e-Portfolio von Michael Lausberg
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Grundzüge deutscher Kolonialgeschichte mit dem Schwerpunkt Deutsch- Südwestafrika

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. Vorläufer der Kolonialbewegung
  3. Motive der Kolonialbewegung
  4. Imperialistische Bestrebungen
  5. Propagandisten der deutschen Kolonialbewegung
  6. Der Eintritt in das Kolonialzeitalter
  7. Deutsch-Südwestafrika
  8. Kolonialpolitik 1907-1918
  9. Der Völkermord an den Herero und der Umgang in der Bundesrepublik Deutschland
  10. Fazit
  11. Literatur

1. Einleitung

Der „Hochimperialismus“ wird als eine Epoche bezeichnet, in der vor allem durch europäische Groß- und Mittelmächte betriebenen weltweiten Ausdehnung von Herrschaftsgebieten auf Übersee-Territorien im Zeitraum ab ca. 1870 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges (1914), motiviert vornehmlich durch strategische Interessen wirtschaftlicher und politischer Art, später auch zunehmend von Prestigestreben und irrationalen Rivalitäten zwischen den imperialistischen Mächten. Der in dieser Zeit betriebene formelle Imperialismus (Kolonialismus) vor allem in Afrika ist dabei nur ein Teilaspekt des Imperialismus, der auch informelle machtpolitische und wirtschaftliche Durchdringung umfasst. Die Interessenskonflikte zwischen den europäischen imperialistischen Mächten führten letztlich zur Katastrophe des 1. Weltkriegs, woran das Deutschen Reich entscheidend mitwirkte.

Im Gegensatz zu anderen imperialistischen Mächten wie Großbritannien oder Frankreich stieg das Deutsche Reich erst spät in das Wettretten um Absatzmärkte und Großmachtpolitik ein. Die deutsche Kolonialpolitik begann 1884/85, Reichskanzler Bismarck verlieh mehreren afrikanischen Gebieten (Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika, Kamerun, Togo) sowie Deutsch-Neuguinea den Status deutsches „Schutzgebiet“. Innerhalb weniger Jahre wurden diese Gebiete in formelle Kolonien umgewandelt. Das Deutsche Reich entwickelte nach der Ablösung Bismarcks 1890 unter Kaiser Wilhelm II. mit dem „Neuen Kurs“ eine imperialistisch orientierte Politik. Im Jahr 1897 forderte der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow im Reichstag einen deutschen „Platz an der Sonne“. Diese Prämisse eines nationalen Prestigedenkens sollte die deutsche imperialistische Politik bis 1914 prägen.

Die deutsche Kolonialgeschichte spielt im Geschichtsbewusstsein der Deutschen und in der deutschen Geschichtsschreibung nach 1945 eine eher beiläufige Rolle. Die Gründe dafür liegen wohl in dem fehlenden historischen Verantwortungsbewusstsein sowie in der Kurzlebigkeit des deutschen Kolonialreiches (1884-1914). Die deutsche Kolonialvergangenheit gerät vor allem im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika (Namibia) in den Blick, da dort auch noch heute viele deutschstämmige Siedler wohnen. Dort herrscht noch immer die weiße Minderheit, in der Grundbesitzverteilung, der Bevölkerungs- und Sozialstruktur sowie dem Wanderarbeitssystem wird das Erbe der deutschen Kolonialverwaltung sichtbar.

In der Arbeit werden die Grundzüge deutscher Kolonialgeschichte mit dem Schwerpunkt Deutsch- Südwestafrika herausgearbeitet. Hier wird zunächst auf die Vorläufer der Kolonialbewegung eingegangen, bevor ihre Motive, die meist wirtschaftlicher Natur waren, besprochen werden. Danach werden die ersten imperialistischen Bestrebungen in Deutschland erläutert. Weiterhin folgt eine Beschreibung der Propagandisten und ausführenden Akteure der deutschen Kolonialbewegung. Die Auseinandersetzung mit dem (späten) Eintritt Deutschlands in das Kolonialzeitalter ist Gegenstand des nächsten Kapitels. Danach werden das deutschen Wirken und die Verbrechen im damaligen Deutsch-Südwestafrika (Namibia) beschrieben. Der Völkermord an den Herero wurde lange Zeit geleugnet, erst im 21. Jahrhundert wurde dafür Verantwortung übernommen.

2. Vorläufer der Kolonialbewegung

Im 16. und 17 Jh. sind die Bemühungen um die Begründung deutscher Kolonialgebiete in der „Neuen Welt“ trotz des nicht unerheblichen Anteils deutscher Entdecker, Wissenschaftler, Forscher, Missionare, Händler sowie Handelshäuser (Welser in Venezuela) ergebnislos geblieben. Ein Aufruf zur Gründung deutscher Überseekolonien des bayrischen Merkantilisten Johann Joachim Becher aus dem Jahre 1657 blieb ohne Resonanz. Becher proklamierte:[1] „Wohlan denn, dapffre Teutschen, machet, dass man in der Mapp neben neu Spanien, neu Franckreich, neu Engelland auch ins künfftige neue Teutschland finde!“

Nicht viel erfolgreicher verliefen die Kolonialpläne und – gründungen des 18 Jahrhunderts. Der Schwager von Friedrich II., der Herzog Jakob von Kurland, besaß kurzzeitig die Insel Tobago und Landstriche in Westafrika.

Die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie (BAC) war ein brandenburgisch-preußisches Unternehmen, dessen Zweck der Überseehandel mit Westafrika war.[2] Sie nahm am damaligen Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika teil und handelte unter anderem mit Sklaven. Der Heimathafen war Emden, dazu besaß sie Stützpunkte in Westafrika (u. a. die Kolonie Groß Friedrichsburg) und in der Karibik. Die Kompanie existierte von 1682 bis zu ihrer Auflösung durch den preußischen König Friedrich I. (1686–1713) im Jahr 1711. Die Handelskompanie gilt außerdem als erste deutsche Aktiengesellschaft. Die Gründung dieser ersten deutschen Handelskompanie hing eng mit dem Wirken des in brandenburgischen Diensten stehenden Holländers Raule und der forcierten Entwicklung der kurbrandenburgischen Marine unter dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1640–1688) zusammen.[3]

Die europäischen Entdeckungsfahrten des 16. und frühen 17. Jahrhundert, hatten dazu geführt, dass sich durch die Vergrößerung der „bekannten Welt“ auch die politischen Horizonte und Ambitionen der europäischen Herrscher erweiterten. In den ausbrechenden Rivalitäts- und Konkurrenzkämpfen der europäischen Mächte um die neuentdeckten Territorien spielten dabei die Schifffahrt, der Seehandel, der Besitz von Kriegsflotten und von Kolonien eine entscheidende Rolle.

Auch Brandenburg-Preußen unter Friedrich Wilhelm beanspruchte im Konzert der großen Mächte einen neuen Platz.[4] Vorbild für die Brandenburger war dabei die kleine Republik der Niederlande, die durch den Überseehandel und einer großen Handelsflotte zu einer dominierenden Handels- und Wirtschaftsmacht aufgestiegen waren. Der Kurfürst plante bereits 1651 die Gründung einer ostasiatischen Handelskompanie, fand jedoch dafür keine Investoren. Dennoch gab der Kurfürst seine kolonialen Ambitionen nicht auf.

Auf Betreiben des holländischen Kaufmanns und Schiffsreeders Benjamin Raule fand im Sommer 1680 die erste Expedition nach Afrika unter brandenburgischer Flagge statt. Der Kurfürst stellte für dieses Unternehmen nur die Besatzung der beiden Schiffe und seine Flagge zur Verfügung; Kosten und Risiko lagen allein bei Raule und seinen Gesellschaftern. Der eigentliche kurfürstliche Auftrag lautete, an der Küste von Guinea Gold, Elfenbein, Getreide und Sklaven zu erhandeln und diese „Waren“ zum Verkauf in Lissabon, Cádiz beziehungsweise „unter der Hand“ feilzubieten.[5] Dieser Expedition gelang es im Mai 1681, an der Goldküste zwischen Axim und dem Kap der drei Spitzen einen Handelsvertrag mit den dortigen afrikanischen Stämmen abzuschließen. Inhalt des Vertrages war, dass die Brandenburger binnen Jahresfrist einen bewaffneten Handelsstützpunkt aufbauen durften und die dort ansässigen Afrikaner ihre Waren ausschließlich den Brandenburgern feilbieten würden.

Nach der Rückkehr der ersten Expedition im August 1681 trat der Große Kurfürst aufgrund dieses Erfolges für die Fortsetzung des Afrika-Projektes ein. Am 7. März 1682 verkündete er mit dem „Edict wegen Octroyierung der aufzurichtenden Handelscompagnie auf denen Küsten von Guinea“ die Gründung der „Handelscompagnie auf denen Küsten von Guinea“

Die Gesellschaft wurde mit einem Grundkapital von 50.000 Reichstalern ausgestattet, wovon 48.000 Taler gezeichnet wurden. Die später in „Brandenburgisch-Afrikanische Handelskompagnie (BAC)“ umbenannte Handelskompanie erhielt für 30 Jahre das brandenburgische Monopol für den Handel in Westafrika mit Pfeffer, Elfenbein, Gold und Sklaven sowie das Recht, eigene Stützpunkte anzulegen. Die Besatzung und die Ausrüstung dafür stellte der Kurfürst zur Verfügung. Außerdem gewährte der Kurfürst der Gesellschaft das Recht, im Namen des Kurfürsten eigene Verträge mit der einheimischen Bevölkerung zu schließen. Die Gesellschaft besaß eine eigene Gerichtsbarkeit, durfte eigenes Militär unterhalten und Verteidigungskriege in Übersee führen.[6]

Die BAC wurde an den europäischen Höfen durch den Kurfürsten mitvertreten. Jeder, der eine Aktie im Mindestnennwert von 200 Talern erwarb, konnte Teilhaber der Gesellschaft werden. Der tatsächliche Einfluss auf die Gesellschaft richtete dann sich aber nach der Höhe der Einlage So besaß man erst ab einem Nennwert von 1.000 Talern eine Stimme. Allen Angestellten der Kompanie war es streng verboten, in Übersee privaten Handel zu betreiben. Die Aufsicht über die Kompanie führte der jeweilige brandenburgische Kurfürst.

In der darauffolgenden Zeit etablierte sich die Gesellschaft an dem westlichen Küstenabschnitt des heutigen Ghana, der sogenannten Goldküste.[7] Am 1. Januar 1683 erfolgte die Gründung des ersten brandenburgischen Stützpunktes in Westafrika, Fort Groß Friedrichsburg. Die gleichnamig benannte Kolonie Groß Friedrichsburg bestand aus einem etwa 30 bis 50 km langen Küstenstreifen und bestand neben der Festung Großfriedrichsburg auch aus den 1684 gegründeten Fort Dorothea und dem Fort Louise sowie einem 1685 gegründeten Stützpunkt bei Taccarary, der jedoch 1687 von der Niederländisch-Westindischen Kompanie erobert wurde. 1685 besetzten die Brandenburger die Insel Arguin vor der Küste des heutigen Mauretanien und richteten das dortige, alte portugiesische Kastell wieder her. Mit Dänemark wurde ein Vertrag geschlossen, der den Brandenburgern die Nutzung der karibischen Insel St. Thomas gestattete. Damit waren die Grundvoraussetzungen für den Dreieckshandel gegeben.[8]

Das Anlegen und der Unterhalt dieser Stützpunkte verursachten hohe Kosten. Zudem waren die beteiligten Kaufleute der Kompanie korruptionsanfällig und betrieben den Handel eher für die eigene Tasche als für die Kompanie. Die Rivalität zu den anderen europäischen Handelskompanien führte immer wieder zur Beschlagnahme brandenburgischer Schiffe, die erst nach langandauernden Verhandlungen wieder zurückgegeben wurden. Die Verwaltung der kurbrandenburgischen Marine und der Handelskompanie wurden vereinigt, was dazu führte, dass die noch 1684 angestrebte Trennung zwischen Flotte und Handel wieder aufgehoben wurde. 1692 war die BAC schließlich bankrott.

Durch ein kurfürstliches Edikt von 1692 erfolgte die Umwandlung der BAC in die „brandenburgisch-africanischamericanische Compagnie“ (BAAC).[9] Den erhaltenen Privilegien nach ähnelte sie ihrer Vorgängerin, war jedoch hinsichtlich der Organisationsstruktur noch näher an ihrem Vorbild, der Niederländischen Ostindien-Kompanie, nachgebildet.[10]

Aufgrund vermehrt auftretender Streitigkeiten der Teilhaber, Überfällen von Piraten auf die Stützpunkte und vieler Schiffsverluste verspielte die Kompanie sämtliches Vertrauen bei ihren Kapitalgebern. Im Jahre 1700 fuhren nur noch 11 der einst (1684) 34 Schiffe unter brandenburgischer Flagge. So kam es, dass zwischen 1699 und 1709 nur noch wenige Schiffe von der BAAC ausgerüstet wurden. Die Stützpunkte konnten nicht mehr ausreichend versorgt werden. 1711 erfolgte die Übernahme der Handelskompanie in staatlichen Besitz durch den König Friedrich I., ohne jeglichen Widerstand der Mitglieder. Nach dreißig Jahren hörte die Handelskompanie damit auf zu bestehen. In den nächsten zwei Jahrzehnten konzentrierte sich der neue preußische König nur noch auf die Liquidation der Besitztümer und des Inventars der Kompanie.

