bedrückungen gegen sie anzuwenden, die Rechte zu beobachten, die sie unter den vorigen Königen erlangt hatten, aber ihnen auch keine neuen Zugeständnisse zu machen, sondern die Ausübung dieser Rechte nur in den engsten Grenzen der Gerechtigkeit und Billigkeit zu gewähren. (…) Gnadenerweise, die nur von mir abhingen, sollten von nun an keinem Anhänger dieser Lehre mehr zuteil werden (…) um sie zu bewegen, eifriger auf die Männer zu hören, die ihnen die Augen öffnen konnten, beschloß ich, durch Belohnungen für diejenigen, die Vernunft annehmen wollten, einen Anreiz zu schaffen.“

Der erste Schritt zur Bekämpfung des Protestantismus in Frankreich war das Verbot der Versammlungen der hugenottischen Nationalsynoden durch Ludwig XIV.; nach der Synode von Loudan im Jahre 1659 kam es zu keiner weiteren Zusammenkunft der führenden protestantischen Vertreter.[6] Der Versuch der Hugenotten, Ludwig XIV. von ihrer Treue gegenüber seiner Person und dem französischen Königreich zu überzeugen, schlug fehl. Die Mitglieder der Synode von Loudan übergaben einen Brief an den König, in dem sie folgendes versicherten:[7] „Die Könige dieser Welt haben in gewisser Weise den Platz Gottes inne und sind sein wirkliches Abbild auf Erden. Dies sind die fundamentalen Grundsätze unseres Glaubens, die wir während unserer ganzen Kindheit gelernt haben, die wir versuchen, während unseres ganzen Lebens anzuwenden, und die wir als eine unbedingte Pflicht unseren Herden einimpfen.“

Da der Austritt aus der protestantischen Kirche häufig den Verlust des Geschäftes, des elterlichen Erbteils und aller Arbeitsmöglichkeiten nach sich zog, wurde im Jahre 1676 unterstützt von Ludwig XIV. und der gallikanischen Kirche die „caisse de conversions“ („Konversionskasse“) gegründet, die zum Katholizismus bekehrten Protestanten finanziell unterstützen sollte.[8]

Des Weiteren appellierte Ludwig XIV. an die katholischen Pfarrer in Frankreich, durch Predigten und die Verbreitung zahlreicher katholischer Schriften die Hugenotten zum Katholizismus zu bekehren. Ein Beispiel dafür stellte der Pfarrer Jean Drouhet aus Saint-Maixent dar. Er widmete sich vor allem der Aufgabe, die seiner Meinung nach häretischen Protestanten in seiner Gemeinde zum katholischen Glauben zu bekehren. In einem Fall fungierte er als Zeuge einer Abschwörung eines protestantischen Mitglieds seiner Gemeinde, ein anderes Mal übernahm er eine Patenschaft für die Kinder eines konvertierten Protestanten. Diese Maßnahmen erwiesen sich jedoch als weitgehend wirkungslos; lediglich eine verschwindende Minorität unter den Hugenotten ließ sich zur Konversion bewegen.[9]

Durch die Einquartierung von Soldaten bei protestantischen Familien versuchte Ludwig XIV., die Bekehrung zum katholischen Glauben voranzutreiben. Da zu dieser Zeit noch keine Kasernen existierten, war die Zivilgesellschaft dazu verpflichtet, Soldaten bei sich aufzunehmen und ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Mit dieser Maßnahme, die bislang lediglich gegen Steuersünder angewendet wurde, wurden nun in protestantischen Haushalten Soldaten einquartiert- ein Vorgang, für den sich rasch die Bezeichnung „dragonnade“ (Dragonade) durchsetzte. Die Dragoner stellten ein Teil der berittenen Infanterie dar, die aufgrund ihrer Rücksichtslosigkeit und Brutalität gefürchtet waren. Durch die Anwendung von Gewalt und psychischem Terror gelang es den Soldaten, viele hugenottische Familien zur Konversion zu zwingen. Bluche berichtete, dass „die Dragoner im Juli des Jahres 1685 innerhalb von acht Tagen mehr Protestanten bekehrt hätten als die Missionare im Laufe eines ganzen Jahres.“[10] Ein für die Zwangskonversion verantwortlicher Marschall der Dragoner berichtete: [11] „Ich weiß nicht mehr, was ich mit den Truppen machen soll, weil die Ortschaften, in die ich sie schicke, im allgemeinen alle konvertieren, und zwar so schnell, dass alles, was sie machen können, dies ist: eine Nacht in den Ortschaften schlafen, in die ich sie schicke.“

Es gab allerdings auch protestantische Familien, die sich den Zwangsbekehrungen der Dragoner mit Erfolg widersetzten. Ein katholischer Agent gab seinem Vorgesetzten die folgende Meldung weiter:[12] „Es gibt noch gut 45 Hugenottenfamilien in Rouen, die sich nicht ergeben wollen und die ohne ein Anzeichen von Ungeduld zusehen, wie die Reiter, die bei ihnen einquartiert sind, ihre Güter verzehren. Gestern wurde ich von einem unserer Herren Präsidenten gebeten, einen Kaufmann aufzusuchen, der vier Kürassiere bei sich hat, um diesen für uns zu gewinnen; aber er wollte zu keiner Zeit eine Unterredung mit mir führen; und als ich ihn bat, mir die Dinge zu nennen, an denen er in unserem Glauben zweifele, sagte er mir , dass er an allem zweifele und dass Gott ihm die Gnade gewähre, in seinem Glauben an nichts zu zweifeln. Er geleitet selbst seine Reiter zu den Metzgern und in die Garküchen; sie wählen, was sie wollen, und er trinkt und isst mit ihnen, und sagt ihnen oft, dass sein Gut und Leben dem König, sein Gewissen aber Gott gehöre.“

Neben diesen Praktiken wurden in den Jahren zwischen 1660 bis 1685 die gesetzlichen Rechte der Hugenotten erheblich eingeschränkt, die zunächst den protestantischen Kult und die Prediger, dann die Gesamtheit der gläubigen Hugenotten und schließlich die von französischen Kalvinisten ausgeübten Berufe betrafen.

Die Bestimmungen des Ediktes von Nantes und des Gnadenediktes von Alais sahen für den protestantischen Kult bestimmte Einschränkungen vor. Lediglich in Orten, die eine bestimmte Anzahl von protestantischen Einwohnern besaßen, war es erlaubt, Gottesdienste abzuhalten. Diese Grundsätze konnten nachsichtig oder streng ausgelegt werden, in der Regel wurde die letztere Variante gewählt. Im Poitou wurden am 13.9.1663 in Champdeniers sowie am 5.5.1682 in La Mothe-Saint-Heraye die protestantischen Gotteshäuser abgerissen. Im September 1682 warf der Intendant von Paris den dort lebenden Hugenotten vor, dass die in ihrem Gotteshaus zu Charenton ebenso Lutheraner, Zwinglianer sowie Anglikaner tolerierten, obwohl innerhalb des französischen Staates lediglich die calvinistische Religion erlaubt sei.

Die protestantischen Prediger waren ebenfalls von der restriktiven Auslegung des Ediktes von Nantes betroffen. Das Dekret vom März 1683 erlaubte es ihnen bei drohender öffentlicher Abbitte nicht, den Übertritt von Katholiken zum Protestantismus zu dulden oder gar zu unterstützen. Die Erklärung vom 22.5.1683 enthielt die Aufforderung, dass in allen protestantischen Kirchen eine bestimmte Zahl von Plätzen für Katholiken zu reservieren sei. Die Festlegung vom August 1684 besagte, dass kein hugenottischer Pfarrer länger als drei Jahre an einem Ort seinen Beruf ausüben durfte. Am 26.12. 1684 wurde per Dekret festgelegt, dass öffentliche protestantische Gottesdienste lediglich in jenen Orten durchgeführt werden durften, in denen mindestens zehn hugenottische Familien wohnten. Im August 1685 wurde es den französischen Kalvinisten untersagt, Predigten zu halten sowie theologische Schriften oder Bücher zu verfassen. Ab dem 6. August 1685 durften protestantische Pfarrer sich nur noch in mindestens sechs Meilen Entfernung an jenen Orten ansiedeln, an denen der protestantische Kult verboten war.

Anhand dieser Maßnahmen erscheint die Bewunderung, die einer der einflussreichsten hugenottischen Prediger in dieser Zeit, Pierre du Bosc aus Caen, Ludwig XIV. in einer Abhandlung entgegenbrachte, höchst verwunderlich: [13] „(…) Held ersten Ranges, im Frieden, im Kriege, im Kabinett; (…) weise und subtil im Urteil, scharfsinnig und klar sehend in den Geschäften, unermüdlich in der Arbeit, unbesiegbar in den Schlachten, in allen schönen Künsten bewandert. (…) Die Natur allein war zu schwach für ein so großes und so wundervolles Werk. Zweiundzwanzig Jahre Unfruchtbarkeit, die seiner Empfängnis vorausgegangen sind, entreißen selbstverständlich der Natur den Ruhm seiner Geburt. Eine Kraft, über alle zweitrangigen Ursachen erhaben, hat einen so außergewöhnlichen Fürsten hervorgebracht, und die Eigenschaften, die er besitzt, sind ein unvergleichlicher Beweis dafür (…), die eindeutig das Wunder seiner Geburt bezeugen.“

Für diese uneingeschränkte Huldigung Ludwigs XIV. durch einen hugenottischen Prediger existieren mehrere Erklärungsmöglichkeiten. Die These, dass es dabei um politisches Kalkül handelte, um die antihugenottische Haltung des Königs zu verändern und ihn auf die Seite der Protestanten zu ziehen, lässt sich anhand keiner Quelle belegen. Eine opportunistische Grundhaltung gegenüber dem König erscheint ebenfalls zweifelhaft. Wahrscheinlicher ist der grundsätzliche positive Bezug des Predigers auf das absolutistische Königtum in Frankreich. Eine große Zahl hugenottischer Schriften und Zeugnisse zu politischen und gesellschaftlichen Fragen trug im 17. Jahrhundert einen royalistischen Charakter. Sie wurden bestimmt durch die Lehrmeinungen an den beiden bedeutenden reformierten Akademien in Sedan und Saumur, wo die Führungskräfte der Hugenotten durch Professoren wie Pierre du Moulin sowie Moyse Amyraut im Sinne der absolutistischen Lehre erzogen wurden.[14] Weiterhin stand der französische Staatstheoretiker Jean Bodin (1529-1596)[15], der im Jahre 1576 sein Hauptwerk „Sechs Bücher über den Staat“ veröffentlichte, in denen er den Begriff der staatlichen Souveränität herausarbeitete und die Grundlagen des Absolutismus formulierte, auch noch im 17. Jahrhundert im Mittelpunkt des geistigen Lebens in Frankreich.[16] Die vorbehaltlose Treue zum König war eine weit verbreitete Erscheinung unter den hugenottischen Predigern. Selbst nach dem Revokationsedikt von Fontainebleau aus dem Jahre 1685, das die grausame Verfolgung und Ermordung unzähliger Hugenotten auslöste, blieb der Glaube an die absolutistische Herrschaft des französischen Königtums in den Köpfen zahlreicher Hugenotten weiterhin erhalten. Der hugenottische Pastor Merlat, der nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes Verfolgungen ausgesetzt war und ins Exil in die Schweiz gehen musste, veröffentlichte im Jahre 1686 in Lausanne ein Werk mit dem Titel „Traktat über die absolute Herrschaft der Fürsten“, in dem er folgenden Standpunkt vertrat:[17] „Die Fürsten, denen Gott erlaubte, zu absoluter Herrschaft zu gelangen, sind an kein Gesetz in Bezug auf ihre Untertanen gebunden (…) Daher ergibt sich die allumfassende Straflosigkeit ihrer Handlungen unter den Menschen und die Verpflichtung der Völker, all das, was ihnen solche Fürsten an Leid auferlegen, ohne Auflehnung zu erdulden, und darin nur Gott allein zu haben, der das Recht auf Rache hätte.“

Die Gesamtheit der hugenottischen Gläubigen litten ebenso unter den gesetzlichen Maßnahmen Ludwigs XIV..[18] Die Deklaration vom April 1663 verweigerte es den erst vor kurzer Zeit zum Katholizismus übergetretenen Hugenotten, diese Entscheidung zu revidieren. Den französischen Protestanten wurde im August 1669 durch ein königliches Edikt die Emigration in Ausland verwehrt. Im Juni 1680 wurde den Protestanten per Dekret der Übertritt zur protestantischen Religion untersagt. Im November 1680 wurden die Richter dazu aufgefordert, kranken Protestanten einen Besuch abzustatten und den Versuch zu unternehmen, sie zum katholischen Glauben zu bekehren. Ein Jahr später wurde diese Bestimmung dahingehend ergänzt, dass der Richter im Falle seiner Verhinderung durch den Bürgermeister des Ortes oder der Stadt vertreten werden musste.

