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Literatur in der Frühzeit der DDR

Die Entwicklung der Literatur in der DDR setzte mit der antifaschistischen Literatur zahlreicher heimgekehrter literarischer Emigranten ein. Sie und die Entwicklung der Kultur in der DDR wurde wesentlich durch Erlasse und offizielle Äußerungen der SED beeinflusst und gelenkt, so dass man von einer zentralistisch organisierten Literaturszene sprechen kann. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass eine übersichtliche Ordnung der gesamten Literatur erstellt werden kann. Ziel der Literaturpolitik war, im Rahmen des sogenannten „sozialistischen Realismus“ die gesellschaftlichen Veränderungen zu beschreiben und selbst verändernd einzugreifen.

Die 1949 gegründete DDR wollte eine völlig neue gesamtdeutsche Gesellschaftsordnung auf antifaschistischer Grundlage konzipieren.[1] Die DDR war bestrebt, seine Bürger in Richtung Marxismus/Leninismus zu erziehen und somit ihre Macht abzusichern und eine kommunistische Gesellschaft zu schaffen. Die Begriffsverbindung wurde auch zur Würdigung der eigenständigen theoretischen und praktischen Verdienste Lenins bei der Weiterentwicklung des Marxismus geschaffen. In Anlehnung an Stalin definierte die SED den Marxismus-Leninismus als „(…) die von Marx und Engels begründete und von Lenin weiterentwickelte wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse, die von der internationalen kommunistischen Bewegung auf der Grundlage der Erfahrungen des sozialistischen und kommunistischen Aufbaus und der Praxis des revolutionären Befreiungskampfes ständig bereichert wird.“[2]

Die Aufbauliteratur befasste sich thematisch mit dem Aufbau großer Industrieanlagen nach dem Ende des 2. Weltkrieges.[3] In den Erzählungen sind die Arbeiter die Helden und der Held der spezifischen Erzählung ist ein besonders qualifizierter und erfahrener (also meist etwas älterer) Arbeiter, der unter Schwierigkeiten hilft, das Werk aufzubauen, sich also durch eine besondere Leistung in der Arbeit auszeichnet. Meist treten auch Vertreter „der alten Kräfte“ auf. Das sind Saboteure, die den ökonomischen Erfolg des Sozialismus verhindern, und entlarvt werden oder in den Westen fliehen. Indem der Aufbau der Industrieanlage zuletzt erfolgreich ist und der Sozialismus „seinen Lauf“ nimmt, propagiert die Aufbauliteratur eine optimistische Perspektive.[4] Es handelt sich um eine didaktische Literatur im Interesse des Aufbaus, die die Menschen dazu ermutigen soll, sich für die Sache des Sozialismus zu engagieren.

Die Kulturpolitik in der SBZ bis 1947 wurde von Offizieren der SMAD bestimmt, die „ein traditionell freundliches Verhältnis zur deutschen Kulturtradition hatten“.[5] Die sowjetische Militäradministration SMAD hatte eine eigene Kulturabteilung, deren Leiter, der russische Literaturwissenschaftler Alexander Lwowitsch Dymschitz, die Richtlinien für die neue Kunst in die SBZ trug. Individualismus, Subjektivismus, Emotionen und Fantasien seien Ausdruck bürgerlicher Dekadenz und somit abzulehnen. Sein am 19. November 1948 in der Zeitung „Tägliche Rundschau“ erschienener Artikel gilt als Auslöser für eine Kehrtwende in der Kunst Ostdeutschlands im Sinne einer wenig später „sozialistischer Realismus“ genannten Doktrin. Zwei Wochen später wies die Abteilung „Parteischulung, Kultur und Erziehung“ der SED die Landesparteien an, Diskussionen über den Dymschitz-Artikel zu organisieren. Im Januar 1949 regte die SED an, die Dymschitz-Thesen auch auf andere Teile der Kunst als die Malerei auszudehnen. In zahlreichen Veranstaltungen, unter anderem auch des Kulturbunds, begannen nun Grundsatzdiskussionen mit, wie Magdalena Heider in ihrem Buch über den Kulturbund ausführt, auch vielen kritischen Stimmen.