Die BAC realisierte während ihres Bestehens nur einen kleinen Anteil am überseeischen Handel. Die Kompanie verkaufte etwas über 19.000 Afrikaner, die die Überfahrt von Afrika nach Amerika überlebt hatten. Das ergibt eine Beteiligung am gesamten Sklavenhandel in der Zeit von 1450 bis 1867 von 0,15 bis 0,2 %. Zur Zeit der BAC wurden jährlich über 17.000 Afrikaner in der Karibik verkauft. [11]

Das Hauptproblem der BAC waren über ihre gesamte Zeit hinweg die nur begrenzt vorhandenen finanziellen Mittel, derer es bedurft hätte, wenn man sich langfristig am Überseehandel gegen die europäischen Konkurrenten hätte durchsetzen wollen.[12] Ein weiteres Moment für das Scheitern der Gesellschaft lag in der fehlenden wirtschaftlichen Infrastruktur des Mutterlandes Brandenburg-Preußen. Zu der Zeit war das Land nicht in der Lage, die eingeführten Waren weiterzuverarbeiten, noch gab es einen genügenden heimischen Absatzmarkt in Form einer breiten wohlhabenden Schicht, die über die finanziellen Mittel zum Erwerb dieser Produkte verfügten. In Amerika versäumten es die Brandenburger zudem, Plantagenkolonien zu errichten, die kontinuierlich Kolonialwaren ins Mutterland hätten liefern können. Durch den alleinigen Handel mit Amerika ließen sich jedoch keine dauerhaften Gewinne erwirtschaften.[13]

Unter den Erfahrungen der Kontinentalsperre Napoleons reiften schon koloniale Ideen heran wie zum Beispiel die Denkschrift Nettelbecks aus dem Jahre 1815 zeigt.[14] In dieser Denkschrift konnte man leicht das nationale Motiv erkennen, die Gewinne aus Transport und Umsatz der Kolonialwaren der eigenen Volkswirtschaft zur Verfügung zu stellen. Ernsthafte Diskussionen gab es aber erst in den 1840er Jahren geweckt durch Handelsinteressen und die Furcht, bei der Aufteilung der Welt, zu „kurz zu kommen“, was vornehmlich aus den Reihen des liberales Bürgertums kam. Man sprach unter anderem davon, die Türkei zu „beerben“, andere wollten ein „Neudeutschland“ in Südamerika oder Afrika errichten. In Nordamerika wurde über den Kauf von Teilen Kanadas oder Mexikos nachgedacht. [15]

Anfang 1841 existierten Pläne für eine „Deutsche Colonisationsgesellschaft“ unter der Leitung des Hamburger Reeders Sieveking, jedoch scheiterte dieses Vorhaben.[16] 1848 entstanden in Frankfurt/M., Leipzig, Dresden Kolonialvereine, die in Zentral- und Südamerika, Uruguay deutsche Niederlassungen gründeten. Der „Colonisationsverein von 1849 in Hamburg“ gründete im Küstengebiet der brasilianischen Provinz Santa Catharina die Kolonie „Dana Francisca“, die bis zum Jahre 1868 ca. 8.000 deutsche Siedler aufnahm. Südbrasilien, Uruguay und die La Plata-Länder standen im Mittelpunkt deutscher Auswanderungspläne und überseeischer Handelsbestrebungen. Zu Beginn der 1840er Jahre gab es konkrete Vorstellungen zu einer deutschen Besiedelung Palästinas sowie die Idee einer Vorherrschaft in dieser Region aufzubauen (Graf von Moltke).[17] Palästina sollte als Pufferstaat zwischen Syrien und Ägypten in ein christliches Staatswesen unter einem deutschen Fürsten verwandelt werden. Der Komponist Richard Wagner war begeisterter Kolonialist:[18] „Nun wollen wir in Schiffen über das Meer fahren, da und dort ein junges Deutschland gründen. Wir wollen es besser machen als die Spanier, denen die neue Welt ein pfäffisches Schlächterhaus, anders als die Engländer, denen sie ein Krämerkasten wurde. Wir wollen es deutsch und herrlich machen.“

Viele Protagonisten der 1848er Revolution sprachen sich schon damals für Kolonisation aus (liberales Bürgertum, Demokraten). Darunter waren vor allem das liberale Bürgertum und andere so genannte Demokraten zu nennen, die den indigenen Einwohnern jedoch jegliche Rechte absprachen.[19] Die in den 1850er und 1860er Jahren auftretenden Kolonialprojekte blieben ohne größeres Interesse, ohne dass sie an Zahlenmäßigkeit verloren hatten. 1870/71 verlieh der deutsch-französische Krieg deutschen Kolonialplänen neuen Auftrieb; französischer Kolonialbesitz stand als Kriegsentschädigung zur Debatte. Hanseatische Kaufleute forderten die Reichsregierung auf, die Kriegsziele von Frankreich, die Abtretung von Cochinchinas mit der Hauptstadt Saigon zu fordern. Bismarck erteilte diesen Plänen eine Absage, dennoch existierte weiterhin eine Grundstimmung einer Notwendigkeit deutscher ökonomischer Expansion.

Im Oktober war in Berlin der „Zentralverein für Handelsgeographie und Förderung deutscher Interesse im Ausland“ gegründet worden.[20] Der „Westdeutsche Verein für Kolonisation und Export“, ein regionaler Zusammenschluss, zeigte schon in der Namensgebung die Wunschvorstellung und das interessenbedingte Motiv an.

In einer 1879 erschienenen Schrift wurde nicht nur auf die weltpolitische Machtstellung Großbritanniens, sondern auch auf die USA und Russland verwiesen. Außerdem wurden große Zukunftspläne geschmiedet:[21]“Unsere großartigen Erfolge in den Jahren 1870 und 1871, berechtigen sie uns denn nicht, die alte bescheidene, schüchterne und bedientenhafte Rolle endlich einmal gründlich beseite zu legen, uns kühn und stolz unter die drei Bewerber um die künftige Weltherrschaft zu mischen (…)?“

Am 06.12.1882 gründeten Kreise der Schwerindustrie, des Bankkapitals und der Aristokratie in Frankfurt/M. den „Deutschen Kolonialverein“, der die koloniale Bewegung in Organisationsfragen zusammenfassen und Regierung und Reichstag zu einer ihren Vorstellungen entsprechenden radikalkolonialen Politik vorantreiben sollte. Auf Seiten der Wissenschaft kooperierten die Historiker Treitschke, Sybel und Ranke, die Geographen Ratzel und Kirchhoff sowie der Altertumsforscher Schliemann mit dem neu gegründeten Kolonialverein.

3. Motive der Kolonialbewegung

Der Beginn der deutschen Kolonialexpedition in der Mitte der 1880er Jahre fiel in ein krisenhaftes Übergangs- und Durchgangsalter. Die durch die industrielle Revolution mobilisierte Gesellschaft befand sich in einem wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Umwandlungsprozess. Der Imperialismus stellte das Ventil für die inneren Veränderungen und Umwandlungen der Epoche bzw. die politische Form, in der die industrielle Revolution von Europa aus die gesamte Welt erfasste (Theodor Schieder). Dieser um Aufholen und um Sicherung eines „Platzes an der Sonne“ bemühte deutsche Kolonialexpansionismus zeigte sich dafür verantwortlich, dass ihm in stärkerem Maße als bei den etablierten Kolonialmächten Züge von Torschlusspanik in der kolonialen Praxis aber auch von Überheblichkeit anhafteten.

Eines der wichtigsten Elemente der Krisenstimmung der späten 1870er und frühen 1880er Jahre, aus denen die deutsche Kolonialagitation ihre Argumente bezog, resultierte aus dem anhaltenden Wachstum der Bevölkerung im Gefolge der industriellen Revolution mit ihren Verbesserungen für Gesundheit und Lebensqualität. In den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wuchs die Reichsbevölkerung um fast 25% von 45 auf 56 Millionen an.

Die Bevölkerungs- und Auswanderungsfrage spielte eine zentrale Rolle in der Kolonialpropaganda und Expansionsagitation, wobei die entsprechenden Parolen „Ackerbau und Siedlungskolonien“ hießen.[22] In erster Linie schienen sich Gebiete in Südamerika und im Nahen und Mittleren Osten anzubieten, aber auch Afrika rückte zunehmend in den kolonialpolitischen Blickwinkel.

Die Auswanderung sollte in deutsche Siedlungskolonien gelenkt werden. In der notwendig erscheinenden und zugleich als nationaler Verlust empfundenen Auswanderung lag daher vor allem der Ansatzpunkt für eine deutsche Kolonialbewegung. Zunehmendes Gewicht gewannen dann aber die wirtschaftspolitischen Argumente, die ihren Nährboden in dem sich abzeichnenden Umbruch vom „Agrarstaat mit starker Industrie zum Industriestaat mit starker agrarischer Basis“ besaßen.[23] Von den Zeitgenossen sind allerdings diese Krisen in Landwirtschaft und Industrie sowie die gesamte Übergangssituation im Wirtschaftsleben als Überproduktion und Absatzkrise verstanden worden, deren Chancen allein in einer Exportoffensive in weltweitem Maßstab und in der Erschließung neuer Rohstoffquellen und Absatzmärkte gesehen wurde.

Noch stärker hat indessen die im Zusammenhang mit den wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten und dem demographischen Druck stehende soziale Frage das psychologische Klima für die Kolonialagitation – als „Ventil“ für den „Überdruck“ an Menschen, Waren und Kapital- bereitet. Zeitgenössische Beobachter haben die „soziale Frage“ als zentrale Frage des 19. Jahrhundert bezeichnet.[24]

Vorschläge und Projekte von der „organisierten Auswanderung“ sozial „unruhiger Elemente“ in abseits gelegenen „Siedlungskolonien“ bis zur „Deportation“ politischer Agitatoren, in so genannte Verbrecherkolonien nach dem Vorbild Englands in Australien sowie Russlands in Sibirien gehörtem immer wieder zu den Propagandaelementen der Kolonialbewegung.[25] Die Kolonialisierung wurde somit als Instrument der Ablenkung von sozialen innenpolitischen Schwierigkeiten begriffen.

Nationalpolitische und nationalpsychologische Motive standen gleichrangig neben den wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Argumenten.[26] Es war selbstverständlich, dass mit der nationalen Vereinigung und der wachsenden Reputation des Reiches der Übergang von der nationalen Selbstbeschränkung zur kolonialen und schließlich imperialistischen Weltpolitik notwendig folgen musste. Max Weber formulierte in seiner Freiburger Antrittsvorlesung, dass die Einigung Deutschlands der Ausgangspunkt einer neuen Weltmachtpolitik sein sollte. Die bisherige als minderwertig erachtete Stellung Deutschlands unter den anderen imperialistischen Mächten, schon wegen des Fehlens überseeischen Besitzes, haben ganz wesentlich die nationalistische Komponente der Kolonialagitation verschärft.[27]

In das Konkurrenzmotiv, bei diesem Verteilungskampf zu „spät“ zu kommen, mischten sich wie bei anderen Nationen sozialdarwinistische Motive, denen zufolge der „Überlebenskampf“ in den Bereich der Staaten und Nationen übertragen wurde. Nicht selten traten die sozialdarwinistischen Argumente in einem sendungsideologischen und kulturmissionarischen Gewand auf („Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“).

Die deutsche Kolonialagitation resultierte folglich aus einem Bündel von Motiven, wobei sozialökonomische, nationalideologische, sozialdarwinistische und kulturmissionarisch- sendungsideologische Argumente nebeneinander standen. Die Kolonialbewegung entsprach dem Prestigebedürfnis breiter Bevölkerungskreise und erleichterte deren nationale und soziale Identifikationsprobleme.[28]

4. Imperialistische Bestrebungen

Mit dem Krimkrieg (1853-1856) endete das auf der Solidarität der Monarchen beruhende Ordnungssystem des Wiener Kongresses.[29] Von nun an wurden Nationalismus und Imperialismus[30] zu den alles bestimmenden außenpolitischen Prinzipien des europäischen Staates. In den 1880er Jahren des 19. Jh. wandelte sich der Charakter der europäischen Mächtebeziehungen vom „Fieberwahn des Imperialismus“ ergriffen grundlegend.

An die Stelle der traditionellen Machtpolitik trat nunmehr bei allen Großmächten das letztlich rational nicht mehr festzumachende Verlangen nach Kolonien und Absatzmärkten als Statussymbolen einer Teilnahme an der Weltherrschaft.[31]

Mit Anfang der 1880er Jahre beschleunigte sich die koloniale Ausdehnung der europäischen Großmächte, die zu einer Verschärfung der internationalen Gegensätze führte. Für die Expansionspolitik des Imperialismus, die sich entweder direkt durch Gebietserweiterungen im außereuropäischen Raum oder indirekt durch starken wirtschaftlichen Einfluss äußerte, existieren folgende Gründe:[32]

Im Imperialismus übersteigerte sich das Nationale als gesellschaftliche Integrationskraft zum kollektiven Gefühl der eigenen kulturellen Überlegenheit über die sogenannte Primitivität anderer Völker oder Staaten. Der nun beginnende Wettlauf um die Verteilung der noch nicht kolonialisierten Gebiete der Erde (vor allem in Afrika, Asien, Ozeanien) bzw. um die Sicherung des wirtschaftlichen Einflusses (insbesondere in China, Persien und der Türkei) brachte bis zum 1. Weltkrieg 84% der bewohnten Erdoberfläche in die Gewalt der europäischen Staaten, der USA und Japans.[33]

Während in der ersten Hälfte des 19 Jh. gegenüber dem 18. eher eine Tendenz der Abwendung von kolonialer Politik festzustellen war, begann seit Anfang der 80er Jahre des 19. Jh. ein regelrechtes Wettrennen um die noch nicht in kolonialer Abhängigkeit gebrachten Gebiete in Übersee.

Der Imperialismus unterschied sich vom traditionellen Kolonialismus in erster Linie durch das Ausmaß an staatlichem und gesellschaftlichem Engagement. Während zuvor die europäischen Regierungen nur zögernd koloniale Erwerbungen durch einzelne Personen bzw. Handelsgesellschaften im Nachhinein akzeptiert hatte, so warfen die europäischen Staaten Ende des 19 Jahrhunderts nunmehr ihr gesamtes nationales Ansehen für den zielbewussten Erwerb außereuropäischer Einflusssphären in die Waagschale. Dem planmäßigen Einsatz politischer und militärischer Mittel bei der Eroberung folgte die systematische Durchdringung der in Besitz genommenen Gebiete durch die eigene Kapital- und Wirtschaftskraft.[34]

5 Propagandisten der deutschen Kolonialbewegung

Gegen Ende der 1870er Jahre setzte die öffentliche Diskussion über die Notwendigkeit einer deutschen überseeischen Expansion und Kolonialpolitik ein. Es existieren drei Persönlichkeiten, die die kolonialagitatorische Argumentation vorformulierten und quasi systematisiert haben: Friedrich Fabri, Wilhelm Hübbe-Schleiden und Ernst von Weber.[35]

Als „Vater der deutschen Kolonialbewegung“ gibt der Kolonial- und Sozialpolitiker Friedrich Fabri (1824-1891), von dessen Schriften wohl die stärkste kolonialpolitische Wirkung ausging.[36] Nach seinem Theologiestudium wurde Fabri 1857 Leitender Inspektor der Rheinischen Mission in Barmen. Im Jahre 1828 wurden die ersten Missionare nach Südafrika geschickt. Es gab eine gute Zusammenarbeit mit den dortigen Missionsstationen der Londoner Mission. Ebenso gut war die Zusammenarbeit mit Niederländischen Gesellschaften. Die Rheinische Mission ging in ihrer Missionstätigkeit davon aus, dass nur ihre religiösen Überzeugungen in der Welt ihren Platz haben, von der Vorstellung religiöser Pluralität kann dort keine Rede sein.