Ludwig XIV. ordnete am 31.01.1681 per Dekret an, dass Kinder von Protestanten, die unehelich geboren wurden, im katholischen Glauben zu erziehen wären.[19] Als Anreiz zur Konversion wurde im April 1681 festgelegt, dass zum Katholizismus übertretende Protestanten zwei Jahre lang von Truppeneinquartierungen ausgenommen wurden. Am 17. 06. 1681 entschied Ludwig XIV., dass die Kinder der Hugenotten im Alter von sieben Jahren das Recht besaßen, zum Katholizismus überzutreten. Eine Erklärung vom 30.08.1682 verbot den Hugenotten, sich außerhalb der Kirche und ohne Pfarrer zu versammeln. Die königliche Bestimmung vom 16.6.1685 besagte, dass alle Untertanen der französischen Krone nicht im Ausland heiraten durften. Am 09.07.1685 wurde den Protestanten mitgeteilt, dass es ihnen verboten wurde, katholische Bedienstete einzustellen. Das Edikt vom 20.08.1685 sah vor, dass Kindern kalvinistischer Franzosen kein Vormund eigener Konfession gestattet wurde.

Die Berufstätigkeit der Hugenotten wurde seit dem Jahre 1680 immer weiter eingeschränkt.[20]

Seit dem 20.02.1682 durften sie nicht mehr als Hebamme, ab dem 15.06.1682 nicht mehr als Notar, Staatsanwalt, Amtsdiener oder Polizeibeamter arbeiten. Am 21.08. 1684 wurde ihnen die Betätigung als Gutachter, am 10.07.1685 der Beruf des Notar- oder Rechtsanwaltsgehilfen untersagt. Ab dem 6.08.1685 durften die Hugenotten nicht mehr den Beruf des Arztes ausüben.

Das Revokationsedikt von Fontainebleau (1685) und seine Folgen

Die verschärften Maßnahmen Ludwigs XIV. gegen den französischen Kalvinismus mündeten in das Revokationsedikt von Fontainebleau vom 18.10.1685, das das Edikt von Nantes aufhob. Ludwig XIV. stellte fest:[21] „So sehen Wir nun jetzt mit dem gerechten Danke, den Wir Gott schuldig sind, dass Unsere Sorgen das vorgesteckte Ziel erreicht haben, da ja der bessere und größere Teil Unserer Untertanen von der besagten vorgeblich reformierten Religion die katholische angenommen hat. Weil denn nun dieserhalb die Ausführung des Ediktes von Nantes und alles dessen, was zugunsten der besagten vorgeblich reformierten Religion angeordnet worden ist, den Nutzen verloren hat, so haben Wir geurteilt, dass Wir nichts Besseres tun könnten (…) als das besagte Edikt von Nantes und die besonderen Artikel, die im Anschluß an dasselbe bewilligt worden sind (…) vollständig aufzuheben.“

Das Revokationsedikt von Fontainebleau untersagte jegliche Kultfreiheit der Hugenotten und tolerierte lediglich die individuelle, nicht die öffentlich praktizierte Gewissensfreiheit im französischen Staat.[22] Es sah ebenso die Zerstörung von hugenottischen Kirchen vor:[23] „Und infolgedessen wollen Wir und gefällt es Uns, dass alle Tempel derer von der besagten vorgeblichen reformierten Religion, die in Unserem Königreiche, Ländern, Gütern und Herrschaften Unserer Botmäßigkeit gelegen sind, unverzüglich zerstört werden.“ Weiterhin verbot das Edikt den protestantischen Schulen, Kinder und Jugendliche gemäß ihren konfessionellen Vorstellungen zu unterrichten:[24] „Verbieten die besonderen Schulen der vorgeblich reformierten Religion zum Unterricht der Kinder (…)“.

Hugenottische Eltern wurden dazu gezwungen, ihre Kinder im katholischen Sinne taufen zu lassen. Außerdem mussten protestantische Pfarrer, die nicht bereit waren, zum Katholizismus zu konvertieren, innerhalb von vierzehn Tagen Frankreich verlassen:[25] „Befehlen ernstlich allen Predigern der besagten vorgeblichen reformierten Religion, die sich nicht bekehren und die katholische, apostolische und römische Religion annehmen wollen, vierzehn Tage nach der Veröffentlichung Unseres gegenwärtigen Ediktes Unser Königreich und die Länder Unserer Botmäßigkeit zu verlassen.“

Das Edikt verbot es aber allen anderen Hugenotten „bei Strafe der Galeeren für Männer und Einziehung von Leib und Gut für die Frauen, aus unserem besagten Königreiche, Ländern und Gebieten unserer Botmäßigkeit auszuwandern.“[26]

Nach dem Edikt von Fontainebleau verstärkte Ludwig XIV. die Bemühungen, durch die Herausgabe von Schriften und Büchern den Katholizismus in seinem Königreich weiter zu festigen. Zwischen Oktober 1685 und Januar 1687 belieferten zahlreiche Pariser Buchhändler die königliche Verwaltung und die katholischen Missionare in ganz Frankreich mit über einer Million Büchern; darunter befanden sich 160.000 Katechismen, 128.000 Exemplare des Werkes „L’ imitation de Jesus-Christ“ und 148.000 „katholische“ Übersetzungen des Neuen Testamentes.[27]

Die Lutheraner des Elsass blieben von den Bestimmungen des Revokationsediktes ausgenommen, was durch den Versuch der schrittweisen Eingliederung auf kulturellem und religiösem Gebiet in das Königreich begründet werden kann.[28]

Die Zwangsbekehrungen brachten jedoch nicht den gewünschten Erfolg; der katholische Glaube wurde in vielen Fällen lediglich mit einem Lippenbekenntnis angenommen, während zu Hause und an geheimen Treffpunkten weiterhin die Schriften Johannes Calvins gelesen und protestantische Gottesdienste abgehalten wurden. In den Cervennen feierten ungefähr 100 Hugenotten kurz nach ihrer Konversion zum katholischen Glauben einen geheimen Gottesdienst mit Liedern, Gebeten und Predigten. Außerdem fand in derselben Gegend am Ostersamstag 1689 ein Gottesdienst mit 4.000 Personen hugenottischen Glaubens statt. In der protestantischen Hochburg La Rochelle gelang es ebenfalls nicht, den kalvinistischen Glauben zu unterdrücken. Viele Hugenotten konvertierten formal zum katholischen Glauben, erzogen aber weiter ihre Kinder nach protestantischen Grundsätzen und trafen sich weiterhin in Privatwohnungen zu Gottesdienstfeiern.

Joutard berichtete über die zahlreichen Versuche der Hugenotten, sich dem Diktat des Katholizismus zu widersetzen:[29] „Die ‚Neubekehrten’ lauerten auf die geringste Erlahmung des Eifers der Obrigkeit; alles diente ihnen zum Vorwand, um ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen: man hörte nicht die Glocke, die zur Messe ruft, man wurde krank, man vergaß, sein Haus für die Fronleichnamsprozession mit Blumen zu schmücken. In der Todesstunde zeigte sich besonders die Bedeutung dieses Verhaltens. Man wollte nicht zwischen der Letzten Ölung und der Ablehnung des Priesters wählen müssen. Empfing man die Sterbesakramente, ordnete man sich dem ‚Papismus’ unter; stieß man den Priester zurück, riskierte man, als rückfällig (…) angesehen zu werden und sich den schwersten Sanktionen auszusetzen: (…) Deswegen griff die Umgebung zu einer List; sie verheimlichte die Krankheit, und wenn der Priester auftauchte, war der Kranke gerade nicht greifbar, er schlief oder war abwesend.“

In einigen Dörfern gelang es den Hugenotten, in ihre nach der Gültigkeit des Edikts von Fontainebleau zwangsweise entzogenen öffentlichen Ämter zurückzukehren.[30] Dies eröffnete der hugenottischen Bevölkerung die Möglichkeit, sich teilweise offen vom Katholizismus zu distanzieren und ihre eigene Religion innerhalb bestimmter Auflagen wieder ausüben zu dürfen. Der katholische Pfarrer des Dorfes Vebron in den Cervennen stellte fest:[31] „Der Herr de Salgas, der Herr Aures und der Herr Boudon sind die Hähne dieser Gemeinde, auf die alle anderen angewiesen sind und von denen Gut und Böse abhängt; sie sind große Politiker und drehen und wenden die Dinge, wie es ihnen beliebt.“

Nur eine Minderheit der hugenottischen Pastoren schwörten ab, die übrigen und mit ihnen ca. 200.000- 300.000 Gläubige flüchteten unter lebensbedrohlichen Umständen ins protestantische Ausland. Den Ablauf dieser Emigration schildert der französische Historiker Daniel Rops:[32] „Es war eine schreckliche Flucht, eine erbarmungslose Austreibung. Man floh in Booten von den Küsten Aumis und der Bretagne, im Sturm; man floh auf den steilsten Pfaden der Alpen und des Jura, mitten im Winter. Wie viele von diesen Flüchtlingen sind gestorben? Diejenigen, die von der Polizei aufgegriffen wurden, schickte man auf die Galeeren: glücklicher waren jene dran, die auf der Stelle erschossen wurden.“

Diejenigen Hugenotten, die bei ihrem Versuch, Frankreich zu verlassen, von den königlichen Behörden festgenommen wurden, wurden zum Galeerendienst verurteilt. Diese Maßnahme kam häufig einem Todesurteil gleich, denn über die Hälfte der Sträflinge verstarb aufgrund der schlimmen körperlichen Belastungen und der räumlichen Enge, die die Ansteckungsgefahr für Krankheiten erheblich steigerte, auf den Galeeren.

Die Zahl der „galeriens pour la foi“ („Galeerensträflinge aus Glaubensgründen“) betrug 1450 Personen.[33] Selbst auf den Galeeren waren die Hugenotten exorbitanten Schikanen ausgesetzt. In den Jahren 1699 und 1700 zwangen die Offiziere und katholischen Schiffsgeistlichen der Galeeren „La Superbe“, „La Favorite“ und „La Magnanime“ die protestantischen Galeerensträflinge dazu, während einer katholischen Messe niederzuknien und ihre Mütze abzunehmen. Diejenigen Hugenotten, die sich bei diesem Ereignis, das als „affaire du bonnet“ (Mützenaffäre) bekannt wurde, weigerten, den Anordnungen zu gehorchen, wurden auf übelste Weise misshandelt.[34]

Viele Hugenotten hielten trotz Schikanen und Folterungen unbeirrt an ihrem Glauben fest. Das sich im Laufe der Zeit auf den Galeeren entwickelnde Zusammengehörigkeitsgefühl unter ihnen führte im Jahre 1699 zu Gründung einer geheimen Organisation der protestantischen Galeerensträflinge.[35] Diese „Eglise des confesseurs qui souffrent pour la verite de l’Evangile („Kirche der Bekenner, welche für die Wahrheit des Evangeliums leiden“) verfügte über Sympathisanten in der Hafenstadt Marseille und in anderen französischen Metropolen, über die sie Briefe, Bibeln und protestantische Schriften aus den niederländischen Generalstaaten beziehen konnten.[36] Die hugenottische Organisation unterstand einem Direktorium, das aus sieben Personen bestand. Zu den Aktivitäten der protestantischen Organisation gehörte nicht nur regelmäßiger Religionsunterricht, sondern auch die Missionstätigkeit bei katholischen Sträflingen.