In diesen Jahren wurde der Grundstein gelegt für die Förderung des klassischen Erbes, die in den folgenden Jahrzehnten in der DDR fortgesetzt wurde. Zu den ersten Werken, die in der SBZ neu verlegt wurden, gehörten Lessings „Nathan der Weise“, Schillers „Kabale und Liebe“, Goethes „Iphigenie auf Tauris“ und Heines „Deutschland.[6] Ein Wintermärchen“.[7] Im Gegensatz zum Westen spielten in der SBZ und später in der DDR die zurückgekehrten Emigranten in der Literatur eine führende Rolle. Ihnen wurden zentrale Positionen im Kulturleben angeboten; Anna Seghers wurde 1952 Vorsitzende des DDR-Schriftstellerverbandes, Johannes Becher wurde 1954 der erste Kulturminister der DDR.[8] Heinrich Mann sollte nach dem Willen von Wilhelm Pieck Präsident der „Deutschen Akademie der Künste“ werden; er verstarb aber vor seiner Rückkehr.[9]

In den 1950er Jahren stand die Formalismusdebatte zwischen Bertolt Brecht und Friedrich Wolf, die sich 1949 an einer Inszenierung von Brechts "Mutter Courage" entzündete. Der nach Ostberlin zurückgekehrte Bertolt Brecht baute zusammen mit seiner Frau Helene Weigel das „Berliner Ensemble“ auf.[10] Brecht blieb in den Jahren der SBZ und der DDR bis zu seinem Tod ein kultureller Außenseiter, der von der offiziellen Literatur der DDR kaum beachtet wurde. Seine Theaterproduktion im „Berliner Ensemble“ beschränke sich auf modellbildende Inszenierungsarbeit an seinen eigenen Stücken und auf wenige Dramenbearbeitungen.[11] Als 1948 in der sowjetischen Besatzungszone dann mehrere Theater wiedereröffnet wurden und auch in Berlin der Wiederaufbau der Volksbühne beschlossene Sache war, reiste er im Oktober 1948 auf Einladung des Kulturbundes der DDR von Zürich über Salzburg und Prag nach Berlin[12].

Nachdem das Paar 1948 nach Ost-Berlin übersiedelte, war die künftige Arbeiter- und Bauern-Republik um eine künstlerische Attraktion reicher. Das Theater am Schiffbauerdamm erreichte bald internationalen Ruf. Gastspiele des BE in aller Welt ließen Devisen in der Staatskasse klingeln. Aber schon 1951 trübte sich das Verhältnis zwischen Brecht und dem neuen Deutschland. Als er sich weigerte, den Text der Oper "Die Verurteilung des Lukullus" dem Parteikurs anzupassen, verschwand das Stück aus dem Spielplan. Das großzügige staatliche Mäzenatentum sorgte für eine der dichtesten Theaterlandschaften der Welt.[13]

In den 1950er Jahren stand die Formalismusdebatte zwischen Bertolt Brecht und Friedrich Wolf, die sich 1949 an einer Inszenierung von Brechts "Mutter Courage" entzündete. Es zeichneten sich bereits spätere Konflikte mit den Kulturfunktionären ab. Begriffe wie "volksfremde Dekadenz", noch mit Fragezeichen versehen, tauchten in der Öffentlichkeit auf, offenbar in Erwartung dessen, dass die Formalismusdebatte Shdanows[14] von 1948 in der UdSSR unweigerlich auch den Kunst- und Kulturbetrieb der DDR erreichen würde.[15] Anfang 1950 wandte sich Brecht[16] dem Stück „Der Hofmeister“ des Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz zu, für den er Zeit seines Lebens eine große Sympathie empfand. Die Premiere seiner Bearbeitung fand am 15.April 1950 statt, es war der größte Erfolg des Ensembles zu Lebzeiten Brechts, auch wurde er hier zum ersten mal von der Öffentlichkeit als Regisseur wahrgenommen.[17] In den ersten Jahren schien das Konzept der gemeinsamen Arbeit begabter Schauspieler und Regisseure aus der Exilszene und junger Talente aus dem Inland aufzugehen, doch zeigten der Kalte Krieg und die Debatte um Brechts episches Theater auch in diesem Bereich bald Wirkung. Absprachen konnten nicht eingehalten werden, von Brecht erwartete Künstler wie Peter Lorre kamen nicht nach Berlin. Andere, mit Formalismusvorwürfen konfrontierte Künstler wie Teo Otto, beendeten die Zusammenarbeit.

Im inzwischen umbenannten Berliner Ensemble umgab sich Brecht oft und gern mit Schülern wie Benno Besson, Peter Palitzsch und Egon Monk. Anfang 1950 wandte sich Brecht dem Stück Der Hofmeister des „Sturm und Drang“-Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz zu, für den er zeit seines Lebens eine große Sympathie empfand. Die Premiere seiner Bearbeitung fand am 15. April 1950 statt, es war der größte Erfolg des Ensembles zu Lebzeiten Brechts, auch wurde er hier zum ersten Mal von der Öffentlichkeit als Regisseur wahrgenommen.