In dieser Position führte Fabri eine bessere Ausbildung der Missionskandidaten ein, die sowohl die alten Sprachen umfasste als auch darauf achtete, dass die Persönlichkeit der Missionare berücksichtigt und gestärkt wurde. Er verbesserte die Kommunikation mit den Missionaren durch regelmäßige Rundschreiben über politische und kirchliche Entwicklungen und gab der Missionsgesellschaft ein ausgearbeitetes Statut mit einer Generalversammlung als oberstem Organ. Fabri veröffentlichte in seiner Funktion auch Werke über die „Heidenmission“ wie „Von der Entstehung des Heidenthums und der Aufgabe der Heidenmission“ aus dem Jahre 1859, „Von dem sensus communis als dem Organ der Offenbarung Gottes in allen Menschen“ aus dem Jahre 1861 sowie „Über die neuesten Erweckungen in Amerika, Holland und andern Ländern“ aus dem Jahre 1860, wo schon Grundzüge der Begründung von Kolonien enthalten waren.[37]

Mit seinem Werk „Bedarf Deutschland der Colonien?“ aus dem Jahre 1879 verhalf er der Kolonialdiskussion in einer breiten Öffentlichkeit zum Durchbruch.[38] Er sah die Ursachen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisenerscheinungen des Kaiserreiches im Überbevölkerung, Überproduktion sowie Kapitalüberschuss und propagierte das Problem, durch eine Kolonisationsoffensive lösen zu können. Wegen der nationalen und ökonomischen Wechselwirkung mit dem Mutterland („Expansion und Repulsion“) ergab sich für ihn die Möglichkeit, die deutsche Auswanderung in eigene Kolonien zu lenken.[39] Der Export der „sozialen Frage“ durch gelenkte Auswanderung der von ihr Betroffenen in Siedlungskolonien, die gleichzeitig als Absatzgebiete der industriellen Überproduktion dienen sollten und Deportation von systemändernden Vertretern der revolutionären Arbeiterbewegung- das waren die Ansichten Fabris über eine deutsche Kolonialpolitik.[40]

Im selben Jahr wie Fabris Broschüre erschien unter dem Titel „Ethiopien“ ein weiteres kolonialagitatorisches Werk des Hamburger Juristen und Schiffsreeders Wilhelm Hübbe-Schleiden (1846-1916). Darin suchte er nach realistischen Möglichkeiten für eine deutsche Marktausweitung in Afrika.[41] Er erhoffte sich von Kolonialgründungen eine Belebung der nationalen Wirtschaft, wobei er auf die Interdependenz von Industrieproduktion und Außenhandel verwies. Sein wirtschaftspolitisches Kolonialprogramm sah die Gründung und Ausweitung überseeischer Handelsgesellschaften und Produktionsunternehmungen vor.

Friedrich Fabri bemühte sich um Kontakt zu Hübbe-Schleiden, der diesen sowohl materiell als auch ideell förderte. In seinen anschließenden Schriften machte sich Hübbe-Schleiden die von Fabri vorgeschlagenen sozialen Krisenargumente zunutze. Hübbe-Schleidens Vorstellungen von einer deutschen Weltmacht fußten nicht nur auf wirtschaftspolitischen Vorstellungen, sondern auch auf die Überzeugung einer besonderen deutschen Kulturmission.[42]

Weniger von kulturpolitischen Zielen als vielmehr von sozialimperialistischen Krisenstrategien war das Kolonialprogramm Ernst von Webers (1830-1903) bestimmt.[43] Der sächsische Rittergutsbesitzer propagierte eine staatlich gesteuerte Auswanderung „als Massenexport des sozialen Sprengstoffes“, womit er die sozialdemokratische Forderung für soziale Mindeststandards meinte. Als konkretes Ziel nannte er die Gründung eines „Neu-Deutschland“ in Südafrika sowie die Anlage deutscher Kolonien in Südamerika. Er wollte im eigenen Lande die von ihm vorhergesehene Revolution unterbinden und als Lösungsstrategie die Umsiedlung zahlreicher Deutscher in Kolonien empfehlen.[44]

Das Erleben einer krisenhaften Zeit und die daraus resultierenden sozialen und politischen Ängste des bürgerlichen katholischen Lagers führte schließlich dazu, dass die Kolonialdiskussion als Ausweg für die bestehenden Probleme gesehen wurde. Der nationalistische und antisemitischen Historiker Heinrich von Treitschke stieß in dasselbe Horn: „ Für ein Volk, das an einer beständigen Überproduktion leidet und Jahr für Jahr an 200.000 seiner Kinder in die Fremde sendet, wird die Kolonisation zur Daseinsfrage.“[45]

6. Der Eintritt in das Kolonialzeitalter

Die völlige Durchdringung des afrikanischen Kontinents durch die Europäer wurde weniger von Händlern und Politikern als vielmehr von Forschern, Abenteurern und Missionaren vorangetrieben. Geprägt von den Ideen der Aufklärung entwickelte sich ein Wettlauf zwischen den Entdeckern, um die letzten weißen Flecken auf der afrikanischen Landkarte zu tilgen. Es wurde als große Herausforderung empfunden, daß gerade jener fremde Kontinent am wenigsten erforscht war, der "vor der Haustür" Europas lag. Im Mittelpunkt des Forscherinteresses lag die Entdeckung der Quellgebiete der großen Flüsse Afrikas, des Niger, des Kongo und des Nil. Insbesondere der Wettlauf um die Entdeckung der Nilquellen nahm schon fast absurde Formen an – nicht zuletzt deshalb, weil damit die Hoffnung verbunden war, die sagenumwobenen Goldvorkommen der Königin von Saba zu finden. Gefördert wurde dieser Wettlauf unter anderem von der britischen Royal Geographic Society, von Handelsunternehmen und europäischen Zeitungen. Die Ideen der Aufklärung hatten aber auch indirekt dem Missionsgedanken neuen Aufschwung gegeben. Während lange Zeit die schwarze Bevölkerung Afrikas vornehmlich als „gottlose Wilde“ betrachtet wurde, die deshalb nicht in den Genuss der christlichen Heilsbotschaft kommen könnten, hatte die bürgerliche Aufklärung das Bild des „Wilden“ verändert und zumindest seine Menschlichkeit und damit seine mögliche „Besserung“ im erzieherischen Sinne als unzweifelhaft definiert.[46] Damit stand für die europäischen Kirchen die „Verpflichtung“ außer Frage, ihre christliche Missionstätigkeit auch auf den afrikanischen Kontinent auszudehnen.[47] Im Gefolge der Missionare und Entdecker drangen auch zahlreiche Händler in bis dahin unbekannte Gebiete vor und versuchten, mit den Herrschern vor Ort Handelsabkommen zu schließen, die ihnen wirtschaftliche Monopol- oder zumindest Vorrechte garantierten.[48] Je stärker sich der Wettbewerb zwischen den einzelnen Händlern intensivierte, desto mehr versuchten sie, ihre Heimatstaaten in Schutzabkommen einzubinden. Dies führte vor allem in Großbritannien zu verstärktem Interesse an Afrika und seiner Eroberung, da dies auch den wirtschaftlichen Interessen des Staates auf lange Sicht nutzen würde.

Die anschwellende Bevölkerung und der Wunsch nach Auswanderung wurden völkisch interpretiert und unter diesem Vorzeichen nach brauchbaren nationalen Lösungen gesucht. Unter den Vorzeichen einer weltweiten Konkurrenz machte es sehr wohl einen Unterschied, wem die Auswanderung letztlich zugute kam, die sich in Deutschland schubweise vollzog. Es schien angeraten, den deutschen Emigranten Alternativen zu bieten, damit sie sich nicht als „Völkerdünger“ in die Welt zerstreuten. Vielmehr sollten sie nach Möglichkeit ein „Deutschland in Übersee“ gründen oder wenigsten als „Brückenköpfe“ des deutschen Einflusses wirken.[49] Dies setzte voraus, dass die Auswanderer sich auch in ihrer neuen Heimat als Deutsche definierten, was in vielen Fällen der Fall war, aber nicht immer zutraf. Wenn es den Auswanderer gelang, ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern, nahmen sie meist die Sitten und Bräuche des Aufnahmelandes immer mehr an und nahmen nicht mehr auf ihre deutsche Vergangenheit Bezug.

Entscheidende Punkte für das Desinteresse staatlicherseits an Kolonien war die Begrenzung des deutschen politischen Denkens zu der Zeit auf die Belange in Deutschland und Europa und das Fehlen einer deutschen Seemacht, die für den Erwerb überseeischer Kolonien erst den machtpolitischen Rückhalt bieten konnte. Mit dem Aufbau der österreichischen Flotte und der preußischen Flotte ab 1848 wurden solche Machtmittel geschaffen.[50] Im Jahre 1868 hatte Bismarck in einem Brief an den preußischen Kriegs- und Marineminister Albrecht von Roon seine Ablehnung jeglichen Kolonialerwerbs noch deutlich gemacht: „Einerseits beruhen die Vorteile, welche man sich von Kolonien für den Handel und die Industrie des Mutterlandes verspricht, zum größten Teil auf Illusionen. Denn die Kosten, welche die Gründung, Unterstützung und namentlich die Behauptung der Kolonien veranlaßt, übersteigen sehr oft den Nutzen, den das Mutterland daraus zieht, ganz abgesehen davon, daß es schwer zu rechtfertigen ist, die ganze Nation zum Vorteil einzelner Handels- und Gewerbezweige zu erheblichen Steuerlasten heranzuziehen. – Andererseits ist unsere Marine noch nicht weit genug entwickelt, um die Aufgabe nachdrücklichen Schutzes in fernen Staaten übernehmen zu können.“[51]

Nach der Reichsgründung von 1871 behielt er zunächst diese Meinung bei. Im Laufe der 1870er Jahre gewann die Kolonialpropaganda in Deutschland allerdings zunehmend an Öffentlichkeitswirksamkeit. 1873 wurde die „Afrikanische Gesellschaft in Deutschland“ gegründet, die ihre Hauptaufgabe in der geographischen Erkundung Afrikas sah. 1882 folgte die Gründung des Deutschen Kolonialvereins, der sich als Interessenverein für die Kolonialpropaganda sah. So sah sich Reichskanzler Bismarck immer mehr unter Druck gesetzt, bis er dann die Entscheidung, dass Deutschland nach Jahren der Abstinenz im Frühsommer 1884 in die Auseinandersetzung mit den anderen europäischen Kolonialmächten um überseeische Territorien eintrat.[52] Die Agitatoren des Kolonialismus bereiteten dieser Entscheidung den Boden, aber erst der Entschluss Bismarcks stellte den „definitiven Umschlagpunkt zum informell indirekten Freihandelsexpansionismus seit den 1860er Jahren zum direkt-formellen Kolonialbesitz dar.“[53]

Bis zu diesem Zeitpunkt im Frühsommer 1884 hatte Bismarck es immer abgelehnt, sich mit der Kolonialfrage überhaupt ernsthaft zu beschäftigen. Die Deutungsversuche für diese Wandlung Bismarcks sind heterogener Natur. Friedrich Meineke und Hermann Onken vertraten die These, dass Bismarck dem öffentlichen Druck nachgeben musste. Auf der anderen Seite waren M.E. Townsend und H.A. Turner der Ansicht, der Reichskanzler habe nur auf eine Möglichkeit der Kolonisationspolitik gewartet.[54] Die Furcht vor einer Benachteiligung am gesamten deutschen Westafrikahandels dürfte der Grund gewesen sein, dass er 1884 den „Reichsschutz“ über deutsche Interessensgebiete in Afrika und in der Südsee zu formalisieren begann.[55]

Daher war es für die europäischen Eliten attraktiv, in Afrika neue Märkte zu erobern sowie der einheimischen Bevölkerung Errungenschaften ihrer Zivilisation zu bringen. Da sich Europa von 1873 bis 1896 in einer langen Depression befand und die europäischen Märkte schrumpften, gleichzeitig deren Abschottung aber zunahm, bot sich in Schwarzafrika für Großbritannien, Deutschland, Frankreich und andere (europäische) Staaten eine gute Möglichkeit, Waren abzusetzen und die chronisch negativen Handelsbilanzen zu verbessern. Besonders für Großbritannien, das als erstes Land in das Postindustrielle Zeitalter vorstieß, waren ausländische Märkte von enormer Bedeutung. Durch Finanzexporte und deren Gewinne konnte man die höchst defizitäre Handelsbilanz entlasten. Weltweit wichtige Märkte für Großbritannien waren damals Afrika, Kolonien mit weißen Siedlern, der mittlere Osten, Südasien, Südostasien sowie Ozeanien. Investitionen in Übersee waren oft profitabler als in der Heimat. Das lag an billigen einheimischen Arbeitskräften, wenig Wettbewerb und sehr leicht verfügbaren Rohstoffen. Neben diesen Vorteilen bot Afrika auch Ressourcen, die die europäischen Staaten brauchten, in Europa aber nicht oder kaum existierten. Hier sind besonders Kupfer, Baumwolle, Kautschuk, Tee und Zinn zu nennen.

Es war dort auch wenig militärischer einheimischer Widerstand zu erwarten, der die Ausbeutung von Rohstoffen verhindern könnte. Daher konnte mit wenig militärischem Aufwand und niedrigen Kosten ein schneller Profit für das imperialistische Land in Afrika herausspringen.

Es herrschte zur Zeit des Eintritts Deutschlands in den Kolonialwettlauf eine außenpolitisch günstige Konstellation. In Afghanistan spitzten sich die russisch-englischen Rivalitäten zu, zudem stand England mit Frankreich in einem Konflikt um Ägypten. Die Kolonien konnten daher ohne größere Rückwirkungen für die deutschen außenpolitischen Beziehungen in Besitz genommen werden.[56]

Die in direkter Abhängigkeit von Bismarcks Modell des europäischen Gleichgewichtes stehende außenpolitische Lage des Reiches hat somit den Kolonialerwerb ganz maßgeblich erleichtert. Es war Bismarcks Absicht, durch den Erwerb von Kolonien die notwendige Grundlage für eine koloniale Entente mit Frankreich zu schaffen, um die französischen Revanchegedanken, was den Erwerb Elsaß-Lothringen betraf, abzulenken. Seit Beginn der 1880er Jahre tauchte bei Bismarck immer wieder der Gedanke auf, mit Frankreich über eine Begünstigung im kolonialen Bereich zu einem Ausgleich zu kommen.

Die Kolonialfrage bot sich für Bismarck auch als Mittel zur Festigung der eigenen Machtbasis an:[57] „Die öffentliche Meinung legt gegenwärtig in Deutschland ein so starkes Gewicht auf die Kolonialpolitik, dass die Stellung der Regierung im Innern von dem Gelingen desselben wesentlich abhängt.“

Im Vorfeld der Reichstagswahlen vom Herbst 1884 stärkte Bismarck mit Kolonialparolen die nationalliberalen und konservativen Kräfte zu Lasten der bürgerlichen Linken und der Sozialdemokratie. Mit der Aussicht auf lukrative Geschäfte in den Kolonien wurde die wirtschaftsliberale Fraktion geködert, Besitzungen außerhalb Deutschlands wurden als neue Marktstrategie (erfolgreich) verkauft.