Die Flüchtlinge ließen sich vornehmlich bei Glaubensbrüdern in den niederländischen Generalstaaten, in England, in der Schweiz, in den protestantischen deutschen Territorien, insbesondere Brandenburg-Preußen und Hessen, sowie in Skandinavien nieder. Unter diesen Migranten befanden sich überproportional viele Intellektuelle (Pfarrer, Künstler, Literaten, Verleger usw.) sowie hoch qualifizierte Handwerker und Fabrikanten, was für den französischen Staat zu dieser Zeit einen enormen geistigen und wirtschaftlichen Verlust bedeutete. Ein Beispiel dafür stellte die nordfranzösische Stadt Metz dar:[37] „Die Auswanderung so vieler wohlhabender Familien, reicher Kaufleute, leitender Persönlichkeiten der blühenden Gewerbe war ein verhängnisvoller Schlag für das Gedeihen der Stadt und des Metzer Landes. Die Einwohnerzahl sank in erschreckender Weise. Die Güter sanken erheblich im Wert, da viele Häuser unbewohnt blieben und viele Arbeitskräfte für die Bebauung des Landes fehlten (…). Der Handel ging gewaltig zurück.“

Meyer unterschätzte die Auswirkungen der hugenottischen Auswanderung, wenn er feststellte:[38] „Dennoch fiel diese Menschen- und Kapitalflucht nicht so sehr ins Gewicht, denn die Immigration von englischen und vor allem irischen Katholiken nach Frankreich glich die Verluste weitgehend aus. Diese Einwanderung fiel geringer aus, verteilte sich auch über einen längeren Zeitraum und ersetzte den Verlust von Protestanten zwar nicht ganz, doch brachte sie Menschen und Kapital ins Land, die eine gewisse wirtschaftliche Blüte der französischen Häfen im 18. Jahrhundert ermöglichten.“

Die Einwohnerzahl Frankreichs betrug zum Zeitpunkt des Todes Ludwigs XIV. im Jahre 1715 etwa 18 Millionen Menschen; dies waren ungefähr 2 Millionen weniger als zur Zeit der Ermordung Heinrichs IV.[39] Dieser Bevölkerungsrückgang, der vor allem durch die Emigration der Hugenotten begründet werden kann, wirkte sich äußerst nachteilig auf das wirtschaftliche Leben in Frankreich aus. Seit dem Jahre 1690 geriet das von Colbert[40] ausgebaute französische Manufaktursystem in eine Krise. Im Jahre 1715 war die finanzielle Lage Frankreichs derart katastrophal, so dass der Staatshaushalt um 18 Jahresbudgets überzogen werden musste.[41]

Außerdem vernachlässigt Meyer in seiner Argumentation den Bereich des geistigen Lebens in Frankreich, der sehr stark unter der Emigration der Hugenotten litt.

In abgelegenen Gebieten Frankreichs wie den Cervennen spielte der Protestantismus trotz des Revokationsediktes weiterhin eine große Rolle. Während des Spanischen Erbfolgekrieges kam es zu Aufständen der hugenottischen Camisarden (1702-1704), die schließlich von den königlichen Truppen besiegt wurden.[42] Die Zentren des Aufstandes waren die Dörfer Le Mas Soubeyron, St. Jean du Gard, Florac, Castelnau-Valence sowie Le Trabuc. Die weit verzweigten Höhlensysteme in den Cervennen dienten vielen Hugenotten während den Verfolgungen als Versteck.[43]

Es bleibt festzuhalten, dass die religiöse Einheit des Landes, was ein wesentliches Ziel des Revokationsediktes von Fontainebleau darstellte, nicht erreicht wurde.[44]

Der Feststellung von Thaddens ist zuzustimmen, dass das Revokationsedikt und die dadurch resultierende Emigration der Hugenotten einen tiefen Einschnitt in die Geschichte Frankreichs bedeuteten.[45] Das Revokationsedikt brachte die seit längerer Zeit schwelende Krise des absolutistischen Staates zum offenen Ausbruch. Des Weiteren wurde der Protestantismus als Faktor des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens in Frankreich für längere Zeit ausgeschaltet. Die Flucht der Hugenotten aus Frankreich bedeutete eine der ersten großen Emigrationen in der Geschichte der Neuzeit.[46]

Frankfurt am Main: Knotenpunkt der hugenottischen Emigration

Schon im 16. Jahrhundert wurde die freie Reichstadt Frankfurt am Main zum Zufluchtsort für all jene Personen, die wegen ihrer Konfession aus ihrem Land flüchten mussten. Glaubensflüchtlinge aus England, Wallonen und Niederländer gründeten in Frankfurt am Main protestantische Gemeinden.[47] Valerand Poulain aus Lille richtete für eine Gruppe wallonischer Glaubensflüchtlinge ein Aufnahmegesuch an den Rat der Stadt Frankfurt am Main.[48] In einer außerordendlichen Ratsversammlung am 18.03.1554 wurde den Flüchtlingen die Aufnahme gestattet. Somit galt der 18.03.1554 als Gründungstag der französischen Gemeinde in Frankfurt am Main. Friedrich Bothe stellte fest:[49] „Außer dem Mitleid mit den armen, um ihrer Religion willen verfolgten Flüchtlingen ließ die Hoffnung dem Rat (der Freien Reichsstadt Frankfurt) ihre Einbürgerung angebracht erscheinen, dass mit ihnen ein kräftiges Reis dem Baume des heimischen Gewerbelebens aufgepropft werden könne. In der Tat waren sie Träger frischen Unternehmensgeistes; alle möglichen Handwerker waren unter ihnen vertreten, vornehmlich aber das Textilgewerbe.“

Am 19.04.1554 hielt die französische Gemeinde ihren ersten Gottesdienst in der Weißfrauenkirche ab. Zusammen mit der flämischen Gemeinde, die im Jahre 1555 unter Johannes a Lasco gegründet wurde, gestattete der Frankfurter Rat zunächst der französischen Gemeinde die Ausübung von Gottesdiensten in der Weißfrauenkirche. Bald darauf kam es zu Auseinandersetzungen sowohl mit der lutherischen Kirche als auch mit den autochthonen Handwerkern und Kaufleuten, die die Konkurrenz der Mitglieder der französischen Gemeinde fürchteten. Durch einen Beschluss vom 28.08.1561 verbot der Rat der Stadt Frankfurt der französischen Gemeinde die Benutzung der Weißfrauenkirche, so dass lediglich Privatgottesdienste in einer Scheune oder in Häusern wie „Zur großen Aynung“ von engagierten Gemeindemitgliedern abgehalten werden konnten.[50]

Die französische Kirche erlebte durch die fortschreitende Ansiedlung wallonischer Glaubensflüchtlinge einen zahlenmäßigen Aufschwung, der einen größeren Einflussfaktor auf die innerstädtischen Entscheidungen mit sich brachte. Um diesen zunehmenden Einfluss der französischen Gemeinde zurückzudrängen, entschied der lutherische Magistrat der Stadt Frankfurt am Main, ab dem Jahre 1596 jegliche Form des französisch-reformierten Gottesdienstes innerhalb der Stadt zu verbieten. Dies hatte zur Folge, dass zahlreiche Mitglieder der französischen Gemeinde die Stadt verließen und sich in Hanau und Frankenthal ansiedelten. Im Laufe des 17. Jahrhunderts erholte sich die französische Gemeinde nach der Ansiedlung zahlreicher hugenottischer Kaufleute und Handwerker von diesem Schock.

Die im 16. Jahrhundert großzügige Aufnahme von Glaubensflüchtlingen beschränkte sich Anfang des 17. Jahrhundert nur noch auf Lutheraner; seit dem Jahre 1628 hatten Juden und Kalvinisten nicht mehr die Möglichkeit, Stadtbürger zu werden. Dessen ungeachtet entwickelte sich Frankfurt am Main Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts zu eines der Hauptzentren der Aufnahme für nach dem Edikt von Fontainebleau vom 18.10.1685 aus Frankreich geflohenen Hugenotten.[51]

Die Tatsache, dass viele hugenottische Glaubensflüchtlinge gerade Frankfurt am Main als Zufluchtort wählten, hatte verschiedene Gründe. Aufgrund der günstigen geographischen Lage in der Nähe des Zusammenflusses von Main und Rhein stellte Frankfurt einen wichtigen Knotenpunkt der Ost-West- und Nord-Süd-Verbindungen dar. In wirtschaftlicher Hinsicht war Frankfurt am Main zu dieser Zeit eines der bedeutendsten europäischen Handelszentren; die Warenmessen, die zweimal im Jahr stattfanden, zogen Kaufleute aus zahlreichen Ländern an. Da Frankfurt in politischer Hinsicht dem Kaiser unterstellt war, verfügte sie über eine größere Autonomie als andere Städte.

Die französische Gemeinde in Frankfurt am Main, die schon den Hugenotten, die schon vor dem Revokationsedikt von Fontainebleau emigrierten, einen Zufluchtsort anboten, half auch in diesem Fall den in Frankfurt eintreffenden Glaubensflüchtlingen. Da die Zahl der hugenottischen Emigranten schon bald stark anstieg, entschloss sich das Konsistorium, für die Glaubensflüchtlinge spezielle Unterstützungslisten[52] anzufertigen. Aus diesen Unterstützungslisten geht hervor, dass sich vom Mai 1685 bis Mai 1695 mehr als 63.700 Flüchtlinge in Frankfurt befanden.[53] Die Zahl der zwischen Mai 1695 und Mai 1705 in Frankfurt registrierten Emigranten betrug mehr als 34.000 Personen.[54]

An die Glaubensflüchtlinge wurde die für die damaligen Verhältnisse sehr hohe Summe von 150.000 Gulden verteilt.[55] Trotz der Bereitstellung eines größeren Betrages und der Sammlung von Spenden war die französische Gemeinde nicht in der Lage, diese Summe allein aufzubringen. Sowohl die deutsche reformierte Gemeinde als auch die Lutheraner in Frankfurt, die im Jahre 1699 eine Spendensammlung veranstalteten, unterstützten die französische Gemeinde in ihrer Notsituation. England und die Niederlande stellten ebenfalls Geld zur Verfügung, was jedoch ausschließlich für die französischen Kirchen in der Umgebung von Frankfurt am Main bestimmt war. Die französische Gemeinde in Frankfurt erhielt weitere Zuwendungen von reichen Glaubensflüchtlingen, die sich nach ihrer Flucht dauerhaft in Frankfurt ansiedelten.[56]

Anhand der Unterstützungslisten lässt sich eine regionale und soziale Streuung der in Frankfurt emigrierten Glaubensflüchtlinge nachweisen.[57] Die aus Lothringen, dem Westen oder Norden Frankreichs stammenden Hugenotten flüchteten im Allgemeinen direkt in die deutschen Territorien. Die Mehrzahl der hugenottischen Flüchtlinge kam aus dem Süden Frankreichs und musste zuerst die Schweiz durchqueren, wo sie in Genf, Lausanne, Bern und Zürich und anderen Städten vorübergehende Zufluchsorte fanden.[58] Viele hugenottische Emigranten gingen direkt nach Schaffhausen, wo sich die direkte Grenze zu Deutschland befand. Die Kantone und Städte in der Schweiz ließen den Flüchtlingen sofortige Hilfeleistungen zukommen; so erhöhten die Städte Bern und Zürich die Steuerabgaben, um mit den zusätzlich erworbenen Geldern den Unterhalt der Flüchtlinge sicherzustellen. Die Schweizer Kantone bildeten Flüchtlingsorganisationen, „Chambres des refugies“ kümmerten sich um die Verteilung von Hilfsgeldern, eine begrenzte Unterbringung und um die Hilfe bei der Weiterreise.[59] Die Verantwortungsträger der Kantone versuchten, in Verhandlungen mit anderen aufnahmebereiten protestantischen Ländern die Ansiedlung der Flüchtlinge in deren Territorien zu fördern und auch finanziell zu subventionieren.