Er bereitete mit der Neuinszenierung von Die Mutter 1950/51 sein Publikum auf das von ihm gewollte „didaktische Theater“ vor. In der zu dieser Inszenierung einsetzenden eher mahnend-wohlwollenden Kritik wurde wieder einmal die Sonderrolle Brechts deutlich, die er im DDR-Kunstbetrieb genoss. Andere Künstler wie Paul Dessau bekamen die Formalismusvorwürfe der Funktionäre weitaus deutlicher zu spüren. Jedoch geriet auch Brechts Inszenierung der Oper Die Verurteilung des Lukullus, deren Erstaufführung am 17. März 1951 noch unter dem Titel Das Verhör des Lukullus stattfand, in die Auseinandersetzung. Durch gezielte Kartenvergabe seitens des Ministeriums für Volksbildung sollte offenbar ein Misserfolg organisiert werden. Der Plan schlug gründlich fehl. Auch in den folgenden Diskussionen zum Stück, an denen sich höchste Staatsfunktionäre beteiligten, agierte Brecht geschickt, immer den Kompromiss suchend. Am 7. Oktober 1951 erhielt Brecht den Nationalpreis der DDR I. Klasse. Brecht habe mit seinen Werken geholfen, "den Kampf für Frieden und Fortschritt und für eine glückliche Zukunft der Menschheit zu führen".[18]

Als es am 17. Juni 1953 in Berlin zu Massenprotesten der Arbeiter in der DDR kam, äußerte Brecht noch am selben Tag in einem Brief an Walter Ulbricht Zustimmung zu den Maßnahmen der DDR-Regierung und zum Eingreifen der sowjetischen Truppen, mahnte aber auch gleichzeitig „eine große Aussprache mit den Massen" an.[19] In der poetischen Reflexion der Ereignisse nahm er Juli/August 1953 eine deutlicher distanzierte Haltung der DDR-Regierung gegenüber ein, die er in den Buckower Elegien im Gedicht „Die Lösung“ artikulierte.[20] Eine Aussprache, wie Brecht sie sich gewünscht hatte, kam nicht zustande, er zog sich aus den dann folgenden für ihn fruchtlosen Debatten zurück.[21]

Neben Berthold Brecht war Peter Hacks der wichtigste Literat und Dramatiker in der DDR.[25] Mit „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“, das ein Ein-Personen-Schauspiel in fünf Akten ist und zu den weltweit erfolgreichsten deutschen Bühnenwerken des 20. Jahrhunderts zählt, wurde er einem weltweiten Publikum bekannt. Das Drama hat keine offensichtliche Handlung. Es besteht vielmehr aus einer sehr langen, an den eigenen Ehemann, den herzoglichen Stallmeister von Sachsen-Weimar-Eisenach, Freiherr Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein (1735–1793) (als ausgestopfte Puppe nach Hacksens Regieanweisung), bzw. an das Publikum gerichteten Verteidigungsrede, in der sich Charlotte von Stein der Vorwürfe des ganzen Weimars erwehrt, sie sei schuld an Johann Wolfgang von Goethes fluchtartigem Weggang aus Weimar im Jahre 1786 nach Italien.

Von Beginn an in dieser Konzeption angelegt, jedoch erst durch ein zunehmendes Krisenbewusstsein zum Ausdruck gebracht, ist Hacks’ Ablehnung der Romantik, deren Wurzeln er in politischem Dünkel, irrationalem Denken und ästhetischem Unvermögen bzw. Unwillen sah, und der Moderne, die für ihn die Fortsetzung der romantischen Traditionslinien im 20. Jahrhundert war. Der Verfall des dichterischen Handwerks, die Negation des Gattungs- und des Werksbegriffs, der Verlust des Anspruchs, das Publikum zu unterhalten, waren für Hacks Erscheinungen eines Zeitgeistes, den er als barbarisch empfand.

Eine Konstante in seinem ästhetischen Denken bilden Reflexionen zu Gattungsfragen. Gattungen sind für ihn „die Werkzeuge der Kunst“ und „wer das Werkzeug kapiert, kapiert so ziemlich das Erzeugnis“. Das Verstehen der Gattung steht im Interesse der bestmöglichen Erzeugung von Kunst. Zu den Gattungen, die Hacks – mal ausführlicher, mal kürzer – untersucht hat, gehören u. a. Drama, Libretto, Gedicht, Lied, Ballade, Märchendrama und Pornographie. Konstitutiv für Hacks’ Weltbild ist eine unbedingte Neigung zur Vernunft, worunter nicht nur eine allgemeine Freude am Denken sowie eine Abneigung gegen das Irrationale zu verstehen ist, sondern auch ein starkes Interesse daran, mit dem Denken zu Resultaten zu kommen. Theoretische Reflexionen waren für Hacks, der den Positivismus entschieden ablehnte, nicht Zweck ihrer selbst, sondern hatten immer das Ziel, eine Theorie zu bilden, die die Erkenntnis über den Gegenstand weiter vorantreibt und nur so zurück auf die Welt zu wirken vermag.