Die Verwaltung der Kolonien sollte im Sinne eines freihändlerischen kommerziellen Expansionismus geschehen:[58] „(…) der regierende Kaufmann und nicht der regierende Bureaukrat (ist das Ziel, M.L.) in jenen Gegenden, nicht der regierende Militär und der preußische Beamte; unsere Geheimen Räte sind ganz vortrefflich bei uns; aber dort in den kolonialen Gebieten erwarte ich von den Hanseaten, die draußen gewesen sind, mehr (…). Mein Ziel ist die Regierung kaufmännischer Gesellschaften, über denen nur die Aufsicht und der Schutz des Reiches und des Kaisers zu schweben hat.“

Der Deutsche Kolonialverein gehörte zu den Interessensorganisationen, die sich für ein imperialistisches Wettrüsten Deutschlands mit den anderen europäischen Mächten stark machten. Der Verein wurde am 6. Dezember 1882 in Frankfurt/Main unter der Leitung von Hermann Fürst zu Hohenlohe-Langenburg gegründet, der auch der erste Präsident wurde. Schon im Februar 1885 wechselte der Sitz nach Berlin, um näher an den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft zu sein. Im Verein gab es um die 15.000 Mitglieder. Sie kamen überwiegend aus der Politik, der Industrie, dem Handel und dem Bankwesen. Unter den Motiven verbanden sich nationalistische Rivalität mit anderen Großmächten, Sorge um eine Übervölkerung und Hoffnung auf Wirtschaftswachstum mit der Spekulation auf eine innenpolitische Entspannung im Kampf gegen die Sozialdemokratie.

Führende Mitglieder des Deutschen Kolonialvereins waren Johannes von Miquel, führender Vertreter der Disconto-Gesellschaft, Carl Ferdinand Stumm, Vertreter der Saar-Industrie, Louis Baare, Vertreter der rheinisch-westfälischen Großindustrie, Henry Axel Bueck , Generalsekretär des Zentralverbandes Deutscher Industrieller, Friedrich Ratzel, Geograph und Begründer der Anthropogeographie und Heinrich von Treischke, deutscher Historiker, Antisemit und Mitglied des Reichstages.[59]

Der Deutsche Kolonialverein versuchte, durch Publizistik das Interesse der Deutschen für die Kolonialpolitik zu wecken sowie die Regierung und den Reichstag zu kolonialen Annexionen zu drängen. Die Mitglieder des Kolonialvereins forderten eine wirtschaftliche Förderung der bestehenden Kolonien und die Erschließung neuer Kolonialgebiete. Der Deutsche Kolonialverein wurde am 19. Dezember 1887 mit der 1884 von Carl Peters  gegründeten, radikaleren Gesellschaft für deutsche Kolonisation zur Deutschen Kolonialgesellschaft verschmolzen.[60]

Anfang der 1880er Jahre nahm das europäische Interesse an Afrika stark zu. Henry Morton Stanley hatte mit der Erforschung des Kongobeckens 1874 bis 1877 den letzten großen „weißen Fleck“ von der Landkarte Afrikas beseitigt.[61] 1878 erhielt er eine Einladung von Leopold II., dem König der Belgier, der bereits 1876 die Internationale Afrika-Gesellschaft mit dem Ziel der Erforschung und „Zivilisierung“ Afrikas gegründet hatte. 1879 wurde die Internationale Kongo-Gesellschaft gegründet, die wirtschaftliche Ziele verfolgen sollte, mit der AIA aber eng verknüpft war. Leopold kaufte die fremden Anteile der Kongogesellschaft heimlich auf, die philanthropische Afrikanische Gesellschaft diente hauptsächlich zur Kaschierung der imperialistischen Ziele der Kongogesellschaft.

Von 1879 bis 1884 reiste Stanley erneut an den Kongo, diesmal nicht als Reporter, sondern als Abgesandter Leopolds mit dem geheimen Auftrag, den Kongostaat zu organisieren. Gleichzeitig reiste der französische Marineoffizier Pierre Savorgnan de Brazza im westlichen Kongobecken und hisste im neu gegründeten Brazzaville 1881 die französische Flagge. Portugal, das aus alten Verträgen mit dem einheimischen Kongo-Reich ebenfalls Ansprüche auf das Gebiet herleitete, schloss am 26. Februar 1884 mit Großbritannien einen Vertrag, der vorsah, der Kongogesellschaft den Zugang zum Atlantik zu versperren.

Zur gleichen Zeit drangen mehrere europäische Staaten nach Afrika vor und es begann der „Wettlauf um Afrika“[62]: Frankreich besetzte 1881 Tunesien und die heutige Republik Kongo sowie 1884 Guinea. Großbritannien besetzte 1882 das nominell auch weiterhin osmanische Ägypten, das wiederum über den Sudan und Teile Somalias herrschte. Italien nahm 1870 und 1882 erste Teile Eritreas in Besitz. Deutschland unterstellte 1884 die Küsten Togos und Kameruns sowie Deutsch-Südwestafrika seinem „Schutz“.

Die politischen Machtbereiche wurden auf der Kongo-Konferenz 1884 abgesteckt. Leopold II. von Belgien gelang es, Frankreich und Deutschland davon zu überzeugen, dass ein gemeinsames Handeln in Afrika in ihrem Interesse sei. Otto von Bismarck, der deutsche Reichskanzler, lud die Vertreter der USA, des Osmanischen Reiches und der europäischen Mächte Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Russland, Spanien und Schweden-Norwegen (bis 1905 Personalunion) zu einer Konferenz nach Berlin ein.[63]

Die Kongo-Konferenz trat am 15. November 1884 im Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße zusammen.[64] Stanley nahm als technischer Berater der amerikanischen Delegation teil, hatte aber wenig Einfluss. Die Konferenz endete am 26. Februar 1885 mit der Unterzeichnung der Kongoakte durch die beteiligten Staaten. Leopold II. hatte einen großen Triumph erzielt, da er seinen Privatstaat bekam.

Der Kongo, das rohstoffreichste Gebiet Afrikas, war nicht in den Besitz einer Großmacht übergegangen, sondern faktisch an Belgien, das für die europäische Kontinentalpolitik kaum von Bedeutung war. Außerdem hatte sich herausgestellt, dass die Interessen Englands und Frankreichs, was die Kolonialpolitik betraf, miteinander unvereinbar waren. Bismarck hatte sich einmal mehr als „ehrlicher Makler“ bewährt, sein Interesse an der Kolonialpolitik blieb dominiert von innenpolitischen und europäischen Überlegungen.[65]

Die Kongoakte regelte in 38 Artikeln folgende Punkte:[66]

Unter Kaiser Wilhelm II. (1888–1918) versuchte Deutschland durch Erwerb weiterer Handelsvertretungen seinen Kolonialbesitz auszubauen. Die wilhelminische Ära steht für eine schwärmerisch-expansionistische Politik und eine forcierte Aufrüstung, insbesondere der kaiserlichen Marine. Die Kolonialbewegung war zu einem ernstzunehmenden Faktor in der deutschen Innenpolitik angewachsen. Der nationalistische und rassistische Alldeutsche Verband vertrat eine expansionistische Außenpolitik und begründete dies mit der Weltmachtstellung Deutschlands.[67] Die für das deutsche Überlegenheitsdenken symbolische Wortprägung „Platz an der Sonne“ entstand durch eine Äußerung von Bernhard von Bülow (1849–1929) in einer Reichstagsdebatte am 6. Dezember 1897, wo er im Zusammenhang mit der deutschen Kolonialpolitik formulierte: „Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“[68] Diese Prämisse eines nationalen Prestigedenkens sollte die deutsche imperialistische Politik bis 1914 prägen. Auch danach empfanden viele Deutsche den Verlust der Kolonien nach dem Versailler Vertrag als unrechtmäßig und versuchten mit nationalistischen und rassistischen Argumenten, eine Revision des Status Quo durchzusetzen.

Kolonialbesitz schien auch im Licht der sozialdarwinistischen Interpretation der Konkurrenz zwischen den sich entwickelnden imperialistischen Industriestaaten eine Notwendigkeit und eine Verpflichtung gegenüber den nachfolgenden Generationen zu sein.[69] Gewöhnlich wird von Sozialdarwinisten damit eine Höherentwicklung zu einer wertvolleren Lebensform verbunden so etwa bei Herbert Spencer und William Graham Sumner. Dabei kann zwischen sozialdarwinistischen Ansätzen danach unterschieden werden, ob sie sich auf individuellen oder kollektiven Wettbewerb beziehen. Konventionelle Ansätze des Sozialdarwinismus werden mit politischem Konservatismus, Imperialismus und Rassismus verbunden. Angeblich für die nachfolgende Generation wollte man sicherstellen, dass sie zu den Gewinnern in diesem Wettkampf – in dem es nur den survival of the fittest geben würde – gehören würden. War das nationale Bürgertum in weiten Teilen schon davon überzeugt, innerhalb der europäischen Nationen zu einer überlegenen zu gehören, so galt dies umso mehr im Vergleich zu außereuropäischen Kulturen. Aufgrund der eigenen, überlegenen Stellung glaubte man zur Kultivierung der vermeintlich zurückgebliebenen und primitiven Bewohnerinnen und Bewohner der außereuropäischen Welt berufen zu sein und besaß damit eine positive Rechtfertigung jeglichen kolonialen Strebens.

7. Deutsch-Südwestafrika

Es befand sich keine einheitliche Bevölkerung bei der Gründung der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Gerade im Gebiete der größten Erhebungen des Hochlandes, bei Windhuk, grenzten zur Zeit der deutschen Besitznahme die beiden Hauptvölker Herero und Nama aneinander. Dazu kamen noch die hervorragend an die widrigen Lebensbedingungen angepassten San, die versklavten Damara und die ganz im Norden lebenden ackerbautreibenden Owambo.

Schon 1868 wollten deutsche Missionare der Rheinischen Missionsgesellschaft den König von Preußen für das Gebiet interessieren und baten um seinen Schutz, da sie unter den ständigen Kämpfen der Afrikaner sehr zu leiden hätten.[70] Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 ließ jedoch diese Bestrebungen wieder in Vergessenheit geraten. 1876 versuchte Großbritannien von der Kapkolonie aus, das Gebiet in Besitz zu nehmen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Sie behielten jedoch die Walfischbai und die Pinguininseln in ihrer Hand. Als sich die im Inland lebenden Europäer, Missionare und Händler wegen mangelnden Schutzes aufgrund angeblicher Übergriffe durch Afrikaner beklagten, erklärten die britischen Kolonialbehörden, dass sie mit dem Inneren des Landes nichts zu tun hätten und keine Verwaltung ausübten. Die Briten erhoben also, wie sie selbst erklärten, keine weitergehenden Ansprüche auf Südwestafrika.

Im Auftrag des Bremer Tabakhändlers Adolf Lüderitz erwarb Heinrich Vogelsang am 1. Mai 1883 die Bucht von Angra Pequena, die heutige Lüderitzbucht und fünf Meilen Hinterland vom Volk der Nama in Bethanien.[71] Der mit ihrem Kaptein Joseph Frederiks II vereinbarte Kaufpreis betrug 200 alte Gewehre und 100 englische Pfund. Im September 1883 segelte Lüderitz an Bord eines Dreimasters dann selbst nach Südwestafrika, um als neuer Landesherr seine Erwerbungen zu besichtigen. Im Deutschen Reich wurde Lüderitz von den kolonialen Interessengruppen deshalb als Gründer einer neuen deutschen Kolonie gefeiert.[72]

Am 24.04.1884 schickte Bismarck ein Telegramm an den deutschen Konsul in Kapstadt und erklärte darin die Besitzungen des Bremer Großkaufmanns Lüderitz in Südwestafrika unter den „Schutz“ des Reiches gestellt. Bereits im Mai 1883 hatte Lüderitz mit einem Hottentottenhäuptling einen Kaufvertrag abgeschlossen, durch den er Angra Pequana (Kleine Bucht) mit dem umliegenden Landgebiet erwarb. In einem zweiten Vertrag erweiterte er das Gebiet, so dass es den Umfang Elsaß-Lothingens einschließlich Baden und Württemberg annahm.[73]

Der Reichskanzler von Caprivi legte sich unter dem Drängen der Kolonialisten im Reichstag auf den „Besitz“ Südafrikas fest und erteilte allen früheren Plänen, das Gebiet als wertlos aufzugeben oder als kolonialpolitisches Kompensationsobjekt einzubringen, eine Absage. Er entschied sich für die endgültige Pazifikation der Kolonie, die bis zu diesem Zeitpunkt nur sehr bedingt als deutsches „Kolonialgebiet“ gelten konnte.[74]

Bismarck ließ Kriegsschiffe entsenden, die zuerst im Süden und dann im Norden des Gebietes die deutsche Flagge hissten. Es folgte eine amtliche Mitteilung des Reiches vom 08.09.1884 über die deutsche Besitzergreifung Namibias an alle anderen Kolonialstaaten.

In diesem von Grenzregelungen umschlossenen Gebiet bestanden nur zum Teil „Schutzverträge“.[75] Der überwiegende Teil der Nama-Stämme lehnte Vertragsverhandlungen ab, da das deutsche Landfriedensgebot ihre halbnomadische Existenzgrundlage beschnitt. Die letzten Verträge mit den Ovambo im Norden des Landes konnten erst 1904 geschlossen werden. Der Hirtenstamm der Herero akzeptierte 1885 den Schutzvertrag, weil sie in den deutschen Kolonialisten wirkungsvolle Verbündete gegen die auf eine Hegemonialstellung in diesem Gebiet bestehende Stämme der Nama bzw. Orlam sahen.

Der von Bismarck ernannte neue Gouverneur Deutsch-Südwestafrikas, Major Leutwein (1894-1905) versuchte die Rivalitäten zwischen den Stämmen sowohl mit militärischen als auch mit diplomatischen Mitteln zu beenden.[76] Er bediente sich des „Divide et Impera“ –Prinzips, das als Grundzug der Herrschaft über Deusch-Südwestafrika bis zum Herero-Nama-Aufstand Bestand hatte. Die Häuptlinge der unterdrückten Stämme sollten den deutschen Kolonialherren im Kriegsfall nach mittelalterlichem Prinzip „Heeresfolge“ leisten.

Das staatliche Gewaltmonopol versuchte Leutwein auch konsequent in der Auseinandersetzung mit dem Oberbefehlshaber der Nama, Hendrik Witboii, durchzusetzen. Als Witboii nach seiner militärischen Niederlage im Naukluft-Gebirge sich der deutschen Oberherrschaft unterwerfen musste, entschied sich Leutwein gegen den erheblichen Widerstand von Kolonialkreisen in Deutschland und der weißen Siedler in Südwestafrika für eine politische Lösung des Konfliktes. Die Nama wurden in ein Gebiet, das von den Kolonialherren besser zu kontrollieren war, angesiedelt und hatten den deutschen Kolonialherren „Heeresfolge“ zu leisten. So trug der Stamm der Nama wesentlich zur Machtsicherung- und stabilisierung der der deutschen Kolonialherrschaft bei.[77]

Die Beziehung zwischen den Deutschen und der indigenen Bevölkerung war durch Rassismus sowie rechtliche und soziale Ungleichheit gekennzeichnet. Es bestanden zwei Rechtskreise, deren Zugehörigkeit nach rassischen Kriterien festgelegt wurde. Die „weiße“, das heißt deutsche Bevölkerung in den Kolonien stellte eine kleine, stark privilegierte Minderheit dar. 1914 lebten nicht mehr als 25.000 Deutsche in den Kolonien, etwas weniger als die Hälfte davon in Deutsch-Südwestfrika. Sie genossen alle Vorteile des deutschen Rechts, europäischstämmige Ausländer waren ihnen rechtlich gleichgestellt. Dies zeigt, dass die koloniale Praxis der deutschen Kolonialherren vor allem auf Rassismus aufgebaut war, indigene Menschen galten als Menschen zweiter Klasse.