Aufgrund der gemeinsamen Notlage entstand unter den hugenottischen Flüchtlingen in Frankfurt ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl, Klassenunterschiede und regionale Herkunft spielten keine wesentliche Rolle mehr. Charakteristisch dafür ist die Begegnung des Buchhändlers Jacob Malizy aus der Champagne mit dem Wollkämmer Pompee Toures aus Veynes im Dauphine in Frankfurt. Zusammen mit ihren Familien zogen sie weiter nach Heidelberg, wo Pompee die Tochter von Malizy heiratete.[60]

Die in der Stadt eingetroffenen Gruppen bestanden zum Teil aus Personen, die denselben Beruf ausübten. So emigrierte im Juni 1686 eine Gruppe von Tuchmachern, die alle aus dem Dauphine stammten, nach Frankfurt. Die Ausübung desselben Berufes erleichterte es ihnen auf ihrer Flucht, Arbeit zu finden, da sie sich nicht gegenseitig Konkurrenz machten.

Die meisten in den Unterstützungslisten eingetragenen Flüchtlinge kamen ohne Geld und Vermögen nach Frankfurt, da sie auf schnellstem Wege fliehen und ihren Besitz zurücklassen mussten. Ein Beispiel waren die aus Arvieux stammenden Jean Morel, Antoine Musquet und Jacques Simond, die am 6.10.1686 in Frankfurt eintrafen:[61] „sie wurden verfolgt und gezwungen, die Messe zu besuchen, doch da sie den Götzendienst nicht ertragen konnten, haben sie alles verlassen, Häuser, Verwandte und alle ihre Habe.“

Vor allem hugenottische Bauern, die durch den Verlust ihres Hofes und den dazugehörigen Gütern ihre gesamte Existenzgrundlage verloren, trafen völlig verarmt in Frankfurt ein:[62] „Ihren Besitz zu verlassen, bedeutete für sie wirklich alles aufzugeben. War es ihnen gelungen, ihre Ernte noch zu verkaufen oder die Verwaltung ihrer Güter einem zurückgebliebenen Mitglied der Gemeinde, mittels eines fiktiven Verkaufes, anzuvertrauen, so hatten sie ihre wenigen Mittel schon bald ausgegeben und befanden sich somit unter den Mittellosesten.“

Viele Flüchtlinge, die einen Teil ihres Vermögens mitnehmen konnten, waren dazu gezwungen, davon Unterkunft, Lebensmittel oder Fluchthelfer zu bezahlen. Einige verloren ihren letzten Besitz durch Überfälle von Räuberbanden oder Soldaten. Aus den Unterstützungslisten geht hervor, dass ein Pierre d’Assas aus Vigan von einer Gruppe Banditen ausgeraubt, misshandelt und an den Beinen verletzt wurde.[63]

Die Glaubensflüchtlinge erreichten aufgrund der auf der Flucht erlittenen Entbehrungen sowie Verletzungen Frankfurt in einem schlechten körperlichen Zustand:[64] „Abel Mobe ist von einem Karren heruntergefallen, ein zweiter Karren ist ihm über den Körper gefahren. Er war gezwungen, während fünf Monaten in Zürich zu bleiben. Kleine Kinder, schwangere Frauen (…) oder alte Leute – wie z.B. die im Elsaß geborene Marie Sage, aus Marsillargues, die alt und blind und verkrüppelt war- waren besonders gefährdet. (…) Jacques Faure, Koch aus Melle im Poitou, kam mit seiner Frau und seinen 3 Kindern krank an. Er erhielt Geld für das Nötigste und um die Miete für ein Zimmer zu zahlen, er blieb mehr als drei Monate in Frankfurt.“

Sofort nach ihrer Ankunft und Registrierung wurden sie in Herbergen, Hospitälern oder bei Einzelpersonen gegen eine geringe Bezahlung, die vom Konsistorium der französischen Gemeinde aufgebracht wurde, mit Lebensmitteln versorgt und vorübergehend einquartiert. Ein geringer Teil der Flüchtlinge starb in Frankfurt an den Folgen der Strapazen der Emigration, insbesondere kleine Kinder, schwangere Frauen oder alte Menschen überlebten diese Anstrengungen nicht.[65]

Zusätzlich zu den Hilfeleistungen für ihre in der Stadt eingetroffenen Glaubensbrüder unterstützte die französische Gemeinde von Frankfurt mit finanziellen Mitteln die Anreise weiterer Flüchtlinge:[66] „Daniel Martin, früher Pastor in Mentoules in Valscluson, kam am 3. November 1686 nach einem vierzehnmonatigen Aufenthalt in Aigle, wo er ‚die Ausreise von mehreren, armen Refugies ermöglicht hatte’, in deren Begleitung nach Frankfurt zurück; dort gab man ihm 15 Gulden, und er brach erneut in die Schweiz auf, um weitere Familien, die man in der Grafschaft Waldeck erwartete, in Empfang zu nehmen. Pierre Hemery (…) hatte eine erste Gruppe von Gemeindemitgliedern des Pastors Daniel Martin von Zürich nach Frankfurt begleitet.“

In Frankfurt fanden nicht nur protestantische Flüchtlinge einen Zufluchtsort, sondern auch Angehörige des katholischen Glaubens, die verfolgten Hugenotten aus Mitleid Unterstützung gewährten. Viele dieser katholischen Helfer konvertierten in Frankfurt zum Protestantismus. Sie erhielten dieselben Leistungen wie die protestantischen Glaubensflüchtlinge; viele von ihnen siedelten sich dauerhaft in Frankfurt an:[67] „Sicher waren sie mittellos, und doch betrachtete man sie als wichtige Personen, denn sie erhielten nicht nur eine große Geldsumme, nämlich 19 Gulden und 37,5 Albusse, sondern sie wurden auch noch bis zu den Schnallen für die Strumpfbänder und die Schuhe eingekleidet.“

Von den hugenottischen Flüchtlingen, die während der ersten achtzehn Monate nach dem Revokationsedikt von Fontainebleau in Frankfurt eintrafen, befanden sich überproportional viele Handwerker, darunter vor allem Tuchmacher und andere Beschäftigte aus der Leder-, Metall- und Holzindustrie.

Die Generalstaaten der Niederlande[68], Brandenburg-Preußen und Hessen-Kassel waren in den Jahren 1686-87 für die meisten Glaubensflüchtlinge, die nach Frankfurt emigrierten, die bevorzugtesten Bestimmungsorte.[69] Aus diesen Staaten wurden Vertreter entsandt, die die hugenottischen Flüchtlinge zu einer Ansiedlung in ihrem Territorium bewegen sollten. Der Kurfürst von Brandenburg delegierte zu diesem Zweck Christoph Merian nach Frankfurt, der möglichst viele Flüchtlinge von den Vorteilen einer Niederlassung in Brandenburg überzeugen sollte.[70] Merian organisierte im Auftrag des Kurfürsten die Ausreise zahlreicher hugenottischer Gruppen nach Brandenburg; er unterstützte sie mit Geld und Nahrungsmitteln für die Reise und händigte ihnen Pässe aus. Die Niederlande waren seit dem Jahre 1685 zur wichtigsten Schutzmacht der hugenottischen Flüchtlinge aufgestiegen. Ihr Gesandter, Pierre Valkenier, der zum „Plenipotentiaire pour l’Etablissement de ces Vaudois et Refugies dans la Haute Allemagne“ wurde, spielte in den Aufnahmeverhandlungen mit deutschen Fürsten eine wesentliche Rolle.

Die niederländischen Generalstaaten nahmen in diesen achtzehn Monaten insgesamt 1040 Glaubensflüchtlinge auf. Danach folgten Brandenburg-Preußen und Hessen-Kassel, die 1014 beziehungsweise 751 Personen in ihrem Territorium eingliederten.[71]

Auch andere kleinere Staaten waren daran interessiert, hugenottische Flüchtlinge aufzunehmen. In den achtzehn Monaten gingen 55 Hugenotten nach Homburg, der Hauptstadt von Hessen-Homburg, 50 Flüchtlinge siedelten sich in Hanau an, wo schon eine wallonische Kirchengemeinde existierte, 64 von ihnen bevorzugten die Pfalz als Zufluchtsort.[72]

Weiterhin fanden zahlreiche Glaubensflüchtlinge in den Hansestädten eine neue Heimat; 182 Exulanten siedelten sich in Bremen[73] an, eine unbekannte Zahl von ihnen ließ sich in Hamburg-Altona[74] und Lübeck[75] nieder. Ein geringer Teil der Hugenotten, die in Frankfurt registriert wurden, emigrierte nach England.[76]

Auffallend wenige Hugenotten, die in den Jahren 1685 und 1686 in Frankfurt eintrafen, wählten Württemberg als neuen Ansiedlungsort. Dies ist dadurch zu erklären, dass viele Flüchtlinge den direkten Weg über die Schweiz wählten oder von Frankreich aus einwanderten. In den Frankfurter Unterstützungslisten sind lediglich diejenigen Exulanten erfasst worden, die aus dem Westen oder Norden eintrafen.

Einige Glaubensflüchtlinge besaßen überhaupt keine Vorstellung, in welcher Stadt oder Ortschaft sie sich ansiedeln wollten.[77] Dies erklärte sich aus der Tatsache, dass sie keinen Anhaltspunkt hatten, in welchem Gebiet eine unmittelbare Chance bestand, eine Arbeit zu finden.

Ein Teil der Hugenotten kehrten nach kurzer Zeit wieder nach Frankfurt zurück, da sie sich in ihrer neuen Umgebung nicht wohl fühlten, auf der Suche nach Angehörigen oder Freunden waren oder keine geeignete Arbeitsmöglichkeit in den Aufnahmenorten fanden: [78] „Raymond Chaffonin, ein Mauerer aus Vallon, (…) hatte (…) keine Arbeit in Holland gefunden und wollte nun in Frankfurt bleiben. (…) Ester Roussel z.B. war sehr betagt und ihr Sohn Isaac Cheminon schwachsinnig; sie stammten aus Mollieres im Vac Cezare und wurden am 11. November 1686 zum ersten Mal betreut; sie gedachten, den Winter in Hanau zu verbringen. Als sie am 11.Juli zum zweiten Mal Hilfe erhielten, erklärten sie, dass sie bis nach Kassel gegangen seien, dort jedoch nichts für ihren Lebensunterhalt hätten finden können; nun wollten sie in die Schweiz ziehen. Antoine Gabriel aus dem Pays de Gex, ein Seidenarbeiter, wollte ebenfalls nicht in Kassel bleiben: er hatte erfahren, dass seine Eltern nach Genf geflohen waren und wollte sie dort aufsuchen.“

Das Edikt von Potsdam

Das wichtigste Zufluchtsland für die hugenottischen Glaubensflüchtlinge war sowohl im Hinblick auf die Zahl der Emigranten als auch in Bezug auf die strukturellen Voraussetzungen ihrer Aufnahme Brandenburg-Preußen. Das Herrscherhaus von Brandenburg-Preußen nahm durch die Konversion des Kurfürsten Johann Sigismund im Jahre 1613 den reformierten Glauben an. Von den ungefähr 43.000 hugenottischen Flüchtlingen, die in die deutschen Territorien einwanderten, ließen sich ca. 20.000 in Brandenburg-Preußen nieder.[79]

Die Grundlage für die Ansiedlung war das am 25.10.1685 erlassene Edikt von Potsdam des Kurfürsten Friedrich Wilhelm „betreffend diejenigen Rechte, Privilegia und andere Wohlthaten, welche Se. Churfürstl. Durchl. Zu Brandenburg den Evangelisch-Reformierten Frantzösischer Nation, so sich in Ihren Landen niederlassen werden, wegen der Jurisdiction und sonst, dasselbst zu verstatten gnädigst entschlossen seyn“.[80]

Das Edikt legte in vierzehn Artikeln die Rahmenbedingungen für die Ansiedlung der Glaubensflüchtlinge in Brandenburg-Preußen fest.[81] Zunächst regelte es die Unterstützung auf der Flucht, die Hilfeleistung bei der Einwanderung und die Niederlassung:[82] „Das Edikt schrieb die Wege vor, die von den Hugenotten einzuschlagen waren; die Sammelorte hießen Amsterdam, Frankfurt am Main und Hamburg. Von dort aus sollten die Vertriebenen, durch kurfürstliche Kommissare empfangen, nach den von ihnen gewählten Orten weitergeleitet werden. Es schlägt ihnen eine Reihe von Städten als zur Ansiedlung besonders geeignet vor und befiehlt, dass sie dort gut aufgenommen und mit allem zur Ansiedlung Nötigen versehen werden sollen.“

Weiterhin verbot das Edikt von Potsdam der autochthonen Bevölkerung in Brandenburg-Preußen, den hugenottischen Flüchtlingen Nahrungsmittel zu verweigern. Ihr aus Frankreich mitgebrachter Besitz durfte ungehindert nach Brandenburg-Preußen eingeführt werden.