Hacks gewann zu Beginn der 1950er Jahre eine marxistische Einstellung. Spätestens mit seinem Gang in die DDR war hiermit auch ein deutliches und lebenslanges Bekenntnis zu den politischen und staatlichen Organisationen der sozialistischen Arbeiterbewegung verbunden. Er blieb jedoch zeit seines Lebens ein eigenständiger Kopf. Sich einerseits vehement an den Klassikern orientierend, entwickelte er andererseits kontinuierlich eigene Vorstellungen über Kunst, Philosophie, Politik und Geschichte. So wendet er zum Beispiel in seiner Schrift Schöne Wirtschaft die Kategorien der ökonomischen Theorie von Marx auf die Bedingungen der Erzeugung und des Verkaufs von Kunstwerken an, wodurch er zugleich auch die Grenzen dieser Theorie für diesen Bereich aufzeigt. Beispielhaft für seine Stellung in der marxistischen Tradition ist Hacks’ Urteil über den Absolutismus, in dem er, anders als das in der marxistischen Tradition üblich ist, eine eigenständige, vom Feudalismus und Kapitalismus zu unterscheidende Gesellschaftsformation sah, die historisch ein Daseinsrecht besaß. Zugleich machte er auch – oft durch die Perspektive Goethes, immer aber mit marxistischen Mitteln – die Grenzen der kapitalistischen Gesellschaft deutlich. Seinen Staatsbegriff nahm er, obgleich darin von Marx und Lenin nicht weit entfernt, eher von Hegel als von Marx: Allein im und durch den Staat hätten die Menschen eine Chance, ihre allgemeinen und ihre besonderen Interessen zu verwirklichen. Die marxistische These vom „Absterben des Staates“ war für Hacks nur im Sinne einer Aufhebung des Staates durch den Weg seiner Vervollkommnung akzeptabel. In diesem Sinne aber hat er sie akzeptiert, wodurch es ihm gelang, die Auffassungen von Marx und Lenin mit denen Hegels zu vermitteln.[26]

In seiner politischen Orientierung war Hacks, der sich stets als Marxist-Leninist verstand, ein Anhänger Walter Ulbrichts, insbesondere von dessen Politik seit dem VI. Parteitag und der damit verbundenen Konzeption des Neuen Ökonomischen Systems, das Hacks als Beginn der vollen Entfaltung der sozialistischen Gesellschaft ansah. Folgerichtig lehnte er den Sturz Walter Ulbrichts im Jahr 1971 durch Erich Honecker und die damit verbundene Änderung in der Politik ab. Es gehört zu den zahlreichen Widersprüchen im Leben Hacks’, dass er in der Ulbricht-Ära wesentlich stärker der Kritik von Seiten der SED ausgesetzt und wesentlich weniger als Dichter der DDR anerkannt war als in der Honecker-Ära. Mit der unter Honecker beginnenden wirtschaftliche Stagnation der DDR setzte bei Hacks ein stärkeres Krisenbewusstsein ein. In den 1960er Jahren war er noch – durch die wirtschaftlich positive Entwicklung der DDR bestärkt – im Wesentlichen der Überzeugung, dass der Sozialismus im Systemkampf allein durch seine überlegene Produktivkraft siegen werde. In den 1970er Jahren beschäftigte ihn die Frage, auf welche Weise ein Qualitätssturz wie der von Ulbricht zu Honecker verhindert bzw. umgekehrt werden könne. Den Kern seiner Tätigkeit als Dichter bildet die Dramatik. Hacks selbst hat immer wieder betont, dass das Dramenschreiben das einzige Handwerk sei, das er wirklich vollkommen beherrsche. Er schrieb zumeist Komödien, gelegentlich Schauspiele, nie Tragödien. Merkmale seiner Stücke sind im Allgemeinen eine große Leichtigkeit, Humor, gedanklicher Reichtum, sprachliche Eleganz und eine geschickte, jedoch nicht zu verzweigte Führung der Fabel.