Die rund 13 Millionen „Eingeborenen“ des deutschen Kolonialreichs, wie sie nach einer kaiserlichen Verordnung aus dem Jahr 1900 offiziell hießen, waren keine deutschen Staatsbürger, sondern lediglich als Untertanen oder Schutzbefohlene des Deutschen Reiches.[78] Die deutschen Gesetze des Reiches galten für sie nur, wenn es per Verordnung extra festgelegt war. Insbesondere war ihnen der Rechtsweg verschlossen: Gegen Verfügungen der Kolonialbehörden und erstinstanzliche Urteile der Kolonialgerichte standen ihnen keinerlei rechtsstaatliche Mittel zur Verfügung.

Die Wirtschaft im deutschen Kolonialreich war ganz überwiegend vom Primärsektor geprägt.[79] Verarbeitende Gewerbe wurden nicht aufgebaut, produziert wurden vielmehr Rohstoffe für den Export nach Europa. Dabei handelte es sich vor allem um landwirtschaftliche Produkte, wie Kautschuk, der von der um 1900 boomenden Fahrrad-, Auto- und Elektroindustrie nachgefragt wurde, Ölfrüchte, namentlich Palmöl und Kopra, die von der chemischen Industrie in Deutschland weiterverarbeitet wurden, Sisal und Baumwolle für die Textilherstellung, die große Palette der so genannten Kolonialwaren (Kaffee, Kakao, Zuckerrohr, Pfeffer, Tabak usw.), sowie Tierhäute, Felle und Elfenbein.[80] Neben der Landwirtschaft existierten auch Ansätze zur Gewinnung von Bodenschätzen durch Bergbau, von denen aber allein die Diamantengewinnung in Südwestafrika profitabel wurde.

Die Aufgabe der Herrschaftsstabilisierung wäre ohne die wäre ohne die Mithilfe der seit Jahrzehnten im Lande arbeitenden Rheinischen Mission nicht möglich gewesen. Die Festsetzung der Deutschen in Südwestafrika wurde von der Missionsgesellschaft durch ihre Vermittlungsdienste und Vorschläge zur Gewinnung der autochthonen Bevölkerung entscheidend gefördert. Bis 1897 trug die Rheinische Mission dazu bei, dass aus der losen Schutzherrschaft des Reiches sich ein eigenständiges effizientes Kolonialregime entwickeln konnte.[81]

Die zunehmende Verarmung aufgrund einer schrecklichen Rinderpest im Jahre 1897 und die damit verbundene Erschütterung der traditionellen Viehwirtschaft, die wachsende Rechtsunsicherheit und ständige rechtliche Benachteiligungen sowie die rassistische Ideologisierung der weißen Siedler bildeten den Hintergrund des Herero-Nama-Aufstandes von 1904/07, was den größten Aufstand in der deutschen Kolonialgeschichte bedeutete. Unmittelbarer Anlass des Aufstandes waren jedoch Morddrohungen eines weißen Oberleutnants an Samuel Mahorero, den Oberhäuptling der Herero. Völlig überrascht standen die Deutschen der Erhebung gegenüber, die in der zweiten Januarwoche 1904 begann. 123 weiße Siedler und Soldaten der Stationsbesetzungen wurden bei einem überraschenden Überfall der Herero getötet, die Eisenbahnlinie Windhuk-Swakopmund an mehreren Stellen zerstört und die Telegraphenverbindungen unterbrochen. Da die Schutztruppe der Kolonie dem anfangs nicht gewachsen war, entsandte die Reichsleitung daraufhin umgehend Verstärkung.

In der Schlacht vom 11.08.1904 wurden die Herero von der Schutztruppe des Generalleutnants von Trotha getötet. Der größte Teil der Herero floh daraufhin in die fast wasserlose Omaheke-Wüste. Trotha ließ diese abriegeln und Flüchtlinge von den wenigen dort existenten Wasserstellen verjagen, so dass Tausende Herero mitsamt ihren Familien und Rinderherden verdursteten.[82] Trotha ließ ihnen im sogenannten Vernichtungsbefehl mitteilen: „Die Herero sind nicht mehr Deutsche Untertanen. (…) Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen.“[83] Es liegt kein Zweifel vor, dass es sich hierbei um einem Völkermord handelt; das Generalstabswerk beschreib die völlige Vernichtung der Herero folgendermaßen:[84] „Keine Mühe, keine Entbehrungen wurden gescheut, um den Feinden den letzten Rest seiner Widerstandskraft zu rauben; wie ein halb zu Tode gehetztes Wild war es von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht, bis es schließlich willenlos ein Opfer der Natur seines eigenen Landes wurde. Die wasserlose Omaleke sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: Die Vernichtung des Hererovolkes.“

In dieser Sache wurde er von Kaiser Wilhelm II. und dem Chef des Generalstabs Alfred Graf von Schlieffen unterstützt. Graf von Schlieffen sagte: „Der entbrannte Rassenkampf ist nur durch die Vernichtung einer Partei abzuschließen.“[85] Der Vernichtungsbefehl wurde zwei Monate nach den Ereignissen in der Omaheke durch Kaiser Wilhelm II. wieder aufgehoben, Trothas Vernichtungsstrategie blieb bis zu seiner Abberufung im November 1905 aber weitgehend unverändert.[86]

Erst als die Herero als Machtfaktor des organisierten ausgeschieden waren, griffen im Oktober 1904 die Nama in die Kämpfe ein, wahrscheinlich als Folge der Kriegshysterie der Deutschen, die damit gedroht hatten, mit allen schwarzen Stämmen wie mit den Herero zu verfahren, sie zu entwaffnen und zu vernichten. Nachdem Witboii am 25.10.1905 getötet wurde, übernahm eine Reihe von Unterführern aus den Nama-Stämmen die Kriegsführung. Erst am 31.03. wurde der Kriegszustand in Südwestafrika aufgehoben, die Nama kapitulierten schließlich vor der Übermacht der deutschen Kolonialherren.

Das Ergebnis der Kämpfe sowie der abschließenden Kriegsgefangenenbehandlung – in den Lagern kamen noch mal 7.700 Herero (45%) um- war, dass von geschätzten 60.000-80.000 Herero nach der Volkszählung von 1911 nur noch 15.130 lebten, was bedeutete, dass 75% bis 80% während des Aufstandes umgekommen waren. Von den etwa 20.000 Mitgliedern der Nawa-Stämme lebte nach den Kampfhandlungen gegen die deutschen Kolonialherren lediglich ungefähr die Hälfte. Die von den Deutschen als Rädelsführer des Aufstandes identifizierten Personen wurden hingerichtet. Im Anschluss an die Kampfhandlungen wurden die Herero und Nama in Konzentrationslagern interniert, in denen annähernd jeder zweite Insasse starb.[87] Der Völkermord in Deutsch-Südwestafrika hatte also 65.000 bis 85.000 Herero sowie etwa 10.000 Nama das Leben gekostet.[88]

Der Aufstand von 1904/1907 wurde in der Retrospektive von den afrikanischen Stämmen zunehmend als nationaler Befreiungskrieg gegen die Hegemonialpolitik der weißen Einwanderer gedeutet.[89]

Auf deutscher Seite kamen von 14.000 eingesetzten Soldaten 1.500 während der Kämpfe mit den Nama und den Herero ums Leben. Außerdem kostete es dem Deutschen Reich ca. 585 Millionen Mark an Kolonialanleihen.[90]

Nach der vollständigen „Pazifizierung“ Südwestafrikas befand sich das ganze Land in der Verfügungsgewalt der weißen Kolonialisten. Das gesamte Stammesvermögen und das Land der Herero und Nama wurden von der deutschen Kolonialregierung konfisziert und die Stammesorganisation bis auf wenige Reste aufgelöst. Um darüber hinaus die wirtschaftliche Abhängigkeit der autochthonen Bevölkerung zu manifestieren, war ihnen der Besitz von Kleinvieh sowie Land lediglich in einem begrenzten Umfang gestattet in Abhängigkeit von der Genehmigung der Kolonialverwaltung.[91] Die schwarze Bevölkerung wurde zum Abschluss eines Arbeitsvertrages mit den Kolonialherren gezwungen und musste über das bestehende Arbeitsverhältnis einen eigenen Pass als Nachweis führen. Somit wurde die schwarze Bevölkerung einem System gesetzlicher Überwachung- und Kontrollmaßnahmen unterworfen; die totale Herrschaft der Deutschen über alle Lebensbereiche der Schwarzen war Wirklichkeit geworden.

Die Rechtlosigkeit der afrikanischen Bevölkerung schritt in allen Lebensbereichen immer weiter voran; ihnen wurde verboten, Land, Großvieh und Feuerwaffen zu besitzen, ihr Jagdrecht und somit ihre Lebensgrundlage wurde stark eingeschränkt sowie ihre Rechtsfähigkeit aberkannt,

Unter dem Nachfolger Leutweins, von Lindquist, ist jedoch dieses alle Afrikaner erfassenden Kontrollsystem nicht Wirklichkeit geworden. Die Passgesetze versagten angesichts des riesigen Gebietes mit seinen unkontrollierbaren Regionen und Grenzen. Im Laufe der Zeit wurde der autochthonen Bevölkerung auch wieder die Erlaubnis zur Großviehhaltung erteilt.[92]

In den großen städtischen Werften fand eine teilweise Wiederherstellung der alten Stammesstrukturen statt. Die Missionskirchen bildeten einen sozialen Rahmen, der der unterdrückten afrikanischen Bevölkerung bestimmte Möglichkeiten zu gesellschaftlicher Reorganisation bot.[93]

Die auch infolge des Herero- und Nama- Aufstandes stagnierende Bevölkerungszahl, die den Arbeitermangel und den wirtschaftlichen Bestand der Kolonie gefährdete, wurde von der Verwaltung mit einer gewissen kolonialstaatlichen Fürsorgepolitik beantwortet. Dies bezog sich auf die Kontrolle der Kolonialverwaltung über das Anwerbeverfahren und die Vorschriften zur ärztlichen und sanitären Betreuung der schwarzen Lohnarbeiter.

8. Kolonialpolitik 1907-1918

Die Kriege in Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika zeigten, dass ein Umbau der Kolonialverwaltung in Deutschland, eine wissenschaftliche Herangehensweise an die Nutzung der Kolonien und eine Verbesserung der Lebensbedingungen der unterdrückten Menschen in den deutschen Kolonien als notwendig war. Als Ergebnis wurde die oberste Verwaltungsbehörde für die Kolonien, die Kolonialabteilung, aus dem Außenministerium ausgegliedert und zu einem eigenen Ministerium erhoben, dem Reichskolonialamt.[94] Als Gestalter der neuen Kolonialpolitik wurde Bernhard Dernburg, ein erfolgreicher Firmensanierer für das Amt als Staatssekretär auserkoren. Gleichzeitig wurden wissenschaftliche und technische Einrichtungen für koloniale Zwecke gefördert oder gegründet, um auf dieser Grundlage die Kolonien zu entwickeln. Für die Einheimischen wurde die medizinische Versorgung verbessert, Schulen gebaut und die Prügelstrafe wurde abgeschwächt. Straßen, Eisenbahnen und Häfen wurden im erweiterten Maße angelegt für die wirtschaftliche Erschließung der Kolonien. Als Ergebnis dieser neuen Politik gab es nach 1907 keine großen Aufstände in den deutschen Kolonien mehr und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Überseebesitzungen Deutschlands steigerte sich schnell. So verdoppelte sich von 1906 bis 1914 die Herstellung von Palmöl und Kakao in den Kolonien, die Kautschuk-Ausfuhr aus den afrikanischen Kolonien vervierfachte sich, der Baumwollexport aus Deutsch-Ostafrika erhöhte sich um das Zehnfache. Der gesamte Handel zwischen Deutschland und seinen Kolonien steigerte sich von 72 Millionen Mark im Jahre 1906 auf 264 Millionen Mark im Jahre 1913. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung in den Schutzgebieten versechsfachten sich die Zoll- und Steuereinnahmen in den Kolonien von 1906 bis 1914.[95]

1908 wurde Bruno von Schuckmann neuer Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika. Er sorgte für eine effektive Verteilung der Beihilfen, schob Landspekulationen einen Riegel vor und förderte die Einfuhr von Vieh. Sehr vorteilhaft für die südwestafrikanische Wirtschaft wirkte sich die Einfuhr von Karakulschafen aus, deren Fell und Fleisch sich ausgezeichnet vermarkten ließen. Auch die Eröffnung der Bahnlinie Lüderitzbucht–Keetmanshoop im Juli 1908 trug zur Förderung des Wirtschaftslebens bei.

Auf Drängen der weißen Bevölkerung erließ die Reichsregierung am 28. Januar 1909 eine Verordnung über die Selbstverwaltung in Deutsch-Südwestafrika, mit der Gemeinde- und Bezirksverbände sowie ein Landesrat ins Leben gerufen wurden. Der Landesrat, der im April 1910 erstmals zusammentrat, hatte die Aufgabe, den Gouverneur, der weiterhin an der Spitze der Kolonialverwaltung stand, zu beraten.

Im Juni 1908 wurde östlich von Lüderitz der erste Diamant gefunden, der einen Massenansturm auf das Gebiet auslöste und dem Land einen neuen Wirtschaftszweig, die Diamantenförderung, bescherte. Bereits nach drei Monaten waren Diamanten von insgesamt 2720 Karat gefunden worden, bis zum Jahresende betrug der Wert der Förderung bereits 1,1 Millionen Reichsmark. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden Diamanten im Wert von 152 Millionen Reichsmark gefördert. Bereits vor dem Fund von Diamanten wurden in Deutsch-Südwestafrika Bodenschätze nachgewiesen. Die früh gehegte Hoffnung auf abbauwürdige Goldvorkommen erfüllte sich jedoch nicht. Stattdessen stand der Abbau von Kupfererzen nach den Diamanten an zweiter Stelle. Kupfer wurde vor allem bei Tsumeb und Otavi sowie am Khan-Rivier gefördert. In der Umgebung von Karibib wurde ein Marmorwerk errichtet und Marmor zur Verschiffung nach Deutschland vorbereitet.