Der Kurfürst übergab den Flüchtlingen verfallene oder verlassene Häuser als erbliches Eigentum.[83] Außerdem erhielten sie von Friedrich Wilhelm die notwendigen Materialien zum Wideraufbau der Häuser und wurden von allen Abgaben befreit. Beim Bau eines Hauses überwies die kurfürstliche Verwaltung den Hugenotten geeignete Baustellen mit den dazugehörigen Gärten und Wiesen sowie die benötigten Baumaterialien; dazu kam eine zehnjährige Abgabenfreiheit.

Im Edikt von Potsdam erteilte der Kurfürst den Flüchtlingen das Bürgerrecht und gewährte ihnen den Eintritt in die Zünfte. Manufakturgründungen von hugenottischen Kaufleuten wurden durch umfangreiche Privilegien und finanzielle Zuwendungen unterstützt. Das Edikt beinhaltete ebenso das Recht der Ausübung der reformierten Religion in französischer Sprache und die Ernennung von eigenen Geistlichen:[84] „In einer ieden Stadt wollen wir gedachten Unsern Frantzösischen Glaubens-Genossen einen besonderen Prediger halten, auch einen bequemen Ort anweisen lassen, woselbst das exercitium Religionis Reformatae in Frantzösischer Sprache, und der Gottesdienst mit eben denen Gebräuchen und Ceremonien gehalten werden sol, wie es biß anhero bey den Evangelisch Reformierten Kirchen in Franckreich bräuchlich gewesen.“

Ein weiteres Privileg des Ediktes war die standesgemäße Gleichstellung der eingewanderten hugenottischen Adeligen mit dem einheimischen Adel.

Im Artikel 10 des Ediktes von Potsdam gewährte der Kurfürst Friedrich Wilhelm den Hugenotten in den Städten einen Richter zur Schlichtung interner Auseinandersetzungen:[85] „So viel die Jurisdiction und Entscheidung der zwischen offt gedachten Frantzösischen Familien sich ereignender Irrungen und Streitigkeiten betrifft, da sind wir gnädig zufrieden, und bewilligen hiermit, dass in den Städten, wo selbst verschieden Frantzösische Familien vorhanden, dieselbe iemand ihres Mittels erwägen mögen, welcher bemächtiget seyn soll, dergleichen differentien ohne eigene Weitläufftigkeit, in der Güte zu vergleichen und abzuthun.“

Ein Kollegium aus hugenottischen Richtern und deutschen Magistratsangehörigen kümmerte sich um Streitigkeiten zwischen deutschen und französischen Personen:[86] „Daferne aber solche Irrungen unter Teutschen an einer, und Frantzösischen Leuten anderer Seite sich ereignen. So sollen selbige durch den Magistrat eines ieden Orts und diejenige welche die Frantzösische Nation zu ihrem Schieds-Richter erwählen wird, zugleich und gesamter Hand untersuchet, und summariter zu Recht entschieden und erhöret werden, welches dann auch als dann statt haben soll, wann die unter Frantzosen allein vorfallende differentien, dergestalt wie oben erwehnet, in der Güte nicht beygeleget und verglichen werden können.“

Das Edikt von Potsdam sprach den Glaubensflüchtlingen zwar weitgehende Rechte und Privilegien zu, von einer Selbstverwaltung der Hugenotten war darin nicht die Rede. Erst im Laufe der Zeit entwickelte sich die hugenottische Gemeinde zu einer festen Gemeinschaft mit eigenständigem Charakter.[87]

Am 23.11.1685 wurde in Berlin ein Kommissariat für die Angelegenheiten der hugenottischen Flüchtlinge innerhalb des Generalkriegskommissariats gegründet, das als Kontrollorgan die Durchführung der Bestimmungen des Potsdamer Ediktes kontrollieren sollte.[88] Der erste Vorsitzende des Kommissariats wurde Marshall Joachim Ernst von Grumbkow (1637-1690), sein Stellvertreter war der ehemalige brandenburgische Gesandte in Frankreich, Ezechiel Freiherr von Spanheim (1629-1710). Die hugenottischen Vertreter Graf d’Espence und du Bellay d’Ancle gehörten ebenfalls dem Kommissariat an.

Alle nach Brandenburg-Preußen emigrierten Flüchtlinge mussten sich dort kurz nach ihrer Ankunft melden; erst nach der genauen Feststellung ihrer Verhältnisse besaßen sie einen Anspruch auf die im Edikt von Potsdam erteilten Vergünstigungen und Privilegien. Für die hugenottischen Exulanten war in den meisten Fällen der damalige Leiter der französischen Gemeinde von Berlin, de Gaultier, der erste Ansprechpartner, der den Kontakt zum Kommissariat herstellte.[89]

Nachdem die hugenottischen Glaubensflüchtlinge bei einem französischen Richter bzw. Oberrichter den Untertaneneid geschworen hatten, lebten sie als Untertanen des Kurfürsten bzw. des Königs in Brandenburg-Preußen. Sie nahmen eine gewisse Sonderstellung gegenüber der deutschen Bevölkerung ein, da sie unter der Schirmherrschaft der Hohenzollern eine innere kirchliche und juristische Selbstverwaltung aufbauen durften.[90]

Bei der rechtlichen und verwaltungsmäßigen Eingliederung der hugenottischen Kolonien in das brandenburg-preußische Staatswesen lassen sich zwei Entwicklungslinien voneinander unterscheiden. Zuerst erfolgte zwischen den Jahren 1685 und 1690 die Herausbildung einer eigenständigen Gerichtsbarkeit als Teil des Sonderstatus der hugenottischen Kolonien. Danach erhielten die französischen Kolonien bis zum Jahre 1720 die wesentlichen rechtlichen Grundlagen für den Ausbau ihrer eigenen Gerichtsbarkeit und Selbstverwaltung. Bis zur juristischen Auflösung der Kolonien im Jahre 1809 kam es zu keinen wesentlichen Veränderungen in der Rechtssprechung und Verwaltung der hugenottischen Kolonien.

Die elementare Bedeutung des Ediktes von Potsdam für die hugenottischen Glaubensflüchtlinge wird an der historischen Einleitung zu einem Predigtensammelband aus dem Jahre 1785 ersichtlich:[91] „Nach hundert Jahren widmen die Fremden einen besonderen Tag ehrlichen Freudenfesten. (…) Sie prägen Münzen und schreiben Bücher, um zu verhindern, daß eine lange Reihe von Jahren aus dem Gedächtnis auszulöschen, was die Vorfahren gewesen sind und getan haben.“

Hugenotten in der Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth (Erlangen)

Bei der Aufnahme von Glaubensflüchtlingen in Erlangen spielten sowohl konfessionelle Motive als auch wirtschaftliche Überlegungen eine entscheidende Rolle. Der Markgraf Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth, der ein Neffe des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg-Preußen war, erklärte sich einerseits solidarisch mit seinen verfolgten Glaubensbrüdern andererseits verband er die Ansiedlung der Protestanten mit der Hoffnung auf ökonomischen Fortschritt in der Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth.

Ein Indiz für die ökonomischen Hintergründe der protestantischen Einwanderung war die Bevorzugung von Unternehmern, Kaufleuten und Handwerkern bei der Auswahl der Flüchtlinge.[92] Weiterhin wurde die Ansiedlung von denjenigen Personen unterstützt, die für den Aufbau des städtischen und kirchlichen Lebens der Glaubensflüchtlinge in der Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth von großer Bedeutung waren.

Neben den französischen Flüchtlingen, die nach dem Revokationsedikt von Fontainebleau aus dem Jahre 1685 dazu gezwungen wurden, ihr Land zu verlassen, kamen weitere Einwanderer aus der Pfalz und der Schweiz nach Erlangen.[93] Bei den Emigranten aus der Pfalz handelte es sich um Waldenser aus dem Tal von Pragelas, die aus ihrem Land infolge der französischen Besetzung unter Ludwig XIV. im Jahre 1689 flüchten mussten. Die zweite Gruppe der Einwanderer bestand aus in die Schweiz geflüchteten französischen Protestanten, die jedoch im Jahre 1699 die evangelischen Kantone der Schweiz aufgrund von fehlenden Eingliederungsmöglichkeiten verließen.

Die Einwanderung der protestantischen Glaubensflüchtlinge in die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth leitete Christian Ernst durch eine am 7.12.1685 verfasste Deklaration ein, in der er die Privilegien verkündete, die er den in seine Markgrafschaft einwandernden Flüchtlingen zu geben bereit war. Mit dieser Deklaration im Gepäck reisten mehrere Vertreter des Markgrafen nach Frankfurt am Main, Den Haag und Genf, wo sich die Durchgangszentren der protestantischen Emigration befanden. Dort warben die markgraflichen Emissäre bevorzugt ausgebildete Handwerker und Manufakturisten unter den französischen Glaubensflüchtlingen an. Die ersten Flüchtlinge, die am 17.5.1686 in Erlangen eintrafen, waren dementsprechend fünf Kaufmannsfamilien, die alle aus Vitry-le-Francois stammten und nach ihrer Emigration aus Frankreich in Genf Zuflucht suchten.[94]

Das Privileg des Markgrafen Christian Ernst sicherte den Ankömmlingen die freie Ausübung ihres Glaubens sowie die gleichen Rechte wie die anderen Untertanen der Markgrafschaft zu.[95] Außerdem stellte der Markgraf die Finanzierung des Unterhaltes eines Pfarrers und Lehrers in Aussicht und versprach denjenigen Glaubensflüchtlingen großzügige Darlehen, die in Erlangen Manufakturen gründen wollten.

Ebenso legte er in dem Privileg fest, dass bedürftigen Flüchtlingen Wohnmöglichkeiten zur Verfügung gestellt wurden. Protestanten, die den Bau eines eigenen Hauses im Sinne hatten, versprach er Hilfeleistungen in Form von Baumaterial, Transportmittel und Darlehen. Das Privileg enthielt ferner die Befreiung von Steuern und Abgaben für einen Zeitraum bis zu zehn Jahren für die Glaubensflüchtlinge. Diese Privilegien präzisierte und erweiterte der Markgraf Christian Ernst in einem zweiten Erlass vom 11.8.1687.

Christian Ernst siedelte die Flüchtlinge in der dafür extra neu geschaffenen Erlanger Neustadt, die auf dem Gelände eines ehemaligen Waldes bei Nürnberg erbaut wurde, an. Zu Ehren ihres Gründers erhielt die Erlanger Neustadt den Namen Christian-Erlang.[96]

Aus ökonomischer Sicht gesehen war die Lage der Erlanger Neustadt äußerst günstig. Der Pfarrer der protestantischen Flüchtlinge, Esprit Tholozan, stellte im Jahre 1699 fest:[97] „Die Lage dieser Stadt ist äußerst angenehm; sie liegt nur drei Wegstunden von der berühmten Stadt Nürnberg entfernt und an einer für den Handel so vorteilhaften Stelle, dass nur wenige sie darin übertreffen dürften. Auch haben unsere Kaufleute ihre Verbindungen schon über beinahe das gesamte deutsche Land ausgedehnt und darüber hinaus nach Holland und England.“

In der Phase des Baues der Erlanger Neustadt wurden die Glaubensflüchtlinge in den benachbarten Dörfern untergebracht, da die lutherische Bevölkerung in der Erlanger Altstadt ihnen gegenüber zu einem großen Teil feindselig eingestellt war.