Der Aufbau-Verlag in Ostberlin und Weimar widmete sich der Pflege des klassischen Erbes der deutschen Literatur.[27] Der Verlag „Volk und Welt“ spezialisierte sich auf internationale Literatur, während der Mitteldeutsche Verlag in Halle/Saale die zeitgenössischen Autoren verlegte.[28] Die Verlage waren in der Regel als VEB’s staatliche Unternehmen, die der Überwachung und Zensur durch das Ministerium für Kultur mit seiner „Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel“ unterlagen.[29] Dies unterstreicht, dass eine staatliche Lenkung der Literatur beabsichtigt wurde. Das führende Publikationsorgan der DDR-Literatur wurde die von Johannes Becher mitbegründete Zeitschrift „Sinn und Form“.[30] Im Osten Deutschlands hatten die Kulturpolitiker der sowjetisch besetzten Zone in dem Lyriker Peter Huchel den Mann ausgemacht, der als Chefredakteur ein neues Literatur-Periodikum mit gesamtdeutschem Anspruch und internationaler Ausstrahlung konzipieren sollte. Das ursprüngliche Konzept des Parteidichters und späteren DDR-Kulturministers Johannes R. Becher[31], der mit „Sinn und Form“ eine literarische Visitenkarte des neu entstehenden Staates schaffen wollte, zugleich aber ein Selbstverständigungsorgan für die sozialistische Intelligenz, wurde vom designierten Chefredakteur nicht immer entlang der Parteilinie interpretiert.[32] Schon die ersten Hefte, die zunächst im Potsdamer Verlag Rütten & Loening erschienen, setzten eindeutige Signale. Gegen die wachsenden Widerstände der DDR-Kulturbürokratie formte Huchel „Sinn und Form“ zu einer undogmatischen Literaturzeitschrift, in dem sich Dichter und Intellektuelle verschiedenster Herkunft und konträrer Weltanschauung begegnen konnten. Bereits im vierten Heft von „Sinn und Form“ tauchten Essays von Intellektuellen wie Theodor Adorno, Max Horkheimer und Walter Benjamin auf, auf die kommunistischen Parteimitglieder ablehnend reagierten.[33] Huchel musste schließlich 1962 unter dem organisierten Druck der Kulturbürokratie die Chefredaktion niederlegen.

Die „Einheit – Zeitschrift für Theorie und Praxis des Wissenschaftlichen Sozialismus“ war die theoretische Zeitschrift der SED und die wahrscheinlich einflussreichste Zeitschrift in der DDR auf gesellschaftspolitischem Gebiet.[34] Die Zeitschrift erschien monatlich von 1946 bis Herbst 1989, als sie während der Revolution 1989 in der DDR eingestellt wurde. Die Zeitschrift erschien erstmals im Februar 1946 in Vorbereitung der Vereinigung von SPD und KPD zur SED unter dem Titel „Monatsschrift zur Vorbereitung der Sozialistischen Einheitspartei“. Bis zum „Vereinigungsparteitag“ im April 1946 wurde sie dementsprechend vom Zentralausschuss der SPD und dem Zentralkomitee der KPD gemeinsam herausgegeben. Ab Mai 1946 war dann der Parteivorstand der SED alleiniger Herausgeber, der Titel war nun „Monatsschrift für Sozialismus“, ab Januar 1947 dann „Theoretische Monatsschrift für Sozialismus.“ Ab Heft 8/1950 bis zur Einstellung der Zeitschrift mit der Nummer 44/1989 lautete der Untertitel „Zeitschrift für Theorie und Praxis des wissenschaftlichen Sozialismus“.[35]

Die Zeitschrift enthielt Aufsätze mit theoretischem Inhalt, insbesondere zur Geschichte der Arbeiterbewegung, der sozialistischen Revolution, Artikel über Marx, Engels und die Sowjetunion sowie zu philosophischen, soziologischen und ökonomischen Fragen. Verfasser der Beiträge waren führende SED-Funktionäre, leitende Mitarbeiter von zentralen Partei-Instituten wie dem Institut für Marxismus-Leninismus, der Akademie für Gesellschaftswissenschaften und der Parteihochschule und andere theorienahe Kader.[36]

Das 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 rückte die Konflikte um die sozialistische Kunst in den Blick. Im Zentrum der Kritik Schriftsteller, Musiker, Film- und Theaterregisseure, denen politische Unruhestiftung, destruktive Einstellungen und pornografische Ästhetik und damit eine negative Einflussnahme auf die Jugend vorgeworfen wurde. In der Folge wurden zahlreiche Filme und Theaterstücke mit einem Aufführungsverbot belegt, Bücher erhielten keine Druckgenehmigungen mehr und die "Beat-Bewegung“ (Walter Ulbricht) wurde für illegal erklärt. Die bildenden Künstler und Kunsthistoriker hatte man bereits im Vorfeld zur Rechenschaft gezogen: So wurde Bernhard Heisig nach seiner Rede auf dem 5. Verbandskongress 1964, in der er sich gegen die Bevormundung der Künstler wandte und die Akzeptanz moderner künstlerischer Gestaltungsmittel einforderte, als Rektor der Leipziger Kunsthochschule abberufen.