Zu Beginn des 1. Weltkrieges waren die Truppen in den deutschen Kolonien nicht auf einen Krieg mit europäischen Mächten vorbereitet. Die deutsche Seite hoffte vergeblich auf die Einhaltung des Beschlusses der Kongo-Konferenz von 1885, die ihrer Auffassung nach alle Kolonialstaaten zur Handelsfreiheit und friedlichen Lösung kolonialer Probleme in Afrika verpflichtete. Doch nur wenige Tage nach dem deutschen Kriegseintritt erlitten die deutschen Truppen eine Niederlage nach der nächsten. Bis Ende 1914 waren Togo, Deutsch-Neuguinea, Samoa und Kiautschou in die Hände der Entente gefallen. In den größeren Schutzgebieten gelangen den Deutschen hingegen Anfangserfolge, etwa in den Schlachten bei Garua, Sandfontein und Tanga sowie im Kampf um Naulila.

Der Kampf um Naulila war Höhepunkt sowie das Ende einer Strafexpedition der Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika auf dem Gebiet der Kolonie Portugiesisch-Westafrika (Angola).[96] Vorausgegangen war die Ermordung eines deutschen Bezirkshauptmanns und von vier Offizieren der Schutztruppe durch die Portugiesen. Obwohl die Schutztruppe zahlenmäßig unterlegen sowie aufgrund der langen Anreise erschöpft war, konnte sie im Laufe des Gefechtes schnell die Oberhand gewinnen. Die portugiesische Besatzung des Forts erlitt in der Folge eine vernichtende Niederlage.[97] Geschätzte 150 Portugiesen fanden im Verlauf des Gefechtes den Tod. Die überlebenden Portugiesen flohen früh in den Busch, wo die meisten von ihnen anschließend durch die aufgrund der portugiesischen Kolonialherrschaft in Angola unterdrückten Owambo getötet wurden. Fort Naulila wurde im Zuge des Gefechts vollkommen zerstört Anhaltender Widerstand scheiterte jedoch an der vergleichsweise geringen Truppenstärke sowie dem Mangel an Nachschub und schweren Waffen.

Die deutsche südwestafrikanische Schutztruppe ergab sich im Juli 1915 gegen die zehnmal so starken südafrikanischen Unionstruppen. In die Kolonie Kamerun schickten die Briten und Franzosen insgesamt 19.000 Soldaten und 24 Kriegsschiffe. Trotzdem ergaben sich die letzten Kompanien erst im Februar 1916. Nur in Deutsch-Ostafrika blieben die 15.000 Soldaten, darunter 11.000 afrikanische Askaris, unter Führung von Oberstleutnant Paul von Lettow-Vorbeck bis zur deutschen Kapitulation 1918 unbesiegt.[98]

Als man in Deutschland noch an einen sicheren Sieg glaubte, wurden sogar Pläne für ein geschlossenes Deutsch-Mittelafrika geschmiedet.[99] Es sollte sich vom Niger bis zur Kalahari-Wüste erstrecken und auch Angola, Mosambik, Belgisch-Kongo und weite Teile Französisch-Äquatorialafrikas miteinschließen. Insgesamt gesehen spielten das „Mittelafrikaprojekt“ und das Stützpunktprogramm in der deutschen Kriegszielpolitik aber nur eine untergeordnete Rolle, glaubte man doch, sie durch einen Sieg in Europa wie von selbst zu erreichen. Andererseits wurde das Ziel „Mittelafrika“ im weiteren Verlaufe des Krieges von liberal gesinnten Politikern mehr und mehr als Ersatz- und Ablenkungsziel für die Nation, fort von wilden Annexionsforderungen in Europa, benutzt. Kolonien waren für Deutschland eher Aufputz und Ausdruck seiner (Welt-)Macht. Die Konzepte für ein geschlossenes Deutsch-Mittelafrika erwarteten von ihrer Verwirklichung den sichtbaren Beweis der deutschen Weltmacht und rechneten, dass das Gebiet für Deutschland die Bedeutung erlangen würde, die Indien für Großbritannien hatte. Aber Schwerindustrie und Banken hatten schon vor dem Krieg wenig Interesse an weit entfernt liegenden Kolonien gezeigt und drängten auf die europäische Expansion.[100]

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges und der deutschen Niederlage verlor das Land durch den Versailler Vertrag offiziell alle Kolonien. Die Entente teilten die Kolonien als Mandatsgebiete unter sich auf: Großbritannien bekam Deutsch-Ostafrika, Teile Kameruns und Westtogo.[101]

9. Der Völkermord an den Herero und die Haltung der Bundesrepublik Deutschland

Die Herero gedenken der Opfer alljährlich durch den Hererotag und bemühten sich Jahrzehnte um die offizielle Anerkennung durch die Vereinten Nationen als Opfer eines Genozids.[102] Im Ersten Weltkrieg wurde das Land von den britischen Truppen Südafrikas eingenommen und mit dem Ende des Krieges vom Völkerbund 1920 als Mandatsgebiet der Südafrikanischen Union zur Verwaltung übergeben.

Im Zuge der sich anschließenden „Südafrikanisierung“ von Südwest wurde etwa die Hälfte der dort noch lebenden 15.000 Deutschen ausgewiesen und deren Farmen Südafrikanern übergeben.[103]

Die als „Entgermanisierung“ bezeichnete Politik Südafrikas änderte sich erst durch das Londoner Abkommen vom 23. Oktober 1923, nach welchem den im Lande verbliebenen Deutschen die britische Staatsbürgerschaft angetragen und die Zuwanderung aus Deutschland sowie der Ausbau der deutschen Sprache nachdrücklich gefördert wurden.[104]

Diese hielt das Land bis zu seiner Unabhängigkeit am 21. März 1990 trotz intensiver internationaler Bemühungen und eines zwei Jahrzehnte andauernden bewaffneten Kampfes gegen die 1960 gegründete Südwestafrikanischer Volksorganisation (SWAPO) besetzt. Seit 1990 ist Namibia, nach mehr als 100-jähriger Fremdbestimmung, ein unabhängiger demokratischer Staat. Heute leben noch ca. 20.000 Deutsche in Namibia, die zur wirtschaftlich herrschenden Klasse gehören.[105]

Die deutsche Kolonialgeschichte spielt im Geschichtsbewusstsein der Deutschen und in der deutschen Geschichtsschreibung nach 1945 eine eher beiläufige Rolle. Die Gründe dafür liegen wohl in dem fehlenden historischen Verantwortungsbewusstsein sowie in der Kurzlebigkeit des deutschen Kolonialreiches (1884-1914). Fünfzig Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges besuchte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl Namibia als erster deutscher Kanzler seit 1904, wollte jedoch nicht mit dem Völkermord an den Herero konfrontiert werden oder mit einem ihrer Vertreter sprechen.[106] Die damalige deutsche Regierung und das Außenministerium ließ nur nebenbei mitteilen, sie bedauerten das Geschehene, wollten aber keine Verantwortung für die Geschehnisse zur Zeit des Deutschen Kaiserreiches übernehmen und verneinten einen Völkermord mit dem Hinweis, dass die UN-Völkermordkonvention nicht rückwirkend gelte. Materielle Wiedergutmachung Deutschlands speziell für ihre Gruppe der Herero wurde mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass seit 1990 Entwicklungshilfe für Namibia ausgezahlt wurde.[107]

Vertreter der Herero argumentierten dagegen, dass nach der vierten Haager Konvention von 1899 Repressalien gegen die Zivilbevölkerung der Verlierer schon damals untersagt gewesen sei.[108] Am 3. August 2004 verlangte ein Sprecher der Herero in Berlin von den Deutschen das Eingeständnis der Schuld und ein Bekenntnis zur kolonialen Vergangenheit. Im Jahr 2009 wurde unweit des umgewidmeten Bremer Antikolonialdenkmals ein Erinnerungsort im Gedenken an die Opfer des Völkermords in Namibia 1904–1908 und der Schlacht am Waterberg eingeweiht. Die Gedenkstätte besteht aus Steinen der Omahewüste, in der unzählige Herero systematisch verdursteten mussten.

Im Jahre 1999 scheiterten die Herero mit einer Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Im Jahr 2002 wurde vor einem US-Gericht im Auftrag) des Hereroabgesandten Kuaima Riruako, seit 2003 Parteivorsitzender der National Unity Democratic Organisation, und 199 einzelnen Herero Klage in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar eingereicht.[109] Diese Klage scheiterte erneut, das Gericht erklärte, dass die BRD aufgrund ihrer Staatimmunität der Einleitung eines Verfahrens widersprechen konnte.[110] Die juristische Betrachtung der Folgen der deutschen Kolonialherrschaft und des Herero-Aufstandes befindet sich bisher noch im Anfangsstadium und ist mit einer Reihe von formal juristischen Hürden belastet. Auf außenpolitischem Wege gab es eine neue Initiative. Am 15. November 2007 richtete der namibische Außenminister Marco Hausiku ein Schreiben an den damaligen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, das auf einen namibischen parlamentarischen Antrag zur Unterstützung der von den Herero geforderten Reparationen zurückgeht.[111]

Am 14. August 2004 nahm die damalige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul an einer Gedenkfeier zum 100. Jahrestag des Aufstandes der Herero teil. Wieczorek-Zeul war die erste offizielle Vertreterin einer deutschen Regierung, die an einer Gedenkfeier zu den Ereignissen teilnahm. In einer Rede bekannte sie sich zur politischen und moralischen Verantwortung Deutschlands für das damalige Vorgehen der deutschen Truppen, mit den Worten: „Die damaligen Gräueltaten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet würde (…) . Wir Deutschen bekennen uns zu unserer historisch-politischen, moralisch-ethischen Verantwortung und zu der Schuld, die Deutsche damals auf sich geladen haben. Ich bitte Sie im Sinne des gemeinsamen ‚Vater unser‘ um Vergebung unserer Schuld.“[112] Entschädigungszahlungen schloss sie jedoch aus; allerdings wolle die Bundesregierung die Entwicklungshilfe für Namibia in Höhe von jährlich 11,5 Millionen Euro fortsetzen.[113]

Im November 2004 trafen sich Nachkommen der Familie Trotha mit dem Häuptling der Ovaherero, einer Gruppe des Herero-Volkes in Namibia, dem Nachkommen des damaligen Oberhäuptlings (Kapitän) Samuel Maharero, um sich für den auch von ihrem Vorfahren zu verantworteten Völkermord zu entschuldigen. Im Oktober 2007 reisten elf Mitglieder der Familie von Trotha auf Einladung des Hererohäuptlings nach Omaruru, um öffentlich um Vergebung zu bitten.[114]

Die Rückgabe von 20 Totenschädeln an Namibia am 30.9.2011 ließ alte Kontroversen zwischen Deutschland und seiner ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika wieder aufleben. Die Schädel, die bisher in der Berliner Charité-Klinik gelagert waren, sind vermutlich Überreste von Opfern, die bei der Niederschlagung des Aufstands der Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 getötet wurden. Sie waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Zwecken der Forschung aber auch als Trophäe nach Deutschland gelangt.

Die Debatte um die deutsche Kolonialzeit in Namibia erhielt durch die Ablehnung des Genozidantrags im Deutschen Bundestag am 22.3.2012 neuen Auftrieb. Vertreter der Regierungskoalition lehnten den Antrag der Opposition ab, die Verbrechen der ehemaligen Kolonialmacht Deutschland, denen vermutlich zwischen 25.000 und 80.000 Menschen zum Opfer fielen, als Völkermord anzuerkennen.[115]

Im Juli 2015 reisten Vertreter der Herero unter Führung von Vekuii Rukoro nach Berlin, um dem Bundespräsidenten Gauck eine von prominenten deutschen Politikern mitunterzeichnete Petition des Bündnisses „Völkermord verjährt nicht.“ zu überreichen. Die Petition wurde einem Beamten seines Hauses übergeben werden, Gauck erschien nicht persönlich. In dem Dokument wurde der Bundespräsidenten, der Bundestag und die Bundesregierung dazu aufgefordert:[116]

Nur wenige Tage später bezeichnete der Präsident des deutschen Bundestages, Norbert Lammert, die Kolonialverbrechen als „Völkermord“. Der Krieg der deutschen Kolonialherren sei ein „Rassekrieg“ gewesen.[117] Am 10. Juli 2015 äußerte sich das Auswärtige Amt zu dem Thema. Ob es auch eine förmliche deutsche Entschuldigung geben wird, ließ ein Sprecher des Auswärtigen Amtes offen. Die Bundesregierung bekenne sich aber ausdrücklich zur „besonderen historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia und seinen Bürgern“.[118] Bisher hatte sich keine Bundesregierung mit Blick auf mögliche Entschädigungsforderungen zu einem offiziellen Völkermord in Namibia bekannt.

10. Fazit

Die europäischen Entdeckungsfahrten des 16. und frühen 17. Jahrhundert, hatten dazu geführt, dass sich auch die politischen Horizonte und Ambitionen der europäischen Herrscher erweiterten. In den ausbrechenden Rivalitäts- und Konkurrenzkämpfen der europäischen Mächte um die neuentdeckten Territorien spielten dabei die Schifffahrt, der Seehandel, der Besitz von Kriegsflotten und von Kolonien eine entscheidende Rolle. Die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie (BAC) war ein brandenburgisch-preußisches Unternehmen, dessen Zweck der Überseehandel mit Westafrika war. Sie nahm am damaligen Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika teil und handelte unter anderem mit Sklaven. Nach ihrer Insolvenz erfolgte durch ein kurfürstliches Edikt von 1692 die Umwandlung der BAC in die „brandenburgisch-africanischamericanische Compagnie“ (BAAC).[119] Den erhaltenen Privilegien und ihren Zielen nach ähnelte sie ihrer Vorgängerin, Amerika wurde nun mehr in den Mittelpunkt gestellt. 1848 entstanden in Frankfurt/M., Leipzig, Dresden Kolonialvereine, die in Zentral- und Südamerika, Uruguay deutsche Niederlassungen gründeten. Am 06.12.1882 gründeten Kreise der Schwerindustrie, des Bankkapitals und der Aristokratie in Frankfurt/M. den „Deutschen Kolonialverein“, der die koloniale Bewegung in Organisationsfragen zusammenfassen und Regierung und Reichstag zu einer verstärkten Kolonialisierung bewegen sollte.

Durch Kolonien sollten neue Rohstoffquellen und wirtschaftliche Absatzmärkte erschlossen werden. Die Bevölkerungs- und Auswanderungsfrage spielte auch eine zentrale Rolle in der Kolonialpropaganda und Expansionsagitation. Nationalpolitische und nationalpsychologische Motive standen gleichrangig neben den wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Argumenten. Mit der nationalen Vereinigung und der wachsenden Reputation des Reiches musste der Übergang von der nationalen Selbstbeschränkung zur kolonialen und schließlich imperialistischen Weltpolitik notwendig folgen. Kulturmissionarisch- sendungsideologische Argumente wie die Christianisierung und „Zivilisierung“ der „Wilden“ wurden durch Missionarsgesellschaften vorangetrieben. Die Kolonialbewegung entsprach dem Prestigebedürfnis breiter Bevölkerungskreise und erleichterte deren nationale und soziale Identifikationsprobleme.