Markgraf Christian Ernst half den Flüchtlingen wie im Privileg von 1685 zugesichert bei der Beschaffung von Baumaterialien nach Erlangen und den notwendigen Transportmitteln. Gleichzeitig traten Schwierigkeiten finanzieller Art auf, da sich die Darlehen des Markgrafen als unzureichend erwiesen und die Flüchtlinge nicht über die notwendigen Geldmittel verfügten, um die eigenständige Finanzierung ihrer Häuser selbst übernehmen zu können. Mit der Zeit entstanden jedoch gleichzeitig mit der Fertigstellung der ersten Häuser die ersten Manufakturen für die Herstellung von Wolle, Bändern, Kleidung und Handschuhen. Die Handschuhmacherei war ein Beispiel für den wirtschaftlichen Erfolg, den die Hugenotten etwa zwei Jahrzehnte nach ihrer Ansiedelung in Erlangen erzielen konnten. Zu dieser Zeit wurden Handschuhe vor allem von der Adelschicht getragen. Dies sollte symbolisieren, dass sie zu den privilegierten Personen gehörten, die sich nicht die Finger schmutzig machen mussten. Das Gewerbe der Handschuhmacherei hielt sich noch bis ins 20. Jahrhundert mit großem Erfolg in Erlangen. Weitere ökonomische Bereiche, die durch die Ansiedlung der Hugenotten in Erlangen vorangetrieben wurden, waren das Hutmacher- und Gerbergewerbe.

Ein Beispiel für den ökonomischen Erfolg der französischen Glaubensflüchtlinge ging aus dem Tagebuch des Abraham Marchand hervor.[98] Marchands Handelsbeziehungen schlossen außer Erlangen Städte wie München, Frankfurt am Main, Leipzig, Passau, wie auch alle wichtigen Zentren in Österreich und Böhmen ein. Abraham Marchand betrieb Handel mit Strümpfen, Handschuhen, Hauben, Galanteriewaren, Parfums, Leinen und Weinprodukten. Er stand in zahlreichen Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten und Unternehmern sowohl aus den benachbarten Städten als auch dem Ausland.

Die französische Gemeinde nahm nicht nur auf dem ökonomischen Sektor sondern auch im geistigen Bereich Einfluss auf das Leben der Stadt. Im Jahre 1743 wurde der Hugenotte Daniel de Superville zum ersten Kanzler der neu gegründeten Universität von Erlangen berufen.

Als der Bau der Erlanger Neustadt erfolgreich abgeschlossen wurde, brach dort eine Epidemie aus, die Hunderte von Todesopfern forderte. Der französische Pfarrer, Esprit Tholozan, suchte in einem Brief an Emigranten aus der Schweiz, die Schuld für die Ausbreitung der Epidemie bei den pfälzischen Glaubensflüchtlingen aus dem Pregalas:[99] „Man schreibt dem ungünstigen Einfluß des hiesigen Klimas ein Unglück zu, das ausschließlich aus dem schlechten Verhalten dieser unserer zahlreichen armen Brüder aus dem Prajela herzuleiten ist. (…) Jeder weiß, wie haushälterisch und sparsam die Menschen aus diesen Gegenden sind, mannchmal viel zu sehr. Sie haben unterwegs nur von den Früchten gelebt, die sie reichlich auf den Feldern fanden, dazu ein wenig Wasser und Brot zu sich genommen. Kurze Zeit nach ihrer Ankunft hat sich diese schlechte Ernährung und vielleicht auch die Luftveränderung den Ausbruch einer fiebrigen Dysenterie bewirkt. Diese Krankheit aber verlangt vor allen Dingen Reinlichkeit, und da sie diese vernachlässigen, stecken sie sich untereinander an, und diese Infektion brachte vier oder fünf Monate lang mehrere von ihnen ins Grab. Als das vorbei war, haben wir dergleichen nicht wieder erlebt.“

Die sich schnell verbreitende Nachricht von der Epidemie in der Erlanger Neustadt behinderte die Bemühungen des Markgrafen Christian Ernst, der durch seine Emissäre neue Flüchtlinge zur Ansiedlung in Erlangen anwerben wollte.

In den ersten Jahren nach der Gründung war in der Erlanger Neustadt ein ständiges Kommen und Gehen der Einwohner zu verzeichnen.[100] Neue Flüchtlinge trafen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen als in ihren bisherigen Zufluchtsorten ein, während einige Gründungsmitglieder der Erlanger Neustadt in der Hoffnung auf eine bessere wirtschaftliche Zukunft die Stadt verließen. In der Zeit zwischen 1690-1700 machte die Erlanger Neustadt eine wirtschaftliche Krise durch, so dass 60 Handwerker und Unternehmer der Stadt den Rücken kehrten und ins benachbarte Wilhelmsdorf übersiedelten.

Ein entscheidender Entwicklungsschritt für das Leben der französischen Glaubensflüchtlinge in der Erlanger Neustadt war die Gründung einer Schule. Der Bau der Schule wurde vor dem Jahre 1700 beendet. In einem Gesuch, das der Schulleiter, Sieur Boucoiran, dem Konsistorium vorlegte, hieß es:[101] „(…) dass es die Frauen daran hindern möge, den Kindern das Lesen und Schreiben selbst beizubringen- jedenfalls soweit das den Erwerb seines Lebensunterhaltes schmälerte, da er nur sehr wenige Schüler habe und sich zudem mit denjenigen belastet sehe, die das Konsistorium ihm gratis zuschickt.“

Einige Zeit nach der Gründung der Schule richtete die französische Gemeinde auch ein Krankenhaus sowie ein Heim für Waisenkinder ein.

Nach der erfolgreichen Beendigung der Bautätigkeit wurde die Verwaltung der Erlanger Neustadt eingerichtet.[102] Der von den Behörden benannte Vorsitzende der städtischen Verwaltung wurde von drei Direktoren, von denen zwei Hugenotten waren, unterstützt. Weiterhin wurde ein Handelskomitee, das Conseil du Commerce, gegründet, das ausschließlich aus französischen Glaubensflüchtlingen bestand. In der Justizverwaltung wurde ein Platz für einen protestantischen Richter reserviert.

Im Jahre 1690 kamen Einwanderer aus der Pfalz nach Erlangen, die ungefähr ein Drittel der Bevölkerung der Erlanger Neustadt ausmachten. Diese Veränderung im Verhältnis der verschiedenen Gruppen der Stadtbevölkerung bewirkte eine Neuordnung der Verwaltung im Jahre 1692. In den folgenden Jahren entwickelte sich eine Konkurrenz der pfälzischen und der französischen Bevölkerung in der Erlanger Neustadt, was die Vorrangstellung in den Stadtgeschäften betraf.

Im Jahre 1686 gab Markgraf Christian Ernst seine Zustimmung zum Bau eines Gotteshauses in der Erlanger Neustadt. Der Markgraf übernahm die Finanzierung der Kirche, die von Johann Moritz Richter geplant und errichtet wurde. Der erste Bau, der im Jahre 1693 eingeweiht wurde, wurde nach dem Vorbild des „Temple Neuf“ zu Montauban, einer Stadt im Tarntal im Südwesten Frankreichs, woher viele der in der Erlanger Neustadt lebenden Hugenotten stammten, angefertigt. Das Innere der Kirche folgte dem Ablauf des Gottesdienstes, dessen Mittelpunkt die Predigt bildete. Das Gebäude wurde jedoch erst im Jahre 1736 mit der Errichtung eines Turmes endgültig fertig gestellt. Der Kaufmann Abraham Marchand finanzierte aus seinem Vermögen der französischen Gemeinde den Bau des Turmes.

Im Jahre 1708 bekam die Erlanger Neustadt den Rang der sechsten „Hauptstadt“ der Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth und erhielt aus diesem Grunde eine neue Verwaltung, die sich um die Angelegenheiten der vereinigten Städte Alt-Erlangen und die Erlanger Neustadt bzw. Christian-Erlang kümmerte. Als oberster Entscheidungsträger der Verwaltung stand ein Präsident, der von einem Vizepräsidenten, der für die Bereiche Justiz und Handel zuständig war, unterstützt wurde. Weiterhin gehörten sowohl ein deutscher als auch ein französischer Sekretär sowie ein Kanzleischreiber zum Personalbestand der neu gegründeten Verwaltung.[103]

Der Einfluss der französischen Glaubensflüchtlinge innerhalb der Verwaltungsstruktur der Stadt Erlangen nahm im Laufe der Zeit ab. Dies lässt sich einerseits durch die Machtkonzentration der Fürsten auf Kosten der führenden Einwandererfamilien als auch den demographischen Veränderungen – der Prozentsatz der französischen Glaubensflüchtlinge unter den Bewohnern von Erlangen sank im Laufe des 18.Jahrhunderts- erklären.

In den ersten Jahren nach der Ansiedlung spielte das kirchliche Leben innerhalb der hugenottischen Gemeinde eine große Rolle. Jedoch vermochte es die Gemeinde nicht, selbst einen Priester oder Lehrer zu stellen; aus Basel oder anderen Orten mussten geeignete Personen angeworben werden.

Der Pfarrer Tholozan, der diesen Posten als erster Hugenotte nach der Ankunft der Glaubensflüchtlinge bekleidete, verfasste die Abhandlung „Livre du Senat Ecclesiastique de ceux de la Religion Reformee de France refugies dans les Etats de Son Altesse Serenissme Monseigneur le Margraff de Brandenbourg-Bareuth et etablis dans la nouvelle ville d’Erlang“, in der er die Geschichte des Protestantismus in Frankreich und der Verfolgung der Hugenotten für die Nachfahren der französischen Gemeinde in Erlangen nachzeichnete.

Innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft der hugenottischen Glaubensflüchtlinge kam es zu ständigen Konflikten zwischen den Ältesten der Gemeinde und den Pfarrern.[104] Die Pfarrer wurden durchgängig schlecht bezahlt[105] und erhielten ihre Direktiven von den Gemeindeältesten, ohne selbst über wichtige Themen mitentscheiden zu können. Dies führte dazu, dass die Kluft zwischen den beiden Parteien immer tiefer wurde, was das kirchliche Leben der französischen Gemeinde stark belastete.

Das Konsistorium der französischen Gemeinde in Erlangen betrachtete misstrauisch die Ankunft von Exulanten aus Frankreich, die dort gezwungen wurden, zum Katholizismus zu konvertieren. Sie mussten unverzüglich dem Katholizismus abschwören und durften laut den Vereinbarungen des Konsistoriums erst nach zwei Jahren eine Ehe eingehen.