Der sozialistische Realismus war eine ideologisch begründete Richtung der Kunst des 20. Jahrhunderts mit dem Versuch einer starken Wirklichkeitsnähe und dem Fehlen von Abstraktion und Ästhetisierung. Der sozialistische Realismus stellte Themen aus dem Arbeitsleben und der Technik des sozialistischen Alltags in den Vordergrund.[37] Der Moderne zugewandte Künstler empfanden den Sozialistischen Realismus als „billige Massenkunst“ und gingen aus Angst vor politischer Verfolgung in die innere Emigration.[38] Der sozialistische Realismus wurde 1932 vom Zentralkomitee der KPdSU als Richtlinie für die Produktion von Literatur, bildender Kunst und Musik in der UdSSR beschlossen, später für das gesamte sozialistische System maßgebend, auch in den mit der Sowjetunion verbündeten Staaten. In der DDR spielte der sozialistische Realismus seit Staatsgründung 1949 eine wichtige Rolle.[39]

Ein Einschnitt in der DDR in der Kulturpolitik war die Festsetzung des Bitterfelder Weges von der Parteizentrale. Der Bitterfelder Weg sollte eine neue programmatische Entwicklung der sozialistischen Kulturpolitik einläuten. Diese sollte den „wachsenden künstlerisch-ästhetischen Bedürfnissen der Werktätigen“[40] entgegenkommen. Namensgebend war eine am 24. April 1959 veranstaltete Autorenkonferenz des Mitteldeutschen Verlages im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld, dem späteren VEB Chemiekombinat Bitterfeld.[41]Dabei sollte geklärt werden, wie den Werktätigen ein aktiver Zugang zu Kunst und Kultur ermöglicht werden kann. Die „vorhandene Trennung von Kunst und Leben“ und die „Entfremdung zwischen Künstler und Volk“ sollte überwunden, die Arbeiterklasse am Aufbau des Sozialismus umfassender beteiligt werden. Dazu sollten u. a. Künstler und Schriftsteller in den Fabriken arbeiten und Arbeiter bei deren eigener künstlerischer Tätigkeit unterstützen. Schon auf dem V. Parteitag hatte Staats- und Parteichef Walter Ulbricht 1958 eine stärkere Verknüpfung der Arbeiter mit der Kultur gefordert.  Nach der 1959 stattfindenden Konferenz wurde dieses Ziel nun als "Bitterfelder Weg" bekannt. Unter dem Motto "Greif zur Feder, Kumpel! Die sozialistische Nationalkultur braucht Dich!" wurden die Arbeiter aufgefordert, literarisch aktiv zu werden.[42] Zugleich sollten hauptberufliche Schriftsteller den umgekehrten Weg in die Produktionsbetriebe gehen, um authentisch vom Arbeitsleben zu berichten. Dies führte zur Bildung von Zirkeln schreibender Arbeiter in der gesamten DDR, aus dem auch professionelle Schriftsteller hervorgegangen sind.

Die Planung sah vor, dass bei den Sitzungen des Zirkels zuerst eine Art Weiterbildung zur Theorie des Sozialistischen Realismus gegeben werden sollte. Darüber hinaus wurden neu erschienene Werke der DDR- und Sowjetliteratur diskutiert und auch Verslehre und Ähnliches standen auf dem Programm. Anschließend lasen die Teilnehmer ihre eigenen Texte vor und dann wurde darüber diskutiert. Letztlich waren Inhalt und Durchführung der Zirkeltreffen jedoch immer maßgeblich von den einzelnen Zirkelleitern abhängig. In einigen Fällen, wenn die Zirkelleiter allzu eigenständige Methoden entwickelt hatten, kam es zu Überwachungen der Zirkel durch die Staatssicherheit und zu Maßregelungen der künstlerischen Leiter. Möglichkeiten des öffentlichen Auftretens bestanden bei den Arbeiterfestspielen und anderen Kulturereignissen wie Stadtfesten usw. Es gab auch Veröffentlichungen einzelner Zirkel in Broschürenform. Seit 1960 erschien monatlich die Zeitschrift „ich schreibe“, die vom Zentralhaus für Kulturarbeit der DDR als „Zeitschrift für die Bewegung schreibender Arbeiter“ herausgegeben wurde und sowohl theoretische als auch literarische Texte enthielt.