An die Stelle der traditionellen Machtpolitik trat nunmehr bei allen Großmächten das letztlich rational nicht mehr festzumachende Verlangen nach Kolonien und Absatzmärkten als Statussymbolen einer Teilnahme an der Weltherrschaft. Mit Anfang der 1880er Jahre beschleunigte sich die koloniale Ausdehnung der europäischen Großmächte, die zu einer Verschärfung der internationalen Gegensätze führte. Im Imperialismus übersteigerte sich das Nationale als gesellschaftliche Integrationskraft zum kollektiven Gefühl der eigenen kulturellen Überlegenheit über die sogenannte Primitivität anderer Völker oder Staaten.

Friedrich Fabri, Wilhelm Hübbe-Schleiden und Ernst von Weber sind die wichtigsten Persönlichkeiten der Ausformulierung und Agitation für das Eintreten Deutschlands in das Kolonialzeitalter. Mit seinem Werk „Bedarf Deutschland der Colonien?“ aus dem Jahre 1879 verhalf Fabri der Kolonialdiskussion in einer breiten Öffentlichkeit zum Durchbruch. Er sah die Ursachen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisenerscheinungen des Kaiserreiches im Überbevölkerung, Überproduktion sowie Kapitalüberschuss und propagierte das Problem, durch eine Kolonisationsoffensive lösen zu können. Der Schiffsreeder Wilhelm Hübbe-Schleiden sah vor allem wirtschaftliche Motive. Sein wirtschaftspolitisches Kolonialprogramm sah die Gründung und Ausweitung überseeischer Handelsgesellschaften und Produktionsunternehmungen vor. Ernst von Weber wollte im eigenen Lande die von ihm vorhergesehene soziale Revolution unterbinden und als Lösungsstrategie die Umsiedlung zahlreicher Deutscher in Kolonien empfehlen.

Die völlige Durchdringung des afrikanischen Kontinents durch die Europäer wurde zunächst weniger von Händlern und Politikern als vielmehr von Forschern, Abenteurern und Missionaren vorangetrieben. Entscheidende Punkte für das Desinteresse staatlicherseits an Kolonien war die Begrenzung des deutschen politischen Denkens zu der Zeit auf die Belange in Deutschland und Europa und das Fehlen einer deutschen Seemacht, die für den Erwerb überseeischer Kolonien erst den machtpolitischen Rückhalt bieten konnte. Mit dem Aufbau der österreichischen Flotte und der preußischen Flotte ab 1848 wurden solche Machtmittel geschaffen und damit die Voraussetzungen für eine imperialistische Politik.

Im Jahre 1868 hatte Bismarck seine Ablehnung jeglichen Kolonialerwerbs noch deutlich gemacht. Nach der Reichsgründung von 1871 behielt er zunächst diese Meinung bei. Im Laufe der 1870er Jahre gewann die Kolonialpropaganda in Deutschland allerdings zunehmend an Öffentlichkeitswirksamkeit. Unter dem zunehmenden Druck änderte er 1884 seine Meinung und forcierte die deutsche Kolonisierung der Welt. Die Kolonialfrage bot sich für Bismarck auch als Mittel zur Festigung der eigenen Machtbasis an. Im Vorfeld der Reichstagswahlen vom Herbst 1884 stärkte Bismarck mit Kolonialparolen die nationalliberalen und konservativen Kräfte zu Lasten der bürgerlichen Linken und der Sozialdemokratie. Mit der Aussicht auf lukrative Geschäfte in den Kolonien wurde die wirtschaftsliberale Fraktion geködert, Besitzungen außerhalb Deutschlands wurden als neue Marktstrategie erfolgreich verkauft. Auf der Kongo-Konferenz, die am 15. November 1884 im Reichskanzlerpalais in Berlin zusammentrat, wurden die europäischen Machtbereiche in Afrika abgesteckt.

Der Deutsche Kolonialverein gehörte zu den Interessensorganisationen, die sich für ein imperialistisches Wettrüsten Deutschlands mit den anderen europäischen Mächten stark machten. Kaiser Wilhelm II. versuchte durch Erwerb weiterer Handelsvertretungen seinen Kolonialbesitz auszubauen. Die wilhelminische Ära steht für eine schwärmerisch-expansionistische Politik und eine forcierte Aufrüstung, insbesondere der kaiserlichen Marine. Die Kolonialbewegung war zu einem ernstzunehmenden Faktor in der deutschen Innenpolitik angewachsen. Deutschland strebte einen „Platz an der Sonne“ im weltweiten Ringen um Besitzungen und Weltherrschaft an.

Am 24.04.1884 schickte Bismarck ein Telegramm an den deutschen Konsul in Kapstadt und erklärte darin die Besitzungen des Bremer Großkaufmanns Lüderitz in Südwestafrika unter den „Schutz“ des Reiches gestellt. Bismarck ließ Kriegsschiffe entsenden und es folgte eine amtliche Mitteilung des Reiches vom 08.09.1884 über die deutsche Besitzergreifung Namibias an alle anderen Kolonialstaaten. Die Beziehung zwischen den Deutschen und der indigenen Bevölkerung war durch Rassismus sowie rechtliche und soziale Ungleichheit gekennzeichnet. Es bestanden zwei Rechtskreise, deren Zugehörigkeit nach rassischen Kriterien festgelegt wurde. Die Wirtschaft im deutschen Kolonialreich war ganz überwiegend vom Primärsektor geprägt. Verarbeitende Gewerbe wurden nicht aufgebaut, produziert wurden vielmehr Rohstoffe für den Export nach Europa. Die Aufgabe der Herrschaftsstabilisierung wäre ohne die wäre ohne die Mithilfe der seit Jahrzehnten im Lande arbeitenden Rheinischen Mission nicht möglich gewesen.

Die zunehmende Verarmung aufgrund einer Rinderpest im Jahre 1897 und die damit verbundene Erschütterung der traditionellen Viehwirtschaft, die wachsende Rechtsunsicherheit und ständige rechtliche Benachteiligungen sowie die rassistische Ideologisierung der weißen Siedler bildeten den Hintergrund des Herero-Nama-Aufstandes von 1904/07. Im Anschluss an die Kampfhandlungen wurden die Herero und Nama in Konzentrationslagern interniert, in denen annähernd jeder zweite Insasse starb. Der systematisch begangene Völkermord in Deutsch-Südwestafrika hatte 65.000 bis 85.000 Herero sowie etwa 10.000 Nama das Leben gekostet. Im Anschluss daran wurde die schwarze Bevölkerung einem System gesetzlicher Überwachung- und Kontrollmaßnahmen unterworfen. Die Rechtlosigkeit der afrikanischen Bevölkerung schritt in allen Lebensbereichen immer weiter voran. Es fand in den nächsten Jahren eine teilweise Wiederherstellung der alten Stammesstrukturen statt. Die Missionskirchen bildeten einen sozialen Rahmen, der der unterdrückten afrikanischen Bevölkerung bestimmte Möglichkeiten zu gesellschaftlicher Reorganisation bot.

Die Aufstände in Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika zeigten, dass ein Umbau der Kolonialverwaltung in Deutschland, eine wissenschaftliche Herangehensweise an die Nutzung der Kolonien und eine Verbesserung der Lebensbedingungen der unterdrückten Menschen in den deutschen Kolonien als notwendig war. Als Ergebnis dieser neuen Politik gab es nach 1907 keine großen Aufstände in den deutschen Kolonien mehr und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Überseebesitzungen Deutschlands steigerte sich schnell. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden Diamanten im Wert von 152 Millionen Reichsmark gefördert, Erwartungen auf Goldvorräte erfüllten sich jedoch nicht. Die indigene Bevölkerung erhielt einige Rechte, Schulen und Krankenhäuser wurden gebaut. Zu Beginn des 1. Weltkrieges waren die Truppen in den deutschen Kolonien nicht auf einen Krieg mit europäischen Mächten vorbereitet. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges und der deutschen Niederlage verlor das Land durch den Versailler Vertrag offiziell alle Kolonien, auch Deutsch-Südwestafrika fiel an die Entente. Das Land wurde von den britischen Truppen Südafrikas eingenommen und mit dem Ende des Krieges vom Völkerbund 1920 als Mandatsgebiet der Südafrikanischen Union zur Verwaltung übergeben. Es wurden etwa die Hälfte der dort noch lebenden 15.000 Deutschen ausgewiesen und deren Farmen Südafrikanern übergeben. Heute leben noch ca. 20.000 deutsche Siedler in Namibia und gehören dort zur wirtschaftlichen und politischen Elite. Viele Deutsche sahen den Verlust der Kolonien nach dem Versailler Vertrag als unrechtmäßig an und versuchten mit nationalistischen und rassistischen Argumenten Stimmung zu erzeugen, um eine Revision des Status Quo durchzusetzen.

Die deutsche Kolonialgeschichte spielt im Geschichtsbewusstsein der Deutschen und in der deutschen Geschichtsschreibung nach 1945 eine eher beiläufige Rolle. Erst 1995 besuchte Helmut Kohl Namibia, wollte jedoch nicht mit dem Völkermord an den Herero konfrontiert werden oder mit einem ihrer Vertreter sprechen. Die damalige deutsche Regierung verkündete, sie bedauerten das Geschehene, wollten aber keine Verantwortung für die Geschehnisse zur Zeit des Deutschen Kaiserreiches übernehmen und verneinten einen Völkermord. Materielle Wiedergutmachungen sahen sie in Form von Entwicklungshilfe für Namibia. Vertreter der Herero scheiterten mehrmals bei Klagen vor internationalen Gerichten, um von den Deutschen das Eingeständnis der Schuld und ein Bekenntnis zur kolonialen Vergangenheit zu erlangen. Die Debatte um die deutsche Kolonialzeit in Namibia erhielt durch die Ablehnung des Genozidantrags im Deutschen Bundestag am 22.3.2012 neuen Auftrieb. Im Juli 2015 reisten Vertreter der Herero nach Berlin, um dem Bundespräsidenten Gauck eine von prominenten deutschen Politikern mitunterzeichnete Petition des Bündnisses „Völkermord verjährt nicht.“ zu überreichen. Kurz danach bezeichnete der Präsident des deutschen Bundestages, Norbert Lammert, die Kolonialverbrechen als „Völkermord“, was einen Wendepunkt in der deutschen Vergangenheitspolitik im Hinblick auf Namibia darstellte.