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts besaß das religiöse Leben innerhalb der französischen Gemeinde nicht mehr die Bedeutung der Gründerjahre. Es ließ sich ein stetiges Nachlassen sowohl des sonntäglichen Gottesdienstbesuches als auch der Teilnahme am Abendmahl beobachten.[106]

Die protestantische Kirche verlor mehr und mehr ihre frühere Ausstrahlungskraft; sie wurde lediglich von einem kleinen Personenkreis künstlich am Leben gehalten.[107]

Nach der Ansiedlung der protestantischen Glaubensflüchtlinge in der Erlanger Neustadt kam es alle zwei Jahre zu einer Synode der reformierten Kirchen der Markgrafschaften Brandenburg-Bayreuth und Brandenburg-Ansbach, an der unter anderem die Gemeinden aus Erlangen, Schwabach, Wilhelmsdorf und Bayreuth teilnahmen. Die Gemeinde aus Erlangen spielte bei diesen regelmäßigen Treffen eine wichtige Rolle. Bedingt durch die schwindende Bedeutung der anderen Kirchen trat seit dem Jahre 1732 die Synode nicht mehr zusammen, was einen weiteren Autoritätsverlust der französischen Kirche in Erlangen zur Folge hatte.[108]

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts pflegte die Gemeinde in Erlangen enge Kontakte zu anderen französischsprachigen Kirchen. Als in Genf die Psalmenübersetzungen von Beza und Marot modernisiert und vereinheitlicht werden sollten, wandte sich die Genfer Kirche in dieser Angelegenheit an Erlangen und andere französische Kirchen. In einem Brief vom 14.3.1700, in dem ihre Verbundenheit mit der Genfer Gemeinde zum Ausdruck kam, begrüßte die Kirche von Erlangen diese Initiative:[109]„Wir wünschen, wir wären in der Lage, Euch nachzueifern und uns in dieser wie in allen anderen Angelegenheiten nach Eurer Kirche zu richten. Aber abgesehen davon, dass Psalmenbücher für uns nicht leicht zu erwerben sind und wir zudem unsere Gemeindemitglieder auf eine solche Äußerung erst vorbereiten müssten, meinen wir auch, dass wir diese Sache erst unserer Synode vorlegen müssen. Jedoch sind wir Euch zu Dank für das verpflichtet, was Ihr uns freundlicherweise mitgeteilt habt, und dafür, dass Ihr uns an den Geschehnissen in Eurer Kirche habt teilhaben lassen, der wir uns bereitwillig zuordnen und mit der wir gerne jene enge Verbindung halten, die die Freude unserer Gemeindemitglieder und unserer Kirche ist und bleiben wird.“

Im Laufe der Zeit brach diese bedeutende Verbindung zur Genfer Gemeinde und zu den anderen französischsprachigen Kirchen ab. Als im Jahre 1792 die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth teil des preußischen Herrschaftsgebietes wurde, kam es zur Annäherung an die Kirche von Berlin. Am 1.3.1792 berichtete der damalige Pfarrer der hugenottischen Gemeinde, Holland, dem Kirchenkonvent in Erlangen, „daß er einen Brief aus Berlin von Herrn Pfarrer Hochecorne aus Berlin erhalten habe, in dem dieser ihm sehr freundliche Vorschläge unterbreitet habe, wie eine Verbindung und Vereinigung unserer Kirche mit den übrigen französischen Kirchen in den Staaten seiner Majestät des Königs von Preußen hergestellt werden könne.“[110]

Bedingt durch gemeinsame ökonomische Interessen entwickelten sich Kontakte zwischen den Einwohnern der Erlanger Neustadt und der deutschen Bevölkerung. Neben abgeschlossenen Ausbildungsverträgen, die deutsche Lehrlinge in Berührung mit französischen Familien brachten, kamen auch in vielen Fällen geschäftliche Partnerschaften zwischen Franzosen und Deutschen zustande. Diese zwangsläufigen Begegnungen förderten mit der Zeit einen wechselseitigen ethischen und sprachlichen Austausch.

Einige Jahre nach der Ansiedlung der pfälzischen Glaubensflüchtlinge in der Erlanger Neustadt im Jahre 1690 kam es zu ersten Konflikten zwischen ihnen und den hugenottischen Emigranten. Als der Markgraf Christian Ernst den Pfälzern die Erlaubnis erteilte, die französische Kirche zur Ausübung ihrer Religion mitzubenutzen, verschärften sich die Antagonismen zwischen den beiden Fraktionen. Die Auseinadersetzungen dauerten bis zum Jahre 1737 an, bis schließlich die pfälzischen Protestanten nach einer Annahme einer Summe von 500 Gulden, die von der französischen Gemeinde gestiftet wurde, auf ihr Recht der Mitbenutzung der französischen Kirche verzichteten.

Im Laufe der Zeit wurden die französischen Glaubensflüchtlinge zu einer Minderheit in Erlangen. Im Jahre 1723 lebten in Erlangen 2154 deutsche Einwohner, dagegen betrug die Zahl der französischen Gemeinde 1028 Personen.[111]

Seit Beginn des 18. Jahrhunderts ist eine Verdrängung der Hugenotten aus den Manufakturen und Handwerksbetrieben der Stadt zu beobachten, die ökonomische Entwicklung in Erlangen wurde in zunehmendem Maße von deutschen Protestanten beherrscht.[112]

Die Zahl der Eheschließungen zwischen Deutschen und Hugenotten nahm in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts stetig zu. Von den 39 Ehen, die in den Jahren 1741-1750 in der französischen Kirche geschlossen wurden, entfielen 13 auf Beziehungen zwischen französischen und deutschen Personen.[113]

Die kulturelle Assimilation der französischen Gemeinde in Erlangen wurde besonders an der sprachlichen Entwicklung deutlich; in den Beratungen des Konsistoriums der hugenottischen Gemeinde glichen sich verschiedene französische Wörter immer mehr der deutschen Schreibweise an.

Die Schule der französischen Gemeinde musste im Jahre 1703 aufgrund mangelnder Schülerzahlen geschlossen werden. Das Konsistorium beschloss, dass man dem Lehrer der deutschen reformierten Kirche „die französischen Kinder schicken will, die die deutsche Sprache lernen wollen, und zwar zu einem Preis, über den man sich mit ihm einigen will, sobald er eingetroffen ist.“[114]

Die hugenottischen Glaubensflüchtlinge verloren auf dem politischen und gesellschaftlichen Sektor immer mehr an Einfluss. Im Jahre 1781 konnte das französische Konsistorium gerade noch verhindern, dass das französische Sekretariat im Conseil de Justice abgeschafft wurde.

Als im Jahre 1792 die Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth in das preußische Staatsgebiet eingegliedert wurde, versuchte Hardenberg im Zuge seiner Reformbemühungen, die Privilegien der Hugenotten aufzuheben. Am 20.03. 1797 musste der Conseiller de Justice das Konsistorium um eine Stellungnahme zu seinen Gunsten bitten, nachdem er einen Brief von Hardenberg bekommen hatte, „in dem dieser ihm auf seine Anfrage mitteilt, dass man in der neuen Organisation keinen passenden Platz für ihn gefunden und ihm deshalb eine Pension von 200 Gulden zugebilligt hat.“[115]

In den folgenden Jahren startete die französische Gemeinde den Versuch, ihre garantierten Privilegien gegenüber der Assimilierungspolitik Hardenbergs zu bewahren. Im Jahre 1798 setzten die Hugenotten mit der Unterstützung der deutschen reformierten Kirche ein Memorandum über die berechtigten Grundlagen ihrer Privilegien auf.

Als im Jahre 1810 Erlangen in den bayrischen Herrschaftsbereich integriert wurde, verlor die französische Gemeinde auch ihre letzten Privilegien, die ihnen Markgraf Christian Ernst im Jahre 1685 gewährt hatte.[116]