Schon im Dezember 1965 wurde der Bitterfelder Weg de facto aufgegeben – das Konzept, Künstler durch den Einsatz in der Produktion an Partei und Werktätige zu binden, ging nicht auf. Noch einmal, im April 1967, wollte der siebte Parteitag der SED den Bitterfelder Weg als Bestandteil des offiziellen Parteiprogramms wiederbeleben. Die angestrebte Aufhebung der Trennung von Berufs- und Laienkunst führte in der Folge jedoch zunehmend zu Differenzen mit prominenten Autoren wie beispielsweise Christa Wolf, Stefan Heym und Peter Hacks über die kritische Funktion und die gesellschaftlichen Aufgaben der Kunst. Insbesondere wurden Instrumentalisierung und Reglementierung zu Zwecken der Parteipropaganda und eine zunehmende Bevormundung befürchtet.

Erst zu Beginn der Honecker-Ära wurden die Doktrin des sozialistischen Realismus gelockert. Die Ästhetik der Moderne war für die Schriftsteller jetzt nicht mehr tabu. Wie in Lyrik und Prosa weitete sich auch im Drama die Thematik ins Allgemeine und Individuelle. Die Behauptung des einzelnen gegenüber der Gesellschaft erschien als neues Motiv.

Die Tageszeitungen der DDR waren nach einem festen Muster staatlich reglementiert:[43] Die fünf in der Volkskammer der DDR vertretenen Parteien gaben je eine überregionale Tageszeitung heraus. Drei große, der SED nahestehenden Massenorganisationen gaben je eine überregionale Tageszeitung heraus. Die SED als führende Kraft gab für jeden der 14 Bezirke und Ost-Berlin eine Regionalzeitung heraus. Die Bezirkszeitungen erschienen mit unterschiedlichen Lokalteilen (meist eine Seite) für insgesamt 218 Land- und Stadtkreise. Die Blockparteien mit Ausnahme der Bauernpartei gaben Regionalzeitungen für jeweils zwei oder drei Bezirke heraus. Das Verbreitungsgebiet entsprach etwa den Ländern aus den Anfängen der DDR, die später wieder mit ähnlichem Territorium als Bundesländer wiedereingeführt wurden.[44] Die Domowina als nationale Organisation der sorbischen Minderheit[45] gab eine eigene Tageszeitung – die Nova doba – heraus.[46] Die tatsächliche Zahl der in der DDR erschienenen Zeitungen ist um ein Vielfaches höher. Untergrundzeitungen von den verschiedensten Gruppen und Organisationen, die nicht mit den Leitlinien des SED-Staates vereinbar waren, wurden illegal gedruckt und dann im persönlichen Umfeld weiterverbreitet. Für die Wende 1989 waren diese illegalen Oppositionszeitungen ein wichtiges Medium, was aber hier nicht näher erläutert werden kann.[47]