11 Literatur

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Fußnoten

  1.  ↑ Gründer, H.: Christliche Mission und deutscher Imperialismus, Berlin 1989, S. 15
  2.  ↑ Stamm, M.: Das Koloniale Experiment. Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens im transatlantischen Raum 1680-1718, Düsseldorf 2013, S. 23
  3.  ↑ Ebd., S. 28
  4.  ↑ van der Heyden, U.: Rote Adler an Afrikas Küste. Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfriedrichsburg in Westafrika. 2. veränderte Auflage, Berlin 2001, S. 16f
  5.  ↑ Ebd., S. 26
  6.  ↑ Ebd., S. 39f
  7.  ↑ Klosa, S.: Die Brandenburgische-Africanische Compagnie in Emden, Frankfurt am Main 2011, S. 24ff
  8.  ↑ Ebd., S. 40
  9.  ↑ van der Heyden, U.: Rote Adler an Afrikas Küste. Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfriedrichsburg in Westafrika. 2. veränderte Auflage, Berlin 2001, S. 16f
  10.  ↑ Ebd., S. 44
  11.  ↑ Ebd., S. 14
  12.  ↑ Stamm, M.: Das Koloniale Experiment. Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens im transatlantischen Raum 1680-1718, Düsseldorf 2013, S. 23
  13.  ↑ van der Heyden, U.: Rote Adler an Afrikas Küste. Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfriedrichsburg in Westafrika. 2. veränderte Auflage, Berlin 2001, S. 96f
  14.  ↑ Höpker, T./Petschull, J.: Der Wahn vom Weltreich. Die Geschichte der deutschen Kolonien, Herrsching 1986, S. 27
  15.  ↑ Conrad, S.: Deutsche Kolonialgeschichte. Beck, München 2008, S. 43
  16.  ↑ Ebd., S. 50
  17.  ↑ Kundrus, B.: Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien, Böhlau 2003, S. 76ff
  18.  ↑ Zitiert aus: Sommerlad, T.: Der deutsche Kolonialgedanke und sein Werden im 19. Jahrhundert, Berlin o.J., S. 48f
  19.  ↑ van der Heyden, U./Zeller, J. (Hrsg.): „… Macht und Anteil an der Weltherrschaft.“ Berlin und der deutsche Kolonialismus, Münster 2005, S. 72
  20.  ↑ Engelberg, E.: Bismarck. Das Reich in der Mitte Europas, Berlin 1990, S. 364
  21.  ↑ Zitiert aus von Webern, E.: Die Erweiterung des deutschen Wirtschaftsgebietes und die Grundlegung zu überseeischen deutschen Staaten. Ein dringendes Gebot unserer wirtschaftlichen Notlage, Leipzig 1879, S. 70
  22.  ↑ Pogge von Strandmann, H.: Imperialismus vom Grünen Tisch. Deutsche Kolonialpolitik zwischen wirtschaftlicher Ausbeutung und „zivilisatorischen“ Bemühungen, Berlin 2009, S. 67
  23.  ↑ Höpker, T./Petschull, J.: Der Wahn vom Weltreich. Die Geschichte der deutschen Kolonien, Herrsching 1986, S. 52
  24.  ↑ Speitkamp, W.: Deutsche Kolonialgeschichte, Stuttgart 2005, S. 74
  25.  ↑ Kundrus, Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien, a.a.O., S. 24
  26.  ↑ Graudenz, K./Schindler, H.-M.: Die deutschen Kolonien, Augsburg 1994, S. 92
  27.  ↑ Höpker, T./Petschull, J.: Der Wahn vom Weltreich. Die Geschichte der deutschen Kolonien, Herrsching 1986, S. 28
  28.  ↑ Pogge von Strandmann, H.: Imperialismus vom Grünen Tisch. Deutsche Kolonialpolitik zwischen wirtschaftlicher Ausbeutung und „zivilisatorischen“ Bemühungen, Berlin 2009, S. 25
  29.  ↑ Heller, K.: Das Zeitalter der Nationalstaaten und des Imperialismus, in: Paschke, U.K. (Hrsg.) Weltgeschichte. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, Erlangen 1996, S. 547-569, hier: S. 547
  30.  ↑ Unter Imperialismus versteht man ein Herrschaftsstreben mit dem Ziel, die Bevölkerung eines fremden Landes mit politischen, ökonomischen, kulturellen und ideologischen Mitteln zu beeinflussen, auszubeuten, abhängig zu machen und direkt oder indirekt zu beherrschen: Historisch wurde die Bezeichnung zuerst auf die Beherrschung von Absatz- und Kapitalmärkten angewandt, nach 1870 stand der Begriff Imperialismus in enger Verbindung mit dem Nationalismus für eine Politik der territorialen Expansion eines Staates. Vgl. dazu Mommsen, W.J.: Das Zeitalter des Imperialismus, Frankfurt/M. 1990 oder Hobshawm, E.: Das imperiale Zeitalter 1875-1914, Frankfurt/M. 1989
  31.  ↑ Möhle, H. (Hrsg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika, Hamburg 1999, S. 20f
  32.  ↑ Speitkamp, W.: Deutsche Kolonialgeschichte, Stuttgart 2005, S. 105
  33.  ↑ Baumgart, W.: Der Imperialismus. Idee und Wirklichkeit der englischen und französischen Kolonialexpedition 1880 bis 1914, Wiesbaden 1975, S. 16
  34.  ↑ Dehio, L.: Deutschland und die Weltpolitik im 20. Jh., München 1955, S. 135
  35.  ↑ Graudenz, K./Schindler, H.-M.: Die deutschen Kolonien, Augsburg 1994, S. 30
  36.  ↑ Bade, K. J.: Friedrich Fabri und der Imperialismus in der Bismarckzeit Revolution – Depression – Expansion, Freiburg i.Br. 1975, S. 15
  37.  ↑ Bautz, F.W.: Fabri, Friedrich, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1,. 2., unveränderte Auflage Hamm 1990 , Sp. 1587–1588
  38.  ↑ Ebd.
  39.  ↑ Möhle, H. (Hrsg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika, Hamburg 1999, S. 55
  40.  ↑ Bade, Friedrich Fabri und der Imperialismus in der Bismarckzeit Revolution – Depression – Expansion, a.a.O., S. 83f
  41.  ↑ Schinzinger, F.: Die Kolonien und das Deutsche Reich. Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Besitzungen in Übersee, Stuttgart 1984, S. 73
  42.  ↑ Klatt, N.: Theosophie und Anthroposophie, neue Aspekte zu ihrer Geschichte aus dem Nachlass von Wilhelm Hübbe-Schleiden (1846-1916) mit einer Auswahl von 81 Briefen, Göttingen 1993, S. 85
  43.  ↑ Bade, Friedrich Fabri und der Imperialismus in der Bismarckzeit Revolution – Depression – Expansion, a.a.O., S. 96f
  44.  ↑ Ebd., S. 105
  45.  ↑ Zitiert aus Ebd., S. 163
  46.  ↑ Möhle, H. (Hrsg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika, Hamburg 1999, S. 45
  47.  ↑ Nagl, D.: Grenzfälle. Staatsangehörigkeit, Rassismus und nationale Identität unter deutscher Kolonialherrschaft, Frankfurt a. M. 2007, S. 46
  48.  ↑ Ebd., S. 49
  49.  ↑ Schinzinger, F.: Die Kolonien und das Deutsche Reich. Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Besitzungen in Übersee, Stuttgart 1984, S. 58f
  50.  ↑ Möhle, H. (Hrsg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika, Hamburg 1999, S. 18
  51.  ↑ Zitiert aus Nagl, D.: Grenzfälle. Staatsangehörigkeit, Rassismus und nationale Identität unter deutscher Kolonialherrschaft, Frankfurt a. M. 2007, S. 53
  52.  ↑ Ebd., S. 68
  53.  ↑ Gründer, Christliche Mission und deutscher Imperialismus, a.a.O., S. 51
  54.  ↑ Höpker, T./Petschull, J.: Der Wahn vom Weltreich. Die Geschichte der deutschen Kolonien, Herrsching 1986, S. 136
  55.  ↑ Nagl, D.: Grenzfälle. Staatsangehörigkeit, Rassismus und nationale Identität unter deutscher Kolonialherrschaft, Frankfurt a. M. 2007, S. 92
  56.  ↑ Ebd., S. 101
  57.  ↑ Zitiert aus Kundrus, B. (Hrsg.): Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus, Frankfurt a. M. 2003, S. 108
  58.  ↑ Zitiert aus Schinzinger, F.: Die Kolonien und das Deutsche Reich. Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Besitzungen in Übersee, Stuttgart 1984, S. 86
  59.  ↑ Pogge von Strandmann, H.: Imperialismus vom Grünen Tisch. Deutsche Kolonialpolitik zwischen wirtschaftlicher Ausbeutung und „zivilisatorischen“ Bemühungen, Berlin 2009, S. 112; Ebd., S. 118
  60.  ↑ Nagl, D.: Grenzfälle. Staatsangehörigkeit, Rassismus und nationale Identität unter deutscher Kolonialherrschaft, Frankfurt a. M. 2007, S. 128
  61.  ↑ Reinhard, W.: Kleine Geschichte des Kolonialismus, Stuttgart 1996, S. 76
  62.  ↑ Höpker, T./Petschull, J.: Der Wahn vom Weltreich. Die Geschichte der deutschen Kolonien, Herrsching 1986, S. 72
  63.  ↑ Schinzinger, F.: Die Kolonien und das Deutsche Reich. Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Besitzungen in Übersee, Stuttgart 1984, S. 57
  64.  ↑ Reinhard, W.: Kleine Geschichte des Kolonialismus, Stuttgart 1996, S. 81f
  65.  ↑ Pogge von Strandmann, H.: Imperialismus vom Grünen Tisch. Deutsche Kolonialpolitik zwischen wirtschaftlicher Ausbeutung und „zivilisatorischen“ Bemühungen, Berlin 2009, S. 82
  66.  ↑ Osterhammel, J.: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, 6. Auflage, München 2009, S. 79f
  67.  ↑ Ebd., S. 88
  68.  ↑ Zitiert aus Brehl, M.: »Diese Schwarzen haben vor Gott und Menschen den Tod verdient« Der Völkermord an den Herero 1904 und seine zeitgenössische Legitimation, in: Wojak, I./Meinl, S. (Hrsg.): Völkermord. Genozid und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2004 (= Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust 8), S. 77–97, hier S. 81
  69.  ↑ Bley, H.: Kolonialherrschaft und Sozialstruktur in Deutsch-Südwestafrika 1894-1914, Hamburg 1968, S. 181f
  70.  ↑ Brehl, M.: »Diese Schwarzen haben vor Gott und Menschen den Tod verdient« Der Völkermord an den Herero 1904 und seine zeitgenössische Legitimation, in: Wojak, I./Meinl, S. (Hrsg.): Völkermord. Genozid und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2004 (= Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust 8), S. 77–97, hier S. 78
  71.  ↑ Kundrus, B. (Hrsg.): Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus, Frankfurt a. M. 2003, S. 73
  72.  ↑ Jaguttis, M.: Koloniales Unrecht im Völkerrecht der Gegenwart, in: Melber, H. (Hrsg.): Genozid und Gedenken, Frankfurt am Main 2005, S. 121–140, hier S. 122
  73.  ↑ Engelberg, Bismarck, a.a.O., S. 370
  74.  ↑ Möhle, H. (Hrsg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika, Hamburg 1999, S. 74
  75.  ↑ Zimmerer, J.: Deutsche Herrschaft über Afrikaner. Staatlicher Machtanspruch und Wirklichkeit im kolonialen Namibia, Münster 2004, S. 73
  76.  ↑ Gründer, Christliche Mission und deutscher Imperialismus, a.a.O., S. 114
  77.  ↑ Brehl, M.: »Diese Schwarzen haben vor Gott und Menschen den Tod verdient« Der Völkermord an den Herero 1904 und seine zeitgenössische Legitimation, in: Wojak, I./Meinl, S. (Hrsg.): Völkermord. Genozid und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2004 (= Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust 8), S. 77–97, hier S. 87
  78.  ↑ Bley, H.: Kolonialherrschaft und Sozialstruktur in Deutsch-Südwestafrika 1894-1914, Hamburg 1968, S. 170f
  79.  ↑ Schinzinger, F.: Die Kolonien und das Deutsche Reich. Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Besitzungen in Übersee, Stuttgart 1984, S. 53ff
  80.  ↑ Pogge von Strandmann, H.: Imperialismus vom Grünen Tisch. Deutsche Kolonialpolitik zwischen wirtschaftlicher Ausbeutung und „zivilisatorischen“ Bemühungen, Berlin 2009, S. 112
  81.  ↑ Ebd., S. 118
  82.  ↑ Brehl, M: »Diese Schwarzen haben vor Gott und Menschen den Tod verdient« Der Völkermord an den Herero 1904 und seine zeitgenössische Legitimation, in: Wojak,I./ Meinl, S. (Hrsg.): Völkermord. Genozid und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2004 (= Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust 8), S. 77–97, hier S. 78
  83.  ↑ Behnen, M.: Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter des Imperialismus 1890–1911'', ''Darmstadt 1977, S. 288
  84.  ↑ zitiert aus: Bley, H.: Kolonialherrschaft und Sozialstruktur in Deutsch-Südwestafrika 1894-1914, Hamburg 1968, S. 203
  85.  ↑ Behnen, M.: Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter des Imperialismus 1890–1911. Darmstadt 1977, S. 292
  86.  ↑ Brehl, M: »Diese Schwarzen haben vor Gott und Menschen den Tod verdient« Der Völkermord an den Herero 1904 und seine zeitgenössische Legitimation, in: Wojak,I./ Meinl, S. (Hrsg.): Völkermord. Genozid und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2004 (= Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust 8), S. 77–97, hier S. 78S. 83
  87.  ↑ Jorgensen, T./Markusen, E.: The Genocide of the Hereros, in: Charny, I.W. (Hrsg.): Encyclopedia of Genocide. Band 1, 1999, S. 288
  88.  ↑ Schaller, D. J.: »Ich glaube, dass die Nation als solche vernichtet werden muss: Kolonialkrieg und Völkermord in «Deutsch-Südwestafrika» 1904–1907«, in: Journal of Genocide Research. 6:3, S. 398
  89.  ↑ Gründer, Geschichte deutscher Kolonien, a.a.O., S. 122
  90.  ↑ Kuß, S.: Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen. Eskalation von Gewalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Berlin 2010, S. 125
  91.  ↑ Kundrus, B. (Hrsg.): Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus, Frankfurt a. M. 2003, S. 92
  92.  ↑ Ebd., S. 124
  93.  ↑ Kuß, S.: Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen. Eskalation von Gewalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Berlin 2010, S. 62
  94.  ↑ Nagl, D.: Grenzfälle. Staatsangehörigkeit, Rassismus und nationale Identität unter deutscher Kolonialherrschaft, Frankfurt a. M. 2007, S. 148
  95.  ↑ Schinzinger, F.: Die Kolonien und das Deutsche Reich. Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Besitzungen in Übersee, Stuttgart 1984, S. 106ff
  96.  ↑ Zollmann, J.: Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen. Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894–1915, Göttingen 2010, S. 145f
  97.  ↑ Zimmerer, J.: Deutsche Herrschaft über Afrikaner. Staatlicher Machtanspruch und Wirklichkeit im kolonialen Namibia, Münster 2004, S. 56
  98.  ↑ Kuß, S.: Deutsches Militär auf kolonialen Kriegsschauplätzen. Eskalation von Gewalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Berlin 2010, S. 153
  99.  ↑ Dabag, M./Gründer, H./Ketelsen, U.-K.: Kolonialismus, Kolonialdiskurs und Genozid. Fink, 2004, S. 75
  100.  ↑ Höpker, T./Petschull, J.: Der Wahn vom Weltreich. Die Geschichte der deutschen Kolonien, Herrsching 1986, S. 152
  101.  ↑ Pogge von Strandmann, H.: Imperialismus vom Grünen Tisch. Deutsche Kolonialpolitik zwischen wirtschaftlicher Ausbeutung und „zivilisatorischen“ Bemühungen, Berlin 2009, S. 166
  102.  ↑ Ebd., S. 152
  103.  ↑ Eberhardt, M.: Zwischen Nationalsozialismus und Apartheid. Die deutsche Bevölkerungsgruppe Südwestafrikas 1915-1965 (Periplus-Studien 10), Berlin u. a. 2007, S. 45
  104.  ↑ Kenna, C. (Hrsg.): Die „DDR-Kinder“ von Namibia. Heimkehrer in ein fremdes Land, Göttingen/Windhoek 1999, S. 34
  105.  ↑ Wentenschuh, W. G.: Namibia und seine Deutschen. Geschichte und Gegenwart der deutschen Sprachgruppe im Südwesten Afrikas (Edition Namibia 1), Göttingen 1995, S. 110
  106.  ↑ Hamann, C. (Hrsg.): Afrika – Kultur und Gewalt. Hintergründe und Aktualität des Kolonialkriegs in Deutsch-Südwestafrika. Seine Rezeption in Literatur, Wissenschaft und Populärkultur (1904–2004). Institut für Kirche und Gesellschaft, Iserlohn 2005, S. 83
  107.  ↑ Wassink, J.: Auf den Spuren des deutschen Völkermordes in Südwestafrika: Der Herero-/Namaufstand in der deutschen Kolonialliteratur; eine literarhistorische Analyse, München 2004, S. 33
  108.  ↑ Kößler, R./Melber, H.: Völkermord und Gedenken. Der Genozid an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904–1908, in: Brumlik; M./Wojak, I.: Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Frankfurt 2004, S. 37–76, hier S. 39
  109.  ↑ Kämmerer, J. A./Föh, J.: Das Völkerrecht als Instrument der Wiedergutmachung?. Eine kritische Betrachtung am Beispiel des Herero-Aufstandes, in: Archiv des Völkerrechts, Band 42, 2004, S. 294–328
  110.  ↑ Eicker, S.: Der Deutsch-Herero-Krieg und das Völkerrecht: die völkerrechtliche Haftung der Bundesrepublik Deutschland für das Vorgehen des Deutschen Reiches gegen die Herero in Deutsch-Südwestafrika im Jahre 1904 und ihre Durchsetzung vor einem nationalen Gericht, Frankfurt M. 2009, S. 181
  111.  ↑ Krüger, G.: Kriegsbewältigung und Geschichtsbewußtsein. Realität, Deutung und Verarbeitung des deutschen Kolonialkriegs in Namibia 1904 bis 1907. Göttingen 1999, S. 32
  112.  ↑ Jaguttis, M.: Koloniales Unrecht im Völkerrecht der Gegenwart, in: Melber, H. (Hrsg.): Genozid und Gedenken, Frankfurt am Main 2005, S. 121–140, hier S. 132
  113.  ↑ Der Spiegel vom 13. August 2004
  114.  ↑ Die Tageszeitung vom 29. September 2011
  115.  ↑ Eicker, S.: Der Deutsch-Herero-Krieg und das Völkerrecht: die völkerrechtliche Haftung der Bundesrepublik Deutschland für das Vorgehen des Deutschen Reiches gegen die Herero in Deutsch-Südwestafrika im Jahre 1904 und ihre Durchsetzung vor einem nationalen Gericht, Frankfurt M. 2009, S. 103f
  116.  ↑ http://genocide-namibia.net/alliance/appellpetition/
  117.  ↑ http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-07/herero-nama-voelkermord-deutschland-norbert-lammert-joachim-gauck-kolonialzeit
  118.  ↑ http://www.tagesschau.de/inland/voelkermord-herero-103.html
  119.  ↑ van der Heyden, U.: Rote Adler an Afrikas Küste. Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfriedrichsburg in Westafrika. 2. veränderte Auflage, Berlin 2001, S. 16f