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Fußnoten

  1.  ↑ Joutard, P.: 1685-Ende und neue Chance für den französischen Protestantismus, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 11-25, hier: S. 12
  2.  ↑ Ebd.
  3.  ↑ Ebd.
  4.  ↑ Steinfeld, L.: Memoiren Ludwigs XIV., Basel/Leipzig 1931, S. 65
  5.  ↑ Ebd., S. 67 f
  6.  ↑ Joutard, 1685-Ende und neue Chance für den französischen Protestantismus, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 11
  7.  ↑ Labrousse, La conversion au XVIIeme siecle, a.a.O., 167
  8.  ↑ Bluche, F.: Im Schatten des Sonnenkönigs. Alltagsleben im Zeitalter Ludwigs XIV. von Frankreich, Freiburg/Würzburg 1986, S. 316 ff
  9.  ↑ Ebd., S. 317
  10.  ↑ Ebd. S. 318
  11.  ↑ Bost, C.: Les predicants protestants des Cevennes et du Bas-Languedoc, 1684-1700, Paris 1912, Bd.I., S. 18
  12.  ↑ Zitiert aus: Joutard, 1685-Ende und neue Chance für den französischen Protestantismus, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 18
  13.  ↑ Leonard, E.G.: Histoire generale du protestantisme, Paris 1961, Bd.2, S. 363
  14.  ↑ Desel, J./Mogk, W.: Hugenotten und Waldenser in Hessen-Kassel, Kassel 1978, S. 17
  15.  ↑ Der aus Angers stammende Bodin hob in seinen Werken die souveräne Macht als Merkmal der staatlichen Gewalt hervor. Für ihn war der jeweilige Herrscher lediglich an die Beachtung bestimmter Grundsätze des natürlichen und göttlichen Rechtes gebunden. Er konnte das positive Recht nach seinen eigenen Anschauungen beliebig verändern. Vgl. dazu Köller/Töpfer, Frankreich, a.a.O., S. 254 oder das Werk von Kamp, M.E.: Die Staatswirtschaftslehre Jean Bodins, Bonn 1949
  16.  ↑ Schunk, Geschichte Frankreichs, a.a.O., S. 26
  17.  ↑ Zitiert aus Joutard, 1685-Ende und neue Chance für den französischen Protestantismus, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 15
  18.  ↑ Bluche, Im Schatten des Sonnenkönigs, a.a.O., S. 320
  19.  ↑ Ebd. S. 321
  20.  ↑ Ebd. S. 322
  21.  ↑ Deutscher Hugenottenverein (Hrsg.): Das Edikt von Nantes. Das Edikt von Fontainebleau, Flensburg 1963, S. 90
  22.  ↑ Sieburg, Geschichte Frankreichs, a.a.O., S. 141
  23.  ↑ Das Edikt von Fontainebleau. 300-Jahrfeier Oktober 1985. Vortrag von Pfarrer Albrecht Prüfer im Französischen Gymnasium, in: Die Hugenottenkirche, 39. Jg., Nr.10, Oktober 1986, S. 38 f
  24.  ↑ Ebd.
  25.  ↑ Ebd.
  26.  ↑ Deutscher Hugenottenverein, Das Edikt von Nantes. Das Edikt von Fontainebleau, a.a.O., S. 91 f
  27.  ↑ Bluche, Im Schatten des Sonnenkönigs, a.a.O., S. 317
  28.  ↑ Schunk, Geschichte Frankreichs, a.a.O., S. 66
  29.  ↑ Joutard, 1685-Ende und neue Chance für den französischen Protestantismus, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 20
  30.  ↑ Ebd.
  31.  ↑ Poujol, R.: Histoire d’un village cevenal : Vebron, Aix-en-Provence 1983, S. 132
  32.  ↑ Zitiert aus Spaich, H.: Fremd in Deutschland. Auf der Suche nach Heimat, a.a.O., S. 66
  33.  ↑ Bluche, Im Schatten des Sonnenkönigs, a.a.O., S. 311
  34.  ↑ Ebd.
  35.  ↑ Ebd. S. 312
  36.  ↑ Ebd.
  37.  ↑ Zitiert aus: Erbe, H.: Die Hugenotten in Deutschland, Essen 1937, S. 25
  38.  ↑ Meyer, Geschichte Frankreichs, a.a.O., S. 358
  39.  ↑ Sieburg, Geschichte Frankreichs, a.a.O., S. 147
  40.  ↑ Jean-Baptiste Colbert (1619-1683) bekleidete seit dem Jahre 1661 den Posten des Oberintendanten der Finanzen in Frankreich. Durch grundlegende administrative, ökonomische und finanzielle Reformen schuf er die Voraussetzungen für die Außen- und Kolonialpolitik Ludwigs XIV. Er war einer der führenden Vertreter des Merkantilismus und förderte den französischen Außenhandel und die industrielle Entwicklung des Landes. Außerdem wurde er von Ludwig XIV. zum Oberintendanten der schönen Künste ernannt und gründete im Jahre 1666 die Academie des Sciences. Vgl. dazu Cole, C. W.: French Merkantilism 1683-1700, 2. Auflage, New York 1965; Scoville, W.C.: The Presecution of Huguenots and French Economic Development 1680-1720, Los Angeles 1960, S. 444 f ; Schumpeter, J. A.: Geschichte der ökonomischen Analyse, 2. Bde, Göttingen 1989 oder Mager, W.: Frankreich vom Ancien Regime zur Moderne, 1630-1830. Wirtschafts-, Gesellschafts- und politische Institutionengeschichte, Stuttgart 1980
  41.  ↑ Treue, W.: Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit im Zeitalter der industriellen Revolution 1700-1960, Stuttgart 1962, S. 89
  42.  ↑ Vgl. dazu Almeras, C.: La revolte des Camisardes, Paris 1960 oder Ducasse, A.: La guerre des Camisardes. La resistance huguenotte sous Louis XIV., Paris 1962
  43.  ↑ Gahrig, Unterwegs zu den Hugenotten in Berlin, a.a.O., S. 22
  44.  ↑ Schunk, Geschichte Frankreichs, a.a.O., S. 85
  45.  ↑ von Thadden, R./Magdelaine, M.: Die Hugenotten 1685-1985, München 1985, S. 7
  46.  ↑ Spaich, Fremd in Deutschland. Auf der Suche nach Heimat, a.a.O., S. 66
  47.  ↑ Magdelaine, M.: Frankfurt am Main: Drehscheibe des Refuge, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 26- , hier: S. 26. Die anglikanische Gemeinde bestand im Gegensatz zu der niederländischen und französischen nicht allzu lange, da nach der Regierung von Maria Tudor die meisten Mitglieder nach England zurückkehrten.
  48.  ↑ Dölemeyer, B.: Hier finde ich meine Zuflucht. Auf den Spuren der Hugenotten und Waldenser im südlichen Hessen, Bad Karlshafen 1999, S. 28
  49.  ↑ Zitiert aus Spaich, Fremd in Deuschland. Auf der Suche nach Heimat, a.a.O., S. 82
  50.  ↑ Dölemeyer, Hier finde ich meine Zuflucht, a.a.O., S. 28
  51.  ↑ Magdelaine, Frankfurt am Main: Drehscheibe des Refuge, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 26
  52.  ↑ Die Unterstützungslisten der französischen Gemeinde Frankfurts liefern für die ersten Jahre zahlreiche Informationen über die ankommenden Flüchtlinge: Namen, Vornamen, Familienstand, Beruf, regionale Herkunft, Reiseweg, Bestimmungsort, erhaltene Geldzahlungen und in manchen Fällen die Fluchtumstände, die erlittenen Strapazen und kurze biographische Eckdaten.
  53.  ↑ Dieses Register befindet sich im Stadtarchiv Frankfurt im Karmeliterkloster
  54.  ↑ Ebd.
  55.  ↑ Magdelaine, Frankfurt am Main: Drehscheibe des Refuge, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 27
  56.  ↑ Ebd.
  57.  ↑ Ebd., S. 28
  58.  ↑ Vgl. dazu das Beispiel von Zürich: Barbatti, B.: Das „Refuge“ in Zürich. Ein Beitrag zur Geschichte der Hugenotten- und Waldenserflüchtlinge nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes und zur Geschichte der Stadt Zürich, Zürich 1957
  59.  ↑ Dölemeyer, Hier finde ich meine Zuflucht, a.a.O., S. 7
  60.  ↑ Magdelaine, Frankfurt am Main: Drehscheibe des Refuge, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 29
  61.  ↑ Zitiert aus: Ebd.
  62.  ↑ Zitiert aus: Ebd. S. 34
  63.  ↑ Ebd. S. 31
  64.  ↑ Zitiert aus: Ebd.
  65.  ↑ Ebd. S. 31
  66.  ↑ Ebd. S. 35
  67.  ↑ Ebd. S. 33
  68.  ↑ Weitere Informationen zur Migration in die Niederlande bietet Bots, H./ Bastiaanse, R.: Die Hugenotten und die niederländischen Generalstaaten, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten, a.a.O., S. 55-72; Gibbs, G.C.: Some Intellectual and Political Influences of the Hugenot Emigres in the United Provinces, c. 1680-1790, in: Bijtragen en Mededelingen betreffende de Geschiedenes der Nederlanden, 30 (1975), S. 254-287 oder Bolhuis, H.H.: La Hollande et les deux refugies, in: Bulletin de la Societe du Protestantisme francais, 115, (1969), S. 407-428
  69.  ↑ Magdelaine, Frankfurt am Main: Drehscheibe des Refuge, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten (1685-1985), a.a.O., S. 35. Vgl. zu anderen Aufnahmestaaten die Darstellung von Reaman, G. E.: The Trail of the Huguenots in Europe, the United States, South Africa and Canada, London 1964
  70.  ↑ Magdelaine, Frankfurt am Main: Drehscheibe des Refuge, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten (1685-1985), a.a.O., S. 30
  71.  ↑ Ebd. S. 35
  72.  ↑ Ebd. S. 36
  73.  ↑ Bremen führte im Jahre 1582 den reformistischen Glauben als Stadtbekenntnis ein. Die Ansiedlung von niederländischen, hugenottischen und pfälzischen Flüchtlingen, die die wirtschaftliche Entwicklung der Hansestadt vorantrieb, erfolgte relativ unproblematisch. Vgl. Veeck, O.: Geschichte der reformierten Kirche Bremens, Bremen 1909, S. 142 ff
  74.  ↑ Die Niederlassung reformierter Glaubensflüchtlinge stieß in Hamburg auf den entschiedenen Widerstand der Bürgerschaften und der lutherischen Kirche. Zunächst gelang es diesem Bündnis, die Entstehung einer reformierten Gemeinde in Hamburg zu verhindern. Da die Hansestadt an guten Beziehungen zu ihrem wichtigsten Handelspartner, den Niederlanden, interessiert war, gründete sich trotz aller Widerstände im Jahre 1601 eine reformierte Gemeinde in Altona. Nach der Ansiedlung hugenottischer Flüchtlinge entstand in Altona auch eine französische Gemeinde. Vgl. Von Roesbroenk, R.: Die Niederlassung von Flamen und Wallonen in Hamburg (1567-1605), in: Verein für Hamburgische Geschichte 49/50, Hamburg 1964, S. 53-76, hier: S. 53 ff
  75.  ↑ Wie auch in Hamburg existierten auch in Lübeck Vorbehalte gegenüber reformierten Neuankömmlingen. Der Senat Lübecks verabschiedete im Jahre 1670 ein Dekret, das die Ansiedlung reformierter Personen aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen befürwortete. Die lutherische Geistlichkeit der Stadt lehnte jedoch die Einwanderung von Angehörigen des reformierten Glaubens rigoros ab. Erst nach jahrzehntelangen Streitigkeiten setzte sich der Senat Lübecks durch und erteilte hugenottischen Flüchtlingen die Einreiseerlaubnis. Vgl. Grundmann, P.: Französische Flüchtlinge in Lübeck: Refugies und Emigres, Schönberg 1920, S. 15 ff oder Hoffmann, M.: Geschichte der freien und Hansestadt Lübeck, 2. Hälfte, Lübeck 1889/1892, S. 101 ff
  76.  ↑ Nähere Hinweise zum Leben der Hugenotten in England finden sich bei Cottret, B.: Terre d’exil. L’Angleterre et ses refugies francaise et wallons de la Reforme a la Revocation de l’Edit de Nantes, Paris 1986 oder Cottret, B.: Glorreiche revolution, schändliche Revokation? Französische Protestanten und Protestanten Englands, in : von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten, a.a.O., S. 73-84
  77.  ↑ Magdelaine, Frankfurt am Main: Drehscheibe des Refuge, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 36
  78.  ↑ Zitiert aus: Ebd.
  79.  ↑ Christoph Graf zu Dohna gab in seinen „Memoires originaux“ einen Eindruck von der Situation in Berlin: „Bei meiner Rückkehr (1686) fand ich in Berlin angefüllt mit Franzosen; sie flüchteten in Massen hierher, angezogen von der günstigen Aufnahme, die der Kurfürst den ersten bereitet hatte. (…) Jeden Tag sah man Kaufleute, Manufakturunternehmer und vor allem Offiziere und Edelleute in Mengen eintreffen“ Zitiert nach: Glatzer, R. (Hrsg.): Berliner Leben 1648-1866. Erinnerungen und Berichte, Berlin 1956, S. 48
  80.  ↑ Zitiert nach: Wilke, J.: Rechtsstellung und Rechtssprechung der Hugenotten in Brandenburg-Preußen (1685-1809), in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 100- ?, hier S. 100
  81.  ↑ Das Edikt von Potsdam wurde im Gegensatz zu anderen Edikten aufgrund der besonderen Situation, in denen sich die Flüchtlinge befanden, relativ kurzfristig verfasst. Bei der Ausarbeitung des Inhalts stützte sich der Kurfürst Friedrich Wilhelm unter anderem auf die Pfarrer Francois de Gaultier und Jacques Abbadie der französischen Gemeinde in Berlin. Sie machten den Kurfürsten und seine Berater mit Augenzeugenberichten über die Situation der Flüchtlinge vertraut.Vgl. dazu auch Mengin, E.: Das Edikt von Potsdam. Das Edikt von Fontainebleau, Paris 1963
  82.  ↑ Zitiert nach Tritt, I.: Der kulturgeographische Einfluß der Glaubensvertriebenen in Berlin, Berlin 1966, S. 3
  83.  ↑ Ebd.
  84.  ↑ Mengin, E.: Das Recht der französisch-reformierten Kirche in Preußen, Berlin 1929, S. 192
  85.  ↑ Zitiert nach: Wilke, Rechtsstellung und Rechtssprechung der Hugenotten in Brandenburg-Preußen, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 100
  86.  ↑ Zitiert nach: Ebd.
  87.  ↑ Ebd. S. 101
  88.  ↑ Gahrig, Unterwegs zu den Hugenotten in Berlin, a.a.O., S. 30
  89.  ↑ Ebd.
  90.  ↑ Wilke, J.: Rechtstellung und Rechtssprechung der Hugenotten in Brandenburg-Preußen (1685-1809), in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 100- ???, hier S. 102
  91.  ↑ Zitiert nach L’heureuse colonie, du celebration du Jubile des colonies francaises etablies dans les Etats du Roi: consistant en un Recueil de Sermons prononces dans les cinq paroisses francaises de Berlin, Berlin 1785, S. 5
  92.  ↑ Yardeni, M.: Refuge und Integration. Der Fall Erlangen, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 146-159, hier: S. 147
  93.  ↑ Ebd.
  94.  ↑ Ebrard, A.: Christian Ernst v. Brandenburg-Baireuth. Die Aufnahme reformierter Flüchtlingsgemeinden in ein lutherisches Land 1686-1712, Gütersloh 1906, S. 145-168, hier: S. 146 f
  95.  ↑ Yardeni, Refuge und Integration, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 148
  96.  ↑ Ebd., S. 146
  97.  ↑ Im Stadtarchiv Erlangen befindet sich eine Broschüre von vier Seiten über die Anwerbung von schweizerischen Geistlichen unterzeichnet von den Pfarrern Tholozan und Michel.
  98.  ↑ Yardeni, Refuge und Integration, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 157
  99.  ↑ Zitiert aus Ebd. S. 151
  100.  ↑ Ebd., S. 152
  101.  ↑ Zitiert aus: Ebd. S. 153
  102.  ↑ Ebd., S. 149
  103.  ↑ Ebd. S. 151
  104.  ↑ Im Jahre 1718 wurde der Pfarrer Rochemeont von seinem Amt entbunden. Die gespannte Atmosphäre setzte sich in den Amtszeiten von de Colombier (1718-1734) und Henri Hollard (1743-1753) fort.
  105.  ↑ Yardeni nennt in diesem Zusammenhang das Beispiel des Pfarrers Ruynat, der das Konsistorium um seine Entlassung bat, da er von seinem Gehalt den Lebensunterhalt für seine Frau und seine beiden Kinder nicht bezahlen konnte. Vgl. Ebd. S. 152
  106.  ↑ Ebd., S. 153
  107.  ↑ Ebd.
  108.  ↑ Ebd. S. 155
  109.  ↑ Ebrard, Christian Ernst von Brandenburg-Baireuth, a.a.O., S. 164
  110.  ↑ Zitiert aus Yardeni, Refuge und Integration, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 156
  111.  ↑ Ebd., S. 157
  112.  ↑ Schanz, G.: Zur Geschichte der Colonisation und Industrie in Franken, 2 Bde., Erlangen 1884, B.I., S. 96 ff
  113.  ↑ Yardeni, Refuge und Integration, in: von Thadden/Magdelaine, Die Hugenotten 1685-1985, a.a.O., S. 158
  114.  ↑ Zitiert aus: Ebd.
  115.  ↑ Zitiert aus: Ebd.
  116.  ↑ Ebd., S. 159