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Fußnoten

  1.  ↑ Mampel, S.: Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik: Kommentar; mit einem Nachtrag über die Rechtsentwicklung bis zur Wende im Herbst 1989 und das Ende der sozialistischen Verfassung. 3. Auflage 1997, S. 24ff
  2.  ↑ Zitiert aus Geißler, G.: ''Geschichte des Schulwesens in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik 1945 bis 1962,'' Frankfurt am Main u. a. 2000, S. 16
  3.  ↑ Mittenzwei, W.: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln, Frankfurt/M. 1989, S. 329
  4.  ↑ Arnold, H. u.a. (Hrsg.): Literatur in der DDR. Rückblicke, München 1991, S. 89
  5.  ↑ Brenner, P.J.: Neue deutsche Literaturgeschichte. Vom „Ackermann“ zu Günter Grass, 2. Auflage, Tübingen 2004. S. 274ff
  6.  ↑ Schubbe, E. (Hrsg.): Dokumente zur Kunst, Literatur und Kulturpolitik der SED, Stuttgart 1972, S. 18
  7.  ↑ Barck, S./Lokatis, S.: Zensurspiele. Heimliche Literaturgeschichten aus der DDR, Halle 2008, S. 64
  8.  ↑ Ackermann, A.: Aufbruch, in: Staat und Recht, 14. Jahrgang, Heft 5, Mai 1965, S. 665-670, S. 666
  9.  ↑ Walther, J.: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1996, S. 25
  10.  ↑ Mittenzwei, W.: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln, Frankfurt/M. 1989, S. 98
  11.  ↑ Ebd., S. 277
  12.  ↑ Emmerich, W.: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 53
  13.  ↑ Schubbe, E. (Hrsg.): Dokumente zur Kunst, Literatur und Kulturpolitik der SED, Stuttgart 1972, S. 19
  14.  ↑ Prokop, S.: 1956 – DDR am Scheideweg. Opposition und neue Konzepte der Intelligenz, Berlin 2006, S. 82
  15.  ↑ Mittenzwei, W.: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln, Frankfurt/M. 1989, S. 329
  16.  ↑ Knopf, J. (Hrsg.): Brecht Handbuch, Band 1, Stuttgart 1988, S. 14
  17.  ↑ Ebd., S. 412
  18.  ↑ Mittenzwei, W.: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln, Frankfurt/M. 1989, S. 327
  19.  ↑ Brecht, B.: Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Frankfurt/M. 1997, Bd.3, S. 509f
  20.  ↑ Mittenzwei, W.: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln, Frankfurt/M. 1989, S. 64
  21.  ↑ Grauer, M.: DDR-Bildungspolitik 1949-1961, Köln 1989, S. 103f
  22.  ↑ Ronald Weber: ''Peter-Hacks-Bibliographie. Verzeichnis der Schriften von und zu Peter Hacks 1948–2007.'' Mainz 2008, S. 10
  23.  ↑ Felix Bartels: ''Leistung und Demokratie. Genie und Gesellschaft im Werk von Peter Hacks.'' Mainz 2010, S. 34
  24.  ↑ Vgl. dazu Greiner, B.: Von der Allegorie zur Idylle. Die Literatur der Arbeitswelt in der DDR, Heidelberg 1974;Greiner, B.: Literatur der DDR in neuer Sicht. Studien und Interpretationen, Frankfurt/M./Bern/New York 1986
  25.  ↑ Barthel, K.: Kantate auf Stalin, Berlin 1949, S. 89
  26.  ↑ Emmerich, W.: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 39
  27.  ↑ Vgl. dazu Kleinschmidt, S. (Hrsg.): Stimme und Spiegel. Fünf Jahrzehnte Sinn und Form. Eine Auswahl, Berlin 1998
  28.  ↑ Emmerich, W.: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 183f
  29.  ↑ Parker, S.: Peter Huchel und „Sinn und Form“, in: Sinn und Form, Heft 5, (1992), S. 42-48, hier: S. 43f
  30.  ↑ Arnold, H. u.a. (Hrsg.): Literatur in der DDR. Rückblicke, München 1991, S. 87
  31.  ↑ Emmerich, W.: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 183f
  32.  ↑ Arnold, H. u.a. (Hrsg.): Literatur in der DDR. Rückblicke, München 1991, S. 101
  33.  ↑ Emmerich, W.: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 186
  34.  ↑ Greiner, B.: Von der Allegorie zur Idylle. Die Literatur der Arbeitswelt in der DDR, Heidelberg 1974, S. 85
  35.  ↑ Schubbe, E. (Hrsg.): Dokumente zur Kunst, Literatur und Kulturpolitik der SED, Stuttgart 1972, S. 74
  36.  ↑ Arnold, H. u.a. (Hrsg.): Literatur in der DDR. Rückblicke, München 1991, S. 105f
  37.  ↑ Walther, J.: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1996, S. 27
  38.  ↑ Emmerich, W.: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Berlin 2000, S. 184
  39.  ↑ Arnold, H. u.a. (Hrsg.): Literatur in der DDR. Rückblicke, München 1991, S. 93
  40.  ↑ Grauer, M.: DDR-Bildungspolitik 1949-1961, Köln 1989, S. 144f
  41.  ↑ Schubbe, E. (Hrsg.): Dokumente zur Kunst, Literatur und Kulturpolitik der SED, Stuttgart 1972, S. 116
  42.  ↑ Die Sorben sind ein westslawisches Volk, das in der Ober- und Niederlausitz in den heutigen Ländern Sachsen und Brandenburg lebt und in der BRD als nationale Minderheit anerkannt ist. In der DDR besaßen sie offiziell weitgehende Autonomierechte in Kultur, Medien, Sprache und regionalen Entscheidungen und wurden vom Staat finanziell gefördert.
  43.  ↑ Ebd., S. 163
  44.  ↑ Prokop, S.: 1956 – DDR am Scheideweg. Opposition und neue Konzepte der Intelligenz, Berlin 2006, S. 89ff